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[Versprengte Notizen zum Krieg... ]

Started by Textaris(txt*bot), July 12, 2006, 01:04:52 PM

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Textaris(txt*bot)

#700
Leaks to press in the public interest shouldn't be prosecuted under the Espionage Act. Period.
Daniel Hale helped the public learn about a lethal program that never should have been kept secret. He should be thanked, not sentenced as a spy.
...
8:21 nachm. · 27. Juli 2021
https://twitter.com/ACLU/status/1420086837897478147

IgnoreArgentinaWealthTax @BSviagra
Antwort an @ACLU
You cannot have programs that slaughter innocents in Middle East and make it public..... that just does not work....
8:22 nachm. · 27. Juli 2021
https://twitter.com/BSviagra/status/1420087315997749250

"US-Drohnenkrieg: Whistleblower Daniel Hale muss 45 Monate ins Gefängnis" Stefan Krempl (28.07.2021)
Der frühere US-Militäranalyst Daniel Hale wurde wegen des Durchstechens von Geheimnissen über US-Drohnenschläge verurteilt.
https://www.heise.de/news/US-Drohnenkrieg-Whistleblower-Daniel-Hale-muss-45-Monate-ins-Gefaengnis-6150055.html

-

Quote[...] Weil er geheime Dokumente zu den Drohnenangriffen der USA veröffentlichte, wurde Daniel Hale am Dienstag zu 45 Monaten Haft verurteilt. Der ehemalige Air-Force-Analyst bekannte sich bereits im Vorfeld schuldig, eine Reihe von Geheimdokumenten – auch "Drone Papers" [https://theintercept.com/drone-papers/] genannt – weitergegeben zu haben, die die Funktionsweisen, aber auch die schweren zivilen Verluste des Drohnenprogramms offenlegten. Gegenüber dem Richter Liam O'Grady sagte er: Er glaubte, dass "es notwendig war, die Lüge zu zerstreuen, dass uns Drohnenangriffe schützen würden und unser Leben mehr wert ist als ihres", berichtet "The Intercept". Die Anklage forderte die Höchststrafe von elf Jahren.

https://theintercept.com/2021/07/27/daniel-hale-drone-leak-sentencing/

https://www.derstandard.at/story/2000128457121/whistleblower-der-dokumente-zu-us-drohnenangriffen-leakte-drohen-elf-jahre

Vor Gericht befinde er sich, "weil ich etwas gestohlen habe, das mir nie gehörte – kostbare Menschenleben", sagte Hale. "Ich konnte nicht weiterhin in einer Welt leben, in der Menschen so tun, als würden diese Dinge nicht passieren." In seinem Urteil sagte O'Grady, dass Hale nicht wegen seiner Aussagen über das Drohnenprogramm strafrechtlich verfolgt werde. Stattdessen hätte er die Rolle des Whistleblowers seines Erachtens auch ohne die Veröffentlichung geheimer Dokumente wahrnehmen können.

Hale wurde 2019 im Rahmen des Espionage Act von einer Grand Jury wegen der unbefugten Offenlegung von Geheimdienstinformationen sowie des Diebstahls von Regierungseigentum angeklagt und festgenommen. Darin wurde einerseits offengelegt, wie Angriffsziele ausgewählt werden, andererseits aber auch, wie oft dabei Menschen getötet werden, auf die die Angriffe eigentlich gar nicht abzielen. Zusätzlich wurde er mit der Veröffentlichung eines einst unter Geheimhaltung stehenden Regelwerks in Verbindung gebracht, in dem dargelegt wird, nach welchen Kriterien Personen zu Beobachtungslisten hinzufügt werden.

Empfänger der geleakten "Drone Papers" soll damals "The Intercept" gewesen sein, wie auch Regierungsunterlagen nachlegen. In einem Statement am Dienstag sagte die Chefredakteurin Betsy Reed: "Daniel Hale wird Jahre im Gefängnis verbringen, weil er Dokumente geleakt hat, die nach Angaben der Regierung von 'The Intercept' veröffentlicht wurden. Diese Dokumente enthüllen die Wahrheit über den geheimnisvollen, mörderischen Drohnenkrieg der US-Regierung, einschließlich der Tatsache, dass die Tötung von Zivilisten weitaus verbreiteter war als bisher bekannt. 'The Intercept' wird kein Kommentar zu seinen Quellen abgeben. Aber wer auch immer die fraglichen Dokumente ans Licht brachte, diente zweifellos einem edlen öffentlichen Zweck."

Bei Anklagen im Rahmen des Espionage Act könnten sich Angeklagte zur Verteidigung nicht darauf berufen, mit ihren Bemühungen die Öffentlichkeit über Maßnahmen und Operationen der Regierung informieren zu wollen, so "The Intercept". Ex-Präsident Barack Obama nutzte das Gesetz, um gegen Regierungsmitarbeiter vorzugehen, die geheime Informationen an Medien trugen.

"In der heutigen Urteilsverkündung wies das Gericht die extremen Forderungen der Staatsanwaltschaft zwar zurück, aber Hales Gefängnisstrafe ist dennoch ein weiteres tragisches Beispiel dafür, wie die Regierung das Spionagegesetz missbraucht, um angebliche journalistische Quellen als Spione zu bestrafen", sagt Reed weiter. Dies sei eine Praxis, die den Menschenrechten, der Pressefreiheit und der Demokratie schade. (mick, 28.7.2021)


Aus: "Whistleblower wegen Leaks zu US-Drohnenangriffen zu 45 Monaten Haft verurteilt" (28. Juli 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000128517822/whistleblower-wegen-leaks-zu-us-drohnenangriffen-zu-45-monaten-haft

Quote
Frodo Der Hobbit

Die restliche Welt schaut wie das Kaninchen auf die Schlange ...


Quote
Ehrt die Vergangenheit!

Sehr gut.

Wenn jetzt begonnen wird dass Militärangehörige aus "moralischen Gründen" ihre Schweigepflicht verletzen, können wir unsere westliche Welt gleich aufgeben und den Feinden übergeben.


Quote
puzzled

Wo ziehen denn Sie persönlich die Grenze, ab wann ist eine Verletzung der Schweigepflicht für Sie akzeptabel?
Verheerende Verluste in der unschuldigen Zivilbevölkerung ist es wohl nicht.

Folter?
Massenerschießungen?
Chemische Waffen?

Oder ist für Sie eh alles erlaubt?


Quote
Ehrt die Vergangenheit!

Die Gedanken sind frei :)

Zum Glück darf ich mich für mich meiner Gedanken erfreuen und mir ein lächeln ins Gesicht zaubern.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die USA üben scharfe Kritik an den radikalislamischen Taliban in Afghanistan. Die Berichte über Taten der Taliban seien "zutiefst verstörend und vollkommen inakzeptabel", sagte US-Außenminister Antony Blinken in Washington, D. C. Sein Ministerium teilte mit, die Taliban seien für die meisten der "grauenhaften Gewalttaten" im Land verantwortlich. Sie würden kaum Rücksicht auf menschliches Leben oder die Rechte des afghanischen Volkes nehmen.

Die US-Botschaft in Kabul warf den Taliban in einem Tweet vor, Dutzende Zivilisten im Gebiet von Spin Boldak in der Provinz Kandahar getötet zu haben. Die Botschaft forderte, die Führer der Taliban müssten zur Rechenschaft für die Verbrechen ihrer Kämpfer gezogen werden. Ein Mitglied der Talibandelegation in Doha in Katar sagte, die Vorwürfe seien unbegründet. In Doha verhandeln die afghanische Regierung und die Taliban über eine Beilegung des Konflikts.

Bis zum Ende des Monats wollen die USA alle Soldaten aus Afghanistan abziehen. Die Bundeswehr hat ihr Mandat im Norden des Landes am 30. Juni beendet und alle Soldaten zurückgeholt. Die Taliban haben im Kampf gegen Truppen der Regierung in Kabul bereits viele Bezirke in Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht.

Die US-Regierung will nun Tausende weitere Afghaninnen aufnehmen, die während des dortigen Militäreinsatzes für die USA oder Einrichtungen mit US-Bezug gearbeitet hatten, teilte das Außenministerium mit. Dies solle etwa für Afghanen gelten, die für die Vereinigten Staaten tätig gewesen seien, aber nicht die Mindestbeschäftigungsdauer erreicht hätten, um ein spezielles Einwanderungsvisum zu beantragen.

Vorgesehen ist die Regelung auch für Afghaninnen und Afghanen, die für von der US-Regierung unterstützte Programme gearbeitet haben – und für jene, die in dem Krisenland für Nichtregierungsorganisationen oder Medien aus den USA im Einsatz waren. Die Regelung werde es "vielen Tausend" Afghaninnen sowie deren Partnern und Kindern ermöglichen, in die USA umzusiedeln, hieß es. "Sie waren für uns da. Wir werden für sie da sein", sagte Außenminister Blinken.

Für Kritik sorgte dabei, dass Afghanen für dieses Programm zunächst aus eigener Kraft das Land verlassen und für zwölf Monate oder mehr in einem Drittstaat unterkommen müssen, während ein solcher Antrag auf Umsiedlung bearbeitet wird.

Afghanen, die für die Amerikaner gearbeitet haben, droht nach dem Abzug der US-Truppen die Rache der Taliban. Zahlreiche Afghanen, die zum Beispiel als Dolmetscher beim US-Militär angestellt waren, können spezielle Einwanderungsvisa für die USA beantragen, um dort ein neues Leben beginnen zu können. Am Freitag war ein erstes Flugzeug mit rund 200 afghanischen Helferinnen und ihren Familien an Bord in den USA gelandet. Am Montag sei ein zweites Flugzeug mit einer ähnlich großen Gruppe angekommen, sagte Blinken.

Insgesamt sind laut US-Regierung aktuell etwa 2.500 Personen für die Aufnahme in die USA mit solchen Spezialvisa vorgesehen. Kritiker hatten jedoch gemahnt, ein solches Visum helfe nur einem kleinen Kreis an Personen. Weit mehr Afghanen hätten sich durch eine Zusammenarbeit mit US-Stellen in Gefahr gebracht und bräuchten Hilfe. Das Außenministerium weitete die Optionen daraufhin aus.


Aus: "USA werfen Taliban "grauenhafte Gewalttaten" vor" (3. August 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/afghanistan-taliban-usa-antony-blinken

QuoteMartin Schreiber #55

"Verstörende Berichte" haben uns allerdings auch durchaus häufig über das Vorgehen der Alliierten erreicht. Dem sind leider auch nicht selten ganze Gruppen von Zivilisten zum Opfer gefallen.
Das sollten wir dabei auch nicht vergessen.


QuoteWilliam S. Christ #23

Hat irgendwer was anderes erwartet?

Die westlichen Besatzungstruppen - etwas anderes war es ja real nicht - ziehen ab, weil sie ENDLICH nach 20 Jahren eingesehen haben, dass sie die Taliban-Bewegung nicht militärisch besiegen können. Und die immer mehr und mehr erstarkenden Taliban legen dann einfach die Waffen nieder und beteiligen sich an einem halbwegs demokratischen Staat ähnlich westlicher Staaten?

Wer das ernsthaft dachte, ist entweder hoffnungslos naiv oder hat keinerlei Ahnung von der Realität.

Verhandeln müssen die Taliban auch nicht mehr wirklich mit der Kabul-Regierung. Schon jetzt gehört ihnen der größte Teil Afghanistans, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie wieder offiziell die Herrschaft im gesamten Land haben. Lange wird es nicht mehr dauern.

So genannte Verräter und Kollaborateure werden je nach ,,Schwere der Schuld" bestraft. Da ist man ja nicht zimperlich, ist schließlich ,,Allahs Wille".

So zu tun, als sei man überrascht und prangere die Aktionen der Taliban an, ist ziemlich scheinheilig.


QuoteHerbertS. #24

Schlimm, in welchem Zustand die US-Besatzer das Land hinterlassen. Dabei wollten sie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte bringen, angeblich....


Quotetartan #32

Dutzende tote Zivilisten klingt wie das Ergebnis eines Drohnenangriffs.


QuoteRauberg #40

Wir wollten es so.


QuoteSüdsee #45

Durch Gewalt und Krieg entsteht Gewalt und Krieg.Ein Land, dass seit über 40 Jahren nur Krieg erlebt hat, kennt nichts anderes.


QuoteTorrente #47

Grausam und zu 100% erwartbar. Und es wird noch viel schlimmer kommen und damit die Flüchtlingsströme aus AFG verstärken.


QuoteTrutschwan #58

Die USA sind für tausende zivile Opfer in Afghanistan durch Drohnen Angriffe verantwortlich.
Die sind da rein gegangen und haben ein ohnehin instabiles Land weiter destabilisiert.
Jetzt zieht man sich zurück, der Krieg ist verloren und man kommt zu Hause in Erklärungsnot, weil man sinnlos tausende eigene Soldaten geopfert hat.
Die sollen den Ball flachhalten und sich für ihre Gräueltaten vor dem internationalen Strafgerichtshof verantworten (den sie ja aber klugerweise nicht anerkennen).
Widerliche Heuchelei.


QuotePaul Freiburger #58.1

Die USA und die Verbündeten haben Afghanistan stabilisiert!


Quote1971koepi #58.2

Absolute Zustimmung. Die Bombardierung von Hochzeitsgesellschaften, Beerdigungen, ... mittels Drohnen ist um keinen Deut besser als das, was den Taliban vorgeworfen wird. Sich dann selbst auch noch dem IStGH zu verweigern, dem sogar zu drohen, ist der blanke Hohn.


Quotewessi09 #61

Wann wurden denn die Führer der US-Armee oder der Bundeswehr für das Töten von Zivilisten zur Rechenschaft gezogen? Ein Staat, der sogar in Nicht-Kriegsgebieten Menschen per Drohnen ermorden lässt, hat jedes Recht zur moralischen Verurteilung anderer verloren. Und die Kollaborateure in Deutschland, Ramstein usw. genauso. Es ist ja lediglich der Verteilung der technischen Fähigkeiten (und nicht der moralischen Rechtfertigung) geschuldet, dass die mit Drohnen angegriffenen keine Vergeltungsschläge nach Ramstein oder die Drohnensteuerzentren in den USA machen.


Quotefisher53 #61.1

Sie haben natürlich vollkommen recht. Ihre und meine Erkenntnis ist allerdings keineswegs mit der bei uns in Deutschland stattfindenden Propaganda kompatibel. Die Taliban konnten in dem sage und schreibe zwanzigjährigen Krieg nicht besiegt werden. Man muß kein Prophet sein um voraus zu sagen, das die die Macht wieder übernehmen werden. Nach einem langen und opferreichen Bürgerkrieg. Für die Afghanen geht das Sterben weiter. ...


QuoteTornados #67

Die Welt wäre friedlicher wenn sich jedes Land um sich selber kümmert.
Die Taliban hatten nichts mit dem 11.September zutun. Das hat Ihnen aber auch nicht geholfen, wenn militärische und wirtschaftliche Interessen des Westens im Vordergrund stehen. Wer hat die Taliban den unterstützt als es geben die Russen ging? Bis dahin gab es Mädchenschulen und relative Glaubensfreiheit. Das wollen wir aber nicht wahrhaben.
Das ist wie beim Zauberlehrling, sollten mal einige lesen.
Menschenrechte dienen doch nur als Alibi. Ich glaube schon das viele Menschen daran interessiert sind und überzeugt sind das sie sich für was gutes einsetzen.
Aber den Politikern in der westlichen Zivilisation spreche ich das ab. Die kritisieren und verurteilen nur wo es ihnen passt. Es wird grundsätzlich mit zweierlei Maß gemessen.
Durch den Einklang und der im Prinzip einseitigen Berichterstattung sind wir im Westen absolut manipuliert. Die Machtzentralen aus Politik, Medien und Wirtschaft haben es geschafft, dass wir auch noch glauben wir können uns eine eigene Meinung bilden. Ich habe Jahre gebraucht diesen Zusammenhang zu erkennen und mir graut vor dem was in den nächsten Jahren auf uns zukommt.


QuoteWolfg. #76

Eine Illusion wurde leider wieder einmal bestätigt: Frieden schaffen MIT Waffen.


QuoteGroße Holl #76.1

Hat aber 1945 in Deutschland recht gut geklappt.


Quoteritarichtig #77

USA werfen Taliban "grauenhafte Gewalttaten" vor.....
Über diese Aussage würde ich mich gerne mal mit Assange unterhalten.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Bundeswehr hat die afghanischen Sicherheitskräfte während ihres 20-jährigen Einsatzes mit 10.000 Pistolen ausgerüstet. Daneben sei seit 2002 nur Sanitätsmaterial und Bekleidung an die Armee und die Polizei abgegeben worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Pistolen vom Typ Walther P1 seien bereits 2006 kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Was daraus nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban geworden ist, ist dem Ministerium nicht bekannt. "Es liegen dem BmVg (Verteidigungsministerium) keine Erkenntnisse darüber vor, ob diese Güter in die Hände der Taliban gelangt sind", erklärte eine Sprecherin. Die afghanischen Streitkräfte hatten sich vielerorts kampflos den Taliban ergeben.

Ausgerüstet worden ist die afghanische Armee in den 20 Jahren des internationalen Militäreinsatzes vor allem von den USA. Alleine zwischen 2013 und 2016 statteten die Vereinigten Staaten Armee und Polizei mit fast 600.000 Schusswaffen, 76.000 Fahrzeugen und mehr als 200 Flugzeugen aus, wie das "Wall Street Journal" vergangene Woche unter Berufung auf einen US-Regierungsbericht berichtete.

In Washington wird freimütig eingeräumt, dass viel von dem militärischen Gerät nun wohl von den Islamisten genutzt wird. "Wir haben natürlich kein vollständiges Bild davon, wohin die einzelnen Rüstungsgüter gegangen sind, aber sicherlich ist eine ganze Menge davon in die Hände der Taliban gefallen", sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan.

Die Bundesregierung hat seit Beginn des Militäreinsatzes 2002 den Export von Kriegswaffen und anderen Rüstungsgütern für 419 Millionen Euro nach Afghanistan genehmigt. Der weitaus größte Teil wurde allerdings an die Streitkräfte der NATO-Verbündeten, an Botschaften oder an die Vereinten Nationen geliefert, darunter Panzer, gepanzerte Fahrzeuge sowie Handfeuerwaffen wie Gewehre und Maschinenpistolen. An afghanische Sicherheitskräfte ging nur ein geringer Teil, vor allem geschützte Fahrzeuge, Minenräumgeräte, verstärkte Container, Schutzausrüstung oder Kommunikationsgeräte. Das geht aus den jährlichen Rüstungsexportberichten der Regierung und einer aktuellen Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor.

Quelle: ntv.de, jog/dpa


Aus: "Verbleib heute unklar Afghanistan bekam 10.000 Bundeswehr-Pistolen" (Mittwoch, 25. August 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Afghanistan-bekam-10-000-Bundeswehr-Pistolen-article22762834.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Bundesregierung hat in der laufenden Wahlperiode bisher Rüstungsexporte im Wert von 22,5 Milliarden Euro genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Hauptempfänger waren mit Ungarn (2,66 Milliarden Euro) und den USA (2,36 Milliarden) zwei Nato-Staaten.

Unter den zehn wichtigsten Abnehmerstaaten der deutschen Rüstungsindustrie sind aber auch mehrere Länder, die weder der Nato noch der Europäischen Union angehören - unter anderen Algerien (2,0 Milliarden), Ägypten (1,88 Milliarden) und Katar (0,72 Milliarden). Besonders umstritten sind die Ausfuhren nach Ägypten, weil der Regierung des arabischen Landes nicht nur Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, sondern sie auch in die Konflikte im Jemen und in Libyen verwickelt ist.

Die Zahlen gelten für den Zeitraum von der Konstituierung des Bundestags am 24. Oktober 2017 bis zum 8. August 2021. In diesen Zeitraum fällt das Rekordjahr 2019, in dem die Regierung aus Union und SPD Rüstungsexporte für 8,02 Milliarden Euro genehmigt hatte. Für die vorhergehende Legislaturperiode gibt es keine genaue Vergleichszahl. In der gesamten Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit Ende 2005 summieren sich die genehmigten Ausfuhren auf mehr als 85 Milliarden Euro. Das geht aus den Exportberichten der Regierung hervor.

Die Linke-Außenpolitikerin Dagdelen kritisierte die Rüstungsexporte in der laufenden Wahlperiode als "Öl ins Feuer der zahlreichen Kriege und Konflikte". "Es braucht hier dringend einen Politikwechsel hin zu einem Stopp der Waffenexporte insbesondere an Entwicklungsländer sowie in Spannungs- und Kriegsgebiete", forderte sie.


Aus: "Rüstungsexporte im Wert von 22,5 Milliarden Euro genehmigt" (29. August 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-08/ruestungsexporte-deutschland-bundesregierung-waffen-ruestungsindustrie-wahlperiode-ungarn-usa-aegypten

QuoteWalter Sobtchak #3

Rüstungsexporte im Wert von 22,5 Milliarden genehmigt

Sehr gut!
Das sichert viele Arbeitsverhältnisse in einer innovativen Industrie, die ihre Mitarbeiter noch nach Tariflöhnen der Metall- und Elektroindustrie bezahlt und die Arbeitnehmervertretungen stark sind.
Diese Arbeitsplätze sind mir 100x lieber und erhaltenswerter als ausgebeutete, radelnde Gorillas, Paketfahrer für Amazon oder einem Sub- Sub- Subunternehmen der Deutschen Post.



QuoteCapQuadrat #3.5

Diese Antwort lässt mich sofort an Jordan Klepper denken, sehr schön!
[Jordan Klepper (born March 9, 1979) is an American comedian, writer, producer, political commentator, actor, and television host.]



Quotegregtolk #38

Wir müssen über Leichen gehen um die Arbeitsplätze zu erhalten!


QuoteDagehtnochwas #3.9

Es geht halt nichts über sorgfältig beschränkte Weltsichten.


QuoteNochNeMeinung #4

Wenn Deutschland in der Lage bleiben will, die politisch Souveränität für die Bewaffnung der Bundeswehr zu behalten, ohne dafür bei den Beschaffungskosten noch tiefer in die Steuerkasse zu greifen, dann führt an den Rüstungsexporten kein Weg vorbei. ...


QuoteDarth Nihilus #4.4

Jetzt kommt sicher gleich das 'Argument' "wenn wir es nicht tun ,tun es andere"...


QuoteQue Che #4.5

Ja, so kann man so ziemlich jedes Verhalten, jede Sauerei, jedes Verbrechen rechtfertigen. Irgendjemand, irgendwo macht es sonst.


QuoteRobert Nozick #4.6

Ich finde das Argument lieber verdiene ich dran als ein anderer völlig ausreichend.


QuoteQue Che #4.7

Das ist kein Argument, sondern eine Rechtfertigung für grenzenlosen Egoismus.
Kann man machen, aber dann bitte nicht über böse Politiker, Kriminelle und andere böse Menschen schimpfen. Ihr macht alle das Gleiche.


QuoteAlpenjodsalz #12

Gute Nachrichten für unsere Wirtschaft.
Sowieso ein Unding, dass man als Unternehmen für Verteidigungsgüter eine Ausfuhrgenehmigung benötigt.


QuoteOverTheHills #12.1

Schlechte Nachrichten für die Zivilbevölkerung in Krisengebieten.
Sowieso ein Unding, dass man als Flüchtling nicht unbegrenzt in Deutschland einwandern kann.


QuoteGonzales1 #14

Kriege werden vom Waffenexporteur Abhängig, keine Waffen keine Kriege.
Deutschland ist der viert größter Waffenexporteur, ...


QuoteErbauer2 #14.1

Keine Waffen ist aber nun mal Utopie. Schön wär's, aber die Realität sieht anders aus. ...


Quotenurweissealtemännerhier #15  —  vor 22 Stunden
12

JAWOLL!
EXPORTWELTMEISTER!
WIR SIND WIEDER WER!

Herrje, ist das alles bitter.
Dazu noch die verlogene Position der Bundesregierung, angeblich nicht an beteiligte im Jemen Krieg zu liefern, aber die Augen davor zu verschließen, wer da tatsächlich praktisch beteiligt ist - denn das hätte ja unbequem für die diversen Lieferungen an Saudi Arabien werden können - nur eine von vielen lupenreinen Demokratien, die die Menschenrechte wir eine Monstranz vor sich her halten, und an die 'wir' fleißig liefern.

Bürgerkrieg im Jemen: Deutsche Waffen an beteiligte Staaten  (2018)
https://taz.de/Buergerkrieg-im-Jemen/!5537337/

Hurra!



QuoteS.Mali #45

Mit viel guten deutschen Waffen, viel mehr Frieden unter Freunden schaffen.

Nicht das noch irgendwelche Dummköpfe auf den Irrglauben verfielen, daß hilfreiche Technologie pro Umweltschutz, Ökologie, Emissionenreduktion, und dergleichen viel wichtiger für den Weltfrieden sein könnten.


...

Textaris(txt*bot)

#704
Quote[...] Im Syrien-Krieg sind seit dessen Ausbruch vor zehn Jahren mehr als 350.000 Zivilisten getötet worden. Diese Zahl gab die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, bekannt. Es handle sich ausschließlich um überprüfte Fälle – die tatsächliche Zahl der Getöteten liege mit Sicherheit höher, erklärte sie.

Das Büro der Menschenrechtskommissarin hatte die Ermittlung der zivilen Opferzahl in Syrien im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats vorgenommen. Bei der Vorstellung der Ergebnisse vor dem Gremium betonte Bachelet, in die Datensammlung eingeflossen seien nur Fälle, in denen der volle Name der getöteten Person sowie das Todesdatum und das betreffende Gouvernement bekannt seien.

Unter den 350.209 dokumentierten Todesopfern sind den Angaben nach 26.727 Frauen und 27.126 Kinder. Die meisten Menschen starben in Aleppo (51.731), gefolgt vom Großraum Damaskus mit 47.483 und der Stadt Homs mit 40.986 Toten.

"Hinter jedem verzeichneten Tod stand ein Mensch, frei geboren und gleich an Würde und Rechten", sagte die frühere chilenische Präsidentin Bachelet. Das Unrecht und der Schrecken jedes dieser Schicksale müsse zum Handeln nötigen. Der Alltag der syrischen Bevölkerung sei "nach wie vor von unvorstellbarem Leid gezeichnet, und die Gewalt, die sie ertragen müssen, nimmt kein Ende".

Im März 2011 waren in Syrien Proteste gegen die Führung von Präsident Baschar al-Assad gewaltsam niedergeschlagen worden. Der Konflikt entwickelte sich zu einem Bürgerkrieg, in den viele ausländische Mächte eingriffen. Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge haben das Land verlassen. Mithilfe Russlands und des Irans konnte die Regierung nach anfänglichem Gebietsverlust wieder große Teile des Landes einnehmen. Im Osten herrschen Kurden mit US-Unterstützung, in Teilen Nordsyriens türkische Truppen und islamistische Milizen. Laut UN kontrolliert Assad derzeit rund 70 Prozent des Landes und 40 Prozent der Bevölkerung. Nach einer umstrittenen Wahl ist er im Juli für eine vierte Amtszeit vereidigt worden.

UN-Menschenrechtsbeobachter sehen derzeit keine Hoffnung für eine Aussöhnung in dem Bürgerkriegsland. Regierungskräfte würden Menschen im Land willkürlich inhaftieren und foltern, hieß es kürzlich von der Untersuchungskommission für Syrien. Es gebe nach wie vor einen "Krieg gegen die Zivilbevölkerung".


Aus: "Laut UN mehr als 350.000 getötete Zivilisten in Syrien" (24. September 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-09/syrien-baschar-al-assad-regime-krieg-terrorismus-menschenrechtskommissarin

-

Quote[...] US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat angeordnet, einen tödlichen Luftangriff des US-Militärs in Syrien im März 2019 erneut zu untersuchen. Laut seinem Sprecher John Kirby wurde der General Michael Garrett mit der Prüfung beauftragt. Dieser solle innerhalb von 90 Tagen entscheiden, ob Beteiligte zur Verantwortung gezogen werden sollten. Bei dem Angriff kamen viele Zivilisten ums Leben, darunter auch Kinder.

Der Angriff, über den die New York Times in diesem Monat erstmals ausführlich berichtete, ereignete sich in der Nähe der Stadt Baghus im Osten Syriens in der Nähe der Grenze zum Irak. Die Zeitung berichtete, ein Justiziar des Militärs habe den Angriff schnell als mögliches Kriegsverbrechen eingestuft, das eine Untersuchung notwendig mache. Die Streitkräfte hätten jedoch in mehreren Phasen interveniert, um den Angriff zu vertuschen und die Zahl der Toten herunterzuspielen.

Nach der Veröffentlichung des Artikels bat Austin den Befehlshaber des US-Zentralkommandos, General McKenzie, um eine Unterrichtung. Dessen Kommando teilte mit, eine erste Untersuchung habe ergeben, dass es sich bei dem Angriff um legitime Selbstverteidigung zur Unterstützung der syrischen Partner gehandelt habe, die von der Terrorgruppe IS beschossen worden seien.


Aus: "Pentagon-Chef lässt tödlichen Angriff in Syrien überprüfen" (30. November 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/usa-pentagon-syrien-angriff-tote-zivilisten-untersuchung

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Bürgerkriegsland Jemen hat nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef einen "beschämenden Meilenstein" erreicht: Seit Beginn der Kämpfe im März 2015 seien mehr als 10.000 Minderjährige getötet oder verwundet worden. Dabei handele es sich lediglich um die Fälle, die Unicef dokumentiert habe, betonte das Hilfswerk. Die wahre Zahl liege wohl höher, weil viele Fälle nicht gemeldet würden, sagte Unicef-Sprecher James Elder in Genf.

Der ohnehin stark verarmte Jemen liegt nach dem jahrelangen Bürgerkrieg in Trümmern. Mehr als 20 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lage in dem Land gilt den Vereinten Nationen als schlimmste humanitäre Krise der Welt.

Laut Unicef sind vier von fünf Minderjährigen auf humanitäre Hilfe angewiesen – insgesamt elf Millionen. 400.000 Kinder sind schwer unterernährt. "Sie hungern, weil Erwachsene einen Krieg führen, in dem Kinder die größten Verlierer sind", sagte Elder.

Mehr als zwei Millionen Minderjährige besuchen keine Schule mehr. 1,7 Millionen Minderjährige seien durch Kämpfe und Gewalt mit ihren Familien vertrieben worden. 15 Millionen Menschen, davon 8,5 Millionen Minderjährige, hätten kein sauberes Trinkwasser oder keine Abwasserversorgung. Zwei Drittel der Lehrerinnen und Lehrer – insgesamt mehr als 170.000 – hätten in den vergangenen vier Jahren kein regelmäßiges Gehalt bekommen.

...


Aus: "Mehr als 10.000 Kinder im Bürgerkrieg im Jemen verwundet oder getötet" (19. Oktober 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-10/jemen-buergerkrieg-unicef-kinder-10000-verwundet-getoetet

QuoteCommomsense2006 #5

Erstaunlich, dass man winen ganzen Artikel über das unsäglich Leid und Elend der jemenitischen Bevölkerung zu schreiben und den Hauptprotagonisten, nämlich unseren Handelspartner Saudi-Arabien, mit keinem Wort zu erwähnen, statt dessen wird das Ganze als "Bürgerkrieg" behandelt, ganz so, als ob in erster Linie die Jemeniten sich gefenseitig an die Kehle gingen.


Quotechris_b #7

kinder, die nie eine kindheit hatten, massakriert in diversen konflikten/kriegen dieser welt,
kinder, die nie eine kindheit hatten, aufgerieben in dieser welt durch politische systeme,
kinder, die nie eine kindheit hatten, verdammt als sklavenarbeiter in menschenunwürdigen tätigkeiten den lebensunterhalt zu verdienen,
kinder, die nie eine kindheit hatten, durch umweltbedingungen zu leben, als wäre die hölle der schönste spielplatz der welt...

kinder, die nie eine kindheit hatten...


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Quote[...] Die Militärintervention im Jemen seit 2015 ist eine militärische und politische Intervention einer von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz im Jemen, der neben Saudi-Arabien Ägypten, Bahrain, Katar (bis 2017), Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko (bis 2019), Sudan und seit Mai 2015 Senegal angehören und die von den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützt wird. ...


https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rintervention_im_Jemen_seit_2015

Humanitäre Aspekte der Militärintervention im Jemen seit 2015
https://de.wikipedia.org/wiki/Humanit%C3%A4re_Aspekte_der_Milit%C3%A4rintervention_im_Jemen_seit_2015

Textaris(txt*bot)

Der erste Band wurde politisch frisiert, der zweite mitsamt Notizen vom KBG konfisziert. Jetzt ist Wassili Grossmans ,,Stalingrad" aus einem Typoskript restauriert worden und bietet tiefe Einblicke in die Sowjetunion des Zweiten Weltkriegs
Lennart Laberenz | Ausgabe 46/2021
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/krieg-und-alltag

80 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion erscheint Wassili Grossmans Monumentalwerk ,,Stalingrad" um die Weltkriegsschlacht in einer restaurierten Fassung ohne Zensureingriffe. Der Roman (Claassen Verlag) gibt Einblicke in den Alltag der Menschen in ihrem Kampf gegen die Wehrmacht. Die Geschichte um die Familie Schaposchnikow ist der Vorläufer des später erschienenem Grossman-Opus-magnum ,,Leben und Schicksal". ... So sei es etwa tabu gewesen, Diebstahl und Trunkenheit oder auch Ungeziefer wie Wanzen, Kakerlaken, Läuse und Flöhe zu erwähnen, heißt es in einem Nachwort von Robert Chandler, der die englische Ausgabe herausgebracht hat. ,,Der sozialistische Realismus legt Wert auf Eindeutigkeit und Anständigkeit." Ein Roman um die heldenhafte Schlacht von Stalingrad sollte damals nur positive Bilder vermitteln. Nun hätten Figuren aber ihre ursprünglichen Ecken und Kanten wieder.
Auch eine in den 1950er Jahren vom Dietz-Verlag in der DDR unter dem Titel ,,Wende an der Wolga" veröffentlichte Fassung des Romans, der in der UdSSR unter dem Titel ,,Sa prawoje delo" (,,Für eine gerechte Sache") erschien, war zensiert worden. ,,Sowjetische Soldaten oder Funktionäre als Menschen darzustellen, die sich in militärisch entscheidenden Situationen kindisch oder eigennützig verhielten, kam nicht infrage", sagte Chandler. So verlässt sich in einer Szene ein General auf eine Ziege und nicht auf seinen Kompass, um aus einem Sumpf herauszufinden. ... ,,,Stalingrad' und ,Leben und Schicksal' können nun nacheinander gelesen werden", schreibt der Osteuropa-Experte und Historiker Jochen Hellbeck in einem Vorwort zum Buch. Während ,,Stalingrad" die "geistigen Horizonte der Kriegszeit aufzeigt und die Schlacht von Stalingrad als Anbruch der ,,unerbittlichen und frohen Stunde des Menschen" beschwört, entstand der Folgeband im späteren Wissen, dass diese enormen Hoffnungen nicht eingelöst wurden". ...
https://orf.at/stories/3234832/

Stalingrad Wassili Grossman - Christine Körner, Maria Rajer, Andreas Weihe (Übers.), Claassen Verlag 2021, 1.280 S.,

Wassili Semjonowitsch Grossman (auch Vassily, Wassilij, russisch Василий Семёнович Гроссман; * 29. Novemberjul. / 12. Dezember 1905greg. in Berditschew, Russisches Kaiserreich; † 14. September 1964 in Moskau) war ein sowjetischer Schriftsteller und Journalist. ... Einige Kritiker verglichen Grossmans Romane mit Lew Tolstois monumentaler Prosa. 1998 drückte Solschenizyn seinen ,,großen Respekt" für Grossmans ,,geduldige, beharrliche, weitreichende Arbeit" aus. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Semjonowitsch_Grossman

Wassili Grossman (1905 - 1964) in Berditschew, Ukraine, geboren, war zunächst Chemieingenieur. Als einer der bekanntesten linientreuen sowjetischen Schriftsteller erlebte er den "Vaterländischen" Krieg als Korrespondent der Armeezeitung Roter Stern, sah sich aber nach Kriegsende heftigen Angriffen ausgesetzt. Das Manuskript von "Leben und Schicksal" wurde 1961 beschlagnahmt, drei Jahre später starb Grossman. Die russische Originalausgabe erschien 1980 in Lausanne, die deutsche Erstausgabe 1984. Neben "Leben und Schicksal" hinterließ Wassili Grossman zahlreiche Novellen und Erzählungen.
https://www.perlentaucher.de/autor/wassili-grossman.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Journalist_(Sowjetunion)

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Kriegsberichterstatter_(Zweiter_Weltkrieg)

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Literatur_(20._Jahrhundert)

...

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Quote[...] Dem Bericht [Report der Hilfsorganisation ,,Krieg gegen Kinder"] zufolge (erstellt gemeinsam mit dem Peace Research Institute Oslo) wachsen immer mehr Mädchen und Jungen in einer Konfliktregion auf. 2020 waren es weltweit 452 Millionen Kinder – ein Anstieg um fünf Prozent gegenüber 2019.

Dies sei auf Gewaltausbrüche in Mosambik sowie auf die anhaltenden oder verschärften Konflikte in Afghanistan (das Land gilt als das gefährlichste für Kinder), der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria und im Jemen zurückzuführen – alles Staaten, die auch unter den Folgen des Klimawandels und Hungerkrisen leiden.

Allein 193 Millionen Minderjährige lebten ,,unter gefährlichsten Lebensumständen". Darunter versteht Save the Children das Leben in Konfliktgebieten mit mehr als 1000 Toten im zurückliegenden Jahr.

... ,,Inmitten der Pandemie haben die Vereinten Nationen zu einem globalen Waffenstillstand aufgerufen – erfolglos", erklärte Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children. ,,Ob Covid-19 oder die Klimakrise mit allen Auswirkungen: Kinder in Konflikten trifft es immer noch schwerer. Für sie besteht ein großes Risiko, getötet, verletzt oder in Konflikten rekrutiert zu werden. Diese Mädchen und Jungen kennen oft nichts als Gewalt und Kampf. Dabei haben sie das Recht auf eine unbeschwerte Kindheit."

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Aus: "450 Millionen Kinder leben in Konfliktgebieten" Christian Böhme (30.11.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/report-ueber-kinder-im-krieg-450-millionen-kinder-leben-in-konfliktgebieten/27848182.html

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Quote[...] Einem Bericht der »New York Times« zufolge haben die USA bei ihrem Drohnenkrieg im Nahen Osten verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung in Kauf genommen. Wie die »NYT« berichtet, widerlegen eine Reihe vertraulicher Regierungsdokumente mit mehr als 1300 Berichten über zivile Opfer die Darstellung der Regierung über einen Krieg mit »Präzisionsschlägen« gegen Dschihadisten. Demnach belegen die Pentagon-Dokumente, dass bei Luftangriffen zahlreiche Fehler gemacht wurden und es Tausende zivile Todesopfer gab.

https://www.nytimes.com/interactive/2021/12/18/us/airstrikes-pentagon-records-civilian-deaths.html

[...] »Der amerikanische Luftkrieg war geprägt von mangelhafter Aufklärung, übereilten und ungenauen Raketenabschüssen und dem Tod Tausender Zivilisten, darunter viele Kinder«, berichtet die Zeitung. Die Transparenzversprechen aus der Zeit von Barack Obama, der als erster US-Präsident Drohnenangriffe bevorzugte, um das Leben von US-Soldaten zu schonen, seien durch »Undurchsichtigkeit und Straffreiheit« ersetzt worden. »Nicht ein einziger Bericht kam zu dem Schluss, dass ein Fehlverhalten vorlag«.

Innerhalb von fünf Jahren hat die US-Armee mehr als 50.000 Luftangriffe im Irak, in Syrien und Afghanistan geflogen. Das Militär gab zu, dass es seit 2014 bei Luftangriffen in Syrien und im Irak versehentlich 1417 Zivilisten getötet hat. In Afghanistan liegt die offizielle Zahl bei 188 seit 2018 getöteten Zivilisten. Die Recherchen der Zeitung zeigten jedoch, dass die vom Pentagon verlautbarten Zahlen »deutlich untertrieben« seien.

Demnach lagen die US-Streitkräfte mit ihren Einschätzungen über Ziele von Luftangriffen häufig daneben. Menschen, die zu einem bombardierten Ort liefen, wurden als Kämpfer der Gruppe »Islamischer Staat« und nicht als Helfer gesehen. »Einfache Motorradfahrer« wurden als »in Formation« fahrend identifiziert, was als »Zeichen« eines bevorstehenden Angriffs interpretiert wurde.

Den offiziellen Pentagon-Dokumenten zufolge machten Fehlidentifizierungen nur vier Prozent der Fälle mit zivilen Opfern aus. Die Recherche der »New York Times« zeigte jedoch, dass es in 17 Prozent der untersuchten Vorfälle Fehler gab und fast ein Drittel der zivilen Toten und Verletzten auf diese zurückging.



Auch kulturelle Ignoranz spielt offenbar eine Rolle. So glaubte das US-Militär, dass in einem Haus, das sie an einem Tag des Fastenmonats Ramadan überwachten, »keine Zivilisten« anwesend waren. Doch es schliefen tagsüber mehrere Familien darin, um sich vor der Hitze zu schützen.

Schlechte Bildqualität oder zu kurze Beobachtungsdauer trugen ebenfalls zu Fehleinschätzungen bei der Überprüfung von Berichten ziviler Opfer bei. Von den 1311 Fällen, die von der »New York Times« untersucht wurden, wurden nur 216 vom Pentagon als »glaubwürdig« eingestuft. Berichte über zivile Opfer wurden demnach zurückgewiesen, weil auf den Videos keine Leichen in den Trümmern zu sehen waren oder weil die Dauer der Aufnahmen angeblich nicht ausreichte, um Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ein Sprecher des Zentralkommandos sagte der Zeitung, dass »selbst bei der besten Technologie der Welt Fehler passieren, sei es durch falsche Informationen oder durch eine Fehlinterpretation der verfügbaren Informationen«. Das Militär tue »alles, um Schaden zu vermeiden«. Es untersuche jeden Verdachtsfall. »Wir bedauern jeden Verlust eines unschuldigen Lebens.«

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kry/AFP


Aus: "USA nahmen offenbar systematisch zivile Opfer bei Drohnenkrieg in Kauf" (19.12.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/ausland/usa-nahmen-offenbar-systematisch-zivile-opfer-bei-drohnenkrieg-in-kauf-a-fa06deec-917a-4f50-b321-5a13452bceab


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Quote[...] Dieses Jahr wurden Rüstungsexporte für mehr als neun Milliarden Euro bewilligt – so viel wie nie. Den Großteil genehmigte die Regierung Angela Merkels kurz vor Amtsende.

Die frühere Bundesregierung von Union und SPD hat in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit Rüstungsexporte für fast fünf Milliarden Euro genehmigt. Damit steigt der Gesamtumfang der Exporte im laufenden Jahr auf den Rekordwert von 9,04 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die mit Abstand meisten Exporte sind für Ägypten bestimmt. Das Land steht wegen Menschenrechtsverletzungen und seiner Verwicklung in die Konflikte im Jemen und in Libyen in der Kritik.

Vor wenigen Tagen ist bereits bekannt geworden, dass die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) kurz vor der Amtsübergabe am 8. Dezember den Verkauf von 3 Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen genehmigt hatte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterrichtete den Bundestag erst einen Tag vor der Wahl von Scholz zum Kanzler darüber – ohne den Wert der Ausfuhren zu nennen. 

Aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums geht nun hervor, dass für Ägypten bis zum Regierungswechsel Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 4,34 Milliarden Euro genehmigt wurden. Nach einer früheren Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken waren es bis zum 29. November erst 0,18 Milliarden Euro. Das heißt, dass allein für Ägypten in den letzten neun Tagen der Regierung Merkel Rüstungsexporte im Umfang von mehr als vier Milliarden Euro genehmigt wurden. Insgesamt erlaubte die große Koalition in ihren letzten Tagen Ausfuhren im Umfang von 4,91 Milliarden Euro – mehr, als in den knapp neun Monaten zuvor zusammen. Es ist sonst gängige Praxis, dass in der Phase kurz vor einem Regierungswechsel keine weitreichenden politischen Entscheidungen mehr getroffen werden.

Mitverantwortlich für die Entscheidung ist der heutige Kanzler Scholz. Der Export der Fregatten und Luftabwehrsysteme aus den Rüstungsschmieden Thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence wurde vom Bundessicherheitsrat genehmigt, einem Kabinettsausschuss, dem neben Merkel sieben Minister angehören. Darunter ist auch der Finanzminister, damals war das Olaf Scholz.

Die Linken-Außenpolitikerin Dağdelen kritisierte das Verhalten des heutigen Kanzlers. "Olaf Scholz hat sich in der nur noch geschäftsführenden Regierung ein wahres Gaunerstück geleistet und eindrücklich demonstriert, wie folgenlos die Kritik der SPD an skrupellosen Waffenexporten gerade an Diktaturen und autoritäre Regime letztlich bleibt", sagte sie der dpa. "Für die neue Ampel-Regierung unter Scholz ist das eine schwere Hypothek."

Der bisherige Höchstwert der Rüstungsexportgenehmigungen wurde vor zwei Jahren erreicht. 2019 wurden Waffen und militärische Ausrüstung für 8,015 Milliarden Euro aus Deutschland in alle Welt geliefert. Dieser Wert wird in diesem Jahr um mindestens eine Milliarde Euro übertroffen.

Die jetzige Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP hat sich für eine restriktive Rüstungsexportpolitik ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die bisherigen Richtlinien dafür in einem Gesetz geregelt werden sollen. Ziel ist es, vor allem die Exporte in Länder außerhalb von EU und Nato zu beschränken.

Das für Rüstungsexportkontrolle zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ging in den Koalitionsverhandlungen an die Grünen, die Rüstungsexporten traditionell besonders kritisch gegenüberstehen. Minister Robert Habeck, der auch Vizekanzler ist, ließ seinen parlamentarischen Staatssekretär Sven Giegold auf die Anfrage Dağdelens antworten. "Es wird darauf hingewiesen, dass die Werte der unten stehenden Tabellen auf Entscheidungen der Vorgängerregierung zurückzuführen sind", heißt es in seinem Schreiben. "Die Bundesregierung sieht einen restriktiven Umgang mit Rüstungsexporten vor und wird entsprechend den im Koalitionsvertrag vereinbarten Leitplanken ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeiten."

Giegold weist zum Vergleich darauf hin, dass die neue Regierung in den ersten sieben Tagen ihrer Amtszeit nur Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von 3.679 Euro erteilt hat. Diese Exporte gingen auch nur in EU-Länder, Nato-Staaten oder gleichgestellte Länder, nämlich Australien, Österreich, Schweden und Slowenien.


Aus: "Große Koalition genehmigte zuletzt noch Waffenexporte in Rekordhöhe" (25. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-12/ruestungsindustrie-waffenexporte-groko-rekordhoehe-genehmigung

QuoteBuio #2

Die Zahl 3.679 Euro im letzten Absatz ist vermutlich falsch?


QuoteMykorrhiza #2.1

Vielleicht sind da die Versandkosten nicht mitberechnet.


Quoter.schewietzek #3

Das wird bestimmt massiv zum Weltfrieden beitragen.

/Ironie off.



QuoteBaron von und zu Böse #6

Yes, noch einmal schnell den Rubel Rollen lassen für die Freunde aus der lobby. Halleluja.
Gab es noch mehr so last-minute Deals?


QuotealternierendeGenderSchreibweise #8

So blöd Rüstungsexporte auch sind - irgendwo müssen Arbeitsplätze und auch Steuern für die ganzen Sozialausgaben ja herkommen.


Quotesambotanga #8.2

Tja, auch an dieser Stelle bricht das deutsche Moral- und Belehrungsgebäude mal wieder zusammen.


QuoteBenjisson #24

Krieg(swaffen) exportieren und dann wundern das es mehr Flüchtlinge gibt.



QuoteErrinnertEuch #22

Warum die Aufregung.
Die alte Regierung genehmigt Waffenexporte.
Die neue wird es auch tun. ...


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Quote[...] Im Tierreich rüsten die Männchen auf, um Weibchen zu erobern. Sie demonstrieren Stärke, Kraft, lautes Geschrei. Manche singen in hohen Tönen, manche sehen rot. Sie zeigen ihre Eier, ihre Kampfbereitschaft, ihr Gemächt. Das ist, was Russland tut. Seine Eier sind aus Stahl. Sein Sperma ist Schwarzpulver.

150.000 Soldaten mit schwerem Gerät hat Russland an die Grenze zur Ukraine verlegt. Laut US-Geheimdiensten reicht das, um siegesgewiss in die Ukraine einzumarschieren und die Regierung dort zu stürzen, was eines der Szenarien ist.

In endlosen Kolonnen fahren russische Militärfahrzeuge und Panzer an der 2.295 Kilometer langen russischen Grenze zur Ukraine auf. Und an der 1.084 Kilometer langen zwischen der Ukrai­ne und Belarus, denn auch Belarus ist involviert. Von drei Seiten bedrängt Russland sein Nachbarland.

Die demonstrierte Macht der Panzer mit ihren phallischen Kanonenrohren und der Kampfflugzeuge mit ihren geschürzten Schnauzen wirkt obszön. Sie richten sie auf die Ukraine; Ukrayina. In Sprachen mit grammatischem Geschlecht ist die Ukraine weiblich. Die Ukraine also – aber selbst wenn das Land die Frau ist, ist dies kein Freibrief, sie mit Gewalt zur Vereinigung zu zwingen: ,,Nein heißt Nein."

Auch im Tierreich wird vergewaltigt. Also gilt der Vergleich vom Anfang des Textes. ,,Häufig attackieren die Männchen die Weibchen in Gruppen, was dramatische Folgen haben kann" – für manche Weibchen gar tödliche. So ist es auf der Webseite der ARD-Sendung ,,Planet Wissen" zu lesen. Delfine, Fledermäuse, Stockenten sind auf Gang-Bang aus.

Bereits mehrfach wurde die Ukraine bezwungen. Befragen Sie die neuere deutsche Geschichte. Und die russische. Beide Länder haben sich die Ukraine zeitweise einverleibt. Unsere Urgroßväter, Großväter, Väter haben das Land erobert und vergewaltigt. Im Wörtlichen und Übertragenen. ,,We live in Bloodland", wir leben im Blutland, sagte die ukrainische Autorin Hanna Hrytsen­ko, die zu Faschismus und der neuen Rechten forscht, als sie mich im vergangenen Herbst durch die Schlucht von Babyn Jar führte, diesen Ort, wo die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende erschossen.

Vor Jahren habe ich meinen inzwischen verstorbenen Vater, der Wehrmachtssoldat war, auch im Osten, gefragt, ob er im Krieg vergewaltigt hat. ,,Nein. Aber einmal hätte ich gekonnt, nur war ich zu besoffen."

Wenn ich das erzähle, wird mitunter mit Unverständnis reagiert: ,,Warum willst du das wissen?" Und: ,,Was hast du davon?" – Ja, was? Wie anders als durch Fragen, komme ich seiner Wirklichkeit näher? Ich bin eine Frau. Ich will nicht vergewaltigt werden.

Die Panzer, die Russland auffährt, die Kanonenrohre, die Putin zeigt, in ihrer Obszönität sind sie im Grunde lächerlich, wenn sie nicht so sehr die Integrität derer, die sie als Beute auserkoren haben, verletzen würden.

Mich erinnert das an den Mann, der auf einem weitgehend leeren Bahnsteig einer Berliner U-Bahn steht. Nur er und ich. Er trägt einen Mantel; die Hände in den Taschen. Es ist sein unruhiger, nach allen Seiten gehender Blick, der irritiert; er checkt die Umgebung. Langsam kommt er näher. Plötzlich schiebt er mit den Händen, die er in den Taschen hält, als wolle er sogleich eine Waffe ziehen, und das tut er ja auch, den Mantel auseinander und richtet seinen stehenden Schwanz auf mich. Seine Jeans ausgeschnitten rund ums Gemächt. ,,Du Drecksau!", brülle ich: ,,Ich will dein Kanonenrohr nicht sehen." Da kommt Gott sei Dank die U-Bahn. Krieg ist das Ding mit Schwanz.

Der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Krieg, Faschismus und toxischer Männlichkeit. ,,Männerphantasien" heißt sein bekanntes Buch. Letzten Herbst hat er bei der Verleihung des Ador­no-Preises in der Dankesrede einen Satz seiner Frau zitiert: ,,Männer werden zivilisiert durch Frauen; egal wo auf der Welt." Im Umkehrschluss heißt das: Wer nicht zivilisiert werden will, muss Frauen bekämpfen.

Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz mir nichts dir nichts auf die Ukraine zu übertragen. Denn das würde bedeuten, dass dort nicht auch Männer wären, die kämpfen wollen – und es in der Ostukraine seit Jahren tun. Prorussische Separatisten und ukrainische Streitkräfte bekriegen sich dort. Nur geht es in diesem Text nicht um Stellungskämpfe, hier geht es um die Obszönität der russischen Militärinszenierung.

Alles hängt mit allem zusammen. So wie der Armeeaufmarsch rund um die Ukraine derzeit stattfindet, ist es wie ein Déjà-vu.

Russland und Belarus beginnen inmitten von Ukraine-Krise mit Militärmanöver (10.02.2022)
https://www.youtube.com/watch?v=qSkQqZFFLgQ

Die Filme der auf gefrorenem, leicht schneebedecktem Boden auffahrenden Kriegsmaschinerie wirken durch das winterliche Schwarz-Weiß der Umgebung wie die Schwarz-Weiß-Filme der Wehrmacht. Die gleiche donnernde Martialität. Auf gleiche Weise wird Stahl und Metall, wird gepanzertes Gefährt und tonnenschweres Gerät, wird Manpower und Testosteron in Szene gesetzt. Es wirkt wie ein Rückgriff ins letzte Jahrhundert. In Europa aber wurde genug Krieg geführt. Niemand will das mehr. Niemand will versehrte Menschen, zerstörte Städte, sinnlose Tote. Krieg ist das Ding mit Bart.

Werden in diesem Jahrhundert Orte zerstört und Menschen getötet, liegt es nicht am Krieg, sondern an der zivilen Zerstörung im Frieden. Die Erderwärmung ist der Killer. Dass sich die Erde erwärmt, hat mit einer ähnlichen Maschinenverliebtheit zu tun, wie die stahlhelmbesoffene Kriegsmaschinerie im letzten Jahrhundert. Trotzdem sind die Herausforderungen jetzt andere. Es geht nicht um Eroberung einzelner Länder, von Putin begründet aus Sicherheit; es geht um die Rückeroberung sicherer Lebensbedingungen für alle. Krieg zwischen Ost und West macht unter den Bedingungen keinen Sinn. Beide Blöcke brauchen den Planeten.

Aus einem weiteren Grund ist die militärische Machtdemonstration von Russland wie aus der Zeit gefallen: Denn auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen hat sich verändert. Heute ist es möglich, die Gewaltstrukturen zwischen den Geschlechtern öffentlich zu diskutieren. Und: Männer hören zu, wenn Frauen sprechen. Nicht alle, aber immer mehr. Sein Gemächt auf eine Frau richten? Gesellschaftlich ist es kein Kavaliersdelikt mehr, sondern ein No-go.

Annalena Baerbock, ,,diese junge Dame, die unsere neue Außenministerin ist", wie Christoph von Marschall vom Tagesspiegel sie patronierend in einem Fernsehinterview titulierte, habe sich, als sie das umkämpfte Separatistengebiet in der Ost­ukrai­ne besuchte, ,,nicht besonders wohl" gefühlt. Man sehe, ,,dass das nicht ihre Welt ist", meint er. Wessen Welt das Kämpfen aber ist, insinuiert sein Statement: die der Männer.

Diese Frau Baerbock aber sagte einen bahnbrechenden Satz beim Staatsbesuch in Ägypten, der von keinem Außenminister je kam: ,,Nur wo eine Frau sicher ist, sind alle Menschen in einer Gesellschaft sicher."

Baerbock ist kaum im Amt, schon ist sie mit einem brandgefährlichen Konflikt konfrontiert, in dem Männer ihre geschwollenen Kämme zeigen. Was macht sie? Sie deutet, wenngleich in einem anderen Krisengebiet, dem in Nahen Osten, mit dem Finger auf Zusammenhänge, die im Kriegsdiskurs so nicht vorkommen. Und sie redet. Redet, wie andere auch, mit allen am Konflikt Beteiligten. Denn der Faden darf nicht abreißen. Konfliktlösung hat viel mit Gespräch zu tun und nicht damit, zur Waffe zu greifen.

Scheherazade hat es vorgemacht, als sie redete, bis der Aggressor, ihr eigener Mann, davon abließ, sie umzubringen. Sie hat von anderen Situationen berichtet, in denen Probleme mit Klugheit pariert wurden, um ihn aus seiner Fixierung, dass all seine Frauen untreu seien und umgebracht gehören, zu lösen. Da ist sie wieder, die Analogie, erscheint Putin die Ukraine doch untreu, weil sie mit der Nato ins Bett möchte.

Reden ist eine weibliche Konfliktlösungsstrategie. Dass in der gegenwärtigen Situation auf der internationalen politischen Bühne alle Akteure weiterhin miteinander reden, macht Hoffnung.

,,Hope is the thing with feathers" [https://www.youtube.com/watch?v=-TbqRaBY9K0]– Hoffnung ist das Ding mit Federn – das ist die erste Zeile eines Gedichts der Lyrikerin Emily Dickinson. Sie lebte im 19. Jahrhundert und gilt als die berühmteste amerikanische Dichterin.

Der Aufbau der Thesenzeile dieses Textes, ,,Krieg ist das Ding mit Gemächt", kopiert Dickinsons Vers. Ihr Gedicht beschreibt, dass Hoffnung widerständig ist, auch unter schlimmsten Bedingungen. Und sie spricht darüber, dass Hoffnung nichts von einem verlangt. Sie ist einfach da.

Auch die Hoffnung auf Frieden.


Aus: "These zur toxischen Männlichkeit: Krieg ist das Ding mit Gemächt" Kommentar von Waltraud Schwab (20. 2. 2022)
Quelle: https://taz.de/These-zur-toxischen-Maennlichkeit/!5833610/

Waltraud Schwab (* 29. Februar 1956 in Oberrimsingen (Breisgau))
https://de.wikipedia.org/wiki/Waltraud_Schwab

QuoteIgnaz Wrobel

Wenn Panzerkanonen phallische Symbole sind, die durch toxische Männlichkeit bewegt werden, was symbolisieren dann Schächte in Kampfjets, aus denen Bomben fallen?


QuoteBoandlgramer

Frauen mögen noch nicht so viele Gelegenheiten gehabt haben, um erektionslos Kriege zu führen - aber mir fallen da ein paar Beispiele ein, in denen Frauen mindestens so gewalttätig agierten wie in Rede stehenden Männer: Angefangen bei den Königinnen der europäischen Monarchien über Margret Thatcher und die Falklandinseln, Hillary Clinton oder Madeleine Albright, denen man, weiß Gott, keine mäßigende Wirkung auf die imperiale Vorherrschaft der USA unterstellen kann...

Ich halte Gerhard Schröder auch für einen alten Trottel, aber er weigerte sich als Penisträger ohne Evidenz mit in den Irak einzufallen, wohingegen sich die Muschi - äh, nein - Mutti Merkel dem Bush damals schamlos an den Hals warf...

Man sollte Frauen fraglos die Gelegenheit zum Scheitern bieten - aber das wird die Welt nicht per se verbessern.

Und die schlechte Welt jetzt nur mit toxischer Männlichkeit zu (v)erklären, sagt auch eher was über die Erklärerin als über die Welt.

Blöd ist nur, dass man immer erst nach dem Lesen weiß, dass es einen nicht interessiert hat... ;)


QuoteDarmok Jalad

Ich bin der Überzeugung das Putins Männlichkeitsbild ein nicht unwesentlicher Faktor in seinem Handeln ist, aber zu diesem Kommentar fällt mir nur ein:

,,Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel"


QuoteWilli Müller alias Jupp Schmitz

"Hoffnung ist das Ding mit Federn". Danke Frau Schwab für diesen Sinn stiftenden, einfühlsamen Artikel, auch für den Hinweis auf Emily Dickinson.

Trotz allem Relativieren schließt sich der Kreis mit

"Hoffnung ist das Ding mit Federn"!


QuoteColonel Ernesto Bella

Der seid einigen Jahren anhaltende Hype um Theweleits Männerphantasien führt zu seltsamen Verwirrungen. Das Buch ist toll, die Kombination von Text und Bild, seine Charakterstudien und Darstellungen von Charaktermasken mit Beispielen aus Kunst, Propaganda, Populärkultur, diese ganze Art der der Anschaulichkeit und Argumentation ist fantastisch. Das Buch ist perfekt in der Erklärung faschistischer, nationalistischer, kapitalistischer männlicher Charaktere, ihrem Habitus, ihrer Kultur, ihrer Sexualutät, ihrer Phantasien, ihrer Ideologie. Aber, es taugt halt wenig zur Erklärung des Faschismus, es taugt wenig um das geopolitische Gerangel der Nationen zu begreifen, es taugt nicht dazu die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu begreifen, Imperialismus, Nationalismus, bürgerliche Ideologie usw. Man sollte sich die Grenzen der Aussagefähigkeiten von Theweleits Männerphantasien bewusst machen, sonst stiftet man sich nur unnötige Verwirrungen, schafft es aber nicht eine richtige Kritik herrschender Verhältnisse zu formulieren.


QuoteZeuge14

@Colonel Ernesto Bella Lieber Colonel, wahrscheinlich schauen sie (mal wieder eben) aus männlichem Blickwinkel; lässt mich ihr Kommentar vermuten, gele - oder?

Die Autorin schriebt ja selbst: ""Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz... "" Es geht im Artikel eben genau um eine erweiterte Sicht, die eben (auch) das typisch männliche an der putinschen Haltung offenbart... gab es da nicht ein entsprechendes Bild "auf Pferd, mit (zudem aufgerichteter) Knarre und blankem Oberkörper. Und das es nicht nur um Theweleits Konzepte in dem Beitrag geht, ist doch klar....Doch mit "Aber, es taugt halt wenig..." wischen Sie so mal eben den ja richtigen Aspekt vom Tisch. Ein rhetotisch "nettes" Mittel, aber hier an dieser Stelle eben wieder mal "so eben und nebenbei" Ausdruck männlicher Arroganz, oder?


QuoteSandor Krasna

@Zeuge14 Das Problem an dieser erweiterten Sicht, ist doch, dass das Bild halt schief wird, wenn einerseits die Weiblichkeit der Ukraine konstruiert wird, aber das Geschlecht des "Mütterchen Russlands" unterschlagen wird. ...


QuoteMichael Myers

Es gibt nur wenige Länder, in denen es ein so massives Problem mit häuslicher Gewalt gegen Frauen gibt. Es gibt noch nicht einmal ein Gesetz, das häusliche Gewalt bestraft. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4usliche_Gewalt_in_Russland

Putins toxische Männlichkeit hat durchaus ihre Entsprechung in der russischen Mehrheitsgesellschaft.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Aus Sicht von Deutschlands größter Journalistenorganisation sollte der Pressekodex des Deutschen Presserats Journalistinnen und Journalisten dazu verpflichten, auf unzureichende Recherchemöglichkeiten im Konfliktfall hinzuweisen.

,,Wenn nur eine von zwei Konfliktparteien die Quelle von Informationen ist, müssen die Leserinnen und Leser das erfahren", sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.

,,Im Krieg gilt: Die Wahrheit stirbt zuerst." Gerade bei bewaffneten Auseinandersetzungen sei das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besonders groß. ,,Dieser Verantwortung müssen wir Journalistinnen und Journalisten gerecht werden."

Der DJV-Vorsitzende erinnert in dem Zusammenhang an den Irak-Krieg, als die US-Truppen mit dem damals neuen Instrument des embedded journalism versucht hätten, die Berichterstattung in ihrem Sinn zu beeinflussen.

...


Aus: "Der Ukraine-Konflikt im Fernsehen ,,Im Krieg gilt, die Wahrheit stirbt zuerst"" (22.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/der-ukraine-konflikt-im-fernsehen-im-krieg-gilt-die-wahrheit-stirbt-zuerst/28092074.html

Textaris(txt*bot)

#712
Quote[...] Laut gellt der Weltbevölkerung ein Signal in den Ohren: Es klingt, ein Dreivierteljahrhundert nach Beendigung des letzten Weltkriegs, nach dem Knirschen von Panzerketten. Wladimir Putin hat mit der Unterfertigung seines Dekrets zur Truppenentsendung in den Donbass und nach Luhansk die Zeiger der Weltuhr brutal zurückgedreht. Denn ganz gleich, welches Machtkalkül das Handeln des Kremlherrn leitet: Mit der Ausweitung der Kampfzone auf ukrainisches Staatsgebiet steigert Russlands Autokrat noch einmal den Hohn, mit dem er schon bisher Europas Staatschefs genasführt hat.

Man erinnert sich an ihn als melancholischen Gastgeber an viel zu langen Konferenztischen. Auch so lassen sich die Vertreter der Demokratie düpieren: indem man ihnen den Platz am Katzentisch zuweist und so die Logik der Kongressdiplomatie zur Karikatur verkleinert.

Mit der Anbahnung von Putins Imperialismus auf Raten feiert hingegen das Großmachtgehabe des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein erstaunliches Comeback. Nichts illustriert den Bruch mit zeitgenössischen Gepflogenheiten besser als Annalena Baerbocks händeringender Appell vom Dienstag. Die bundesdeutsche Außenministerin und ihre Kollegen würden noch immer, gleichsam engelsgeduldig, auf Putins Rückkehr an den Verhandlungstisch warten! Doch der fromme Verweis auf eine Praxis, die Politik zum Medium komplizierter Aushandlungsprozesse erklärt, verfängt bei Machttechniker Putin nicht im Geringsten.

Es mag die Wiederherstellung eines herbeifantasierten, großrussischen Hegemonialraums in der Tat Putins vordringlichstes Ziel sein. Auf verständigungskultureller Ebene wirkt der Bruch noch entschiedener. Ein Rat dünnlippiger Geronten – unter ihnen Geheimdienstvertreter und andere Säbelrassler – lässt die westlichen Demokratien mit voller Absicht abblitzen.

Unter dem Titel "Nationaler Sicherheitsrat" finden regelmäßig Mitstreiter wie Ratssekretär Nikolaj Patruschew in Putins Machtzentrale zusammen: der Genannte ein verdienter KGB-Mann, der für den westlichen Lebensstil nichts als Verachtung übrighat. In Europa, wo den Menschen die sündige persönliche Freiheit über alles gehe, würde laut Patruschew bereits die Ehe mit Tieren legalisiert. Ein weiterer Paladin wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu teilt mit seinem Sportsfreund, dem Kreml-Chef, nicht nur die politischen Ansichten, sondern – als Wandergefährte in den Weiten der sibirischen Taiga – auch das Zelt.

In einer solchen Sphäre bilden willfährige Funktionseliten geschlossene Systeme. Auf der Grundlage "männlich" codierter Körperideale wird eine Art immerwährender Mobilmachung beschworen. Nicht zufällig ließ sich Putin wiederholt als Power-Ranger fotografieren: wahlweise hoch zu Ross oder mit einem dicken Fisch am Haken.

Die mit Steroiden gepäppelte, als Warnsignal inszenierte Erinnerung an den "soldatischen" Körper ist das Erbteil einer in Wahrheit versunken geglaubten Geschichtsformation. Die Nachfahren dieser alten, soldatischen Männerbünde gefallen sich erfahrungsgemäß in Misogynie: In ihrem beruflichen Dunstkreis finden sich kaum jemals Frauen.

Die strikt antidiskursive Haltung dieser mit Borniertheit gepanzerten "Patrioten" verweist – mit gut hundertjähriger Verspätung – noch einmal auf das Männerphantasien-Projekt (1977/78) des Freiburger Gelehrten Klaus Theweleit. In dessen Rahmen wurde ausführlich dargetan, wie autoritär erzogene Männer, zu Bünden zusammengeschlossen, sich der Bedrohung durch alles Fließende, "Weibliche" mit roher, tödlicher Gewalt erwehren.

Die alten, rasselnden Panzer gehören folgerichtig zu einer Politik der aggressiven Verpanzerung. In ihr wird die Abwehr unkalkulierbarer Risiken zur alleinigen Maxime erhoben. Es wird des eisernen Festhaltens an der eigenen Vernunft bedürfen: der Anwendung vornehmlich ökonomischer Druckmittel, um die reaktionäre Retropolitik von Putin und Co wirksam in die Schranken weisen zu können. (Ronald Pohl, 23.2.2022)


Aus: "Putins Retropolitik: Machismo mit der Kraft der Steroide" (23. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133566086/putins-retropolitik-machismo-mit-der-kraft-der-steroide

Quote
arslongavitabrevis


Der Autor hat ja grundsätzlich Recht, dass Putins Vorgehen inakzeptabel ist. Was mich aber dennoch stört, ist die Tatsache, mit welcher Selbstverständlichkeit die USA überall einmarschiert und wie im Irak Kriegsgründe erfindet ("Massenvernichtungswaffen") und das in keinem Zusammenhang thematisiert wird.

Was Putin hier macht, ist exakt dasselbe, was die USA seit Jahrzehnten machen: In anderen Ländern Stellung beziehen um das Kräftegleichgewicht zu erhalten/auszubauen.

Die NATO rückt Russland zu Leibe und Putin versucht das mit illegaler Annexion der Ukraine zu verhindern. Das ist selbstverständlich abzulehnen!

Trotzdem wäre mehr Ausgeglichenheit in der Berichterstattung angebracht
Das WIE unterscheidet sich wesentlich, nicht aber das WAS.


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Quote[...] Auch wenn es ein Vergleich zwischen Äpfeln und Erdäpfeln ist: Die Ukraine-Krise hat etwas mit der Corona-Pandemie gemeinsam, nämlich ein Aufblühen von Verschwörungstheorien, die einen ratlos und verstört zurücklassen. Es ist ein Kosmos, in dem die USA eine "False flag"-Operation planen, um einen Krieg loszutreten, und die ukrainischen Streitkräfte sich sammeln, um Russland zu bedrohen.

Nota bene, das hat mit der – seriös zu führenden – Diskussion darüber, was von US-, Nato- oder allgemein westlicher Seite nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion falsch gemacht wurde, nichts zu tun. Und ja, den USA fällt auch der Irakkrieg von 2003 auf den Kopf, für den falsche "Beweise" produziert wurden.

Das macht das Paralleluniversum, in dem es in östlichen Nato-Staaten nur so von US-Atomwaffen strotzt, nicht realer. Die Erzählung, dass alles nach dem US-Masterplan läuft, schließt an 2015 an: Damals schickte die CIA Flüchtlingsmassen nach Europa – ermutigt von der CIA-Agentin Angela Merkel –, um Europa gesellschaftlich zu zerstören; diesmal wollen die USA den Krieg, um maximalen politischen und wirtschaftlichen Schaden für die EU zu erzeugen. Dazu seien die USA bereit, Kiew mit Massenvernichtungswaffen anzugreifen und es Russland anzuhängen. Genauer gesagt, der reinen Seele Wladimir Putin. Der sei aber kein Idiot: anders als jene, die – wie bei Corona – wieder einmal nicht kapieren, wie der Hase läuft. (Gudrun Harrer, 22.2.2022)


Aus: "Die große Verschwörung" Gudrun Harrer (22. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133569602/die-grosse-verschwoerung

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Kretommy

Auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis sind die Covidioten und die Putinfreunde erschreckend deckungsgleich. Wer im Besitz einer Wahrheit ist, ist anscheinend im Besitz aller Wahrheiten.


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René Herndl

Liebe Frau Harrer, die gefälschten Beweise, die die USA beweg(t)en, militärisch einzugreifen oder wirtschaftliche Sanktionen zu ergreifen, sind mehr als jene im Irak, viel mehr! Vietnam wurde angegriffen und nahezu zerstört, Kuba nach einer gesellschaftlichen Revolution gegen die US-Interessen bis heute sanktioniert, Mossadegh wurde vom CIA eliminiert, Regime-Change durch militärische Angriffe oder Geheimdienstsubversionen stehen quasi auf der Tagesordnung der USA - aber niemand der angeblich und ach so demokratischen Staaten des "Westens" hat sich jemals dazu geäußert oder protestiert. Damit hat sich der Westen selbst disqualifiziert, ein objektives Urteil zu äußern. Die Beispiele sind zahllos - recherchieren Sie selbst!


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Zapuntel

Nicht nur das: In unserer Nachbarschaft hier auf der Insel Krk gibt es ein deutsches Paar, das gerade dabei ist sich hier niederzulassen. Nicht nur, dass beide Verschwörungstheoretiker erster Güte sind, [ ] sie [behaupten auch], dass Putin demnächst Deutschland besetzen wird. Wir sind jetzt einigermaßen sprachlos....


...

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Hitecut, 22. Februar 2022, 18:58:21

... laut der diversen Putin-Freunde, die in den letzten Tagen hier gepostet haben, wird hier der militärische Konflikt einzig und allein vom Westen und den USA herbeigeredet, weil die miese Kriegshetzer sind, während Russland natürlich absolut nicht plant in die Ukraine einzumarschieren... Kein Wunder, dass man von diesen Leuten seit heute nur noch wenig hört. Selbst ihnen sind inzwischen die Ideen ausgegangen, welchen Spin man machen kann, um die Lage und diese Rede Putins so zu drehen, dass der Westen an allem Schuld ist...


Kommentar zu: "Worte wie Salven: Putins Brandrede im Detail betrachtet" Florian Niederndorfer (22. Februar 2022,)
Die Rede, in der Wladimir Putin die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete ankündigt, strotzt nur so vor Opfermythen und russischem Nationalismus
https://www.derstandard.at/story/2000133576102/worte-wie-salven-putins-brandrede-im-detail-betrachtet

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die internationale Presse hat mit Bestürzung auf den russischen Angriff auf die Ukraine reagiert. Vor allem westliche Medien erheben schwere Vorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der den Befehl zum Angriff gegeben hatte, und fordern deutliche Konsequenzen.

"Wladimir Putin hat sich von einem zynischen Autokraten zu einem Militärdiktator entwickelt, der nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa angreift. Seit 1939 standen wir nicht mehr vor einer solchen Bedrohung", schreibt die italienische Zeitung La Stampa. Die Invasion der Ukraine beseitige nun auch die letzten Zweifel über Putins Absichten. Der Westen habe einen "Weg der Diplomatie" angeboten, doch der russische Präsident habe "seine Karten zuerst in Worten und jetzt dramatisch in Taten aufgedeckt", so das Blatt.

Die Wiener Zeitung Die Presse meint, "die Bereitschaft zu rücksichtsloser Brutalität verleiht ihm dabei einen Vorteil, den er eiskalt ausnützt". Die Abschreckung des Westens habe nicht funktioniert. "Psychologisierungen" seien zwar meistens ein wenig hilfreiches politisches Analysemittel. "Doch in diesem Fall drängt sich die Frage geradezu auf, ob Putin unter verzerrter Wahrnehmung und an einem Cäsarenwahn in fortgeschrittenem Stadium leidet", kommentiert die Zeitung.

Die NZZ  in der Schweiz fordert, Russland infolge des Angriffs hart zu bestrafen. "Es gilt, der russischen Bevölkerung und erst recht den Wirtschaftsmagnaten und der übrigen Moskauer Elite die verheerenden Folgen von Putins inakzeptablem Tun deutlich zu machen", schreibt die Zeitung. "Dazu gehört eine langfristig angelegte Politik des Westens, die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu verringern. Denn die Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Erdgas haben es dem Kreml maßgeblich ermöglicht, seine Streitkräfte auszubauen und zu einer Gefahr für ganz Europa zu machen."

Auch The Times fordert, dem russischen Präsidenten seine Grenzen aufzuzeigen. "Wenn Putin glaubt, dass die Ukraine nur der erste Schritt zur Ausdehnung Russlands auf seine zaristischen Grenzen einschließlich Finnlands ist, muss ihm jetzt gezeigt werden, dass die Nato genauso bereit ist, ihn zurückzuweisen, wie sie es bei Stalin und seinen Nachfolgern war. Die wichtigste Konsequenz aus Putins zynischen Täuschungen kann nur die sofortige Stärkung der Nato sein", schreibt die britische Zeitung.

Die belgische Zeitung De Standaard kommentiert, Putin habe "zahllose europäische Spitzenpolitiker zum Narren gehalten, eine List nach der anderen ersonnen und seinen Krieg genau zu dem Zeitpunkt begonnen, als der UN-Sicherheitsrat eine Krisensitzung abhielt. Ein zynischerer Umgang mit der internationalen Rechtsordnung ist kaum denkbar." Es sei leicht, Politiker wie Emmanuel Macron und Olaf Scholz "als leichtgläubige Narren abzutun", schreibt die Zeitung. Putin habe allerdings nie nach denselben Regeln spielen müssen wie die Europäer. "Ein Staatschef, der sich nicht vor seinem Volk verantworten muss, der seine Kritiker in den Kerker wirft und über eine schlagkräftige Armee verfügt, kann es sich leisten, zu lügen, Friedensvereinbarungen zu verletzen und 200.000 Soldaten gegen ein Nachbarland einzusetzen."

Die regierungsnahe ungarische Zeitung Magyar Nemzet weist Vergleiche zum Kalten Krieg, die mancher in der Eskalation anstelle, zurück. "Das heutige Russland und die damalige Sowjetunion sind nicht dasselbe Staatsgebilde. Die Ziele sind andere, die Interessen sind andere, es stehen andere Führer an der Spitze und es wird (militärisch) anders gekämpft." Ungarn müsse sich jetzt vor allem um die eigene Sicherheit kümmern. "Jedes Land beschäftigt sich nur deshalb mit dem Zustand eines anderen Landes, weil dieser Auswirkungen auf es selbst haben könnte."

Auch die US-Presse gibt die Schuld am Krieg allein dem russischen Präsidenten. Die New York Times wirft dem russischen Präsidenten vor, Europa "in den gefährlichsten Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg" gestoßen zu haben. "Er hat eine Fortsetzung des Kalten Krieges begonnen, eine möglicherweise gefährlichere, weil seine Behauptungen und Forderungen keinen Boden für Verhandlungen bieten und weil Russland mit seinem nuklearen Arsenal in der Lage ist, einen massiv zerstörerischen Cyberkrieg zu beginnen."

Die Washington Post warnt, dass der Krieg nicht auf die Ukraine begrenzt bleiben müsse: "Russlands Krieg könnte sich allzu leicht ausbreiten und weltweit destabilisierende Auswirkungen haben." US-Präsident Joe Biden könne und müsse Putin daher "entschieden" entgegentreten. Frieden und Stabilität in Europa lägen auch im Interesse der Vereinigten Staaten. "Zu verhindern, dass dieser Kontinent unter die Herrschaft eines feindlichen Hegemonen gerät – wie es 1914, 1939 und während des Kalten Kriegs fast der Fall war –, ist seit Jahrzehnten ein essenzielles Interesse der USA."

Ähnliche Konsequenzen fordert die indonesische Jakarta Times. "Abgesehen von diesen kurzfristigen wirtschaftlichen Problemen und der damit verbundenen humanitären Krise können wir davon ausgehen, dass die globalen Spannungen im Falle eines ausgewachsenen Kriegs ein Allzeithoch erreichen – etwas, das wir seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr erlebt haben", schreibt die Zeitung. "Womöglich handelt es sich um eine reduzierte Form des Kalten Kriegs."

...


Aus: "Internationale Presseschau: "Er hat eine Fortsetzung des Kalten Krieges begonnen"" (25. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-02/presseschau-ukraine-russland-krieg

QuoteKapaster d.J. #24

Alle, die seit fast 25 Jahren Putin misstrauten und vor ihm gewarnt haben, haben Recht behalten. Wirklich alle.
Nach innen hat er Russland wieder zu einem Gefängnis gemacht, nach außen zu einer völkischen, quasi faschistischen, imperialistischen Bedrohung, die keine Form der Gewalt ausschließt.


QuoteToecutter #31

Interessant wären Pressestimmen aus Indien und China.
Was man in den NATO Ländern denkt, wissen wir .


QuoteSlawa Ukraini #34

Wo ist dieser Krieg kalt? Das verstehe ich jetzt nicht. Es handelt sich hierbei um einen heißen Krieg - kein Stellvertreterkrieg. Russland höchst persönlich überfällt ohne Skrupel ein souveränes Land.


QuotePrinzipienfan #35

Was für eine Überschrift? Wenn Bomben fallen und massenweise Menschen sterben, dann ist die Rede vom kalten Krieg doch ziemlich zynisch!


QuoteWort 123 #56

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der kalte Krieg zu Ende.
Fünf Osterweiterungen der Nato haben diesen wieder zum Lodern angefacht.
Das Ziel war regime change, orangene Revolutionen. Russland hat njet gesagt.


QuoteMainzerin2015 #56.2

Sie haben Putins Propaganda brav geschluckt.


QuoteKapaster d.J. #57

"Die unabhängige russische Zeitung Nowaja Gazeta hat mit einer zweisprachigen Ausgabe ihre Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Die Redaktion sehe diesen Krieg als "Wahnsinn" an, titelte die Zeitung sowohl auf Russisch als auch auf Ukrainisch."

Mutige Russen in Russland - davon bräuchte Europa mehr.


QuoteRyzard #62

"Er hat eine Fortsetzung des Kalten Krieges begonnen"

Nein, das hat Wladimir Putin nicht. Er setzt auf heiße Kriege. ...


QuoteMarkus Wohler #76

Putin muss verurteilt werden, genauso wie Bush, Clinton und Obama für alle völkerrechtswidrigen Kriege, die sie geführt haben und die Regime Changes, die sie herbeigeführt haben. Alle 4 auf die Anklagebank bitte!


Quoteled-leuchtturm #75

Es ist unglaublich, wie ein Mann die ganze russische Nation ins Verderben schickt. ...


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Textaris(txt*bot)

#714
Quotekaterina sergatskova
@KSergatskova

It's Saturday, my favorite day of the week. I want to order pizza, watch new films on #Netflix, talk with my friends, play with kids, drink New York sour. But I fucking can't because Putin started a full-scale war against my country #Ukraine and #Europe. I miss my ordinary life.

5:03 nachm. · 26. Feb. 2022


https://twitter.com/KSergatskova/status/1497603132163076096


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Quote[...] KIEW taz | Jeden Morgen um drei Uhr höre ich in meiner Kiewer Wohnung das gleichmäßige Rattern von Güterwaggons auf den Gleisen. Auch in der Nacht zu Donnerstag rumort es. Doch es hört sich irgendwie anders an – so als ob Geschosse einschlügen. Aber der Donbass ist ja noch weit, denke ich, es kann also nichts Kriegerisches sein. Und so mache mich auf in Richtung Sportplatz, um meine morgendlichen Runden zu ­laufen.

Dort treffe ich um sechs Uhr den Aserbaidschaner Alik, der hier ebenfalls wie fast jeden Tag seinen Frühsport macht. An diesem Morgen begrüßt er mich mit einem lapidaren ,,Es ist Krieg". Ja, er könne mir erklären, was dieses Donnern zu bedeuten habe, sagt er. Er habe gerade mit seinen Bekannten in Borispol, da wo der Kiewer Flughafen liegt, gesprochen. Und da werde geschossen.

Er ist geschockt, wundert sich, dass wir heute die Einzigen sind auf dem Sportplatz. Während des Laufs, es ist noch dunkel, zischt etwas 20 Meter über meinen Kopf hinweg. Ich bin kein Spezialist für Flugobjekte. Aber das, was da vorbeizischt, ist viel schneller als ein Flugzeug.

Irgendwann verschwindet Alik, er fürchte sich vor einer Erkältung, wenn er zu lange an diesem kalten Morgen laufe, wie er sagt. ,,Mensch, Alik, sei doch ehrlich", denke ich bei mir, ,,du willst einfach nicht von einer Rakete getroffen werden."

Geld könnte ich jetzt gut gebrauchen, überlege ich und mache mich auf die Suche nach einem Bankautomaten. Schon von der Ferne sehe ich eine riesige Schlange vor dem Gerät. Alle stehen sie schweigend vor dem Bankautomaten und starren mit versteinerten Mienen auf ihre Handys. Die Bilder, die sie auf ihren Smart­phones sehen, sind immer die gleichen: Explosionen, Rauch und Panzer.

,,In Kiew herrscht keine Panik", heißt es im Fernsehen, aber Staus an den Ausfahrtstraßen der Stadt und Schlangen vor Bankautomaten und Bäckereien sind doch Ausdruck von Panik, oder nicht. Dann erreicht mich ein Anruf aus Odessa. Auch bei ihnen werde geschossen, berichtet der Tierschützer Ale­xander Titartschuk. ,,Könnt ihr nicht die Hunde und Katzen, die wir in den Tierheimen betreuen, nach Deutschland evakuieren?", fragt er.

Wenig später ist der Journalist Stanislaw Kibalnik aus der ostukrainischen Millionenstadt Charkiw am Telefon. ,,In Charkiw herrscht keine Panik und wir haben keine verstopften Straßen. Wir werden evakuierte Kinder aus Schastje aufnehmen. Im Norden der Stadt wurde ein Militärteil beschossen", berichtet Kibalnik

Insgesamt sei es in Charkiw ruhiger als in Kiew, sagt er. Da ist es noch früh am Morgen. Wenige Stunden später erhalte ich Fotos von Menschen, die unten in der U-Bahn von Charkiw kauern.

Auch am Kiewer Bahnhof donnert es. Verwirrt und fassungslos schauen Menschen, die sich mit ihren Koffern auf den Weg zum Gleis machen, in den grauen Himmel. Zu sehen ist nichts.

Am Eingang stehen mehrere Polizisten mit Kalaschnikows in den Händen. Das wirkt martialisch. Der Bahnhof ist übervoll, riesige Menschenschlangen stehen vor den Schaltern. Nur eines gibt es nicht: Tickets nach Deutschland und Polen.

Die Stimme der Ansagerin am Bahnhof ist schon in einer höheren Tonlage angekommen. Die Dame wiederholt immer wieder dasselbe. Züge seien verspätet oder ganz ausgefallen. Immer wieder antworten Fahrgäste auf die Frage ,,Wohin?", ,,Geben Sie mir bitte eine Fahrkarte irgendwohin, in den Westen der Ukraine, Lwiw oder in eine andere Stadt dort."

,,Wie, es gibt keine Tickets nach Deutschland", spricht mich eine Frau in der Schlange, die etwas hinter mir steht, in deutscher Sprache an. Sie hat beobachtet, dass ich eine Fahrkarte nach Deutschland oder Polen kaufen will und gesehen, dass ich keine erhalten habe. Enttäuscht wendet sie sich ab und verlässt die Menschenschlange.

Ein ähnliches Bild bietet sich am Busbahnhof. So voll wie heute ist der noch nie gewesen. Und bei jeder Busfahrt nach Deutschland hatte ich sonst immer zwei Plätze für mich allein, weil die Busse normalerweise immer nur zur Hälfte ausverkauft sind. Doch nun ist es ganz anders, Normalität war gestern.

Schluchzende Frauen bedrängen die Fahrer. ,,Zuerst dürfen die rein, die eine Fahrkarte haben", versucht sich der Fahrer des Ansturms der Frauen, die offensichtlich keine Tickets gelöst haben, zu erwehren. Ausgerechnet heute sind die Kioske, die mit ,,Internationale Busverbindungen" werben, geschlossen. Eine Frau klopft ans Fenster. ,,Sie sehen doch, dass dieses Büro heute nicht besetzt ist", raunt ihr ein Mann zu.

Auf dem Rückweg komme ich wieder an Bankautomaten vorbei. Überall lange Schlangen. Dann entdecke ich einen, an dem nur drei Menschen stehen. Ich gehe ein Stück näher heran und verstehe, warum die Menschen diesen Automaten meiden. Er befindet sich nämlich vor einer Kaserne. Da bisher fast nur militärische Ziele beschossen worden sind, meiden die Menschen diese Orte.

Da klingelt wieder das Telefon. Taisja Garadnitschewa aus Konotop, einem Dorf eineinhalb Autostunden von der russischen Grenze entfernt, berichtet, dass die russischen Panzer schon in der Ortschaft Buryn bei Konotop seien – und die Ukrainer keinen Widerstand leisten würden. Ihre Bekannten hätten die Panzer gefilmt.

Und die Panzer werden wohl auch nach Kiew kommen. Dann schaue ich mal, dass ich wegkomme. Von einem Kollegen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erfahre ich, dass eine französische Journalistin in der Nähe des Flughafens Boryspil festsitzt. Sie sei eingekesselt, meint er. Da sei geschossen worden, deswegen habe die ukrainische Armee alles abgeriegelt. Am Abend klingelt es an der Tür, davor steht eine Frau, mit einem Koffer in der Hand. Ich dachte, sagt sie, hier wäre der Schutzraum. Nein, sage ich, das ist die andere Tür. Sie bedankt sich freundlich und geht durch die Nebentür und von dort die Kellertreppe hinunter.


Aus: "Russischer Angriff auf Ukraine: Kiew unter Schock" Bernhard Clasen (24.2.2022)
Quelle: https://taz.de/Russischer-Angriff-auf-Ukraine/!5834189/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] 100 Milliarden Euro Sondervermögen wird die Bundeswehr für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten. Zudem kündigte Scholz an, künftig mehr als zwei Prozent des BIP in die Verteidigung zu investieren. Dieses Nato-Ziel hat Deutschland noch nie erreicht – zum Ärger der USA. Im Bundestag betonte Scholz, man handle nicht alleine, um nun die Zusagen an die Verbündeten zu erfüllen: "Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit."

Doch die immensen Summen, die die Ampel nun aufbringen will, sind noch längst nicht alles. Wochenlang hatte die deutsche Regierung Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeschlossen. Nun sind auch diese möglich.

Schon am Samstag hatte Scholz bekanntgegeben, dass die Ukraine zur Selbstverteidigung unter anderem 1.000 Panzerabwehrwaffen und 500 Flugabwehrraketen des Typs Stinger erhalten werde. Stinger-Raketen haben auch die afghanischen Rebellen der Mudjahidin in den späten Achtzigerjahren von den USA erhalten, um sich gegen die sowjetischen Besatzer zu wehren.

Es waren aber nicht nur die Botschaften, die aufhorchen ließen. Der oft zurückhaltende Scholz zeigte sich äußerst entschlossen. "Was für den Frieden in Europa getan werden muss, wird getan", sagte er und wirkte ganz anders als der Kanzler Scholz der vergangenen Wochen.

...


Aus: "Militär-Etat - Scholz' Kehrtwende bringt Deutschland massive Aufrüstung" Birgit Baumann aus Berlin (27.2.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133701398/scholz-kehrtwende-bringt-deutschland-massive-aufruestung

Textaris(txt*bot)

#716
Mentalitätsgeschichte ist der Versuch von Historikern, die Mentalitäten, d. h. die Einstellungen, Gedanken und Gefühle der Menschen einer Epoche darzustellen und zu erklären. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4tsgeschichte

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Quote[...] Im Frühjahr 2012 signalisierten Vertreterinnen und Vertreter der Ukraine und der EU ihre Zustimmung zu einem sogenannten Assoziierungsabkommen. Es enthielt weitgehende Regeln für eine Zusammenarbeit in Sicherheitspolitik, Korruptionsbekämpfung und Handel. Zudem fixierte es Ziele zur Demokratisierung und zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung des osteuropäischen Landes. In einem Ende 2020 abgeschlossenen Projekt haben Forscher der Universität Augsburg und der Universität Kiew-Mohyla die Konsequenzen des Abkommens untersucht. Durch den Angriff Russlands erhält die Studie nun eine traurige Aktualität.

Obwohl die Pläne schon 2012 unterschriftsreif waren, sollte das Abkommen erst zwei Jahre später in Kraft treten. Die Regierung unter dem damaligen ukrainischen Ministerpräsidenten Wiktor Janukowytsch lehnte es ab, das Vertragswerk zu unterzeichnen - unter anderem auf Druck Russlands, das seine eurasische Zollunion gefährdet sah. Die Entscheidung führte zu landesweiten Protesten, vor allem auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Kiew, dem Majdan. Nach einer blutigen Eskalation wurde Janukowytsch abgesetzt. Kurz darauf marschierte Russland in die Krim ein. Die neue ukrainische Regierung unterzeichnete das Assoziierungsabkommen schließlich und führte in den Folgejahren ihr Land immer stärker an die EU heran.

,,Das Abkommen ist ein zentrales Element in dem Krieg, der sich momentan vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielt", erklärt Dr. Stefan Lorenzmeier von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Der Rechtswissenschaftler hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von der Nationalen Universität Kiew-Mohyla zwischen 2016 und 2020 die Konsequenzen des 1.200 Seiten starken Vertrags untersucht. ,,Es handelte sich dabei um einen neuen Typus von Abkommen, in dem es nicht ausschließlich um eine Erleichterung des Handels ging", erklärt er. ,,Stattdessen schreibt es vor, dass sich die Ukraine auch rechtlich der Union angleicht. Dabei ging es der EU sicher auch um den Export europäischer Werte."

Lorenzmeier glaubt, dass das auch einer der Gründe war, warum Russland so empfindlich auf diese Form der Anbindung reagierte. ,,Die ideelle Annäherung war für Moskau sicher noch bedrohlicher als der mögliche Schaden, den das Abkommen für die eigene Freihandelszone bedeutete", sagt der Jurist, der für das von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderte Projekt längere Zeit in Kiew gelebt hat. Zumal ein Beitritt der Ukraine zur EU zwar nicht Thema des Vertrags gewesen sei, aber möglicherweise die langfristige Konsequenz. Seiner Erfahrung nach spiegelt das Abkommen aber auch eine tief empfundene Grundstimmung wider, die gerade junge Frauen und Männer in der Ukraine teilen: ,,Viele von ihnen sind sehr stark westlich orientiert, soweit ich das aus meiner akademischen Blase heraus beurteilen kann."

In den letzten Jahren habe die Ukraine immense Anstrengungen unternommen, die Kriterien des Assoziierungsabkommens zu erfüllen. Dabei seien die Herausforderungen sehr groß gewesen: ,,Das Land musste nicht nur Teile seiner Verfassung ändern, sondern hat auch die Rechtsordnung des europäischen Gerichtshofs übernommen", betont Lorenzmeier. Das habe positive Folgen für die gesellschaftliche Modernisierung, die Weiterentwicklung der demokratischen Organe und nicht zuletzt die Wirtschaft gehabt. ,,Das alles steht nun nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte natürlich auf dem Spiel."

Er verfolgt mit Entsetzen, wie die Lage in Kiew, Charkiw und anderen Städten der Ukraine Tag für Tag bedrohlicher wird. Die Konsequenzen werden auch in seinem persönlichen Netzwerk sichtbar: ,,Unser ukrainischer Projektpartner musste Abschied von seinen Kindern und seiner Frau nehmen, die inzwischen das Land verlassen haben", sagt der Augsburger. Weitere ukrainische Freunde haben ihn zudem gebeten, Unterkünfte für geflohene Familien zu finden, was aufgrund der großen internationalen Solidarität bislang auch gut möglich war.

Wissenschaftliche Ansprechpartner: Dr. Stefan Lorenzmeier
Juristische Fakultät der Universität Augsburg

...


Aus: "Studie analysiert die Annäherung der Ukraine an die EU" (Michael Hallermayer Stabsstelle Kommunikation und Marketing, Universität Augsburg, 04.03.2022)
Quelle: https://idw-online.de/de/news789562

https://de.wikipedia.org/wiki/Assoziierungsabkommen

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Quote[...] Putin hatte am vergangenen Donnerstag in seiner Erklärung zum Beginn des Einmarsches in die Ukraine davor gewarnt, gegen Russland Aggressionen zu üben. Er drohte mit den härtesten Konsequenzen und betonte, Russland sei heute eine "der mächtigsten Nuklearmächte der Welt". ...


Aus: "Putin droht mit Atomwaffen" (27. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133697352/putin-droht-mit-atomwaffen

Quote
no_name

Alte Männer treffen Entscheidungen mit dramatischen Folgen für die Jungen. Diese alten Männer sind die Vergangenheit und gehören ins Archiv der Geschichte. ...


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Franz Glaser

"Der Westen" hat sich als undemokratisches Nicht-Vorbild im Rest der Welt dargestellt.
Der Westen ist nur die militante USA-Puppe mit ihrem Präsidenten ohne Parlament des Volks.


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trestigres

Während Putin der lupenreine Demokrat ist - zumindest bei seinen zugedichteten Hardcore Fans...


Quote
peace & love

eigentlich gibt es nur eine option für uns: deeskalation.
stattdessen liefert die eu waffen an die ukraine und steigt somit offiziell in diesen krieg ein. haarsträubend, das leid wird ins unermessliche gesteigert werden. die nukleare karte, die putin spielt, ist ein klarer wink: haltet euch da raus.


Quote
Titus Feuerfuchs

Belohnen den Kriegstreiber--gute Strategie?!


Quote
CosMoe

Egal welches Staatsoberhaupt mit dem Einsatz von Nuklearwaffen die Büchse der Pandora öffnet: Die gesamte Welt wird sich gegen diese Person richten.
Danach wird es wahrscheinlich nicht das gegnerische Militär sein welches diese Person dann aus dem Bunker zerrt, sondern die eigene Bevölkerung.


Quote
Paelantius

Der Krieg ist natürlich eine Katastrophe...
... aber so schwarz weiß ist es halt leider auch nicht.
Die Dröhnung der Atomwaffen ist natürlich absoluter Größtenwahn.
Aber die Aussage von Jen Psaki mit dass Russland zu keinem Zeitpunkt von der NATO bedroht war / ist. Ist in Anbetracht der Aufstockung und besonders der Osterweiterung n schlechter Witz.
Überlegen wir Mal wie die USA reagieren würde, wenn Russland mit Mexiko n militärisches Bündnis schließen und Soldaten dort hinstellen würde... Ich glaube da kennen eh alle die Antwort.
Ich bin definitiv gegen diese Eskalation, gegen den Krieg und dass Russland da definitiv unrechtes tut ist klar, aber zu behaupten, dass der "Westen" und die Nato nicht dazu beigetragen hat ist wohl n Märchen.


Quote
Arnold Hau

Natürlich war die Erweiterung der Nato eine massive Bedrohung der Grossmachtinteressen von Russland. Ist halt eine Frage, ob man die anerkennt oder nicht. Da treffen sich die Sicht der Nato (die ja nur der erweiterte Arm der USA ist) und die von Russland nicht.

Also ja, ganz klar, man hat die Interessen von Russland bedroht wenn auch nicht Russland direkt. Das war auch alles andere als gut für den Frieden, und die Nato sind ein Verein zur Sicherung der Interessen der USA und kein Friedensstifterverein.

Aber das was Russland da tut, ist allein und ausschliesslich in der Verantwortung von Russland bzw. Putin und auch wenn die andere Seite maximal grau und nicht weiss ist, das ist tiefschwarz um in ihrem Bild zu bleiben.


Quote
franz fröhlich

Niemand bedroht Russland und niemand greift Russland an. Putin dürfte inzwischen einen Cesarenwahn haben. Ich glaube auch, dass die russischen Soldaten großteils nicht wissen, warum sie gegen die Ukraine kämpfen.


Quote
-e!-

Russland fühlt sich bedroht, obwohl es gleichzeitig einen Angriffskrieg führt. Und weil die "Bedrohung" so groß ist, spielt man nun noch die Atomkarte?
Keine Ahnung, wer da in Moskau die Strategie macht, aber Meisterleitung ist das keine. ...


Quote
Elef_O.

Für die Eskalation braucht es zwei Seiten

Ihr wisst schon, dass Putins Nuklearwaffen europäische Ziele treffen werden?


Quote
OmaMichi

Vladimir, bist du es? ...


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Quote[...] ,,Niemand hat vor, die Ukraine anzugreifen", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am 25. Februar in einer Ansprache. Aber man müsse den ,,Genozid des Naziregimes" in der Ukraine beenden. Beim Zuhören schüttelt man sich vor Fassungslosigkeit. Man möchte meinen, dass die alternativen Fakten eine hässliche Ausgeburt der Trump-Regierungszeit gewesen seien. Hier im Westen schreit man reflexhaft ,,Huch!" und schmeißt mit Ferndiagnosen wie ,,geistesgestört", ,,größenwahnsinnig" und ,,narzisstisch" nur so um sich. ...

... Zwei Tage vor Putins Angriff auf die Ukraine war ich im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin, um dort Dokumente über Repatriierungen, also die Rückführung von Menschen in ihr Heimatland, in die Sowjetunion einzusehen. Mein lettischer Großvater, 1944 mit der Nazi-Armee nach Deutschland gekommen, kehrte 1956 aus dem mutmaßlich etwas goldeneren Westen einigermaßen freiwillig in die bitterarme Sowjetrepublik Lettland zurück, um dort fortan in noch nicht vollumfänglich geklärter Rolle für den KGB tätig zu werden, während meine Großmutter, seine lettische Exgattin, in Deutschland blieb und als zivile Personalchefin in einem Depot der US-Army in Hessen über atomare Sprengköpfe wachte.

... Nach dem Archivbesuch las ich sofort die aktuellen Nachrichten auf meinem Handy. Auch die komplette Rede, die Putin am 21. Februar gehalten hatte. Und es war so unübersehbar, dass mir drinnen gerade die Vorfahren der russischen Desinformationsmaschinerie begegnet waren – quasi Russia Today seine Mudda. Putin begann seine Rede mit einer bewährten rhetorischen Kapriole aus Sowjetzeiten – dem Beleidigtsein: Auf unsere Vorschläge wurde bisher nicht eingegangen, wir fordern schon seit Jahren, bisher wurde Forderung X immer aus unverständlichen Gründen ignoriert.

Fast wortgleich aus Dokumenten von 1956 übernommen. Dann ging er schnell dazu über, eine massive Bedrohung der russischen Bevölkerung zu skizzieren, sprach von ,,unverantwortlichen Politikern im Westen", von ,,zynischem Betrug und Lüge ", von der ,,Schaffung eines uns feindlich gesinnten Antirusslands". Der imperialistische Westen mit der aggressiven Nato, die dem russischen Volk nichts als Übles wollen. Von den USA, die, ,,um ihre Ordnung auf der Welt durchzusetzen, blutige, nicht heilende Wunden, Eiterbeulen des internationalen Terrorismus und Extremismus" hinterließen.

... Putin ist also leider kein Irrer, sondern ein Mann des alten Sowjetsystems, das ihn groß gemacht hat und dessen Regeln er bis heute noch meisterhaft beherrscht. Er hat all diesen Wahnsinn nicht erfunden, nur gelernt und perfektioniert. Das wussten die ehemaligen Sowjetrepubliken schon seit Jahren. Was leider gerade nichts auch nur ein bisschen besser macht.

...


Aus: "Russland und seine Nachbarn: Kontinuität der Manipulation" Tania Kibermanis (1. 3. 2022)
Quelle: https://taz.de/Russland-und-seine-Nachbarn/!5835229/

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Quote
deprofundis, 28. Februar 2022, 18:21:36

Das Potential, den "starken Mann", den Autokraten bis Despoten zu wählen, gibt es leider zuhauf in der EU und den USA. Ich hoffe, die Menschen, die Rechtspopulisten gewählt haben, wachen jetzt zumindest zum Teil auf.


Quote
Kreisler_1583

Putin-Fans und nützliche idioten

Bei alledem muss man natürlich die Rolle der Rechtspopolisten in den westlichen Ländern mit bedenken. Putin konnte die Ermording von Politovskaya, Nemzow, Navalny anordnen, er konnte Juschtschenko und Skripak vergiften lassen, Leute wie Trump waren trotzdem begeistert von ihm; er konnte gar nichts falsch machen. Sender wie FoxNews haben seine Anerkennung der Donbass-Republiken noch vor ein paar Tagen bejubelt. Die hiesige FPÖ hatte sogar einen Freudschaftsvertrag mit Putins Partei (war die FPÖ schon irgendwann einmal auf der richtigen Seite der Geschichte?). Die Spaltung der westlichen Gesellschaften wurde von Putin über Jahre betrieben und die Rechtsparteien waren in gleicher Weise nützliche Idioten wie Katalysatoren dieser Spaltung.


Quote
Fehlfarbe, 28. Februar 2022, 18:01:39

Als feministische Frau wünsche ich mir mehr Menschen in Machpostitionen- unabhängig von Geschlecht,-welche die Menschenrechte, die Demokratie eine poltische Kultur Ernst nehmen und eine bessere Zukunft zum Ziel haben. Die sich nicht von Konzernen finanzieren lassen.


Quote
easyliving

Auch wir Österreicher haben kurz daran geleckt - an Sebastian Kurz - der zartesten Versuchung, seit es Populisten gibt.


Quote
Der Gummibaumtroll

,,Viele Russen sagen inzwischen: Die Ukrainer wählten einen Clown und bekamen einen Präsidenten – wir Russen wählten einen Präsidenten und bekamen einen Clown. Und mit diesem Clown kamen tatsächlich die Tränen."


Quote
Johannes Silver

Wer was wie?
Wer ist die Dame [Die in Paris im Exil lebende Ukrainerin Inna Schewtschenko] und was qualitfiziert sie hier eine Aussage zu tätigen?


Quote
Cocktailspanier

Wer oder was qualifiziert Sie, hier nach Qualifikationen zu fragen?


Quote
Johannes Silver

Und wer soll Femen sein? Auch die kenne ich nicht.


Quote
Leopold Federmair

Stolz auf Ignoranz - Sie haben anscheinend nicht einmal das Interview hier gelesen [https://www.derstandard.at/story/2000133721798/femen-aktivistin-schewtschenko-putin-ist-nicht-ploetzlich-verrueckt-geworden]. Ob da Aufforderungen, Wikipedia zu lesen, was nützen?...


Quote
Johannes Silver

Ich mache wichtigeres im Leben.


Quote
Sum, ergo cogito, ergo dubito.

Die NATO-Osterweiterung wurde nicht durch Krieg erzwungen, diese souveränen Staaten haben nur ihren Willen bekommen. Russland hingegen ist über unbotmäßige
Länder hergefallen. Ist schon ein gewaltiger Unterschied. Dass beide Machtblöcke ihren
Einflussbereich erweitern wollen, ist nur logisch. Die Art und Weise, wie man das erreicht, ist aber entscheidend.


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Klassenkaempfer

Nach 30 Jahren Natoeinkreisung reagiert Russland. In Kuba waren die Raketen nicht mal aufgestellt und die Amis wollten ihre Nuklearraketen losschicken.


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berg_oben

...bitte was ist eine Femen Aktivistin, sorry...ich glaub ich bin jetzt mit Mitte 40 schon uraltes Eisen


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Mathias Steinlaus

Als Femen 2008 gegründet wurde, und politisch auch öffentlich aktiver war, waren Sie wohl eher durch die nackten Oberweiten abgelenkt ....


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christoph hofbaur

Femen gibt es seit 2008, da waren Sie gerade Anfang 30.
Jetzt nicht an Sie gerichtet, sondern ganz allgemein:
Alter darf niemals als Ausrede fuer mangelnde Weiterbildung verwendet werden.
Man kann ueber 90 sein und noch was dazulernen. Oder schon als Teenager aufhoeren, sich geistig weiterzuentwickeln.


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HermineKann

Ich gebe ihr recht. Putin ist ein skrupelloser Machiavellist, dem es nur um seine Macht geht. Seine Stärke ist die Vorausplanung. Deshalb glaube ich auch dem Gehäul nicht, dass er sich jetzt verrechnet hätte. Er will keine NATO in der Ukraine und wenn der Preis dafür viele Tote und ein verarmtes Russland ist, dann wird er ihn zahlen.


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Don Quijote de Viena

Bei aller Tragik gibt es auch Skurrilitäten
In Demokratien wird gegen die Diktatur demonstriert, und ein Präsident mit jüdischen Wurzeln ist ein Nazi. Und in den Irak wurde einmarschiert, weil irgendjemand die Idee hatte, Saddam Hussein würde die Atombombe "erfunden" haben. Hauptsache es wurde marschiert und dadurch die Weltordnung schon einmal gehörig durcheinandergewirbelt. Und Putin ließen sie schalten und walten wie er wollte, niemand schaute genauer hin, die meisten schauten überhaupt weg. Wir haben uns alle mitschuldig gemacht! Wenn in meiner Nachbarwohnung die Eltern ihre drei Kinder quälen und ich bin im Bilde, und ich sage, das geht mich nichts an. Was ist dann?


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standardised

Im System Putin werden seit Jahrzehnten Andersdenkende (Journalist*innen, Oppositionelle etc.) verfolgt, vergiftet, ermordet oder ins Gefängnis gesteckt. Eigentlich dürfte über die Dynamik der letzten Woche niemand im Westen überrascht sein. Shame on us.


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Willkommensklatscher

Putin ist nach den Morden an Litwinenko, Politowskaja, Berezowski, Nemzow etc, nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim von österreichischen Wirtschaftstreibenden mit Standing Ovations in der WKO begrüßt worden und von der Außenministerin Kneissl mit Pomp und Trara zu ihrer Hochzeit eingeladen worden.

Viele sind ihm verblendet und verzückt in den Oa... gekrochen.

Die Gier is a Hund.


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The Great Attractor

"Aber Amerika"

Ist und war die Rechtfertigung all jener, die nicht hinsehen wollen und wollten.


Kommentare zu: https://www.derstandard.at/story/2000133721798/femen-aktivistin-schewtschenko-putin-ist-nicht-ploetzlich-verrueckt-geworden (28. Februar 2022)

Textaris(txt*bot)

Quote[...] BERLIN taz | Es ist erstaunlich: Schon vor der jetzt angekündigten massiven Steigerung des Wehretats gab die Bundesrepublik mehr Geld für das Militär aus als die Atommacht Frankreich. Israel kommt sogar mit weniger als der Hälfte aus, ohne dass jemand auf die Idee käme, den israelischen Verteidigungsstreitkräften zu unterstellen, sie seien schlecht ausgestattet und nur bedingt abwehrbereit. Doch glaubt man der Wehrbeauftragten des Bundestags Eva Högl (SPD), haben die vielen Milliarden nicht einmal für die Anschaffung dicker Jacken und Unterhosen ausgereicht.

Es sei ,,absolut unverständlich", dass es selbst bei kleinen Ausrüstungsgegenständen hake, konstatierte sie in ihrem letzten Jahresbericht. Damit steht sie in der Tradition ihrer Vorgänger Hellmut Königshaus (FDP) und Hans-Peter Bartels (SPD), die ebenfalls gebetsmühlenartig den schlechten Zustand der Truppe angeprangert haben.

Das Problem: Seit 2014 sind die Verteidigungsausgaben kontinuierlich angestiegen, von damals 32,4 Milliarden Euro auf mehr als 46,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr – doch an der schlechten Verfassung der Bundeswehr hat sich über die Jahre nichts geändert. Fehlendes Geld kann also kaum der Hauptgrund dafür sein.

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Aus: "100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Schlechte Ausstattung für viel Geld" Pascal Beucker (1.3.2022)
Quelle: https://taz.de/100-Milliarden-Euro-fuer-die-Bundeswehr/!5837954/

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Quote[...] Anleger erwarten vor allem Chancen für Rheinmetall und den Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt. ... Angesichts der geplanten zusätzlichen Ausgaben könnte Deutschland mit geschätzten 33,5 Milliarden Euro pro Jahr rund viermal so viel in die Ausrüstung der Bundeswehr stecken als bisher, rechnen die Analysten vom Investmenthaus Stifel vor. Da Rheinmetall der größte Lieferant der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr sei, dürften sich die Düsseldorfer einen bedeutenden Anteil der Summe sichern können.

Quelle: ntv.de, fzö/dpa


Aus: "Ausrüstung für 42 Milliarden: Rheinmetall bereit für Lieferung an Bundeswehr" (01.03.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Rheinmetall-bereit-fuer-Lieferung-an-Bundeswehr-article23163458.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Vladimir Putin's bloody invasion of Ukraine has sharpened two terrifying realisations. The first is that Putin does not function within the realm of the usual finely balanced checks and balances, sticks and carrots, that the west hoped would contain him and maintain an uneasy truce in Europe. The second is that decades of work since the second world war to learn from the mistakes of the past and fortify against them in the future have failed. Here again, we have not a civil war, but an invasion of a sovereign state in defiance of the rest of the world. Here again, we have images that are only known to us as historical reels, of frenzy and panic as thousands attempt to flee to safety.

But there is a third realisation that appears to shape the perception of too many western journalists justifiably appalled at the defiling of Europe. From the tone of much coverage, this seems uniquely distressing and more alarming to them because the lives of non-Europeans have less value, and their conflicts are contained, far away from us.

I thought it was just clumsy phrasing from a couple of reporters under pressure, but soon it became clear that it was, in fact, a media-wide tic. From Al Jazeera to CBS News, journalists were appalled that this was not happening in "Iraq or Afghanistan" but in a "relatively civilised European city". One said: "The unthinkable has happened. This is not a developing, third world nation. This is Europe." Another reflected: "These are prosperous middle-class people ... these are not obviously refugees getting away from the Middle East. To put it bluntly, these are not refugees from Syria, these are refugees from Ukraine ... They're Christian, they're white, they're very similar."

Ukraine's deputy chief prosecutor, David Sakvarelidze, told the BBC, unchallenged: "It's very emotional for me because I see European people with blue eyes and blond hair being killed."

Daniel Hannan, Telegraph columnist, former MEP, Lord Hannan of Kingsclere; put it more bluntly, writing that those suffering in Ukraine "seem so like us. That is what makes it so shocking ... War is no longer something visited upon impoverished and remote populations. It can happen to anyone." It is, he said: "civilisation in retreat".

This strange account of a history in which wars, conflict and dispossession mostly happened in "third world" and "remote" countries (remote from whom?) is a fiction that has come about as a result of a political and media climate that has stripped the humanity of those seeking refuge so completely it has become a fact, repeated with no self-awareness or shame.

An extremely generous view of these statements is that it is not, in itself, an unusual impulse to care more about, or be affected more, by events happening closer to home than farther afield. Perhaps what these people are really trying to say is something along the lines of "this has not happened in this patch in generations" in order to highlight the abnormality of this particular conflict. There is that.

But there is also much more to it. There is an acceptance that war is natural in other places but an aberration here. That war happens only to the poor and the uncivilised, not the well-off and stable.

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From: "Let the horror in Ukraine open our eyes to the suffering of war around the world" Nesrine Malik (Tue 1 Mar 2022 12.15 GMT)
Source: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/01/let-the-horror-in-ukraine-open-our-eyes-to-the-suffering-of-war-around-the-world

Topics: Ukraine, Opinion, Vladimir Putin, Refugees, Russia, Europe, comment

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#719
Quote[...] Die russischen Behörden haben zwei unabhängige Medien wegen ihrer Berichterstattung über den russischen Einmarsch in der Ukraine gesperrt. Wie russische Nachrichtenagenturen am Dienstag berichteten, gab der Generalstaatsanwalt diese Anweisung.

Die russische Medienaufsicht hatte laut den Berichten den Befehl, den Zugang zum Fernsehsender Doschd sowie zum Radiosender ,,Moskauer Echo" zu blockieren. Als Grund gab er demnach an, die beiden Sender verbreiteten ,,absichtlich falsche Informationen "über den russischen Einmarsch.

Doschd bestätigt auf Twitter den Schritt der Generalstaatsanwaltschaft. Der Chefredakteur von ,,Moskauer Echo", Alexej Wenediktow, erklärte im Messengerdienst Telegram, der Sendebetrieb sei eingestellt worden. Die Websites beider Medien konnten am Abend in Russland nicht aufgerufen werden.

Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte am Samstag allen einheimischen Medien die Charakterisierung des Großangriffs auf die Ukraine als ,,Angriff", ,,Invasion "oder ,,Kriegserklärung" untersagt. Sie verlangte, dass die Begriffe aus allen Berichten gelöscht werden, ebenso wie alle Hinweise auf von den russischen Streitkräften getötete Zivilisten.

Bereits damals hatte Roskomnadsor eine Reihe unabhängiger Medien, darunter auch Doschd und das ,,Moskauer Echo" beschuldigt, falsche Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und den Tod von ukrainischen Zivilisten zu verbreiten. (AFP)


Aus: "Russische Behörden sperren zwei unabhängige Medien" (01.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/angeblich-absichtlich-falsche-berichte-russische-behoerden-sperren-zwei-unabhaengige-medien/28120264.html

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Quote[...] RT.DE darf nach einem Verbot der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) nicht senden. RT.DE sendet aber, Tag für Tag und im Sinne der "Militäroperation" Russlands in der Ukraine. Daher hat sich die Aufsichtsbehörde am Dienstag "entschieden, ein Zwangsgeld in üblicher Höhe von 25 000 Euro anzudrohen und sogleich die Festsetzung angekündigt, sollte die RT DE Productions GmbH die Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms ,,RT DE" nicht bis zum 4. März 2022 einstellen", heißt es auf Anfrage des Tagesspiegels. Dieses Zwangsgeld kann immer wieder angesetzt, was RT.DE am Ende des Tages teuer zu stehen kommen könnte.

Gegenstand des Verfahrens der Medienanstalten und damit auch der Zwangsgeldandrohung sei unverändert, dass die RT DE Productions GmbH Veranstalterin des Fernsehprogramms ,,RT DE" sei. Rundfunk ist laut MABB in Deutschland zulassungspflichtig, eine Lizenz wurde jedoch nie beantragt und damit auch nicht erteilt. Die MABB hatte am Tag nach dem Sendestart, also am 17. Dezember 2021, umgehend ein Verfahren eingeleitet und durchgeführt, "so dass die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) am 1. Februar 2022 das Programm beanstanden und untersagen konnte". Was RT.DE aber ignoriert.

Der Umgang mit den russischen Staatsmedien hat nicht nur eine deutsche, sondern auch eine europäische Ebene. Das EU-Verbot von RT und Sputnik wird nach Angaben von Binnenmarktkommissar Thierry Breton die Verbreitung über alle Kanäle betreffen, heißt es in einer dpa-Meldung.. Dies gelte für die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, digitales Fernsehen oder Video-Pattformen, sagte Breton am Dienstag dem französischen Radiosender RTL. Ziel sei, den Zugang der beiden ,,russischen Propagandaorgane" zum gesamten europäischen Markt einzuschränken.

Breton zufolge sollten die Maßnahmen noch am Dienstag in Kraft treten. Zuvor sollten sich am Mittag allerdings die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten mit dem Thema befassen. Anschließend müsste der Beschluss formell in einem schriftlichen Verfahren gefasst werden, ehe er im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden könnte. Dann erst wäre das Verbot in Kraft.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Verbot von RT und Sputnik am Sonntag angekündigt. Damit soll Desinformation und Kriegspropaganda in Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine bekämpft werden. Der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok beschränkten bereits den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU.

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Aus: "Zur Durchsetzung des Sendesverbots von RT.DE MABB verhängt Zwangsgeld" Joachim Huber (01.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/zur-durchsetzung-des-sendesverbots-von-rt-de-mabb-verhaengt-zwangsgeld/28117772.html

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Quote[...] RT wird im Westen als Propagandainstrument des Kreml gesehen. Zentraler Vorwurf: Der Sender verbreite im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformation mit dem Ziel der Destabilisierung. Laut einer Studie ist RT Deutschland auch Sprachrohr für Covid-19-Verschwörungserzähler – der STANDARD berichtete [https://www.derstandard.de/story/2000130958925/russia-today-deutschsprachiger-ableger-sprachrohr-fuer-covid-19-verschwoerungserzaehler]. Youtube sperrte bereits im September 2021 den deutschen Ableger von RT. Mit 4,6 Millionen Abonnenten zählt der internationale RT-Kanal zu den größten Medienunternehmen auf Youtube. (Oliver Mark, 25.2.2022, Updates am 26. und 27.2.2002)


Aus: "RT und der Krieg: Putins Propagandamaschine läuft auf Hochtouren – auch in Österreich" Oliver Mark (25. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000133650693/r-t

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harvey g, 25. Februar 2022, 20:50:38

RT gehört weg von den Europäischen Kabel- und Satellitensendern
Übers Internet kann man es ja trotzdem noch schauen. Im Sinne der Meinungsfreiheit ist das ja auch okay so. Es ist auch ganz spannend mal bei Russia Today reinzuschauen. Dann versteht man plötzlich woher diese "Putinversteher" ihre Informationen haben. Auf RT klingt das nämlich wirklich alles recht schlüssig. Und es wird auch recht gefällig präsentiert.


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? ? ? ? ? ? ? ?, 25. Februar 2022, 14:05:59

Pluralismus und Demokratie können nur funktionieren, wenn ein gewisses Bildungsniveau herrscht. Dass wissen wir seit Jahrzehnten - getan wurde trotzdem viel zu wenig. Und jetzt lernen wir auf die harte Tour, wie wahr dieser Satz ist, aber halt keider zu spät, denn Zensur wird uns nicht retten, sondern ist nur Wasser auf die Mühlen der Propagandisten.

Bildungsmangel war und ist das Einfallstor für menschenfeindliche Propganda und Bildung das einzige Mittel, das uns davor geachützt hätte.


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Quote[...] Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat offizielle Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der von Russland angegriffenen Ukraine eingeleitet. Das teilte Chefankläger Karim Khan am Mittwochabend in Den Haag mit. 39 Vertragsstaaten des IStGH hätten eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen, die die Ermittlungen ermöglichten.

Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine in der vergangenen Woche hatte der Ankläger erklärt, er beobachte die Lage eingehend. Am Montag kündigte er dann seine Absicht an, Ermittlungen einzuleiten. Diese beziehen sich nun den Angaben zufolge zunächst auf mögliche Verbrechen, die vor der Invasion Russlands begangen wurden. Angesichts der Ausbreitung des Konflikts sollten die Ermittlungen seiner Ansicht nach aber erweitert werden.

Das Gericht hatte bereits Vorfälle bei der Niederschlagung pro-europäischer Proteste in Kiew 2013/2014 untersucht, ebenso bei der russischen Besetzung der Krim 2014 und in der Ostukraine.

Es gebe ,,eine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine begangen wurden", hatte der Chefankläger am Montag mitgeteilt. Die Untersuchung solle sich auf mögliche Verbrechen aller Parteien in dem Konflikt richten.

... Die russische Armee nimmt nach Angaben der US-Regierung bei ihrem Angriffskrieg in der Ukraine zunehmend Zivilisten ins Visier. Russland bringe ,,extrem tödliche Waffen" ins Land, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, am Mittwoch. Dies umfasse Streubomben und Vakuumbomben, die international geächtet sind und ,,keinen Platz auf dem Schlachtfeld" haben.

Bei der russischen Offensive seien bereits ,,hunderte, wenn nicht tausende Zivilisten getötet oder verletzt worden", sagte US-Außenminister Antony Blinken. Die Folgen für die Bevölkerung seien erschütternd. Das russische Militär greife Gebäude und Städte an, die keine militärischen Ziele seien, betonte er: ,,Die humanitären Auswirkungen werden in den kommenden Tagen noch zunehmen."

Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums erklärte, die Intensität der Angriffe mit schwerer Artillerie werde in den nächsten Tagen voraussichtlich noch zunehmen, während die russischen Truppen Städte in der Ukraine einzukreisen versuchten. ,,Die Sorge ist, dass sie weniger präzise werden, je aggressiver sie werden", sagte der Pentagon-Vertreter. (dpa, AFP)


Aus: "Weltstrafgericht ermittelt zu Kriegsverbrechen in der Ukraine" (03.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/ausreichende-grundlage-fuer-untersuchung-weltstrafgericht-ermittelt-zu-kriegsverbrechen-in-der-ukraine/28125332.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) plant, ein Zelt für 1.000 Personen auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof zu errichten. Das sagte sie dem rbb am Donnerstag. In dem Zelt soll es Sitzplätze und Sanitäranlagen geben. Ankommende aus der Ukraine sollen sich dort ausruhen können, bevor sie weiterreisen oder per Shuttle-Bus in Unterkünfte in Berlin vermittelt werden.

Giffey hatte am Donnerstagabend gemeinsam mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) den Hauptbahnhof besucht. Dort informierten sich die beiden Politikerinnen bei Organisationen, Helferinnen und Helfern sowie Betroffenen über die Situation an diesem zentralen Ankunftsort für Geflüchtete.

Wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine fliehen immer mehr Menschen aus dem Land, allein in Berlin sind im Laufe des Donnerstags rund 6.000 Geflüchtete am Hauptbahnhof angekommen. Das sagte die Berliner Regierende Bürgereisterin Franziska Giffey (SPD) am Abend dem rbb.

Etwa zwei Drittel von ihnen würden bei Familie oder Bekannten unterkommen, 1.000 Plätze stünden in Brandenburg bereit. Giffey sagte weiter, der Senat bereite den Aufbau einer zweiten zentralen Ankunftsstelle vor. Die bisherige in Reinickendorf reiche für den Ansturm nicht mehr aus. Die SPD-Politikerin betonte, es brauche jetzt bundesweite Strukturen.

Währenddessen sprachen Giffey und Kipping mit anwesenden Helfern, die sich am Hauptbahnhof in Berlin versammelt hatten. Mehr als hundert Freiwillige bieten mittels Plakaten auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine an. In den vergangenen Tagen seien etwa zwei Drittel von ihnen zu Verwandten und Freunden gefahren, ein Drittel sei vom Land Berlin versorgt und untergebracht worden.

Am Abend baute die Hilfsorganisation Malterser drei Zelte am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) auf, in denen Ankommende für ein paar Stunden betreut und bei Bedarf auch sanitätsdienstlich versorgt werden können.

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Aus: "6.000 Menschen aus der Ukraine angekommen Berlin plant ein Zelt für Geflüchtete am Hauptbahnhof" (Fr 04.03.2022)
Quelle: https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/berlin-freiwillige-hauptbahnhof-unterkuenfte-fuer-gefluechtete.html

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"Krieg in der Ukraine Mehr als eine Million auf der Flucht" (03.03.2022)
Es sei ein "Exodus", sagt das UNHCR: Mehr als eine Million Menschen seien nach erst einer Woche Krieg bereits aus der Ukraine geflohen. Dieser Umfang sei in diesem Jahrhundert ohne Beispiel.
In weniger als einer Woche seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind bereits mehr als eine Million Menschen geflohen. Davon geht das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aus. "Unsere Daten zeigen, dass wir in Mitteleuropa um Mitternacht die 1-Millionen-Marke überschritten haben", schrieb UNHCR-Sprecherin Joung-ah Ghedini-Williams in einer E-Mail.
UNHCR-Chef Filippo Grandi forderte auf Twitter eine Waffenruhe: "Für viele weitere Millionen in der Ukraine ist es an der Zeit, dass die Waffen schweigen, damit lebensrettende humanitäre Hilfe geleistet werden kann."
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukrainekrieg-fluechtlinge-million-101.html

Textaris(txt*bot)

#721
Quote[...] Man könne nicht oft genug daran erinnern: ,,Russland ist nicht Putin-Land".

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Aus: "Berliner Theatermacher ,,Russland ist nicht Putin-Land"" Patrick Wildermann (06.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-theatermacher-russland-ist-nicht-putin-land/28136260.html

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Quote[...] BERLIN taz | Am Samstag vor einer Woche, der russische Überfall auf die Ukraine war gerade einmal zwei Tage alt, veröffentlichte die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA-Novosti einen Jubelkommentar zum Endsieg. Unter einem Foto des Maidan in Kiew und der Überschrift ,,Der Vorstoß Russlands und die neue Welt" stellt der Kommentator fest: ,,Die Ukraine ist zu Russland zurückgekehrt." Die ,,Tragödie von 1991", also der Zerfall der Sowjetunion, sei überwunden, die ,,russische Welt" wieder vereint.

Der Text wurde nach einer Minute wieder gelöscht, da hatten ihn aber schon Leute gelesen und archiviert. Die versehentliche Veröffentlichung verriet, was zahlreiche Berichte mittlerweile bestätigen: Die Führung in Moskau ging von einem kurzen Krieg aus, in dem einige Angriffe genügen, damit die Ukraine die Waffen streckt und eine neue Führung in Kiew die Macht ergreift, die sich Moskau unterwirft. ,,Du wirst dich fügen, meine Schöne", hatte Präsident Wladimir Putin seine Ukraine-Pläne vor vier Wochen in Moskau im Beisein von Emmanuel Macron genannt.

Das hat nicht geklappt. Nach gut einer Woche Krieg ist klar: Russlands Vormarsch stockt. Kaum irgendwo sind die Invasoren über ihre anfänglichen Vorstöße hinausgekommen – mit Ausnahme des Südens um das eingekesselte Mariupol nahe der Front zu den Separatistengebieten im Donbass und das beim zweiten Versuch eroberte Cherson an der Mündung des Dnipro.

Alle Versuche, auf die Hauptstadt Kiew vorzustoßen oder einen Belagerungsring um sie zu ziehen, wurden zurückgeschlagen. Ebenso verhält es sich mit der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw.

In den letzten Tagen eroberte die Ukraine mehrere verlorene Orte nahe Kiew zurück. Jeden Tag gibt es neue Meldungen über zerbombte russische Nachschubkolonnen. Die ukrainische Bilanz der russischen Verluste betrug am Freitag 9.166 Soldaten, 33 Flugzeuge, 37 Hubschrauber, 251 Panzer und vieles mehr. Russland hat bisher lediglich am Mittwochabend 498 tote, eigene Soldaten bestätigt – einen Tag, bevor Präsident Wladimir Putin in einer Ansprache behauptete, die ,,Operation" verlaufe ,,nach Plan".

Tatsächlich verändert Russland seine Kriegsstrategie. Es versucht aktuell nicht mehr, mit Panzern Städte zu erobern. Städte werden jetzt massiv bombardiert, aus der Luft, mit Raketen und mit schwerer Artillerie, vorzugsweise Wohngebiete und zivile Ziele. Es ist eine Art kollektive Bestrafung der ukrainischen Bevölkerung, weil sie sich nicht fügt.

Manche Bilder erinnern an die düstersten Szenen der russischen Intervention in Syrien, wo Russland mit massiven Luftangriffen ab 2015 das bedrängte Assad-Regime rettete – um den Preis eines komplett zerstörten Landes, in dem die Hälfte der Bevölkerung fliehen musste.

,,Der Kreml neigt dazu, an Gewaltanwendung festzuhalten, wenn er von der eigenen Sache überzeugt ist", analysiert lapidar der führende britische militärpolitische Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Zwar wäre das Szenario ,,Kiew plattmachen" die für Moskau ,,politisch ungemütlichste Option", bemerkt Autor Lance Davies und fügt in britischem Understatement hinzu, bei Angriffen ,,sind städtische Bevölkerungen selten neutral".

Doch ,,wenn weniger gewaltsame Maßnahmen wirkungslos bleiben, könnte sich die militärische und politische Führung Russlands zur Überzeugung durchringen, dass ein blutiger Angriff auf Kiew ihre einzige Option ist".

Denn ohne Regimewechsel in der ukrainischen Hauptstadt kann Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen. Und genau da liegt der blinde Fleck in Moskaus Politik. Alle Analysten sind sich einig, dass der Kreml den Widerstandswillen und die militärischen Kapazitäten der Ukraine total unterschätzt hat.

Darüber hinaus sorgen eklatante Schwächen der russischen Streitkräfte für Überraschung bei Beobachtern, die seit Jahren die Modernisierung der russischen Streitkräfte begleiten. Russlands Angriff auf die Ukraine begann am 24. Februar zwar wie erwartet mit Raketenschlägen auf die ukrainischen Radarsysteme, aber es folgte keine Ausschaltung der ukrainischen Luftwaffe, um Lufthoheit herzustellen.

,,Die rund 300 modernen Kampfflugzeuge, die die russische Luftwaffe in Reichweite der wichtigsten Einsatzgebiete positioniert hat, scheinen in den ersten vier Tagen zumeist am Boden geblieben zu sein", schreibt der RUSI-Analyst Justin Bronk. Die Russen hätten ihre fehlende Lufthoheit dann einfach ignoriert. ,,Mehrfach wurden russische Kolonnen jenseits der Reichweite ihrer eigenen Luftabwehr losgeschickt, und manchmal steckten begleitende Luftabwehrbatterien im Stau fest." Das Ergebnis: keine effektive Gegenwehr bei ukrainischen Gegenangriffen.

Fehlende Abstimmung zwischen Boden- und Luftstreitkräften und zwischen Einheiten betonen auch die Tagesberichte des Institute for the Study of War (ISW) in den USA. ,,Russische Kommandeure scheinen lieber neue Fronten zu öffnen, als Synergien herzustellen", resümiert der jüngste ISW-Bericht vom Donnerstag die ,,weiterhin erfolglosen" Versuche, Kiew zu umzingeln und Charkiw zu erobern. Selbst in der Südukraine, wo es Erfolge gibt, ,,ziehen sie Operationen an drei verschiedenen Achsen vor, statt sich auf eine zu konzentrieren oder sich gegenseitig zu unterstützen", und ,,diese einfachen operativen Fehler bleiben unerklärlich".

Das Bild, das die Analysen zeichnen, ist das einer Fußballnationalmannschaft aus Profis, die noch nie miteinander gespielt haben. Dabei sind es nicht mal alles Profis. In der Ukraine mehren sich Berichte über gefangengenommene blutjunge russische Wehrpflichtige, die dachten, sie seien im Manöver.

Kritik an Russland äußert sich inzwischen auch von innen. Ausgerechnet Igor Girkin, beim Krieg von 2014 prominenter Separatistenführer, betont auf Twitter den desolaten Zustand der russischen Truppe. Auf einem am Donnerstag veröffentlichten Video stehen Soldaten im Matsch und schimpfen, sie seien ,,als Kanonenfutter im Stich gelassen" worden. Seit Tagen schliefen sie draußen, ohne Zelte, ohne richtiges Essen und Wasser, nicht einmal die Toten würden eingesammelt und sie sollten rückdatierte Entlassungspapiere unterschreiben, damit man dementieren könne, dass sie je im Einsatz waren.

Es klingt wie eine Truppe kurz vor der Meuterei. Die US-Fachleute vom ISW erwarten nun das Heranschaffen von Verstärkung aus anderen Teilen Russlands und mehr Angriffe auf die Zivilbevölkerung – aber keine Wende im Krieg: ,,Die anfänglichen Irrtümer, die zu logistischen und operativen Fehlern um Kiew beitrugen, werden nur schwer zu beheben sein und dürften weiter zu Friktionen und verminderter Effektivität führen, auch wenn Versorgungsprobleme gelöst werden und Verstärkungen zum Einsatz kommen."

Die ambivalente Kriegslage fasste am Freitag US-Analyst Glen Grant im Kyiv Independent zusammen. ,,Die Ukraine hat diesen Krieg militärisch gewonnen", schreibt er. ,,Sie hat gewonnen, weil sie mutig und klug gekämpft hat, und nun kann Russland nichts tun, um die Struktur der Ukraine zu verändern [...] Aber die Zerstörung und Ermordung von Zivilisten geht Tag und Nacht weiter. Denn wie ein rachsüchtiger Ex will Putin die Ukraine zerstören. Es ist die Haltung ,Wenn ich sie nicht haben kann, bekommt sie niemand.'"


Aus: "Russlands Strategie in der Ukraine: Vorzugsweise zivile Ziele" Dominic Johnson, Ressortleiter Ausland (4. 3. 2022)
Quelle: https://taz.de/Russlands-Strategie-in-der-Ukraine/!5838975/

Quotemichaelfrf
Freitag, 21:24

Kann ja alles sein, was der Ressortleiter Ausland der TAZ hier aus den verschiedenen Quellen wiedergibt. Aber wenn ich zum Beispiel lese, dass der Kyiv Independent schreibt, wie ein "rachsüchtiger Ex wolle Putin die Ukraine zerstören", dann stößt mich, sorry, allein schon dieser Vergleich ab. DIE Ukraine, DER Putin. Das ist Klischee pur, und erinnert an Kriegspropaganda aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dummerweise habe ich nach einem Aufruf des Guardian für den Kyiv Independet gespendet.Würde ich nach diesem Zitat nicht mehr tun. ...


Quotesaihtam

Dieser Krieg wir durch westliche Waffenlieferungen nur verlägert, nicht entschieden. Ebenso durch unreflektiertes Loben des "Heldenmutes" der Bevölkerung durch so viele hier, ausgesprochen aus der sichren Entfernung. Das Narrativ, es sei zu lange zu nachgiebig mit Putin umgegangen worden, ist auch grundfalsch. Die Wirklichkeit: Die Aufgabe des Paradigmas, dass sicherheitspolitische Stabilität die Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller erfordert, hat zu diesem Verhängnis geführt, nämlich dass einer Seite in einer scheinbar irrationalen Weise eine Sicherung durchgebrannt ist. Vor allem zum Verhängnis für die ukrainische Bevölkerung.


QuoteBarbara Falk
Freitag, 19:53

.. Kritik von rechts gibt es aber innerhalb Russlands in der Tat:
Politik Ukrainekrise: Untypischer Kritiker - Der russische Generaloberst Leonid Iwaschow warnt vor einem Angriff Moskaus auf die Ukraine
Von Birger Schütz 07.02.2022
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1161117.ukrainekrise-untypischer-kritiker.html

Diese Kritik wurde aber eher vor Kriegsbeginn getätigt, aktuell äußert sich aus dieser Ecke öffentlich niemand. Das Regime fordert auf allen Ebenen der Gesellschaft demonstrative Zustimmungsbekundungen ein und bekommt sie auch (noch). Was die Menschen tatsächlich denken, ist eine andere Frage.


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Textaris(txt*bot)

#722
Quote[...] Es gehört wohl zum größten Grauen, das Eltern sich vorstellen können: Das Kind wird in den Krieg geschickt und verschwindet. Keine Nachricht mehr, über Wochen, und immer der ungeheure Verdacht, es könnte gefallen sein.

So geht es derzeit vielen russischen Müttern und Vätern, die um ihre Söhne bangen. Sie suchen sie auf Onlineportalen und scannen Kriegsfotos.

Eine Gruppe von Frauen aus der Ukraine und Russland hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Eltern zu helfen. Laut der deutschen Partnerorganisation identifizieren ukrainische Frauen zurzeit die Leichen russischer Soldaten. Noch wissen sie nicht, wohin mit den toten Körpern. Aber sie sollen zurück nach Hause, zu ihren Müttern. Auch das wollen die Frauen aus der Ukraine organisieren.

Es ist ein kalter Februar­abend in Berlin. Vier Frauen aus der Ukraine und Russland sitzen zusammen bei einer Podiumsdiskussion, zwei in Berlin, zwei online zugeschaltet aus der Ukraine, und erzählen von ihrer Arbeit. Die umfasst nicht nur Leichen identifizieren, sondern auch Brot backen. Es ist Friedensarbeit. Weil diese zur Zeit besonders gefährlich ist, steht hier nicht der Name der Initiative, die Frauen tragen nicht ihren echten Namen.

Eine der vier Frauen ist Anastasia Danylenko. Sie lebt in der Ostukraine, seit acht Jahren tobt der Krieg vor ihrer Haustür. Danylenko und eine russische Kollegin sind einen Tag nach der Invasion nach Berlin gereist, um über ihre Initiative zu sprechen. Nun sitzen sie fest. Die Rückreisen in die Ukraine und nach Russland sind momentan schwierig. Das auszuhalten, fällt ihnen sichtlich schwer. Permanent klingeln ihre Handys und zeigen Nachrichten von Familie und Freunden aus der Heimat.

Der Krieg in der Ukraine hat auf sehr brutale Weise klassische Geschlechterrollen sichtbarer gemacht: Männer erschießen, Frauen kümmern sich um die Leichen. Männer ziehen an die Front, Frauen tragen ihre Kinder über die Grenze. In Talkshows und auf Zeitungsseiten erklären Männer Militärstrategien. Und hinter der ukrainischen Grenze verteilen polnische und slowakische Frauen Tee und Salamibrote an geflüchtete Ukrainer*innen.

Ganz so eindeutig ist es natürlich nicht. Aber wer sich in der ukrainischen Community in Berlin umhört, bekommt auch den Eindruck, dass es hier gerade vor allem Frauen sind, die zur Solidarität mit der Ukraine aufrufen. Sie sprechen bei Demos, schreiben Spendenlisten und suchen Schlafplätze für Geflüchtete. Man könnte sagen: Sie leisten Care-Arbeit in einem Krieg.

Vor dem Pilecki-Institut am Brandenburger Tor in Berlin weht am vergangenen Dienstag eine ukrainische Fahne neben einer polnischen. Das Pilecki-Institut ist ein polnisches Kultur- und Forschungszentrum. Gerade ist dort eine Ausstellung über den jüdischen Juristen und Friedensforscher Rafał Lemkin zu sehen.

Im Erdgeschoss laufen an diesem Vormittag viele Menschen herum. Sie reden hektisch miteinander, telefonieren, tragen Tüten und Kartons rein und raus. Sie sind nicht für die Ausstellung gekommen, sie leisten von hier aus Hilfe für die Ukraine: sammeln Medikamente, Verbandsmaterial, Thermoskannen, Isomatten, Windeln. Sie beordern Busse an die ukrainische Grenze, organisieren Demos und Gespräche mit Politiker*innen. Das Pilecki-Institut hat dafür seine Räume zur Verfügung gestellt.

Es sind vor allem junge Leute zwischen 20 und 30 da. Sie tragen weiße Turnschuhe, große Kopfhörer, Hawaiihemden. Sie nennen sich ,,Ukrainischer Widerstand" und stammen aus verschiedenen Initiativen von Exil-Ukrainer*innen in Berlin: ein Pfadfinderverband, ein deutsch-ukrainischer Kinoklub und Vitsche, eine neu gegründete Gruppe junger Ukrainer*innen.

Iryna ist eine von ihnen. Ihren Nachnamen will sie nicht nennen, um sich zu schützen. Eigentlich studiert sie in Frankfurt an der Oder Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas. Seit fünf Jahren wohnt sie in Berlin, ihre Familie lebt noch im Zentrum der Ukraine. Im ,,ukrainischen Widerstand" engagiert sie sich erst seit wenigen Tagen.

,,Als Putin in seiner Fernsehansprache der Ukraine ihr Existenzrecht abgesprochen hat, konnte ich nicht länger rumsitzen", sagt sie. Im Internet sei sie auf die Gruppe Vitsche gestoßen, seitdem sei sie dabei.

Es stimme, sagt Iryna, dass es vor allem Frauen sind, die zur Zeit für Solidarität mit der Ukraine werben. ,,Das liegt vielleicht daran, dass die Frauen häufiger öffentlich sprechen." Im ukrainischen Widerstand seien aber auch viele Männer und vor allem Queers organisiert. ,,Solidarität ist keine Frage von Geschlecht."

Anastasia Danylenko aus der Ostukraine nimmt das anders wahr. In ihrer Friedensgruppe engagieren sich explizit nur Frauen. Sie seien ganz unterschiedlich aufgewachsen, erzählt Danylenko. Manche stammen aus Kiew, andere aus Dörfern in der Ostukraine. Was sie eint: Sie bauen die vom Krieg zerstörten Städte wieder auf.

Wie damals, als in einer Stadt im Donbass die Brotfabrik zerbombt wurde. ,,Wir wussten, diese Stadt braucht Brot. Also haben wir Frauen uns gegenseitig gezeigt, wie Brot gebacken wird", sagt Danylenko. Viele kleine Bäckereien seien so in der Stadt entstanden. Andere Frauen aus der Westukraine hätten Frauen im Osten gezeigt, wie man einen Pizzalieferservice aufbaut und damit Geld verdient.

Die Männer hingegen säßen deprimiert zu Hause und warteten ab, ob die Bomben heute ihr Haus treffen. Oder sie kämpften an der Front. Wenn sie nach Hause kämen, würden sie als Helden gefeiert. Wie die neuen Machthaber – ebenfalls alles Männer. ,,Dabei haben wir Frauen die Stadt wiederbelebt", sagt Danylenko.

Dass Frauen anders von Kriegen betroffen sind als Männer, beschäftigt die Politik und die Wissenschaft schon lange. Frauen werden häufiger Opfer von sexualisierter Gewalt, erleben erzwungene Schwangerschaften und Zwangssterilisation, leiden meist nicht nur psychisch, sondern auch wirtschaftlich an der Verschleppung männlicher Verwandter.

Dass Frauen aber auch als Akteurinnen in Friedensprozessen eine besondere Rolle zukommt, das haben die Vereinten Nationen vor gut 20 Jahren anerkannt. Einstimmig hat der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2001 die Resolution 1325 ,,Frauen, Frieden und Sicherheit" verabschiedet. Sie ruft die Mitgliedsstaaten auf, in Kriegs- und Krisengebieten die Rechte von Frauen zu schützen und Frauen stärker in Friedensverhandlungen und Wiederaufbau einzubinden. Es geht dabei nicht bloß um die Frauenquote. Verschiedene Konflikte auf der Welt haben gezeigt, dass der Frieden stabiler ist, wenn Frauen an dessen Aushandlung beteiligt sind.

Daran glaubt auch Anastasia Danylenko. Als Feministin sieht sie sich trotzdem nicht. Viel wichtiger ist ihr: Sie sei zwar eine Frau im Kriegsgebiet, aber deswegen kein Opfer. ,,In der Opferposition richtet man sich ein, da rauszukommen ist nicht leicht", sagt sie.

Zu der Podiumsdiskussion, auf der sie in Berlin spricht, werden auch zwei weitere Frauen ihrer Friedensinitiative dazugeschaltet. Sie sitzen in der Ukraine. Sie schätzen die akute humanitäre Hilfe und die vielen Spenden, die im Rest der Welt gesammelt werden, sagen sie. Trotzdem: Eine dauerhafte humanitäre Hilfe bediene den Krieg. Es sei ein Problem, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht auf Prävention, sondern auf Reaktion ausgelegt sei. ,,Die Ukraine braucht keinen Fisch, sondern eine Angel", sagt eine der beiden. Für einen kurzen Moment bricht ihre Verbindung ab – Bombenalarm in ihrer Stadt.

Bis wieder an Prävention gedacht werden kann, unterstützen sich die Frauen weiterhin in ihrer akuten Not. Vor wenigen Tagen habe es schwere Angriffe auf einen Ort an der russisch-ukrainischen Grenze gegeben. In einem Krankenhaus sei das Insulin ausgegangen. Zusammen haben es die Frauen geschafft, Insulin aus Russland in das Krankenhaus zu bringen.


Aus: "Weibliche Solidarität: Care-Arbeit im Krieg" Anne Fromm, Sophie Fichtner (8. 3. 2022)
Quelle: https://taz.de/Weibliche-Solidaritaet/!5838894/

QuoteAlfonso Albertus

Ansonsten meistens an der Seite der Frauen, aber aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine finde ich diesen Artikel unglaublich unangemessen!
Der männliche Cousin einer ukrainischen Freundin zieht gerade in den Kampf und wird vielleicht sterben-weil er als Mann in der Ukraine bleiben muss!
Seine Frau befindet sich dagegen auf dem Weg nach Deutschland. Kann sie als Frau.
Wäre es möglich dieses Thema einfach mal nicht für die eigene Agenda nutzen zu wollen?
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QuoteCrushedIce

Genau so gut könnte man einen Artikel darüber schreiben warum denn überhaupt überwiegend Männer an der Front kämpfen.
Die "klassische" Rollenverteilung spielt eben immer noch eine Rolle.


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Quote[...] Warum hat das Putin-Regime in offen imperialistischer Manier die Ukraine überfallen?

Wenn es nach Kommentator:innen in rechtskonservativen Kreisen geht, ist ein wesentlicher Teil des Problems, dass westliche Staaten zu verweichlicht, zu politisch korrekt, zu liberal seien. So schreibt Markus Somm in der «SonntagsZeitung» vom 27. Februar, wir alle hätten so getan, als «bestünden unsere dringendsten Sorgen nach wie vor darin, ob es auch Velowege in Schwamendingen gibt oder in unseren Formularen das Gendersternchen oft genug auftaucht, sodass niemand sich verletzt fühlen muss». Der Westen, konstatiert Somm, sei «krank»: «Eine schwächliche, verzagte Generation, die sich lieber selber umbringt, als sich zu wehren.»

Roger Köppel kommt am 26. Februar in der «Weltwoche» online zum Schluss, die «rotgrüne Scheinwelt» breche nun zusammen: «Der Westen muss wieder über Panzer, Energie und Wirtschaft sprechen statt über Windräder und Gendertoiletten.» Die Politologin Regula Stämpfli diagnostiziert einen Tag zuvor auf nebelspalter.ch, dass der Westen die Geopolitik vernachlässigt habe, weil wir über «irrelevanten Scheiss» redeten. Was für «irrelevanten Scheiss» genau? Zum Beispiel die Frage, «was eine Frau und was ein Mann» sei. Und Urs Gehriger beklagt am 25. Februar auf weltwoche.ch, militärische Rüstung sei «im Zeitalter von Gender-Wahn, cancel culture und Öko-Fetisch» nicht «en vogue». Diese Schwäche des Westens habe Putin darin bestärkt, seinen Angriffskrieg zu lancieren.

Der Westen, so der Tenor, befinde sich im Zerfall. Unsere Gesellschaft sei derart liberal und progressiv, dass sie sich selbst abschaffe und die Bühne Potentaten wie Putin überlasse, die bodenständig geblieben seien. Dieses Deutungsmuster ist inhaltlich offensichtlich Humbug – die Militärbudgets und die Feuerkraft der Nato-Mitgliedsländer übersteigen jene von Russland um ein Vielfaches. Dass sich diese Argumentation jedoch in der Schweiz so durchgesetzt hat, weist auf ein grösseres Problem hin: Die Vorstellung, Russland sei stark, weil der Westen dekadent sei, zeugt davon, wie erfolgreich die antidemokratische Kreml-Propaganda der letzten zehn Jahre war.

Im ersten Jahrzehnt der Putin-Ära war Russland eine verhältnismässig technokratische Autokratie, die deutlich weniger reaktionär-nationalistische Züge trug als heute. Den grossen Umschwung brachte die Zeit um 2011 und 2012, die von Protesten gegen Putin und seine Regierung gezeichnet war. Als Reaktion setzte der Kreml ab circa 2013 auf eine Strategie reaktionärer Propaganda, die auf Traditionalismus und Konservatismus setzte. Dadurch sollte das russische Demokratiedefizit innenpolitisch gerechtfertigt und nationale Geschlossenheit markiert werden. Der demokratische Westen, so die Propaganda, zerfalle ob seiner liberalen Prinzipien der Offenheit und Toleranz. Dieses Schicksal solle Russland nicht ereilen, und darum würde die drohende westliche Dekadenz durch Tradition, Nationalstolz und Christentum bekämpft. Das Vokabular der Propaganda war dabei von Anfang an jenes, das rechtskonservative Kreise in ihren Dekadenzdiagnosen heute verwenden. Der Liberalismus des Westens, so Putin im Jahr 2013, sei «genderlos und unfruchtbar».

Diese reaktionäre, antidemokratische Staatsideologie war aber nicht bloss als innenpolitische Propaganda konzipiert. Das Bild von Russland als konservativem Rettungsboot in einer Welt, die von Feministinnen, von Schwulen und trans Menschen, von nichtweissen muslimischen Migrant:innen kaputtgemacht werde, wurde auch aktiv nach aussen projiziert.

Mit durchschlagendem Erfolg: Der globale Desinformationsschlauch des Kreml, der von Social-Media-Trollen bis zu staatlichen Propagandamedien wie RT (ehemals Russia Today) reicht, in Kombination mit der «Flüchtlingskrise» von 2015 als Propaganda-Brandbeschleuniger, verfestigte in westlichen rechtskonservativen bis rechtsextremen Milieus das Bild von Russland als starkem Gegenpol und Gegenentwurf zum Westen, der unter seiner moralischen Beliebigkeit kollabiere. Und um Wladimir Putin, den Architekten dieser vermeintlichen konservativen Renaissance, der die westliche Zivilisation rette, bildete sich ein weltumspannender Personenkult.

Was lernen wir aus dieser Episode? Propaganda wirkt. Ob die konservativen Kreise, die die Kreml-Propaganda des dekadenten, verweichlichten Westens wiedergeben, dies bewusst tun oder nicht, sei dahingestellt. Sicher ist: Sie machen sich dadurch zu nützlichen Idiot:innen, die das Dekadenznarrativ verinnerlicht haben und aufrichtig glauben, der Westen stehe vor dem Untergang, weil Minderheiten und vulnerable Gruppen besser behandelt werden als früher.

Doch das ist ein Trugschluss. Gleichheit, Vielfalt, Inklusion machen uns nicht schwach – im Gegenteil: Das sind just die demokratischen Werte, die Gesellschaften und Gemeinschaften stark machen.


Aus: "Aus Putins Mund ins rechte Ohr" Marko Kovic (Nr. 09/2022 vom 03.03.2022)
Quelle: https://www.woz.ch/2209/rechte-rhetorik/aus-putins-mund-ins-rechte-ohr

Textaris(txt*bot)

#723
Quote[...] Innenministerin Nancy Faeser will sich offenbar einen Eindruck verschaffen, was Deutschland noch erwartet. An diesem Donnerstag wird die SPD-Politikerin an die polnisch-ukrainische Grenze reisen und eine Aufnahmeeinrichtung in dem Land besuchen, das in nicht einmal zwei Wochen rund 1,3 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat.

Von den polnischen Nachbarn kann sich die Innenministerin wohl den ein oder anderen Ratschlag auf den Weg mitgeben lassen. Denn auch Deutschland steht zunehmend vor Migrationsströmungen, wie man sie selbst 2015 nicht erlebt hat.

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde die Ankunft von 80.035 Kriegsflüchtlingen festgestellt. Das teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch mit. Doch die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Zwar hat die Bundespolizei ihre Präsenz an den Grenzen zu Polen und Tschechien verstärkt, doch stationäre Kontrollen gibt es nicht, zudem dürfen die Ukrainer wie Touristen einreisen.

Ein festes Verteilsystem der Flüchtlinge existiert nicht und so trägt bislang Berlin die Hauptlast. In den vergangenen sechs Tagen sind in der Hauptstadt mehr als 70.000 Menschen angekommen. Allein am Dienstag seien es 15 000 in nur 24 Stunden gewesen. 15.000 Menschen, die ein Bett, sanitäre Anlagen, Verpflegung, Kleidung und teils psychologische Hilfe benötigen.

Ohne die gewaltige Unterstützung freiwilliger Helfer wäre dies momentan nicht möglich. Doch die Unterbringung ist nicht das einzige Problem, vor dem die deutschen Behörden stehen. Um eine schnelle Integration zu ermöglichen, schafft das Land Berlin ad hoc 50 Willkommensklassen für Jugendliche ab 16 Jahren, die teilweise bereits ihre Berufe lernen. Denn im Rahmen der europäischen Massenzustroms-Richtlinie sollen die Ukrainer auch schnell und unbürokratisch Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Ohne eine enorme Zahl an Sprachkursen wird das jedoch nicht zeitnah gelingen, auch hier müssen nun Kapazitäten ausgebaut werden.

Und es stellen sich noch viele weitere Fragen: Wie sieht es mit dem Zugang der Geflüchteten zum Gesundheitssystem aus? Zudem haben die Menschen ein Anrecht auf Sozialleistungen. In welcher Höhe, wo sie sich dafür registrieren müssen – alles ungeklärt.

Kritik kommt nicht mehr nur aus Berlin. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat vom Bund eine bessere Koordinierung der Flüchtlingspolitik gefordert. Dies müsse ein zentrales Thema der Bund-Länder-Runde in der kommenden Woche sein, sagte Söder beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in München. Auch Bayern habe inzwischen 20.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen, die meisten sind offenbar über die Slowakei und Tschechien eingereist.

Söder fordert, der Bund müsse einen zentralen ,,Koordinierungsrat" einrichten. ,,Wir brauchen da klare Regeln, auch der Finanzierung", sagte Söder. Wie bei der Flüchtlingsbewegung 2015 brauche es Unterstützung des Bundes für die Kommunen – dies könnten die Länder nicht alleine leisten. ,,Deswegen braucht es hier eine nationale Kraftanstrengung, eine zentrale Unterstützung und auch eine klare finanzielle Regelung."

Zuvor hatte bereits CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine Verteilung der Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel gefordert. Es dürfe nicht sein, dass Geflüchtete nur in Großstädten landeten. Der Berliner Senat verhandelt schon seit Beginn vergangener Woche über eine bessere Verteilung der Flüchtlinge. Erst am vergangenen Samstag soll das Innenministerium angefangen haben, die Koordination der Kommunikation mit Verkehrsministerium, den anderen Bundesländern und Deutscher Bahn zu übernehmen. Davor haben Senatsvertreter die Verteilung in Deutschland übernommen und teils telefonisch um Busse und Unterkünfte für die vielen Menschen aus der Ukraine gebeten. Diese Darstellung aus Berliner Regierungskreisen wird aus anderen Bundesländern bestätigt. ,,Die Bundesregierung ist sehr spät aufgewacht", sagt eine hochrangige Beamtin aus dem Asylwesen eines norddeutschen Bundeslandes.

Im Berliner Senat will man keine Schuldzuweisungen vornehmen, wartet aber dringend auf Entlastung: Die bisherigen Maßnahmen könnten nur ein Anfang sein, hatte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schon am Wochenende im Gespräch mit dem Tagesspiegel gesagt. In den Verhandlungen mit der Bundesebene und andern Ländern hatte sich das Land dafür eingesetzt, dass zumindest einige der Busse oder Züge gar nicht erst nach Berlin kommen. Andererseits wurden dringend Busse benötigt, um Menschen aus Berlin weiter in Deutschland zu verteilen.

Für beide Forderungen wurden nun erste Lösungsansätze gefunden. Bis zu 300 Fahrzeuge stehen nach Angaben der Bahn seit Dienstag bereit. Damit könnten kurzfristig täglich rund 13.000 Menschen flexibel weiterbefördert werden, teilte ein Bahnsprecher mit. So soll die Bahn Flüchtlinge von der polnisch-deutschen Grenze nicht mehr nur nach Berlin bringen, sondern vor allem mit Bussen in Ostdeutschland verteilen. Gleichzeitig sollen nach Informationen des Tagesspiegel mehrere Züge am Tag von Frankfurt/Oder direkt nach Hannover fahren und nicht in Berlin halten. Von dort sollen die Menschen dann im Westen der Republik verteilt werden. Schon seit Sonntag bringen Busse Menschen vom Hauptbahnhof direkt in andere Bundesländer. Das beruht allerdings auf Freiwilligkeit.

Man stehe vor einem Marathon, sagte der Migrationsexperte Gerald Knaus der ,,Augsburger Allgemeinen". Die meisten Ukrainer würden wohl lange bleiben. ,,Da Putin jetzt – offenbar zu seiner Überraschung – bemerkt, dass es sehr wohl eine starke ukrainische Identität gibt, dass sogar die mehrheitlich russischsprachigen Städte Charkiw oder Odessa sich gegen seine Invasion und für ihre Demokratie mobilisieren, setzt er auf die Vertreibung der Menschen", sagte Knaus. Staatliche Strukturen müssten jetzt schnell aufgebaut werden, sagte er. ,,Die Zahlen werden weiter steigen."


Aus: "Die Kritik an Verteilung und Versorgung der Flüchtlinge wächst" Caspar Schwietering (09.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/bundesregierung-ist-sehr-spaet-aufgewacht-die-kritik-an-verteilung-und-versorgung-der-fluechtlinge-waechst/28147396.html

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Quote[...] Dieses Bild vom Krieg in der Ukraine wird haften bleiben. Drei Menschen, ganz offensichtlich Zivilisten, liegen reglos auf einer Straße. Zwei ukrainische Soldaten beugen sich über sie, doch für diese Familie kommt jede Hilfe zu spät. ,,Einige Familien hatten Glück und kamen raus. Die Familie auf dem Foto hat es leider nicht geschafft. Die Mutter und die beiden Kinder haben es nicht überlebt", erzählte die Fotografin Lynsey Addario am Dienstagabend im ,,heute-journal" des ZDF, was sie am Sonntag in der ukrainischen Stadt Irpin Nahe Kiew mit ihrer Kamera festgehalten hat.

Die ,,New York Times" hat dieses Dokument des Schreckens auf nahezu der gesamten Breite der Titelseite veröffentlicht – ungeschönt, direkt, ein schwer zu ertragendes Bild, das seither heftig diskutiert wird.

Lynsey Addario, die mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Fotojournalistin, ist seit 20 Jahren Kriegsreporterin, wurde selbst beschossen. ,,Aber das war eine Situation, wo Zivilisten das Ziel waren und die Granaten, die wurden wirklich auf die Zivilisten geworfen", sagte sie im ZDF-Nachrichtenmagazin. Für sie bestand kein Zweifel: ,,Ich dachte aber auch, dass dieses Foto das Zeugnis eines Kriegsverbrechens ist, und dass ich dieses Foto machen soll. Diese Menschen, unschuldige Zivilisten, wurden angegriffen."

Fotos wie die von Lynsey Addario sind verstörend. Sie zeigen die Brutalität des Krieges, der in der Ukraine am Donnerstag in die dritte Woche geht, auf eine Weise, der sich ein Betrachtender nicht entziehen kann. Und sie werfen beinahe zwangsläufig die Frage auf, ob solche Fotos veröffentlicht werden sollten. Oder ob man den Schrecken zumindest dadurch abschwächt, in dem die Gesichter der Getöteten verpixelt werden.

Einige Kriegsfotos gelten unzweifelhaft als historische Dokumente der Zeitgeschichte. So wie das ikonische Foto von Robert Capas aus dem spanischen Bürgerkrieg, das einen tödlich getroffenen republikanischen Soldaten zeigt. Oder die Aufnahme des Polizeichefs von Saigon, der einen Mann in Zivil per Kopfschuss tötet.

Immer wieder wird zudem das Leid der Zivilbevölkerung in Kriegsfotos dargestellt, wie durch das Foto des durch Napalm verletzten Mädchens in Vietnam oder mit dem von Alan Kurdi gemachten Bild des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen am Strand. Das Titelfoto der ,,New York Times" mit den drei toten Ukrainern gilt manchen schon jetzt als ein solches ikonisches Dokument der Zeitgeschichte.

In Deutschland regelt der Pressekodex für die Mitgliedsmedien des Deutschen Presserats, welche Darstellungen zulässig sind und welche nicht. In der Richtlinie 11.1 heißt es: ,,Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird." Ferner wird darauf hingewiesen: ,,Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche."

Die Presse soll das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer abwägen. Zugleich gilt Ziffer 8 des Pressekodex über den Schutz der Persönlichkeit. ,,Bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein", heißt es darin.

In der Praxis kam der Rat indes zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen. Eine Beschwerde gegen das Foto eines abgeschlagenen Kopfes im Krieg in Liberia wurde vom Presserat abgewiesen. Die Veröffentlichung eines Fotos der Enthauptung des Amerikaners Nick Berg zog hingegen eine Rüge nach sich, weil die Aufnahme von den Islamisten für ihre Propaganda gemacht wurde, somit kein journalistisches Produkt darstellte.

Doch wie würde der Presserat entscheiden, wäre das Foto von Lynsey Addario in einer deutschen Zeitung oder einem Magazin veröffentlicht worden? Eine abschließende Antwort kann es erst nach einer entsprechenden Entscheidung des Presserates geben, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel und verwies auf die Regeln des Pressekodex. In jedem Fall habe das Bild aus Irpin ,,eine sehr wichtige politische Dimension". ,,Das ist hoch relevant", so die Sprecherin.

Abzuwägen wäre, ob die Getöteten durch dieses Bild zum zweiten Mal zu Opfern gemacht würden und ob das Bild das Leid der Angehörigen erhöht. Aber selbst dann kann das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung überwiegen. ,,Denn letztlich ist dieses Foto ein Symbol dieses Krieges".

So wurde das bei einem Foto vom Terroranschlag auf das Bataclan in Paris gesehen. ,,Bild" zeigte seinerzeit die Leichen in einem Foto aus der Vogelperspektive. Weil an diesem Bild ,,die große politische Dimension des Anschlags" sichtbar wurde, wertete es der Presserat als Dokument der Zeitgeschichte. Zugleich wurde in der Entscheidung aber hervorgehoben: Das ist ein Grenzfall. Als "Bild" das Foto eines 18 Monate alten toten Mädchens mit offenen Augen zeigte, das auf der Flucht aus Syrien erfroren ist, sprach der Rat hingegen eine Rüge aus. Gleichwohl könnte diese Entscheidung als Grundlage auch mit Blick auf das Foto aus der Ukraine dienen.

Gegen die Verwendung des "New York Times"-Fotos liegen dem Presserat aktuell keine Beschwerden vor, dafür aber wegen zwei anderen Fotos von Kriegsopfern vor.

Zum einen handelt es sich dabei um Fotos einer schwer verletzten Frau zum "Bild"-Beitrag ,,Putin, das ist Dein Werk" von Ende Februar. Der Vorwurf: Das Foto verletze den Persönlichkeitsschutz der Betroffenen und sei eine unangemessen Darstellung von Gewalt. Ebenso wurde ein Foto einer Ukrainerin mit einem Kopfverband zu ,,Putins Blut" in "Bild" als unangemessen sensationell und als Verstoß gegen den Jugendschutz von einem Beschwerdeführer gewertet. Bei beiden Beschwerden prüft der Presserat, ob ein Verfahren gegen die Redaktion eingeleitet wird.


Aus: "Fotos getöteter Zivilisten in der Ukraine ,,Ein Symbol dieses Krieges"" Kurt Sagatz (09.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/fotos-getoeteter-zivilisten-in-der-ukraine-ein-symbol-dieses-krieges/28146172.html

Quoteadalbert-meyer 09.03.2022, 20:55 Uhr

    Doch sollten solche Bilder veröffentlicht werden?

Ja.


QuoteLeserling 09.03.2022, 19:41 Uhr

    Doch sollten solche Bilder veröffentlicht werden?

Nein.

Wenn die Ukrainer das tun, kann man verstehen, die stehen mit dem Rücken zur Wand.

Wenn hier bei uns, oder in Amerika irgendein Sender oder Tageszeitung mit genau dem Argument kommt, ist das Heuchelei
für Einschaltquoten.
Sterben Kinder gibts im Sudan zuhauf, macht auch keiner Bilder in der Zeitung.
Das gehört hier nicht in die Medien.


Quotevelo07 09.03.2022, 19:32 Uhr

Ist das wirklich die Frage, Veröffentlichung der Bilder? Für mich ist das Ablenkung vom eigentlichen Thema: Sollte so etwas passieren? Wer hat es getan? Wer hat es befohlen? Was tun wir, damit die Täter einer Strafe zugeführt werden.
Dafür ist es wesentlich, dass die Bilder gemacht wurden und bekannt sind.


QuotePat7 09.03.2022, 18:40 Uhr

Natürlich müssen solche Bilder unter die Bevölkerung um das Grauen des Krieges bewusst zu machen.
Solche Bilder beflügelten die Antivietnamkrieg Proteste und zwangen die Amerikaner zum Verhandeln.

Bilder aus dem II Weltkrieg machen das Grauen wenigstens ansatzweise fassbar.

Im Angesichts des Mordens in der Ukraine rufen solche akademischen Gedankenspiele bei mir nur Kopfschütteln hervor.
Kriegsberichterstattung als leichtes Gruseln ohne den wahren Horror damit die nicht betroffene Welt bloß nicht belästigt wird?

Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass es letztendlich jeden treffen könnte.


Quotefairplay180 09.03.2022, 17:56 Uhr
Schreckliche Bilder, die weh tun beim ansehen. Wie bekommt man diese Bilder unter die russische Bevölkerung?


QuotePat7 09.03.2022, 18:44 Uhr
Antwort auf den Beitrag von fairplay180 09.03.2022, 17:56 Uhr
Die Frage ist nur ob diese Bilder auch geglaubt werden.

Viele Putin Anhänger leben in einer Blase wie die Q Anon Gläubigen.


...

Quote[...] Samstag 19:28
"Eine nicht zu stoppende Panikattacke"
Olga Savitska, 20, Studentin aus Charkiw
Eigentlich wollten wir mit Olga telefonieren, doch auf der Flucht hatte sie kaum Empfang. Sie hat deswegen für uns aufgeschrieben, was sie in den letzten Tagen erlebt hat. Ihr Text erreicht uns am Samstagvormittag. Inzwischen ist sie in Berlin angekommen.

Heute ist der 5. März. Ich bin jetzt schon seit drei Tagen unterwegs. Ich habe 24 Stunden in einem überfüllten Zug nach Lwiw und vier Stunden an der polnischen Grenze verbracht, um dem Krieg zu entkommen. Alle sind nervös und müde. Müde vom Schlafen auf den kalten Böden der Bunker, müde vor Sorge um ihr Leben und das Leben ihrer Verwandten.

Ich wurde in Charkiw geboren und habe dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht. Bis vor wenigen Tagen studierte ich Fremdsprachen, Literatur und Übersetzung. Ich wollte dieses Jahr meinen Bachelorabschluss machen, aber jetzt bin ich auf der Flucht, während die russische Armee meine Stadt zerstört.

Am 24. Februar sind wir alle in einer neuen Realität aufgewacht. In dieser Realität verbrachte ich sechs Tage in der U-Bahnstation, schlief auf einem kalten Boden und aß hauptsächlich Sandwiches, Schokolade und alles, was ich bekommen konnte. Ab und zu hatte ich die Gelegenheit, nach Hause zu gehen, zu duschen, mit meiner Katze zu kuscheln. Dann kehrte ich in den "sicheren Raum" zurück. Ich wachte mit Angst auf und schlief mit Angst ein. In diesen Tagen sah mein Leben aus wie eine nicht zu stoppende Panikattacke. Ich habe ständig Angst, weil ich meine Familie, meine Freunde und den Menschen, den ich liebe, verlassen muss.

Ich habe kein Ziel oder einen endgültigen Bestimmungsort. ...


Aus: "Stimmen aus der Ukraine: "Die Demonstrierenden stehen den Soldaten direkt gegenüber"" (9. März 2022, 21:02 Uhr)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-02/ukraine-stimmen-vor-ort-slowblog

QuoteHansiguckindieluft #9

... es sind einzelne Schicksale und MENSCHEN... ich bin wütend, traurig und in Sorge...verdammter Krieg


QuoteSonoMo24 #43

... Es fällt bei diesen Berichten schwer überhaupt irgendwelche passende Worte zu finden. ...


...

QuoteJulius Betschka
@JuliusBetschka

Berliner Hauptbahnhof. Auf dem einen Glas stehen weinendene Mütter aus der Ukraine, müde und still. Direkt daneben quetschen sich laute Reisegruppen mir Skiern in den Sprinter nach München. Diese Gleichzeitigkeit ist brutal.

12:28 nachm. · 12. März 2022


https://twitter.com/JuliusBetschka/status/1502607490927714306


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef ist das Krankenhaus im ukrainischen Lwiw nahe der polnischen Grenze durch die Zahl an verletzten Kindern überlastet, die aus umkämpften Regionen eintreffen. Unicef und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versuchen, dieses und weitere Krankenhäuser mit Material zu versorgen.

Ärztinnen und Ärzte in Lwiw hätten ein Aufklebersystem einrichten müssen, um die Behandlung der Kinder zu koordinieren, berichtete der Unicef-Sprecher James Elder. Ein grüner Sticker heiße: verletzt, aber ohne dringenden Bedarf, ein gelber heiße: muss behandelt werden, und ein roter bedeute: Um dieses Kind muss sich sofort gekümmert werden. Es gebe auch schwarze Sticker, sagte der Sprecher: Das Kind lebe noch, aber es könne nicht gerettet werden und das Krankenhaus sei gezwungen, seine Ressourcen auf andere kleine Patienten zu konzentrieren.

"Der einzige Weg aus dieser Katastrophe ist, den Krieg zu beenden, und zwar sofort", sagte Elder. Unter anderem greife Russland in einigen Regionen die Wasserversorgung gezielt an. Menschen nähmen teilweise Heizungen auseinander, um in ihrer Not das Kühlwasser zu trinken. Nach Angaben von Elder sind die Hälfte der inzwischen drei Millionen geflohenen Menschen Kinder und Jugendliche.

Nach Angaben der WHO sind in der Ukraine bereits 31 Gesundheitseinrichtungen angegriffen und beschädigt worden. 22 Ärzteteams aus anderen Ländern seien inzwischen in Polen und Moldau eingetroffen oder auf dem Weg dahin, um fliehenden Ukrainerinnen zu helfen und die vor Ort ansässigen Kollegen zu unterstützen. Die WHO koordiniert diese Einsätze.


Aus: "Krankenhaus in Lwiw durch verletzte Kinder überlastet" (15. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesundheit/2022-03/krankenhaus-lwiw-ueberlastet-verletzte-kinder-polnische-grenze-unicef

Quotethiak #4

Man kann immer den Wahrheitswert einzelne Berichte in Zweifel ziehen oder Dinge unterschiedlich werten, aber wenn UNICEF über eine Überlast des Krankenhauses durch verletzte Kinder und eine notwendige Triage (nichts anderes sind die Sticker) berichtet, gibt es nichts mehr zu diskutieren. Ich hoffe inständig, dass die Putin-Fans das irgendwann auch kapieren.


QuoteSamdal #6

...  Ich kann das nicht verstehen wie Menschen so sein können.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Im kriegsbefallenen Jemen eskaliert die Situation für die Zivilbevölkerung stetig seit Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 2014 und der darauffolgenden Militärintervention im Jahr 2015, die bis heute von Saudi-Arabien geführt wird.

Die Vereinten Nationen bestätigen, dass mehr als 10.000 Kinder seit Anfang des Krieges getötet oder verletzt wurden, wobei die reale Zahl weitaus höher sein dürfte. Der Krieg hat die Infrastruktur des Landes verwüstet, Hunderttausende Leben gekostet und Millionen von Menschen dazu getrieben, ihre Heimat zu verlassen. Zahlreiche Jemeniten sind zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden und drohen am Hungertod zu sterben.

Mit dem Fehlen lebenswichtiger Grundversorgung, der Ausbreitung von Corona und anderer Krankheiten sowie Wasserknappheit und Dürre ist es sehr wahrscheinlich, dass durch die russische Invasion in der Ukraine die Preise von Getreide noch weiter steigen.

Während wir in Europa die Preiserhöhung von Lebensmitteln und Benzin zu spüren bekommen, könnte es für ärmere Länder wie den Jemen zu einer extremen Reduzierung des Imports von Getreide und anderen Nahrungsmitteln kommen, welcher für die Bevölkerung lebensnotwendig ist.

Durch die russische Invasion wird ein erheblicher Teil der Getreideernte in der Ukraine ausfallen. Mehr als 50 Prozent des Weizens des Welternährungsprogramms stammen von dort. Immer, wenn man denkt, dass sich die Situation im Jemen nicht noch weiter verschlechtern kann, kommt eine weitere Tragödie hinzu.

Als die US-Administration unter Trump die von Iran unterstützten Houthi-Rebellen als "Terrororganisation" eingestuft hat, machte dies der Nachfolger Biden rasch wieder rückgängig, mit der Begründung, dass dies die humanitäre Katastrophe verschlimmern würde, da die von den Rebellen kontrollierten Gebiete dadurch noch mehr isoliert würden.

Die Folge wäre eine Zunahme des Leides unter den Zivilisten. Biden versprach bei seinem Amtseintritt auch, dass die USA Saudi-Arabien nicht mehr bei ihren offensiven Operationen im Jemen unterstützen würden. Gleichzeitig wollte er jedoch der von den Saudis geführten Militärallianz weiterhin dabei helfen, sich gegen jene Truppen zu verteidigen, die vom Iran unterstützt werden (sprich: gegen die Houthi-Rebellen).

Da die Charakterisierung zwischen einer "offensiven" und "defensiven" Operation stets im subjektiven Auge des Betrachters liegen dürfte, bleiben die Worte Bidens in Anbetracht dessen sehr offen und vage. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die US-amerikanische Verstrickung in den Jemenkrieg nicht während der Amtszeit Trumps begann, sondern unter der Präsidentschaft Barack Obamas, dessen Vize der amtierende Präsident Joe Biden war.

Die Houthi-Rebellen wiederum denken genauso wenig wie Saudi-Arabien und deren Verbündete an Frieden oder an eine Deeskalation der Gewalt. Auf Twitter warnte der Huthi-Sprecher Yahya Sare'e, dass die Grenzen innerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate unsicher bleiben würden, solange diese ihre "aggressive Eskalation" gegen den Jemen fortsetzen würden.

So gerieten die VAE und Saudi-Arabien unter dem Beschuss von Raketen und Drohnen, die von den Houthis abgefeuert wurden, wobei drei Menschen getötet und sechs verletzt worden sein sollen. Die Militärkoalition antwortete wiederum mit Vergeltungsschlägen und intensivierte ihre Raketenbeschüsse, wodurch 80 Menschen bei der Zerstörung eines Gefängnisses in Sanaa getötet sein sollen.

Die USA reagieren auf die Eskalation damit, dass sie den VAE weitere Kampfflugzeuge verkaufen. Die Reaktion auf den Einmarsch Russlands ins Nachbarland Ukraine zeigt, dass die Durchsetzung von Sanktionen ziemlich konsequent sein kann, wenn der notwendige Wille da ist.

Im Falle von Saudi-Arabien oder den VAE ist dieser hingegen keineswegs vorhanden, obgleich bekannt ist, dass diese (ebenso wie die Houthis) etliche Kriegsverbrechen im Laufe des Krieges begangen haben und zivile Einrichtungen bombardierten. Stattdessen unterstützt die USA die Militärallianz weiterhin mit Waffen. Die Leidtragenden sind wie immer die Zivilisten. (Elias Feroz)


Aus: "Während Jemen hungert, breitet sich der Krieg weiter aus" Elias Feroz (15. März 2022)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Waehrend-Jemen-hungert-breitet-sich-der-Krieg-weiter-aus-6549867.html

QuoteTuko2000, 15.03.2022 20:36

Moralische Entrüstung und Betroffenheit...

Ist eine Frage der Geographie, der Bilder und der Geschichten. Wenn die Tagesschau nicht davon berichtet, interessiert es niemanden. Dabei ist der Jemen-Krieg ein Musterbeispiel für die Verkommenheit und Heuchelei des Westens ...


QuoteHausierer, 15.03.2022 13:45

Diese Menschen sind für den Westen uninteressant denn schließlich führen hierbei die Guten, Saudi Arabien und USA, gegen das Böse einen Krieg. ...


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QuoteMartin Glasenapp

Heute vor 34 Jahren, am 16.3.1988, griffen 20 irakische Kampfflugzeuge die kurdische Stadt #Halabja an. Bomben mit Sarin, Senfgas & Tabun fielen. 5.000 starben, fast alle Zivilisten, 75% waren Frauen & Kinder. Die Technologie für das tödliche Gas hatte Deutschland geliefert. ...

9:19 vorm. · 16. März 2022


https://twitter.com/MartinGlasenapp/status/1504009395046424578

https://twitter.com/civaka_azad/status/1503985060789338115

QuoteDer Giftgasangriff auf Halabdscha war ein Angriff der Irakischen Luftwaffe auf die hauptsächlich von Kurden bewohnte irakische Stadt Halabdscha in der heutigen autonomen Region Kurdistan. Bei dem Angriff, der am 16. März 1988 gegen Ende des Ersten Golfkriegs stattfand, starben zwischen 3200 und 5000 Menschen.

... Nach fünfjähriger Ermittlungsarbeit begann im April 1992 am Landgericht Darmstadt ein Prozess gegen zehn deutsche Manager, deren Firmen sich am Aufbau der irakischen Anlagen zur Giftgasproduktion beteiligt hatten.[3] Gegen zwölf weitere Vertreter dieser Firmen war ein Verfahren eröffnet worden, ohne dass es zu einer Anklage kam. Von den zehn Angeklagten wurden nur drei verurteilt, und zwar zu weniger als zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der wesentliche Grund für die geringen Strafen war die Dual-Use-Problematik: Die irakischen Chemiewerke waren laut Gutachten für die Produktion von Pestiziden geeignet, so dass nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass die Absicht, Giftgase zu produzieren, allen Beteiligten klar gewesen sein musste. Drei der Angeklagten wurden freigesprochen. Die übrigen Verfahren wurden eingestellt, hauptsächlich wegen Verjährung.

... Gegen Ali Hasan al-Madschid, besser bekannt als ,,Chemie-Ali", wurden insgesamt vier Todesurteile gesprochen, davon das letzte am 17. Januar 2010 wegen seiner Verantwortung für den Giftgasangriff auf Halabdscha. Das Urteil wurde durch ein ungewöhnliches Beweisstück gestützt. Auf einem Tonband, das 1991 im kurdischen Sulaimaniyya gefunden wurde, ist zu hören, wie al-Madschid mit Bezug zu Halabdscha sagte: ,,Ich werde sie alle mit chemischen Waffen umbringen. Wer soll etwas dagegen sagen? Die internationale Gemeinschaft? Ich scheiß auf die internationale Gemeinschaft, und die, die auf sie hören. Ich werde sie nicht bloß einen Tag lang mit dem Chemie-Zeug attackieren, ich werde 15 Tage lang damit fortfahren." Das Todesurteil wurde am 25. Januar 2010 durch Hängen vollstreckt.

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Aus: "Giftgasangriff auf Halabdscha" (10. März 2022)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Giftgasangriff_auf_Halabdscha


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Quote[...] An diesem Dienstag erinnert sich Frankreich an den Jahrestag eines Ereignisses, das unter dem Namen ,,Charonne" bekannt wurde. Es ist Teil der schwierigen Erinnerung an die koloniale Vergangenheit und an den Algerienkrieg, die heute noch eine wichtige Rolle in Frankreich spielt – auch für den Wahlkampf zu den französischen Präsidentschaftswahlen, die im April stattfinden.

Vor 60 Jahren, am 8. Februar 1962, sterben acht Menschen, als die Pariser Polizei gewalttätig eine Demonstration für die Unabhängigkeit Algeriens niederschlägt. Ein weiteres Opfer erliegt später seinen Verletzungen. Die Lage zu diesem Zeitpunkt ist ohnehin angespannt: Seit über sieben Jahren befindet sich die Kolonialmacht im Krieg mit Algerien, das unabhängig werden will. Der Krieg wird längst nicht mehr nur in Nordafrika geführt, sondern auch in Frankreich selbst.

Anfang Februar kommt es zu mehreren Bombenattentaten in der Großraumregion rund um Paris. Eine davon gilt dem Kulturminister André Malraux. Er ist nicht zuhause, als die Bombe losgeht, aber die vierjährige Tochter seiner Vermieter wird schwer verletzt.

Geplant und ausgeführt werden die Attentate von der ,,Organisation de l'armée secrète" (OAS). Diese von rechten Kräften gegründete ,,Organisation der geheimen Armee" will um jeden Preis verhindern, dass Frankreich mit Algerien eine Lösung verhandelt und sich die einstige koloniale Großmacht von Algerien lossagt. In dieser aufgeladenen Stimmung rufen mehrere Gewerkschaften und die kommunistische Partei zu einer Demonstration gegen die Gewalt der OAS und für die Unabhängigkeit Algeriens auf.

Fünf Demonstrationszüge sollen durch Paris gehen und sich schließlich mitten in der Stadt treffen. Die Demonstrierenden wollen ein friedliches Zeichen setzen, obwohl der Ausnahmezustand in der Stadt verhängt und die Demonstration verboten wurde. Schon Monate vorher, am 17. Oktober 1961, sind Dutzende Algerier bei einer Demonstration in Paris von der Polizei getötet worden.

Auch im Februar 1962 geht die Polizei mit voller Härte gegen die Marschierenden vor, blockiert die Wege. Als mehrere Demonstrierende an der Metrostation Charonne vor der Polizei fliehen wollen, kommt es zum tödlichen Gedränge. Noch vor Ort sterben drei Frauen, vier Männer und ein 15-jähriger Junge.

Als die Opfer fünf Tage später auf dem Père Lachaise beerdigt werden, wird der Trauerzug zur Großdemonstration gegen den Krieg: Geschätzte 500.000 Personen erweisen den Getöteten die letzte Ehre.

Außerdem bleiben an diesem Tag die Schulen geschlossen, die Züge fahren nicht, Zeitungen werden keine gedruckt: Das Land befindet sich im Generalstreik. Kurz darauf, am 19. März 1962, endet mit der Unterzeichnung der Verträge von Évian der Algerienkrieg und Algerien wird unabhängig.

Wenn am Dienstag in Paris an dieses Ereignis erinnert wird, ist der Präsidentschaftskandidat der kommunistischen Partei, Fabien Roussel vor Ort, an der Metrostation Charonne. Präsident Macron, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine aufhält, wird nach Informationen der Zeitung ,,L' Humanité" zumindest einen Kranz niederlegen lassen.

Denn immer noch ist die Erinnerung an den Algerienkrieg politisch relevant. Erst kürzlich wandte sich Macron an die ,,Harkis", die Algerier, die während des Krieges für die französische Armee arbeiteten und kämpften. Die unterschiedlichen Gruppen, die im Krieg involviert waren, sowie ihre Nachfahren stellen einen wichtigen Teil potenzieller Wähler da.

Wenn sich Frankreich dann am 19. März, kurz vor den Präsidentschaftswahlen, an die Unabhängigkeit Algeriens erinnert, dürfte dieser Jahrestag politisch noch aufgeladener sein als sonst.


Aus: "Frankreich gedenkt toter Demonstranten, die gegen Kolonialismus protestierten" Anna Thewalt (08.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/der-lange-schatten-des-algerienkriegs-frankreich-gedenkt-toter-demonstranten-die-gegen-kolonialismus-protestierten/28046504.html

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Quote[...] Mal hört man nur das Ziehen an der Zigarette, dann ein leises Schluchzen. ,,In dieser Zeit sind Narben entstanden, die auch wir geerbt haben", sagt Justine. Dann bricht die Stimme der 30-jährigen Französin. ,,Ich bereue es, sie nicht vorher gefragt zu haben."

In dem im Februar erschienenen Spotify-Podcast ,,Sauce Algérienne" erzählt sie, wie sie die Geschichte ihrer Großeltern noch heute bewegt. Justine ist Enkelin von ,,pieds-noirs" – so heißen die Franzosen, die während der Kolonialzeit in Algerien lebten und nach der Unabhängigkeit 1962 nach Frankreich umsiedeln mussten.

Am Samstag erinnert Frankreich offiziell an das Ende des Algerienkriegs vor 60 Jahren. Die Folgen des acht Jahre währenden Kriegs sind bis heute allgegenwärtig. Das betrifft nicht nur die Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten an dem Konflikt beteiligt waren und inzwischen in einem hohen Alter sind. Es betrifft auch die Jungen: 39 Prozent der Französinnen und Franzosen zwischen 18 und 25 haben einen familiären Bezug zu Algerien.

Nicht nur privat, sondern auch politisch ist die gemeinsame Geschichte beider Länder immer noch ein wichtiger Referenzpunkt, insbesondere im Wahlkampf. Es geht um die Deutung der Geschichte – es geht aber auch um Wählerstimmen. Die beteiligten Gruppen und ihre Nachfahren stellen immer noch einen wichtigen Teil potenzieller Wähler.

Doch warum ist das Thema weiterhin so heikel? Algerien hatte seit der Eroberung 1830 in der Konzeption der Kolonialmacht Frankreichs immer eine besondere Rolle gespielt: Es wurde nicht als Kolonie angesehen, sondern als integraler Bestandteil Frankreichs selbst. Als die algerische ,,Nationale Befreiungsfront" 1954 mit dem bewaffneten Kampf begann, wollte Frankreich auch deswegen die Unabhängigkeit um jeden Preis verhindern.

Und obwohl der Krieg acht Jahre währte und sich ab 1956 ständig etwa 400.000 französische Wehrpflichtige in Algerien befanden, sprach Frankreich lediglich von militärischen Operationen in Nordafrika. Diese Operationen als das zu bezeichnen, was sie waren, hätte nach der eigenen Logik bedeutet, von einem Bürgerkrieg zu sprechen. Erst 1999 erkannte Frankreich die Ereignisse offiziell als Krieg an.

Emmanuel Macron hat die Erinnerung an die gemeinsame Geschichte mit Algerien zu einem wichtigen Thema seiner Amtszeit gemacht. Schon im Wahlkampf 2017 deutete sich das an: Bei einer Reise nach Algerien bezeichnete er die Kolonialisierung als ,,Verbrechen gegen die Menschlichkeit" – eine Formulierung, die bis heute die politische Rechte in Frankreich in Rage bringt.

Als Präsident beauftragte Macron den Historiker Benjamin Stora, der als Koryphäe auf dem Gebiet gilt, mit einem Bericht, der Vorschläge zur zukünftigen Erinnerung an die Kolonialisierung und den Algerienkrieg enthalten sollte.

Insbesondere die rechten Kandidaten grenzen sich im Wahlkampf von dieser Linie ab: Die konservative Präsidentschaftskandidatin Valérie Pécresse warf Macron in ihrer bislang größten Wahlkampfrede am 13. Februar vor, zu viel ,,Reue" gezeigt zu haben – Frankreich habe keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, sagte sie.

Der rechtsextreme Éric Zemmour, der selbst algerischer Herkunft ist, verfolgt eine gänzlich revisionistische Lesart der Geschichte. Das gilt nicht nur für Algerien, sondern etwa auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Mehrere französische Historiker wählten deswegen den ungewöhnlichen Schritt, wenige Woche vor den Präsidentschaftswahlen das Traktat ,,Zemmour gegen die Geschichte" zu veröffentlichen. Darin wiederlegen sie auch mehrere seiner Aussagen zu Algerien.

So ist Zemmour etwa der Meinung, Algerien sei erst durch die Kolonialisierung Frankreichs entstanden – eine Annahme, die der geschichtswissenschaftlichen Betrachtung nicht Stand hält.

Mit seinen Ansichten könnte Zemmour allerdings für eine Wählerschaft interessant sein, die bislang eine wichtige Unterstützerbasis von Marine Le Pen war: Viele der im Süden Frankreichs lebenden ,,pieds-noirs" – also der Franzosen, die zum Teil mehrere Generationen in Algerien lebten und in der Regel gegen die Unabhängigkeit waren – und ihre Nachfahren wählten in der Vergangenheit rechts.

Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts ifop von 2014 fielen in Regionen mit hohem Anteil von ,,pieds-noirs" und ihren Nachfahren die Ergebnisse für die rechte Partei Le Pens im Schnitt zehn Prozent höher aus als in anderen Regionen. Zemmour dürfte auf Stimmen aus diesem Lager hoffen.

Präsident Macron hat am Samstag 200 Gäste in Élysée geladen, um an den Krieg und die Verträge von Evian zu erinnern, mit deren Unterzeichnung die Auseinandersetzungen am 18. März vor 60 Jahren endete. Seine Rede wird sich in eine Linie stellen mit vorherigen Bemühungen: Dabei hat er versucht, die unterschiedlichen beteiligten Gruppen anzusprechen und die teils kontrovers geführte öffentliche Debatte zu beruhigen.

Erst im Februar etwa hat Macron ein neues Entschädigungsgesetz für die ,,Harkis" durchgesetzt – ,,Harkis" sind die Algerier, die während des Krieges für die Franzosen arbeiteten und kämpften. Nach 1962 musste sie unter teils schweren Bedingungen ein neues Leben in Frankreich beginnen.

Zuvor hat Macron eine Reihe anderer Gesten verfolgt: Vergangenen Herbst nannte er die blutige Niederschlagung einer Demonstration von Algeriern, die 1961 für die Unabhängigkeit in Paris auf die Straße gingen, als erster Präsident ein ,,unentschuldbares Verbrechen der Republik".

Obwohl seine Bestrebungen von vielen als weitreichend und verhältnismäßig progressiv bewertet werden, gibt es auch Kritik. ,,Macrons Gesten gehen nicht über eine bestimmte Logik hinaus", sagt Historiker Paul Max Morin. Es sei eine Logik, die lediglich auf die Forderungen unterschiedlicher Opfergruppen reagiere.

,,Was fehlt, ist eine Debatte, die sich nicht nur an die ehemaligen Beteiligten richtet, sondern die gesamte Gesellschaft miteinbezieht", sagt er. Denn die Geschichte mit Algerien sei eng mit der französischen Identität verbunden. ,,Sie beeinflusst zum Beispiel, was wir über uns selbst erzählen und wie wir über Muslime und Juden sprechen." Anfang März ist Morins Buch ,,Die Jungen und der Algerienkrieg" erschienen, in dem er aufzeigt, wie eine neue Generation mit den Folgen der Vergangenheit umgeht.

Dafür hat er eine Umfrage unter 3000 jungen Französinnen und Franzosen durchgeführt und über 70 Interviews mit Enkelkindern von damaligen Wehrpflichtigen, Pieds-Noirs, Harkis, jüdischen Algeriern algerischen Freiheitskämpfern und militanten Gegnern der Unabhängigkeit geführt. Sechs von ihnen kommen in ,,Sauce Algérienne" zu Wort, der im Februar zeitweise zu den drei meistgehörtesten Spotify-Podcasts in Frankreich gehörte.

Bei seinen Gesprächen hat der 34-jährige Morin vor allem zwei Gefühle bei den Enkeln der Beteiligten wahrgenommen: Ein großes Unwohlsein, weil viele nur wenig über das Geschehene wissen, aber auch eine große Neugierde. ,,Der Umgang ist gerade dabei, sich zu wandeln", sagt er. Es sei inzwischen möglich, die individuellen Geschichten in aller Komplexität zu erzählen.

Er sieht aber auch eine Leerstelle: Es werde inzwischen viel an den Krieg erinnert, nicht aber über die Kolonialisierung gesprochen. Das Thema ist auch heikel, weil es die Aktualität direkt berührt: Zu Frankreich gehören immer noch viele Überseegebiete. Auf der Insel Korsika gibt es derzeit neue Unruhen, nachdem ein Vertreter der dortigen Unabhängigkeitsbewegung im Gefängnis von einem Mithäftling schwer verletzt wurde.

Sollte Macron wiedergewählt werden, wird er seine erinnerungspolitische Agenda wohl weiter vorantreiben: Seit der Veröffentlichung des Berichts von Historiker Stora Anfang 2021 arbeitet im Élysée eine Kommission, die sich mit der Erinnerung an die Kolonialisierung und den Algerienkrieg beschäftigt.

Dabei ist auch das Projekt eines Museums der gemeinsamen Geschichte Algeriens und Frankreichs, das in Montpellier entstehen soll, wieder aufgenommen worden. Das Projekt wurde 2014 eingestampft – zu unterschiedlich waren die Vorstellungen.

Historiker Morin fordert für die Zukunft die Gründung einer Stiftung, die sich der Erinnerung des Algerienkriegs widmet. Außerdem wünscht er sich eine Art französisch-algerisches Jugendwerk – so wie etwa nach dem französisch-deutschen Vorbild. ,,Das würde uns ermöglichen, die Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten", sagt er. Justine, die er für seinen Podcast interviewt hat, hat ihren eigenen Umgang gefunden: Sie hat Gespräche mit ihrer Oma aufgenommen – und erzählt die Geschichte ihrer Familie nun weiter.


Aus: "60 Jahre nach dem Ende ist der Algerienkrieg in Frankreich noch allgegenwärtig" Anna Thewalt (19.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/schmerz-erinnerung-und-kampf-um-waehlerstimmen-60-jahre-nach-dem-ende-ist-der-algerienkrieg-in-frankreich-noch-allgegenwaertig/28179414.html


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Quote[...] STANDARD: Sie haben beinahe Ihr ganzes Leben mit Zensur leben müssen. Was macht das mit einem, und wie kann man damit umgehen?

Weiwei: In China sind alle Informationen gesteuert, sind Teil von Propaganda. In Russland scheint das mittlerweile ähnlich. Aber es gibt einen großen Unterschied: In Russland kann gegen den Krieg demonstriert werden, in China wäre das vollkommen unmöglich. Im Westen wird so viel über die Freiheit der Presse und die Informationsfreiheit gesprochen, schauen Sie sich allerdings die Situation von Julian Assange an: Würde er an die USA ausgeliefert, hätte er mit sehr ernsten Konsequenzen zu rechnen. Der Westen ist scheinheilig, das zeigt dieser Fall ganz deutlich.

STANDARD: Ist das nicht ein gänzlich unterschiedlich gelagerter Fall?

Weiwei: Im Westen muss nicht um Freiheit gekämpft werden, die Lebensbedingungen hier sind andere. Aber auch hier gibt es Fälle, wo Freiheit und Menschenrechte nicht eingehalten werden und durch Scheinheiligkeit verdeckt werden. Das korrumpiert eine gesamte Gesellschaft. Es geht immer um die Wahrheit.

...


Aus: "Ukraine-Krieg - Ai Weiwei: "Der Westen ist scheinheilig"" Interview: Stephan Hilpold (20. März 202)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000134231225/ai-weiwei-der-westen-ist-scheinheilig

Quote
Pyg Malia

Verstehe nicht warum das Interview so viel aufgeregte Reaktionen hervervorruft.
Abgesehen von der Tatsache, dass in Bezug auf die USA und deren Kriegen von Vietnam bis Irak mit zweierlei Maß gemessen wird - was Unzählige zurecht immer wieder kritisiert haben - und der banalen Feststellung, dass Europäern der Krieg in der Ukraine leider, aber verständlicher Weise näher geht als der Krieg im Jemen, sind das Allerweltsaussagen und keine Aufregung wert.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] WASHINGTON dpa | Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Sie sei am Mittwoch im Kreis von Familie und Freunden einer Krebserkrankung erlegen, teilte ihre Familie über Twitter in einer Stellungnahme mit.

Albright wurde 1993 unter US-Präsident Bill Clinton Botschafterin der US-Regierung bei den Vereinten Nationen in New York. Später rückte sie ab 1997 als erste Frau an die Spitze des Außenministeriums in Washington. Dabei wurde die ursprünglich aus Osteuropa stammende Demokratin, deren Familie einst als Flüchtlinge in die USA eingewandert war, zu einer führenden Stimme der US-Außenpolitik im 20. Jahrhundert.

In Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erklärte Clinton am Mittwoch, ,,Madeleines Tod ist ein immenser Verlust für die Welt – und das zu einer Zeit, in der wir die Lehren ihres Lebens am meisten brauchen". Albright sei eine der besten Diplomatinnen, eine brillante Professorin und ein ,,außerordentlicher Mensch" gewesen, erklärte Clinton. Als Außenministerin sei sie eine ,,leidenschaftliche Vertreterin von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten" gewesen, betonte er.

US-Präsident Joe Biden erklärte, die Vereinigten Staaten hätten keine entschlossenere ,,Vorkämpferin für Demokratie und Menschenrechte" gehabt als Albright, die selbst um die Gefahr von Autokratien wusste. Albright sei einst als schutzbedürftiger Flüchtling in die USA gekommen. ,,Und so wie viele vor – und nach – ihr war sie eine stolze Amerikanerin. Um das Land, das sie liebte, noch besser zu machen, trotzte sie Gewohnheiten und nahm immer wieder Hürden."

Der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, erklärte: ,,Madeleine Albright war einzigartig und die erste ihrer Art." Sie sei ein ,,Titan" der US-Geschichte gewesen. ,,Ihre Brillanz, ihr leidenschaftlicher Patriotismus und ihr scharfer Humor gaben ihr eine herausragende Präsenz auf der Weltbühne, und ihre Geschichte inspirierte Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt", erklärte Schumer. Ex-Präsident Barack Obama erklärte, Albright habe sich stets für demokratische Werte eingesetzt und dabei geholfen, den Balkan zu befrieden und in instabilen Ländern für Fortschritte zu sorgen.

Der frühere US-Präsident George W. Bush, der sich während seiner Amtszeit viel Kritik von Albright gefallen lassen musste, erklärte, sie habe sich als Ministerin ausgezeichnet für Freiheitsrechte und Frieden eingesetzt. Als Tochter von Flüchtlingen habe sie ,,den amerikanischen Traum gelebt und anderen geholfen, diesen zu verwirklichen", erklärte der Republikaner.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte über Twitter, auch sie stehe heute auf Albrights Schultern. ,,Mit Haltung, Klarheit und Mut stand Madeleine Albright als erste US-Außenministerin ein für Freiheit und die Stärke von Demokratien", schrieb die Grünen-Politikerin. ,,Mit ihr verlieren wir eine streitbare Kämpferin, wahre Transatlantikerin und Vorreiterin." Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, Albright sei eine starke ,,Kraft für die Freiheit", eine echte Freundin des Bündnisses und eine ,,inspirierende Kollegin" gewesen.

Kurz vor ihrem Tod fand Albright noch harte Worte für Russlands Präsidentin Wladimir Putin, einen Tag vor Kriegsbeginn. ,,Ein Einmarsch in die Ukraine würde nicht Russlands Weg zur Größe ebnen, sondern Herrn Putins Ehrlosigkeit besiegeln, indem er sein Land diplomatisch isoliert, wirtschaftlich angeschlagen und strategisch verwundbar gegenüber einem stärkeren, geeinten westlichen Bündnis macht", schrieb sie in der New York Times. Wenn Putin sich in die Ecke gedrängt fühle, könne er sich dafür nur selbst die Schuld geben. Die Ukraine habe ein Recht auf ihre Souveränität, betonte Albright.

Albright war am 15. Mai 1937 als Marie Jana (genannt Madlenka) Korbelova in Prag als ältestes von drei Kindern einer jüdischen Diplomatenfamilie geboren worden. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wanderte die Familie nach England aus, wo Albright in Unwissenheit ihrer jüdischen Herkunft katholisch erzogen wurde. Ihr Vater Josef Korbel diente nach dem Zweiten Weltkrieg der Tschechoslowakei als Diplomat. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Prag beantragte die Familie 1948 in den USA Asyl.

Der Milliardär und einstige demokratische Präsidentschaftsbewerber Mike Bloomberg schrieb auf Twitter: ,,Zu einer Zeit, in der Menschen vor einem brutalen Angriffskrieg fliehen, ist Madeleine Albrights Leben eine starke Erinnerung daran, dass jene, die mit nichts außer Träumen hierherkommen, unser Land stärker und die Welt friedlicher gemacht haben."


Aus: "Ex-US-Außenministerin Albright ist tot: ,,Die erste ihrer Art"" (24. 3. 2022)
Quelle: https://taz.de/Ex-US-Aussenministerin-Albright-ist-tot/!5843919/

Quoteresto

Ihr schreibt ja gar nicht, für was sie stand und verbrochen hat. Für mich jedenfalls war sie eine Machtpolitikerin, die rücksichtlos über Leichen ging.


QuoteLD3000 B21

Eine Ergänzung die ein etwas anderes Licht auf Sie wirft. Es ist ein Zitat aus der Wikipedia, bzw. eine Aussage von Frau Albright selbst:

In einem Fernsehinterview 1996 antwortete Albright auf die Frage, ob das US-amerikanische Embargo gegen den Irak, das eine halbe Million irakische Kinder das Leben gekostet hat, diesen Preis wert gewesen sei, mit: ,,Es ist diesen Preis wert." In ihrer Autobiografie bezeichnete sie diese Antwort später als ,,politischen Fehler".



// [ ... In einem Fernsehinterview 1996 antwortete Albright auf die Frage, ob das US-amerikanische Embargo gegen den Irak, das eine halbe Million irakische Kinder das Leben gekostet hat, diesen Preis wert gewesen sei, mit: ,,Es ist diesen Preis wert." In ihrer Autobiografie bezeichnete sie diese Antwort später als ,,politischen Fehler" ... ] https://de.wikipedia.org/wiki/Madeleine_Albright (24. März 2022 um 09:23) // https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Madeleine_Albright&oldid=221445254

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Quote[...] [01.08.2000] Im Schutz der Palmen trifft sich Bagdads männliche Jugend, abend für abend am Tigris. In den Cafes, die sich am träge dahinfließenden Strom aneinanderreihen, spielen sie Domino. Wie besessen konzentrieren sie sich auf die weißen Steine, als böten sie ihnen den Lebensinhalt. Manchmal leistet sich der eine oder andere eine Wasserpfeife, eine Pepsi. Für mehr reicht das Budget nicht. Domino und Fußball sind heute die nahezu einzigen Vergnügen, in die sich Iraks Bevölkerung stürzt. Sie verhindern das Gespräch, blockieren das Denken. Denn - so beschreibt der 32-jährige Ahmed den Seelenzustand vieler Iraker: "Wenn ich denke, werde ich verrückt."

Ahmed zählt zu einer Generation, die ihre Zukunft verloren hat. Er stand an der Front gegen den Iran (1980-88) und wurde für die Invasion Kuwaits zu den Waffen gerufen. "Die Hälfte meiner Freunde starb vor meinen Augen durch iranische Kugeln, die andere trieben die Sanktionen ins Exil. Heute nimmt kein westliches Land mehr einen Iraker auf." Ahmed bleibt daheim. Arbeit findet der gelernte Ökonom keine. Eine Frau, eine Familie kann er sich nicht leisten. "Wofür", fragt der junge Mann verzweifelt und senkt den Blick auf die weißen Dominosteine.

Eine tiefe Hoffnungslosigkeit hat die Menschen des Zweistromlandes erfaßt, seit sie begriffen, daß die Welt entschlossen bleibt, sie kollektiv für die Verbrechen ihres Diktators zu bestrafen. Gemeint sind die Sanktionen, die der UN-Weltsicherheitsrat weniger als 100 Stunden nach dem Einmarsch Iraks in Kuwait verhängte. Sie sind - so das Kinderhilfswerk Unicef - die "härtesten und umfassendesten der Geschichte". Zu jener Zeit importierte der Irak 70 Prozent seines Nahrungsmittelbedarfs. Selbst Medikamente und Lebensmittel durfte Bagdad in den ersten Monaten des Embargos nicht einführen. Als diese Bestimmungen später gelockert wurden, fehlte es den Irakern aber an Devisen, weil sie kein Öl verkaufen durften.

Das Embargo "ist für den verhinderbaren Tod von mehr als einer Million Menschen verantwortlich", empört sich Dennis Halliday, der 1998 aus Protest gegen die Sanktionen sein Amt als Koordinator der humanitären UN-Aktivitäten im Irak zurücklegte. 5000 Kinder unter Fünf und 2000 ältere Menschen sterben nach Schätzungen Hallidays immer noch jeden Monat. Jedes fünfte Kind sei inzwischen unterernährt, jeder dritte Iraker Analphabet, stellt Hallidays Nachfolger Hans von Sponeck fest, der ebenfalls in Protest aus dem Amt schied. Eine Unicef-Studie bestätigt, daß sich die Kindersterblichkeit seit 1990 von 56 pro tausend Geburten mehr als verdoppelt hat.

Internationale Hilfsorganisationen stellten schon lange fest, daß die Sanktionen das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen sowie die Infrastruktur zum Zusammenbruch brachten. Spitäler betteln um Blutkonserven und die grundlegendsten sanitären Hilfsgüter. Schulen fehlt es an Papier, Stiften und Büchern; Wasserrohre rosten und bersten (55 Prozent der Wasserzufuhr geht nach Schätzungen deshalb heute verloren). Eine seit zwei Jahren anhaltende Dürre hat die Gemüseproduktion in den zentralen und südlichen Provinzen auf die Hälfte der 1998 eingefahrenen Ernte reduziert.

Ein Jahrzehnt der Sanktionen hat gravierende ökonomische, soziale und psychologische Wunden geschlagen. Das Bruttonationalprodukt sackte von 3500 Dollar pro Kopf auf 700 ab. Die dramatische Verarmung, der soziale und ökonomische Verfall sind nach Ansicht von Experten "einmalig in der Geschichte der modernen Welt". Seit die UNO 1996 eine Einigung mit Bagdad für das "Öl für Nahrungsprogramm" fand, hat sich die Situation ein wenig entschärft.

Die verzweifelte Not hält die Bevölkerung in Atem und raubt ihr die Kraft zur Rebellion, während der Diktator die Schraube der Repression fest angezogen hält. Zugleich hat Saddam Hussein im Laufe der Jahre ein umfangreiches Schmuggelnetz geflochten, das ihm beträchtliche Erträge sichert. Laut amerikanischem Magazin "Forbes" hat Saddam in den vergangenen zwei Jahren sein Privatvermögen von drei auf fünf Milliarden Dollar erhöht. Im Abul Khassib, südlich von Basra, werden die Öltanker am hellichten Tag beladen. Sie fahren der Küste entlang in iranische Hoheitsgewässer, wo die Fracht als iranisch deklariert und in einem der Häfen auf der arabischen Seite des Golfs zu Weltmarktpreisen abgesetzt wird. Heute, so stellten jüngst US-Kreise fest, verdiene das irakische Regime von diesem Schmuggel zwischen 25 bis 40 Millionen Dollar pro Monat, zweimal mehr als noch vor zwei Jahren.

"Was sich seit zehn Jahren im Irak ereignet ist eine vollständiger Bruch internationalen Rechts", wettert Halliday. "Denn man bestraft ein Volk, um den Herrscher zu Fall zu bringen." Laut Halliday handelt es sich dabei um Genozid. Die Definition des Völkermordes schließe bereits die Intention ein. "Da der Weltsicherheitsrat die Sanktionen seit zehn Jahren im Bewußtsein der Folgen aufrechterhält", sei der Sachverhalt der "Intention" erfüllt. Selbst US-Außenministerin Madeleine Albright gestand 1996 ein, daß die Sanktionen "eine halbe Million Kinder" getötet hätten. Doch dies sei der "Preis", den man zahlen müsse.


Aus: "10 Jahre Sanktionen gegen Irak: "Wenn ich denke, werde ich verrückt"" Birgit Cerha (01.08.2000)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/10-jahre-sanktionen-gegen-irak-wenn-ich-denke-werde-ich-verrueckt/156928.html


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Quote[...] Russlands Krieg gegen die Ukraine sorgt nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) für eine Zunahme an Straftaten vor allem gegen Menschen mit russischen Wurzeln in Deutschland. "Es gibt Straftaten sowohl gegen russischstämmige als auch gegen ukrainischstämmige Mitglieder unserer Gesellschaft", sagte BKA-Chef Holger Münch den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). "Wir zählen momentan gut 200 solcher Straftaten in der Woche – davon ist die Mehrzahl antirussisch motiviert."

Diese Straftaten reichten von Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Münch zufolge gibt es auch Sachbeschädigungen wie "Farbschmierereien mit entsprechendem Inhalt".

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Aus: "BKA zählt 200 Straftaten mit Bezug zum Ukraine-Krieg pro Woche" (28. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-03/ukraine-krieg-bundeskriminalamt-straftaten

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#731
Quote[...] Etwa 900 Menschen haben am Sonntag in Berlin an einem Autokorso mit russischen Fahnen teilgenommen. Der Umzug mit mehreren hundert Fahrzeugen wurde als Veranstaltung mit dem Titel ,,Keine Propaganda in der Schule - Schutz für russischsprechende Leute, keine Diskriminierung" angemeldet, wie die Berliner Polizei mitteilte.

Auf einem Schild hieß es: ,,Stop hating Russians" (Hört auf, Russen zu hassen). Etliche Autos führten Fahnen in den russischen Nationalfarben Weiß-Blau-Rot mit.
Der Korso zog von der Stadtgrenze im nordöstlichen Berlin zum Olympischen Platz im Stadtteil Charlottenburg. Anmelder war nach Angaben der Polizei eine Einzelperson.

Wie die Berliner Polizei dem Tagesspiegel mitteilte, war an einem Fahrzeug ein "Judenstern" angebracht. Der Teilnehmer erhielt eine Strafanzeige.

Zudem war bei einer Zwischenkundgebung ein Fahrzeug mit dem in Berlin verbotenen "Z"-Symbol. Das "Z" symbolisiert Sympathie mit Russlands Einmarsch in die Ukraine. Nach Angaben der Polizei habe das Fahrzeug allerdings nicht zum Autokorso gehört. (tsp/dpa)


Aus: "Autokorso mit russischen Fahnen fährt durch Berlin" (03.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/mehrere-hundert-fahrzeuge-autokorso-mit-russischen-fahnen-faehrt-durch-berlin/28224590.html

Quoteberlinradler 03.04.2022, 18:59 Uhr
Hab diesen riesen Korso gesehen. Verstörend.


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Quote[...] Auf den Straßen stehen ausgebrannte Autowracks, in den Wohnhäusern klaffen Löcher, auf dem Asphalt immer wieder zu sehen: dutzende leblose Körper. In der Kleinstadt Butscha, etwa 25 Kilometer nordwestlich von Kiew, haben ukrainische Truppen und Beamte Hunderte tote Zivilisten entdeckt. Es sind erschütternde Bilder, die von dort nun um die Welt gehen.

Der ukrainischen Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa zufolge wurden seit vergangenen Freitag in der Region Kiew 410 Leichen toter Zivilisten geborgen. Demnach wurden 140 von ihnen bereits obduziert. Laut Wenediktowa gehe die Suche nach weiteren Toten weiter. Sie erklärte, dass ihre Behörde weiterhin russische Kriegsverbrechen dokumentiere. Hierfür würden Zeugen gesucht.

Das russische Verteidigungsministerium dementiert einem Agenturbericht zufolge einen Massenmord an Zivilisten in Butscha. Jegliches von der Ukraine veröffentlichte Bild- und Filmmaterial in diesem Zusammenhang stelle eine Provokation dar, berichtet RIA unter Berufung auf das Ministerium. Alle russischen Einheiten hätten Butscha am 30. März verlassen, meldete Interfax.

Russland will angesichts des Vorwurfs von Kriegsverbrechen für Montag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen, schreibt der Vertreter Russlands bei den UN, Dmitri Polanski, auf Twitter.

Nach wochenlangen Kämpfen hat die ukrainische Armee die Region um die Hauptstadt seit dem Wochenende wieder unter ihre Kontrolle gebracht. ,,Irpin, Butscha, Hostomel und die gesamte Region Kiew wurden vom Feind befreit", schrieb Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maliar am Samstag auf Facebook.

Die Vororte waren bei den wochenlangen Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den russischen Truppen schwer beschädigt worden. Bilder und Augenzeugenberichte sollen von den schrecklichen Folgen zeugen. Sie können derzeit nicht unabhängig überprüft, werden.

Doch sie scheinen furchtbares Grauen zu belegen. AFP-Reporter zählten auf einer einzigen Straße mindestens 20 Tote. Eine Leiche wies eine große Kopfwunde auf. Die leblosen Körper der Männer lagen über mehrere Hundert Meter verstreut auf einer Straße. Zwei Leichen wurden neben Fahrrädern, eine andere neben einem verlassenen Auto entdeckt.

Unter den Opfern vor allem Männer, die Hände auf den Rücken gefesselt. Berichte gab es auch von nackten Frauenleichen. ,,Alle diese Menschen wurden erschossen", sagt Anatoli Fedoruk, Bürgermeister von Butscha. Es stünden Autos auf den Straßen, in denen ,,ganze Familien getötet wurden: Kinder, Frauen, Großmütter, Männer".

Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten, spricht von der ,,Hölle des 21. Jahrhunderts". Die Opfer ,,waren nicht beim Militär, sie hatten keine Waffen, sie stellten keine Bedrohung dar", schreibt er auf Twitter. ,,Wie viele derartige Fälle ereignen sich gerade in den besetzten Gebieten?" Er vergleicht Butscha mit dem Völkermord von Srebrenica im Bosnienkrieg 1995.

Auf einem Foto, das Podoljak in seinem Tweet teilte, waren erschossene Männer zu sehen, bei einem von ihnen waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Echtheit des Bildes konnte nicht unabhängig geprüft werden. Laut ukrainischen Angaben sollen einige der Leichen von russischen Truppen vermint worden sein. Wer genau die Gräueltaten begangen hat und wann und wie die Menschen ermordet wurden, ist Stand Sonntagnachmittag unklar.

Präsidentensprecher Sergei Nikiforow sagte gegenüber ,,BBC Sunday Morning", die Szenen aus den vormals besetzten Gebieten wie Butscha seien ,,wirklich schwer zu beschreiben". Es seien Massengräber entdeckt worden. ,,Wir haben Leichen mit gefesselten Händen und Beinen gefunden", sagte Nikiforow.

,,Es waren Zivilisten und sie wurden eindeutig hingerichtet", sagte er weiter. Es seien auch halbverbrannte Leichen entdeckt worden. Es habe den Anschein, dass jemand seine Verbrechen kaschieren wollte, aber nicht genug Zeit dafür gehabt habe. ,,Ich muss vorsichtig sein mit meinen Worten, aber es sieht nach Kriegsverbrechen aus."

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko spricht von Völkermord. Anders könne man das, was in Butscha und anderen Vororten passiert sei, nicht bezeichnen, sagt er der ,,Bild"-Zeitung. ,,Es sind grausame Kriegsverbrechen, die (Russlands Präsident Wladimir) Putin dort zu verantworten hat." Als Reaktion müsse es zwangsläufig klare Abgrenzung geben, so Klitschko: ,,Für die ganze Welt und insbesondere Deutschland kann es nur eine Konsequenz geben: Kein Cent darf mehr nach Russland gehen, das ist blutiges Geld, mit dem Menschen abgeschlachtet werden. Das Gas- und Ölembargo muss sofort kommen."

Bürgermeister Fedoruk berichtete zuvor von 280 Zivilisten, die in Massengräbern beigesetzt werden mussten. Während der russischen Besatzung konnten die Leichen nicht beerdigt werden, erfuhr die ,,Ukrajinksa Prawda" von der örtlichen Verwaltung. Denn die drei städtischen Friedhöfe hätten in Reichweite des russischen Militärs gelegen.

Zahlreiche Berichte über von russischen Soldaten ermordeten Zivilisten habe es in den vergangenen Wochen gegeben, berichtet die Zeitung ,,Kyiv Independent" am Sonntag. Darunter Beschreibungen, wie Männer ausgewählt und erschossen wurden.

Mitte März gab es die Meldung, dass 57 Menschen in einem Massengrab nahe einer Kirche in Butscha begraben wurden. Es ist zu befürchten, dass die jetzt genannten Zahlen noch nicht die endgültigen Angaben zu den Opfern in der Stadt sind. ,,Obwohl die russischen Behörden behaupten, dass ihre Streitkräfte keine Zivilisten ins Visier nehmen, gibt es eindeutige Beweise für das Gegenteil", heißt es im ,,Kyiv Independent" dazu.

Wer überlebt hat, ist offensichtlich traumatisiert. Schon vor einem Monat berichteten Einwohner, ihre Stadt stehe kurz vor einer ,,humanitären Katastrophe".

Die Nachrichtenagentur AFP zitierte eine Frau mit den Worten: ,,Es gibt kein Gas mehr, kein Wasser, keinen Strom und auch die Lebensmittel gehen aus." Jetzt berichten Befreite, dass sie wochenlang in ihren Kellern ausharren mussten, ohne Licht und Heizung.

Am Sonntag standen Einwohner bei der Verteilung von Medikamenten und Hygieneartikeln Schlange, die ein Konvoi von Militär- und Hilfsfahrzeugen in die Stadt gebracht hatte. Die Menschen hießen die ukrainischen Truppen freudig willkommen. Bilder zeigten eine ältere Frau, die einen Soldaten umarmte.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba ruft den Internationalen Strafgerichtshof auf, vor Ort Beweise für Kriegsverbrechen zu sichern. Er kündigt an, sich dafür einzusetzen, dass die Verantwortlichen für Gräueltaten  zur Verantwortung gezogen werden. ,,Das Massaker von Butscha war vorsätzlich", erklärt Kuleba auf Twitter. ,,Die Russen zielen darauf ab, so viele Ukrainer wie möglich auszulöschen. Wir müssen sie aufhalten und rausschmeißen." Der Minister  fordert deswegen  härtere Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland.

Dem britischen Sender Times Radio sagt er, es habe sich bei den Getöteten weder um Guerilla-Kämpfer noch um Menschen gehandelt, die den Russen Widerstand geleistet hätten. Sie seien aus Ärger und reiner Mordlust getötet worden. Kuleba spricht zudem von Folter, Vergewaltigungen und Plünderungen. Es sei unmöglich, sich so etwas im 21. Jahrhundert vorzustellen, erklärt er. ,,Russland ist schlimmer als der IS."

EU-Ratspräsident Charles Michel versicherte noch am Sonntag, dass die EU die Untersuchung von ,,Gräueltaten" der russischen Armee in Vororten von Kiew unterstützen werde. Und bei der Sammlung der notwendigen Beweise für die Verfolgung vor internationalen Gerichten helfe, schrieb er via Twitter und nutzte dabei einen Hashtag mit dem Bestandteil ,,Massaker".

Michel kündigte an, angesichts der erschütternden Bilder den wirtschaftlichen Druck auf Russland weiter erhöhen zu wollen. ,,Weitere EU-Sanktionen und Unterstützung (für die Ukraine) sind auf dem Weg", schrieb er.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, appellierte angesichts der Gewalt gegen Zivilisten an die Bundesregierung, härter gegen Putin vorzugehen. Er teilte auch das Video aus Butscha auf Twitter, das eine Straße mit Leichen zeigt.

Dazu schrieb er: ,,Liebe Bundesregierung, werfen Sie mal einen Blick auf diesen schaurigen Schauplatz der Barbarei gegen die Menschen in der Ukraine. Ermordete Zivilisten liegen auf den Straßen. Kommt die einzig richtige Entscheidung über Gas,- & Öl-Embargo wieder zu spät? Schönen Samstag noch."

Bestürzt sind auch die Oberhäupter der orthodoxen und der griechisch-katholischen Kirche im Land, sie  verurteilen die mutmaßliche Ermordung von Zivilisten. ,,Hunderte, vielleicht Tausende Unschuldige wurden in den wenigen Wochen der russischen Besetzung zu Tode gequält", schreibt  Metropolit Epiphanius von der eigenständigen orthodoxen Kirche der Ukraine auf Twitter. Die Zivilisten hätten für die Besatzer keine Gefahr dargestellt, ihre Tötung sei ohne ,,militärische Notwendigkeit" geschehen.

Der griechisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk spricht  in seiner täglichen Videoansprache am Sonntag von ,,entsetzlichen Kriegsverbrechen". Europa habe schon einmal nach der Befreiung seiner Städte von den Nazis furchtbare Bilder gesehen. Heute würden sie in der Ukraine betrachtet. Es sei wichtig, dass die ganze Welt hinschaue ...


Aus: "Was über das Massaker in Butscha bekannt ist"  Oliver Bilger, Sandra Lumetsberger (03.04.202)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/hunderte-leichen-entdeckt-was-ueber-das-massaker-in-butscha-bekannt-ist/28223502.html

QuoteMarcusBrutus 03.04.2022, 18:49 Uhr
Das Neueste ist, dass Russland das Massaker der Ukraine in die Schuhe schiebt (Quelle: www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/butscha-russland-ukraine-krieg-zivilisten). Irgendwie ist es immer dasselbe. Beim Giftanschlag auf Sergej Skripal will es Russland nicht gewesen sein, obwohl die bekannten Tatsachen den russischen Geheimdienst überführen. Die Verantwortung für den Giftanschlag auf Herrn Nawalny weist Russland weit von sich, obwohl dieser staatlich überwacht wurde. Am Tiergartenmord will Russland nicht beteiligt gewesen sein, obwohl das vor Gericht nachgewiesen wurde. Russland behauptet, keinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen. Russland schiebt die Verantwortung für die Ausbombung von Zivilisten Ukrainern in die Schuhe (Quelle: www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-krieg-russland-journalist-propaganda-wargonzo-100.html). Russland will nicht für das Massaker von Buschta verantwortlich sein.

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QuoteAlcolaya 03.04.2022, 16:52 Uhr

... Mittelalterlicher Krieg. Und das gegen das Brudervolk.  ...


QuoteKarlemann 03.04.2022, 16:26 Uhr
Es gibt keinen Krieg ohne Opfer unter der Zivilbevölkerung. Die Bilder sind schrecklich, waren aber leider zu erwarten. Der Glaube, man könne einen sauberen, gerechten Krieg mit sich stets wohl verhaltenden Soldaten führen, ist absurd und tödlich. Hat weder in Afghanistan noch im Irak geklappt, würde auch nicht funktionieren, sollte die Ukraine in der Krim einmarschieren und den Russen ist es ganz sicherlich nicht gelungen. ...


QuoteAlcolaya 03.04.2022, 16:53 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Karlemann 03.04.2022, 16:26 Uhr

Ich habe solchen Glauben nicht
Und ich kenne niemanden, der sowas glaubt.


QuoteSIKOAlex 03.04.2022, 16:15 Uhr
So schwer die Bilder auch auszuhalten sind, vor allen von Menschen aus der westlichen Zivilisation, so sei doch daran erinnert, dass genau diese Bilder, das Gesicht jedes Krieges sind!
Auch in den Kriegen in Ruanda 1994, Kongo 2017, Ex-Jugoslawien 1991 - 1996, Jemen seit 2015 oder Syrien seit 2011, gehören solche Greultaten, verübt an der Bevölkerung zum Krieg dazu. Soldaten, die in ein anderes Land ziehen, fallen durch solche Taten auf, das war im WK II und in den Kriegen des 19. und 18. Jahrhunderts, des 30-Jährigen Krieges oder in der Auseinandersetzung Italiens im heutigen Eritrea nicht anders.
Und leider muss man auch sagen, dass in den allermeisten Fällen ALLE an dem Krieg beteiligten Parteien, solche Schadtaten verüben.


Quoteherrvonfrueher 03.04.2022, 13:34 Uhr
Früher oder später werden Berichte über diese Kriegsverbrechen die russische Bevölkerung erreichen. Wie in Nazi-Deutschland werden viele russische Menschen auch jetzt schon davon wissen oder zumindestens etwas ahnen. Irgendwann wird das Erwachen schrecklich sein. Putin bring Schande über Russland.


Quoteeismann872 03.04.2022, 12:59 Uhr
Da wir die Russen nicht wirklich stoppen wollen, braucht hier jetzt auch niemand schockiert zu tun.


Quotealleachtung 03.04.2022, 12:57 Uhr

Aber das waren doch sicherlich alles ukrainische Nazis und Aggressoren, die der vom selbsternannten Stalinnachfolger, dem neuen Vater der Völker und seiner Befreiungsarmee Steine in den Weg legen wollten. ...


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Quote... Nach dem Abzug russischer Truppen aus der ukrainischen Stadt Butscha hat Präsident Wladimir Putin Soldaten geehrt, die dort im Einsatz waren. Der Kremlchef würdigte die 64. Motorschützenbrigade am Montag in Moskau für besondere Verdienste, Heldentum und Tapferkeit, wie der Kreml mitteilte. Die Bilder getöteter ukrainischer Zivilisten aus der Vorortgemeinde der Hauptstadt Kiew hatten Anfang des Monats rund um die Welt für Entsetzen gesorgt. ...


Aus: "Die Kriegsnacht im Überblick Selenskyj prophezeit großen Kampf im Osten - Putin ehrt mutmaßliche Kriegsverbrecher" (19.04.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Selenskyj-prophezeit-grossen-Kampf-im-Osten-Putin-ehrt-mutmassliche-Kriegsverbrecher-article23274546.html

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Quote[...] Mehrere Afghanen mit einer Aufnahmezusage der deutschen Bundesregierung sind einem Medienbericht zufolge vor ihrer Ausreise nach Deutschland gestorben.

,,Die Bundesregierung hat Kenntnis von einzelnen Todesfällen", berichtet der ,,Spiegel" unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken.

Bei den Betroffenen handelte es sich demnach um frühere Ortskräfte, Angehörige oder andere gefährdete Personen. Bis heute warten tausende gefährdete Menschen aus Afghanistan darauf, nach Deutschland gebracht zu werden.

Aus den Antworten der Bundesregierung geht hervor, dass die deutsche Regierung bis Mitte Februar rund 30.000 Menschen eine Aufnahmezusage erteilt hatte. Von ihnen konnten erst rund 14.000 Personen nach Deutschland einreisen.

Die Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger kritisierte die Regierung für die Verzögerungen bei der Evakuierung. ,,Wir wissen nun, dass das unbeschreibliche Versagen der Bundesregierung bereits tödliche Folgen hatte", sagte sie dem ,,Spiegel".

,,Die Vorstellung ist schier unerträglich, dass Afghaninnen und Afghanen, die auf den Schutz der Bundesrepublik vertraut haben, den Taliban zum Opfer gefallen sind, weil trotz eindrücklicher Warnungen zu spät mit Evakuierungen begonnen und an zu bürokratischen Verfahren festgehalten wurde", so Bünger.

Die Bundeswehr hatte vergangenen August zusammen mit den anderen Nato-Streitkräften überstürzt Afghanistan verlassen, nachdem die Regierungstruppen den Vormarsch der radikalislamischen Taliban nicht aufhalten konnten.

In einer chaotischen Rettungsaktion brachten die Nato-Streitkräfte noch tausende Menschen per Luftbrücke aus Kabul außer Landes. Tausende weitere wurden jedoch zurückgelassen und sollen das Land nun auf anderem Wege verlassen. (AFP)


Aus: "Mehrere Afghanen starben offenbar vor Ausreise nach Deutschland" (05.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/den-taliban-wegen-buerokratie-zum-opfer-gefallen-mehrere-afghanen-starben-offenbar-vor-ausreise-nach-deutschland/28228164.html

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Quote[...] Butscha – Die Stadt war bereits einige Wochen unter russischer Besatzung, als Olena eine Veränderung hin zum Schlechteren wahrnahm. Die 43-jährige Einwohnerin Butschas erinnert sich, dass ältere, härtere Soldaten in die Stadt kamen und Angst verbreiteten. ,,Direkt vor meinen Augen schossen sie auf einen Mann, der zum Einkaufen in einen Supermarkt gehen wollte", sagt Olena, die ihren Nachnamen vorsichtshalber für sich behält.

Innerhalb der ersten Tage im Ukraine-Krieg wurde der Vorort von Kiew am 27. Februar von russischen Einheiten erobert und einen Monat lang von ihnen kontrolliert. Nachdem die Bombenangriffe gestoppt waren, konnten ukrainischen Einheiten die Stadt am vergangenen Donnerstag (31.03.2022) zurückerobern. Dort fanden sie zahlreiche Tote in ziviler Kleidung in den Straßen vor.

Anwohnerin Olena verbrachte den März mit ihren sieben und neuen Jahre alten Kindern im Keller eines vierstöckigen Hauses - ohne Strom und gemeinsam mit anderen Bewohner:innen. ,,Es gab keine ukrainische Armee in der Stadt, nur die territoriale Verteidigung aus überwiegend unbewaffneten Wachposten von örtlichen Unternehmen. Und die sind geflohen", erzählt sie.

Zu Beginn seien vorwiegend junge russische Soldaten gekommen. ,,Dann, zwei Wochen später, kamen andere, ältere." Sie seien älter als 40 gewesen. ,,Sie waren brutal. Sie haben alle misshandelt. Und dann begannen die Massaker", fügt Olena hinzu und hält mit finsterem Blick gedankenvoll inne.

Die älteren Soldaten waren Olena zufolge ,,sehr gut ausgerüstet" und trugen schwarze und dunkelgrüne Uniformen – anders als die Standarduniform der russischen Armee. ,,Es gab einige gute Kerle unter den russischen Soldaten, und da waren einige sehr raue Männer, vor allem vom FSB", dem russischen Geheimdienst, erzählt Olena.


Sie sei zu den Soldaten gegangen, um sie zu fragen, was sie ihren Kindern zu essen geben solle, ,,und sie haben uns Lebensmittelrationen und Essen gebracht", schildert sie. ,,Sie waren es, die uns gesagt haben, dass der FSB uns verboten hat herumzulaufen, dass es sehr gewalttätige Spezialeinheiten sind .... Es waren Russen, die das über Russen gesagt haben."

Die Erlaubnis, Wasser und Lebensmittel zu holen, erhielten nur Frauen. Die Männer mussten drinnen bleiben. ,,Unsere Nachbarn sind abends um 17 Uhr herausgegangen, um den Müll wegzubringen. Zwei Männer und eine Frau. Einer der Männer hatte in der Armee gedient. Sie sind nicht zurückgekommen", erinnert sich Olena. Später habe eine Frau sie im Hof eines Hauses gefunden, als sie Holz sammeln wollte. ,,Die Körper lagen mit Schusswunden in einer Blutlache", sagt Olena.

,,Als die FSB-Agenten ankamen, haben sie gefragt, warum ich die Stadt nicht verlassen habe. Ich habe ihnen gesagt, dass ich seit 43 Jahren hier lebe und ein friedliches Leben hatte. Warum sollte ich also gehen?" Daraufhin hätten die FSB-Agenten sie ,,Verräterin" geschimpft.

Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP hatten am Samstag (02.04.2022) in einer einzigen Straße der Stadt 22 Tote in ziviler Kleidung gesehen. Bei einer männlichen Leiche waren die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden. Laut der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden am Montag (04.04.2022) die Leichen von fünf Männern im Untergeschoss eines Kindersanatoriums gefunden. Der Bürgermeister von Butscha gab an, 280 Menschen in Massengräbern bestattet zu haben, die Zahl der Toten steige. Mittlerweile liegt sie bei 320.

Eine Straße der Stadt ist übersät mit rund 20 Wracks von Truppenfahrzeugen, gepanzerten Fahrzeugen, von denen einige schon zu rosten anfangen. Vermutlich wurde die Kolonne von ukrainischen Bombenangriffen getroffen, als sie Ende Februar in die Stadt einzog.

Sämtliche Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Tötung von Zivilisten wies Russland am Montag (04.04.2022) ,,kategorisch" zurück. Auch Kreml-Sprecher Dimitri Peskow äußerte sich zu den Bildern und Videos aus Butscha. Er behauptete gegen alle Indizien und Belege, dass russische Verteidigungsexperten in den von den ukrainischen Behörden verbreiteten Videos ,,Zeichen von Fake-Videos und andere Fälschungen" gefunden hätten. Belege seinerseits nannte er nicht. (lz/AFP)


Aus: "Ukraine: Russland schickt ,,brutale, ältere Männer" des FSB in den Krieg" Lukas Zigo (07.04.2022)
Quelle: https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-butscha-russland-soldaten-fsb-militaer-putin-news-91461057.html



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Quote[...] In Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens und Herzegowinas, ist es schwierig, den Blick nicht nach oben zu richten. Hin zu den umliegenden Bergen, wo sich im Winter die Sonne schwertut, aufzusteigen und der Stadt etwas Wärme und Licht zu bringen.

Seit dem 24. Februar, dem Tag, als der völkerrechtswidrige russische Angriff auf die Ukraine begann, halten die Leute selten nach der Sonne Ausschau. Vielmehr blicken vor allem Ältere mit Sorge nach oben. Sie blicken dorthin, von wo die serbischen Belagerer die Stadt 1992 bis 1995 drei Jahre lang mit Artillerie beschossen.

Die Bilder aus der Ukraine, vor allem die aus Mariupol, haben viele Be­woh­ne­r:in­nen Sarajevos in Schrecken versetzt. Es erinnert sie an das, was sie vor 30 Jahren erlebten. Wird es jetzt wieder Krieg geben?, fragen sie. Nicht nur die Situation in der Ukraine beunruhigt, weil da Angst ist, dass der Krieg auf angrenzende Länder überschwappt. Auch die Nachrichten aus der serbischen Teilrepublik Bosniens und Herzegowinas, der Republika Srpska, und aus deren Hauptstadt Banja Luka sind beunruhigend. Denn Putins Obsession eines russischen Großreichs hat, übertragen auf Serbien, auch Unterstützer.

Milorad Dodik, der ,,starke Mann" der bosnischen Serben, hat sich kürzlich damit gebrüstet, dass er in den vergangenen Jahren Wladimir Putin mehr als 20 Mal getroffen hat. Dodik macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für den russischen Diktator. Die Russen haben schon 2017 Militärs und Geheimdienstleute nach Banja Luka geschickt und sind dabei, serbische Männer als ,,Sonderpolizisten" auszubilden.

Dodik will den serbischen Teilstaat von Bosnien und Herzegowina abtrennen, was die Bevölkerungsmehrheit des Landes nicht hinnehmen könnte. Kommt hinzu, dass auch der kroatische Nationalistenführer Dragan Čović sich mit Dodik verbündet hat und sich ebenfalls als Putin-Unterstützer outet.

,,Wenn Putin gewinnt, dann hat er einen Stützpunkt in unserem Land", sagt Meho Alićehajić, ehemaliger Deutschlehrer und Historiker. Das sei sehr gefährlich und müsste die Nato auf den Plan rufen. Die EU aber sei sehr schwach und verhandele mit diesen Politikern, anstatt sie in die Wüste zu schicken.

Für Meho Alićehajić, der als Kind den Zweiten Weltkrieg erlebte und den gesamten letzten Krieg in Sarajevo mit seiner Frau ausharrte, taucht mit dem Ukrainekrieg das Trauma von damals wieder auf, ,,dieses Leben unter der ständigen Gefahr, ohne Wasser und Heizung, ohne Strom, kaum Essen, nur ein bisschen humanitäre Hilfe". Der jetzt 89-Jährige wurde damals beim Wasserholen bei dem Brunnen der Brauerei von Granatsplittern getroffen. ,,Die Serben haben bewusst in die Schlange geschossen, so wie jetzt die Russen in eine Brotschlange in Charkiw."

Abertausende Gebäude wurden damals in der 300.000 Einwohner zählenden Stadt Sarajevo zerstört, über 11.000 Erwachsene und 1.500 Kinder getötet, 55.000 Menschen zum Teil schwer verwundet. ,,Hinzu kommt, dass niemand jene als Kriegstote gezählt hat, die krank waren, keine Medikamente mehr bekamen", sagt Meho Alićehajić. Es seien viel mehr Menschen in dem Krieg gestorben als offiziell bekannt. ,,Und das ist auch in den Kampfgebieten der Ukraine jetzt so."

Am Morgen des 5. April 1992 war alles noch friedlich, erinnern sich Meho Alićehajić und seine Nachbarn. ,,Alle Leute aus der Nachbarschaft machten sich damals auf den Weg." Sie gingen zur Demonstration für den Frieden, die nahe dem Parlament und dem Hotel ,,Holiday Inn" stattfand, wo die serbischen Abgeordneten tagten. Sie waren dort zusammengekommen, weil zwei Drittel der Bevölkerung am 2. März 1992 bei der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit des Landes gestimmt hatte. Die serbische Führung aber wollte die Unabhängigkeit verhindern. Am 6. April sollte das Land von der EU diplomatisch anerkannt werden.

Sollte Bosnien und Herzegowina sich für unabhängig erklären, dann werde das Land im Blut versinken, hatte Radovan Karadžić, der politische Führer der bosnischen Serben und Vorsitzende der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), gedroht. Deshalb gingen Hunderttausende für den Frieden demonstrieren; es kamen Busse aus dem ganzen Land. Plötzlich fielen Schüsse. Die ersten Kugeln trafen zwei junge Frauen auf einer Brücke über den Miljacka-Fluss; der Krieg hatte begonnen.

Meho Alićehajić und weitere Nachbarn meldeten sich dann freiwillig bei den Verteidigungskräften aus Polizei und Reservisten, die sich nach und nach zur Bosnischen Armee (Armija BiH) formierten. Die gesamte Bevölkerung war mobilisiert; ,,No pasarán", dieser Schlachtruf aus dem Spanischen Bürgerkrieg, war in aller Munde. Der Widerstandsgeist war erweckt. Genau wie jetzt in der Ukraine.

Mitte März 1992, also drei Wochen vor dieser Demonstration, war es mir und einem ukrainischen Kollegen gelungen, den Serbenführer Radovan Karadžić in seinem Hauptquartier im Holiday Inn zu interviewen. Sarajevo, so sagte er, solle in drei Teile aufgeteilt werden: In einen muslimischen Ostteil, die Altstadt. Novo Sarajevo und die angrenzenden modernen Stadtviertel wiederum seien der serbische Teil. Und im Westen um Rajlovac könnten die Kroaten ein Gebiet erhalten, sagte er. Wie solle das gehen? Das hieße Umsiedlungen, viel Leid für die Bevölkerung, intervenierten wir. Karadžić antwortete nicht. Sein Plan für Bosnien und Herzegowina war bereits entschieden.

Stipe Mesić, der letzte Präsident Jugoslawiens und ab dem Jahre 2000 Präsident Kroatiens, erklärte vor zwei Jahren auf einer Konferenz im Tito-Bunker von Konjic, was hinter dem Bosnienkrieg steckte. Im März 1991 hatten sich die Präsidenten Serbiens und Kroatiens unter vier Augen getroffen und vereinbart, dass Bosnien territorial zwischen den beiden Staaten aufgeteilt werden solle. Bosnien und Herzegowina habe kein Existenzrecht.

Nach dem Treffen hatte Mesić dann Tudjman gefragt: Was passiert dann mit Alija Izetbegović, dem Führer der Muslime Bosniens? ,,Nema Alije", es wird keinen Alija mehr geben. Gemeint war, es werde keine bosnischen Muslime mehr geben.

Karadžić sollte von serbischer Seite diese Strategie umsetzen und hatte mit Ratko Mladić einen Oberkommandierenden, der als ,,Schlächter des ­Balkans" in die Geschichte einging. Die in sich verwobene multinationale ­Gesellschaft sollte auseinandergerissen werden.

Auch die kroatischen Nationalisten machten sich bereit: Mate Boban, ihr Führer, traf sich mehrmals mit Karadžić, um die territorialen Ansprüche abzustecken. Ab Mai 1993 stellten beide Seiten die Kämpfe gegeneinander ein. Die Nationalisten beider Seiten machten sich daran, die letzten Reste der traditionellen bosnischen Gesellschaft zu zerschlagen.

Von der Fensterfront des von Österreichern am Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Gebäudes nahe dem Nonnenkloster, der Sufimoschee und der katholischen Schule in Sarajevo, wo Meho Alićehajić wohnt, erscheint die Silhouette des Bergzuges Vraca zum Greifen nah. Von dort oben, von dem weitläufigen Gelände des Partisanendenkmals, ist im Gegenzug auch das Gebäude mit bloßem Auge zu erkennen. Von Vraca aus konnte jedes Haus in der Stadt beschossen werden.

Oben auf dem Gelände des Partisanendenkmals wird es gegen Abend still. Die Besucherinnen und Besucher mit ihren spielenden Kindern sind weggegangen. Die lange Reihe der Stelen mit den Namen der im Zweiten Weltkrieg getöteten Männer und Frauen erscheinen in der Dämmerung fast unheimlich. ,,Schau mal", sagte wenige Monate vor seinem Tod am 8. April 2021 Ex-General Jovan Divjak, indem er auf die Namen der Getöteten deutete, ,,hier kannst du die Geschichte der Stadt kennenlernen." Auf diesen Stelen gebe es keine ethnischen Trennungen.

Jovan Divjak war bosnischer Serbe und entschied sich, seine Stadt zu verteidigen. Er wurde als Vizekommandeur der bosnischen Armee zum Hassobjekt der serbischen Extremisten um Radovan Karadžić und Ratko Mladić. Divjak verkörperte in seiner Person die bürgerliche und multiethnische Identität Sarajevos. Divjak sah im Nationalismus eine primitive und zerstörerische Denkform, die letztendlich in den Faschismus führe. Die Partisanen hätten mit der Parole ,,Brüderlichkeit und Einheit" vor allem die Menschen in Bosnien und Herzegowina zusammengeführt. 40 Prozent der Familien waren gemischt. Die Nationalisten wollten diese Gesellschaft auseinanderreißen und die gemeinsame Kultur zerstören.

Vor dem Angriff hatte Karadžić Briefe an alle Serben Sarajevos geschickt und sie aufgefordert, die Stadt für ein paar Tage zu verlassen. Er rechnete, wie Putin heute in der Ukraine, nicht damit, dass die Menschen Widerstand leisten. Er glaubte, die serbischen Truppen würden die Stadt schnell einnehmen, dann sollten die Serben in die ,,gesäuberte" Stadt zurück. Viele folgten dem Ruf; ­einige aber blieben.

Von Seiten der Angreifer hatte niemand den Verteidigern so viel Mut zugetraut. Vor allem die bosnischen Muslime, die Volksgruppe der Bosniaken, hatten in den Augen der nationalistischen Serben wenig Kampfgeist.

Anfangs lief es ja auch für die serbische Seite nach Plan. Indem es den Serben gelungen war, die Jugoslawische Volksarmee, die damals zu den größten Armeen Europas gehörte, unter ihre Kontrolle zu bringen, gingen sie zunächst im Osten des Landes gegen die wehrlose muslimische Mehrheitsbevölkerung in die Offensive. Mladić' Truppen nahmen das Tal der Drina ein, töteten viele Menschen in Višegrad und Foča, steckten Frauen in Vergewaltigungslager, zwangen alle, die sich retten konnten, in die Flucht.

Serbische Truppen, verstärkt von Freischärlern, stießen entlang der Sava nach Westen vor. Die westbosnischen Städte Banja Luka und Prijedor fielen ihnen ohne Kampf in die Hände. Dort wurden ,,Krisenstäbe" tätig, die Nicht­serben zwangen, weiße Binden zu tragen, um sie schließlich in Konzentrationslagern zu internieren. Allein in Prijedor starben im Sommer 1992 über 3.200 Menschen in den Lagern Omarska und Keraterm.

Die serbischen Truppen besetzten im Herbst 1992 über 66 Prozent des Territoriums von Bosnien und Herzegowina. Zehntausende Menschen verloren dabei ihr Leben. 2 von 4,5 Millionen Einwohnern flohen in die noch von der bosnischen Armee gehaltenen Gebiete oder ins Ausland. Allein Deutschland hat damals mehr als 300.000 Menschen aufgenommen.

Und dann noch das: Die kroatische Seite fing im Mai 1993 an, das verbliebene Restbosnien anzugreifen und Gebiete für ihren Parastaat Herceg-Bosna zu erobern. Die kroatisch-bosnische Armee HVO schoss mit Artillerie auf die von Muslimen bewohnte historische Altstadt von Mostar. Sie zerstörten die berühmte Alte Brücke, das Wahrzeichen der Stadt, das zudem die Verbindung der Kulturen symbolisiert.

Die Zerstörung war umfassend, die meisten Gebäude waren nur noch Skelette, Scharfschützen schossen auf alle Menschen, die sie sehen konnten. Die Menschen überlebten fast 9 Monate lang in den Kellern, die durch Gänge miteinander verbunden wurden. 5.000 Menschen sollen damals umgekommen sein. Doch Ost-Mostar hielt dem ständigen Beschuss stand. Die Kroaten konnten die Altstadt nicht einnehmen.

Die Bilder aus Mariupol wecken für Leute, die diese Hölle überlebt haben, Erinnerungen, an den Hunger, den Durst. Indem die kroatisch-bosnische Armee HVO die Zufahrtswege nach Zentralbosnien abriegelte, waren zwei Millionen Menschen fast ein Jahr lang von der Außenwelt abgeschnitten. Die gering bemessene humanitäre Hilfe durch die UN erreichte zwar die Städte Zenica und Tuzla, doch sie konnte nur an Kinder und Alte verteilt werden.

Das von der bosnischen Regierung gehaltene Territorium bestand im Sommer 1993 eigentlich nur noch aus von Feinden eingekreisten Enklaven. Im Winter 1993/94 glaubten viele Menschen, sie würden nicht überleben.

Doch langsam konsolidierte sich der Widerstand. Die bosnische Armee organisierte sich trotz aller Widrigkeiten, hielt die Frontlinien. Nach dem Kriegsverbrechen in dem Dorf Ahmići nahe Vitez, als Kroaten über 20 Häuser mitsamt den Bewohnenden anzündeten und über 100 Menschen, die meisten Frauen und Kinder, elendiglich verbrannten, wurden alle Kräfte mobilisiert. Die kroatische HVO wurde Stück für Stück aus Zentralbosnien vertrieben, kroatisch dominierte Städte wie Vitez und Kiseljak wurden von bosnischen Truppen umzingelt.

Den USA gelang es zudem, den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zu einer Umkehr seiner Strategie zu bewegen. Im März 1994 wurde das Washingtoner Abkommen beschlossen, die Blockade Zentralbosniens wurde beendet, es kamen wieder Lebensmittel in die umkämpften Gebiete. Die bosniakisch und kroatisch kontrollierten Gebiete wurden in diesem Abkommen in der Föderation Bosnien und Herzegowina zusammengefasst, der kroatische Parastaat Herceg-Bosna aufgelöst.

Jeder Krieg geht einmal zu Ende. Der Weg dahin aber war in Bosnien sehr schmerzlich. Die Vereinten Nationen haben in Bosnien versagt. In Sarajevo zählten UN-Truppen lediglich die Granateinschläge. Ihr Mandat verbot es ihnen sogar, bei schreienden Kriegsverbrechen einzugreifen. Dass die UN-Truppen im Juli 1995 nicht in der Lage waren, die als ,,sicheren Hafen" deklarierte von Serben belagerte Enklave Srebrenica zu schützen, gehört zu den dunkelsten Kapiteln der UN-Geschichte. Über 8.000 Menschen wurden ermordet. Die UN-Kommandierenden in Bosnien, der französische General Bernard Janvier und der Brite General Michael Rose, hatten den Einsatz von Nato-Flugzeugen, die schon in der Luft waren, um die vorrückenden serbischen Truppen anzugreifen, verhindert.

Nach dem Genozid von Srebrenica allerdings sollte nach dem Willen der USA und auch Europas endlich Frieden geschaffen werden. Endlich trat die Nato auf den Plan. Serbische Artillerie-Stellungen um Sarajevo wurden beschossen. Die Menschen in Sarajevo atmeten auf. ,,Die verstehen nur eine Sprache, die der Gegengewalt", war die Meinung in der Stadt.

Die aus der Enttäuschung gewachsene antiwestliche Stimmung drehte sich wieder. Endlich kam Hilfe von dort. Kroatische und bosnische Truppen rückten vor, die Serben verloren im August 1995 binnen zehn Tagen alle Eroberungen in Kroatien und mussten sich nach Bosnien zurückziehen. Im September 1995 dann gelang es bosnischen und kroatischen Truppen, die Serben auch in Bosnien zu schlagen. Doch sie kontrollierten immer noch 50 Prozent des Landes.

Den schließlich im November 1995 in Dayton, Ohio ausgehandelten Friedensvertrag aber konnten die serbischen Nationalisten unter den Jahre später als Kriegsverbrechern verurteilten Karadžić und Mladić durchaus als Sieg ansehen. Ihre Strategie, Bosnien und Herzegowina und damit die gemeinsame multinationale Gesellschaft zu zerschlagen, wurde von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert. Und wird von ihren Nachfolgern in der serbischen Führung fortgeführt.

Die Grenzen zwischen der serbischen Teilrepublik, der sogenannten ,,Republika Srpska", und der ,,Föderation Bosnien und Herzegowina" wurden in Dayton festgelegt. Beide Seiten kontrollieren seither rund 49 Prozent der Fläche des Landes, 2 Prozent macht die Sonderzone Brčko aus. Und die serbische Teilrepublik kann in allen Belangen der Politik die Geschicke des Landes mitbestimmen.

Die bosnische Journalistin Aida Cerkez, die während des bosnischen Krieges und danach für die amerikanische Presseagentur AP berichtete, hat kürzlich einen bewegenden Brief an die Menschen in der Ukraine verfasst. Sie beschreibt darin eindringlich die Lage während der 1.425 Tage langen Belagerung Sarajevos ohne Wasser, Essen, Strom, Heizung und dem von den internationalen Mächten auferlegten Waffenembargo. Sie fragte sich, was sie heute in ein Hilfspaket für die Ukraine packen soll, und fand schließlich ihr altes T- hirt von vor 30 Jahren. ,,Sarajevo will be", steht darauf. Das habe ihr damals Halt gegeben.

Aida Cerkez will keinen gekünstelten Trost verbreiten, sie schreibt mit Empathie, ohne unrealistische Hoffnungen für die Leute zu wecken. Ihr müsst da durch, es wird viele Opfer geben, ihr werdet widerstehen müssen, ihr werdet neuen Mut finden, ihr werdet auch erkennen, dass es am meisten schmerzt, wenn die Wahrheit über eure Lage verdreht wird, ist ihre Botschaft. ,,Das Schlimmste sind die Lügen." Wie jene, die Verteidiger würden sich selbst beschießen.

Aber immerhin bekomme die Ukrai­ne Waffen, die wurden den Verteidigern Sarajevos damals vorenthalten. ,,Ukrai­ne will be" schrieb sie – in Anlehnung an ,,Sarajevo will be". Ihr Brief fand seinen Weg in die internationalen Medien und wurde in der Ukraine weit verbreitet.

Mitten durch das Gelände des Partisanendenkmals verläuft heute die unsichtbare und doch allgegenwärtige Grenze. Die serbisch-bosnische Führung will ,,ihren" Landesteil mit Serbien vereinigen. Dahinter steht neuerdings das Konzept der ,,serbischen Welt"; alle Gebiete, wo Serben leben, sollen in einem Staat vereinigt werden. Das ähnelt dem Konzept Putins, die Ukraine wieder in die ,,russische Welt" zurückzuführen.

Am Partisanendenkmal vorbei führt eine Straße hinunter nach ,,Ost-Sarajevo", wie das moderne Neubaugebiet dort genannt werden will. Hier haben sich viele Serben, die früher in Sarajevo lebten, angesiedelt. Die Wohnungen sind neu und preiswert. Im Café neben dem Gavrilo-Princip-Denkmal aber wollen die jungen Leute nicht über Politik sprechen, schon gar nicht über Putins Krieg. Sie haben andere Probleme.

Der 19-jährige Dragan will in Belgrad studieren, doch weiß er nicht, wie er das finanzieren soll. Die Unis in der Republika Srpska hätten keine Reputation. Und in Sarajevo? Alle lachen, auf so eine Idee könne nur ein Ausländer kommen.

Eine andere junge Frau, Vesna, hat ein bisschen Angst, denn ihr Vater arbeitet in Sarajevo. ,,Wenn wir uns abtrennen, wäre hier eine Grenze und er verlöre seine Arbeit." Das ginge dann vielen Serben so.

Jobs gäbe es keine, ,,wir alle müssen hier weg, nach Serbien, in die EU oder England". Das unterscheidet diese Jugendlichen nicht von jenen auf der anderen Seite.


Aus: "Vor 30 Jahren begann der Bosnienkrieg:Gleiche Logik, gleicher Schrecken" Erich Rathfelder (5.4.2022)
Quelle: https://taz.de/Vor-30-Jahren-begann-der-Bosnienkrieg/!5842991/