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[Menschen in Schichten und Klassen... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 18, 2007, 02:21:01 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) fordert angesichts gestiegener Mietpreise, die Wohnkosten-Pauschale im Bafög für Studierende zu erhöhen. "Die Frage, an welcher Hochschule ich studieren kann, hängt mehr und mehr davon ab, ob ich mir die Miete in der Stadt überhaupt leisten kann", teilte das DSW mit. Nach einer Studie des Moses Mendelssohn Instituts reicht in 73 der 90 untersuchten Städte der Bafög-Satz nicht mehr für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft.

Der Studie zufolge müssen Studenten aktuell im Durchschnitt 479 Euro Warmmiete im Monat für ein WG-Zimmer bezahlen. Dies entspricht etwa sieben Euro mehr als zu Beginn des Wintersemesters und fast fünf Prozent mehr im Vergleich zum Sommersemester 2023. Die Bafög-Wohnungspauschale beträgt 360 Euro für Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen. Eine Erhöhung seitens des Bundesbildungsministeriums ist nicht geplant. "Das Parlament muss hier das untätige Ministerium beherzt korrigieren", forderte das DSW.

Die Studie zeigt auch, wie die Wohnkosten im Zeitraum von Sommersemester 2023 bis zum bevorstehenden Start des Sommersemesters 2024 in den größten Universitätsstädten angestiegen sind: in München von 740 Euro auf 760 Euro, in Berlin von 640 Euro auf 650 Euro und in Frankfurt am Main von 580 Euro auf 670 Euro.

Die SPD-Bundestagsfraktion machte angesichts der Zahlen Druck für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verlängerung der Mietpreisbremse. "Wenn Studierende jeden Monat 760 Euro und mehr für ein WG-Zimmer bezahlen müssen, ist ein Studium für viele schlichtweg unbezahlbar", sagte die SPD-Mietrechtsexpertin Zanda Martens. "Hier muss mit einem sozialen Mietrecht lenkend eingegriffen werden: Der Bundesjustizminister muss deshalb dringend tätig werden."

Das Moses Mendelssohn Institut wertet in Zusammenarbeit mit dem Onlineportal WG-gesucht.de Inserate mit Angeboten und Suchanfragen für Wohngemeinschaften aus. Die Auswertung umfasst nach eigenen Angaben alle Hochschulstandorte Deutschlands mit mindestens 5.000 Studierenden ohne Fern- und Verwaltungshochschulen. Die Studie geht davon aus, dass die Preise sich nach deutlichen Anstiegen in den vergangenen Jahren nun stabilisieren.


Aus: "Bafög reicht meist nicht mehr für WG-Zimmer" (20. März 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/campus/2024-03/bafoeg-wohngeld-wg-zimmer-miete-deutsches-studierendenwerk

Quotehansi55

Das sind gute Nachrichten. So werden die ärmeren Schulabgänger vom Studieren weiter abgehalten und die Privilegierten bleiben in den Unis schön unter sich. Wer soll denn die ganzen doofen Jobs machen, wenn Krethi und Plethi auf einmal anfangen Juristen usw zu werden?


QuoteWeidels Ex

Wir brauchen Handwerker viel dringender als noch mehr Philosophen und Politikwissenschaftler.


Quoteein_zimmer_ohne_balkon

... Das schönste an dem System ist, dass man aus BAföG fliegt, wenn man zu langsam studiert, weil man nebenbei arbeiten muss. ...


QuoteMitteWähler

Dann müssen die Studenten eben wieder nahe des Elternhauses studieren oder anstatt nach dem Abi erstmal 1 Jahr im Ausland zur Selbstfindung verbringen eben mal 1 Jahr arbeiten und sich Ersparnisse zulegen.


QuoteMegatrønder

Hab ich damals (2010/11) gemacht. Macht mein kleiner Bruder jetzt. Ein Jahr Ersparnisse sind quasi sofort weg, und dann steht man da.


Quotesryke

So ganz verstehe ich die Aufregung nicht. Bin Unterschichtenkind und musste neben dem Studium arbeiten. Gewohnt habe ich einem Zimmer, was heute vermutlich nicht mal mehr als Loch bezeichnet würde. Kannte viele, bei denen es ohne Arbeit nebenbei nicht anders gegangen wäre. Immerhin haben wir keine Studiengebühren in Deutschland, könnte also noch schlimmer sein.

Nein, bin für Boomer zu jung.


QuoteJ.P._Merz

Ich hatte kein Bafög bekommen und von meinen Arbeiter-Eltern auch nichts. Daher musste ich im Studium arbeiten gehen und mich zudem finanziell einschränken. Manchmal habe ich das Gefühl, dass heute jeder erwartet ein relativ angenehmes Durchschnittsleben finanziert zu bekommen. Naja, aus eigener Erfahrung bin ich für ein elternunabhängiges Bafög - dieses aber auf niedrigem Niveau. Um meine Mutter zu zitieren (damals Vollzeit Putzfrau und nebenberuflich Putzfrau, 50h/Woche): "Wenn du Geld brauchst, geh arbeiten."


QuoteWorld-Traveller

War ja klar, dass bei WG-Zimmern genauso Profit gemacht wird, wie ganz allgemein auf dem Wohnungs- und Mietmarkt. Die rasanten Preissteigerungen haben ja auch Bestandsmieten betroffen, obwohl die Investitionen ja längst abgeschrieben waren. Mit Index Mieten, Möblierungen und Mietspiegeln steigen die Mieten von ganz alleine. Immobilien sind eben Spekulationsobjekte und Spekulanten wollen Gewinne machen.


QuotePeggy Bundy

Also zu meiner Zeit hat ein WG Zimmer 500-600€ gekostet, die Pauschale vom Bafög waren 150€ oder so. Der Bafög-Höchstsatz waren 550€. Man hatte neben dem Studium noch einen Nebenjob (oder reiche Eltern...).


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Blick auf den Landwehrkanal führt am Schöneberger Ufer Anfang März über die hässlichen Reste eines Lagers: leere Koffer und umherfliegende Planen. Verlassene Zelte, die wohl einst als Sachspende bei einer Hilfsorganisation an Obdachlose verteilt wurden, lange im Regen standen und nur noch entsorgt werden können.
Nicht ungewöhnlich für Kreuzberg im Frühjahr, wenn das Gestrüpp der Böschungen die Sicht auf heimlich abgeladenen Sperrmüll und Übernachtungsplätze von Wohnungslosen noch nicht überdeckt. Doch haben sich diese Elendsorte ausgedehnt im Vergleich zu früheren Jahren? Wie gehen Berliner Bezirke damit um, wenn sich Armut so sichtbar an zentralen Orten wie hier, in Nähe der Bürotürme des Potsdamer Platzes zeigt?   

,,Obdachlosencamps finden wir überall", schreibt das zuständige Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Obwohl keine konkreten Zahlen vorliegen, sei deutlich zu beobachten, dass die Zahl von auf der Straße lebenden Menschen in den vergangenen Monaten und Jahren zugenommen habe. Gestiegene Einsatzzeiten des Ordnungsamtes zur Auflösung von illegalen Zeltlagern sprächen für diese Annahme. Gleichzeitig bemerkt das Amt eine ,,gestiegene Sensibilität der Bevölkerung", was wohl nichts anderes heißt als: Man beschwert sich über Müll, Lärm, Belästigungen oder Gerüche. Wie viel Abfall diese Lager in Böschungen und Grünanlagen hinterlassen, kann der Bezirk nicht beziffern.
Nach Einschätzung des Berliner Caritasverbandes kommen viele Obdachlose in Berlin aus Osteuropa –  darunter Bulgaren, Rumänen und Polen: ,,Im Winter stehen viele Zelte leer, weil eine Übernachtung dort zu kalt ist", schreibt Sprecher Thomas Gleißner. Im Frühjahr füllten sich die Zelte erfahrungsgemäß. Die Caritas ist seit 30 Jahren mit einem breiten Angebotsspektrum in der Berliner Obdachlosenhilfe aktiv. Die Hilfsorganisation beteiligt sich unter anderem an der Kältehilfe, bietet Wärmestuben, medizinische Hilfen und aufsuchende Sozialarbeit.

Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission nennt mehrere Gründe, warum Obdachlose Zelte an Fluss- oder Kanalufern aufschlagen und angebotene Notunterkünfte ablehnen. Es gebe Menschen, die abtauchen wollten und Behördenkontakte vermieden. Andere wollten mit ihrem Hund allein bleiben. Psychische Erkrankungen hätten seit Corona unter Obdachlosen zugenommen. ,,Immer häufiger sind Trennungsgeschichten der Grund für Obdachlosigkeit", sagt Breuer. Aus ein paar Wochen Couchsurfing im Sommer finden Menschen wegen der Wohnungsnot nicht mehr zurück in ein neues Zuhause. Mehr als die Hälfte der Gäste in den Notunterkünften der Stadtmission stammten in der Kältesaison 2022-2023 aus Osteuropa.
Entlang der Hochbahn, an Verkehrsknotenpunkten und am Landwehrkanal werden besonders häufig Zelte entdeckt. Bei einem von mehreren Bränden starb im vergangenen Jahr ein Mann in seinem Zelt am Tempelhofer Ufer. Man wärmt sich an offenen Feuern, kocht Dosensuppe auf. Müll und Fäkalien verdrecken die Uferzone.

Ein Blick über die Meldungen der Ordnungsämter bestätigt die Beobachtungen. ,,Es geht so nicht", heißt es im Februar in einer Beschwerde aus der Anwohnerschaft des Waterloo-Ufers. Nach mehreren Beschwerden wegen zurückgelassener Zelte sei nun erneut ein Lager gegründet worden. ,,Dies führt bei uns im Hof zu Vermüllung, wir haben Ratten und werden lärmbelästigt." Die Behörde reagierte wieder anders als erhofft: ,,Status: Erledigt", steht an der Meldung. Wohl wegen der Ratten schob man das Problem zum Gesundheitsamt. Ähnliche Meldungen finden sich auch über das Spreeufer, teilweise wurden offenbar Zelte bis auf Gehwege gestellt.
Wenn Müll länger in den Uferbereichen liegen bleibt, könnte das auch mit komplizierten Zuständigkeiten zu tun haben. Vom Grundsatz her, so erklärt die für Friedrichshain-Kreuzberg zuständige Stadträtin Annika Gerold (Grüne), verantworte das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt die Reinigung dieser Bereiche. In Gerolds Antwort auf eine Anfrage der CDU-Bezirksverordneten Hoda Alwan heißt es einschränkend: Nur ,,wenn die Fläche nicht öffentlich zugänglich ist, das heißt eingezäunt ist", erkläre sich das Schifffahrtsamt für zuständig. Andernfalls stehe die Umweltverwaltung in der Verantwortung.

Müll, Obdachlose, Zelte und offene Feuer. Hoda Alwan, die ihre ganze Kindheit am Landwehrkanal verbracht hat, kennt die Situation dort kaum anders, wie sie sagt. Ihrem Eindruck zufolge sind die Probleme dort mit den Jahren größer geworden. Die wachsenden Beschwerden aus der Anwohnerschaft gelangen auch in ihr Postfach. Wegen der wechselnden Zuständigkeiten sei das Bezirksamt in vielen Fällen machtlos.
In Neukölln spricht das Bezirksamt von einer Verschärfung der Lage. Obdachlose Menschen und Ansammlungen von Zelten seien zunehmend sichtbar, an einigen Orten ,,vergleichsweise dauerhaft". Das Maybachufer zwischen Weichselplatz und Thielenbrücke gilt als einer dieser Bereiche, ähnlich wie der Fußgängersteg Britzer Tor. Für Kurzaufenthalte nutzen Zeltende auch immer wieder die Parks des Bezirks.

Zelte in Grünanlagen oder unter Brücken muss man auch in Mitte nicht lange suchen. Die Streifen des Ordnungsamts verteilen zunächst Infoflyer an Wohnungslose, sofern man diese in ihren Lagern überhaupt antrifft. Zumeist seien die Behausungen verlassen, schreibt die Pressestelle, wenn der Außendienst zweimal wöchentlich an üblichen Orten vorbeischaut. Mitarbeitende der Sozialen Wohnhilfe und Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter des Trägers Gangway e.V. sollen sich anschließend verstärkt um Menschen an den Zeltstandorten kümmern, sie von alternativen Unterbringungsmöglichkeiten überzeugen. Auch anstehende Räumungen werden auf diese Weise kommuniziert.

Ähnlich verfährt man in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Räumungen im letztgenannten Bezirk müssen in der Regel eine ,,erhebliche Beschwerdelage" und erfolglose Versuche vorausgehen, die Zeltenden in Hilfseinrichtungen zu vermitteln. Rechtlich stützt sich die Räumung von Camps auf Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder Gefahren für die Allgemeinheit wie Brand, Belästigungen, Müll und Ungeziefer.
Trotz der Räumungen wissen auch die Ämter, dass viele Betroffene wieder an dieselben Orte zurückkehren. Ein Platzverweis ist nur 24 Stunden wirksam. Mit ordnungsbehördlichen Mitteln sei das stadtweite Problem der Obdachlosigkeit nicht zu lösen, heißt es aus Friedrichshain-Kreuzberg. Stattdessen will der Bezirk mehr ganzjährige Notübernachtungsangebote wie das ,,Ohlauer 365" am Standort der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule schaffen und mehr Mittel für aufsuchende Sozialarbeit bereitstellen.

Im Modellprojekt ,,Safe Places" werden Obdachlose vorübergehend in ,,Tiny Houses" hinter dem Ostbahnhof untergebracht und betreut. Ziel des niedrigschwelligen Angebots ist, Obdachlosen eine Perspektive auf eigenen Wohnraum zu geben. Auch Neukölln hat ein vergleichbares Projekt.
Mit einem ,,Leitfaden zum Umgang mit Obdachlosigkeit im öffentlichen Raum" versucht Neukölln, mehr Transparenz in das wachsende Problem zu bringen. An besonders schützenswerten Orten wie Friedhöfen, Spielplätzen, Kitas und Schulen sollen campierende Wohnungslose schnellstmöglich geräumt werden, heißt es darin. Bis 9 Uhr morgens, damit sich die Betroffenen eine andere Bleibe suchen können.


Aus: "Leere Koffer, Müll und verlassene Zelte: Das Elend wird in Berlin immer sichtbarer" Henning Onken (22.03.2024)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/leere-koffer-mull-und-verlassene-zelte-berliner-bezirke-klagen-uber-immer-mehr-obachlosenlager-11325655.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Fast 17 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebte 2022 in Armut. Das ist das Ergebnis des Paritätischen Armutsberichts. Demnach gelten mehr als 14 Millionen Menschen nach den jüngsten Daten als arm. Die Zahl stagniert damit seit Jahren erstmals – nur die Kinderarmut steigt weiter. Besonders betroffen seien zudem Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit schlechten Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist dem Bericht zufolge von Armut betroffen. Der Wert von fast 22 Prozent ist demnach ein Allzeithoch. Unter Alleinerziehenden habe die Armutsquote zudem bei 43,2 Prozent gelegen, heißt es in dem Bericht.

"Die Armut in Deutschland ist auch in 2022 auf sehr hohem Niveau verblieben", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Trend stetig wachsender Armut sei auf Bundesebene zwar auf den ersten Blick gestoppt, aber noch lange nicht gedreht. 2022 habe es fast eine halbe Million mehr Menschen geben, die von Armut betroffen sind, als noch 2019. Dabei führt Schneider auch die Corona-Pandemie, die Energiekrise und die hohe Inflation als mögliche Ursachen auf. Im Vergleich zu 2006 habe sich die Zahl der von Armut betroffenen Menschen in Deutschland sogar um 2,7 Millionen Menschen erhöht.

Die regionalen Unterschiede sind dem Bericht zufolge groß. In Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Hamburg sei jeder fünfte Mensch von Armut betroffen, in Bremen gar jeder dritte. In Bayern hingegen lebe jeder achte in Armut. Verschlechtert hat sich die Situation demnach in Hamburg, Schleswig-Holstein und im Saarland. In Berlin ist die Armut im Vergleich zum Vorjahr hingegen von 20,1 auf 17,4 Prozent gesunken.

Während die auch in den vergangenen Jahren bestplatzierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg Armut weiter abbauen konnten, hätten die Länder am unteren Ende der Skala zugelegt. Die stärkste Zunahme habe es demnach in Nordrhein-Westfalen gegeben, sagte Schneider. Hier sei die Armutsquote seit 2006 doppelt so stark gewachsen wie in ganz Deutschland. 2022 betrug sie 42 Prozent.

"Ein Fünftel der Armen sind Kinder und Jugendliche. Fast zwei Drittel aller erwachsenen Armen gehen entweder einer Arbeit nach oder sind in Rente oder Pension", teilte Schneider mit. 70 Prozent von ihnen besitzen dem Bericht zufolge einen deutschen Pass, 60 Prozent zumal über mittlere oder höhere Bildungsabschlüsse. Zudem seien nur sechs Prozent der erwachsenen Armutsbevölkerung arbeitslos. 34 Prozent seien erwerbstätig – 30 Prozent Rentnerinnen und Rentner.

Der Verband fordert die Bundesregierung in seinem Bericht zu "einer entschlossenen Armutspolitik" auf. Dazu gehöre, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, Kinderbetreuung auszubauen sowie eine Kindergrundsicherung. Zudem solle es eine "solidarische Pflegeversicherung als Vollversicherung geben".

Der Bericht des Gesamtverbands Der Paritätische basiert auf dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts.


Aus: "17 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von Armut betroffen" David Rech (26. März 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-03/armut-deutschland-paritaetischer-armutsbericht-kinderarmut


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ratten, Müllberge, Schimmel: Wenn Vermieter ihre Pflichten ignorieren, leiden die Mieter. Die Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen, sind nicht in allen Bundesländern gleich.

 Dass Niedersachsen ein Gesetz hat, das Mieter schützen soll, wenn ihr Vermieter sich aus der Verantwortung stiehlt, klingt erst einmal gut. Und doch scheitert auch das beste Gesetz, wenn es nicht zum Einsatz kommt.

So wie in Oldenburg, wo Mieterinnen und Mieter monatelang froren, sich der Müll stapelte und Ratten anlockte. Der Vermieter verlangte die volle Miete, aber zahlte Rechnungen zum Beispiel für Strom und Wasser nicht mehr. Es sind Häuser des inzwischen insolventen Münchner Immobilienkonzerns Omega AG, unter dem Mieter in ganz Deutschland leiden.

NDR und "Süddeutsche Zeitung" haben berichtet, wie sich die Verantwortlichen verspekulierten und wieso das Elend ihrer Mieter so groß werden konnte.

"Mieter in Not" (19.03.2024)
Marode Wohnungen, ausbleibende Reparaturen und ein Vermieter, der sich nicht kümmert: In ganz Deutschland leiden Mieter unter der Insolvenz der Immobilienfirma Omega AG. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Immobilien-Spekulanten.

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/immobilienpleite-omega-ag-100.html

 Der Fall Omega ist groß, aber kein Einzelfall. "Man glaubt es kaum, wie oft das vorkommt", sagt Beatrix Zurek von der SPD. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Mieterschutzbundes. Sie wünscht sich Wohnungsaufsichtsgesetze in allen Bundesländern, die Kommunen verpflichten könnten, einzugreifen. "Damit die Kommunen wirkungsvoll und zielgerichtet einschreiten können", sagt Zurek.

Die Kommunen könnten dann beispielsweise Hauseigentümern unter Androhung von Zwangsgeldern vorschreiben, dass sie heruntergekommene Unterkünfte in Ordnung bringen müssen.

 Solche Wohnungsaufsichtsgesetze gibt es in acht Bundesländern: Hamburg, Berlin und Niedersachsen haben eines, außerdem Bremen, Hessen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Schleswig-Holstein plant eines, die restlichen Bundesländer offenbar nicht. Der Staat stehle sich damit aus der Verantwortung statt seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, findet Zurek.

Wie auch in Zureks Heimat. Denn Bayern hatte bis 2004 ein Wohnungsaufsichtsgesetz, das "im Wege der Deregulierung und Entbürokratisierung" aufgehoben wurde, wie es das bayerische Bauministerium auf Anfrage mitteilt. Eine Wiedereinführung sei "nicht notwendig".

Die Kommunen hätten genügend Rechte, um gegen Wohnungsmissstände vorzugehen, zudem sei das Mietrecht deutlich verbessert worden. Ähnlich sieht das die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Ihr Ministerium teilt mit, dass betroffene Mieter ihre Rechte gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen könnten.

 Mieterschützerin Zurek macht das wütend. Wenn Wohnraum verkomme, dann treffe das doch vor allem jene, "die sich am wenigsten wehren können", sagt sie. Also Familien mit wenig Einkommen, Alleinerziehende oder Arbeitskräfte, die aus dem Ausland kämen, "um nur einige zu nennen". Menschen, die sich keine andere Wohnung leisten könnten.

Und das sind auch meist die, die Sorge haben, gegen den Vermieter vorzugehen. Oder die sich fragen, wie man gegen einen Vermieter vorgehen soll, den man schlicht nicht mehr erreicht. Wie in Oldenburg. Mieterin Kathi A. hat dort wochenlang versucht, jemanden aus dem Omega-Unternehmen zu finden, der zuständig ist. Der endlich die seit November ausgefallene Heizung repariert.

"Wir wissen nach wie vor nicht, wer gerade wirklich für uns zuständig ist", erzählt sie bei einem Besuch Ende Januar. Draußen elf Grad, drinnen ist es kaum wärmer, trotz zwei Heizlüftern. Sie habe sogar einen Aufsichtsrat der Omega AG angerufen, erinnert sich Kathi A. - vergeblich.

 Die Stadt Oldenburg will nicht gewusst haben, wie schlimm es wirklich in den Omega-Häusern aussah, trotz Berichterstattung in der Lokalpresse über die Zustände. Im September habe die zuständige Abfallbehörde sich bemüht, die Omega zum Entsorgen des Mülls zu bringen, teilt ein Sprecher auf Anfrage von NDR und SZ mit. Im Dezember habe man dann den Müll auf eigene Kosten entsorgen lassen, per sogenannter Ersatzvornahme. Dass die Stadt das Geld dafür jemals wiedersehen wird, ist unwahrscheinlich.

Auch in anderen Orten in Niedersachsen wird das Wohnraumschutzgesetz nur schleppend eingesetzt, wie eine Befragung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums ergab. Von 138 befragten Kommunen haben bisher zehn das Gesetz angewendet, bei insgesamt 161 Objekten.

Diese zehn hätten sich aber zufrieden gezeigt, so das Ministerium. Oft hätte es schon gereicht, mit Verweis auf das Gesetz zur Beseitigung von Missständen aufzufordern.

 Wie gut ein Wohnungsaufsichtsgesetz helfen kann, zeigt Nordrhein-Westfalen. Bereits in den ersten zwei Jahren nach Einführung des Gesetzes 2014 seien die Behörden 6.200 Mal eingeschritten, berichtete das Bauministerium damals stolz. Es hat einen 152-seitigen Leitfaden vorgelegt, der alle möglichen Szenarien im Detail beschreibt, inklusive Musterverfügungen. Das macht es den Kommunen leicht, gegen Eigentümer vorzugehen.

Und doch stößt selbst das beste Gesetz an Grenzen, wie ein Bürgermeister aus Hessen zeigt. Claus Steinmetz kämpft im nordhessischen Wabern seit Jahren gegen Firmen aus einem Unternehmensgeflecht, das offenbar Wohnungen in einem halben Dutzend Städten und Gemeinden verkommen lässt.

 Seit er 2015 gewählt wurde, habe er ständig Ärger mit etwa 80 bis 90 Wohnungen, erzählt er NDR und SZ. "Das ist wirklich schlimm und da leiden die Menschen natürlich ganz extrem drunter, teilweise auch Familien mit Kindern."

Einigen konnte er helfen, ordnete schon mehrmals die Sanierung von Wohnungen an, erklärte andere für gänzlich unbewohnbar. Trotzdem sagt er: "Unsere Möglichkeiten sind so langsam ausgeschöpft." Steinmetz wünscht sich schärfere Gesetze. "Es kann nicht sein, dass Immobilien in Deutschland zu Spekulationsobjekten werden und dann einfach vergammeln."

 In Oldenburg kommt die Rettung schließlich von überraschender Seite: einer kleinen Volksbank. Die hatte einen Kredit für den Kauf der Häuser gegeben. Und offenbar keine Lust mehr, auf die ausstehenden Tilgungen zu warten: Während Kathi A. noch fror, beantragte die Bank eine Zwangsverwaltung beim Oldenburger Amtsgericht.

Anfang Februar begann der Zwangsverwalter die Arbeit und ließ als erstes die Heizung in Kathi A.s Haus ersetzen. Kathi A. war da aber schon ausgezogen. Sie hatte das ständige Frieren nicht mehr ausgehalten.


Aus: "Immobilienspekulation Warum Mieter oft lange auf Hilfe warten müssen" Katrin Kampling, NDR (26.03.2024)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/immobilien-spekulation-wohnungsaufsichtsgesetz-100.html