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[Gegenöffentlichkeit... [?]]

Started by Textaris(txt*bot), March 13, 2006, 01:16:44 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Gegenöffentlichkeit beschreibt Medien und Methoden, um Informationen, die in den Massenmedien bewusst oder unbewusst verschwiegen werden, publik zu machen. Oft wird mit Gegenöffentlichkeit auch der Inhalt der Information selbst oder die Adressaten dieser Information gemeint. Mit der Verbreitung des Internet hat die Gegenöffentlichkeit ein ideales Forum.

Paradoxerweise ist der Begriff gleich zweimal ein Widerspruch in sich. Denn es besteht ja seitens der "Gegenöffentlichkeit" gerade der Anspruch, das öffentlich zu machen, was noch nicht öffentlich ist. Damit wird das Veröffentlichte aber Bestandteil der Öffentlichkeit. Gleichzeitig wird der bestehenden etablierten Öffentlichkeit, die man eigentlich nicht als Öffentlichkeit gelten lassen will, der Rang von Öffentlichkeit zugesprochen.

"Erweiterte Öffentlichkeit" wäre im Hinblick auf das angestrebte Ziel der besseren Information der Öffentlichkeit somit ein treffenderes Schlagwort.

"Gegenöffentlichkeit" würde richtigerweise eigentlich alle Maßnahmen bezeichnen, die Öffentlichkeit behindern, also zum Beispiel Zensur und soziale Kartellbildungen.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gegen%C3%B6ffentlichkeit (03/2006)

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Unter Öffentlichkeit versteht man die Gesamtheit der möglicherweise an einem Ereignis oder Geschehen teilnehmenden Personen ohne jede Begrenzung in der Anzahl oder durch sonstige Einschränkungen.

Im alten griechischen Ideal ist gemäss Hannah Arendt die Teilnahme an der Öffentlichkeit der Polis in der Agora dem freien Bürger vorbehalten, der die Lebensnotwendigkeiten des privaten Haushalts (Oikos) überwunden hat und in die freie Sphäre der Öffentlichkeit übergehen kann. Dieser Logik folgend ist ein arbeitender Mensch nicht frei, da er noch mit Lebensnotwendigkeiten beschäftig ist, welche der Freiheit berauben. Freiheit wird hier also nicht als Freiheit des Handelns im Sinne eines nicht vorhandenen Determinismus verstanden, sondern als ein Hintersichlassen der privaten Angelegenheiten.

"Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute" (Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit) "Netz für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen (...), das sich nach der Kommunikationsdichte, der Organisationskomplexität, und Reichweite nach Ebenen differenziert, von der episodischen Kneipe (...) bis zur abstrakten, über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit" (Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit)

"Öffentliche Versammlung", "öffentliche Kundgebung", "öffentliche Verhandlung" (vor Gericht), im Gegensatz zu "unter Ausschluss der Öffentlichkeit". Die Öffentlichkeit von möglichst vielen Ereignissen ist damit ein demokratisches Prinzip. Presse und Rundfunk haben die Aufgabe, durch Berichte, Reportagen oder Direktübertragungen die Öffentlichkeit auch über weite Strecken hinweg herzustellen.


Aus: "Öffentlichkeit" (02/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeit


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Dass die Glaubwürdigkeit der klassischen Medien, TV, Zeitung, Magazine sowie deren Digital-Ableger, in größer werdenden Teilen der Bevölkerung erschüttert ist, daran kann es keinen Zweifel geben. Auch bei der gestrigen "Hart aber fair"-Sendung im Ersten gab es diese beiden Parallel-Welten zu besichtigen. Jedenfalls, wenn man beim Zuschauen einen Laptop auf dem Schoß hatte. Die eine spielte sich auf dem Bildschirm ab. Da wurde halbwegs gesittet diskutiert, Moderator Plasberg erteilte und entzog das Wort. Redakteurin Brigitte Büscher sortierte die Zuschauer-Meinungen.

Die Zuschauerstimmen wirkten fein balanciert. Da gab es einige, die Russland und den Kurs des russischen Präsidenten Putin kritisierten, andere zeigten Verständnis für die russische Haltung, weil doch die EU und die Nato so weit nach Osten vorrücken würden. Am Ende stand – wie so oft – eine Stimme, die mahnte, man möge doch an die Opfer denken.

In der anderen Medienwelt ging und geht es weit weniger gesittet zu. Wer parallel zur "Hart aber fair"-Sendung Twitter oder Facebook scannte, dem konnten die Augen übergehen. Moderator Plasberg, die Sendung, die ARD, die Öffentlich-Rechtlichen, die Medien allgemein wurden großflächig mit Spott, Vorwürfen der Parteilichkeit und Hass überzogen. All das roher, brutaler, unreflektierter, direkter als es im TV je möglich wäre. Es fehlt der Filter der Redaktion. Das kann man gut finden oder schlecht.

"Hart aber fair" ist natürlich nicht die einzige TV-Sendung, die im Web von der Gegenöffentlichkeit seziert wird. Vergangene Woche äußerte der Ex-Handballer Stefan Kretzschmar sein Gefühl, dass "uns" in Deutschland "gerade auch von den öffentlich-rechtlichen Medien" in Bezug auf die Ukraine nicht die Wahrheit gesagt werde. "Wir" würden "zu sehr am amerikanischen Tropf hängen" und "den Amis hinterherlaufen". Deutschland würde zu wenig als souveräner Staat agieren. Der Clip entwickelte ein Eigenleben auf Facebook und YouTube, wurde vieltausendfach geteilt und überwiegend positiv kommentiert.

Der in der DDR aufgewachsene Kretzschmar hat mit seiner Aussage (und einem latent mitschwingenden Anti-Amerikanismus) offenbar einen Nerv getroffen. Was er in seinen Worten mit dem Ausdruck "zu wenig souverän" nur andeutet, bezieht sich vermutlich auf ein beliebtes verschwörungstheoretisches Thema, nämlich dass Deutschland angeblich gar kein souveräner Staat sei, weil es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen gültigen Friedensvertrag gegeben habe. Deutschland ist nach dieser These eine "Kolonie", die von den USA regiert wird. Reichlich wirr und eigentlich nicht der Rede wert. Im Netz vermischt sich aber solcher Hardcore-Unfug mit tatsächlich berechtigter Medienkritik.

Gut möglich, dass sich Teile der Medien eine zu einseitige Anti-Russland-Haltung zu eigen machen. Auch denkbar, dass die USA oder die EU Interessen in der Ukraine verfolgen, die aufdeckenswert sind. Die Aufgabe der Medien wäre es, diese Seite genauso zu beleuchten, wie die Lügen und Propaganda-Spielchen von Putins Russland. Dies geschieht aber oft nicht oder nur bedingt. Ein Beispiel ist das Ukrainian Crisis Media Center (UCMC). Das UCMC ist eine Einrichtung, die u.a. von diversen PR-Firmen auch aus den USA unterhalten wird und offenbar das Ziel verfolgt, Medien mit einer pro-westlichen Sichtweise der Ereignisse in der Ukraine zu versorgen. Auch deutsche öffentlich.rechtliche Sender, wie etwa das ZDF, haben auf Material des UCMC zurückgegriffen und O-Töne dortiger Pressekonferenzen gezeigt.

Allerdings war – zumindest in früheren Berichten – neutral die Rede von einem "internationalen Medienzentrum". Eine Ungenauigkeit, die noch nicht einmal böswillig gewesen sein muss. Vermutlich wollte man die Zuschauer nicht mit zusätzlichen Erklärungen zum UCMC verwirren. Solche – journalistisch begründbaren – Auslassungen, spielen den Verschwörungsfans der Gegenöffentlichkeit aber in die Hände. Genauso wie eine – ebenso begründbare wie notwendige – Vorauswahl der Zuschauerkommentare bei "Hart aber fair" in der Gegenöffentlichkeit sofort als "Zensur" verunglimpft wird.

Es ist schwer bis unmöglich diesen Schein-Argumenten beizukommen. Die Apologeten der Gegenöffentlichkeit drehen sich ihre so genannte Wahrheit widde-widde wie sie ihnen gefällt. Läuft in den bösen, vom erzkapitalistischen Amerika gelenkten Mainstream-Medien mal ein Beitrag, der ihnen in den Kram passt, wird dies als Beleg für ihre Thesen hergenommen. Berichten die Medien nicht nach ihrer Fasson, dann lügen sie halt im Auftrag finsterer Regierungsmächte.

Dieses Phänomen der Gegenöffentlichkeit umfasst aber keineswegs nur die üblichen Wirrköpfe (schöne Grüße an den Kopp-Verlag an dieser Stelle). Auch Otto Normalnutzer bleibt von den zahlreichen Äußerungen im Netz nicht unbeeindruckt. Was kann man noch glauben? Wirken diese Wackelvideos oder diese Argumentationskaskaden auf Facebook nicht auch irgendwie schlüssig? So ein bisschen vielleicht? Und wenn Pannen in der Berichterstattung klassischer Medien passieren, werden diese sofort breitgetreten. Zack, die Glaubwürdigkeit der Medien erhält eine neue Macke.

Die Gegenöffentlichkeit artikuliert sich im Zuge der Ukraine-Krise erstmals in großem Stil. Dass das Phänomen wieder verschwindet, ist unwahrscheinlich. Für die klassischen Medien ist dies eine der größten Herausforderungen der Digitalisierung. Wie können Medien ihre Glaubwürdigkeit retten oder zurückgewinnen? Wie können sie dem Publikum deutlich machen, dass es sich lohnt ihnen zu vertrauen? Vermutlich müssen Medien viel mehr als lernen, Ihre Nachrichten und Berichte zu erklären. Sie müssen Hintergrund-Infos anbieten, eine zusätzliche Transparenz-Ebene schaffen. Wenn sie dies nicht tun, tragen sie zur allgemeinen Verwirrung bei und spielen schlimmstenfalls radikalen Wirrköpfen in die Hände.

Medien müssen also glaubwürdiger werden. Das bedeutet, sie müssen ehrlicher werden, auch eigene Fehler und Unzulänglichkeiten offen dokumentieren. Das ist die eigentliche Transparenz-Frage, die eigentliche Herausforderung. Das ist der Lackmus-Test für klassische Medien in Zeiten einer digitalen Gegenöffentlichkeit. Die Frage, wie Medien diese Herausforderungmeistern, ist womöglich entscheidender, als die nach einer Paywall für Regionalzeitungs-Websites.

QuoteHelfried Schmidt · Universität Leipzig
Wer auf Gegenmeinungen reflexhaft die Keule des "Anti-Amerikanismus" schwingt, der erinnert mich fatal an die Gesinnungsdiskussionen in den 80er Jahren im Osten. Damals war die "unverbrüchliche Freundschaft mit der ruhmreichen Sowjetunion" unangreifbar. Wer dennoch Kritik äußerte, fand sich sofort dem Totschlagargument gegenüber: "Dann bis Du wohl gegen den Frieden und die Friedenssicherung?"

Übrigens, wäre die mangelnde staatliche Souveränität Deutschlands tatsächlich "Hardcore-Unfug", dann müsste Finanzminister Schäuble schnellstens gefeuert werden, denn hier https://www.youtube.com/watch?v=Ab1lyuTyu0U hat er schon vor drei Jahren gesagt, dass Deutschland seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän war.

"Mainstreammedien" haben übrigens weder Wahrheit noch Rechthaben gepachtet. Das mussten die Parteimedien im Ostblock schon in den 80ern bitter lernen, als sich ihr Publikum in mehr oder weniger großen Teilen abwandte. Die damalige Gegenöffentlichkeit waren Westmedien und Flugblätter. Und heute gibt es das Internet.



Aus: "Der Putin-Talk bei "Hart aber fair" und der Lackmustest für Mainstream-Medien"
Stefan Winterbauer (09.09.2014)
Quelle: http://meedia.de/2014/09/09/der-putin-talk-bei-hart-aber-fair-und-der-lackmustest-fuer-mainstream-medien/