COMMUNICATIONS LASER #17

Laser#17 - Fraktal Text Akkumulation => Global-Politix und Micro-Welt, Randnotizen und Fussnoten => Topic started by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 02:44:05 PM

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 02:44:05 PM
QuoteJetzt halt mal die Fresse! Das ist einer der meistgeschriebenen Sätze in den "sozialen Medien". (Daniela Müller in den "Salzburger Nachrichten", 04. März 2023 )

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Quote[...] Seit der Antike bildet der Dialog, indem er auf der Symmetrie partnerschaftlichen Austauschs gründet, die Urform jedes ästhetischen Diskurses. Die Aufklärung – von Diderot bis Wieland – steckt voller Belege für eine diskursive "Arbeit am Wissen". Diese soll gemeinschaftlicher, das heißt: dialogischer Betrachtung standhalten.

Doch hat sich seit Anbruch der Moderne ein furchtbarer Verdacht geregt. Nur von gleich zu gleich wäre gut miteinander zu reden. Allein: Die Verhältnisse, sie sind nicht so.

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Aus: "Warum schreien alle so laut, wenn sie über Rammstein reden?" Ronald Pohl (19.6.2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000175315/warum-schreien-alle-so-laut-wenn-sie-ueber-rammstein-reden (https://www.derstandard.at/story/3000000175315/warum-schreien-alle-so-laut-wenn-sie-ueber-rammstein-reden)

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Quote[...] Die alte Frage, womit man Menschen mehr gerecht wird: mit dem Seziermesser oder mit dem verständnisvollen Blick, der die eigenen anfechtbaren Punkte mit umfasst. ...


Aus: "Christa Wolf: Ein Tag im Jahr 1960-2000" Seite 509 (1993)

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Quote" ... Der Politikwissenschaftler Nils Heisterhagen fasst das so zusammen: ,,Der politischen Debattenkultur in Deutschland geht es schlecht. Es fragt sich, ob es überhaupt noch eine Debatte mit Argumenten und Gründen gibt, oder ob sich alle gegenseitig nur ihr falsches Weltbild vorwerfen." Vielleicht ist es an der Zeit darüber zu reden, wie wir miteinander reden. ..."
Aus: "Warum wir dringend über unsere Debattenkultur reden müssen"  THOMAS BLOCK (05.07.2016)
Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302 (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302)

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QuoteAsal Dardan @asallime
Finde immer wieder erstaunlich, dass bei so vielen Menschen der Drang, Dinge zu erklären weitaus größer ist, als Dinge zu erfahren und zu verstehen.
5:32 PM · Nov 11, 2020
https://twitter.com/asallime/status/1326563507018592261 (https://twitter.com/asallime/status/1326563507018592261)

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QuoteDie größten Vollidioten erkennen Sie zuverlässig daran, dass sie ihre persönliche Meinung für ein unwiderlegbares Naturgesetz halten.
Matthias Eberling (Januar 25, 2021) | Quelle: https://kiezschreiber.blogspot.com/2021/01/wissen-rettet-leben.html (https://kiezschreiber.blogspot.com/2021/01/wissen-rettet-leben.html)

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Quote" ... Die Wahrheit allerdings, ... ist in niemandes Besitz. Ihr die Ehre zu geben, bedeutet, bereit zu sein, die eigene – für wahr gehaltene – Überzeugung dem Einspruch anderer auszusetzen und sie nicht nur zu verteidigen, sondern gegebenenfalls auch aufzugeben oder zu ändern. Anders und kurz gesagt: Keine Wahrheitsliebe ohne «Debattenkultur».  ..." --- Justus Wenzel (8.3.2016)

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Quote... Die Argumentationstheorie ist eine Teildisziplin der Philosophie, die sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst. ... Der Begriff des Argumentierens wird in zahlreichen Disziplinen thematisiert, teils als Objekt der Untersuchung, teils als Rahmen zur Klärung von Methodenproblemen. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Argumentationstheorie (https://de.wikipedia.org/wiki/Argumentationstheorie)

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Quote" ... Wie sagte Helmut Schmidt? ,,Wer Kritik übel nimmt, hat was zu verbergen." ..." --- Ahmet Refii Dener (Aus: "Auf den wunden Punkt", 17.04.2018)

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Quote[...] Zusammenhalt, darauf hat der Philosoph Rainer Forst hingewiesen, ist kein Wert an sich: Bei der Mafia hält man ja auch zusammen. Zusammenhalt muss sich an demokratische Grundvorstellungen von Freiheit und Gleichheit rückbinden lassen; erst dann wird das Wort nicht zum Kürzel für allen möglichen kommunitaristischen Kitsch oder Sonntagsreden-Kleister, mit dem sich legitime Konflikte unsichtbar machen lassen.

Auch heute gilt noch, woran ein großer Liberaler wie Ralf Dahrendorf nicht müde wurde seine gemeinschaftsseligen Landsleute zu erinnern: ,,Konflikt ist Freiheit".  Er zog in seinem 1965 erschienen Klassiker über "Gesellschaft und Demokratie in Deutschland" sogar den weitergehenden Schluss, liberale Demokratie sei ,,Regierung durch Konflikt".

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Aus: "Wer nicht streiten will, schadet der Demokratie" Jan-Werner Müller (06.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/der-riskante-ruf-nach-zusammenhalt-wer-nicht-streiten-will-schadet-der-demokratie/27067036.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/der-riskante-ruf-nach-zusammenhalt-wer-nicht-streiten-will-schadet-der-demokratie/27067036.html)

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Quote"Im Kindergartenalter müssen Kinder erst noch lernen, ihre Gefühle zu regulieren. Sie spüren einen Impuls, etwa Frust, und reagieren zunächst impulsiv und oft auch körperlich. Dann brauchen sie Erwachsene, die ihnen helfen, angemessenes Verhalten zu entwickeln", erklärt Isabelle Dulleck von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. ...


Aus: "Aggressiver Freund: Umgang mit spielenden Kindern" (2018)
Quelle: https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/leben-freizeit/Aggressiver-Freund-Umgang-mit-spielenden-Kindern-id52710291.html (https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/leben-freizeit/Aggressiver-Freund-Umgang-mit-spielenden-Kindern-id52710291.html)

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QuoteEine Debatte (franz. débattre: (nieder-)schlagen) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Debatte (https://de.wikipedia.org/wiki/Debatte)

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QuoteEine Kontroverse (v. lat: contra entgegen; versus gerichtet) ist ein länger anhaltender Streit oder eine Debatte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontroverse (https://de.wikipedia.org/wiki/Kontroverse)

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Quote... Statt Zensur zu betreiben, müssen wir mit allen Mitteln - technisch, sozial und bildungspolitisch - der Zerstörung des öffentlichen Raums entgegenwirken. Technisch bedeutet dies, Strukturen zu schaffen, die die Konfrontation mit anderen Meinungen gezielt fördern ... Ob wir uns mit anderen Meinungen konfrontieren oder einigeln, ist letztlich auch eine Willensfrage. ... Schließlich sollte man sich auch über die Natur des öffentlichen Raums selbst keine Illusion machen: Er war noch nie von einer ausnehmend freundlichen Atmosphäre gekennzeichnet und stand klassisch in der Regel einer kleinen (Bildungs-)Elite offen. Meist erhielten Menschen, die hier regelmäßig auftraten, eine spezielle Schulung in Rhetorik, Autodidakten waren seltene Erscheinungen. Das Internet hat die Zugangshürde radikal gesenkt und den öffentlichen Raum demokratisiert. Nun wimmelt es von "Selbst-Berufenen", die zu allem und jedem ihre Meinung kundtun, egal wie viel oder wie wenig Ahnung und rhetorisches Geschick sich hinter ihren Worten verbirgt. ...Das ist ihr demokratisches Recht, aber nun mischen sich vulgäres Gepöbel, geschickte Hetze und schlicht verunglückte Wortmeldungen von "Anfängern", die die Regeln der Debatte erst noch lernen müssen, zu einem manchmal schwer erträglichen Sammelsurium. Die Idee, dass der öffentliche Raum freundlicher werden müsse, ist eine Illusion, er war und wird nie ein Ort für Schüchterne sein. Noch immer und gerade in Demokratien wird hier um die Meinungshoheit gerungen, Macht und Einfluss verteilt. Eigentlich weiß jeder: Wer sich in der Öffentlichkeit exponiert, eventuell noch dazu mit kontroversen Thesen, wird nicht nur auf Freunde treffen, und er sollte wissen, worauf er oder sie sich einlässt. Wer Beschimpfung nicht aushält, sollte vielleicht einfach etwas Schöneres mit seiner Zeit anstellen. ...

Aus: "Echokammern zerstören den öffentlichen Raum"  Niels-Arne Münch (24.07.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/48/48916/4.html (http://www.heise.de/tp/artikel/48/48916/4.html)

Quote...      McGyver777, 24.07.2016 08:19

Danke für den ziemlich vernünftigen und gut lesbaren Artikel

... Dazu Folgendes:

A)
Willensfrage! Sich eine Meinung, die auch im Rahmen anderer Meinungen standhält, überhaupt erstmal bilden zu können, ist eine Frage des fortgesetzten Willens zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lernen, wozu auch die eigene Kritikfähigkeit gehört, sowie ein langer Atem (auch gegenüber der eigenen Bequemlichkeit). Dazu werden bestimmte Skills und Werkzeuge (--> Medienkompetenz) benötigt. Wer die aber nicht ausreichend trainiert hat, kommt gar nicht erst in den Bereich des tatsächlichen Meinens durch Meinungsbildung. Allerhöchstens erreicht jemand so die Phase des beliebigen Dafürhaltens, und verschwendet sinnlos Elektronen und anderer Leute wertvolle Lebenszeit.
[Anmerkung: aber auch das muß er prinzipiell dürfen]

B)
Wer hingegen nur in üblicher Weise tradierte / ererbte Vorurteile sowie mehr oder minder radikale Glaubenssätze äußert und somit (ggf. destruktiven) Unsinn verbreitet, läuft in einer medienkompetenten Gesellschaft - die sich offenen, aber möglichst konstruktiven Diskursen verschreiben will - ständig Gefahr, widerlegt zu werden und sich zu blamieren, und kommt daher nicht mal im Ansatz in den Bereich des (selbstbestimmten) Meinens durch Meinungsbildung. Denn nicht alles, was sich dafür hält, ist auch wirklich Meinung.

...

P.S.: das wäre doch eigentlich mal ein guter Anlaß und höchste Zeit für Heise, den Mobbingbutton durch ein intelligenteres System zu ersetzen, welches eher Diskurse fördert, anstatt dümmliches Netzherdenverhalten im Sinne einer zu niederschwellig erfüllbaren Selbstwirksamkeitserwartung zu belohnen. Im offenen Diskurs ist zwar zunächst jeder sich selbst der Nächste, aber genau hier verbieten sich primitive Bewertungsfunktionen ohne weitere Datenreferenz (z.B. nachvollziehbare Gestaltungswertungen), die entweder beliebig zur Knuddel-Welle werden, oder aber beliebig als Punishment-Knopf mißbraucht werden. Wer von dümmlichem Schwarz-Weiß weg will, möge doch bitte ein responsiveres Bewertungsystem anbieten, das dem Kontext Forendiskussion auch wirklich gerecht wird. Wenn die User sich schon gegenseitig moderieren sollen (was mithin der ursprüngliche Grund der Einführung des Rot-Grün-Draufklick-Deppensystems war, was jedoch nach ca. zehn Jahren an nicht unbedingt gewachsener Diskussionsqualität durchaus als gescheitert betrachtet werden kann).

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.07.2016 09:05).


Quelle: http://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Meine-Feinde-verteidigen/Danke-fuer-den-ziemlich-vernuenftigen-und-gut-lesbaren-Artikel/posting-28950272/show/ (http://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Meine-Feinde-verteidigen/Danke-fuer-den-ziemlich-vernuenftigen-und-gut-lesbaren-Artikel/posting-28950272/show/)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 02:55:39 PM
Quote

If an opinion contrary to your own makes you angry, that is a sign that you are subconsciously aware of having no good reason for thinking as you do.

Bertrand Russell


Quelle: https://twitter.com/noamchomskyT/status/1362415993776205827 (https://twitter.com/noamchomskyT/status/1362415993776205827)

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Quote[...] Gewalt verletzt den Anspruch auf eine dialogische Existenz überhaupt, diese höchst verletzliche menschliche Grundqualität, die sich im Anspruch auf Anwesenheit und auf Verständigung ausdrückt. Diese Möglichkeit wird mit jedem Akt der Gewalt verweigert oder verworfen. Die Täter zerschlagen sie bei sich selbst wie beim Gegenüber. Sie benehmen sich so, als seien sie ein Ding - der Stein, das Messer, die Bombe - , das sich nicht verständigen kann und verständigen muß, weil es kein Mensch ist. Die Gewalttat macht die Opfer zum Ding, und Täter mutieren selbst zum Ding, indem sie die Instrumente auf ihren Weg bringen.

[...] Gewalt definiert sich nicht nur über die einzelnen Gewalttaten und -täter, sondern ebenso über ihren Kontext, ihre Unterstützung und Duldung. Die Komplizenschaft im Gewaltensemble bedeutet nicht nur Zugehörigkeit zum Ensemble der Schadensanrichter, sondern zum Ensemble der Dialogzerstörer. Duldung von Gewalt ist gleichbedeutend mit der Stärkung eines monologischen Prinzips, das die Verweigerung der Anerkennung in die Eingeweide der Gesellschaft einsickern läßt. Die Kompliz/innen sind eingebunden in die Stummheit, indem sie ihrem Beitrag zur Löschung der Anderen leisten. Gewalt braucht den abgeschotteten Bewußtseinsraum, und bereits mit dieser Schließung des Bewußtseins wird Gewalt zum Akt des Überflüssigmachens, einer Form der Vernichtung dessen, was Menschen zu Menschen macht. Gewalt ist die Attacke gegen ein zerbrechliches Gut, das mit dem Wort Dialog die Bereitschaft bezeichnet, die Welt mit den Anderen zu teilen.

[...] Die Komplizenschaft im Gewaltensemble zeigt sich in einer Stummheit, die sich wie eine Epidemie addierter Monologe ausbreitet. Deren Niederschläge sind z.B. in fast gleichlautenden Aussagen normaler Männer und Frauen NS-Deutschlands gesammelt, die die Ereignisse auch noch nach mehr als 50 Jahren so erinnern, als gäbe es nur ihre Sicht, die Sicht nicht-verfolgter Deutscher mit ihrer ,,glücklichen Kindheit", von der sie gern erzählen. Das Andere ihrer Erfahrung bleibt abwesend, irrelevant, amputiert, auch in der Retrospektive. Gesprochen wird aus einer Perspektive, bedürfnislos gegenüber der anderen. Die Gewalt ist nicht nur bei denen, die das gefährliche Werkzeug in der Hand haben, sondern auch bei denen, die den Verschluß des Bewußtseins vor dem Eintritt der anderen Erfahrung zum stillschweigenden Konsens machen. Mit der Stummheit der Gewalt wird den Anderen ihre Entbehrlichkeit dokumentiert.

...


Bruchstuecke aus: "DIE STUMMHEIT DER GEWALT - UND DIE ZERSTÖRUNG DES DIALOGS" CHRISTINA THÜRMER-ROHR (Erschienen in: UTOPIEkreativ; 2002)
Quelle: http://www.volksuni-berlin.de/CTR.pdf (http://www.volksuni-berlin.de/CTR.pdf)


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Quote[...] Eine soapbox (deutsch Seifenkiste) ist eine improvisierte Plattform für einen Redner unter freiem Himmel. Insbesondere in England wird das Wort auch metaphorisch für das Recht auf freie Rede benutzt. Der Londoner Hyde Park ist bekannt für die im dortigen Speakers' Corner seit 1872 gehaltenen Sonntagsreden, die ursprünglich vor allem religiöse Themen zum Inhalt hatten.

Das Recht auch über andere, kontroverse Themen frei zu sprechen, wurde in mehreren teilweise heftigen Auseinandersetzungen etabliert und gilt mittlerweile als zentraler Aspekt der britischen politischen Kultur. Einige Versuche, dies auch in Deutschland einzurichten, scheiterten, was Erhard Eppler mit Berufung auf Carl Gustav Jochmann auf die Vorherrschaft der geschriebenen Sprache, der Vorlesung und des dozierenden Stils in Deutschland gegenüber der mündlich geprägten angelsächsischen Öffentlichkeit, Debattenkultur und Rechtsprechung zurückführte. ... Eine moderne Form des ,,Soapboxing" sind Blogs und andere Webseiten, auf denen User ihre eigenen Gedanken veröffentlichen. ...

... Im Wahlkampf zu den britischen Unterhauswahlen 1992 gelang es dem konservativen Spitzenkandidaten John Major, mit einer Soapboxkampagne den sicher geglaubten Wahlsieg von Neil Kinnocks Labour Party in Großbritannien abzuwenden. Während Labour sich auf professionelle Wahlkampfinszenierungen verließ, betrieb Major einen intensiven Straßenwahlkampf mit einer Vielzahl von klassischen Soapboxauftritten, was ihm mit den Wahlsieg einbrachte, da seine Wahlkampagne als wesentlich authentischer und ehrlicher wahrgenommen wurde als die seines Gegners.


Aus: "Soapbox" (9. August 2013)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Soapbox (https://de.wikipedia.org/wiki/Soapbox)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 03:01:14 PM
QuoteApfelansager 14.11.2021 12:08 Uhr

Meinungsfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn sie unangenehm ist. Wenn dem anderen gesagt werden kann und darf, was dieser nicht hören will. Freiheit für die eigene Meinung und die Gleichgesinnter ist wohlfeil.


https://www.tagesspiegel.de/politik/wut-auf-knopfdruck-warum-viele-muslime-so-emotional-auf-mohammed-karikaturen-reagieren/26731878.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/wut-auf-knopfdruck-warum-viele-muslime-so-emotional-auf-mohammed-karikaturen-reagieren/26731878.html)

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QuoteNoch heute werden Parlamentsdebatten in der Ukraine, der Türkei, in Russland, Südkorea, Mexiko oder Italien nicht nur lautstark, sondern traditionell auch unter Anwendung physischer Gewalt geführt – ausgeraufte Haare, zerfetzte Anzüge und blutige Lippen sind an der Tagesordnung. ...
Aus: "Demokratie als Shitstorm? Implikationen zur politischen Debattenkultur durch Social Media"
Stephan Weichert (Bd. 47, Nr. 2, (2014))
http://ejournal.communicatio-socialis.de/index.php/cc/article/view/657/656 (http://ejournal.communicatio-socialis.de/index.php/cc/article/view/657/656)

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Quote[...] ,,Parteien wie die AfD haben viel dazu beigetragen, dass rechtspopulistische Meinungen heute wieder salonfähig sind." Rund jede zehnte Anfrage habe man im Herbst als fremdenfeindlich, rassistisch oder diskriminierend aussortieren müssen, viele bewegen sich im Grenzbereich, die Differenzierung werde zunehmend schwieriger. Internet-Seiten, die auf eine solche Moderation verzichten, haben oft das Problem, dass die Pöbler all jene Nutzer vertreiben, die an einem tatsächlichen Austausch interessiert sind. Der Dialog kann nur aufrecht erhalten, wenn die Entgleisungen gelöscht werden.

In der realen Welt geht das mit dem Wegmoderieren leider nicht so leicht, erst recht nicht in den Bürgerdialogen der Stadt Ulm. ,,Für mich ist das eine Einschränkung", sagt die Bürgermeisterin Iris Mann, ,,weil Beleidigungen selten zu konstruktiven Dialogen führen." Sie versuche dann die Diskussion mit Argumenten wieder auf eine sachliche Ebene zu führen, all jene zurückzuholen, die nicht bloß ihrer Wut freien Lauf lassen wollen. Es lohne sich immer, auf Menschen zuzugehen. Doch es bleibt ein Kampf gegen Windmühlen. Der harsche Ton ist kein Ulmer Problem. Er ist ein gesellschaftliches.

,,Die veränderte Gesprächskultur ist Ausdruck der Dekadenz unserer Gesellschaft", sagt Mann. Einer selbstzufriedenen Gesellschaft nämlich, die sich nicht mehr für das große Ganze, sondern vorrangig für den eigenen Vorgarten interessiert. ,,Zu größeren politischen Fragestellungen, zu sozialer Gerechtigkeit oder Zukunftsplänen, gibt es kaum noch Bewegungen. Erst wenn es konkret wird, wenn es um das ganz persönliche Erleben geht, werden die Menschen aktiv." Die Diskussion um saubere Energie interessiert viele halt erst, wenn ein Windrad in Sichtweite aufgestellt wird. Es sei diese Fokussierung auf das persönliche Glück, die viele Diskussionen ins Emotionale abgleiten lässt.

Der Politikwissenschaftler Nils Heisterhagen fasst das so zusammen: ,,Der politischen Debattenkultur in Deutschland geht es schlecht. Es fragt sich, ob es überhaupt noch eine Debatte mit Argumenten und Gründen gibt, oder ob sich alle gegenseitig nur ihr falsches Weltbild vorwerfen." Vielleicht ist es an der Zeit darüber zu reden, wie wir miteinander reden.




Aus: "Warum wir dringend über unsere Debattenkultur reden müssen"  THOMAS BLOCK (05.07.2016)
Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302 (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302)

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Quote[...] Jeder Mensch und jede Journalist_in haben ihren Platz in der Welt, einen Blickwinkel auf das (Welt-)Geschehen und eine individuelle Perspektive. Das Kind, das sieben Geschwister hat, wird bezüglich der Verteilungsgerechtigkeit einen enorm geschärften Blick haben; der transsexuelle Junge einen viel klareren Blick für überall präsente Geschlechterstereotype, gegen die er/sie Tag für Tag ankämpfen muss. Und schließlich wird das Mädchen aus einer Einwandererfamilie Diskriminierung aus eigener, trauriger Erfahrung (,,Du sprichst aber gut deutsch!") viel eher erkennen als Hans und Maria von nebenan.

Ganz zu schweigen von so offensichtlichen Dingen wie Parteipräferenz, ökonomischem und sozialem Hintergrund, Religion und Bildung. Das alles sind Faktoren, die unsere Sicht der Dinge entscheidend beeinflussen, man könnte sogar sagen: ideologisch verändern. Nicht nur die wohlbekannte Rechts-links-Unterscheidung beeinflusst das Denken und Schreiben.

Vielleicht sollte man Jan Hofer bitten, am Ende jeder ,,Tagesschau"-Sendung seine Lieblingsfarbe zu offenbaren. Oder seine echte Haarfarbe. Denn wer weiß schon, in welcher Weise ihn dies beeinflusst und zur Auf- oder Herausnahme des einen oder anderen Beitrags bewegten – beispielsweise über gestiegene Haarfärbemittel-Preise.

Problematisch ist dieser selektive Blickwinkel eigentlich nicht, solange das allen klar ist. Schwierig wird es erst, wenn der Habitus der absoluten Neutralität vorgetäuscht wird. Weder Journalist_innen noch Leser_innen sind neutral. Dagegen hilft größtmögliche Diversität in den Redaktionen, denn wie schon dargelegt, ist es gerade die Themenauswahl, die durch die eigene Weltsicht beeinflusst wird. Wer welches Problem sieht und erkennt, hängt enorm von den eigenen Erfahrungen ab. Weiter hilft ein transparenterer Umgang mit der Problematik, etwa in Form einer Offenlegung der politischen und religiösen Überzeugungen von Journalist_innen. Viel leichter fiele es, Geschriebenes einzuordnen, wüsste man, bei wem die Journalist_in ihr Kreuz bei der letzten Wahl gemacht hätte. Warum also immer der verschämte Umgang mit Parteienpräferenz im Journalismus?

Was wir wirklich brauchen, sind dabei nicht nur Journalist_innen, die offen damit umgehen, nie hundert Prozent neutral sein zu können, sondern auch Leser_innen, die das wissen und einordnen können. Denn Journalismus kann man nicht passiv konsumieren. Kritisches Nachdenken, Diskutieren und (gedankliches) Überprüfen gehören immer auch mit dazu, wenn man eine Zeitung aufschlägt oder die Nachrichten verfolgt. Vielleicht brauchen wir nicht nur guten Journalismus, sondern noch bessere Leser_innen. Dann kommt vielleicht auch die Glaubwürdigkeit zurück.

Warum ich das so geschrieben habe und nicht anders? Entscheiden Sie selbst, was mich wohl beeinflusst hat und ordnen Sie es ein: Ich bin Student der Sozialwissenschaften, getaufter aber nicht praktizierender Christ, habe bei der letzten Bundestagswahl SPD gewählt, bin in Baden-Württemberg geboren, lebe jetzt in Berlin und arbeite als Werkstudent bei ,,The European". Meine Lieblingsfarbe ist Blau und meine Haare sind naturbraun.

QuoteSchnorchel (2015)

Fairness beginnt bei einem jedem selbst. Wer riskiert schon gerne seinen Job?
Welcher Minister in Deutschland sagt schon freiwillig aus für welche Firma, Bank , Waffenfirma diese nebenbei arbeitet und sich somit an der Rentenarmut beteiligt. Welcher Minister steht für die Verfehlungen des SPD Regimes unter Gerhard Schröder Gerade? ...


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Aus: "Deine Zeitung lügt!" Imre Balzer (28.07.2015)
Quelle: http://www.theeuropean.de/imre-balzer/10434-wie-neutral-kann-journalismus-sein (http://www.theeuropean.de/imre-balzer/10434-wie-neutral-kann-journalismus-sein)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 03:40:59 PM
Quote[...] Es wird hier eben nicht (nur) über konkrete Handlungsnotwendigkeiten und -optionen diskutiert, sondern (auch) auf einer Metaebene über die prinzipielle Frage, welche Argumente in diesen Diskussionen überhaupt zugelassen sind. ... Jedenfalls wird man der Idee, den Angriff auf bisherige diskursive Selbstverständlichkeiten dadurch abzuwehren, dass man deren Geltung durch Gesprächsverweigerung zu bekräftigen versucht, eher skeptisch gegenüberstehen müssen. Natürlich gibt es Dinge, die jenseits des Diskutierbaren liegen; Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und offener Rassismus (,,einen Boateng wollen sie nicht als Nachbarn haben") gehören fraglos dazu.

Aber wer für Zuzugsbegrenzungen, für Obergrenzen oder für die Wahrung der – was immer das sein soll – kulturellen Identität eintritt, ruft damit nicht zur Gewalt gegen die Flüchtlinge auf, die schon hier sind. Dies zu unterstellen ist der untaugliche Versuch, unangenehme Fragen loszuwerden, indem man sie in den Bereich des völlig Inakzeptablen drängt.
Die Rechtspopulisten wollen ethnische, religiöse und nationale Homogenitätsvorstellungen wieder auf die Tagesordnung setzen, die wir schon hinter uns gelassen glaubten. Dabei sind die Befürchtungen, dass Deutschland islamisiert wird oder es hier in großen Teilen demnächst aussieht wie in Berlin-Neukölln, sicherlich grotesk übertrieben. Das ändert aber nichts daran, dass die Frage gestellt wird, ob das Gemeinwesen nicht doch einmal etwa diskutieren muss, wie viel öffentliche Präsenz des Islam wir eigentlich wollen. Vielleicht kann und soll man das in einer freiheitlichen Gesellschaft gar nicht beeinflussen, aber dann muss man das auch sagen. Durch peinlich berührtes Beschweigen wird man das Problem nicht los. Was in der Demokratie noch verhandelbar ist, ist eben legitimerweise selbst eine verhandelbare Angelegenheit. ...


Aus: "Schweigen hilft nicht weiter" Stefan Huster (5.6.2016)
Quelle: https://www.taz.de/Debatte-Umgang-mit-Rechtspopulisten/!5307087/ (https://www.taz.de/Debatte-Umgang-mit-Rechtspopulisten/!5307087/)

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Quote[...] Die Menschenwürde steht über der Meinungsfreiheit. So hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einem Beschluss zufolge entschieden. Im konkreten Fall ging es um eine Kündigung wegen einer grob menschenverachtenden Äußerung. Diese hält das Gericht für rechtens. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf ein freies Äußerungsrecht stehe dahinter zurück.

In dem Fall, mit dem sich die 3. Kammer des Ersten Senats befassen musste, hatte ein Mann in einer Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen, "Ugah, Ugah" war aber keine direkte Reaktion darauf.

Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt. Diese Entscheidung hatte vor den Arbeitsgerichten durch alle Instanzen Bestand. Nun blieb auch die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Der Betriebsrat könne sich nicht mehr auf seine Meinungsfreiheit berufe. Einen schwarzen Menschen mit Affenlauten anzusprechen, ist demnach nicht nur eine derbe Beleidigung, sondern "fundamental herabwürdigend", hieß es in der Begründung.

Den Karlsruher Richtern zufolge schützt das Grundgesetz nicht nur die Meinungsfreiheit, es wendet sich auch gegen rassistische Diskriminierung. Die Arbeitsgerichte hätten beides zutreffend abgewogen. "Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird."


Aus: "Bundesverfassungsgericht stellt Menschenwürde über Meinungsfreiheit" (24. November 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/diskriminierung-urteil-bverfg-kuendigung-betriebsrat-menschenwuerde-meinungsfreiheit (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/diskriminierung-urteil-bverfg-kuendigung-betriebsrat-menschenwuerde-meinungsfreiheit)

QuoteJacky Brown #22

"Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt"

Unbelehrbar ...


QuoteLusu #4

Mich hätte echt mal interessiert welche angebliche "Meinung" der Kläger hier denn meint geäußert zu haben.


QuoteSimsalartist #4.2

Offensichtlich die Meinung, dass Menschen mit anderer Hautfarbe als seiner keine Menschen, sondern Affen sind.
Schön, dass das Gericht diese Meinung passend eingeordnet hat.


QuotePeerchen #4.9

Ich denke eher, dass der Kläger denkt "Meinungsfreiheit" heißt alles sagen zu dürfen.

Dabei reicht ein Blick ins Gesetzbuch, dass das nicht stimmt - Neben Beleidigung und Herabwürdigung der Menschwürden sind ja auch andere verbale Äuerungen strafbar: Meineid, Erpressung, Üble Nachrede...


Quoteregreub #11

Die Gedanken sind frei!

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.


Quoteeisensau #11.2

Wahrscheinlich Charles Reade (1814–1884)


Quotelassteskrachen #13

"Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen"
Was ist das für eine Firma mit so einem Umgangston?


QuoteDurch Schaden wird man klüger_Aber niemals klug #13.1

Das habe ich mich auch gefragt.


QuotefuerdieMitte #15

Absolut richtige Entscheidung. Interessant wäre hierzu die Abwägung warum alles was man so Frau Künast an den Kopf geworfen hat am Gericht zur freien Meinungsäußerung gezählt wurde - obwohl dies ebenso herabwürdigend war.


Quotemarcel_nrw #15.1

Die Begründung des Gerichts war, dass ein Spitzenpolitiker sich aufgrund seiner Position mehr gefallen lassen muss als Lieschen Müller. Kann man aber auch anders sehen.


[ " ...  Durfte Renate Künast in Kommentaren zu einem Facebook-Post als "Stück Scheisse", "Schlampe", "Drecks Fotze", als "hohle Nuß, die entsorgt gehört" und als "Sondermüll" bezeichnet werden? Im September 2019 beantwortete das Landgericht Berlin diese Frage mit Ja. Nun kommt es zu einem anderen Ergebnis und ändert seinen Beschluss von damals teilweise ab. Die Grünen-Politikerin will von Facebook die Daten der Nutzer, die sie in den Kommentaren zu einem Post wüst beschimpft hatten, um anschließend zivilrechtlich gegen diese Nutzer vorgehen zu können. Facebook ist gesetzlich zur Herausgabe der Daten verpflichtet, wenn die Kommentare strafbar sind - also etwa beleidigend. ...  Neu war für das Gericht auch, dass der Betreiber der Facebook-Seite seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet und "in vielen Presse- und TV-Beiträgen als Prototyp der deutschen 'Fake-News' Szene beschrieben" werde. Zudem sei dem Gericht inzwischen durch ein anderes Verfahren bekannt geworden, dass der Mann "öffentlich Hetze gegen Personen des liberalen bis linken politischen Lagers" betreibe, unter anderem auf einem eigenen Blog. All das rückt die Facebook-Kommentare aus Sicht des Gerichts nun in ein anderes Licht.  Maßgeblich sei nämlich, wie die Kommentatoren den Facebook-Post verstehen durften. Es mache einen "erheblichen Unterschied", ob sie davon ausgehen durften, dass Künast richtig zitiert worden ist. Da den Fans und Followern des Mannes aber der Ruf von dessen Blog bekannt sein dürfte, mussten sie wohl eher davon ausgehen, dass es sich um ein Falschzitat handelte: "Angesichts der für die Nutzer erkennbaren Hintergründe des Posts mussten sich ihnen Zweifel in Bezug auf die Authentizität des weiteren Zitates aufdrängen", heißt es in dem Beschluss. Durch das Falschzitat fehlt den Kommentaren damit jeglicher Bezug einer Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Zwischenruf von Künast während der Debatte von 1986. Im Einzelnen geht das Gericht deshalb nun davon aus, dass die Kommentare teilweise unzulässige Schmähkritik sind - also eine bloße Herabsetzung der Person, keinerlei Auseinandersetzung in der Sache. ..." | https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-beleidigung-103.html (https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-beleidigung-103.html) (21.01.2020) ]

QuotePardier #16

Hier hätte das BVerfG die Menschenwürde als konkurrierendes Schutzgut gar nicht bemühen müssen. Beleidigungen sind bereits vom Grundrecht der Meinungsfreiheit selbst nicht gedeckt, und zwar unabhängig davon, ob sie rassistisch motiviert sind oder nicht; vgl. Art. 5 Abs. 2 GG: "Diese Rechte finden ihre Schranken (...) in dem Recht der persönlichen Ehre."

Auch ein "Sie Volltrottel" berechtigt (nach Abmahnung) zur verhaltensbedingten Kündigung.


QuoteGeai Raison #16.2

Was eine Beleidigung ist, kann man aber nur über die Abwägung mit der ,,Wahrnehmung berechtigter Interessen" herausfinden, was dann wieder geradewegs zum Aufwiegen (manche sagen auch spöttisch: Schaukeln) der Grundrechte führt.

Wenn jemand einen besonders doofen Fehler macht und viel Schaden anrichtet, wird man den wegen des sachlichen Bezugs schon mal straflos als Volltrottel bezeichnen dürfen (müssen).

Etwas anderes ist eine rassistische Beleidigung, die den Persönlichkeitskern und damit die Menschenwürde berührt.


...
Title: [Keine Wahrheitsliebe ohne... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 03:51:57 PM
Quote[...] Der Problemkreis, den die im Medium philosophischer Diskussionen bearbeiteten Konfliktstoffe aus Jerusalem, Makassar und New York bilden, hat sein Gravitationszentrum indes im Kreuzungspunkt von Religion und Politik. Das spannungsvolle Verhältnis von Heilsgewissheit und Lebensform, Glauben und Wissen, Wahrheitsanspruch und Pluralismus, Tradition und Moderne, geschlossenen Weltbildern und offenen Gesellschaften wird in den sorgsam protokollierten Gesprächen zum Hauptthema. Der umsichtige Philosoph sorgt in den Dialogen für die Zufuhr von «Logos», von argumentierender und abwägender Vernunft. Patente Problemlösungen hat er nicht zu bieten – das widerspräche ohnehin dem sokratischen Ethos, das nicht vorsieht, dem Gegenüber das Denken abzunehmen. In der Reinszenierung der Dialoge steht dem nicht selten zu verzeichnenden Verlust an Gewissheiten jedoch ein Gewinn an Klarheit gegenüber – Klarheit über die jeweilige Problembeschreibung.

Zu solcher Klarheit kann auch eine Einsicht beitragen, die sich in den Workshops dank dem theologie- und philosophiegeschichtlich überaus bewanderten Moderator des Öfteren eingestellt zu haben scheint: Auch religiöse Überzeugungen, die sich heute in unbezweifelbarer Glaubensgewissheit abschotten zu können vermeinen, entstammen Traditionen, in denen es «immer schon» eine Vielfalt an Interpretationen, in denen es Differenzen und Diskussionen gegeben hat. Ebendiese Einsicht ist ein Anknüpfungspunkt für den knappen, aber bedeutsamen zweiten Teil des Buches, in dem Fraenkel den philosophischen Ertrag seiner Exkursionen unter der Überschrift «Vielfalt und Debatte» skizziert.

Auf Meinungsverschiedenheiten und Interpretationsdifferenzen in einer religiösen Tradition hinweisen zu können, ist nicht gering zu veranschlagen, wenn es darum zu tun ist, in entspannungspolitischer oder friedensstiftender Absicht Fundamentalisten zu verunsichern. Carlos Fraenkels gedanklicher Fluchtpunkt ist freilich nicht der Begriff des Friedens, sondern – dem philosophischen Impetus entsprechend – derjenige der Wahrheit. Ebendeswegen hält der Autor nichts davon, einem falsch verstandenen Multikulturalismus das Wort zu reden, einem Relativismus, dem alle Ansichten gleich viel oder wenig gelten und der darum auf Gleichgültigkeit hinausliefe. Solcher Indifferenz leistet, wie Fraenkel zu Recht notiert, auch der Laizismus Vorschub, der Glaubensbekenntnisse aus der Öffentlichkeit verbannt und somit der Infragestellung entzieht.

Die Wahrheit allerdings, die Fraenkel meint, ist in niemandes Besitz. Ihr die Ehre zu geben, bedeutet, bereit zu sein, die eigene – für wahr gehaltene – Überzeugung dem Einspruch anderer auszusetzen und sie nicht nur zu verteidigen, sondern gegebenenfalls auch aufzugeben oder zu ändern. Anders und kurz gesagt: Keine Wahrheitsliebe ohne «Debattenkultur». Weil sie sich nur in Kontroversen beweisen kann, heisst solche Wahrheitsliebe die Vielfalt der Standpunkte, Perspektiven und Kulturen willkommen. Um diese Liebe leben zu können, ist zunächst nicht mehr nötig als das Bewusstsein und Eingeständnis der eigenen Irrtumsanfälligkeit, eine Art «Fallibilismus». ...

Zu: Carlos Fraenkel: Mit Platon in Palästina. Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Hanser, München 2016. 256 S., Fr. 31.90.


Aus: "Wahrheitsliebe und Debattenkultur: Wenn die Philosophie moderiert" Uwe Justus Wenzel (8.3.2016)
Quelle: http://www.nzz.ch/wenn-die-philosophie-moderiert-1.18708062 (http://www.nzz.ch/wenn-die-philosophie-moderiert-1.18708062)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 30, 2016, 01:03:33 PM
[...] ...

QuoteFeldkaplan #13

"Bürgermeister wegen Plänen für Flüchtlingsunterkunft niedergeschlagen"

Der Zusammenhang liegt auf der Hand, dennoch sollte die Zeit der Ordnung halber die Ermittlungsergebnisse der Polizei abwarten.


QuoteYvi155 #1

Und langsam aber sicher wandelt sich die Gesellschaft. Frauen, denen in Berlin das Kopftuch vom Kopf gerissen wird, Kinder, die mit "Scheiss Ausländer" beschimpft werden, ein Bürgermeister, der Menschen helfen will und niedergeschlagen wird. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Wenn das die Werte sind, die wir angeblich so dringend vor den "eindringenden Horden" verteidigen müssen, dann frage ich mich, ob ich die letzten 33 Jahre meines Lebens in einer Parallelgesellschaft aufgewachsen bin. Und ich frage mich, von wem die eigentliche Bedrohung der Gesellschaft ausgeht.


QuoteMi Asin #1.2

Ihr kommentar ist ausdruck einer tragoedie: ihre eigene kanzlerin hat ihr land tief gespalten.


Quote
Manfred der Erste #1.131

Was für ein absoluter geistiger Blindflug! Hier wird Gewalt doch glatt relativiert und die Schuld an dieser, der Frau Merkel gegeben. Irre.


Quoteeschwenk #1.125

Egal wie man zu anderen Kulturen steht, jemanden niederzuschlagen ist nicht zu entschuldigen und disqualifiziert einen vollständig für die weitere Teilnahme an der Debatte. Punkt.


Quote
christianbln07 #1.136

Deutschland findet zu sich selbst zurück? Nein. Es gab ihn immer schon diesen rassistisch-nationalistischen Mob, der auch vor Gewalt nicht zurück schreckt. ... Das Neue ist, daß plötzlich alle so unglaubliches Verständnis für die "Ängste" der angeblichen Bevölkerung aufbringen. Wer diese "Ängste" versteht, versteht auch warum Bomben gezündet werden und Politiker niedergeschlagen werden. Das Problem sind nicht die 15-20 % AFD Sympathisanten, sondern daß sie die Debatte diktieren und als d i e Bevölkerung wahr genommen werden.


...

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Kommentare zu: "Oersdorf: Bürgermeister wegen Plänen für Flüchtlingsunterkunft niedergeschlagen" (30. September 2016)
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/oersdorf-buergermeister-fluechtlinge-attacke (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/oersdorf-buergermeister-fluechtlinge-attacke)

http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Oersdorf-Sniper-verstoerte-mit-Drohbriefen (http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Oersdorf-Sniper-verstoerte-mit-Drohbriefen)

http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Erneut-Bombendrohung-gegen-Bauausschuss-in-Oersdorf (http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Erneut-Bombendrohung-gegen-Bauausschuss-in-Oersdorf)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 30, 2016, 01:39:05 PM
QuoteDas Aushalten der Widersprüche als Gegenbewegung zum ermüdenden Recht haben Wollen.

Oktober 10, 2019 | muetzenfalterin, Quelle: https://muetzenfalterin.wordpress.com/2019/10/10/6-5/ (https://muetzenfalterin.wordpress.com/2019/10/10/6-5/)


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Quote[...] Der islamkritische jordanische Journalist Nahed Hattar, der in seiner Heimat mit einer Karikatur für einen Aufschrei sorgte, ist in der Hauptstadt Amman erschossen worden. Der Täter feuerte am Sonntag außerhalb eines Gerichtsgebäudes drei Schüsse auf den 56 Jahre alten Schriftsteller und Aktivisten ab, wie die staatliche Nachrichtenagentur Petra berichtete. Nach Angaben des arabischen Senders Al-Arabija war Hattar am Sonntag auf dem Weg zu seinem eigenen Prozess, als er ermordet wurde. ...


Aus: "Islamkritischer Journalist erschossen" (25.09.2016)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/jordanien-islamkritischer-journalist-erschossen-14452260.html (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/jordanien-islamkritischer-journalist-erschossen-14452260.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 03, 2017, 05:14:15 PM
Quote[...] Am Ende war der grosse Wiener Wortführer sprachlos. Oder er wollte zumindest so tun. Mit dem Satz «Mir fällt zu Hitler nichts ein» hat Karl Kraus ein Zögern begründet, das in scharfem Kontrast zu seiner sonstigen Streitlust stand. Die anbrechende «Walpurgisnacht» des «Dritten Reichs» war der Schockmoment, in dem nichts weiter gesagt werden konnte.

Heute ist es gerade dieses Thema, zu dem die Mediokren unter den Meinungsträgern greifen, wenn es darum geht, sich um Kopf und Kragen zu reden. Der Pressesprecher des amerikanischen Präsidenten, Sean Spicer, hat kürzlich vorgemacht, wie das geht. Seine Ansicht zum Einsatz von Giftgas unter Hitler war weder durch historische Kenntnis noch durch politische Vernunft gesichert, aber sie war Teil eines Phänomens, wie man es nicht nur aus dem Amerika Donald Trumps kennt. Auf die Botschaft selbst kommt es kaum noch an. Die Meinung ist nur die Trägerrakete jener Nebelpetarden, die politische Konturen unsichtbar machen.

In diesem Sinn gilt: Je mehr Meinung, umso weniger Klarheit. Es füllen sich die Medien, Foren und Blogs mit Ansichten, während echte Debatten kaum noch auszumachen sind. Es ist nicht allein die Schuld der Intellektuellen, dass sie im donnernden Chor der Kommentare an Autorität verloren haben. Denn es gibt ein strukturelles und hierarchisches Problem. In der globalisierten Welt ist für jene thematische Unübersichtlichkeit gesorgt, die der Furor neuer Diskussionskanäle noch einmal überbietet. Dass beides auf höchst komplexe Art miteinander verbunden ist, kann nicht übersehen werden.

Es gehört zur Debattenkultur, dass sie über lange Zeit fixe Fluchtpunkte hatte. Themen, über die sich streiten liess, weil sie aus den Erfahrungen einer gemeinsamen historischen Topografie kamen. Und so haben Krieg und Holocaust, Nationalsozialismus und Marxismus mindestens bis 1989 die Folie geliefert, vor der hitzige intellektuelle Gefechte über die staatspolitische, die gesellschaftliche und die moralische Neudefinition Europas nach 1945 stattfinden konnten. Mit den Verbrechen des «Dritten Reichs» war der Anwendungsfall für fundierte Diskurse gegeben, wie sie noch über Martin Walser und seiner Rede in der Frankfurter Paulskirche zusammenschwappten. Und auch davor: von der restaurativen Adenauer-Zeit und den Studentenrevolten der sechziger Jahre über den Deutschen Historikerstreit bis zur Affäre Waldheim.

Hinzu kamen zeittypische Ausdifferenzierungen, die nie ganz von den vorangegangenen prekären europäischen Erfahrungen zu trennen waren: der Terror der RAF oder die Debatten um Nato und Nachrüstung; Berufsverbot, Radikalenerlass oder der Wiener Brecht-Boykott. Es mag kurios erscheinen, wie erbittert früher über Details gestritten wurde, während heute ein Grossprojekt wie die Europäische Union kaum in den Fokus der Diskussionen gerät.

Wenn es darum hier eine eher monologische Form des Meinens gibt, dann hat das vielleicht auch mit ganz grundsätzlich veränderten intellektuellen Milieus zu tun. Sie sind ausdifferenzierter und haben sehr spezielle politische Seelenwanderungen hinter sich. Navid Kermani, Peter Sloterdijk, Robert Menasse oder Jürgen Habermas agieren kaum auf derselben rhetorischen Bühne. Und der an die unbedingte Macht des Wortes glaubende Botho Strauss bespielt überhaupt ein Rednerpult für sich.

Diesen Befund hat in den achtziger Jahren schon der französische Philosoph Jean-François Lyotard diagnostiziert und darum der Idee eine Absage erteilt, dass Künstler und Intellektuelle durch ihre Statements etwas bewirken können. Es gebe keinen Adressaten dafür, jeder Gedanke, jedes Werk sei nicht mehr als eine in die Wüste geschickte Botschaft. Zur gleichen Zeit hat in Deutschland Hans Magnus Enzensberger festgestellt, dass Geist und Macht dabei sind, einander in die Arme zu sinken.

Wo die Politik das gesellschaftliche Gedächtnis ideologisch verwaltete, waren engagierte Intellektuelle über lange Zeit eine natürliche Kontrollinstanz. Von links bis rechts: Ideologie war ihr Spezialgebiet, und die Ideologiekritik Teil ihres Portfolios. Mitten durch alle politischen Milieus gingen die Gräben, und das befeuerte noch einmal die Debatten in der Zeit des beginnenden gesellschaftlichen Bedeutungsverlusts. Günter Grass gab sich als linker Pragmatiker der Staatsmacht, während sein Kollege Hans Magnus Enzensberger lange Basis-Utopist geblieben ist.

Weit ist der Weg von den ideologischen Stellungskriegen der siebziger und achtziger Jahre bis in die Gegenwart einer vorzugsweise pragmatischen Politik, die auf globale Prozesse Rücksicht nehmen muss. Die Praxis ist die grösste Herausforderung für den Theoretiker, und dass es für neue Erfahrungen wie den aggressiven Islamismus im kulturellen und im historischen Gedächtnis keine Referenzgrössen gibt, macht die Arbeit der diskursbereiten Elite nicht gerade leichter.

Zu alledem kommt die Krise in einem Bereich, der über viele Jahre symbiotisch mit politischen oder sozialen Debatten verbunden war. Mit dem Begriff der «Leitmedien» hat sich eine Branche selbst geadelt, die um ihre Wirkung wusste. Wenn heute noch von einem Leitmedium gesprochen werden kann, dann ist das am ehesten Twitter. Mit allen seinen Folgen. Wer braucht noch Debatten, wenn es doch überall Meinung gibt? In der Entropie des Meinens schwindet die Fähigkeit zum qualifizierten Diskurs. Die Betriebstemperatur der neuen Medien muss nur entsprechend hoch gehalten werden.

Mit ihnen sind die Möglichkeiten, Meinungen zu äussern, ebenso vervielfacht, wie das Publikum immer grösser wird, das von diesen Meinungen erfährt. Die Debatten haben sich demokratisiert, weil es keine Hürden beim elektronischen Zugang zur Öffentlichkeit gibt. Und so findet jede intellektuelle, politische oder soziale Flughöhe ihren Platz im elektronisch-egalitären Äther der Selbstdarstellung. Der Präsident der Vereinigten Staaten ebenso wie die Katzen-Content-Poster oder der Mann, der ein Video seines Hassverbrechens auf Facebook hochlädt.

Die neuen Medien entstehen erst aus dem Input der Nutzer, und so verändern sie mit der Lage des Meinens mitunter auch ihre eigene Gestalt dramatisch. Es sind morphologische Veränderungen, wie sie die klassischen Medien nicht kennen. Kein Printmedium und auch kein altgedientes elektronisches Medium wird durch die algorithmischen Ausschläge seiner Nutzer gewissermassen stündlich neu erfunden.

Diese Transformation der publizistischen Landschaft hat auch Auswirkungen auf die Debattenkultur. Was Substanz haben will, braucht einen Ort, an dem es sich unter berechenbaren Bedingungen diskutieren lässt. Es braucht thematisch verbindliche Fluchtpunkte, von denen aus historisch, soziologisch oder ökonomisch argumentiert werden kann. Es braucht Konsistenz statt Kontingenz.

Wie zusammenhängende Argumentation systematisch unterlaufen werden kann, macht Donald Trump als amerikanischer Präsident gerade vor. Es gibt eine innere Synergie zwischen den erratischen und nicht auf Konsistenz angelegten Tweets von Donald Trump und der Kontingenz des Systems Twitter. Mit seinen aus der Hüfte geschossenen Meldungen hat Trump das Medium okkupiert. Wie sehr seine Form der Aufmerksamkeitslenkung die amerikanische Diskurslandschaft verändert hat, zeigt sich darin, dass der Präsident sein Hase-und-Igel-Spiel mit der Presse bis jetzt fast nach Belieben treiben kann.

Doch es gibt Hoffnung: Die amerikanischen Medien besinnen sich auf alte Primärtugenden. Auf Genauigkeit und Ausführlichkeit. Mit ihrer grossen Diskursfreudigkeit haben sich Portale wie «Politico» innerhalb kürzester Zeit zum entschleunigenden Korrektiv des offiziellen politischen Washington entwickelt.

Ganz allgemein ist Entschleunigung angebracht. Bruno Kreisky, Österreichs ehemaliger Bundeskanzler, war ein beherzter Debattierer, der die Nähe zu den Intellektuellen des Landes keineswegs scheute und ihnen jedenfalls auf Augenhöhe begegnete. Dieser Kanzler hat viele seiner Sätze mit der Formel «Ich bin der Meinung . . .» begonnen. In der kaum überbietbaren Langsamkeit, mit der er das sagte, war zu spüren, dass es für die Meinungsbildung vor allem eines braucht: Zeit.


Aus: "Debattenkultur: Das schwierige Geschäft der Intellektuellen in Zeiten der Unübersichtlichkeit" Paul Jandl (3.5.2017)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-das-schwierige-geschaeft-der-intellektuellen-in-zeiten-der-unuebersichtlichkeit-ld.1288718 (https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-das-schwierige-geschaeft-der-intellektuellen-in-zeiten-der-unuebersichtlichkeit-ld.1288718)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 06, 2017, 09:42:03 AM
Quote[...] Über den Zustand der Debattenkultur wird nicht nur in Deutschland geklagt, dort aber besonders gern. Die einen finden, es werde in der Öffentlichkeit zu wenig und zu leisetreterisch disputiert, die anderen, es werde zu laut und zu gehässig gestritten. Hier werden Sprechverbote angeprangert, da werden Enthemmungen, Beleidigungen und Hassreden registriert. Wer sich nicht kopflos ins Handgemenge der wechselseitigen Beschuldigungen stürzt, wird Indizien sammeln können, die sowohl für die eine wie für die andere Wahrnehmung oder Ansicht sprechen.

Die Gefahr, den Kopf zu verlieren, nimmt für Diskutanten (in welcher Diskussion auch immer) ab, wenn sie ein Auge auf das Hin und Her des Wortwechsels selbst haben, auf die Redefiguren, Argumente und Scheinargumente, die ins Feld geführt werden. Wer derlei Aufmerksamkeit schenkt, muss nicht zum Berufsstand der Diskurspolizisten gehören. Ein Sinn für politisch Tunliches und Untunliches schadet zwar nicht, im Gegenteil; doch nötig ist zuvörderst ein Sinn für das, was logisch – argumentationslogisch – korrekt ist.

Wer diesen Sinn schärfen möchte, wer sich wappnen will, um Fehlschlüsse und Scheinargumente im politischen Schlagabtausch zu entlarven oder auch zu vermeiden, dem bietet sich seit kurzem eine «Logik für Demokraten» an, die als Logik der Redepraxis herkömmlicherweise «Dialektik» hiesse.

Geschrieben von dem Philosophen Daniel-Pascal Zorn, Jahrgang 1981, fokussiert das Buch zunächst auf die politische Rhetorik, die derzeit am meisten zu reden gibt, auf den Populismus. Populismus freilich verstanden als Argumentationsweise – als eine Form des Denkens und Sprechens, die verschiedenste weltanschauliche Inhalte haben könne, die aber durch eine gleichbleibende Grundstruktur geprägt sei: Es werde beansprucht, für «das Volk», das «ganze» Volk zu sprechen, und zwar exklusiv. Ein solcher Alleinvertretungsanspruch sei eine «dogmatische Setzung», mit der Populismus als Denkform beginne.

Aus der Verabsolutierung der eigenen politischen Position sieht Zorn sodann alles Weitere hervorgehen: ein Schwarz-Weiss-Denken, das dazu tendiert, sich gegen Infragestellungen zu immunisieren, und das, um sich durchzusetzen, vor Fehlschlüssen wie auch selbstwidersprüchlichen Behauptungen nicht zurückschreckt. (Die einzelnen Bestandsstücke dieser Logik des Unlogischen sind in einem Glossar katalogisiert und erklärt.) Dem Drang zum Totalitären, den er in allem populistischen Denken am Werke sieht, widmet der Autor einen eigenen, den mittleren Teil seines mit munterer, aber nicht übermässig eleganter Feder verfassten Buches; darin wendet er das Thema Verabsolutierung der eigenen Perspektive eher überraschend – und ebenso spekulativ wie plakativ – ins Menschheitsgeschichtliche, Anthropologische.

Das «demokratische Denken», das der abschliessende Teil im Kontrast zum populistischen konturieren soll, hat seinen Sitz im Leben laut Zorn in der «gemeinsam geteilten Redesituation» – und nicht etwa in einer Wesenheit namens «Volk». Diese Situation scheint für den Philosophen so etwas wie der Demokratie-Prozessor zu sein. Der nicht unbekannte Grundgedanke, den er sich bei der Diskursethik ausleiht, besagt: Jeder, der in einer Gesprächssituation das Wort ergreift, beansprucht – schlicht dadurch, dass er redet – Geltung für das Gesagte.

Dieser Anspruch verpflichtet, und zwar nicht zuletzt, sondern zuallererst den, der ihn – ob er will oder nicht – erhebt; er verpflichtet ihn, das Gegenüber ebenso ernst zu nehmen, wie er von ihm ernst genommen werden will. Und er verpflichtet dazu, für Behauptungen Gründe zu liefern, Rede und Antwort zu stehen. Darum sind die beiden elementarsten Grundsätze der Argumentationspraxis, die in jeder Redesituation als Forderung gewissermassen mitschwingen, das Prinzip der auszuschliessenden «dogmatischen Setzung» und das des zu vermeidenden Widerspruchs oder Selbstwiderspruchs.

Wie Karl-Otto Apel, der kürzlich verstorbene Diskursethiker, nennt Zorn diese aller Wechselrede innewohnende Verpflichtung zur Begründung «unhintergehbar». Soll heissen: Niemand entkommt ihr. Wer die Verpflichtung bestreite, widerspreche sich selbst, da sein Nein ebenjenen Geltungsanspruch erhebe, der nur als wechselseitig anerkannter Bestand haben kann. Wer aber in Anspruch nimmt, was er verneint, bekräftigt auf diese Weise gerade das, was er aushebeln will.

Das ist praktisch, hilft aber dann kaum, das Niveau der Diskussion zu heben, wenn der, der sich da «unlogisch» verheddert, gar nicht merkt, dass er es tut – oder wenn ihn die in Aussicht gestellte logisch-moralische Nichtigkeit aller Versuche, sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen, gerade dazu reizt, es zu tun. Anders und ein wenig überspitzt gesagt: Dummheit und Trotz setzen der Möglichkeit des vernünftigen Gesprächs – trivialerweise – Grenzen. Keine reale Sprechsituation ist die ideale.

Ist die «Logik für Demokraten», die eine «Anleitung» sein will, mithin tatsächlich und nur eine für die, die bereits Demokraten sind? Zorn sieht das anders. Sein Buch richtet sich nicht nur an bekennende Demokraten, die sich in Argumentationskunst üben wollen; es möchte auch die ansprechen, die sich «von der Demokratie abgewandt haben, und diejenigen, die noch nicht genau wissen, ob sie sich für die Demokratie entscheiden sollen». Dem korrespondiert Daniel-Pascal Zorns optimistisches Credo: «Vernunft verteidigt sich selbst – und Unvernunft schlägt sich selbst.»

Realistischer könnte eine andere, erstmals 1997 erschienene (unlängst in neunter Auflage erneut gedruckte) Anleitung sein, nämlich Hubert Schleicherts «Anleitung zum subversiven Denken», die den schönen Titel trägt: «Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren». Der Autor hat sein Buch offenkundig nicht für Fundamentalisten, sondern für Verständige verfasst, die in einem verbalen Schlagabtausch bestehen wollen.

Ein Fanatiker sei durch Argumente schwer zu beeindrucken, heisst es an einer Stelle. Dessen «Widerlegung» sollte darum nicht das Ziel des Aufklärers sein. Es gelte vielmehr, dazu beizutragen, dass dessen «glühende Ergüsse» nicht mehr auf Interesse stiessen bei denen, die noch nicht (oder nur wenig) von Fanatismus befallen seien. Apropos subversiv: Über Unsinn zu lachen, kann bisweilen erfolgreicher sein, als dem, der ihn verzapft, nachzuweisen, dass er gegen eine «unhintergehbare» Regel des Argumentierens verstossen hat.

Daniel-Pascal Zorn: Logik für Demokraten. Eine Anleitung.
Klett-Cotta, Stuttgart 2017



Aus: "Debattenkultur: Schlägt die Unvernunft sich selbst?" Uwe Justus Wenzel (6.6.2017)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-schlaegt-die-unvernunft-sich-selbst-ld.1299334 (https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-schlaegt-die-unvernunft-sich-selbst-ld.1299334)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 23, 2017, 11:31:49 AM
Quote[...] Streitkultur erfahren Kinder in ihrer engsten Umgebung – auch von Freunden. Unablässig ist, dass Kindern vorgelebt wird, dass Streiten auch ohne verletzende Schimpfworte und mit rücksichtsvollem Verhalten geschehen kann. Allen Beteiligten muss klar sein, dass Konflikte ausgetragen und Lösungen gefunden werden müssen. Jedoch muss dem Kind vermittelt werden, dass durch einen Streit die Beziehung zwischen den Streitparteien nicht infrage gestellt wird und Eltern ihr Kind dennoch lieben. Das Kind muss außerdem lernen, dass nicht jeder Streit gewonnen werden kann, dass man nicht untergriffig werden muss – das hilft dabei zu vermitteln, einen Konflikt fair austragen zu können.

Es macht einen großen Unterschied, ob Erwachsene miteinander, Kinder untereinander oder Eltern mit Kindern streiten. Zuallererst ist wichtig, dass sich Eltern und Bezugspersonen ihrer Rolle als Erziehende bewusst sind. Kinder brauchen ein klares Gegenüber. Das heißt, dass Eltern und Bezugspersonen dem Kind ermöglichen, den Konflikt auszutragen – und ihm dabei gleichzeitig Halt bieten können. Damit ist gemeint, dass ein Kind selten erwachsene Streitstrategien parat hat. Es kann also nichts mit Sarkasmus und Ironie anfangen. In diesem Punkt sind die Erwachsenen den Jüngeren überlegen. Manche Erwachsene greifen auch dazu, dem Kind ein schlechtes Gewissen zu machen. Auch dies ist nicht hilfreich für ein Kind, das gerade dabei ist, eine vernünftige Streitkultur zu erlernen. Aber es darf schon mal laut werden bei einem Streit. Und er muss auch ein Ende haben. Dieses kann bei kleineren Kindern auch in Aussicht gestellt werden. Streit ist ein ziemlich umfassender Begriff, jedoch sollte in einer Familie für viele Facetten der Auseinandersetzung Raum sein. Kinder, die gelernt haben, sich ohne Konsequenzen bei Meinungsverschiedenheiten zu äußern, lernen auch, wann es klüger ist, sich zurückzuhalten oder auf Konfrontation zu gehen.

Streiten Sie als Eltern vor Ihren Kindern, oder verschieben Sie die Klärung von Meinungsverschiedenheit auf später, wenn die Kinder schon schlafen? ...

Quote
marc bygones

Ich streite nie. Ich hab einfach recht.



Quote
clementinchen

Nachdem beide Töchter ein paar Wochen lang gleichzeitig eine Trotzphase durchgemacht haben, habe ich mich schon darauf gefreut sie im Fasching als Wut-Mob zu verkleiden. WIR SIND DAS VOLK, WIR SIND DAS VOLK! Mit Schildern und allem drum und dran.

Mittlerweile hat Tochter 2 die schlimmste Wutphase hinter sich und leistet jetzt eher passiven Widerstand. Muss ich halt umdisponieren.

Kind 1 geht als Kinsky und Kind 2 als Dampfer.


Quote
so gesehen

Meine 8-jährige hat sich mittlerweile den zynischen Unterton von mir angeeignet. Was es nicht leichter macht für mich... bin ich nun stolz oder bringt es mich weiter auf die Palme? Bisher war der gegenseitige Zynismus von Kind 1 und mir meistens das Ende des Streits, weil dann der Papa mit herzhaftem Lachen reagiert hat.


Quote
kritik landet-im-spam.at

Ich finde es essentiell, dass, wenn man sich vor den Kindern streitet, sich auch vor ihnen wieder verträgt und ausspricht. So wissen sie, dass alles wieder in Ordnung kommen kann, auch wenn man streitet.

Als ich ein Kind war, wurde nie vor uns gestritten, nur "heimlich" am Abend oder im Schlafzimmer und wer glaubt, das bekommen Kinder nicht mit, täuscht sich sehr. Da wäre mir das Vorleben von Streit und Versöhnung um einiges lieber und lehrreicher gewesen.


Quote
EUphoriker

Mit pubertierenden soll man sinnvoll streiten können?

Es geht beim Streiten nicht bloß um die Rationalität (eigentlich gehts darum nie), es geht beim Streiten mit Kindern vorallem auch um Spiel und Entwicklung. Kinder wollen Streiten um es zu lernen

Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch!


...


Aus: "Wie wichtig Streiten für ein Kind ist Blog" ANDREA LEIDLMAYR, CHRISTINE STRABLEG (20. Oktober 2017)
Quelle: https://derstandard.at/2000066256113-5441/Wie-wichtig-Streiten-fuer-ein-Kind-ist (https://derstandard.at/2000066256113-5441/Wie-wichtig-Streiten-fuer-ein-Kind-ist)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 29, 2017, 11:57:42 AM
Quote[...] Es lag etwas Doppelbödiges in meiner Haltung: eine Lust daran, nicht verstanden zu werden, ein elitäres Sich-Entziehen. ... Dass meine damaligen Sichtweisen in erheblichen Teilen irrational und argumentativ inkonsistent blieben, war mir nicht nur bewusst, ich sah darin auch eine Stärke. Die Überbetonung der Vernunft durch die Aufklärung betrachtete ich als eine Sackgasse. ... Kants Forderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, um sich aus der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" zu befreien, mündet bei  Nietzsche im 28. Kapitel des Zarathustra in der Frage: "Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?" Nietzsche formuliert hier den Pferdefuß der Aufklärung: Soll ich mir tatsächlich selbst Maß und Richtung geben? Alles selbst überprüfen? Und worauf soll ich mein Leben gründen, wenn Tatsachen und Fakten nicht als ewig gültige Wahrheiten, sondern als vorübergehende Behelfe betrachtet werden, die nur innerhalb der Grenzen unseres Erkenntnisapparates (siehe Kant), der jeweiligen geschichtlichen Situation (siehe Hegel) und der Sprache (siehe Wittgenstein) gelten?
Manche Menschen fühlen sich durch die Forderung der Aufklärung und den aus ihr erwachsenden Relativismus eher verunsichert als befreit. Und manche Menschen nutzen diese Verunsicherung und die scheinbare Beliebigkeit der Weltdeutung kreativ, um sich ihre eigene Wahrheit zu schaffen: einen dem Nihilismus abgetrotzten Glauben.

... Tatsächlich wollen viele Rechtsextreme ... gar keine aus ihrer Sicht bessere Welt schaffen. Sie wollen lebenslang von einer verlorenen goldenen Vergangenheit träumen oder noch einmal eine pompöse finale Schlacht kämpfen, um ruhmreich unterzugehen. Verlustgefühl und Weltuntergang sind ihr Geschäft.  Und wie die Zeugen Jehovas argumentieren Rechtsextreme vor dem Hintergrund ewiger, nicht begründbarer Glaubenswahrheiten.

... Rechtsextreme glauben nicht ans Argumentieren, sondern an Stärke, die sich allein in sich selbst begründet. ... Die aufklärerische Vorstellung von Rationalität und diskursiver Begründung ist ja genau das, was die Rechten als "dekadent" zurückweisen. Im Kern sind Rechtsextreme religiös und stellen die eigene Gefühlswelt über jedes Argument.

... Mein Abfall vom rechten Glauben kam schließlich nicht durch einen Debattierclub zustande. Das Ende kam, als ich mich manisch verliebte. Ich fieberte nach einer Frau, die ich kaum kannte, und das Gefährlichste geschah: Sie kam mit mir zusammen. Ich erlitt einen Zusammenbruch. Meine Panzerung flog mir mit einem Knall um die Ohren, dessen Echo ich bis heute höre.

...

Quote
Wuselnator
#25

Respekt an den Autoren. Sich selbst so zu hinterfragen ist unglaublich schwierig.


Quote
Dogwalker
#22

Auch wenn es nur in einem Halbsatz angerissen wird, scheint es mir doch eine (!) Erklärung für rechtsextremes Gedankengut und Verhalten - ein latentes Minderwertigkeitsgefühl, welches durch Phantasien von Stärke und Überlegenheit kompensiert werden muss. Das gilt mit Abstufungen auch für Islamisten und Linksextreme, wobei die Kompensation dort durch den Anspruch auf religiöse bzw. intellektuelle Überlegenheit erfolgt. ...



...



"Rechtspopulismus: Eigentlich waren wir religiös" Anselm Neft (25. November 2017)
Wie soll man mit Rechten umgehen? Argumente blocken sie ab, sagt unser Autor, der früher selbst ein Rechter war. Er empfiehlt das Schwierigste überhaupt: Menschlichkeit.
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2017-11/rechtspopulismus-rechtsextremismus-debatte-reden-anselm-neft (http://www.zeit.de/kultur/2017-11/rechtspopulismus-rechtsextremismus-debatte-reden-anselm-neft)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 30, 2017, 10:55:48 AM
Quote[...] Ähnlich wie schon Didier Eribon mit seiner Rückkehr nach Reims kommt es Wagner mit seinem Buch darauf an, daß linke Politik wieder mehrheitsfähig wird. Geschieht dies nicht, bleibt diese Politik, wie bisher, in ihrer Blase, und so wird sie Wahlniederlage um Wahlniederlage einfahren. Da nützt alles Moralisieren und da nützt der Emckesche Pastorengestus nichts.

Um solche Transformation zu schaffen, ist es geboten, sich mit rechten Bewegungen auseinanderzusetzen – was bedeutet, ihre Positionen und ihre Geschichte zu kennen. So wie die Identitäre Bewegung linke Protestformen kaperte und kopierte.

,,Wenn die Linke sich darauf besinnt, dass sie tatsächlich über die besseren Mittel zur Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit verfügt und wenn sie sich bemüht, ihre Erkenntnisse und Lösungsvorschläge so zu formulieren, dass sie auch von Nichtakademikern verstanden werden, hätte sie auch in der Auseinandersetzung mit einem Götz Kubitschek oder mit einem Marc Jongen wenig zu fürchten. Eine hart geführte Diskussion, eine argumentative Auseinandersetzung mit Leuten wie ihnen wäre keine ,Kapitulation vor dem Bösen', wie viele Linke zu meinen scheinen, sondern der Ausweis einer demokratischen Streitkultur, von der auch die fortschrittlichen Kräfte – etwa durch Schärfung ihrer Position, dem Kennenlernen ihnen unvertrauter Gesichtspunkte und Perspektiven – profitieren könnten." (Thomas Wagner, Die Angstmacher)

Thomas Wagner: Die Angstmacher, Klappenbroschur, 352 Seiten, Aufbau Verlag 2017, 978-3-351-03686-7


Aus: "Theorie, die praktisch wird. Thomas Wagner ,,Die Angstmacher"" Bersarin (23. November 2017)
Quelle: https://bersarin.wordpress.com/2017/11/23/theorie-die-praktisch-wird-thomas-wagner-die-angsmacher/ (https://bersarin.wordpress.com/2017/11/23/theorie-die-praktisch-wird-thomas-wagner-die-angsmacher/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 30, 2017, 07:41:58 PM
Quote[...] Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) haben bei einem Treffen ihren Streit über den Unkrautvernichter Glyphosat erörtert. Der Dissens sei damit zwar nicht aus der Welt, sagte Hendricks der Passauer Neuen Presse, "aber wir sind uns einig, dass wir kollegial miteinander umgehen wollen". Hendricks hatte Schmidt ins Umweltministerium eingeladen, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Schmidt sagte: "Die teilweise völlig entgleiste Art der Diskussion ist für mich erschreckend."

Zuvor hatte die Bild-Zeitung über Drohungen und Beleidigungen gegen den Minister berichtet. Deswegen sei seine Facebook-Seite temporär vom Netz genommen worden, teilte das Fürther Wahlkreisbüro mit. Hendricks bezeichnete die persönlichen Angriffe auf Schmidt als unerträglich. Sie verstehe zwar, dass das Thema Glyphosat viele Menschen bewege, "aber die Auseinandersetzung muss zivilisiert bleiben".  ...




Aus: "Glyphosat: "Entgleiste Diskussion ist erschreckend"" (30. November 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-11/glyphosat-barbara-hendricks-christian-schmidt (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-11/glyphosat-barbara-hendricks-christian-schmidt)

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Quote[...] Nach der Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, hat der Beschuldigte noch nicht ausgesagt. ,,Er lässt sich anwaltlich vertreten und hat bislang keine Aussage gemacht", sagte ein Sprecher der Polizei in Hagen am Mittwochmorgen. Gegen den 56 Jahre alten Mann war am Dienstag Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen worden.

Hollstein war am Montagabend in einem Imbiss in der sauerländischen Kleinstadt mit einem Messer attackiert und leicht am Hals verletzt worden. Er erlitt nach Angaben der Polizei eine etwa fünf Zentimeter lange Schnittwunde. Der Angreifer hatte laut Staatsanwaltschaft ein fremdenfeindliches Motiv.

... Der WELT sagte Hollstein, der Angreifer habe ihn vor der Attacke für seine persönliche Situation verantwortlich gemacht und gesagt: ,,Ich verdurste, und du holst 200 Flüchtlinge in die Stadt." Ihm sei wohl das Wasser abgestellt worden. ...

Die Ermittler gehen nach ersten Erkenntnissen von einer spontanen Tat des arbeitslosen Maurers aus. Er sei angetrunken gewesen und habe erst in dem Döner-Grill bemerkt, dass der andere Kunde der Bürgermeister war.


Aus: ",,Er hat sein Leben verpfuscht" – Bürgermeister hat Mitleid mit Täter" (29.11.2017)
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article171071615/Er-hat-sein-Leben-verpfuscht-Buergermeister-hat-Mitleid-mit-Taeter.html (https://www.welt.de/politik/deutschland/article171071615/Er-hat-sein-Leben-verpfuscht-Buergermeister-hat-Mitleid-mit-Taeter.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 13, 2017, 03:24:42 PM
Quote[...]  Immer mehr Menschen empfinden in letzter Zeit, daß unsere Gesellschaft gespalten ist. Man meint zwei ,,Fronten" wahrzunehmen, die oft mit den althergebrachten Bezeichnungen ,,die Rechten" und ,,die Linken" benannt werden.
In vielen Diskussionen (nicht zuletzt auch hier im Blog) scheinen diese beiden ,,Fronten" einander unversöhnlich gegenüberzustehen: man wirft reflexartig mit stereotypen Argumenten hin- und her, findet allerlei despektierliche Bezeichnungen füreinander oder macht dem jeweiligen Gegner Therapievorschläge - - - bis man sich schließlich frustriert voneinander abwendet und jeweils die eigenen Vorurteile (daß man eben mit ,,denen" nicht wirklich reden kann) bestätigt findet.

Dazu sind vor kurzem zwei sehr unterschiedliche Bücher 1) erschienen, die – jeweils von ihrem Standpunkt aus – versuchen, ein wenig Farbe in dieses traurige Schwarz-Weiß zu bringen. Ich habe alle beide mit großem Vergnügen gelesen:
Während die Linke andauernd von »Vielfalt« redet, will sie von echten, konkreten Unterschieden zwischen Menschen nichts wissen – seien diese kultureller, religiöser, biologischer, ethnischer, nationaler, geschlechtlicher oder politischer Art, auf der individuellen ebenso wie auf der kollektiven Ebene. Ihre Vorstellung von »Buntheit« und »Vielfalt« nennen wir das »Smarties-Dogma«: Ein »Smartie« ist eine Schokolinse mit einem knallbunten Zuckerguß; unterhalb dieser Schicht bestehen jedoch alle Smarties aus der gleichen Schokolade.
(MLL S 62)

... Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld formulieren das in ihrem Buch »Mit Linken leben« (MLL) auf ihre Weise (und lassen ahnen, daß es ihnen nicht nur um Unterschiede zwischen individuellen Menschen geht, sondern auch um Gleichheiten innerhalb gewisser Menschengruppen) ...
QuoteWährend die Linke andauernd von »Vielfalt« redet, will sie von echten, konkreten Unterschieden zwischen Menschen nichts wissen – seien diese kultureller, religiöser, biologischer, ethnischer, nationaler, geschlechtlicher oder politischer Art, auf der individuellen ebenso wie auf der kollektiven Ebene. Ihre Vorstellung von »Buntheit« und »Vielfalt« nennen wir das »Smarties-Dogma«: Ein »Smartie« ist eine Schokolinse mit einem knallbunten Zuckerguß; unterhalb dieser Schicht bestehen jedoch alle Smarties aus der gleichen Schokolade.
(MLL S 62)

Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn (die sich selbst allerdings ausdrücklich nicht als »Linke« sehen, sondern als »Nicht-Rechte«) verfolgen in ihrem Buch »mit Rechten reden« (MRR) einen anderen Ansatz:
QuoteWir begreifen, so viel sei verraten, als »rechts« keine eingrenzbare Menge von Überzeugungen oder Personen, sondern eine bestimmte Art des Redens. [...] Fast alle »rechten« Phänomene, mit denen wir es derzeit zu tun haben, lassen sich als Formen der Rede auffassen, genauer gesagt: der reaktiven Rede. Der rechte Diskurs reagiert auf eine demokratische Öffentlichkeit in der Krise.
Die strukturelle Dummheit von Talkshows und Meinungsforschung, eine von der Ausnahme zur faktischen Norm erhobene Große Koalition und das Internet als Medium der Meinungsbildung haben eine Diskussionskultur geschaffen, die sich vor allem durch zwei Merkmale auszeichnet: Nervosität und Erwartbarkeit. Und damit haben sie den Nährboden für Sprechweisen bereitet, die vor allem einen Zweck verfolgen: Störung. 
(MRR S 10f)


Die MLL-Autoren stimmen dieser Schlußfolgerung ganz unverhohlen zu – in ihrem abschließenden »Tugendkatalog« heißt es:
Quote6. Es ist nicht die Hoheit über den Diskurs erstrebenswert, sondern seine Zerstörung!
(MLL S 318)

Es ist nicht meine Absicht, in diesem Aufsatz zu untersuchen, welches der beiden ,,Lager" mit seinen politischen Vorstellungen inhaltlich recht hat – ob »rechts richtig und links giftig« ist, wie es in MLL heißt, oder ob es sich genau umgekehrt verhält (einige Gedanken dazu seien einem künftigen Aufsatz vorbehalten).
Ich werde vielmehr einzelne Zitate aus beiden Büchern einander direkt gegenüberstellen, um einerseits unterschiedlichen Stil und Sichtweisen der jeweiligen Autoren erlebbar zu machen und andererseits eine gewisse Spiegelbildlichkeit aufzuzeigen, die – trotz ihres unerschütterlichen Glaubens an die prinzipielle Verschiedenheit der Menschen – auch den beiden Autoren von MLL aufgefallen ist ...

... [...] ... [...] ...

QuoteRainer HerzogMittwoch, 13. Dezember 2017 um 06:55:00 MEZ

... Anthroposophisch gesprochen: Wenn "wir" schon in diesem unglaublichen Luxus (Demokratie, relativer Reichtum, voller Magen, warme Wohnung, Freiheit, Frieden, Überfülle an Kultur) leben und wie der größere Teil der Menschheit keine "wirklichen" Überlebenskämpfe oder Kriege ertragen müssen, ist es eine (vor allem für einigermaßen gebildete Menschen!) mehr als zumutbare Aufgabe, uns in den "Kampf", den wir mit unseren Ideen und Vortsellungen führen, nicht allzu sehr hineinzusteigern.

Ich erlebe das nebenbei ständig in meiner Arbeit (ASP-Ambulante Sozialpsychiatrie) vor allem bei alleinstehenden Männern, den schmalen Grat zwischen angebrachten Engagement und mental-physischen Nervenzusammenbrüchen; die digitale Entwicklung, die Blogs und FB fördert diese Tendenz massiv.


QuoteIngrid H.Mittwoch, 13. Dezember 2017 um 08:46:00 MEZ

... Danke, Rainer! - Solange wir aber damit beschäftigt sind, uns in diesen Kampf hineinzusteigern, brauchen wir natürlich Feindbilder. Wogegen sollten wir sonst auch kämpfen?

Die Autoren der beiden Bücher wissen das, allerdings jeweils nur zur Hälfte. Wie ich ja zitiert habe: in MRR wird beschrieben, wie die »Rechten« die »Linken« brauchen, MLL konzentriert sich auf die Schilderung, warum die »Linken« die »Rechten« brauchen.
Was dabei auf der Strecke bleibt (man sieht es ja in den Blogdiskussionen hier in letzter Zeit), das sind dann oft gerade die Ideen, um die es eigentlich gehen würde.

QuoteRainer HerzogMittwoch, 13. Dezember 2017 um 09:12:00 MEZ

"Was dabei auf der Strecke bleibt (man sieht es ja in den Blogdiskussionen hier in letzter Zeit), das sind dann oft gerade die Ideen, um die es eigentlich gehen würde".

Ich glaube, eben auch auf dem Hintergrund dieser Blogdebatten hier und ähnlichen Geschichten im Netz, dass das Ringen um die Ideen - was ist rechts, rechtspopulistisch, VT, PC, usw. - sich nicht durch weitere Debatten per se und grundsätzlich klären lässt. Dann schickt man doch nur noch weitere Links, youtube-Filme herum und das Ganze dreht sich mit Vorwürfen, Rechtfertigungen und Verdächtigungen wieder und wieder im Kreis.

Für sehr gelungen und hilfreich halte ich die knappen Maximen am Anfang von MRR:

"Unterscheide Person und Rede", "Mißtraue deinen moralischen Reflexen", "Rechthaben ist keine Tugend", "Meide die Opferpose" usw.


...



Aus: "Wenn Linke mit Rechten reden und Rechte mit Linken leben - Was ist dran am Smarties-Dogma?" Ingrid H. (09.12.2017)
Quelle: https://egoistenblog.blogspot.de/2017/12/wenn-linke-mit-rechten-reden-und-rechte.html (https://egoistenblog.blogspot.de/2017/12/wenn-linke-mit-rechten-reden-und-rechte.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 15, 2018, 07:38:14 PM
Quote[...] der frühere US-Präsident Barack Obama [warnte] im ersten Interview nach seinem Ausscheiden aus dem Amt – geführt von Gast-Moderator Prinz Harry – vor einer "Balkanisierung der Gesellschaft" durch Facebook, Twitter und ähnliche Plattformen: Wird nicht gegengesteuert, würden viele in fragmentierten Realitäten leben, unfähig, noch einen echten gesellschaftlichen Diskurs zu führen.

Auch in zahlreichen Beiträgen der Arena Analyse wird auf die Gefahr der gesellschaftlichen Fragmentierung hingewiesen. Die wechselseitige Abgrenzung auf diesen Plattformen passiert nahezu automatisch durch die dahinterliegenden Algorithmen. Je öfter man Facebook oder Google-News nutzt, desto verlässlicher wird man von den Suchmaschinen mit Nachrichten, Werbung oder Kontakten genau jener Art versorgt, die man schon bisher aufgerufen hatte. Unmerklich zurrt der Zentralrechner die Scheuklappen immer enger. So entstehen digitalen Stämme, die wenig mit den anderen Stämmen zu tun haben – und wenn, begegnen sie einander nicht in friedlicher Absicht. Debatten werden nicht mit dem Ziel geführt, Differenzen zu überbrücken, sondern emotional, oberflächlich und in der Absicht, die eigene Meinung bestätigt zu sehen.

...


Aus: "Jeder will eine Insel sein"  Bettina Fernsebner-Kokert und Walter Osztovics (15. Januar 2018)
Quelle: http://www.zeit.de/2018/03/gesellschaftlicher-zusammenhalt-europa-studie-wir-und-die-anderen/komplettansicht (http://www.zeit.de/2018/03/gesellschaftlicher-zusammenhalt-europa-studie-wir-und-die-anderen/komplettansicht)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 22, 2018, 08:44:28 AM
Quote[...] Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International macht die hasserfüllte Rhetorik führender Politiker für die zunehmende Diskriminierung von Minderheiten weltweit verantwortlich. ,,Millionen Menschen auf der ganzen Welt hatten 2017 unter den bitteren Folgen einer Politik zu leiden, die zunehmend auf Dämonisierung setzt", heißt es in dem Jahresbericht der bedeutendsten Menschenrechtsorganisation weltweit.

Ihr Vorsitzender Salil Shetty prangerte bei der Veröffentlichung des Berichts konkret die Staatschefs von Ägypten, Venezuela und der Philippinen, aber auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den chinesischen Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump an.

,,Das Schreckgespenst von Angst und Hass macht sich in der Weltpolitik breit und es gibt wenige Regierungen, die sich in diesen unruhigen Zeiten für Menschenrechte einsetzen", beklagte Shetty. Im vergangenen Jahr hätten ,,prominente Führungsfiguren eine albtraumhafte Vision einer von Hass und Angst verblendeten Gesellschaft" verbreitet. Der Amnesty-Chef hob aber auch positiv hervor, dass die Proteste gegen Ausgrenzungstendenzen zunehmen würden.

... Der Jahresbericht beleuchtet die Menschenrechtslage in 159 Ländern. Für die Vorstellung wählte die Organisation bewusst Washington aus. Damit wollte Amnesty auch ein Zeichen gegen die Politik Trumps setzen. ,,Trumps Rückschritte in Menschenrechtsfragen sind ein gefährlicher Präzedenzfall für andere Regierungen, die folgen könnten", sagte Shetty. Er nannte den Anfang vergangenen Jahres von Trump verhängten Einreisestopp für Menschen aus muslimisch geprägten Länder.

,,Wir müssen beobachten, dass einzelne Regierungen und politische Gruppierungen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen", sagte auch der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko.

...



Aus: "Hass-Rhetorik verschärft Diskriminierung von Minderheiten" Michael Fischer (22.2.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/jahresbericht-von-amnesty-international-hass-rhetorik-verschaerft-diskriminierung-von-minderheiten/20987688.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/jahresbericht-von-amnesty-international-hass-rhetorik-verschaerft-diskriminierung-von-minderheiten/20987688.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 22, 2018, 01:14:04 PM
Quote
AgeofAquarius #8

Früher gab es mehr oder weniger geistreiche Witze über Ostfriesen, heute über Muslime. Der Unterschied: Die Ostfriesen nahmen es mit Humor, weil man sich mit den Oldenburgern nach Jahrhuderten bitterer Feindschaft darauf einigen konnte, blöde Sprüche zu machen, anstatt Köpfe einzuschlagen.
Wenn Veränderungen aber von oben mit übermäßigem Druck und in übermäßiger Geschwindigkeit durchgepeitscht werden, dann bricht das Archaische wieder durch. Das ist nun einmal menschlich. Die Vorsicht gegenüber dem Fremden ist tiefenpsychologisch verwurzelt und hat auch eine wichtige Funktion. Vertrauensbildung braucht Zeit.
Moralpredigten machen das nur noch schlimmer. Das Kind ist bereits im Brunnen. Jetzt muss erst eine Integrationsphase eintreten. Wer das nicht begreift, wird von den Ereignissen überrollt werden.



Quote
Jan Nielsen #8.10

Wie heißt es noch so schön: Man muss einen Witz auch erzählen können.
Ich nenne ihnen mal ein Beispiel aus meinem Leben als Vegetarier. Ich höre mit auch gerne Witze darüber an, aber es machte einen Unterschied, ob jemand mit dem alten Witz ankommt:
,,Weißt du eigentlich, was Vegetarier heißt? Das ist indianisch für ,,Kleiner Krieger, der Angst vorm Jagen hat.""
Oder ob er mich blöd angrinst und meint: ,,Weißt du eigentlich, was Vegetarier heißt? Zu dumm zum Jagen:"
Da merkt man recht schnell, ob es darum ging, einen Witz zu erzählen oder indirekt zu beleidigen.
Und ich denke, die meisten Muslime merken das auch recht schnell, genau wie die Ostfriesen.

P.S: Als Nordfriese finde ich es übrigens eine Sauerei, das wir bei den Witzen ständig übergangen werden ;-)


QuoteQuaregnon #10

Dass die zivilisatorische Decke, die die prinzipiell animalische, gewalttätige und sexuelle Natur des Menschen bedeckt, sehr dünn ist, lässt sich von Youtube-Kommentaren, über Online-Foren bis hin zu allen gewalttätigen Konflikten auf der Erde immer wieder erkennen.

Die Anonymität des Internets und die Entgrenzung des Sagbaren durch gewisse Kreise haben meiner Meinung nach maßgeblich dazu beigetragen, dass die Auslebung solcher niederen Triebe wieder gesellschaftsfähiger und sichtbarer geworden sind.

Mit konkretem Bezug auf Muslime: Es gibt - auch meiner Meinung nach - einige Dinge mit Bezug auf die Flüchtlingskrise, den 'Islam' und die Debatte um Identität, deren kritische Auseinandersetzung im öffentlichen Diskurs gemieden oder erschwert wurde. Das hat sicherlich nicht geholfen.

Nichtsdesotrotz entbindet auch das Bestehen solcher 'Missstände' niemals von der Pflicht zur Menschlichkeit und zur Wahrung der Menschenwürde. Wer sich auf ein im Artikel angeführtes Niveau begibt, welches immer wieder von Vertretern der AFD, der FPÖ und anderer rechtsnationaler Parteien bedient wird, verabschiedet sich aus dem Rahmen sachlicher Diskussion und zeigt, dass sie aus der Deutschen Geschichte, die sie stets so inbrünstig beschwören, nichts gelernt haben.


Quotealex2311 #12

Wenn man die Burka als "Müllsack" bezeichnet ist das Rassismus?


QuoteQuaregnon #12.3

Da jeder seine eigene Rassismus-Definition hat, kann man dieser Frage letztlich nicht befriedigend beantworten.
Aber die Burka als Müllsack zu bezeichnen, und damit zu suggerieren, dass sie Müll bedecke oder beinhalte, ist mindestens abwertend, ich würde sagen rassistsich.

Das ist eben das Problem, das viele Leute haben. Sie können die sachliche und die persönliche Ebene nicht auseinanderhalten. Ich bin auch gegen die Burka und empfinde sie als problematischen Ausdruck einer Geisteshaltung vergangener Zeiten. Trotzdem käme es mir nie in den Sinn, eine Burkaträgerin als wandelnden Müllsack zu titulieren. Komisch, nicht?


QuoteGroschenkind #12.6

Das ist für Sie Hass?
Dann wünsche ich Ihnen, daß Ihnen echter Hass nie begegnet.
Man muß nicht immer gleich Superlative bemühen, das nutzt sich ab, und Sie können es nicht steigern.
Das ist eine unschöne Bezeichnung für ein Kleidungsstück, ja! Wie "Was trägst Du für einen Fetzen am Leib" oder "Pluderhose", oder, oder.

Man kann es auch übertreiben.


QuoteQuaregnon #12.7

Sie übersehen aber geflissentlich, dass "Fetzen" oder "Plunderhose" ausschließlich das gewählte Kleidungsstück beschreibt und keine Referenz zur tragenden Person aufweist.

"Müllsack" hingegen bezieht sich sowohl auf das Kleidungsstück (= einen Sack) als auch auf die tragende Person (= Müll). Man darf sogar annehmen, dass bei der Verwendung dieses Wortes Letzteres im Vordergrund stehen soll.

Ich wüsste nicht, warum man andere Personen als Müll bezeichnen sollte, wenn nicht aus Hass. Vielleicht könne Sie mich ja aufklären?


Quotealex2311 #12.8

Das ist doch bloße Interpretation ihrerseits. Ein Müllsack kann auch leer sein und Sie können ihn sich auch über den Kopf ziehen.


QuoteGroschenkind #12.9

Unsinn. Es geht um ein Kleidungsstück. Das wäre mir neu, das Kleidungstücke Rassismus ausgesetzt sind.
Sich über Lederhosen verächtlich machen, ist das dann auch Rassismus?
Man muß wirklich mal die Kirche im Dorf lassen.


QuoteNutzer X #12.15

Das ist definitiv Rassismus. Müllsäcke sind für Müll gedacht, nicht für muslimische Frauen.


QuoteIsmaili #15

Als in Deutschland aufgewachsener "Ausländer" muslimischen Glaubens, ist mir dies in den vergangenen 2-3 Jahren massiv aufgefallen. Ich verstehe auch nicht, wie einige die Hasskommentare verteidigen können. Ihr könnt ruhig eine alternative Ansicht zur Flüchtlingspolitik haben, jeder Mensch denkt hier ein wenig anders. Aber aus der Flüchtlingspolitik einen Hass gegenüber uns Muslimen zu entwickeln und diesen vorerst verbal und mittlerweile auch immer häufiger non-verbal zu äußern, verunsichert mich und viele meiner muslimischen Freunde immer mehr. Es ist unglaublich was ich online lesen muss und aus diesen Onlinekommentaren lässt sich sehr gut ableiten was in den Köpfen der Menschen vorgeht, sie aber, vorerst, noch nicht trauen öffentlich zu äußern. Dass unsere Frauen Schlampen sind, man uns schlachten sollte und es Zeit für einen Kreuzzug wird, ist regelmäßig zu lesen. Und nein, hier wird nicht differenziert zwischen gut und böse, es gibt nur böse Muslime und solche die auf gut tun, aber versteckt böse sind (kennt man irgendwoher).


QuoteGroschenkind #15.2

Natürlich ist das absolut verurteilenswert.
Aber man liest Selbiges auch umgekehrt, und ich meine jetzt wirkliche ! Hasskommentare, da kräht aber kein Hahn nach.
Dieses einseitige Verurteilen von abartigen Kommentaren ist auch nicht gut.


QuoteLorenz_01 #28

Gegen echte Hasskommentare, Aufrufe zur Gewalt usw. soll und muss konsequent vorgegangen werden. Leider sind Begriffe wie "Hass-Posting" und "Fake News" längst zu politischen Kampfbegriffen geworden. Nicht alles, was als "Hass" und "Fake" bezezichnet wird, ist bei näherer Betrachtung auch solcher.

"Frauen mit Kopftuch würden in nahezu allen Lebensbereichen diskriminiert"

Das mag so sein. Mit Minirock werden Frauen in arabischen Ländern auch diskriminiert, wenn nicht schlimmeres. Ein Rasta-Träger dürfte es vermutlich einer Wirtschaftskanzlei ebenfalls schwer haben. Diskriminierung in einem kulturell völlig anders geprägten Umfeld begegnet man am Besten durch Anpassung.

Und wer die "konzentrierte Unterbringung in Grundversorgungszentren" ernsthaft mit NS-Konzentrationslagern in Verbindung bringt, der will gezielt den politischen Gegner diskriminieren. Es dürfte bekannt sein, dass die "Konzentration" das geringste Problem von Hitlers KZs war und von einer "Grundversorgung" dort wohl kaum die Rede ein kann.

Kein Wunder, dass "Hass" und "Hetze" ebenso wie der übliche "rechts-Vorwurf" bei immer mehr Leuten nur noch ein Achselzucken hervorruft. Wer solche Worte inflationär missbraucht, braucht sich nicht zu wundern, wenn irgendwann auch tatsächlich verurteilenswerte Dinge nicht mehr zur Kenntnis genommen werden.


Quoteganz ruuuhig #37

Hasspostings geben sehr viel Aufschluss über den Verfasser. Es ist ja meist kein Hass sondern eher Frust darüber, sein eigentliches Anliegen nicht mit ausreichenden Argumenten in Worte fassen zu können. Wer nur in Kategorien wie "Kanake" und "Nazi" artikuliert, tut mir herzlich leid.


QuoteFranckl #50

Ich denke die Diversität bei den Hassern und Hasserinnen ist ziemlich breit gefächert.
Man hat viele dumme Leute dabei, Leute die sich selbst hassen, ignorante Menschen, Egoisten, Menschenfeinde, Selbstsüchtige, Soziopathen, Halbgebildete, Stinkstiefel, Spießer und auch sehr viele AFD Wähler, die vieles davon vereinen.

Das ist meine freie Meinung und sollte bitte stehen bleiben.
Denn ich habe nicht pauschalisiert, sondern geschrieben, dass viele AFD Wähler darunter sind, nicht alle, sondern viele viele ;)


Quotemarcoti3 #54

Viele Menschen mögen einen "Hass" gegenüber abstrakten Personen wie "Flüchtlingen" oder "Politikern" haben, weil für sie kein greifbarer Mensch dahinter ist... oder nur aus der Ferne wie im TV zu sehen ist . Sie sehen in ihm dann auch den Konkurrenten oder ganz allgemein die Gefahr des Neuen und Unbekannten.

Wenn sie aber mit diesen Menschen zu tun haben, auch seine Sorgen und Nöte kennen und sehen, dass auch er nur über die Runden kommen will, rückt es auf einmal aus der Anonymität .

Man erkennt zwar, dass man zwar nicht einfach blindwütig aufnehmen kann, aber dass man mit diesen Menschen wenigstens mit Respekt umgehen sollte, auch wenn daraus nie "Liebe" wird.

Das erklärt auch die Tatsache, dass die grösste Abneigung meistens dort ist, wo gar kein Kontakt zwischen diesen Bevölkerungsgruppen stattfindet - sei es die fehlende Integrationswilligkeit ... aber auch der fehlende Wille, sich mit neuen Menschen einzulassen.


QuoteAltlinker #64

"Schwule sind weniger wert als Schweine " - wo kann ich denn den muslimischen Hass medial anzeigen oder wird der auch von diesem "Verein" dokumentiert?


QuotePaul Freiburger #67

Ich war vor zwei Monaten in Wien, in der U-Bahn gab es eine Meldung auf dem Bildschirm am Gleis. Irgendjemand, mutmaßlich ein Politiker, hat da allen Ernstes eine nächtliche Ausgangssperre für Flüchtlinge oder Asylbewerber gefordert. Es macht sich eine Enthemmung breit, die gefährlich ist.


QuoteRenate Beck #77

Vor ca. 10 - 15 Jahren gab es in der WDR-Sendung ,,Mitternachtsspitzen" einen Beitrag zu Afghanistan und Taliban. Hier wurde die Burka als Kartoffelsack bezeichnet. Darüber hat sich damals niemand empört. Dies war ein kabarettistischer Beitrag. Damals sprach man noch nicht von political correctnes.
Wir sollen uns den humorlosen Muslimen anpassen - siehe Mohamed- Karikaturen- , um uns nicht dem falschem Rassismusvorwurf auszusetzen.


QuoteRiders on the storm #81

Ich verstehe diesen Zusammenhang nicht und die Debatte ist aus meiner Sicht falsch geführt!
Es gibt nicht den Islam und vor allem ist der Islam keine Rasse !
Wenn ich den Islam kritisch betrachte dann betrachte ich ja keine Rasse kritisch.
Wenn ich den Islam hasse dann hasse ich keine Rasse und bin auch kein Rassist, dann bin ich islamophob bis islamfeindlich.
Wenn ich den Deutschen Sven Lau für seine salafistischen Überzeugungen angreife und verurteile bin ich dann Rassist ?
Rassist bin ich wenn ich Araber verabscheue oder Afrikaner nicht mag.
Ich komme aber hervorragend mit Afrikanern aus, aber nicht mit islamistischen Afrikanern.
Ich kümmerte mich um eine irakische jesidische Familie, werde es aber garantiert nicht für talibannahe Afghanen tun.
Mir wäre lieb, wenn das Thema mit anderen Worten besetzt wäre.
Seyran Ates ist eine sehr angenehme Person und ich finde ihren Islam sehr angenehm, den Islam von milli görus möchte ich hier nicht.


QuoteFrieden_Peace_Shalom_Salam #81.1

Zitat: "Wenn ich den Islam hasse dann hasse ich keine Rasse und bin auch kein Rassist, dann bin ich islamophob bis islamfeindlich."

Der Islam gehört zu Menschen wie die schwarze Hautfarbe zu schwarze Menschen. Sie können nun behaupten, dass sie nur die schwarze Hautfarbige hassen jedoch nicht den schwarzen Menschen.

So ungefähr ist der versteckte Rassismus hinter rechte Logik mit Äußerungen wie "nichts gegen Muslime aber gegen den Islam". Und mit "den Islam" suchen die sich dann den bösen Menschen (Salafisten/IS&Co) und beschuldigen damit den unschuldigen der nichts am Hut mit böse&co haben.

Außerdem, siehe Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus)
Der ,,moderne" Rassismus


QuoteBack to sweden #81.2

"Der Islam gehört zu Menschen wie die schwarze Hautfarbe zu schwarze Menschen."
Das ist doch kompletter Quatsch. Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich.
Der Islam ist eine Ideolgie und Weltanschauung und ein Hirngespinst namens Religion. Was hat das denn mit der Hautfarbe zu tun?


QuoteFarmhouse #93

Hasspostings sind überall auf dem Höchststand:
https://www.haaretz.com/israel-news/adl-slams-chief-rabbi-of-israel-for-calling-black-people-monkeys-1.5932876

https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-netanyahu-danger-posed-by-african-migrants-is-greater-than-terrorism-1.5930984

Das ist auch dem Medium Internet geschuldet:
ein Leserbrief nahm mehr Zeit in Anspruch, und ich behaupte mal:

Der überkorrekte Umgang im Alltag -jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt- ein Bauarbeiter darf nicht mal mehr Sch.... rufen oder den Kollegen (der das ja auch tut) mal als Depp zu bezeichnen (und nach Feierabend beim Bier wieder mit ihm zusammenzusitzen), wenn ihm ein Hammer auf den Fuß fällt, nimmt den Menschen das Ventil, Ärger und Frust ad hoc loszuwerden.

Die Einführung der Diplomatensprache auf allen gesellschaftlichen Ebenen und in allen Lebensbereichen bewirkt das Gegenteil !

Es ist also ob man ständig eine Colaflasche schüttelt ohne den Druck abzulassen.

Das werden die Journalisten und Sprachpolizisten aber nie verstehen.



QuoteMarybeth #94

Offene Gesellschaft heisst nicht, dass sich dort alle Menschen der Welt nach ihrem Gusto tummeln und dort einklagen können. Die Lebenswirklichkeit kennt keine Pflicht
zur Teilnahme aller an allem. Das müssen Europäer immer wieder zur Kenntnis nehmen,
wenn sie außerhalb Europas Urlaub machen.


QuoteMasafi #100

Was hat eine westlich geprägte Gesellschaft mit Diskriminierung zu tun? In England wo ich arbeite gibt es keine derartige Diskriminierung. Musliminnen mit oder ohne Kopftuch arbeiten hier als Ärzte, Ingenieure, Architekten, Lehrer usw. ohne daß es Probleme gibt. Das Kopftuch hat den Staat nicht unterwandert oder erobert, glauben sie mir. Übrigens, das gleiche gilt hier auch für die Sikhi Community. Bei denen ist der Turban noch mehr von Bedeutung als bei der Muslimin. Einfach nur eine Schande, dass diese Community in Deutschland keinen Fuß fassen kann. Das sind besonders hart arbeitende Menschen was sich durch ihre Religion begründen lässt.

Vielleicht genießen es viele Deutsche einfach ein bisschen den sadistischen Unterdrücker zu spielen und das alles andere nur Verschleierung ist.


Quoteliviv #102

Das ist doch alles Irr, fahren Sie nach Saudi Arabien und sagen Sie Öffentlich, das Christentum gehört zu uns,wo glauben Sie sind Sie in 5 Minuten??


Quotejhk9 #102.1

Mag sein. Und finden Sie das gut? Sollten wir es denn nicht besser machen als Saudi Arabien?


Quoteliviv #102.2

Warum??


Quotejhk9 #102.3

Naja, kommt drauf an, für welche Werte wir stehen wollen. Ich befürworte eine Gesellschaft, in der Werte wie Respekt und Toleranz gelebt werden. Da ist Saudi arabien nicht gerade ein Vorbild.


Quoteliviv #102.4

Für diese Werte stehe ich auch,aber nur wen Sie mir auch entgegengebracht werden,ansonsten nicht(SO WIE DU MIR SO ICH DIR) weil ansonsten bin ich immer der Gute, aber der Blöde.


Quotejhk9 #102.5

,,nur wen Sie mir auch entgegengebracht werden"
In Deutschland müssen sich die Muslime ja auch an unsere Gesetze halten.


Quoteliviv #102.6

Tun Sie es?? Träume.


Quotejhk9 #102.8

Nicht alle, aber die meisten.


QuoteMFFM #104

Es ist schon erschreckend und bedenklich, wie viele Menschen mittlerweile meinen, Ressentiments seien schon eine "Meinung". Ich hätte nie gedacht, dass man sich eines Tages um die Demokratie in D Sorgen machen muss.


Quotepotstill #114

Eine Herausforderung sich hier zu positionieren.

Ich will mich nicht den xenophoben Idioten anschließen, die all diejenigen ablehnen die nicht "deutsch" aussehen, andere Sprachen sprechen und sich offen zu einer anderen Religion bekennen.

Allein die Idee einer Leitkultur finde ich in ihren Grundzügen faschistisch und rückschrittlich.

Allerdings steht die streng patriarchale gottesfürchtige Gemeinschaft der gläubigen Muslime für all die Ideen die ich ideologisch ablehne. Ebenso wie patriarchale gläubige Katholiken stehen sie für die Unterdrückung und Abwertung der Frauen, die Ablehnung der Aufklärung, die Ablehnung sexuell aufgeklärter und mündiger Männer und Frauen. Jede Religion ist per Definition undemokratisch und hat für eine weltoffene demokratische Gesellschaft nur Nachteile.

Ich bin froh, dass wir den meisten Katholiken bei uns schon längst die Zähne gezogen haben (ein paar Ausnahmen gibt's wohl noch in Bayern und Österreich).

Ich hoffe unsere Gesellschaft zieht auch dem Islam die Zähne und wandelt die Migranten in säkulare demokratische Gesellschaftsmitglieder. Ansonsten geht's mit der aufgeklärten Gesellschaft wieder nach unten.


Kommentare zu: "Österreich: Hasspostings gegen Muslime auf Höchststand" (21. März 2018)
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/oesterreich-rassismus-report-2017-fluechtlinge-islam-internet-hasspostings-zunahme (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/oesterreich-rassismus-report-2017-fluechtlinge-islam-internet-hasspostings-zunahme)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 03, 2018, 12:13:49 PM
Quote[...] Zufällig hört man Musik, sie dringt in lauten, schweren Beats aus einem Radio oder gar aus dem Kinderzimmer. Es rappt einer auf Deutsch. Und kaum vernimmt man ein paar Wörter – «Bitch», «Schwanz», «Nutte», «Hurensohn» –, wird man konfus. Darf das wahr sein?, fragt man sich. Kaum zu glauben, dass so viel Misogynie und Brutalität, so viel Zynismus und blanker Hass erlaubt sein sollen in der Gegenwart des Pop. Wäre das nicht ein Fall für die Polizei? Müsste sie nicht zensurieren und verbieten, um wieder Ordnung zu schaffen in dieser prekären Welt?

... Westliche Gesellschaften werden seit Jahrzehnten durchgeschüttelt infolge der Anmassungen wechselnder Jugendkulturen. Die Lage hat sich verschärft, seit Rock, Punk und Hip-Hop die Provokation als poppige Allzweckwaffe der Agitation und Promotion entdeckt haben. Und wer sich tatsächlich provozieren lässt, wer auf die Barrikaden steigt und die Zensur einfordert, erfüllt quasi das ästhetische Programm der Provokateure.

... Mitte der achtziger Jahre etwa empörte sich Susan Baker, die Frau des damaligen amerikanischen Finanzministers James Baker, über sexuelle Anspielungen im Madonna-Song «Like a Virgin»; nichtsahnend hatte sie die Platte ihrer siebenjährigen Tochter geschenkt. Ähnliche Erfahrungen machte Tipper Gore, Al Gores Gattin, deren Tochter Prince zuhörte, wie er in «Darling Nikki» die Masturbation besang. Die aufgebrachten Mütter gründeten zum Schutz des amerikanischen Nachwuchses nun gemeinsam das Parents Music Resource Center. Die Organisation setzte im amerikanischen Senat 1985 die Kennzeichnung «jugendgefährdender» Musik durch. Fortan mussten einschlägige Alben einen «Parental Advisory»-Sticker tragen, der Eltern vor Obszönität warnte.

... Man mag den Initiantinnen zugutehalten, dass der Sticker die Auseinandersetzungen um Anstand, Moral und Werte in die Zonen von Elternhaus und Erziehung brachte, wo sie gewiss hingehören. Auch das Musik-Business konnte sich dank der Sticker-Pflicht nicht mehr seiner Verantwortung entziehen. Allerdings hat die Pop-Kultur den warnenden Aufkleber quasi umgedeutet zum Gütesiegel: Alben ohne «Parental Advisory»-Sticker wurden kaum noch ernst genommen.

... Mehr noch als obszönes Reden prägen den amerikanischen Rap die Erfahrungen in den Ghettos, in denen viele schwarze Rapper aufgewachsen sind. Die Wut über Zurücksetzung und Ausgrenzung entlädt sich immer wieder in Posen der Delinquenz und im Tonfall des Hasses. Der typische Gangsta-Rapper beschwört den Kampf gegen die Staatsmacht, die ihn drangsaliert. Und er zelebriert den Gesetzesbruch als Initiation einer Gegen-Souveränität. Deshalb handeln die Lyrics immer wieder von der Polizei. «Fuck Tha Police» (1988) von NWA sorgte für einen ersten Skandal. Das FBI meldete sich bei der Major-Plattenfirma Warner. Nachdem auch Senatoren Druck gemacht hatten bei der Plattenfirma, musste Doug Morris, der verantwortliche Manager, den Hut nehmen (er machte dann Karriere bei Universal).

Zur Staatsangelegenheit wurde 1992 auch «Cop Killer», ein Stück, in dem sich der Rapper Ice-T als Polizistenmörder inszenierte. Präsident George Bush kritisierte die Plattenfirma, die solchen Schund herausbringe. Ice-T selber machte geltend, es handle sich um ein Rollenspiel. Letztlich gab er aber klein bei und veröffentlichte sein Album «Body Count» neu ohne den inkriminierten Song.

Rappen erschöpft sich nicht im Sprechen über etwas. Es handelt sich um einen Sprechakt, der das Fluchen und Verfluchen kultiviert in einem Wettbewerb um Schlagfertigkeit und rhythmischen Drive. Im Streit stiften sich die Akteure zuweilen zu künstlerischen Höchstleistungen an. Doch entwickelt sich im Sport des Verhöhnens und Beleidigens manchmal eine gefährliche Dynamik, die zu Aggressionen führt. Ein Rapper-«Beef» kann in offene Gewalt ausarten (wie in den neunziger Jahren zwischen West- und East-Coast-Rappern).

Aber schon Hetze und Hassrede sind strafrechtlich relevant – hier darf der Staat keine Milde walten lassen. Beispielhaft dafür sind die jamaicanischen Rapper, die sogenannten Deejay des Dancehall, die in ritualisierten «Batty Boy»-Tunes die Erschiessung oder das Erschlagen von Homosexuellen fordern. Sobald nun aber zu Gewalt gegen Individuen oder Gruppen aufgerufen wird, bewegen sich die Musiker jenseits der Legalität und können sich nicht mehr hinter Kunst- oder Meinungsfreiheit verschanzen. Ihre Texte sind strafbar.

An den Battles des amerikanischen Gangsta-Rap orientieren sich auch die deutschen Gangsta-Rapper. In der von Immigranten dominierten Szene wird dabei ein Milieu-Chauvinismus zelebriert, der bei allen Jungs gut ankommt. Für Halbwüchsige erweist sich der Gangsta-Rap (ähnlich wohl wie Ego-Shooter-Games) als ein Medium und Ventil, das Frustrationen, Wut und Hass gleichzeitig zelebriert und abführt. Wer sich durch den Sündenpfuhl dieser Szene bewegt, trifft deshalb allenthalben auf faulige Stilblüten, Geschmacklosigkeit und die sprachlichen Aggressionen dauergestresster Typen. Es werden «Mütter gefickt» oder «Schwuchteln umgebracht». Auch religiöse oder ethnische Minderheiten sind vor Beleidigungen nicht sicher.

In der Sorge um den demokratischen Frieden könnte man deshalb leicht auf undemokratische Gedanken kommen. Doch Dummheit und Geschmacklosigkeit sind per se so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie. Und wer nach Polizei und Zensur ruft, ist vielleicht bloss träge oder zu feige, selber Stellung zu beziehen.

...


Aus: "Kommentar: Dummheit und Geschmacklosigkeit sind so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie" Ueli Bernays (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/gangsta-rap-verletzt-tabus-bricht-er-auch-gesetze-ld.1382383 (https://www.nzz.ch/meinung/gangsta-rap-verletzt-tabus-bricht-er-auch-gesetze-ld.1382383)

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Quote[...] Die gegenwärtig vor allem in Deutschland geführte Auseinandersetzung um politische Korrektheit in der Sprache verleitet dazu, sich zügig als Kritiker oder Verteidiger, politisch am linken oder rechten Rand, einer wahlweise «Tugendterror-geleiteten» oder Gender-sensiblen Sprache zu bekennen. In diese Falle sollte man als Liberaler nicht treten, zumal, wenn man sich von ideengeschichtlichen und philosophischen Grundsätzen leiten lässt.

Auch wenn es mindestens seit 1932, als Kurt Tucholsky die Vereinnahmung von Friedrich Nietzsche durch die Nazis zurückwies, recht deutlich ist, dass sich Nietzsche für alle möglichen – auch politischen – Positionen heranziehen lässt, so hat uns dieser scharfsinnige Diagnostiker seiner Zeit doch einen Fundus von idiomatisch präzisierten Topoi hinterlassen, der manches besser fasst, als unsere zeitgenössische Sprache es mitunter kann. Warum also nicht bei dieser aktuell bedeutenden Debatte um die politische Korrektheit in der Sprache bei Nietzsche nachlesen?

Der Blick fällt auf ein Diktum, das Nietzsche im Zusammenhang mit seiner Abrechnung mit dem einst so verehrten Komponisten in «Der Fall Wagner» formuliert hat: «er setzt ein Princip an, wo ihm ein Vermögen fehlt [. . .].» Gemeint war der Vorwurf, dass Richard Wagner letztlich handwerkliches kompositorisches Unvermögen zum «Stil überhaupt statuier[t]», also als «Princip verkleidet» habe.

Der Vorwurf, wie falsch oder zutreffend er gegenüber Richard Wagner auch sein mag, enthält einen Gedanken, der für die Diskussion, inwieweit eine politisch korrekte Sprache zulässig und notwendig oder aber schädlich bzw. allenfalls lächerlich sei, instruktiv sein kann.

«Political Correctness» ist keine deutschsprachige Spezialität. Abgesehen davon, dass es schon immer auch einen moralisch inspirierten Anspruch an eine «richtige Sprache» über Politik und Gesellschaft gegeben hat, beginnt die Kritik an überkommenen Modi des Sprechens, vor allem über Frauen und gesellschaftliche Minderheiten, in den USA Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre. Wie später in Deutschland auch hat man sich zunächst über Neuerungen lustig gemacht – in der klassischen Rhetorik als «Aptums-Verletzung» nachgerade als Standardfall von unbeabsichtigter Komik identifiziert. Diese Ebene der Diskussion ist in vielerlei Hinsicht unerheblich. Der Streit um den «Negerkuss», den «Wintermarkt», den «Traditionshasen», ja selbst der Eingriff in literarische Texte, wie etwa bei Otfried Preusslers «Klaubholzweibern», dienen lediglich dazu, den Protagonisten von Verteidigern und Gegnern neuer Idiome dabei zu helfen, das jeweils eigene Lager seiner selbst zu vergewissern. Liberale sollten sich darauf nicht einlassen.

Denn jenseits dieser Debatte um mehr oder weniger geglückte Sprachsubstitute sind sowohl das Phänomen als auch der Begriff der politischen Korrektheit zur politischen Waffe geworden. Die Hoheit über Begriffe hat den Bereich der politischen Auffassungen und ihrer Legitimität erreicht. Es stellt sich die Frage, in welchem Ausmass politische Äusserungen im öffentlichen Raum sanktioniert werden dürfen. Die Reaktionen etwa auf die sogenannte «Gemeinsame Erklärung 2018» zeigen, dass eine persönliche Positionierung im öffentlichen Raum nicht nur Gleichgültigkeit, Widerspruch oder Unterstützung erzeugt, sondern auch schneller, als dies vor zwanzig oder dreissig Jahren in Deutschland der Fall war, mit dem Vorwurf der Illegitimität konfrontiert wird. Man kann auch sagen: Die politische Positionierung im öffentlichen Raum ist zu einer Frage des Prinzips oder Stils im Sinne Nietzsches geworden.

Wenn einerseits in Zeitungen zur Ächtung von «Rechtsextremen» aufgerufen wird (wobei es offenbleibt, jenseits welcher Grenze nach Auffassung der Redaktionen Rechtsextremismus besteht), andererseits Bürgermeister, die öffentlich Position für Flüchtlinge beziehen, Hasstiraden im Netz ertragen und um ihre persönliche Sicherheit auf der Strasse fürchten müssen, dann sollte das nicht nur Liberale beunruhigen. Es geht nicht mehr um den Diskurs, um die Fähigkeit zur argumentativen Auseinandersetzung, sondern es geht ums Prinzip.

Der freie politische Diskurs, der nur an seinen äussersten Rändern begrenzt werden darf, um funktionieren zu können, ist am Ende des Tages die wichtigste Verteidigungslinie der Demokratie. Fragen der Grenzziehung sind dabei so alt, wie die Meinungsfreiheit Bestandteil moderner Verfassungsstaaten ist.

Doch heute hat sich etwas fundamental verändert: Es gilt nicht mehr, was Kurt Tucholsky den Journalisten einmal zugesprochen hat, nämlich dass ihre stärkste Waffe das Totschweigen sei. Debatten, die geführt werden wollen, werden geführt, die digitale Medienwelt hat den organisierten öffentlichen Diskurs des professionellen Journalismus entgrenzt. Konnten sich Herrscher früherer Zeiten darauf verlassen, dass erstens Ideen und Gedanken, die keine Sprache haben, auch keine Chance auf politische Durchsetzung beanspruchen können und dass zweitens der Lackmustest für die Sprachlosigkeit der öffentliche Raum und seine Medien sind, so lässt sich heute zwischen öffentlich und privat nur mit Mühe unterscheiden. Klassische Medien haben ihre Konsolidierungsfunktion für den öffentlichen Diskurs, mancher mag auch sagen: ihre Deutungsmacht, bereits weitgehend verloren. Der Versuch, auf diesem Wege den Korridor des politischen Konsenses unter Kontrolle zu halten, ist im 21. Jahrhundert zum Scheitern verurteilt.

Kritiker wie Verteidiger politischer Korrektheit bedrohen gleichermassen die Demokratie. Die Verteidiger trauen dem öffentlichen Diskurs in Wahrheit nicht und versuchen über eine Steuerung von Sprache den Korridor politischer Haltungen mitzubestimmen. Das ist aus liberaler Sicht töricht, denn auch die gesellschaftlichen Freiheiten, um die es einer wohlverstandenen politischen Korrektheit fraglos geht, lassen sich durch sanktionierte Sprach-Übungen letzten Endes nicht verteidigen. Es bedarf immer des substanziellen gesellschaftlichen Konsenses, der auf Dauer nur mit den besseren Argumenten, einem funktionierenden Rechtsstaat und einer dafür sensiblen politischen Elite sichergestellt werden kann.

Die Kritiker der politischen Korrektheit sind aus liberaler Sicht ebenfalls bedrohlich, weil sie denjenigen einen Schutzschirm der Toleranz leihen, denen es genau darum nicht geht, denen es in Wahrheit um eine konservative Revolution zu tun ist, die am Ende zur Ausgrenzung von Menschen führt. Beide Positionen sind für Liberale ein Greuel.

Für den Liberalismus ist eine sensible Sprache über die Dinge der Welt keine Frage des Prinzips, sondern eine des humanistischen Vermögens, eine Frage des Respekts vor anderen Menschen, kurz: eine Selbstverständlichkeit, die nicht verordnet werden muss. Systematische, abstrakte und letztlich auf reine Ideen bezogene Übungen der Sprache und Idiome über die Welt lehnt man als Liberale ab.

Die Fähigkeit, einen offenen Diskurs zu führen, der eine weit gefasste Toleranz für politische Meinungsäusserung hat und dennoch in der Sache argumentativ entgegentreten kann, ist eben das: ein Vermögen des Individuums und kein Prinzip. In Analogie zu Friedrich Nietzsche kann man sagen: Hinter dem Rekurs auf Prinzipien steht mitunter nicht mehr als ein Unvermögen in der Sache. Eine Schwäche der 68er war es denn auch, dass sie mit zunehmendem gesellschaftspolitischem Erfolg Prinzipien an die Stelle ihres unzweifelhaft bestehenden vitalen Vermögens gesetzt haben.

Werner Bruns und Markus Müller sind Honorarprofessoren an der Rheinischen Hochschule Köln bzw. der Zeppelin-Universität Friedrichshafen und waren Mitglieder von FDP-Grundsatzkommissionen.


Aus: "Gastkommentar: Politische Korrektheit ist oft nicht mehr als zum Prinzip erhobenes Unvermögen"
Werner Bruns und Markus Müller (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/politische-korrektheit-ist-oft-nicht-mehr-als-zum-prinzip-erhobenes-unvermoegen-ld.1371721 (https://www.nzz.ch/meinung/politische-korrektheit-ist-oft-nicht-mehr-als-zum-prinzip-erhobenes-unvermoegen-ld.1371721)


Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 13, 2018, 09:47:59 AM
Quote[...] Konstantin Flemig - Als Journalist und Filmemacher berichtet Konstantin von den Krisengebieten dieser Erde. Somalia, Irak, Syrien, Kongo:  Wo Menschen alles verlieren, müssen sie zumindest eine Stimme bekommen.

Ein dreiminütiger Clip, in dem ich den türkischen Einmarsch in Syrien als ,,dumme Idee" bezeichne: mehr brauchte es nicht, um von Extremist*innen bedroht zu werden. Ein Erfahrungsbericht

... Ich saß gerade im Bus und amüsierte mich über den neuesten Schwall an Beleidigungen, als ich bei einem Post hängen blieb: ,,Hör auf, Lügen zu verbreiten im Auftrag des deutschen Staates. Du Hund. (...) Eines Tages wirst du dafür gekidnappt."

Im ersten Moment hatte ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Sollte das ein Witz sein? War es womöglich ganz anders gemeint als es rüberkam? Ich habe schon so Einiges erlebt, ein Jahr zuvor lag ich an der Frontlinie zum IS und habe das Kamerastativ über die Barrikaden gehalten, um ins Kalifat hineinzufilmen. Aber eine so direkte Drohung, unmittelbar an mich gerichtet – das war etwas völlig Neues für mich.

Ich beschloss, mir professionellen Rat einzuholen. Polizei und Reporter ohne Grenzen bestätigten meine erste Einschätzung: Ja, es könnte der Tatbestand der Bedrohung erfüllt sein. Mir wurde empfohlen, offiziell Anzeige zu erstatten.

In den folgenden Tagen kamen noch diese zwei weitere Kommentare: ,,Du bist ab heute ein Staatsfeind! Dein Video wurde meiner Regierung weitergeleitet. Und allgemein würde ich dir raten, keinen richtigen Türken zu begegnen. Viel Erfolg, bald sieht man deine Reste wie von deinen YPG-Kämpfern" und ,,Arschloch, dich muss man auch töten".

Ich googelte mich, um herauszufinden, ob irgendwo im Internet meine Adresse einsehbar ist. Zum Glück nicht. Kurzzeitig überlegte ich, es zu ignorieren, diese Leute als Wichtigtuer*innen mit Minderwertigkeitskomplexen zu sehen, die nicht über die Folgen ihrer Taten nachzudenken. Doch das war keine Option.

Es kann doch nicht sein, dass eine solche Form der Einschüchterung zum ganz normalen Teil unserer politischen Debattenkultur wird. Egal, aus welcher Ecke sie kommt, ob von Rechten, Linken, Islamist*innen – oder, wie vermutlich in diesem Fall, von türkischen Nationalist*innen.

Mit den ausgedruckten Kommentaren im Gepäck, stattete ich der Polizei eines Morgens einen Besuch ab. Dort legte man mir ein Formular vor, auf dem ich den Sachverhalt schildern und die Namen der Täter*innen, sowie die Zeitpunkte der Taten festhalten sollte. Zwei der Profile, von denen die Drohungen ausgingen, waren einsehbar, mit Namen und mehreren Fotos der User.

Einen Monat ist es nun her, dass ich Anzeige erstattet habe. Seitdem ist nichts passiert. Keine Neuigkeiten und zum Glück auch keine weiteren Drohungen. Ich vermute, dass die Polizei die Lage so ähnlich einschätzt, wie ich: dass es sich bei den Kommentaren um Machogehabe handelt und keine reale Gefahr für mich besteht.

Trotzdem erwische ich mich manchmal bei dem Gedanken: Was, wenn doch?

Aber sich davon beeinflussen zu lassen wäre nichts anderes, als diesen Idiot*innen den Sieg einzuräumen. Ich mache auch weiterhin Videos, ich äußere mich auch weiterhin zu kontroversen Themen, und ja – ich werde auch weiterhin Kriegsverbrechen kritisieren. Denn an dem Tag, an dem ich das nicht mehr könnte, wäre für mich persönlich das Grundrecht auf Freiheit der Presse und der Meinung in Deutschland gestorben.  ...


Aus: "Wie ich Morddrohungen erhielt, weil ich die Türkei kritisierte" Konstantin Flemig (13. Mai 2018)
Quelle: https://ze.tt/die-erste-morddrohung-ist-die-schlimmste/ (https://ze.tt/die-erste-morddrohung-ist-die-schlimmste/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 15, 2018, 09:50:00 AM
Quote[...] [Scheidungsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek im Interview]: Untersuchungen zeigen, dass die Ehen besser halten, in denen sich die Partner gepflegt zoffen.

...


Aus: ",,Zweite Ehen sind oft die besseren"" Moritz Honert (14.05.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/scheidungsanwaeltin-ingeborg-rakete-dombek-im-interview-das-recht-hinkt-dem-leben-immer-hinterher/21265578-3.html (https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/scheidungsanwaeltin-ingeborg-rakete-dombek-im-interview-das-recht-hinkt-dem-leben-immer-hinterher/21265578-3.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 15, 2018, 10:26:46 AM
Quote[...] Schon zu Beginn zeigte sich, dass die Zuhörer mit keiner gewöhnlichen Veranstaltung an einer Universität zu rechnen hatten. Da Abdel-Samad durch seine Islamkritik und die darauf folgenden Morddrohungen unter Personenschutz steht, verzögerte sich der Veranstaltungsbeginn durch Taschen- und Personenkontrollen um eine halbe Stunde.

In dem überfüllten Hörsaal lauschten dann aber ungefähr 340 Personen dem Vortrag mit anschließender Fragerunde. Der Autor betonte, dass es gerade in den Räumen einer Universität erstrebenswert sei, eine kontroverse Debatte zu wagen und wandte sich damit vor allem an jene Gäste des Vortrags, die sich über seine Thesen empören. Nicht alle kamen diesem Wunsch nach: Mehrfach wurde der Versuch unternommen, den Vortrag durch Zwischenrufe zu stören. Nach einigen Minuten verließen mehrere Personen als Ausdruck ihres Protests den Saal.

Davon recht unbeeindruckt skizzierte der Politologe zunächst, dass laut offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit die Integration vor allem bei einer Gruppe scheitere: Jugendliche mit türkischen oder arabischen Wurzeln haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit im Bildungssystem und Arbeitsmarkt zu versagen als gleichaltrige Herkunftsdeutsche oder Jugendliche mit beispielsweise ostasiatischen Migrationshintergründen.

Abdel-Samad sprach von Parallel- bzw. Gegengesellschaften in Deutschland, die die eigene Integration in die Mehrheitsgesellschaft ablehnen und aktiv dagegen arbeiten. Verantwortlich für diese Integrationsverweigerung und die fehlende emotional-affektive Bindung sei auch der Islam. So würden religiös motivierter Sexismus und Intoleranz multipliziert und zu verfestigten Strukturen führen. Viele Muslime in Deutschland seien dermaßen indoktriniert, dass sie nur noch fähig seien, aus kollektivistischer Sicht zu argumentieren.

Integration scheitere allerdings auch daran, dass Grenzen von beiden Seiten gewollt seien. Struktureller Rassismus der Herkunftsdeutschen spiele den Akteuren in die Hände, die einen muslimischen Opfermythos schaffen möchten. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sende zwar wichtige Appelle für die Integration, bemächtige sich aber keinerlei Mechanismen, die Integration zu kontrollieren und zu formen. Symbolische Maßnahmen wie Markus Söders Forderung, Kreuze in allen bayerischen Behörden aufzuhängen, seien vielmehr Ausdruck der eigenen Rat- und Orientierungslosigkeit.

Die anschließende Fragerunde wurde sehr hitzig und zum Teil persönlich geführt. Auf die Frage eines bekennenden AfD-Sympathisanten, ob es denn keine Partei wie die AfD bräuchte, um dem politischen Islam in Deutschland entgegenzuwirken, betonte Abdel-Samad, dass die AfD, ähnlich wie die deutschen Islamverbände, nur ihre eigene Parallelgesellschaft bewerbe und somit nicht konstruktiv zur Problemlösung beitrage. Dennoch sei es wichtig die Meinungsfreiheit ernst zu nehmen und auch abweichende Meinungen zuzulassen. "Sonst wird es gefährlich!", mahnte Abdel-Samad.

Einige Muslime im Raum warfen dem Islamkritiker Eindimensionalität und Wirklichkeitsverfälschung vor, konnten jedoch im Gegensatz zum Autor zur Untermauerung ihrer Aussagen keine wissenschaftlichen Fakten liefern. Trotz der emotionalen Debatte schaffte Hamed Abdel-Samad es, die Debatte durch Ruhe und Besonnenheit in zivilisierte Bahnen zu lenken und unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen zu lassen.

Quote

Bernd Kammermeier am 9. Mai 2018

Ich war mit Juliana und Alex Stier auch in der Veranstaltung, die den üblichen Unruhetourismus muslimischer Jugendlicher ertragen musste, d.h.
koordinierte Klingeltöne und koordiniertes Verlassen des Raumes, um möglich effektiv den freien Meinungsaustausch zu unterbinden.

In der Tat geht Hamed inzwischen äußerst routiniert und kaltblütig mit diesen Undemokraten um, zumal sie ein in viele europäischen Ländern bekanntes Phänomen praktizieren. Das einzige was dagegen hilft, ist Besonnenheit und stur sachlich bleiben. Gegen Unvernunft hilft nur noch mehr Vernunft. ...


...


Aus: "Hamed Abdel-Samad: "Wir müssen auch abweichende Meinungen zulassen"" Helge Brunswig (9. Mai 2018)
Quelle: https://hpd.de/artikel/hamed-abdel-samad-wir-muessen-auch-abweichende-meinungen-zulassen-15567 (https://hpd.de/artikel/hamed-abdel-samad-wir-muessen-auch-abweichende-meinungen-zulassen-15567)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 23, 2018, 10:06:54 AM
Quote[...] Stumpfe Hetze und gezielte Provokation, wirre Reden und eine weitreichende Immunität gegen jede Art von Argumentation - das ist der rhetorische Werkzeugkasten, mit dem die Rechte ihre Erfolge einfährt. Bittere Erkenntnis: Die Rechte siegt nicht trotz, sondern wegen ihrer inhaltlichen Inkohärenz, nicht trotz, sondern wegen ihres überdrehten, von Skandal zu Skandal eilenden Personals. ... Die bürgerliche Öffentlichkeit steht dem Phänomen bislang hilflos gegenüber. Ähnliches gilt für die Linke. ...

...


Aus: "Hetzen und Jammern" (ak 638 vom 15.5.2018)
Quelle: https://www.akweb.de//themen/sonderbeilage_rechte.htm (https://www.akweb.de//themen/sonderbeilage_rechte.htm)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 06, 2018, 03:41:42 PM
Quote[...] 1849 hat Franz Grillparzer den Satz geschrieben: "Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität." Wer Grillparzer liest und wer Leute wie Salvini hört, der weiß, dass die Humanität wieder bedroht ist, massiv, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr: Sie ist bedroht von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, Flegelei und Unverschämtheit, von der Verhöhnung von Anstand und Diplomatie, sie ist bedroht von einer sehr oft rabiaten Verweigerung des Respekts und der Achtung, die jedem Menschen zustehen, dem einheimischen Arbeitslosen, dem Flüchtling wie dem politischen Gegner. ...

... 1849 hat Franz Grillparzer den Satz geschrieben: "Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität." Wer Grillparzer liest und wer Leute wie Salvini hört, der weiß, dass die Humanität wieder bedroht ist, massiv, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr: Sie ist bedroht von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, Flegelei und Unverschämtheit, von der Verhöhnung von Anstand und Diplomatie, sie ist bedroht von einer sehr oft rabiaten Verweigerung des Respekts und der Achtung, die jedem Menschen zustehen, dem einheimischen Arbeitslosen, dem Flüchtling wie dem politischen Gegner.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat das in einem Interview mit mir vor ein paar Jahren in der Süddeutschen Zeitung beklagt: "Da wird heute wieder geredet wie damals, vom sozialen Frieden, der durch die Aufnahme der Flüchtlinge bedroht sei; da wird wieder geredet von der innenpolitischen Balance, die durch die Flüchtlinge gefährdet werde; da wird vom Missbrauch des Asylrechts geredet. Genau so war es damals. Nach und an diesem Gerede sind damals so viele Menschen gestorben. Die Konferenz von Évian hätte vielen Menschen das Leben retten können. Daraus gilt es zu lernen. Der Versuch, den europäischen Kontinent abzuschotten, bedeutet: Wir haben nichts gelernt."

...


Aus: "Prantls Blick: "Wisst ihr nicht, dass diese verdammten Zahlen menschliche Wesen sind?"" Heribert Prantl (1. Juli 2018)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-wisst-ihr-nicht-dass-diese-verdammten-zahlen-menschliche-wesen-sind-1.4036077 (http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-wisst-ihr-nicht-dass-diese-verdammten-zahlen-menschliche-wesen-sind-1.4036077)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 21, 2018, 10:29:55 PM
Quote[...] Syrer in Deutschland streiten sich über Politik, Werte – und darüber, was man voneinander erwarten kann.

... In der Diaspora sind auch jene Syrer gezwungen, einander auf engstem Raum zu begegnen, die im Heimatland nur sehr wenig einte. Denn auf kultureller, intellektueller und wirtschaftlicher Ebene gibt es große Differenzen zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung. Es heißt, dass Syrer erst während der Revolution begannen, ihr Land kennenzulernen. Als sie sich dann notgedrungen in Aufnahmelagern und Gemeinschaftsunterkünften von Angesicht zu Angesicht begegneten, wurde ihnen klar, dass nationale Zugehörigkeit weniger verbindet als geteilte politische oder religiöse Auffassungen. In ihrem Aufnahmeland aber, zum Beispiel hier in Deutschland, werden sie trotzdem als eine einheitliche Gruppe betrachtet.

Politische Diskussionen darüber, wer die Verantwortung für die enorme Zerstörung und Vertreibung in Syrien trägt, eskalieren schnell. Aus diesem Grund neigen viele dazu, Gespräche vorsorglich schon abzubrechen. Oft sagen sie dann: "Gott allein weiß es". In den Gesprächen gibt es das stille Einverständnis, dass Gott die Probleme lösen muss, da man selbst nicht in der Lage ist, sich zu einigen.

... Die Männer haben hier ihre ökonomische und soziale Vormachtstellung in der Ehe verloren. Viele Organisationen helfen den Frauen, ihren Weg zu finden. Für die Männer aber gibt es kaum vergleichbare psychologische Unterstützung, die ihnen dabei helfen könnte, mit ihrer neuen Rolle zurecht zu kommen.

Neben der steigenden Zahl der Scheidungen, die viele mit Sorge beobachten, verschärfen sich auch die Generationenkonflikte. Die Elterngeneration tut sich schwerer mit der Eingewöhnung und dem Deutschlernen. Die Lebenswelten entwickeln sich so Stück für Stück auseinander.

Wenn aber die Familie im Innern Probleme hat, wirkt sich das auch darauf aus, welches Bild sie nach außen abgibt. Im traditionellen, patriarchalen Rollenverständnis hängt der Respekt für den Mann auch davon ab, ob er die Kontrolle über seine Familienmitglieder hat. Daher gibt es unter Syrern in Deutschland auch Fälle, in denen Männer es als Schande vor der eigenen Ehefrau empfinden, die Vormachtstellung in der Familie zu verlieren.

All diese Probleme werden durch die Bedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften noch verstärkt. Hier leben Familien mit sehr unterschiedlichen Prägungen auf engstem Raum und ohne Privatsphäre zusammen. Täglich müssen sie dort Fragen rund um Lautstärke, Sauberkeit, Essen oder religiöse Praktiken miteinander aushandeln.

... Von einer "Kommunikationskrise" zwischen neuen und alten Migranten spricht Inana Othman. Sie hat syrische Wurzeln und lebt seit ihrer frühen Kindheit in Deutschland. Othman hat als Migrationsberaterin gearbeitet und promoviert heute am Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin. Die Kommunikationskrise sei die Folge gegenseitiger Enttäuschung, sagt sie. Beide Seiten hätten unrealistische Erwartungen gehabt. Zu Anfang eilten viele Migranten ihren neu angekommenen Landsleuten zur Hilfe. Während viele davon sich nach wie vor ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, waren für andere die großen Differenzen zwischen ihnen und den Geflüchteten ein Schock. Sie verglichen sich mit ihnen.

Die Sozialleistungen sowie die Maßnahmen zur vereinfachten Integration, wie zum Beispiel kostenlose Sprachkurse, die Geflüchtete erhielten, hatten sie bei ihrer Ankunft in Deutschland nicht bekommen. Deshalb erwarteten sie von den Neuen, dass die sich besonders zügig integrieren müssten. Aber: "Die Tatsache, dass Geflüchtete notgedrungen und nicht freiwillig hier sind, macht es schwieriger für sie, kulturelle Unterschiede im Alltag bedingungslos anzunehmen. Außerdem wird gänzlich außer Acht gelassen, unter welchen Bedingungen die Menschen leben mussten; während des Krieges, der Flucht und der Phase des Neubeginns, die mit dem Verlust des sozialen Stellenwerts verbunden ist", sagt Inana Othman.

Sie erkennt in der Haltung mancher früherer Zuwanderer gegenüber den Neuankömmlingen die Postionen rechter Deutscher wieder. "Dass Migranten anderen Migranten, die genau dasselbe erleben, wie sie es einst erlebt haben, mit solch einer Überheblichkeit begegnen, ist für mich unverständlich." Aber es gebe auch auf der anderen Seite Missverständnisse. "Manche Geflüchtete erwarten unendlich viel Hilfestellung von denen, die schon länger hier sind, besonders, wenn es um Übersetzungen geht. Das geht mit dem Verlust der eigenen Selbstständigkeit einher. Der Umgang miteinander ist auf beiden Seiten emotional und nicht rational begründet."

Die Konflikte werden auch in den sozialen Medien ausgetragen, oft in noch schärferer Form. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass Facebook zu einem Schlachtfeld geworden ist, auf dem Syrer jene Wut auslassen, die in der Realität keinen Raum hat", sagt Maiada, eine Syrerin Anfang zwanzig, die gerade Deutsch lernt und hier studieren will. Sie und ihr Mitschüler Suleiman konnten den Hass, den sie auf Facebook-Seiten erlebten, nicht mehr aushalten. Deshalb haben sie ihre Accounts gelöscht. "Ich kann nachvollziehen, dass Leute über Politik streiten und dass manche sich im Netz besonders viel trauen, weil sie anonym sind. Was mich aber verblüfft, ist, dass sich die Konflikte auf alle Fragen ausweiten. Es wird gestritten über den Hijab, das Fasten im Ramadan, Freiheiten in Deutschland, Sexualunterricht an Schulen, die Rückkehr nach Syrien, Rassismus, Antisemitismus, es wird sogar über Kunst gestritten. Es gibt so viel Wut," sagt Suleiman.

Konflikte, die im Alltag totgeschwiegen werden, kommen in den sozialen Medien zum Vorschein. Der Krieg im Heimatland wird im Internet weiter ausgetragen. Soziale und kulturelle Gräben, die bereits in Syrien vorhanden waren, vertiefen sich hier weiter.

Andererseits können soziale Medien Geflüchteten beim Ankommen in Deutschland auch helfen. So gibt es Gruppen zur Vernetzung von Künstlern und Schriftstellern, andere helfen jungen Leuten dabei, Studienplätze, Stipendien, Ausbildungsplätze, Sprachschulen und Arbeitsmöglichkeiten zu finden, in wieder anderen Gruppen können sich die Nutzer über ihr Leben in Deutschland austauschen. In diesen Gruppen überwiegt das Verbindende, nicht das Trennende. Zu den dominanten Themen gehören etwa das Warten auf den Aufenthaltstitel, die Suche nach Stabilität, die Herausforderung, eine neue Sprache zu lernen, die Angst vor Abschiebung oder Verlagerung in eine andere Unterkunft. An oberster Stelle aber steht, bei allen Unterschieden untereinander, das eine Thema: wie die deutsche Gesellschaft sie aufnimmt oder ablehnt.

Übersetzung: Serra Al-Deen, Mahara-Kollektiv

QuoteIsenskjold #11

Sehr guter Artikel, bei den unendlichen Debatten über Flüchtlinge fehlt oft die Perspektive der Flüchtlinge.


...


Aus: "Wie hältst du es mit Assad?" Souad Abbas (21. Juli 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-07/syrer-deutschland-fluechtlinge-konflikt-assad-befuerworter-gegner/komplettansicht (https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-07/syrer-deutschland-fluechtlinge-konflikt-assad-befuerworter-gegner/komplettansicht)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 08, 2018, 09:52:45 AM
Quote[...] Mit einem Tweet hat Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland eine diplomatische Krise zwischen ihrem Land und Saudi-Arabien ausgelöst; auf Twitter wird die Auseinandersetzung auch weiter ausgefochten. Seit Jahrzehnten geübte diplomatische Praxis wird ersetzt durch ein Verhalten, wie wir es aus 4chan und anderen Schmuddelecken des Internets kennen: Das Beispiel Donald Trump jedenfalls macht Schule.

Freeland hatte getwittert, dass Kanada ernsthaft besorgt sei wegen neuer Festnahmen friedlicher Menschenrechtsaktivistinnen, darunter auch der Schwester des weiterhin eingesperrten Bloggers Raif Badawi, Samar Badawi.

Dann legte die Führung in Riad los: Kanadas Botschafter wurde des Landes verwiesen, der eigene aus Ottawa zurückgerufen, ein Handelsabkommen plus Investitionen eingefroren und Flüge der Airline Saudia nach Toronto gestoppt. Der Tweet sei eine "eine eklatante und unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes, die gegen alle internationalen Normen und Protokolle verstoße" begründete das Außenministerium die Maßnahmen.

Begleitet wurde das alles von regelrechtem Getrolle auf Twitter: So twitterte das saudische Außenministerium, jeder weitere Versuch Kanadas, sich in interne Angelegenheiten einzumischen, erlaube es Riad, sich in Kanadas interne Angelegenheiten einzumischen. Darauf wollten jede Menge mutmaßlich saudische Twitter-Accounts nicht warten und drückten mit auffallend identischer Wortwahl ihre Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen in Québec sowie ihre Sorge vor einem "kulturellen Völkermord" an den indigenen Völkern in Kanada aus.

Ein Account, den Beobachter mit staatlichen Medien in Saudi-Arabien in Verbindung bringen, trieb es am Montag dann noch weiter: @Infographic_ksa twitterte die Bildmontage eines Flugzeug, das auf Torontos Skyline und dort vor allem den CN Tower zufliegt. Dazu hieß es, "wer sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen, wird etwas finden, was ihm nicht gefällt". Das Bild erinnerte viele an die Anschläge vom 11. September 2001 und wurde von dem Account wieder gelöscht. In einer Entschuldigung hieß es, das Bild habe die Rückkehr des kanadischen Botschafters zeigen wollen. Die saudische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet, der Account ist deaktiviert.

Dass das Ende der Fahnenstange damit erreicht ist, scheint zumindest zweifelhaft. Die Welt muss sich wohl daran gewöhnen, dass weltpolitische Konflikte nicht am Verhandlungstisch oder bei den Vereinten Nationen verhandelt werden, sondern auf Twitter eskalieren. Wer das Internet kennt, weiß schonmal, schlimmer geht immer. (mho)



Aus: "Eskalation auf Twitter: Saudi-Arabien vs. Kanada" Martin Holland (07.08.2018)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Saudi-Arabien-vs-Kanada-Twitter-statt-UNO-4130589.html (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Saudi-Arabien-vs-Kanada-Twitter-statt-UNO-4130589.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 21, 2018, 10:09:53 AM
Quote[...] Ein paar Eingeständnisse, dass irgendwas falschgelaufen ist und weiter falschläuft, ein bisschen Mea culpa und sehr viel Ratlosigkeit: Wegen dieser Sorte Interviewaussagen sind Mark Zuckerberg und seine Social-Media-Plattform Facebook vor einer Weile erst so richtig öffentlich unter Druck geraten. Eigentlich würde man also annehmen, dass man als Chef von Facebooks großem Konkurrenten in dem Punkt Zuckerberg lieber nicht nacheifern wollen würde. Jack Dorsey, Mitgründer von Twitter und CEO des Kurzmitteilungsdienstes, tut aber genau das.

Am Wochenende hat CNN ein Interview mit Dorsey ausgestrahlt, dem wenige Tage zuvor bereits eines mit NBC vorangegangen war, in dem der recht wolkig darüber gesprochen hatte, menschenfeindliche Aussagen von der eigenen Plattform verbannen zu wollen. Bloß wie, das wusste er nicht zu sagen. Problem erkannt heißt eben nicht zwangsläufig auch: Problem gebannt. Doch wenigstens sagt der Chef mal was. Man nennt das Krisenkommunikation, nur dass sie im Fall von Jack Dorsey ebenso wie zuvor bei Mark Zuckerberg nicht zu funktionieren scheint.

Facebook hat nicht nur mit selbst verursachten Skandalen um Datennutzung zu kämpfen, sondern seit der Wahl Donald Trumps im Jahr 2016 auch mit der Diskussion um die eigene Rolle bei der Verbreitung von gezielten Falschinformationen. Twitter wiederum wird als Lieblingsplattform des amtierenden US-Präsidenten seit dessen Wahl täglich in den Nachrichten zitiert als Ort, an dem der sich geradezu in Permanenz äußert – auf eine Weise, die man zuvor eher nicht als dem Amt und dessen Würde angemessen betrachtet hätte. Twitter wurde auch durch Trump zum Synonym für eskalierende öffentliche Debatten, für ungezügelte Hate Speech, für das Beleidigen und Beleidigtwerden. 

Doch erst die Reaktionen auf Twitters Unwillen, den amerikanischen Verschwörungstheoretiker Alex Jones und Inhalte dessen Website InfoWars endgültig von der eigenen Plattform zu entfernen, haben Dorsey jetzt offenbar zum Start einer Interviewoffensive bewogen. Die Tech-Konkurrenz hat ihn regelrecht dazu gezwungen, denn die hat im Gegensatz zu Twitter Alex Jones in den vergangenen Wochen in bemerkenswertem Einklang verbannt: Auf YouTube, Facebook, Vimeo und Pinterest ebenso wie in Apples und Spotifys Podcastangebot findet man keine Spur mehr von InfoWars und dem bei Rechten bis Rechtsextremen populären Radiomoderator. Der hat unter anderem behauptet, das Massaker an der Sandy Hook Elementary School in Newton im Jahr 2012 habe nie stattgefunden. Ein Einzeltäter ermordete in dieser Schule 27 Menschen, darunter 20 Kinder. Zuletzt rief Jones seine Fans unverblümt auf, zu den Waffen zu greifen im Falle eines von ihm herbeifantasierten Bürgerkrieges gegen die US-Medien.

Selbst in einem Land, in dem die Freiheit der öffentlichen Rede nahezu uneingeschränkt ist, gelten Jones' Aussagen als potenziell derart gefährlich, dass sich kaum Protest vernehmen ließ gegen die Weigerung der Tech-Konzerne, dessen Botschaften weiterhin auf den eigenen Plattformen zu dulden.

Auf Twitter aber wurde Jones zuletzt lediglich vorübergehend gesperrt, für sieben Tage. Aufrufen kann man alle mit ihm verbundenen Accounts nach wie vor. Und abgesehen von offenbar einzelnen Löschungen, die Twitter erst nach Nutzerbeschwerden vorgenommen hat, lassen sich die Aktivitäten dieser Accounts weiterhin lückenlos zurückverfolgen.

Als CNN-Moderator Brian Stelter den Twitter-Chef Jack Dorsey nun auf Jones ansprach und darauf, ob eine vorübergehende Sperre ernsthaft zu einer Veränderung dessen Verhalten auf Twitter führen werde, antwortete Dorsey: "Wir haben Hinweise darauf, dass solche Maßnahmen tatsächlich Verhaltensweisen ändern können. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass das bei jedem Nutzer der Fall ist. Aber einen Versuch ist es wert." Was wiederum naiv klingt.

Man könne doch nicht ständig die eigenen Regularien verändern, um sie Einzelfällen anzupassen, sagte Dorsey. Firmen wie Twitter fürchteten sich davor, persönliche Einstellungen der eigenen Mitarbeiter gegenüber einzelnen Nutzern zum Maßstab für etwaige Entscheidungen über deren Twitter-Accounts zu machen. "Das würde sich zufällig und unfair anfühlen", sagte Dorsey, und würde niemandes Vertrauen erhöhen in die eigene Plattform.

Dass sich Twitters Community-Regeln für viele Nutzerinnen und Nutzer ebenso zufällig und unfair anfühlen mögen wie deren Handhabung durch die Firma, sagte Dorsey nicht. Das bleibt ein ständiger Quell für Debatten auf Twitter selbst. Doch weil es sich um ein privates Unternehmen handelt, kann es gleichsam sein eigenes Hausrecht anwenden, um zu entscheiden, was es an Inhalten akzeptabel findet und was nicht. Eingeschränkt wird die Firma nur durch das jeweils nationale Recht, das zum Beispiel in Deutschland das Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole wie Hakenkreuzen verbietet, während das etwa in den USA erlaubt ist. Und weil Dorsey im Gegensatz zu Mark Zuckerberg bislang nicht mal andeutungsweise einzugestehen bereit scheint, die eigene Plattform könne ein Medium darstellen und damit etwa den jeweiligen Pressegesetzgebungen unterstehen, sieht er sich offenkundig in keinerlei verlegerischer Verantwortung.

Stattdessen argumentierte Dorsey gegenüber CNN ähnlich, wie Zuckerberg das zu Beginn der großen Facebook-Glaubwürdigkeitskrise getan hat: Twitter sei als Firma viel zu klein, um sämtliche über die Plattform verbreiteten Inhalte auf Richtigkeit überprüfen zu können. Dorsey verwies gar implizit auf Facebook selbst, als er sagte, manche der Mitbewerber hätten deutlich mehr Angestellte als Twitter. Facebook besitzt mit rund 30.000 Mitarbeitern tatsächlich eine rund zehnmal größere Belegschaft als Twitter, doch das hängt neben der Bauweise der Plattform und dem Aufwand deren Betriebs auch mit dem sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg der beiden Unternehmen zusammen – Facebook hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwas mehr als 40 Milliarden US-Dollar, Twitter einen von nur knapp 2,5 Milliarden.

Doch der Kurznachrichtendienst bietet gerade seinen Mitgliedern mit großem Gefolge wie eben Donald Trump (knapp 54 Millionen Follower) eine im Vergleich zu Facebook viel direktere und ungefilterte Möglichkeit, jeden Gedanken, der in 280 Zeichen hineinpasst, Menschen auf das Mobiltelefon zu pushen. Das gab auch Dorsey gegenüber CNN zu, als er sagte, gemessen an der eigenen geringen Mitarbeiterzahl besäße die Plattform eine potenziell große Wirkung. Nur um das wieder zu relativieren: "Ich glaube nicht, dass wir so mächtig sind, wie viele Twitter-Nutzer glauben." Donald Trump zumindest glaubt an die Macht von Social Media, erst am Samstag klagte er, natürlich auf Twitter, die Plattformen unterdrückten konservative Meinungen, gemeint war offenbar vor allem Facebook. 107.000 von Trumps Twitter-Followern drückten bei dieser Botschaft auf Like.

Doch aus der Unwucht zwischen (nicht wirklich messbarer) Wirkmacht und fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei Twitter will der CEO des Unternehmens zumindest derzeit keine Konsequenzen ziehen. Als Stelter ihn fragte, ob er bereit sei, alles zu ändern an Twitter, antwortete Dorsey viel-, nämlich nichtssagend: "Wir sind bereit, alles infrage zu stellen." Bis wann? "Ich wehre mich gegen zeitliche Festlegungen." Wie könnten Änderungen aussehen? "Was wir tun könnten, ist, mehr Kontext zu liefern. Etwa indem wir alle erdenklichen Perspektiven auf eine Aussage zeigen – dass manche Leute sie für eine Falschinformation halten und andere es anders sehen. Ich sage jetzt aber nicht, dass wir das tun werden." Schlussendlich: "Wir wissen noch nicht, was wir tun werden. Es wäre jedoch gefährlich für eine Firma wie unsere, Schiedsrichter über die Wahrheit zu spielen."

Überhaupt, sagte Dorsey gleich zu Beginn des Interviews mit CNN, komme es ja darauf an, wem man auf Twitter folge. Ja, es gebe dort "ungesunde politische Debatten, vor denen man weglaufen möchte". Aber wenn man zum Beispiel Accounts der US-Basketballliga NBA oder von Kpop-Fans folge, bekomme man von all der ungesunden Politik gar nichts mit.

Mit anderen Worten: Es gibt eigentlich gar kein Problem auf Twitter, wenn man nur gut genug wegschaut. Dann sieht man auch keine rassistischen, frauen- und überhaupt menschenverachtende, sexuelle oder ethnische Minderheiten beleidigende Aussagen. Man sieht nur das Gute, oder wie Dorsey es nennt, Gesunde.

Bei Mark Zuckerberg hat es rund ein Jahr gedauert von der Leugnung, Facebook habe auch nur die geringste Rolle gespielt im Wahlkampf 2016 und letztlich in politischen Debatten – bis zu der Ankündigung, einige Tausend zusätzliche Mitarbeiter einzustellen und erhebliche finanzielle Mittel in den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu stecken, welche die Plattform nach unerwünschten Inhalten durchforsten soll. Gemäß dieser Zuck-Zeitrechnung ist Jack Dorsey ausweislich seiner Interviewaussagen etwa auf der Hälfte der Strecke angelangt, die scheinbar zwangsläufig am Ende zu einer simplen Erkenntnis führt: Menschen sind nicht so nett zueinander, wie man es gern hätte, gerade als Plattformbetreiber.

Nettigkeit kostet einen als solchen kein Geld, Boshaftigkeit oder gar das Verbreiten von Unwahrheiten aber schon, denn das muss man aufwendig eindämmen – damit es wieder nett wird auf der Plattform. Und als Dank kriegt man dann den Vorwurf gratis dazugeliefert, man betreibe Zensur.

Man möchte wirklich kein Social-Media-CEO sein. Da hat man nur Ärger.


Aus: "Twitter: Zwitschern im Walde" Dirk Peitz (20. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/2018-08/twitter-plattform-jack-dorsey-hatespeech-verschwoerungstheorie/komplettansicht (https://www.zeit.de/digital/2018-08/twitter-plattform-jack-dorsey-hatespeech-verschwoerungstheorie/komplettansicht)

Quotedackel im sturm #7

Donald's postingblüten sind jedenfalls jetzt schon weltliteratur !!


QuoteTommy Berlin #14

Es hat überhaupt keinen Sinn, "Phänomenen" wie Alex Jones mit Zensur zu begegnen. Und gegen Beleidigungen, Verunglimpfungen, Falschdarstellungen und Drohungen gibt es schon jetzt in den meisten Ländern der Welt anwendbare Rechtsmittel.

Mit Zensurmassnahmen verlegt man strittige Inhalte lediglich in geschlossene Gruppen und die dunklen Ecken des Netzes. Weg sind sie damit nicht, nur schwieriger zu finden.

Sofern Inhalte nicht illegal oder strafrechtlich relevant sind, sollten sie nicht zensiert werden dürfen. Wir tun uns alle keinen Gefallen, wenn wir das zulassen. Wer das nicht erkennt, hat die Sache mit der persönlichen Freiheit nicht verstanden.


Quotegraumelierter Troll #17

Es geht in die richtige Richtung: Das Geschäftsmodell Aufmerksamkeitsbindung durch Lärmmaximierung verliert an Legitimation. Der gesellschaftliche Wert des freien Diskurses erscheint erkannt.


Quote
Miniwahr #23

"Doch der Kurznachrichtendienst bietet gerade seinen Mitgliedern mit großem Gefolge wie eben Donald Trump (knapp 54 Millionen Follower) eine im Vergleich zu Facebook viel direktere und ungefilterte Möglichkeit, jeden Gedanken, der in 280 Zeichen hineinpasst, Menschen auf das Mobiltelefon zu pushen. Das gab auch Dorsey gegenüber CNN zu, als er sagte, gemessen an der eigenen geringen Mitarbeiterzahl besäße die Plattform eine potenziell große Wirkung."

Merkt eigentlich noch irgendjemand irgendetwas? Wieviele Nudging-Artikel müssen eigentlich noch erscheinen, bis wir endlich alle um Zensur winseln.

Twitter gibt dem US-Präsidenten die Möglichkeit seine "Follower" direkt zu erreichen und direkt auf das Mobiltelefon zu pushen. Wo wir uns doch so daran gewöhnt haben, dass diese Meinung zunächst einmal für den Rezipienten aufbereitet werden sollte.

Dazu noch Trolle und Verschwörungstheoretiker. Etwas was es in der Eckkneipe der 70er nie gegeben hätte. [...] All die "liberalen" Speerspitzen sind voller Inbrunst nach Zensur zu brüllen. Und selbstverständlich geht es nur um Nazis, Jugendverderber und VT-Spinner sowie andere "feindliche Mächte". Wer könnte da etwas dagegen haben? Der Rest ergibt sich dann...

Gekürzt. Bitte verzichten Sie auf unangemessene Vergleiche. Danke, die Redaktion/rf


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Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 29, 2018, 12:30:17 PM
Quote[...] In Wiesbaden steht eine riesige Erdogan-Statue. Die Kunstaktion der Wiesbaden-Biennale bringt Migranten in Rage. ... Trotz der Aufregungen entschied der Magistrat, sie aus Gründen der Kunstfreiheit stehen zu lassen, solange davon keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehe. Polizisten bewachen das Kunstwerk.

,,Die Statue steht da, damit die Leute über die Figur diskutieren", erklärt Uwe Eric Laufenberg, Intendant des hessischen Staatstheaters und verantwortlich für die Biennale, einem Jugendlichen, der an Deutschland kein gutes Haar lässt. ,,Ihr mit eurer Meinungsfreiheit", schleudert dieser dem Intendanten entgegen. Warum da nicht Merkel stehe oder Trump? Über eine Stunde stellt sich Laufenberg den Fragen und Beschimpfungen der aufgebrachten Leute. ,,Kunst zeigt, was ist, das müssen wir aushalten", wiederholt er sich.
Manche Menschen freuen sich, dass ,,ihrem Präsidenten" so viel Ehre zuteil wird; einige Frauen lassen sich vor der Statue fotografieren. Andere erbost zutiefst, dass Erdogan für Kunst herhalten solle, um ihn damit zu kritisieren. ...


Aus: "Der goldene Erdogan" Madeleine Reckmann (29.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/rhein-main/erdogan-in-wiesbaden-der-goldene-erdogan-a-1572161 (http://www.fr.de/rhein-main/erdogan-in-wiesbaden-der-goldene-erdogan-a-1572161)

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Quote[...] "Nach Einschätzung der Ordnungskräfte wäre eine ruhige und friedliche Atmosphäre nur durch den dauerhaften Einsatz starker Polizeikräfte zu erreichen gewesen." Nach Angaben der Polizei sind am Abend rund einhundert Beamte vor Ort gewesen. Die Lage habe sich zwar hochgeschaukelt, etwas strafrechtlich Relevantes sei allerdings nicht passiert, sagte ein Polizeisprecher.

Im Laufe des Tages sei dann zudem bekannt geworden, dass kurdische Kreise dazu aufgefordert hätten, überregional zu Protestaktionen nach Wiesbaden anzureisen, sagte Stadtsprecher Munser. Das hätte nach Einschätzung der Stadt "einen massiven dauerhaften Polizeieinsatz" nötig gemacht.

In dieser Situation hätten Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) und Ordnungsdezernent Oliver Franz (CDU) kurz vor 21 Uhr den Abbau beschlossen ...


Aus: "Goldene Erdogan-Statue abgebaut: Das war der Grund" (29.08.2018)
Quelle: https://www.tag24.de/nachrichten/wiesbaden-hessen-grund-abbau-der-goldenen-erdogan-statue-kurden-aufmaersche-polizei-auseinandersetzung-754337 (https://www.tag24.de/nachrichten/wiesbaden-hessen-grund-abbau-der-goldenen-erdogan-statue-kurden-aufmaersche-polizei-auseinandersetzung-754337)

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Quote[...] An Recep Tayyip Erdogan ist so gar nichts Witziges. Aber die Kunstaktion in Wiesbaden, bei der der türkische Präsident jetzt die Hauptrolle spielte, steckt voller Witze. Es sind keine guten.

Der erste schlechte Witz ist die goldene Statue selbst, die ein unbekannter Künstler im Rahmen der Wiesbadener Biennale aufgestellt hatte. Wenn er provozieren wollte, hätte er sich sicher etwas Intelligenteres ausdenken können. Die halbwegs naturgetreue Wiedergabe des Autokraten, die das ,,Denkmal" darstellte, erschien doch allzu platt, um in die Kunstgeschichte einzugehen.

Der zweite schlechte Witz besteht darin, dass die Provokation trotzdem gelang. Auf dem Wiesbadener Platz der Deutschen Einheit versammelten sich nicht nur, aber offenbar zahlreich, diejenigen Menschen, denen in ihrer verbohrten Denke jede ironische Distanz abhandengekommen ist, falls je vorhanden. Statt sich auch nur einen einzigen Gedanken zu machen, ob sich hinter dem Abbild nicht doch eine Botschaft verbirgt, warfen sie sich ihre Meinung zu dem Menschenrechtsverächter gegenseitig an die Köpfe – brüllend und offenbar bis nah an die Grenze zur Gewalt. Meinungen, die, nicht zu erweichen durch Argumente, so fest in Stein gemeißelt sind wie ein Standbild.

Der dritte schlechte Witz ist der Umgang der Stadt mit dem Thema: Den ganzen Dienstag lang – auch, als schon Polizeipräsenz notwendig geworden war –, beteuerten die Verantwortlichen, die Kunstfreiheit habe Vorrang, solange die öffentliche Sicherheit nicht in Gefahr sei. Aber dann, abends um viertel vor elf, fiel ihnen ein, dass ihnen die Sache doch zu riskant erschien. Wie prekär die Lage zu diesem Zeitpunkt war, ist von außen schwer einzuschätzen, es gab unterschiedliche Angaben dazu.

So oder so: Das war der Moment, in dem das gar nicht witzige Endergebnis des Vorgangs amtlich wurde. Mit der Statue verschwand ein Stück Kunstfreiheit aus dem öffentlichen Raum. Es verschwand deshalb, weil das Geschrei der Empörten (und der Erdogan-Fans) offenbar stärker war als die Macht des Staates, Schlimmeres zu verhindern. Insofern hat die Statue, unabhängig von ihrer Qualität, ein Stück Aufklärung über die unerfreuliche Lage im Land geleistet.

An eines muss offenbar erinnert werden: Kunstfreiheit erweist sich gerade darin, dass sie auch ,,schlechte" Kunst, selbst schlechte Witze, schützt. Kunst, die keinen stört, kann jeder schützen. Dass Kunst auch polarisieren können muss: Dieses Grundprinzip von Demokratie hat in Wiesbaden eine Niederlage erlitten.


Aus: "Mit Erdogan verschwindet die Kunstfreiheit" Stephan Hebel (29.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/streit-um-erdogan-statue-mit-erdogan-verschwindet-die-kunstfreiheit-a-1572425 (http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/streit-um-erdogan-statue-mit-erdogan-verschwindet-die-kunstfreiheit-a-1572425)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 24, 2018, 12:08:14 PM
Quote[...] Auf Initiative von ,,Zeit Online" hatten sich elf deutsche Medienhäuser, darunter auch der Tagesspiegel, zusammengeschlossen, um Menschen am gestrigen Sonntag unter dem Motto ,,Deutschland spricht" an einen Tisch zu bringen. Eine Aktion, die es hierzulande so nie gegeben hat – ein Experiment. Um Punkt 15 Uhr trafen sich exakt 8470 Menschen in ganz Deutschland in Kneipen, auf Parkbänken oder am heimischen Küchentisch. Paare, die von einem Algorithmus zusammengewürfelt worden waren. Regional möglichst nah beieinander, in der politischen Positionierung möglichst weit voneinander. Der einfache und doch so schwere Auftrag: Miteinander sprechen. Taxifahrer, Professoren, Feuerwehrmänner und Krankenpfleger beantworteten dazu im Vorfeld Fragen wie ,,Sollte Fleisch stärker besteuert werden, um den Konsum zu reduzieren?", ,,Ist Donald Trump gut für die USA?" oder ,,Können Muslime und Nichtmuslime in Deutschland gut zusammenleben?"

Unter den 500 Gästen, die am Sonntag im Radialsystem zusammenkommen, sind auch 50 der 4235 vermittelten Gesprächspaare, Leser und Leserinnen der Medienpartner sowie Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Zu Beginn betont Schirmherr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede, dass die Wirklichkeit dieser Tage statt ,,Deutschland spricht" leider zu oft ,,Deutschland brüllt" bedeute. Darum sei er dankbar, dass sich Menschen dazu bereit erklärten, ,,für ein paar Stunden die Klischees und Komfortzonen, denen wir alle auf unterschiedliche Art und Weise anhängen, hinter uns zu lassen." Die Aktion ,,Deutschland spricht" sei ein erster Schritt, die Mauern, die zwischen Lebenswelten entstanden sind, zu überwinden. Die aus der Freiheit erwachsende Vielfalt, gälte es auszuhalten, statt sich in Echokammern zu verschanzen: ,,Die Demokratie kennt keinen Endzustand." Die gegenseitige Rücksichtnahme der Gesprächspartner sei ,,weniger Ausdruck von Feigheit, sondern schlicht der Ausdruck gewachsener Zivilität."

Auch der deutsche Blogger Sascha Lobo bekennt sich zur Idee von ,,Deutschland spricht", stellt aber als Vorbedingung, eine klare, rote Linie gegenüber menschenverachtenden Ideologien wie dem Neonazismus zu ziehen. Deren Vertreter dürften nicht mehr Teil der Debatte einer demokratischen Gesellschaft sein.

Eva Schulz, Reporterin und Moderatorin von Deutschland 3000, fordert die Zuhörer dazu auf, offen dafür zu sein, die Meinung zu ändern. ,,Warum gilt es noch immer als Schwäche, sich überzeugen zu lassen? Warum ist es verpönt, sich einzugestehen, dass man im Unrecht ist?" Aktionen wie ,,Deutschland spricht" könnten dabei den Streitmuskel trainieren, der in einer Debattenkultur dringend benötigt werde.

Harald Martenstein, Kolumnist des Tagesspiegels, betont im Anschluss, dass ,,Hass kein exklusiver Bestandteil einer bestimmten politischen Richtung" sei. Verachtung könne man nicht mit Gegenverachtung austreiben. Dieser Vorstellung hält er die Idee des Christentums entgegen, dem Hass mit Liebe zu begegnen: ,,Man muss den Hassern zeigen, dass sie trotz allem kein Dreck sind". Wer hingegen Mitmenschen nicht mehr als Mitmenschen erkenne, sei immer gefährlich.

Mely Kiyak, Autorin und Kolumnistin von ,,Zeit Online", spricht den Teilnehmern von ,,Deutschland spricht" ihre Hochachtung aus: ,,Ich bewundere alle, die kommunikative Räume noch betreten", denn wer heutzutage unversehrt bleiben wolle, halte in diesen Tagen den Mund und ziehe sich zurück. Mit Bezug auf die Ostpolitik von Willy Brandt, der einen ,,Wandel durch Annäherung" anstrebte, gibt sie den Diskutanten einen Rat mit auf dem Weg: ,,Der Gegner wird immer weniger Gegner sein, um so mehr man sich ihm nähert."

Dann verteilen sich die Zweierpärchen im Haus. Streitthemen für ausführliche Diskussion sind in diesen Tagen keineswegs rar gesät. Hier spricht man über die Ehe für Alle. Dort über die Migration. Und etwas weiter über autofreie Innenstädte. Eine sorgenvoll dreinschauende, ältere Teilnehmerin erkundigt sich bei den Organisatoren, wieviel Zeit sie denn dafür hätten: ,,Keine Sorge. Sie werden heute Abend nicht vor die Tür gesetzt, selbst wenn sie bis morgen früh diskutieren."


Aus: "Training für den Streitmuskel" Hannes Soltau Jana Demnitz (23.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/aktion-deutschland-spricht-training-fuer-den-streitmuskel/23103752.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/aktion-deutschland-spricht-training-fuer-den-streitmuskel/23103752.html)

QuoteAcatenango17 23.09.2018, 19:34 Uhr
Eigentlich eine gute Idee, aber medial leider viel zu aufgeblasen und staatstragend präsentiert, mit dem BuPrä und allerlei Protagonisten aus dem Medienbereich. Ich hätte es besser gefunden, wenn ausschließlich ganz normale Bürger untereinander  diskutieren, und die Medienvertreter sachlich und neutral darüber berichten. Leute wie Lobo, Martenstein, Kiyak etc. sind schon auf Grund Ihrer Tätigkeit privilegiert, ständig Ihre Meinungen öffentlich kundtun zu dürfen. Dass die sich hier wieder in den Vordergrund drängen ,bzw. in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt werden,  finde ich etwas befremdlich.


Quotefreiheit12 11:07 Uhr
Die Initiative "Deutschland spricht" war schon eine Enttäuschung. Man versprach die "besorgten Bürger" in ihren angeblichen Echokammern aufzuklären und zu überzeugen. Aber wie die Berichte, gerade auch in anderen Zeitungen zeigen, kamen keine neuen überzeugenden Argumente auf den Tisch.
Es gab also keine Informationsdefizite, sondern es wurden lediglich verschiedene Ansichten und politische Einstellungen sowie Argumentations- und Streitmuster gezeigt, ohne das die "besorgten Bürger" umgestimmt werden konnten, oder die andere Seite sich deren Argumente wirklich annahm.


QuoteDas_Grauen 08:51 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Acatenango17 23.09.2018, 19:34 Uhr
Richtig. Anstelle die gesprächsbereiten Bürger in den Vordergrund zu stellen, drängeln sich dort die üblichen Verdächtigen, um ihrer Eitelkeit zu fröhnen. ...


QuoteGarzauer 23.09.2018, 19:32 Uhr
Betreutes Sprechen - der nächste Schritt in die deutsche Senilgesellschaft ist gemacht!


QuoteRobert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Tut mir leid, aber angesichts der aktuellen Situation, der Atmosphäre in diesem unseren Lande, finde ich die Aktion ,,Deutschland spricht" und vor allem ihre allseiige Lobpreisung vollkommen absurd. Selbstredend sind die im obigen Artikel zitierten Aussagen richtig. Selbstverständlich wäre es eigentlich richtig, miteinander zu reden.
Nur: Es ist längst viel zu spät. Man muss sich nur mal die anderen, momentan meistdiskutierten Artikel hier ansehen.
Keine Chance mehr.
,,Deutschland spricht" erinnert mich an die Kapelle auf der Titanic. Die hat sicher auch schöne Musik gespielt.


QuoteBrotkrume 23.09.2018, 20:22 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Robert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Stimmt. Dafür ist viel sinnvoller immer DAGEGEN zu sein. Dadurch ändert sich voll viel. DAGEGEN. SCHEISSE. ZU SPÄT.

Was genau schlagen Sie vor? Anarchie? Atombombe? Heil dem Führer?


QuoteRobert_Rostock 23.09.2018, 20:36 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Brotkrume 23.09.2018, 20:22 Uhr
Ich habe doch nicht geschrieben, dass ich dagegen bin. Sondern, dass es zu spät ist.
Und wenn ich einen Lösungsvorschlag hätte, dann würde ich nicht hier so pessimistische Beiträge schreiben.

Nebenbei ist Ihre letzte Unterstellung einer der Gründe, warum es meiner Meinung nach zu spät ist. Warum diese Veranstaltung keinen Sinn mehr macht. Weil generell dem anderen immer das Schlimmste unterstellt wird.

Weil Sie mir ohne jeden Grund unterstellen, ich wünschte mir den Führer, darum halte ich es für zu spät, mit einem Dialog zu beginnen.


QuoteDas_Grauen 08:57 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Robert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Ich begrüße eigentlich den Versuch, das Auseinanderdividieren der Gesellschaft zu verhindern, muß aber Ihren Bedenken zustimmen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und eine (Alibi)Veranstaltung keinen Gesellschaftswandel. Die engagierten Teilnehmer der Aktion haben keine Chance gegen die Polarisierung, die die Medien täglich betreiben. Solange sich daran nichts ändert, muß man Spiegel, Zeit & Co Scheinheiligkeit vorwerfen.


QuoteAnna2 23.09.2018, 18:31 Uhr
Der Architekt des größten Sozialabbaus der Bundesrepublik ruft als Schirmherr zu kultivierter und offener Diskussion über gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ausgrenzung auf, in denen dieser Sozialabbau praktisch nicht thematisiert wird. ...


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Quote[...] Deutschland hat seine Mitte verloren. In diesem Punkt sind sie sich schon vorab einig. Claudia Müller, 35 Jahre, alleinerziehende Mutter, arbeitet im sozialen Bereich, vorwiegend mit ,,migrantischen Problemkindern" und will ihren richtigen Namen deshalb nicht in der Zeitung lesen. Und Ursula Knispel, 71 Jahre alt, früher Ausstatterin bei Film und Theater, seit einigen Jahren Rentnerin. ,,Diskussionen gibt es nicht mehr", sagt Müller. ,,Toleranz fehlt auf allen Seiten", sagt Knispel. Und wenn sie so über die neue Zweiteilung Deutschlands reden, dann meinen sie vor allem die Spaltung zwischen Links und Rechts. Zwischen den ,,Gutmenschen, die alle gleichbehandeln und glauben, dass jeder integrierbar ist", sagt Müller. Und zwischen denen die ,,alle die anders aussehen und anders denken als Störfaktor und Feind einstufen", sagt Knispel.

Alles nur noch schwarz-weiß. Wo sind die Zwischentöne?

Claudia Müller will die Grenzen stärker kontrollieren, findet, dass die Metoo-Debatte nichts gebracht hat, es Deutschland schlechter geht als vor zehn Jahren und Muslime und Nicht-Muslime hier nicht gut zusammenleben können. Studien liest sie lieber als Zeitungen. Den Medien glaubt sie nicht mehr. Ursula Knispel liest die Zeitung täglich und hat zu jedem dieser Punkte eine andere Meinung. Trotzdem sitzen sich die beiden an diesem Sonntag in einem Café in der Uhlandstraße gegenüber und diskutieren im Rahmen von ,,Deutschland spricht". Hat immerhin keiner die Wahrheit für sich gepachtet, finden sie. Und irgendwie müsse man doch im Gespräch bleiben. Aber, sagt Frau Müller noch vorab, ,,beim Thema Islam würde ich mich streiten".

Mit Muslimen sagt sie, mache sie in ihrem Alltag schlechte Erfahrungen. Die Kinder seien oft aggressiv, die Familien, sehr konservativ, lebten in Parallelgesellschaften. ,,Der Islam ist für viele eine Staatsreligion und das merkt man", sagt sie und fragt: ,,Wie soll man die integrieren?" Die AfD würde sie nicht wählen. Auf einer Demo mitlaufen, auf der Rechte den Hitlergruß zeigen: niemals. Aber, und das will sie deutlich sagen, Probleme, die da sind, müssten doch angesprochen werden. Müssten vor allem angesprochen werden dürfen, ohne dass man gleich in die ,,Nazi-Ecke" gestellt werde. ,,Der wütende Mob entsteht doch nur, weil die Menschen sich in ihrem Wunsch, nicht alle aufzunehmen, und in ihrer Angst vor Veränderungen, nicht ernst genommen fühlen."

Claudia Müller redet sehr viel an diesem Sonntag – und wird sich später dafür entschuldigen. Ursula Knispel wird abwinken. ,,Ich bin ja auch hier, um das zu hören."

Ursula Knispel ist überzeugt, dass Christen und Muslime und Juden gut miteinander auskommen können, dass es eigentlich nur ein gewisses Maß an Toleranz brauche und dass die ,,Deutsche Kultur" schon immer diverse Einflüsse gehabt habe. Trotzdem, sagt sie, beschäftigt sie das, was Claudia Müller ihr schildert. ,,Ich werde dazu nochmal was lesen und darüber nachdenken", sagt sie. ,,Versuchen das nachzuvollziehen." Weil dieses ,,Versuchen einander zu verstehen" ihr im Moment in Deutschland viel zu kurz kommt. In der Gesellschaft. Und in der Politik. ,,Für Menschen, die sich benachteiligt fühlen, ist das Öl ins Feuer".

,,Die Politiker nehmen an der Realität kaum noch teil und verausgaben sich nur noch in ihren eigenen Ambitionen und Kämpfen. Klar, dass sich das Volk dann nicht mehr beachtet fühlt", sagt Knispel, die eigentlich immer die SPD gewählt hat und jetzt nicht so richtig weiß, wo sie ihr Kreuz setzen würde. ,,Es traut sich keiner mehr Stellung zu beziehen. SPD, CDU und CSU sind mittlerweile alle gleich", sagt Claudia Müller. ,,Alles Wischiwaschi." Vor kurzem ist sie dennoch in die CDU eingetreten. Weil sie sich ,,irgendwie engagieren möchte". Rechts, mittig. Mit der Betonung auf mittig.

Irgendwo im Umkreis dieser Mitte haben sich Claudia Müller und Ursula Knispel an diesem Sonntag getroffen. Aus unterschiedlichen Richtungen kommend. Wahrscheinlich in unterschiedliche zurück. Aber getroffen.


Aus: "Deutschland spricht - ein Treffen zweier Teilnehmer "Man muss Probleme ansprechen dürfen"" Ann-Kathrin Hipp (23.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-spricht-ein-treffen-zweier-teilnehmer-man-muss-probleme-ansprechen-duerfen/23103778.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-spricht-ein-treffen-zweier-teilnehmer-man-muss-probleme-ansprechen-duerfen/23103778.html)

QuoteZelia 09:49 Uhr
Es gibt reale Interessenskonflikte. Das wird komischerweise meist ignoriert. Es geht nicht nur um unterschiedliche Ansichten und um Argumente, die noch nicht allen bekannt sind. Sondern darum, wer von politischen Entscheidungen profitiert und wer das Nachsehen hat. Die meisten Menschen sind einfach für das, was ihnen am meisten nützt (bzw. für das von dem sie meinen, dass es ihnen am meisten nützt).

Es gibt Gruppen, die von der Migration profitieren und andere, die überwiegend Nachteile dadurch haben. Genau dasselbe gilt für Auto vs. Fahrrad, Rente rauf vs. Rente runter, Mindestlohn, Mietpreise, Gender-Fragen etc.

Es bringt m.E. nichts so zu tun, als könnten sich das durch Reden in Wohlgefallen auflösen. Politik muss einen Ausgleich finden, dafür sorgen, dass es weder krasse Gewinner und krasse Verlierer gibt. Für Fairness sorgen.

Die Menschen könnten ggf. lernen Entscheidungen zu unterstützen, die für sie Nachteile haben, aber dafür fairer sind. Insbesondere beim Minderheitenschutz wäre das wichtig (aber vermutlich utopisch).


Quotenochnefrage 23.09.2018, 21:31 Uhr
Das ist eben das Problem: Es fehlt die politische Mitte.

Und es fehlt die Bereitschaft, unterschiedliche Positionen kultiviert miteinander zu erörtern.


Quotefluechter 09:34 Uhr
Antwort auf den Beitrag von nochnefrage 23.09.2018, 21:31 Uhr
Die Bereitschaft, unterschiedliche Positionen kultiviert miteinander zu erörtern, haben doch Frau Knispel und Frau Müller bewiesen, nichts anderes haben sie doch gemacht.

Sie haben aber eben nur zu zweit kultiviert miteinander erörtert und Frau Müller wollte gerne über Dritte sprechen, die nicht beiwohnten - und das ist das Unkultivierte an diesem Treffen.


QuoteTanjaLaGuerillera 23.09.2018, 20:53 Uhr
Ich habe mich extra angemeldet, weil ich finde, dass es eben nicht so einfach ist, wie fluechter schreibt... Bin 54 und mein Leben lang eher Knispel als Müller gewesen, aber... Seit 13 Jahren arbeite ich an Schulen im sozialen Brennpunkt (erst Grund-, dann Gesamtschule, anderes Bundesland) und empfinde daher den Kommentar: "Claudia Müller entspricht dem Typus Arbeitskollegin, wie ich ihn im Bildungsbereich nicht verstanden habe - ich dachte dann immer, ja, wenn Du dich so schwer tust mit anderen Kulturen und Religionen, warum hast Du dir dann nicht sofort was anderes gesucht für einen Job?" als extrem anmaßend. Ich bin tolerant, weltoffen, sprachgewandt und selbst 5 Jahre "Ausländerin" gewesen unterrichte mit Herzblut Deutsch als Fremd/Zweitsprache und Ethik und habe in den letzten Jahren in meinem Job als Lehrerin an einer "Brennpunktschule" Erfahrungen machen müssen, die meinen Werten diametral entgegengesetzt sind. Dabei meine ich Werte wie zum Beispiel: Mann und Frau sind gleichberechtigt, Grundgesetz steht über jeglicher Religion, Religionsfreiheit gilt für alle Religionen und auch für das Recht, frei von Religion zu sein... Wenn ich diese Probleme thematisiere, dann "tue ich mich nicht schwer mit anderen Kulturen und Religionen"! Nein, ich will nicht, dass Nazis die Oberhand gewinnen! Aber wenn man Menschen abspricht, dass ihre Erfahrungen real sind und nicht über Ursachen reden möchte, sondern meint, mit ein bisschen "Toleranz und Verständnis" wird alles wieder gut- dann trägt man großen Teil Schuld am Erstarken der Nazis. Auch wenn sie das nicht hören wollen.


Quotefluechter 23.09.2018, 21:16 Uhr
Antwort auf den Beitrag von TanjaLaGuerillera 23.09.2018, 20:53 Uhr
Ich habe Menschen erlebt, die beruflich ins Ausland gingen, ich habe Menschen erlebt, die beruflich von einem Teil Deutschlands in den anderen gingen.

Manche waren hinterher innerlich reicher, fröhlicher, ihr Denken war bedächtiger, humorvoller, sie nahmen sich selbst nicht mehr so wichtig - es tat ihnen gut, das Bad in fremden Ländern und fremden Gegenden des eigenen Landes.

Andere waren hinterher grün im Gesicht, sie kamen über ihre Enttäuschung, dass man ihren Wertvorstellungen, ihren festen Grundprinzipien, nicht folgen mochte, einfach nicht hinweg - mancher begab sich danach nie wieder hin, wo er glaubte, "kleiner", "weniger wichtig", "weniger mehrheitsfähig" zu sein.

Wer von Mulitkulti grün im Gesicht wird, kann vielleicht auch nichts dafür - aber bitte, die anderen Menschen können dafür auch nicht.

Ich werde mich in keine Mitte stellen, die meint, kulturelle Eigenschaften über andere Eigenschaften zu stellen - auch das Grundgesetz, und das ist mein "Zuhause", ist weltweit nicht jedes Menschen Zuhause. Ich liebe Pünktlichkeit und drehe halb durch, wenn es mir selbst nicht gelingt, pünktlich zu sein - nicht jeder Mensch empfindet Pünktlichkeit als so wichtig.

Anmaßend? Sie haben Ihr Maß und ich habe mein Maß und um die Mitte wird gestritten, dafür ist Politik ja da. ...


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Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 24, 2018, 01:11:00 PM
Quote[...] Kiel - Der Vorsitzende des Kieler Kleingartenvereins von 1897 Axel Zabe verschafft seinem Ärger öffentlich Luft. Nachdem Werner Müller, Vorsitzender des Kieler Kreisverbandes, bei der letzten Sitzung des Bauausschusses dafür plädiert hatte, dass sich der Kieler Kleingartenverein verkleinern müsse, um die Vorstandsarbeit sinnvoll zu bewältigen, kontert Zabe nun und wirft Müller ,,Fehlverhalten" vor: Bei Sitzungen der Jahreshauptversammlung lasse der Verbandschef geheime Wahlen nicht zu und versende die Sitzungsprotokolle erst bis zu einem Jahr später. Müller weist die Kritik des Führungsversagens mit den Worten zurück: ,,Das ist vollkommen falsch."

Dem Kreisverband und seinem Vorsitzenden wirft Zabe darüber hinaus vor, seit Jahrzehnten von jedem Kleingärtner, der ein Gewächshaus in seiner Parzelle aufstellen wollte, eine unzulässige Gebühr von 13 Euro für eine nicht erforderliche Baugenehmigung kassiert zu haben. Müller räumt ein, dass diese Baugenehmigung von seinem Vorgänger eingeführt wurde und in der Tat seitens des Verbandes nicht erforderlich sei. Aber es ließe sich darüber reden, diese wieder abzuschaffen, sagte er. Nicht nachvollziehbar findet Müller hingegen den Vorwurf Zabes, sein Verband würde Anträge der Vereine verschleppen und zum Teil mit einigen Monaten Verzögerung bearbeiten: ,,Auch das ist falsch", so Müller.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Zabe, der seit anderthalb Jahre im Amt ist, und Müller, der seit 30 Jahren im Vorstand des Kreisverbandes ist, gibt es seit geraumer Zeit – unter anderem über die Frage einer Mitgliedschaft im Landesverband der Kleingärtner. Während der Kieler Verein dem Landesverband angeschlossen ist, war der Kreisverband unter anderem wegen Unstimmigkeiten zwischen den Vorsitzenden des Kreis- und des Landesverbandes vor knapp 20 Jahren ausgetreten. Auch über die Frage, ob es in den Anlagen Probleme zwischen den Kleingärtnern aus unterschiedlichen Kulturen gebe, haben die Kontrahenten unterschiedliche Ansichten.

Zabe sieht sich nun veranlasst, Müller öffentlich vorzuwerfen, noch ,,in alten Strukturen zu leben". Der Angegriffene wehrt sich zwar, will aber gesprächsbereit bleiben: ,,Ich möchte keinen Ärger mit dem Verein und mit Gartenfreund Zabe."


Aus: "Neue Runde im Kieler Kleingärtnerstreit" Karen Schwenke (24.09.201)
Quelle: http://www.kn-online.de/Kiel/Verband-gegen-Verein-Neue-Runde-im-Kieler-Kleingaertnerstreit (http://www.kn-online.de/Kiel/Verband-gegen-Verein-Neue-Runde-im-Kieler-Kleingaertnerstreit)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 24, 2018, 08:31:12 PM
Quote... Am Sonntag treffen sich im Rahmen unserer Aktion "Deutschland spricht" viele Tausend Diskussionspaare zum Streitgespräch. Wir zeigen, was sie trennt – und verbindet. Ein von uns entwickelter Algorithmus hat nach Abschluss der Anmeldephase möglichst viele perfekte Streitpaare ermittelt und die politischen Antipoden einander vorgestellt: Menschen, die nahe beieinander wohnen, aber möglichst viele der insgesamt sieben von uns gestellten Fragen unterschiedlich beantwortet haben. Für mehr als 20.000 konnten wir auf diesem Weg eine Gesprächspartnerin oder einen Gesprächspartner finden. (Rund 8.000 Anmeldungen waren fehlerhaft oder ungültig.) So entstand ein riesiger Datensatz, den wir anonymisiert ausgewertet haben. Wer sind diese 20.000 Diskutanten? Über welche Fragen sind sie besonders uneins? Beeinflussen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Wohnort, wie jemand geantwortet hat?

Zunächst einmal: Der Teilnehmerkreis von "Deutschland spricht" ist männlicher, westdeutscher und urbaner als der deutsche Bevölkerungsdurchschnitt. Rund 60 Prozent stammen aus Großstädten, lediglich 14 Prozent aus ländlichen Regionen. Warum, wissen wir nicht – die elf beteiligten Partnermedien von T-Online bis Tagesschau decken mit ihren Usern einen großen Teil der Onlinenutzer in Deutschland ab. Eine von vielen möglichen Erklärungen könnte sein, dass sich die Menschen in kleineren Gemeinden tendenziell schon besser kennen, mitunter auch die politischen Einstellungen ihrer Nachbarn. Das Angebot, jemanden zum politischen Zwiegespräch zu treffen, mag dann weniger attraktiv erscheinen als in einer Großstadt.

... Frauen stehen höheren Fleischsteuern weitaus offener gegenüber und lehnen striktere Grenzkontrollen eher ab. Sie bewerten außerdem Donald Trump negativer als Männer. Ältere Teilnehmer ab 65 Jahren befürworten striktere Grenzkontrollen eher als jüngere – immerhin 50 Prozent der älteren beantworteten die entsprechende Frage mit Ja. Auch sehen sie die Erfolge der Debatte zu #MeToo und sexuelle Belästigung deutlich kritischer als andere Teilnehmer.

Es gibt darüber hinaus noch versteckte Gräben, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Es zeigt sich: Sie laufen nicht so sehr entlang alter Muster, etwa zwischen Ost- und Westdeutschland. Stattdessen scheint die Kombination mehrerer demografischer Merkmale – jung oder alt, Ost oder West, Mann oder Frau, Großstädter oder Landbewohner – eine Rolle dabei zu spielen, wie weit Teilnehmer in ihren Antworten auseinanderliegen. So haben nicht Ostdeutsche eine andere Meinung als der Rest der Republik, sondern lediglich die älteren Ostdeutschen – zumindest unter den Teilnehmern von "Deutschland spricht".

Zwei Gruppen unter den Teilnehmern sind in ihren Einstellungen besonders weit voneinander entfernt: Ältere Männer und jüngere Frauen. Anders gesagt: Wer als älterer Mann mit jemandem sprechen will, der wirklich anders denkt, hat bei einem Gespräch mit einer jungen Frau gute Chancen – und umgekehrt.


Aus: ""Deutschland spricht": Das gibt so richtig Streit!" Elena Erdmann, Philip Faigle, Steffen Hänsch, Jonas Parnow und Julius Tröger (18. September 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-gespraech-meinungen-analyse (https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-gespraech-meinungen-analyse)

QuoteSocial Justice #1.9

" Mein Andersdenkender wäre ein alter Nazi "

Das macht die Debatte interessant. Man muss die Person ja nicht ganz oben auf sein Telefonbuch setzen, aber für einen Nachmittag kann man ja mal debattieren.


QuoteMorrisson #1.18

Gestern ein Verteidigungsvideo einer jungen rechtsradikalen Frau gesehen, die sich beschwert hatte, dass eine Zeitung über sie berichtet hat. Geistiger Tiefpunkt: sie trug auf dem Foto zum Artikel ein Tshirt mit der Abkürzung HKNKRZ und behauptete, das wäre von dem türkischen Blogger Hakan Kuruz.

Mit solchen Leuten will ich auch nichts zu tun haben.


QuoteTräumende Wolke #3

"Das gibt so richtig Streit!"

Ich bin gegen Streit. Streit führt zu mehr Streit. Warum umarmen wir uns nicht einfach alle mal?


QuoteHamburgerin2.0 #6

Ich finde das eigentlich recht ermutigend, obwohl nicht repräsentativ. Der Gap verläuft anscheinend nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen den Generationen. Das ist ja die einzige Variable im Gap "junge Frauen - ältere Männer", denn sein Geschlecht kann man ja nicht ändern. Könnte also mehr "junges Gemüse" einen Teil unserer Differenzen auflösen?


QuoteSeebrügge #6.5

Wenn die Fluechtlinge mehrheitlich junge Frauen waeren, waere die Einstellung der Maenner ihnen gegenueber positiver und die der Frauen negativer.


QuoteWolkenhobel #6.7

Sie meinen
"Als Schüler und Student, ohne eigenes Einkommen und Verantwortung, tendiert man eher zu linken Ideen. Man ist noch ein bisschen naiv, aber offen für nahezu alles, möchte der ganzen Welt helfen, möchte, dass alle den gleichen Wohlstand genießen können und ist bereit, dafür zu teilen. (was man meist nicht besitzt)"

Ich bin mir nicht sicher, was Sie genau unter "linken Ideen" verstehen. Tatsächlich könnte ich Gegenthesen der Form aufstellen:

"Als Schüler oder Student ohne eigene Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt tendiert man eher zu markliberalen Lösungen" (was bei mir persönlich stimmt - ich war früher sehr viel radikaler für einen freien Arbeitsmarkt als heute. Heute glaube ich zwar noch, dass eine freierer Arbeitsmarkt* gut wäre aber nicht mehr, dass man ihn einfach so einführen kann ohne an vielen anderen Stellen etwas ändern zu müssen).

Also dass junge Leute tendenziell eher für "einfache Lösungen" zu begeistern sind (und eher noch nicht so sehen, dass die Wirklichkeit extrem komplex ist und schicke Modelle auch ihre Grenzen haben), könnte eine Konstante sein. In welche Richtung das ausschlägt, scheint mir keinesfalls eindeutig.

Ich hatte als Schüler (ok, damals war ich viel zu Jung um hier mitmachen zu dürfen) übrigens durchaus mal Sympathie für die Idee, durch Massenüberwachung Kriminalität auszurotten ;-)


Quote
unimatrix #6.8

Man wird als Erwachsener tendenziell rechter? Ehm nein. Man wird auch nicht linker. Ich kann mir eine gute Menge an Menschen vorstellen, die die Nase in den Wind hängen. Aber scheren Sie bitte nicht alle über einen Kamm.
Mein Umfeld und ich sind weder linker noch rechter geworden. Irgendwie stehen wir politisch noch genau da, wo wir schon als Heranwachsende standen.


QuoteTransmissionSky
#11  —  vor 6 Tagen 18

Bevor wir jetzt noch weiter ältere Männer diffamieren und diskriminieren. Die Gesellschaft ist eh schon gespalten genug, völlig fragmentiert. Das schwächt alle, und wir sind die perfekte Masse um jeder Form von Ausbeutung und Machtmissbrauch ausgeliefert zu sein.

Ein paar Zahlen:

Der typische AfD-Wähler ist mittleren Alters.

10 Prozent der 18-24jährigen wählen die AfD.

14 Prozent der 25- bis 34jährigen

16 Prozent der 35- bis 44jährigen

14 Prozent der 45- bis 59jährigen

10 Prozent ab 60 plus. Das sind genau so viele wie die 18- bis 24jährigen.

Zahlen der Auswertung der letzten Bundestagswahl unter:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/die-gruende-fuer-das-aufbluehen-der-afd-und-des-radikalismus-15790134-p3.html (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/die-gruende-fuer-das-aufbluehen-der-afd-und-des-radikalismus-15790134-p3.html)


Quote
raflix #11.1

Inwiefern werden ältere Männer diffamiert und diskriminiert? Im Artikel steht lediglich, dass sie andere Meinungen haben als jüngere Frauen.


Quote
MaryPoppinsky #18

Der geringe Unterschied beim Ost-West-Vergleich der Unter-25-Jährigen gibt ein wenig Hoffnung, wenn man sich die Mehrheitsverhältnisse in der nicht repräsentativen Umfrage anschaut.


Quote123Valentino #37

Das Gespräch heute, hat mir gezeigt , das die Einordnung in links , rechts oder grün , nicht funktioniert .
Deshalb halte ich diese ,, Schubladen" für wenig hilfreich.
Sie beschreiben den Wertekanon nicht wirklich.
Mein Vorschlag wäre mehr eine Zuordnung : Arm/Reich; Mächtig / Ohnmächtig; Ängstvoll/Angstfrei;Gebildet/Ungebildet .
Den letzten Punkt auch Dumm/Schlau .
Ich glaube dass das ,,Weltbild"eines jeden Menschen kaum über einen Fragenkatalog zu erfragen ist ,
Mein Gespräch war eher ein Geplänkel über Belangloses.
Es hat mir auch gezeigt, dass die Fragen nicht wirklich eindeutig waren.
Der Katalog der Fragen wurde sicherlich lange diskutiert und eines ist sicher , ein militanter Veganer war dabei.


...


"Aktion "Deutschland spricht": "Wir holen uns einen Haufen Sorgen ins Land""
https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-diskussion-dresden-taxifahrt-meinungsverschiedenheit/ (https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-diskussion-dresden-taxifahrt-meinungsverschiedenheit/)

QuoteCarlLeonhardGeuler #5

Was mich an diesen Berichten immer besonders erfreut, ist, dass die Menschen vis a vis wieder zu einem vernünftigen Umgang finden. Der Ton im Netz und auch hier im ZONforum ist häufig von einer Aggressivität begleitet, die wirklich erschreckend ist (und das von nahezu allen Seiten) in Realität besinnen sich 99% der Menschen dann aber anscheinend doch wieder. Wir sollten uns mehr darüber im klaren werden, dass wir möglicherweise unterschiedliche Meinungen bzgl. mancher Themen haben aber das macht die einen nicht gleich zu Nazis und die anderen nicht gleich zu Steinewerfern. Mehr Ruhe und Sachlichkeit und auch ein wenig Höflichkeit und Offenheit(in der Diskussion) sollte unsere Maxime im Forum sein. In diesem Sinne: Danke für den Artikel


Quote
letzter Mensch #5.10

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leser eines Posts sehr häufig kein Textverständnis mitbringen und genau deshalb sehr schnell aggressiv werden.
Ein 'einige' wird dann zu 'alle', ein 'auch' zu 'nur', ein 'häufig' zu 'immer'.
Ganz besonders schlimm sind Menschen die nur zu entweder/oder Logik fähig sind, bzw. überhaupt nicht wissen, dass es ein einschließendes und ausschließendes oder gibt.
Andere denken sich schlicht einen Ton, der überhaupt nicht da ist.


Quotemaverick76 #8

Ich halte die Aktion für extrem sinnlos - zu diesem Zeitpunkt. Das Kind ist schon in den runne gefallen. 2014 hätte man diskutieren können. Jetzt gilt es zu handeln.  ... Eine mögliche Disussion ist Zeitverschwendung, denn sie hat keinerlei Einfluss auf die Politik. Ausserdem lasse ich Ihnen gerne Ihre Meinung und behalte meine. Ich für meinen Teil benutze meine Stimme bei der Wahl für den einzige kleine Einfluss, den ich habe.


QuoteAlfons Wedelmann #17

Nach der Schilderung haben die Beiden das Gespräch mit Anstand bewältigt. Trotz unterschiedlicher Meinung will man in Kontakt bleiben. Das finde ich gut. Ein ermutigendes Beispiel ...


Quoteratzeputz le Grand #19

Hier treffen exemplarisch zwei Menschen aus zwei unterschiedlichen Wohnvierteln aufeinander - und genau darum geht es, um die Wohngegend!

Frau Thiel bekommt in ihrem gutbürgerlichen Wohnviertel praktisch nichts von den Problemen mit, die andere in einkommenschwachen Gegenden haben. Es verändert eine ganze Atmosphäre wie jeder weiß und kann einen prägen.

ich [habe manchmal] das Gefühl, dass es auch manch einem Medienmacher sehr gut tun würde sich viel öfter einer solchen Situation mit einem ganz anders denkenden Menschen (nicht aus dem klassischen Altbauviertel) direkt zu stellen.


QuoteHamburgerin2.0 #21

... Was man lernen kann: Den Migrationsskeptiker wird man mit noch so glühenden Schilderungen eines positiven multikulturellen Lebensgefühls nicht überzeugen. Die Migrationsbefürworterin mit der 799.en Geschichte über irgendeinen Messermord in irgendeinernicht unmittelbar naheliegenden Gegend ebenso wenig.

Ich glaube, dass es weniger um Zahlen und Fakten geht. Interessant ist ja, dass beide in die islamische Welt gereist sind und daraus ganz unterschiedliche Schlüsse gezogen haben, dass beide in derselben Stadt wohnen und daraus ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen, dass die eine fremde Sprachen in der Stadt als Bereicherung empfindet und der andere eher als Belastung. Ich denke, dass hat viel mehr mit Emotion zu tun als mit Fakten, denn die Fakten sind ja durchaus vergleichbar, wenn auch nicht gleich (durchaus unterschiedliche ökonomische Ausgangslagen, unterscheidliches Geschlecht, unterschiedliches Lebensalter). Wie so Vieles hat das mit einer Art Haltung zum Leben zu tun, d.h. Glas halb voll oder leer. Es ist eine Frage der persönlichen Lebenskultur.

Wenn sich alle Bürger so respektvoll begegnen würden, wie diese beiden hier, müsste man sich um Deutschland keine Sorgen machen.

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 27, 2018, 12:21:46 PM
Quote[...] Als Schirmherr der Aktion "Deutschland spricht" hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Grundsatzrede sein Wort an die Bürger im Land gerichtet - am Sonntag vor 600 handverlesenen Gästen in Berlin.

... Der Bundespräsident hat eine Rede gehalten, die zwar wunderbar den Erwartungshorizont jener Medienelite bedient, die die Aktion initiiert und unterstützt hat, die aber zugleich meilenweit von einer Erfassung der Wirklichkeit, wie sie außerhalb des politischen und medialen Berlins existiert, entfernt ist.

... Was ist davon zu halten, wenn diejenigen, die selbst maßgeblich zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen haben, den Fokus sehr geschickt von ihrem Verhalten weglenken, um jene ins Zentrum zu rücken, die für die Ursachen der schweren Verwerfungen im Land nicht verantwortlich sind? Wer das Projekt "Deutschland spricht" genauer betrachtet, wird schnell feststellen, dass hier mit viel Tamtam subtil die Bürger in die Verantwortung genommen werden, und zwar ganz so, als ob das Verhalten der Bürger nicht Symptom, sondern Ursache ist.

In der Sinnwelt des Projekts spielt es keine Rolle, dass eine über viele Jahre forcierte neoliberale Politik - wohlgemerkt unter Beifall vieler Medien - zu schwersten Schäden in Gesellschaft und konsequenterweise auch an der Demokratie geführt hat. Die Tatsache, dass viele Bürger in unserem Land - nein, nicht sich abgehängt "fühlen" - abgehängt sind und von Politik und Medien ignoriert, gedemütigt und immer wieder mit Nachdruck von abgehobenen Eliten missverstanden werden, spielt im Wirklichkeitskosmos von "Deutschland spricht" keine Rolle - was sicherlich verständlich ist. Denn dann müssten diejenigen, die sich zu Moderatoren gesellschaftlicher Spannungsverhältnisse erheben, ihr eigenes Handeln selbstkritisch reflektieren (weitere Ausführungen zu dem Projekt sind hier zu finden).

... Wie ist es um die Debattenkultur der Medien bestellt? ... Echte Debatten (keine Simulationen) setzen [ ] voraus, dass Personen mit unterschiedlichen Positionen zu Wort kommen. Wie unter einem Brennglas zeigen die großen Polit-Talkshows, also die wichtigen Diskursplätze der Medien, wie beschnitten Debatten heute in unserer Gesellschaft sind. Sowohl Themensetzung, als auch die Gästelisten verraten, dass echte Debatten mit Akteuren, die fundamental entgegengesetzter Meinung sind, Seltenheitswert haben.

Steinmeier weiß das. Er selbst sagte 2014, er habe das Gefühl, dass der Meinungskorridor in den Medien schon einmal breiter war. "Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen", so Steinmeier damals.


Aus: "Steinmeier: "Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden unseres Landes"" Marcus Klöckner (26. September 2018)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Steinmeier-Es-sind-zu-viele-die-sich-wohlfuehlen-im-Schlechtreden-unseres-Landes-4174727.html (https://www.heise.de/tp/features/Steinmeier-Es-sind-zu-viele-die-sich-wohlfuehlen-im-Schlechtreden-unseres-Landes-4174727.html)

QuoteNikolai Iwanowitsch Jeschow, 27.09.2018 08:15

Honnecker: "Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden bla..."

Aber ja, Steinmeier. Als auf Lebenszeit materiell und persönlich auf hohem Niveau abgesicherter Politbonze kann, nein, muss man das wohl so sehen.

...


Quote

    cybergorf, 26.09.2018 17:56

Genau: lasst uns einfach Alles schönreden!

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Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 27, 2018, 01:28:08 PM
Quote[...] LONDON. Es war keine gute Woche für Theresa May und für Großbritanniens ambitionierte Brexit-Pläne. Voller Hoffnung war die Regierungschefin mit einer kleinen Delegation nach Salzburg zum EU-Gipfel geflogen, um Europas Regierungschefs ihren Ausstiegsplan schmackhaft zu machen.

Die Hoffnung in London: Die bislang zusammenhaltende Front der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten werde bröckeln, weil der konkrete Austrittstag am 29. März 2019 bedrohlich naher rückt.

So eine Art Torschusspanik seitens der EU. London redet sich seit Monaten ein, die EU werde unter dem immer wieder angedrohten "No-Deal-Brexit" genauso wirtschaftlich leiden wie das Königreich. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen.

Eine sichtlich wütende und geschockte Theresa May verließ am Freitag nach einer kurzen Pressekonferenz die Mozart-Stadt, um wenig später in der Londoner Downing Street demonstrativ vor zwei übergroßen Union Jack-Fahnen mit finsterer Miene vor der "jetzt bedrohlich wachsenden Gefahr eines No-Deal-Brexit" zu warnen.

"Täuschen Sie sich nicht, wir sind bereit, die Verhandlungen abzubrechen", drohte May. Und: es sei jetzt an der Zeit, dass Brüssel Kompromiss-Vorschläge auf den Tisch lege. Für das Vereinigte Königreich jedenfalls gelte: "Unser Vorschlag ("Chequers Plan") ist der einzig gangbare Weg, noch zu einem Abkommen zu gelangen."

Was dann hier in Großbritannien am Wochenende folgte, war ebenso vorhersehbar wie bedauerlich. Die überwiegend EU-feindliche Presse schimpft wie selten zuvor gegen Brüssel.

Wobei es immer wieder zu peinlichen verbalen Entgleisungen kommt – wie dem Vergleich der EU-Delegation mit "Monstern" ("Daily Mail") oder der Drohung, "die EU wird dafür teuer bezahlen – das ist Krieg" ("Sun").

Britanniens neuer Außenminister Jeremy Hunt, der zuvor jahrelang eher unglücklich das Gesundheitsministerium verantwortet hat, sagte der BBC, Brüssel solle Londons Höflichkeit bei den Verhandlungen nicht mit Schwäche verwechseln.

Man sei auf einen No-Deal vorbereitet und man werde nicht zögern, vom Verhandlungstisch aufzustehen, sollte Brüssel nicht "schnell neue, eigene Vorschläge unterbreiten". Ein mir befreundeter Klinikarzt berichtete mir später abends im Pub, er habe nur noch mit dem Kopf geschüttelt, als er auf seinem Handy von Hunts Drohung las. "Das ist alles unglaublich traurig und eigentlich unfassbar!"

Einer der Gründe dafür, dass ich als recht typischer Norddeutscher vor mehr als 30 Jahren von Bremen nach London umgesiedelt bin, war und ist eine seit meiner Schulzeit anhaltende Faszination für die englische Sprache.

Englisch ist voller Nuancen, Zweideutigkeiten und kann unglaublich elegant sein; nichts ist schwarz oder weiß in der englischen Diplomatensprache – alles ist stets Grau. Mal Hellgrau, mal Felsengrau, mal Grau-Beige.

Verfolgt man freilich die von der Regierung May seit Monaten benutzte Diplomatensprache, so erinnert mich das eher an den berühmten Elefanten im Porzellanladen oder die berüchtigte "Axt im Walde".

...  Immerhin aber gibt es selbst in diesen Zeiten auf der Insel noch immer die eine oder andere gute Nachricht. Ich freue mich, heute berichten zu können: Meine britische Staatsbürgerschaft ist bewilligt! Mitte Oktober werde ich erleichtert und mit eindeutig gemischten Gefühlen in mein örtliches Bürgeramt in Westminster gehen, um 1) einen Eid auf die Monarchie und die Queen zu schwören und 2) meinen ersten britischen Pass in Empfang zu nehmen.

...


Aus: "Sprachverfall in Brexit-Zeiten" Arndt Striegler (Ärzte Zeitung online, 26.09.2018)
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/brexit/article/972421/arndt-striegler-bloggt-sprachverfall-brexit-zeiten.html (https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/brexit/article/972421/arndt-striegler-bloggt-sprachverfall-brexit-zeiten.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 10, 2018, 11:02:15 AM
Quote[...] Später sei Schmidt von Personen mit "Quarzsand-Handschuhen" verfolgt worden. Schmidt bestätigt die Verfolgung, er sei dann aber durch Mitglieder der eigentlich kritischen Gruppe geschützt worden. "Die Szene war in dieser Situation gespalten", sagte er. Juristische Schritte will er nicht einleiten, es habe sich um eine "Schulhof-Mentalität" gehandelt. Eigentlich hatte Schmidt mit den Anwohnern über Strategien gegen Mietsteigerung und Gentrifizierungen sprechen wollen. Ein Thema, das im Samariterkiez, wo unter anderem die CG-Gruppe mehrere Neubauprojekte trotz Bürgerproteste durchgesetzt hat, immer wieder für Ärger sorgt. In einigen Häusern wohnen seit Jahren Mitglieder der linksautonomen Szene. Trotz der Brisanz des Themas waren Schmidt zufolge am Montag nur rund 35 Personen erschienen, weil die Veranstaltung nur mit Plakaten beworben worden sei, die aber abgerissen wurden. ...


Aus: "Baustadtrat wird bei Veranstaltung in Rigaer Straße bedroht" Felix Hackenbruch (09.10.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg-baustadtrat-wird-bei-veranstaltung-in-rigaer-strasse-bedroht/23164850.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg-baustadtrat-wird-bei-veranstaltung-in-rigaer-strasse-bedroht/23164850.html)

QuotePat7 09.10.2018, 18:20 Uhr
Quarzhandschuhe und derartige Drohungen haben nichts mit "Schulhofmentalität" zu tun.  ... Meinungsfreiheit existiert bei denen nur für die eigene Meinung und wo Brüllen nicht reicht, wird es dann heftiger. Es ist an der Zeit die nicht mehr mit Samthandschuhen anzufassen. Den Typen wie die bringen jeden zivilen gewaltlosen Widerstand gegen Spekulationen mit Wohnraum in Verruf.


QuoteSpandau-Loewe 09.10.2018, 18:49 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Pat7 09.10.2018, 18:20 Uhr

Wir sind hier in Friedrichshain-Kreuzberg und dazu in einer Umgebung, die dem Baustadtrat doch gefällt. Also ist das "Schulhofmentalität". Und fertig.


QuoteHenrik1970 09.10.2018, 18:17 Uhr
Das hätte nicht mal ich mir vorstellen können, dass Baustadtrat Schmidt von Linken angegriffen wird.
Schmidt macht doch fast alles, was diese Menschen wollen und verhindert jeglichen Neubau, soweit er das kann.


QuoteMcSchreck 09.10.2018, 21:51 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Epaminaidos 09.10.2018, 20:54 Uhr
wenn man sehr sehr weit links steht, ist jeder rechts. Und wer ein Amt hat, ist schon mal immer der Feind, egal wie er es ausübt. Er hat sich ja mit den Verhältnissen arragiert.

Da sind sich die Extremisten sehr nah.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 14, 2018, 11:44:07 AM
Quote[...] Leider können wir Ihnen nicht zu  allen Artikeln einen Kommentarbereich zur Verfügung stellen. Mehr dazu erfahren Sie in der Stellungnahme der Chefredaktion.

...


Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_84607012/vor-bayern-wahl-wolfgang-schaeuble-schliesst-rueckzug-angela-merkels-nicht-aus.html (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_84607012/vor-bayern-wahl-wolfgang-schaeuble-schliesst-rueckzug-angela-merkels-nicht-aus.html)

-

Quote[...] Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ihre Meinung ist uns sehr wichtig. Wir wollen, dass Sie über Themen, die Sie bewegen, bei t-online.de diskutieren oder sich mit unseren Redakteuren austauschen können. Es ist uns wichtig, mit Ihnen in Kontakt zu bleiben und Ihre Einstellung zu verschiedenen Themen zu erfahren.

Bei den Kommentaren wollen wir alle Meinungen zu Wort kommen lassen - in einer offenen, vorurteilsfreien Diskussion. Dafür allerdings muss der Ton ebenso unserer Netiquette entsprechen wie der Inhalt, der nicht verfassungs- und presserechtlich bedenklich sein darf - also aufhetzend, menschenverachtend oder herabwürdigend. Wir stellen ein Forum zur Verfügung, in dem respektvoll miteinander kommuniziert werden sollte, so wie Sie es bei einer Diskussion mit real anwesenden Personen tun würden. Wir wollen, dass sich die Leser auf unserer Seite wohlfühlen.

Seit einiger Zeit können Sie bei uns nicht mehr über jedes Thema debattieren. So gerne wir das auch würden: Angesichts der Masse an Beiträgen, die uns erreichen, können wir unmöglich alle Artikel zur Diskussion öffnen. Die Moderation eines Forums ist sehr arbeitsintensiv, wenn man schnell und sorgfältig sein will. So müssen wir zum Beispiel alle Beiträge entfernen, die gegen die oben erwähnten Richtlinien verstoßen.

Deshalb konzentrieren wir uns auf die Themen, bei denen wir eine Diskussion für sinnvoll halten. So bleiben beispielsweise Unfälle oder reine Todesmeldungen geschlossen. Auch Dopplungen wollen wir vermeiden: Dass nämlich an mehreren Stellen zum gleichen Thema diskutiert wird. Wenn wir verschiedene Artikel zu einem Themenkomplex auf der Seite haben, ist meist nur einer von diesen für Kommentare geöffnet.

Bei den geöffneten Artikeln haben wir wie andere Nachrichtenseiten auch massive Probleme mit sogenannten Trollen oder Hatern. Das sind Nutzer, die im Schutz der Anonymität extremistische, menschenverachtende und gewaltverherrlichende Kommentare verbreiten. Diesen Nutzern wollen wir kein Forum bieten. Vor allem bei politischen Diskussionen etwa über die AfD oder den Umgang mit Flüchtlingen hat sich leider gezeigt, dass ein konstruktiver Austausch von Argumenten oft unmöglich ist.

Nutzern, die Kommentare wie diese schreiben, ist nicht an einer Diskussion gelegen:

"Wenn Nazis eins richtig machen, dann ist es Typen wie ihnen was auf das Maul zu hauen, hoffentlich bald!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!" (An einen Redakteur)

"Für Schweine wie den ist eine Kugel zwischen die Augen gerade gut genug"

,,Verpiss Dich aus meinem Land Du Stück Scheisse!"

Leidtragende sind vor allem Sie: Die große Mehrheit unserer Nutzer, die sich sachlich, konstruktiv, informativ und oft humorvoll mit anderen Lesern austauschen möchte.

Wir haben uns dazu entschlossen, alle geöffneten Foren sorgfältig zu moderieren. Das bedeutet, dass wir insbesondere in Randzeiten, in denen keine Moderation im Dienst sind - am späten Abend und in der Nacht - das Forum nicht öffnen können.

Zu den anderen Zeiten freuen wir uns auf viele spannende Diskussionen mit Ihnen!

Die Chefredaktion von t-online.de


Aus: "In eigener Sache: Warum wir viele Leserkommentare nicht veröffentlichen können" (Stand: 14. Oktober 2018, 11:24:04 MESZ)
Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/id_73113032/leserkommentare-statement-der-chefredaktion.html (https://www.t-online.de/nachrichten/id_73113032/leserkommentare-statement-der-chefredaktion.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2018, 12:29:29 PM
Quote[...] Patrick Wildermann: Herr Stegemann, über Ihr politisches Engagement in der linken Bewegung ,,Aufstehen" ist viel berichtet worden. Es wirkt, als seien Sie überrascht, in welchen Trubel Sie da geraten sind. Bereuen Sie es schon?

    Bernd Stegemann: Bereuen auf gar keinen Fall. Überrascht bin ich allerdings, und zwar über den Wind, der im sogenannten politischen Diskurs weht. Man hat das Gefühl, viele warten nur darauf, Äußerungen falsch zu verstehen, um sie gegen einen verwenden zu können. Das ist im Theater so nicht der Fall. Da dürfen Sätze durchaus doppeldeutig, ironisch, uneigentlich gemeint sein – sowohl auf der Bühne als auch hinter den Kulissen. Ästhetik hat ja ihrem Wesen gemäß eine fast fundamentalistische Uneindeutigkeit. Dieser Gestus wird in der politischen Kommunikation überhaupt nicht akzeptiert, sondern als Einladung genommen, dir in die Fresse zu hauen.

    Theaterleute sind gern politisch, grenzen sich aber von der Tagespolitik ab. Gilt dieser Unterschied für Sie nicht?

    Es sind zwei verschiedene Sphären, das Politische und die Politik. Ich kann im Prinzip jeden Raum zu einem politischen machen, indem ich Widersprüche öffentlich zur Verhandlung stelle. Das ist natürlich noch nicht Politik. Die ist tatsächlich gekoppelt an Macht. Wer hat das Amt, wer die Mehrheit, wer darf das Gesetz erlassen? Je mehr ich mich mit Politik befasse, desto mehr verstehe ich die Scheu derer, die lieber im Raum des Politischen bleiben möchten. Er ist viel freier und viel schöner – in einem ästhetischen Sinne.

    Und obendrein verantwortungsloser.

    Verantwortungslos im Sinne von machtlos, ja. Die Machtlosigkeit ist womöglich die Bedingung für Kunst. Wenn die Kunst anfängt, nach Macht zu schielen, wird sie tendenziös. ...



Aus: ""Aufstehen"-Sammlungsbewegung ,,Die Angst war vorher da"" Patrick Wildermann (16.10.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/aufstehen-sammlungsbewegung-die-angst-war-vorher-da/23194296.html (https://www.tagesspiegel.de/kultur/aufstehen-sammlungsbewegung-die-angst-war-vorher-da/23194296.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2018, 01:41:06 PM
Quote[..] Neumünster - Ein 34-Jähriger ist am Dienstagabend gegen 20.15 Uhr in Neumünster festgenommen worden, nachdem er seine Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus in der Christianstraße mit einer Schreckschusspistole bedroht hatte. Dem vorausgegangen waren Streitigkeiten.

Ein 34-jähriger Hausbewohner hörte lautstark Musik und wurde von seinen Nachbarn angesprochen, die Lautstärke zu reduzieren. Daraufhin zog der Mann eine, wie sich später herausstellte, Schreckschusspistole aus dem Hosenbund. Er lud diese durch, richtete sie auf einen der Mieter und forderte sie auf zu verschwinden. Danach schloss er seine Wohnungstür wieder.

... In seiner Wohnung wurde die Schreckschusspistole aufgefunden und beschlagnahmt. Er selbst machte zur Sache keine Angaben.

Der Mann stand erheblich unter Alkoholeinfluss und wurde bis zum Mittwochmorgen im Polizeigewahrsam untergebracht. Da er sich diesen Maßnahmen widersetzen wollte, wird gegen ihn nun außer wegen Beleidigung und Bedrohung auch noch wegen Widerstand gegen und Tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte ermittelt. Ein entsprechendes Strafverfahren wurde eingeleitet.


Aus: "Mieter bedroht Nachbarn mit Pistole" (14.11.2018)
Quelle: http://www.kn-online.de/Lokales/Neumuenster/Polizeieinsatz-Ruhestoerung-in-Neumuenster-Strafverfahren-eingeleitet (http://www.kn-online.de/Lokales/Neumuenster/Polizeieinsatz-Ruhestoerung-in-Neumuenster-Strafverfahren-eingeleitet)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 04, 2019, 03:21:04 PM
Quotebrutalheim-كريم
@brutalheim
grad haben welche diskutiert ob man elmex morgens oder abends benutzt es ist so deutsch


brotlose kunst
@just_write_it
·
16 Std.
Antwort an @brutalheim
abends
🙃


Hei Hei
@__randoom__
·
15 Std.
next level: elmex Kids geht morgens und abends, aber nur für Milchzähne.


https://twitter.com/brutalheim/status/1080944163825291264 (https://twitter.com/brutalheim/status/1080944163825291264)

...

Quoteredcat hat retweetet
happyfeet

@12happyfeet12
Ich führe grundsätzlich keine Impfdebatten mehr, seit ich Patienten im Alter von 20 und 50 Jahren an Windpocken und Masern habe sterben sehen. Wir können über Wurstsorten oder Handytarife diskutieren, aber definitiv nicht über Impfungen! Da gibt es nichts zu diskutieren!


Voland
@VolandMephisto
·
19 Std.
Antwort an @12happyfeet12
ich mag ungarische Salami

Wasdnedsagsd?!
@ShadowchildN
·
22 Std.
Mehr Leberwurst für mich.

Andreas Kubasik
Andreas Kubasik
@AndiWug
·
16 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Jeder hat seine Meinung. Pro und Contra. Wie haben die Leute das alles vor dem Impfgeschäft überlebt???

Pfannkuchenprinzessin
Pfannkuchenprinzessin
@melli_meter
·
22 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Ich bin absolut kein Impfgegner & finde es auch schlimm, dennoch kenne ich auch 2 Fälle, da ist das Kind an einer Impfung gestorben und das andere Schwerbehindert. Kann bei solchen Leuten nachvollziehen warum sie dagegen sind. Aber, ja die meisten Impfgegner habe keine Argumente

Roland Frisch
@rofrisch
·
7 Std.
Da sind 2 Fälle, wo Leute trotz Rettungsboot gestorben sind. Trotzdem würde ich im Ernstfall nicht auf nen Platz im Rettungsboot verzichten.

Omnimodo Facturus
@OmniFactu
·
21 Std.
Antwort an @12happyfeet12
und @JensFiege
Mit Paprikalyonern diskutiere ich nicht.

Dirk Rauen
@DirkRauen
·
1 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Wie schaffen es Leute mit dieser Argumentation (kenne zwei....) sich tatsächlich als wissenschaftlich zu verkaufen?? Propaganda läuft!

paulii.mnk
@MnkPaulii
·
6 Std.
Antwort an @12happyfeet12
und @mrs_prongs
Wusste gar nicht dass man sich gegen Windpocken impfen lassen kann. Ich dachte immer das hat man als Kind halt einmal und gut ist.

Der Pendler
@ArdbegForever
·
6 Std.
Antwort an @12happyfeet12
und @perlenmarmelade
Das ist so eine Diskussion, die ich mit ner bekannten  zum Thema "Gurt" führen musste. Sie wollte sich nie anschnallen, weil ein Bekannter überlebt hätte, wenn er bei einem speziellen Unfall nicht angeschnallt gewesen wäre.

Prokrastinateur
@Prokrastinateu1
·
4 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Wow, starkes Statement!
Und jetzt bitte noch ein Beitrag zum Thema #Homöopathie

🎃👻🦇🦇Störsender 🦇🦇👻🎃
🎃
👻
🦇
🦇
Störsender
🦇
🦇
👻
🎃
@KatiPierson
·
5 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Wurst grundsätzlich nur aus ganzen Fleischstücke wie Schinken, kein durchgedrehtes Zeug. Wenn das rauskommt, was da reinkommt, dann kommen die Wursthersteller irgendwo rein, wo sie nie wieder rauskommen.
😉

Christian Steifen
@ChristianBloomy
·
20 Std.
Können wir dann nicht erstmal über ein Rauchverbot debattieren? ;)

o. timmermann
@oti28908737
·
4 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Impfgegner sind nur gegen Argumente von Impfbefürwortern immun.

Signal77
@Signal77
·
20 Std.
Antwort an @12happyfeet12
Ich bin gegen Impfen. Dennoch sind meine Kinder durchgeimpft. Weil ich das Wohl der Gesellschaft über meine subjektive Meinung stelle.
Und ich steh eher auf Leberwurst. Die feine, im Naturdarm.

Allyouneed
@needfull_
·
22 Std.
Antwort an @12happyfeet12
und @ausserirdischer
Aber Autismus. Und Spätfolgen. Und überhaupt. Impfen ist böse. Besser Globuli....
Sorry. Mit Impfgegnern diskutieren... Jedesmal so

Black Ace
@Bl4ck_4c3
·
22 Std.
Globuli helfen ja auch nur, wenn man sie mit nach links gedrehtem Granderwasser runterspült. Weiss doch jeder.
🤪

Allyouneed
@needfull_
·
22 Std.
Dank Twitter weiß ich sowas.


https://twitter.com/12happyfeet12/status/1080850067156856832 (https://twitter.com/12happyfeet12/status/1080850067156856832)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 08, 2019, 10:58:07 AM
Quote[...] Zahlreiche sensible Daten deutscher Politikerinnen und Politiker sowie Prominenter sind im Internet veröffentlicht worden – unter anderem Handynummern, parteiinterne Dokumente, Kontodaten und private Chats. Betroffen sind auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nur Politikerinnen und Politiker der AfD sind laut Bundesinnenministerium bislang vom Datenleak ausgeschlossen. ...


Aus: ""Ein schwerer Anschlag auf die Demokratie"" (4. Januar 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2019-01/hackerangriff-politiker-bundestag-daten-leak-liveblog (https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2019-01/hackerangriff-politiker-bundestag-daten-leak-liveblog)

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Quote[...] Der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der AfD Bremen, Frank Magnitz, ist am Montag von mehreren Personen angegriffen und verletzt worden. Der Vorfall habe sich gegen 17.20 Uhr in der Nähe des Theaters am Goetheplatz ereignet, teilte die Polizei Bremen mit.

Aufgrund der Funktion des Geschädigten sei von einer politischen Motivation der Tat auszugehen. Der polizeiliche Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft Bremen ermitteln demnach.

Nach Angaben der Bremer AfD wurde Magnitz von drei Vermummten attackiert. Er liege mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Dazu veröffentlichte die Partei ein Foto, das den Verletzten zeigen soll. Der AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen verbreitete das Foto bei Twitter und schrieb, Magnitz sei "halbtot geschlagen" worden. Zahlreiche AfD-Politiker verurteilten den Angriff ebenfalls und wünschten Magnitz baldige Genesung.

Die Polizei nannte keine Details zum Angriff. Sie sucht Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte am frühen Dienstagmorgen, er hoffe, dass der oder die Täter bald ermittelt und verurteilt werden. "Auch gegenüber der AfD gibt es keinerlei Rechtfertigung für Gewalt. Wer Hass mit Hass bekämpft, lässt am Ende immer den Hass gewinnen."

Wenig später meldete sich auch Außenminister Heiko Maas zu Wort. "Gewalt darf niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein - völlig egal, gegen wen oder was die Motive dafür sind", schrieb der SPD-Politiker bei Twitter. "Wer ein solches Verbrechen verübt, muss konsequent bestraft werden."

Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, erklärte: "Es gibt keine Rechtfertigung für ein solches Verbrechen."

aar/kev/dpa


Aus: "Bremens AfD-Chef angegriffen und verletzt" (08.01.2019)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-bremen-frank-magnitz-angegriffen-und-verletzt-polizei-sucht-zeugen-a-1246881.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-bremen-frank-magnitz-angegriffen-und-verletzt-polizei-sucht-zeugen-a-1246881.html)

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Quote[...] Meinungsdiktatur! Gesinnungsterror! Regelmäßig beschwören Konservative den Untergang von Demokratie, Meinungsfreiheit oder gleich dem gesamten Abendland. Dabei geht nur eines unter: ihre Diskurshoheit

Das Jahr war fast geschafft, da stand Deutschland doch noch einmal kurz vor dem Untergang. Von "grünlinker Bürgerkriegsgesinnung" schrieb ein Kommentator der Jungen Freiheit. "Bestmenschen" würden die "politische Gesinnung im Lande diktieren", echauffierte sich ein AfD-Vorsitzender. Kinder von Mitgliedern dessen Partei seien "die neuen Judenkinder", befand Ex-CDU-Rechtsaußen Erika Steinbach auf Twitter.

Was war da passiert? Hatten tatsächlich über Nacht Gestapo-ähnliche Antifa-Trupps die Macht übernommen, die Stammtische der Republik in Brand gesetzt und jeden, der kein "Refugees Welcome"-Logo vorweisen konnte, in die Gosse geprügelt?

Natürlich nicht. Der wahre Anlass für die Empörung war weitaus banaler: Eine Waldorfschule im Berliner Süden hatte einem Kind die Aufnahme verwehrt. Die Begründung: die Parteimitgliedschaft des Vaters. Damit hatten die Schulvertreter nicht nur gegen die eigenen Anti-Diskriminierungsbestimmungen verstoßen, sondern womöglich auch gegen das Berliner Schulgesetz.

Sicherlich ein Grund für Kritik, vielleicht sogar ein Fall fürs Schulamt. Aber war der Vergleich mit dem Stalinismus, wie ihn auch der Literatur- und Medienwissenschaftler Alexander Kissler im Deutschlandfunk heranzog, nicht etwas zu hoch gegriffen?

Man könnte über solche Fälle über das Ziel hinausschießender Empörung hinwegklicken, gehörte es nicht mittlerweile zum medialen Alltag, aus den nichtigsten Anlässen Weltuntergangszenarien zu generieren: Meinungsdiktatur! Kulturbarbarei! Gesinnungsterror! Tod der Debattenkultur! Moralische Erpressung! Sprachfaschismus! So hallt es beinahe täglich aus Feuilletons, Facebook-Feeds und Talkshows.

Die Anlässe sind so beliebig wie austauschbar: Mal ist es ein außer Kontrolle geratener Polizeieinsatz vor einer Flüchtlingsunterkunft, der das Ende des Rechtsstaats herbeiführt (FAZ). Mal wird aus ein paar linken Kunstkritikern, das "trojanische Pferd totalitärer Macht" (NZZ). Eine Kita-Broschüre erinnert da schon einmal schnell an Nazi-Kinderaufmärsche (Tichys Einblick). Und #metoo wird zum "feministischen Volkssturm", der alle Männer "ins Lager der moralisch Minderwertigen" einsperren wolle (Die Zeit).

Kein Fall echten oder vermeintlichen linken Fehlverhaltens dürfte im vergangenen Jahr energischere Weltuntergangprophezeiungen hervorgerufen haben als der Streit um ein Gedicht an einer Berliner Hochschule. Als Studentenvertreter der Alice-Salomon-FH ein Gedicht des Lyrikers Eugen Gomringer von ihrer Hauswand verbannen wollten, gab es sicherlich viele Gründe, die Entscheidung zu kritisieren: als überheblich, als Ausdruck fehlenden Respekts vor dem Künstler, vielleicht als Anflug studentischen Größenwahns.

Aber warum hatte man bei vielen Kommentaren zum Thema eher den Eindruck, es handle sich um einen UNESCO-Bericht aus Afghanistan oder Nigeria und nicht um einen Beitrag zu den Vorgängen an einer deutschen 3000-Leute-Uni? Von "Tugendterroristen" und "Schariapolizei", schrieb der Chefredakteur der "Welt am Sonntag" Peter Huth. Einen "erschreckenden Akt der Kulturbarbarei" machte Kulturstaatsministerin Monika Grütters aus.

Drohte aus Marzahn-Hellersdorf wirklich der "Generalangriff auf unsere Kultur und damit auf unsere Freiheit" (noch einmal Huth) oder sind es vielleicht doch eher die Köpfe mancher Kommentatoren, in denen der intellektuelle Ausnahmezustand ausgebrochen ist?

Der Vorwurf der Überempfindlichkeit trifft für gewöhnlich Linke. Diese - so eine Kritik aus konservativer Ecke - versuchten mit Sprechverboten, Moralkeulen oder dem Überstreichen von Hauswänden, ihre Welt in einen linken "Safe Space" zu verwandeln. Daran ist nicht alles falsch. Aber vielleicht lässt sich damit auch gut das Phänomen rechter Empörung verstehen: So wie einige Linke jedes fehlenden Gender-Sternchen als Manifestation patriarchalischer Machtanspruches deuten, reicht manchem hypersensiblen Konservativen im Zweifel schon ein #metoo-Tweet, um in die in die nächste Weltuntergangvision getriggert zu werden.

Mit der Resilienz eines genderfluiden Youtube-Influencers durchforsten Politiker, Feuilletonisten und Kommentatoren die nichtigsten Abweichungen von der konservativen Norm: Zu wenig Schweinefleisch in der Kita? Zu viele Brüste im Kika? Steht da etwa Südseekönig? Und dort ein Halal-Zertifikat auf der Toblerone?

Dabei hat der konservative Hypochonder nicht mit allem unrecht: Es findet derzeit tatsächlich ein Zivilisationsbruch statt. Aber nicht die Welt von Meinungs-, Kunst- oder Debattenfreiheit bricht derzeit zusammen, sondern die konservative Diskurshoheit.

Wenn sie den kleinsten Widerspruch zum Anlass nehmen, Meinungsfreiheit einzufordern, dann sehnen sie sich in Wahrheit allzu oft nach ihrem konservativen Safe Space zurück. Zurück in eine Zeit, bevor all die Muslime, Schwulen, Flüchtlinge und Feminist*innen anfingen, mit eigenen Meinungen und Interessen zu nerven.

Die gute Nachricht aber ist: Über all das und sein Gegenteil darf weiter gemeckert werden. Wer will, kann auch im neuen Jahr den Untergang von Demokratie, Freiheit und Abendland prophezeien. Die einen mit Gender-Sternchen, die anderen mit drei Ausrufezeichen. Auch in Zukunft wird kein Mann gezwungen werden, einen anderen Mann zu heiraten.

Nur wer möchte, kann das neuerdings tun. Auch morgen wird man noch ohne schriftliche Zustimmung Sex haben und eine Bratwurst essen können - letzteres auch breitbeinig in der U-Bahn. Und ab und zu wird ein Grünen-Politiker, eine Gender-Professorin oder eine Privatschule mit einer fragwürdigen Entscheidung von sich reden machen, ohne dass dadurch stalinistischer Gesinnungsterror Einzug hält. Außer vielleicht im eigenen Kopf. (Fabian Goldmann)



Aus: "Das Ende des konservativen Safe Space" Fabian Goldmann (07. Januar 2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Das-Ende-des-konservativen-Safe-Space-4266289.html (https://www.heise.de/tp/features/Das-Ende-des-konservativen-Safe-Space-4266289.html)

QuoteBellisperennis

mehr als 1000 Beiträge seit 14.06.2013
07.01.2019 20:54

Was passiert wenn Grüne ihre safe spaces verlassen?

Abschaltung der Kommentarfunktion:
https://www.journalistenwatch.com/2019/01/07/zu-kata-schulze/ (https://www.journalistenwatch.com/2019/01/07/zu-kata-schulze/)

Flucht:
https://web.de/magazine/politik/robert-habecks-rueckzug-social-media-poltiker-kritisieren-entscheidung-33502624 (https://web.de/magazine/politik/robert-habecks-rueckzug-social-media-poltiker-kritisieren-entscheidung-33502624)


...

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Quote[...] Andreas Winhart, Landtag Bayern

Warnte im September vor Flüchtlingen, die massenhaft Krankheiten einschleppten: ,,Wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist der krank oder ist der nicht krank? Und das müssen wir sicherstellen." Unkte, dass Kosovaren und Albaner künftig als mobile Pflegekräfte zu Deutschen ,,nach Hause kommen und die Bude ausräumen".

Thomas Seitz, Bundestag

Nannte Flüchtlinge ,,Migrassoren", den Propheten Mohammed einen ,,sadistischen Blutsäufer und Kinderschänder". Fand es richtig, ,,Menschen mit schwarzer Hautfarbe auch weiterhin Neger zu nennen". Will die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutieren – zur Abschreckung vor illegaler Einreise. Parteifreunde pflichteten ihm bei.

Gottfried Curio, Bundestag

Fiel im Parlament mehrfach durch fremdenfeindliche Parolen auf. Behauptete, die Bundesregierung habe ein ,,Millionenheer archaisch geprägter junger Männer ins Land gelassen, denen Frauen als Schlampen und Übergriffsobjekte gelten, wenn sie sich nicht der islamischen Unterdrückungskultur anbequemen". Immerhin habe die Kanzlerin auch ,,Fachkräfte importiert: für Messerattacken". Sprach über ,,Papa Gefährder, Mama Gefährder und die Gefährderbambini". Letztere gingen in ,,Papas Enthauptungsunterricht". Bezeichnete Vollverschleierte als ,,schwarzen Sack, der spricht".

André Poggenburg, Landtag Sachsen-Anhalt

Beschimpfte in Deutschland lebende Türken als ,,Kümmelhändler und Kameltreiber". Klagte in einem Chat, ,,Horden von ausländischen Kulturbereicherern" würden ,,unsere Frauen angrapschen und anpöbeln". Sprach von ,,Wucherung am Volkskörper", wollte ,,linksextreme Lumpen" von deutschen Hochschulen verbannen und diese ,,praktischer Arbeit" zuführen. Erkundigte sich bei Parteifreunden im Chat, ob Bedarf an einer ,,Weiterbildung in Sachen ,Erweiterung der Außengrenzen'" bestehe. Verschickte zuletzt einen Silvestergruß an die ,,Mitbürger unserer Volksgemeinschaft".

Andreas Wild, Abgeordnetenhaus Berlin

Plädierte dafür, Flüchtlinge in Lagern aus Bauholz in entlegenen Gegenden unterzubringen. Schrieb, Angela Merkel wolle Deutschland ,,umvolken", ein deutscher Staatsbürger mit deutschem Pass sei noch lange kein Deutscher. Fiel kürzlich auf, weil er zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht eine blaue Kornblume am Revers trug, die während der 30er Jahre als Symbol österreichischer Nationalsozialisten galt. Wild sagt, er habe davon nichts gewusst.

Christina Baum, Landtag Baden-Württemberg

Sprach von ,,schleichendem Genozid" und einer bewussten ,,Umvolkung" durch Zuwanderung. Hielt die Wahl der Grünen Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin für ein ,,klares Zeichen, dass die Islamisierung Deutschlands doch voll im Gang ist". Erklärte nach dem Urteil im NSU-Prozess, das Prinzip ,,Im Zweifel für den Angeklagten" sei ,,aus rein politischen Gründen missachtet" worden.

Stefan Keuter, Bundestag

Verschickte über Whatsapp Bilder von Adolf Hitler mit ausgestrecktem Arm, einer Duschkabine mit gekacheltem Hakenkreuz, einem Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr plus Kommentar: ,,Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!" Seine Erklärung: Er habe die Bilder nur übersandt, damit ein Mitarbeiter sie analysieren könne.

Nikolaus Kramer, Landtag Mecklenburg-Vorpommern

Sprach in einer Debatte über angeblichen Leistungsmissbrauch durch Asylbewerber mehrfach von ,,Negern", bestand darauf, dass dies nicht rassistisch sei. Teilte in einem internen AfD-Chat ein Foto marschierender Soldaten der Leibstandarte SS Adolf Hitler mit der Aufschrift ,,Ein schwarzer Block ist nicht grundsätzlich scheiße". Sprach später von einem Versehen. Pflegte Kontakt zur rechtsextremen pennalen Burschenschaft ,,Chattia Friedberg". Gab an, nicht gewusst zu haben, dass die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Glaubt, Männer seien ,,mehr für die Politik gemacht" als Frauen, meint das aber nicht böse.

Frank Pasemann, Bundestag

Empfing im Juli 2018 mehrere Schlüsselpersonen der extremen Rechten in Räumen des Bundestags und begrüßte sie dort als ,,Freunde": etwa den rechtsradikalen Burschenschaftler Philip Stein, dazu Michael Schäfer und Julian Monaco, beide früher im Bundesvorstand der ,,Jungen Nationaldemokraten", der Jugendorganisation der NPD. Dass zwei hochrangige Ex-Kader der Neonaziszene dem Treffen beiwohnten, bereitete Pasemann nach eigener Aussage ,,keine Bauchschmerzen". Er selbst hatte bereits im Haus der Identitären Bewegung in Halle einen Vortrag gehalten. Nannte den NSU-Prozess kurz vor Urteilsverkündung einen ,,Schauprozess".

Ralph Weber, Landtag Mecklenburg-Vorpommern

Beschäftigt in seinem Wahlkreisbüro einen verurteilten Gewalttäter mit Neonazi-Vergangenheit, der lange im NPD-Umfeld aktiv war. Nahm den Mann mehrfach mit in den Landtag. Weber selbst warnte vor einem ,,großen Austausch" und appellierte an alle ,,,Biodeutschen' mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern", dafür zu sorgen, dass ihre Heimat auch in 30 Jahren von deutscher Leitkultur geprägt sei.

Wilhelm von Gottberg, Bundestag

Der Beamte im Ruhestand nannte den Völkermord am europäischen Judentum in einem Essay ein ,,wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen". Stimmte einer Aussage des italienischen Neofaschisten Mario Consoli zu, wonach ,,immer mehr Staaten die jüdische ,Wahrheit' über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz" stellten. Der Holocaust soll demnach ,,ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt". Forderte, den ,,Kult mit der Schuld zu beenden".

Stefan Scheil, Vorstand Rheinland-Pfalz

Zu seinen Lieblingsthemen gehört die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs. Glaubt, Polen habe einen Krieg gegen Deutschland beginnen wollen, um das eigene Staatsgebiet zu erweitern. Spricht vom ,,Mythos Polen als ewiges Opfer". Stellt Winston Churchill als einen Rassisten dar, der massenhaft Deutsche töten wollte. Nennt den deutschen Überfall auf die Sowjetunion einen ,,Präventivkrieg" und hält die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg für ,,durchaus relativ". Vor seiner AfD-Karriere dozierte Scheil in Vorträgen bei Landsmannschaften und Hobbywissenschaftlern – inzwischen ist er Mitglied im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung. Dort kritisiert er deren Gedenkarbeit für Opfer des NS-Regimes: Jugendliche des 21. Jahrhunderts sollten nicht ,,im Anklagemodus von vergangenen Verbrechensgeschichten belästigt" werden, verpflichtende KZ-Besuche für alle Schüler seien ,,der Herausbildung politischen Selbstbewusstseins nicht förderlich". Programme wie ,,Schule ohne Rassismus" zielten offenkundig darauf ab, Schüler zur ,,kritiklosen Hinnahme jeder jetzigen und kommenden ,Vielfalt' anzuleiten".

Alexander Gauland, Bundestag

Auch der Parteivorsitzende tätigte mehrfach Äußerungen, die Beobachter als geschichtsrevisionistisch werten. Am bekanntesten ist Gaulands Behauptung, Hitler und der Nationalsozialismus seien in 1000 Jahren deutscher Geschichte nur ,,ein Vogelschiss". Monate zuvor hatte er bereits das Recht eingefordert, ,,stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Wollte außerdem die damalige SPD-Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz ,,in Anatolien entsorgen" lassen.

Doris von Sayn-Wittgenstein, Landtag Schleswig-Holstein

Rief zur Unterstützung des rechtsextremen Vereins ,,Gedächtnisstätte" auf. Dessen Mitgründerin ist die zigfache Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Laut Verfassungsschutz wurden im Verein deutsche Kriegsverbrechen relativiert und die Kriegsschuld des NS-Regimes geleugnet. Gegen Sayn-Wittgenstein ist inzwischen ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden. Ob das Erfolg haben wird, ist allerdings unklar.

Wolfgang Gedeon, Landtag Baden Württemberg

Veröffentlichte mehrere antisemitische Schriften. Darin fragte er etwa, ob es nicht sein könne, dass ,,die Juden genügend Gründe für die ihnen entgegengebrachten Feindseligkeiten geliefert haben". Gedeon glaubt an eine ,,freimaurerisch-zionistische" Weltverschwörung. Die Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg lehnt er ab – und auch ,,die Frage der Hauptschuld scheint mir nicht so eindeutig, wie es die offizielle, im Wesentlichen vom Zionismus diktierte Version vorgibt". Gedeon bezog sich mehrfach auf die antisemitische Fälschung ,,Die Protokolle der Weisen von Zion". Die Schrift ist seiner Einschätzung nach ,,mutmaßlich keine Fälschung", wahrscheinlich handele es sich tatsächlich um die Mitschrift einer Geheimtagung. Das Parteiausschlussverfahren gegen ihn wurde eingestellt – nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil Belege für Antisemitismus ,,nicht rechtzeitig vorgelegt" worden seien.

Jens Maier, Bundestag

Bezeichnete Muslime als ,,Gesinde" und ,,Schleiereulen", erklärte den angeblichen ,,Schuldkult" der Deutschen für ,,endgültig beendet" und warnte vor der ,,Herstellung von Mischvölkern" in Europa. Nannte Boris Beckers Sohn einen ,,kleinen Halbneger". Bezeichnete die NPD als ,,einzige Partei, die immer entschlossen zu Deutschland gestanden hat". Sagte bei einem Pegida-Auftritt, es genüge ihm nicht, dass die im Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung Dresdens zerstörte Frauenkirche wieder aufgebaut wurde: ,,Da muss noch mehr kommen. Ich will, dass Deutschland wieder aufersteht." Soll bei einer Veranstaltung des ,,Compact"-Magazins Verständnis für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik geäußert haben – dieser sei aus Verzweiflung über die Einwanderung von Kulturfremden zum Massenmörder geworden. Maier bestreitet diese Aussage. Der Veranstalter hat den Videomitschnitt gelöscht.

Björn Höcke, Landtag Thüringen

Prominentester Rechtsaußen der Partei. Nannte das Berliner Holocaustmahnmal ein ,,Denkmal der Schande", sprach von ,,dämlicher Bewältigungspolitik" und forderte ,,eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Unterstellte Afrikanern einen evolutionär bedingten ,,Ausbreitungstyp". Das Landesschiedsgericht der AfD lehnte im Mai 2018 den Parteiausschluss Höckes ab. Der Thüringer Landeschef habe weder gegen die Satzung noch die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstoßen. Einige Monate nach dem Beschluss stellte sich heraus: Einer der Landesschiedsrichter in dem Verfahren hat vor Jahren an einer Reise zu Lebensstationen Adolf Hitlers teilgenommen, vor dessen Geburtshaus eine Kerze angezündet und sich mit einer Decke mit Hakenkreuz und SS-Zeichen fotografieren lassen. Beim Kyffhäusertreffen 2018, einer Feier des völkischen Flügels der AfD, rief Björn Höcke ,,die Zeit des Wolfes" aus. Polizisten empfahl er, sich dem Befehl ihrer Vorgesetzten zu widersetzen, sonst würden sie nach der Machtübernahme des Volkes zur Rechenschaft gezogen.

Alexandra Walter, Landtag Hessen

Fiel in sozialen Netzwerken mit radikalen Statements auf. Erklärte zum Verlauf des Zweiten Weltkriegs: ,,Verrat an jeder Ecke hat zur Niederlage Deutschlands nicht unwesentlich beigetragen." Nannte Migranten ,,Braungebrannte", bezeichnete den verurteilten Kriegsverbrecher Dries Coolens als ,,tollen Menschen", dessen Vortrag sie besucht habe. Walter erklärte später, sie könne sich nicht erinnern, die Kommentare selbst verfasst zu haben.

Siegbert Droese, Bundestag

Forderte ,,freien Waffenbesitz für jeden rechtstreuen Deutschen" und warb dafür mit der Aussage ,,Volksbewaffnung hilft, Koransprengköpfe zu neutralisieren." Nannte Angela Merkel ein ,,SED-Schrapnell im Kanzlerbunker". Forderte den Schulterschluss mit Pegida, ließ sich beim Besuch der Wolfsschanze mit der Hand auf dem Herzen vor den Bunkeranlagen fotografieren.

Roland Magerl, Landtag Bayern

Schimpfte Claudia Roth eine ,,hässliche Wanderwarze". Ist auf Facebook mit diversen Rassisten und NS-Verherrlichern befreundet, zeigte sich bei einer Parteiveranstaltung im Shirt der rechtsextremen Modemarke ,,Ansgar Aryan".

Peter Boehringer, Bundestag

Glaubt an die Existenz geheimer, global operierender Eliten, die im Hintergrund an einer sogenannten ,,New World Order" (NWO) arbeiten – einer neuen Weltordnung. Die Gesellschaft solle dabei so verändert werden, dass die Eliten sie besser kontrollieren können. Auf Facebook erklärte Boehringer, in Deutschland steuere die NWO bereits die Bundesregierung, habe aber auch die evangelische Kirche, die Bahn, die CSU, die Grünen in Baden-Württemberg, diverse Hilfsorganisationen sowie die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft infiltriert. Die Vereinten Nationen würden ebenfalls von der NWO gesteuert – dort seien allerdings auch die Freimaurer aktiv. Glaubt außerdem, die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten seien Teil einer gesteuerten Invasion. Sie erhielten für die Überfahrt nach Europa Geld, etwa aus Saudi-Arabien. Ziel sei, Europa zu islamisieren. Boehringer bestreitet, behauptet zu haben, die ,,Merkelnutte" lasse zu, dass der deutsche ,,Volkskörper" durch Flüchtlinge ,,gewaltsam penetriert" werde. Allenfalls habe er solche Formulierungen in einer Mail an einen kleinen Personenkreis benutzt.

Karsten Hilse, Bundestag

Glaubt, dass die ,,Ehe für alle" von Strippenziehern im Hintergrund durchgesetzt wurde, um soziale Bindungen unter Menschen sowie deren Bezug zu Heimat und Traditionen zu kappen und diese zu einer ,,Grauen Masse" zusammenzuschmelzen. Ziel sei, dass Menschen gegen ,,jedwede Umerziehung" nicht mehr rebellierten. Fürchtet, dass nach der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare jetzt die Legalisierung von Polygamie und Pädophilie gefordert wird. Sang kürzlich auf einer Demonstration in Berlin ein umgedichtetes Kinderlied mit einer Drohung an Angela Merkel: ,,Sonst werden dich die Sachsen holen mit dem Luftgewehr."

Petr Bystron, Bundestag

Gilt als langjähriger Unterstützer der Identitären, lobte sie bei einer Veranstaltung in Oberbayern als ,,tolle Organisation" und ,,Vorfeld-Organisation der AfD". Forderte, seine Partei müsse als ,,Schutzschild" für die Identitäre Bewegung und Pegida fungieren. Ein Münchner Gericht befand, Bystron zeige ,,Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen". Kürzlich stand Petr Bystron in der Kritik, weil er während einer Dienstreise nach Südafrika Vertreter der rechtsextremen Organisation ,,Suidlanders" traf und mit ihnen auch einen Schießstand ausprobierte.

Hans-Thomas Tillschneider, Landtag Sachsen-Anhalt

Gilt als Hardliner in der Partei. Forderte das Bundesverdienstkreuz für Lutz Bachmann, bezeichnete Aids-Kranke als ,,Preis, den wir für ein dekadentes Gesellschaftsmodell zahlen". Sprang gerade seinem Parteifreund Seitz bei: Die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe sei legitim. Tillschneider hat enge Kontakte zu den Identitären, unterhielt bis vergangenen Herbst ein Wahlkreisbüro in deren Zentrum in Halle. Der Auszug dort sei lediglich eine strukturelle Entflechtung, keine inhaltliche Distanzierung. Das Programm der Identitären unterscheide sich ,,nicht von den Zielsetzungen der AfD". In einem Post auf seiner Homepage warnte er Parteifreunde vor der Illusion, einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen zu können: ,,Mittlerweile definiert das Establishment ,Verfassungsfeindlichkeit' so, dass wesentliche Teile des AfD-Programms ,verfassungsfeindlich' sind. Jederzeit ließe sich eine Beobachtung etwa wegen ,Islamfeindlichkeit' begründen."

...


Aus: "Was für eine Beobachtung der AfD spricht" Sebastian Leber (06.01.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/verfassungsschutz-vor-entscheidung-was-fuer-eine-beobachtung-der-afd-spricht/23831430.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/verfassungsschutz-vor-entscheidung-was-fuer-eine-beobachtung-der-afd-spricht/23831430.html)

QuotePantagruel 07.01.2019, 15:38 Uhr
Diese hier vorgelegte "Liste der Schande" ist beinahe noch Gentlemen-Sprech, wenn man sie mit den offiziellen Facebook Verlautbarungen der Kreis- und Stadtverbände sowie einzelner Abgeordneter vergleicht. Auf Facebook hat das oftmals  "Stürmer"-Format, dort hat man, was die Entgleisungen betrifft, Pegida längst überholt.


Quotesouthcross 07.01.2019, 16:19 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Pantagruel 07.01.2019, 15:38 Uhr

"Volksverräter", "Drecks-Brut, "Menschen-Vernichter", "eurasisch-negroide Mischrasse"


Quoteminimal 07.01.2019, 15:32 Uhr
"Verkehrte Welt, so wirkt es in diesen Tagen. Die Verhältnisse scheinen Kopf zu stehen. Da sind Linke, die den Verfassungsschutz am liebsten abschaffen wollten und nun ihr Herz für ihn entdecken. Parteichefin Katja Kipping etwa forderte vor Kurzem, dass der Verfassungsschutz endlich gegen die AfD aktiv wird, auch wenn dies "das Problem nicht löst".
Andererseits überraschen AfDler: Die langjährige Beobachtung der Linkspartei, so sagte es Parteichef  Gauland neulich in kleiner Runde, sei schon immer falsch gewesen. Er habe das stets bedauert. Der Staat dürfe nun nicht denselben Fehler wiederholen. Bei der AfD. ...


QuoteTichysKlogriff 07.01.2019, 15:11 Uhr
Die AfD ist an Widerlichkeit kaum zu überbieten.


QuoteFelixmiller 07.01.2019, 11:29 Uhr
Danke für die Aushebung diese Blütensammlung des Widerwärtigen, die man in der Tat jedem unter die Nase reiben muss, der immer noch meint, das wären keine Nazis und diese Partei wäre nicht mit der NSDAP vergleichbar.

Als Ergänzung hierzu Niklas Frank, ehemaliger Stern-Reporter, der sich sein Leben lang an seinem Kriegsverbrecher-Vater Hans Frank abgearbeitet, im Rahmen eines ihm gewidmeten Seite-Drei-Porträts::

Frank hat sich lange geweigert, die AfD mit den Nationalsozialisten zu vergleichen. "Ich habe immer gesagt: Das sind keine Verbrecher, das ist ein riesiger Unterschied." Inzwischen hört er aber Sätze wie die von Markus Frohnmaier, der für die AfD im Bundestag sitzt. 2015 sprach er bei einer Demonstration in Erfurt: "Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde." Frank sagt: "Das ist absolut mein Vater. Mittlerweile kann man sie mit gutem Recht vergleichen."

https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Frank (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Frank)

Ich halte aber die Verfassungschutz-Beobachtung für ein untaugliches Instrument. Erstens trägt dies zu deren Opfer-Status bei, zweitens delegiert man die Bekämpfung der AfD an eine Behörde, die selber keineswegs als zweifelsfrei bezeichnet werden kann und von einigen dieser trüben Gedanken zumindest infiziert zu sein scheint.

Drittens aber: Diese neuen Nazis zu bekämpfen muss Aufgabe der demokratischen Gesellschaft bleiben. ...


QuoteBabsack 07.01.2019, 08:33 Uhr
Journalisten machen den Job weit besser als der Verfassungsschutz.


Quotescherzengel 06.01.2019, 22:54 Uhr

Nette Liste der Widerwärtigkeiten. Wäre ich Masochist, ginge mir einer ab. ...


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Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 08, 2019, 11:10:54 AM
Quote[...] Seit sechs Tagen wird sie auf Twitter mit Hass überzogen. Männer wünschen ihr, sie möge vergewaltigt, verstümmelt, erschossen werden. Gemäßigtere nennen sie "Abfall", der entsorgt gehöre.

Was sich Nicole Diekmann, Korrespondentin aus dem ZDF-Hauptstadtbüro, zuschulden kommen ließ? Sie hatte zunächst auf ihrem privaten Twitter-Account am Neujahrstag zwei Wörter gepostet, die eigentlich eine demokratische Selbstverständlichkeit sind: "Nazis raus".

Der Spruch wird seit mehr als 30 Jahren von Menschen benutzt, die nicht wollen, dass Nationalsozialisten in Deutschland je wieder Macht erlangen. Er ist eine Entgegnung auf die rechtsradikale Parole "Ausländer raus", wurde nach den Morden von Mölln und Solingen gerufen, auch bei Gerhard Schröders "Aufstand der Anständigen" im Jahr 2000 und immer wieder am Wegesrand von Märschen Rechtsradikaler, die in Deutschland eine Diktatur errichten wollen.

"Nazis raus" bedeutet: Nie wieder Faschismus. Es ist ein Bekenntnis zum Grundgesetz, zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, ja zur Bundesrepublik Deutschland an sich. Wer sollte sich von so einem Spruch angesprochen und angegriffen fühlen, außer vielleicht ein Nazi?

Dass eine Journalistin für ihre Haltung, die zum Glück auch 2019 einen gesellschaftlichen Grundkonsens widerspiegelt, Hass erfährt, sagt womöglich etwas über Diskursverschiebungen der vergangenen Monate aus. Vor allem aber über die Drastik, mit der Rechtsextreme virtuell, oft im Schutz der Anonymität, gegen Demokraten vorgehen.

Ähnliche Hetzkampagnen gab es zuletzt gegen die SPD-Politikerin Sawsan Chebli oder die Moderatorin Dunja Hayali. Der Journalist Richard Gutjahr hat bei der jüngsten re:publica eindrucksvoll beschrieben, wie er selbst gegen Hetzer vorgeht. Andere Opfer versuchen sich zu schützen, indem sie vorübergehend ihre Accounts in sozialen Netzwerken deaktivieren, also untertauchen in der Hoffnung, dass der "Shitstorm" vorüberzieht.

Nicole Diekmann entschloss sich für einen anderen Weg: Sie veröffentlichte einige der Kommentare und antwortete mit Ironie. Dadurch wurde es noch viel schlimmer. Denn neben Gewaltfantasien bekam Diekmann auch Reaktionen von Nutzern, die versuchten, sie in absurde Diskussionen zu verwickeln. Einer fragte: "Was ist denn für Sie ein Nazi?" Als ob das Wort nicht für sich stände. Um zu zeigen, wie albern die Frage ist, antwortete Diekmann: "Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt."

Ich habe gelacht, als ich auf Twitter die clevere Antwort las. Und war erschrocken, als ich feststellen musste: Rechte verbreiteten ihren Witz weiter, behaupteten aber allen Ernstes, die Journalistin würde es tatsächlich so meinen. Und noch irrsinniger: Andere glaubten das. So geriet der Tweet in Kreise, die für Argumente überhaupt nicht mehr zugänglich sind: die Blase der Verschwörungstheoretiker. Eine Blase, in der Menschen an Chemtrails und Freimaurer im Bundestag glauben oder die behaupten, beim Anschlag vom Breitscheidplatz habe es 2016 gar keine Toten gegeben, weil die ganzen blutüberströmten Menschen eigentlich vom Staat bezahlte Schauspieler waren... Mit den Menschen in dieser Echokammer kann man nicht diskutieren, in diese Echokammer dringt keine Vernunft ein, dringt nur sehr viel Hass heraus.

...


Aus: "Ein "Nazis raus" und seine Folgen" Sebastian Leber (07.01.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/hass-im-internet-ein-nazis-raus-und-seine-folgen/23834704.html (https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/hass-im-internet-ein-nazis-raus-und-seine-folgen/23834704.html)

QuoteAmphitrite 07.01.2019, 20:47 Uhr
Ob das dem gesellschaftlichem Diskurs dienlich ist, nun ja. Wer definiert wie einen Neo-Nazi?
Steht man politisch sehr weit links, kann man selbst als Linker als Nazi bezeichnet werden, wie ein Forist ja schrieb. Oder das Beispiel Sarah Wagenknecht. Welcher Begriff dann für tatsächliche Neo-Nazis verwandt werden soll, kann ich nicht beantworten.
Steht Jemand sehr weit rechts, kann ein leicht links Stehender bereits als Linksextremist bezeichnet werden, wenn er bspw. nur sagen würde, dass es beim G20-Gipfel auch normale Gegner der Globalisierung gab. Das nur als Gegenbeispiel, hier geht es ja um Neo-Nazis.
Mir persönlich geht es gegen den Strich, wenn ein rechts stehender Mensch als Neo-Nazi bezeichnet wird, nur weil er meinetwegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisiert.
Damit wird meiner Ansicht nach die dunkelste Zeit Deutschlands bagatellisiert, die NS-Ideologie, die ja genug an Grausamkeiten zustande brachte.
Ich denke, in der AfD gibt es nicht wenige Extremisten, dennoch halte ich auch Vergleiche mit der NSDAP für falsch.
Es ist relativierend, und ob es der Millionen Opfer des NS-Regimes gerecht wird, halte ich für äußerst fragwürdig. ... Die Gesellschaft sollte ihren Tonfall untereinander überdenken, sowohl rechts wie links.

Um unserem Herrn Steinmeier hinsichtlich eines respektvolleren Umgangs miteinander beim "streiten" auch mal beizupflichten.


Quotealleachtung 07.01.2019, 19:17 Uhr
Frau Diekmann hat es nicht nötig, hier im Forum oder sonstwo zu erläutern, was und wen sie mit "Nazis raus" meint.
Das erklärt sich aus aktuellen Gegebenheiten, im übrigen aus historischem Kontext, auch aus deutscher Geschichte nach 1945.
Allein der über sie hereinbrechende Shit- und Hassstorm bestätigt sie und verdeutlicht einmal mehr, wie sehr sie Recht hat.
Wir werden uns alle noch viel intensiver als bisher gegen die braune Mischpoke zur Wehr setzen müssen.


QuoteDas_Grauen 07.01.2019, 19:15 Uhr
Wer ohne jeden Kontext "Nazis raus" tweetet, und auf eine berechtigte Nachfrage mit zweifelhafter Ironie antwortet, der hat einen Shitstorm redlich verdient!
https://mobile.twitter.com/nicolediekmann/status/1080205605497909252 (https://mobile.twitter.com/nicolediekmann/status/1080205605497909252)
In diesem konkreten Fall kann zugunsten Frau Diekmanns noch eingewendet werden, daß sie wohl verkatert war. Generell vermisse ich aber in Ihrer Timeline die neutrale Zurückhaltung, die viele Nachrichtensprecher bisher auszeichnete. Das wird auf die Dauer nicht gutgehen, fürchte ich. Da kann es jederzeit zu einem Habeck kommen!


Quotesannchen@zt 07.01.2019, 20:03 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Das_Grauen 07.01.2019, 19:15 Uhr

Vielleicht verraten Sie mir, in welchem Kontext "Nazis raus" stehen muss, um nicht Gefahr zu laufen, mit widerlichsten Mord-, Folter- und Vergewaltigungswünschen beantwortet zu werden? ...



QuotePressekritiker2 07.01.2019, 18:37 Uhr

Nazis sind gar nicht so schlimm wie ihr Ruf. Ganz offensichtlich sind sie schlimmer (und ganz offensichtlich gelegentlich auch noch deutlich dümmer als erwartet).
Es scheint wieder mal an der Zeit zu sein, dass die Zivilgesellschaft ernsthaft wieder dagegen aufstehen muss. Hätte ich nie für möglich gehalten. So lernresistent aus der jüngeren Geschichte kann man eigentlich nicht sein. Dachte ich.

Dieses Idioten machen alles kaputt, was mit viel bitteren Lehren und viel Blut mühsam gelernt wurde. ... Niemand kann nun noch ernsthaft argumentieren, dass Leute, die derartiges Gedankengut verbreiten, noch in irgend einer Weise zur "bürgerlichen Mitte" gehören oder gar ein Recht dazu haben, weil sie "unzufrieden" oder "besorgt" sind.

...


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Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 05, 2019, 11:19:26 AM
Quote[...] Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat die Einladung von FDP-Vize Wolfgang Kubicki zu einem Biowein angenommen. Kubicki hatte Ende 2018 über Hofreiter gesagt, dieser könnte ihn "zu Dingen verleiten, die ich eigentlich nicht will: ihm eine knallen zum Beispiel". Vor weniger Tagen kündigte Kubicki dann an, er wolle die dadurch entstandenen Irritationen gerne bei einem Glas Biowein glätten.

"Am Anfang habe ich diese ganze Sache mit der Watschn ja gar nicht geglaubt", sagte Hofreiter dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Keine Ahnung, was ihn da geritten hat."

Die Einladung nehme er nun aber an: "Wer mich kennt, weiß, dass man mit mir immer ein gutes Glas Wein trinken kann." Sein Wunsch sei ein deutscher Bio-Riesling. "Und nach der Vorlage finde ich, bei der Qualität sollte sich Wolfgang Kubicki dann auch nicht lumpen lassen."

...


Aus: "Hofreiter nimmt Kubickis Wein-Einladung an" (05. Februar 2019)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Hofreiter-nimmt-Kubickis-Wein-Einladung-an-article20842891.html (https://www.n-tv.de/politik/Hofreiter-nimmt-Kubickis-Wein-Einladung-an-article20842891.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 09, 2019, 01:53:59 PM
Quote[...] Peter Hanack: Frau Professor Römmele, die Versuche, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs zu unterbinden, scheinen zuzunehmen. Ist das auch Ihre Beobachtung?

Frau Professor Römmele: Das können wir tatsächlich vermehrt beobachten. Unsere Gesellschaft polarisiert sich nicht nur zunehmend, sondern verliert auch ihre Diskursfähigkeit. Die Bereitschaft, sich mit abweichenden Meinungen auseinanderzusetzen, sinkt.

Woher kommt das?

Frau Professor Römmele: Statt den Meinungsaustausch zu suchen, zieht man sich in seine entsprechenden Echokammern zurück und bestätigt sich und Gleichgesinnten all das, was man ohnehin schon wusste. Verlässt man diesen geschützten Raum, streitet man nicht mehr mit der Waffe des Arguments, sondern versucht, den politischen Gegner zum Schweigen zu bringen. Man wirft dem Gegner vor, unmoralisch zu sein, bezichtigt ihn der Lüge oder findet einen anderen Grund, warum man sich mit ihm nicht auf einer inhaltlichen Basis streiten muss.

Ist das eher in rechten Gruppen zu beobachten oder linken?

Frau Professor Römmele: Eine solche Diskursverweigerung ist nicht an bestimmte politische Vorstellungen geknüpft. Sobald sich in einer Strömung geschlossene Diskursräume bilden, in denen sich Meinungen widerspruchslos selbst bestätigen und auch radikalisieren können, beobachten wir, dass die Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit politischen Gegnern sinkt. Das passiert derzeit vor allem im rechtspopulistischen und rechtsextremen Milieu, was aber nicht bedeutet, dass es nicht auch in anderen Gruppen passieren kann.

Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien?

Frau Professor Römmele: Die sozialen Medien sind sicherlich ein Verstärker dafür, wenn auch nicht die Ursache. Sie spielen bei zwei Dimensionen eine Rolle. Zum einen sind sie zunehmend Radikalisierungsräume, in denen sich Echokammern herausbilden, in denen keine Diskurse, sondern nur Selbstbestätigung stattfindet. Zum anderen verschärfen sie auch den Ton im Umgang mit dem politischen Gegner. Es fällt immer leichter, jemandem die politische Diskussionswürdigkeit abzusprechen, wenn man sich nicht persönlich gegenübersitzt.

Wer ist in der Pflicht, die Freiheit der Wissenschaft und des Austauschs auch sehr gegensätzlicher Meinungen zu verteidigen?

Frau Professor Römmele: Die politischen Akteure müssen zeigen, dass man gemeinsam diskutieren kann, auch wenn sich die Meinungen unterscheiden. Gleiches gilt auch für die Wissenschaft. Gerade hier sollte man stets die Auseinandersetzung suchen, um auch von gegensätzlichen Ansichten zu profitieren. Schließlich stellen sie immer eine Perspektiverweiterung dar. Letztendlich liegt es aber an jedem Einzelnen selbst. Jeder Einzelne ist in der Pflicht, sich bewusst zu machen, dass der Streit nicht etwas Störendes ist, sondern auch wahnsinnig produktiv sein kann. ...



Aus: "Andrea Römmele: ,,Unsere Gesellschaft verliert ihre Diskursfähigkeit"" Peter Hanack (09.05.2019)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/unsere-gesellschaft-verliert-ihre-diskursfaehigkeit-12264384.html (https://www.fr.de/frankfurt/unsere-gesellschaft-verliert-ihre-diskursfaehigkeit-12264384.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 11, 2019, 10:02:14 AM
Quote[...] Eine Soziologie-Professorin und Islam-Expertin kündigte kürzlich eine Podiumsdiskussion über "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" an. Dazu lud sie streitbare Kontrahentinnen ein, die von einer Befürworterin des Kopftuchs als "Schleier der Freiheit" bis zu dezidierten Islam-Kritikerinnen reichten, darunter auch die stets polarisierende Krawallschachtel Alice Schwarzer.

Eine studentische "Initiative gegen anti-muslimischen Rassismus" warf der Professorin daraufhin sogleich Rassismus vor, forderte ein Verbot der Veranstaltung und - ihre Entlassung. Der Asta der Universität nannte dies eine "Hetzkampagne" und stellte sich hinter die Veranstaltung; eine solche Diskussion müsse möglich sein. Die Universitätsleitung unterstützte die Professorin ebenfalls und wies die vorgetragenen Ansinnen zurück.

Die Veranstaltung fand schließlich statt; dabei wurden die bekannten Standpunkte ausgetauscht, die von der Charakterisierung des Kopftuchs "als Flagge des politischen Islam" (Alice Schwarzer) bis zur von der Theologin Dina El Omari vorgetragenen Position reichten, es als "Zeichen einer selbstbestimmten Spiritualität" zu interpretieren. Vor dem Veranstaltungssaal hatten sich parallel die Kritiker*innen lautstark versammelt. Andere Podiumsteilnehmer*innen stellten das Kopftuch als Zwang dar, von dem die Frauen befreit werden müssten (Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi) oder bezeichneten es als Symbol der "sexuellen Apartheid", wie die Publizistin Nekla Kelec.

Was ist von der Kritik an der Veranstaltung als Forum, Ausdruck eines anti-muslimischen Rassismus zu halten? Wie immer muss man genau hinschauen und differenzieren:

1. Anti-muslimischen Rassismus gibt es bekanntermaßen auf Seiten insbesondere der völkischen Rechten durchaus: Der Islam gerät hier zum Sinn- und Zerrbild "fremdartiger" religiöser und kultureller Praktiken, die nicht zur Kultur und modernen Sichtweise des "abendländischen" Christentums passen würden - wie wenn in dessen Rahmen nicht fast zwei Jahrtausende lang ähnlicher Unsinn verzapft und nicht weniger vernunftfreie Ge- und Verbote praktiziert worden wären; erst die "Aufklärung" und der moderne Staat haben das religiöse Regelwerk ein Stück weit ins Privatleben zurückgestutzt; und auch dies (gerade in Deutschland) nur unvollständig. Mit Frauen hat der Katholizismus bekanntlich auch heute noch ein Problem und Kopftücher wurden von diesen bis in die 50er Jahre hinein gerade in den katholischen Landgemeinden ganz selbstverständlich getragen - wie heute noch in Polen und im christlich-orthodoxen Russland.

2. Die Religion dient hier als Sinnbild für das identitär Fremde, das nicht Integrierbare, was in praktischer Perspektive unsinnig ist: Können sich Zuwanderer ins alltägliche Leben integrieren, passen sie erfahrungsgemäß auch ihre religiösen Praktiken an diesen Integrationserfolg an. Gelingt die Integration nicht bzw. wird sie verweigert, kann eine mögliche Reaktion darin bestehen, dass nun trotzig die eigene "Identität" hochgehalten wird - mehr hat man ja nicht mehr vorzuweisen ....

3. Aber: Rechtfertigt dies die Zurückweisung jeglicher kritischen Diskussion über (zumindest von Teilen der Flüchtlinge praktizierten) den Islam, dessen Frauenbild und seine Geboten? Besteht die Akzeptanz islamischer Personen darin, dass man ihre Auffassungen für sakrosankt erklärt und sich nicht mehr kritisch damit auseinandersetzt?

Das kann nicht sein und führt zu einem "umgekehrten" Rassismus: Der religiöse Glaube oder bestimmte kulturell-soziale Praktiken werden zu qua regionaler Herkunft oder kultureller Zugehörigkeit untrennbar mit bestimmten Individuen verbundenen Wesensmerkmalen erklärt, so dass die Kritik daran gleich als unzulässige Infragestellung der Person, ihrer ominösen "Identität" erscheint. Eine derartige Identitätsbestimmung naturalisiert veränderliche Ideen, Glaubensvorstellungen, Positionen und Handlungsweisen und stellt insofern eine Elementarform eines modernisierten, kulturellen Rassismus dar.

4. Boris Palmer hat in einer SPIEGEL-Diskussion mit Hasnain Kazim eine rationelle Unterscheidung dazu getroffen - und dies gilt unabhängig davon, wie man Palmers Äußerungen zu manchen anderen Themen beurteilen mag!

Wer z.B. als Jude antisemitisch angegriffen wird, kann sich als Jude betroffen fühlen (und selbst das ist nicht selbstverständlich - vielleicht sieht er sich trotz Herkunft gar nicht mehr als Jude, sondern ist religionsfrei in Alltagspraxis und Denkweise!). Aber sich als Jude betroffen zu fühlen, wenn z.B. die Politik Netanjahus oder der israelische Umgang mit den Palästinensern kritisiert wird, stellt eine krasse Themaverfehlung dar: Israelische Politik, eine zionistische Staatsauffassung oder politische Konzepte bezüglich des Umgangs mit den arabischen Nachbarn sind kein natürlicher Bestandteil einer wie auch immer modellierten "jüdischen Identität", sondern der allgemeinen Diskussion und Beurteilung zugängliche politische Positionen, die objektiviert, als frei flottierende Standpunkte existieren und von vielen geteilt oder verworfen werden können, ohne dass diese dadurch ihre "Persönlichkeit" aufgeben müssen.

Eine "Opferidentität" für sich zu reklamieren, heißt, eine Eigenschaft wie die Religionszugehörigkeit und das Festhalten am damit verbundenen Regelwerk als Freibrief für eine Generalabsolution zu missbrauchen: Die reklamierte "Identität" begründet eine schützenswerte Sonderrolle als diskursfreien Raum, in dem die Auffassungen und Handlungsweisen des "identitären" Opfers keiner kritischen Analyse und begründeten Zurückweisung mehr unterzogen werden dürfen.

Derartige Zurückweisungen können in aufgeklärten Diskussionszusammenhängen natürlich nur in Gegenargumenten, also argumentativen Denkangeboten, bestehen, die bei Annahme eine neue Sicht auf das eigene Leben, Denken und Meinen ermöglichen. Damit muss keineswegs schon feststehen, dass man zufällig in eine muslimische oder katholische Familie hineingeboren wurde. Die Identität macht aus diesem Zufall eine Notwendigkeit, die sich auf liebgewonnene Denk- und Verhaltensgewohnheiten beruft, die qua schierer Existenz der kritischen Betrachtung entzogen sind, da sich das jeweilige Individuum als damit untrennbar verwachsen ansieht - eine zutiefst diskursfeindliche, strukturkonservative Grundhaltung.


Aus: "Zur Kritik der Identitätspolitik" Rainer Schreiber (10. Juni 2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Zur-Kritik-der-Identitaetspolitik-4437188.html (https://www.heise.de/tp/features/Zur-Kritik-der-Identitaetspolitik-4437188.html)

Quotemedienskeptiker, 10.06.2019 16:25

Ein Kopftuch zu tragen,ist eine veraltete Tradition.So wie Männer mit Krawatten

Oder noch bizarrer Juden mit Hut und Haargeflechten. Eine Gesellschaft die auf Menschen in veralteten Kleidungsstilen losgeht ist halt ebenso verknöchert und verschlossen.
Die Behauptung jede Frau die ein Kopftuch trägt-oder Muslima-Nonne oder bäuerliche Frau in Osteuropa wäre an sich schon unterdrückt - ist möglih aber als generelle Beschuldigung natürlich völlig unsinnig und abzulehnen.
Die Intensität und Emotionalität die dieser Frage zugeordnet wird - ist ein klares Zeichen wie hinterwäldlerisch unsere Gesellschaft in Wirklichkeit tatsächlich noch sind.


Quote

    zimmet, 10.06.2019 16:32

Identitätspolitik in 50 Sekunden

"Life of Brian", "Ihr seid alle völlig verschieden!"

https://www.youtube.com/watch?v=rhJCQCk3sO0 (https://www.youtube.com/watch?v=rhJCQCk3sO0)


Quotecybergorf, 10.06.2019 18:33

leider ist die deutsche Übersetzung hier Mist

Es kommt der Satz: "think for yourselves!"

Was dann aber falsch mit "ihr müsst nur an euch selbst denken!" übersetzt wird.

Gemeint ist aber "fangt an selbst zu denken!"


QuoteSchlafender Drache, 10.06.2019 19:20

Und was ist mit Bärten?

Damit kann man mittlerweile auch als BIO-Deutscher schon mal aus dem Kirmeszelt fliegen. ...


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 26, 2019, 10:06:20 AM
Quote[...] Sicherheitskreise sagten dem Tagesspiegel, Stephan E. habe eingeräumt, Lübcke wegen dessen Äußerungen aus dem Oktober 2015 erschossen zu haben. Lübcke hatte damals bei einer Einwohnerversammlung rechten Flüchtlingsfeinden gesagt, sie könnten Deutschland jederzeit verlassen, wenn sie die Werte des Zusammenlebens nicht teilten.

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung im Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen bei Kassel entdeckt worden. Er starb wenig später im Krankenhaus. ...


Aus: "Erschossener Kasseler Regierungspräsident: Tatverdächtiger Stephan E. gesteht Mord an Lübcke" Frank Jansen (26.06.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/erschossener-kasseler-regierungspraesident-tatverdaechtiger-stephan-e-gesteht-mord-an-luebcke/24494856.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/erschossener-kasseler-regierungspraesident-tatverdaechtiger-stephan-e-gesteht-mord-an-luebcke/24494856.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 03, 2019, 02:39:53 PM
Quote[...] Die sogenannte Hate Speech führt einer Studie zufolge zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung im Internet. Gut die Hälfte der Internetnutzer bringt sich aufgrund drohender Hasskommentare seltener mit ihrer politischen Meinung in Diskussionen im Internet ein, wie die von der Nichtregierungsorganisation Campact am Mittwoch veröffentlichte YouGov-Umfrage ergab. Dies zeige, wie die gefühlten Mehrheiten durch Hasskommentare verschoben werden

Im Durchschnitt seien acht Prozent aller Befragten bereits persönlich von aggressiven und abwertenden Hasskommentaren im Internet betroffen gewesen. Besonders ausgeprägt sei dies bei jungen Internetnutzern, bei den 18- bis 24-Jährigen seien bereits 17 Prozent von diesen Attacken betroffen gewesen.

40 Prozent der Befragten hätten Hate Speech im Internet bereits wahrgenommen, so die Studie. Auch hier sticht die Gruppe der Jüngeren heraus, dort waren es demnach 73 Prozent. 76 Prozent aller Befragten haben den Eindruck, dass Hasskommentare in den vergangenen Jahren zugenommen haben.

Negative Folgen der Hasskommentare seien für 33 Prozent der Befragten emotionaler Stress und für 27 Prozent Angst und Unruhe. 19 Prozent berichteten auch über Depressionen und 24 Prozent über Probleme mit dem Selbstbild. Weibliche Teilnehmer zeigten der Studie zufolge häufiger negative Auswirkungen als männliche.

YouGov befragte im April und Mai in einer repräsentativen Stichprobe 7349 Internetnutzer im Alter zwischen 18 und 95 Jahren. (AFP)


Aus: "Hate Speech schränkt freie Meinungsäußerung ein" (03.07.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/studie-zu-hasskommentaren-hate-speech-schraenkt-freie-meinungsaeusserung-ein/24520326.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/studie-zu-hasskommentaren-hate-speech-schraenkt-freie-meinungsaeusserung-ein/24520326.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 06, 2019, 02:02:08 PM
Quote[...] In unserer Sommerserie zur Frage ,,Was ist Macht?" drucken wir Texte der ,,The New York Times"-Reihe ,,The Big Ideas". Bereits erschienen: Ex-US-General Wesley Clark zur Frage von Moral und militärischer Macht (30. Juni). Copyright: The New York Times Group. Übersetzung aus den Englischen: Anna Thewalt

In den vergangenen Jahren haben führende rechte Politiker eine raue Rhetorik gegen Minderheiten eingesetzt, vor allem gegen Immigranten. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Genoziden, Terrorismus oder ethnischen Säuberungen immer Perioden vorangegangen waren, in denen politische und soziale Bewegungen solch eine Rhetorik benutzten. Im nationalsozialistischen Deutschland wurden Juden als Ungeziefer bezeichnet, und die Nazi-Propaganda behauptete, Juden würden Krankheiten verbreiten. Vor den ethnischen Säuberungen an dem Volk der Rohingya in Myanmar fand eine Phase der Propaganda statt, in deren Folge Männer der Rohingya mit Vergewaltigungen in Verbindung gebracht wurden.

In den Vereinigten Staaten gab es die Theorie vom ,,Superpredator", zu Deutsch ,,Super-Raubtier". Die Anzahl von Gewaltverbrechen ging ab 1993 zurück, eine Tendenz, die im gesamten Jahrzehnt zu beobachten war. Dennoch begannen Kriminologen ab 1996, eine unbegründete Panik vor den ,,Super-Raubtieren" zu verbreiten – vor ,,verhärteten, erbarmungslosen Jugendlichen", wie sie der Wissenschaftler John Dilulio nannte. Dies führte zu einer neuen Welle an Landesgesetzen mit heftigen Urteilen für Minderjährige. In den neunziger Jahren half die Bezeichnung von jungen schwarzen Männern als ,,Schläger" und ,,Gang-Mitglieder" durch Politiker dabei, die USA zum Staat mit der höchsten Inhaftierungsrate zu machen. Schwarze Amerikaner stellen 40 Prozent der Inhaftierten, während sie nur 13 Prozent der US-Gesamtbevölkerung ausmachen.

Die Macht über ein Individuum zu haben bedeutet, das Verhalten oder die Gedanken anderer gemäß der eigenen Wünsche zu verändern. Eine Möglichkeit, das Verhalten anderer zu kontrollieren, ist durch Zwang. Ein deutlich besserer Weg ist es, ihr Pflichtgefühl zu ändern. Wenn du jemanden davon überzeugen kannst, dass sie das tun sollten, was du von ihnen möchtest, ist deine Macht echte Autorität. Aber haben Worte wirklich die Fähigkeit, unser Verhalten zu ändern?

Literatur zu Marketingstrategien lehrt, dass Rhetorik einen signifikanten Einfluss auf Verhaltensweisen haben kann. Ein Beispiel: Stellt man Menschen rein hypothetische Fragen, verschieben sich unbewusst ihre späteren Präferenzen und Verhaltensweisen in dramatischer Art und Weise. In einer 2001 von den Marketingprofessoren Gavan Fitzsimons und Baba Shiv herausgegebenen Studie wurde den Teilnehmern im Vorhinein gesagt, dass ihnen rein hypothetische Fragen gestellt werden würden. Eine Gruppe wurde Folgendes gefragt: ,,Wenn wissenschaftliche Studien beweisen würden, dass Kuchen, Gebäck und Ähnliches nicht annähernd so schlecht für die Gesundheit wären wie bislang angenommen, und im Gegenteil sogar große gesundheitliche Vorteile mit sich bringen, wie würde sich das auf Ihren Verzehr solcher Lebensmittel auswirken?"

Den Studienteilnehmern wurde gesagt, dass es in der Studie darum gehe, welche Auswirkungen ein sich veränderndes Umfeld auf die Meinung der Konsumenten bezüglich bestimmter Produkte habe. Sie wurden schließlich in einen Raum geführt, in denen ihnen die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Snacks angeboten wurde: Schokoladenkuchen oder Obstsalat. Einer weiteren Gruppe, der Kontrollgruppe, wurden keine hypothetischen Fragen gestellt.

In der Kontrollgruppe entschieden sich 25,7 Prozent für den Kuchen. Im Gegensatz dazu nahmen sich 48 Prozent von denen, die vorher die hypothetische Frage gestellt bekommen hatten, einen Schokokuchen. Die Gruppenmitglieder zu drängen, sorgfältig über ihre Wahl nachzudenken, führte schließlich nur dazu, dass 66 statt 48 Prozent den Kuchen wählten. Den Teilnehmern war ganz offensichtlich nicht bewusst, dass sie durch die hypothetischen Fragen manipuliert worden waren, da sie ohne Ausnahme bestritten, dass ihre Wahl von Fragen vorangegangener Interviews beeinflusst worden war. Jeder und jede behauptete, dass seine oder ihre Wahl unabhängig von den hypothetischen Fragen getroffen wurde.

In den republikanischen Vorwahlen 2001 traten George W. Bush und John McCain gegeneinander an. Vor der Wahl im Bundesstaat South Carolina stellten Mitglieder der Kampagne von George W. Bush möglichen republikanischen Erstwählern eine hypothetische Frage: ,,Würden Sie eher für oder eher gegen John McCain stimmen, wenn Sie wüssten, dass er Vater eines unehelichen schwarzen Kindes wäre?" George Bush gewann anschließend die Vorwahlen in South Carolina.

Dies ist ein Fall in dem die Sprache, die Art und Weise, wie etwas ausgedrückt wird, Macht besitzt; in einer hypothetischen Frage wird schließlich keine Begründung angegeben, warum man der Hypothese Glauben schenken sollte. Ein weiteres Beispiel sprachlicher Manipulation, vorgenommen vom Sozialpsychologen Christopher Bryan und seinen Kollegen: Wenn wir Sie fragen ,,Wie wichtig ist es, ein Wähler zu sein?" werden Sie viel eher zur Wahl gehen als nach der Frage ,,Wie wichtig ist es, zu wählen?" Die erste Frage führt dazu, dass Sie Ihre Eigenschaften in Bezug auf das Wahlverhalten reflektieren, die zweite führt nur dazu, dass Sie Ihre Pläne hinterfragen.

Rhetorik hat Macht, sie beeinflusst Einstellungen, Verhaltensweisen und das wahrgenommene Pflichtgefühl. Wer die Mechanismen von hasserfüllter Rhetorik versteht, erkennt auch die Gefahr, die dieser innewohnt. Rhetorik kann etwa empfundene Verpflichtungen verändern, indem sie Empfehlungen für bestimmte Gewohnheiten ausgibt. In einem 2012 veröffentlichten Artikel mit dem Titel ,,Genozidale Sprachspiele" beschreibt der Philosoph Lynne Tirrell, wie die die Mehrheit stellenden Hutu in den Jahren vor dem Genozid in Ruanda ihre Tutsi-Nachbarn ,,Kakerlaken" und ,,Schlangen" nannten.

Schlangen haben in Ruanda einen schlechten Ruf, sie sind oft giftig. Tirrell schrieb, dass ,,in Ruanda Jungen stolz sind, wenn ihnen zugetraut wird, Schlangen die Köpfe abzuschneiden". Tutsi ,,Schlangen" zu nennen stellte eine Verbindung her zwischen dem Abschlachten eines Tutsi und der heldenhaften Tat, Schlangen zu töten. Nennt man Immigranten Eindringlinge, so hat dies den Effekt, sie mit Taten in Verbindung zu bringen, die man sonst mit feindlichen Einbrechern verbindet. Wenn jemand gleichzeitig das Wertesystem des Nationalismus vorantreibt, wird mit der Benutzung des Wortes ,,Eindringling" für Immigranten ein ganz bestimmter Umgang empfohlen: Gewalt.

Diese Rhetorik hat eine Macht, weil sie Menschen dazu verleitet, Macht gegen Immigranten als obligatorisch anzusehen. In einer Rede im Oval Office im März verurteilte US-Präsident Trump Immigranten als ,,illegale Fremdlinge". Er sagte weiter: ,,Menschen hassen das Wort ,Invasion', aber das ist es. Es ist eine Invasion von Drogen und Kriminellen und Menschen." Wenn die rhetorische Macht, die damit verbunden ist, Immigranten als Eindringlinge zu bezeichnen ebenso wie die Autorität des Präsidenten ausgeweitet wird, kann dies das empfundene Pflichtgefühl besonders signifikant verschieben.

Rhetorische Macht scheint eine magische Idee zu sein. Die Tatsache, dass die Kraft der Wörter weniger ernst genommen wird als andere Formen von Macht, trägt allerdings nur zu ihrer Bedeutung als soziale Kraft bei. Rhetorische Macht verändert unsere Einstellungen durch Manipulation. Doch Manipulation ist meistens etwas verborgenes, wohingegen Sprache im Offenen stattfindet. Diese Offenheit normalisiert die Praktiken, die die Rhetorik empfiehlt.


Aus: "Serie "Was ist Macht?" Rhetorik kann eine dunkle Kraft sein"  Jason Stanley David Beaver (05.07.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/serie-was-ist-macht-rhetorik-kann-eine-dunkle-kraft-sein/24530926.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/serie-was-ist-macht-rhetorik-kann-eine-dunkle-kraft-sein/24530926.html)

QuoteGophi 08:31 Uhr
Unterschätze niemand die Macht des gesprochenen Wortes.
Inzwischen muss man "des getwitterten Wortes", eines Youtube-Beitrages etc. hinzufügen.

Was wir sagen, entspringt unserem Denken. Was wir hören, beeinflusst unser Denken, ob wir es wollen, oder nicht. Das bedeutet nicht, dass wir allem, was wir hören, gleich hinterherlaufen, aber es bewegt etwas in unseren Gedanken. Und wenn wir es dann wieder und wieder hören, kann es Einzug in unsere Gedankenwelt erhalten, ohne dass wir das bewusst reflektieren.

Sehr deutlich wird das bei jenen Pegida-Demonstranten, deren Wertespektrum sich bereits soweit verschoben hat, dass sie Mord für ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung halten. Aber auch in der Gesellschaft als Ganzem hat sich Denken und Sprache nach rechts verschoben. Manches, das heute offen geäußert wird, hätte vor 20 Jahren noch einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Parallel dazu erleben wir täglich eine Verrohung im Umgang miteinander. In Freibädern, im Verkehr, im Umgang mit Rettungs- und Sicherheitskräften. Zufall? Nein, das steht in einem unmittelbaren kausalen Zusammenhang. Wie wir miteinander reden, so behandeln wir uns auch. Keiner kann hassen, ohne selber hässlich zu werden.

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 08, 2019, 12:32:33 PM
Quote[...] In aktuellen Debatten wird oft einem öffentlichen Streitgegenstand – etwa einer Karikatur, einem Film, einer Äußerung oder auch einer Geste – ein persönliches Empfinden, zum Beispiel religiöser Art, oder ein persönliches Gefühl, etwa verletzter Intimität, gegenübergestellt. Aber das ist eine irreführende Gegenüberstellung. Sie reduziert religiöse Menschen, Frauen oder Angehörige von Minderheiten lediglich auf deren Empfindung. Damit macht man sie zu bloßen Empfindungsmaschinen, die zu keinem reflektierten Urteil fähig sind. Doch jeder und jede, egal, woher sie kommen und was sie glauben, können mehr als nur empfinden. Sie können auch ihre Empfindungen kritisch reflektieren, sie unter Umständen auch revidieren – denn Empfindungen sind bekanntlich das Trügerischste – und zu einem Urteil gelangen. ... Es ist unzureichend, zu sagen: »Ich fühle mich verletzt«; man kann aber sehr wohl sagen: »Ich beurteile das als verletzend.« Dabei kann man sich dann allerdings auch irren und den Irrtum nachgewiesen bekommen. Diese Urteilsfähigkeit ist das Allgemeine an uns, und das Einzige, was Anerkennung ermöglicht und verdient. Diese Fähigkeit darf man von jedem und jeder verlangen. Diskriminierung hingegen beginnt genau damit, dass man – meist in wohlmeinender Absicht – bestimmten Leuten diese Fähigkeit abspricht und aufhört, sie ihnen abzuverlangen.

...

ROBERT PFALLER ist Philosophieprofessor. Lehrt an der Kunstuniversität Linz. Geboren 1962 in Wien. Radikaler Gegner von Rauchverboten, obwohl er wegen Nebenhöhlenproblemen kaum raucht. Seine Aphorismen sind legendär, etwa: »Wir sollten nicht den Tod fürchten, sondern das schlechte Leben« oder »Statt zu fragen, wofür wir leben, fragen wir uns nur noch, wie wir möglichst lange leben«. Lebt in Wien.

Das Werk (u. a.)
Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie. S. Fischer 2011
Kurze Sätze über gutes Leben. S. Fischer 2015
Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur. S. Fischer 2017




Aus: "Robert Pfaller im Interview: Was sind für Sie Pseudolinke?" Stefanie Mooshammer, Peter Unfried (2019)
Quelle: https://taz.de/Robert-Pfaller-im-Interview/!169159/ (https://taz.de/Robert-Pfaller-im-Interview/!169159/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 12, 2019, 09:30:14 AM
Quote[...] [Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Zuletzt erschien sein Buch ,,Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung".]

Herr Pörksen, Sie arbeiten als Professor für Medienwissenschaft an der Exzellenzuniversität Tübingen. In welcher Filterblase leben und arbeiten Sie denn so?

Das ist eine Fettnapf-Frage, oder? Ich könnte so tun, als sei ich – im Unterschied zum leider ziemlich belämmerten Rest der Menschheit – frei von Vorurteilen, den Verführungen und den Eigentümlichkeiten meines Milieus. Aber das stimmt natürlich nicht. Deshalb zurückgefragt: Worauf wollen Sie hinaus?

Meine Frage: Ist die Filterblase dicht, die Mono-Diät im Informationsuniversum total? Oder kommt man da raus?

Das hängt von der eigenen Bereitschaft ab, sich aus dem Gehäuse der eigenen Vorurteile zu befreien, eine zweite Natur der Offenheit zu trainieren, sich überraschen zu lassen. Und natürlich kommt man da raus, klar.

Ich behaupte: Schon wer sich nur ein paar Minuten auf Twitter oder Facebook treiben lässt, sich durch ein beliebiges Kommentarforum klickt, taucht ein in ein Multiversum der Wirklichkeiten. Und er macht die Erfahrung, dass die ganze Filterblasenidee eigentlich eine Filterblase für Netztheoretiker ist, ein einigermaßen bizarres, jede Alltags- und Medienerfahrung verhöhnendes Scheuklappen-Modell, das einem selbst Scheuklappen aufdrückt - und das verhindert zu sehen, was wir doch eigentlich permanent erleben: die manchmal beglückende, oft stressige Sofort-Konfrontation mit immer anderen Ansichten im Medium der digitalen Öffentlichkeit.

In mehreren Essays haben Sie sich vom ,,außerordentlich mächtigen Denkbild der aktuellen Netzdebatten, der Filterblase" entfernt. Gab es dafür einen bestimmten Auslöser, ein bestimmtes Motiv?

Tatsächlich, ja. Vor gut zwei Jahren begann ich, mir Notizen für ein Buch über die veränderte Kommunikation durch digitale Medien zurechtzulegen und las nebenher und am Abend den ,,Zauberberg", jenen bedrohlich schillernden und gleichzeitig so irrwitzig komischen Roman von Thomas Mann, der in einem Sanatorium in den Schweizer Alpen spielt. Hier sitzen kränkelnde, keuchende, Blut hustende Luxuswesen herum, atmen in dicke Decken gehüllt die kühle Bergluft, versuchen der Welt abhandenzukommen.

Aber das gelingt ihnen nicht, denn am Vorabend des Ersten Weltkriegs hat sich die Luft der Epoche geändert. Mit einem Mal herrscht, wie es in einem Schlüsselkapitel heißt, ,,kriselnde Gereiztheit". Die Atmosphäre ist explosiv. Tag für Tag gibt es infektiöses, giftiges Gerede, aufschießende, ansteckende, sich endlos fortzeugende Wut. Und deutlich wird: Selbst hoch oben auf dem Berg kann man sich dem Stimmungsschicksal der eigenen Gegenwart nicht entziehen.

Sie haben bei der ,,Zauberberg"-Lektüre an das digitale Zeitalter gedacht.

Genau. Die Tages- und Abendlektüren begannen zu verschwimmen, Thomas Mann erschien mir als der meisterhafte Analytiker der atmosphärischen Agitation. Und die These meines Buches war plötzlich da. Vernetzung verstört. Sie verhindert die Flucht in die informationelle und die emotionale Isolation.

Ähnlich wie die vor sich hin wütenden Sanatoriumsinsassen können wir uns auch heute kaum entziehen. Wir sehen, auf unser Smartphone blickend, alles, was so geschieht: die neuesten Berichte von einer Schießerei in den USA, die Pöbelei eines US-Präsidenten, der auf Twitter mit der Größe seiner Atomsprengköpfe prahlt, Bilder des obszönen Reichtums und der obszönen Armut, Banales, Berührendes und Bestialisches, Katzenvideos und die Postings von Rechtsterroristen, die sich gerade noch auf der Website 8chan gegenseitig aufpeitschten.

Und wir kommen uns im digitalen Dorf unerträglich nahe, können einander eben gerade nicht, in unseren vermeintlich abgeschlossenen Filterblasen hockend, ausweichen. Das ist, neben sehr viel Ungerechtigkeit in dieser Welt, die mediale Tiefenursache der großen Gereiztheit.

Wollen Sie dementieren, was Eli Pariser in seinem Buch ,,Filter Bubble" festgestellt hat? Man sieht, was man sehen will, man hört, was man hören will, man erfährt, was eigene Annahmen bestätigt.

Ich will nicht dementieren, dass wir – anthropologisch gesehen – bestätigungssüchtige Wesen sind. Die Macht des ,,confirmation bias" zu bestreiten, wäre absurd. Aber ich bestreite entschieden, dass Eli Parisers Filter-Bubble-Theorie mehr ist als eine Modethese, ein flottes Wort ohne analytische Kraft, das gerade mal für den Smalltalk der Gesellschaftsanalyse taugt, aber auch nicht für mehr.

Sie langen kräftig hin. Wie lautet die Begründung?

Ich will drei Begründungen liefern. Zum einen widerspricht die Filterblasen-Idee unserer alltäglichen Erfahrung. Eigentlich keine gute Voraussetzung für eine Theorie, die mehr sein will als ein empiriefernes Gedankenspiel, oder? Das Wesen des Netzes besteht in der Verlinkung. Und jeder Link katapultiert einen womöglich in eine andere Wirklichkeit; man klickt nur drauf – und schon ist man in einer anderen Realität, einer neuen Welt. Diese Erfahrung kann jeder jeden Tag machen. Zum anderen widerspricht die Filterblasen-Idee einer zentralen Annahme der Netzwerk-Soziologie, die besagt: Schwache Verbindungen – sogenannte ,,weak ties" – programmieren die Informationsvielfalt.

Was bedeutet diese Einsicht für die Kritik des Filterblasen-Modells?

Man muss sich klarmachen: Jugendliche haben durchschnittlich etwa 400 Facebook-Freunde. In diesem Beziehungsuniversum der schwachen Verbindungen ist die Konfrontation mit immer anderen Ansichten außerordentlich wahrscheinlich, auch das spricht gegen die Horrorvision einer irritationsunfähig gewordenen Gesellschaft, die aus einer Ansammlung von unverbundenen, algorithmisch voneinander getrennten Realitätssphären besteht.

Und schließlich machen die bisherigen Studien allesamt zweierlei klar: Unsere digitale Informationswelt ist trotz der personalisierten, selbstlernenden Empfehlungsalgorithmen sehr viel vielfältiger als gedacht. Und das, was wir eine Filterblase nennen, ist eigentlich ein Indikator unseres Informationsverhaltens, Ausdruck der allgemein menschlichen Bestätigungssehnsucht, die Eli Pariser in eine algorithmisch-technische Manipulationsidee verwandelt.

Noch mal nachgefragt: Was ist das daran so schlimm?

Schlimm ist das vielleicht nicht wirklich, aber empirisch falsch und gesellschaftspolitisch fatal, weil man so suggeriert: Lasst uns nur Überraschungsalgorithmen basteln und ein paar hübsche Zufallsblitze programmieren, dann ist alles wieder gut! Bildungsprozesse werden so zu einer Frage des Softwaredesigns, der andere Mensch gerät aus dem Blick.

Sie sehen eine solche Theorie als die Repräsentation eines Denkens, das Sie ablehnen.

Ja. Es handelt sich um ein Paradebeispiel der gegenwärtig verbreiteten Verführungs- und Manipulationsphantasien, die mal von übermächtigen Frames, dann vom raffinierten Mikrotargeting, schließlich, wie in diesem Fall, von allgegenwärtigen Algorithmen handeln. Ich kann diesen Quatsch freihändig formulierender Apokalyptiker zunehmend weniger ertragen und würde sagen: Solche Theorien sind tatsächlich ein Symptom, und zwar für die Arroganz, den Antiliberalismus und den Aufklärungspessimismus ihrer Vertreter, die das potenziell mündige Subjekt und das eigenständige Individuum in ihren Großthesen vorschnell verabschieden.

Man verfällt in Resignation...

... denkt sich selbst und andere wehrlos und betreibt über den Umweg vermeintlich kritischer Analysen eine Entmündigung höherer Ordnung, die nur eigene programmatische Ratlosigkeit maskiert.

Wie lautet die Konsequenz?

Vielleicht brauchen wir für eine Humanisierung der Verhältnisse auch eine Humanisierung der Theorien. Wir müssen, anders gesagt, vom Menschen sprechen, wenn es um Menschen und seine selbst verschuldete Unmündigkeit geht. Die Stilisierung von Algorithmen zum Angstgegner führt uns davon weg.

Wenn das Denkbild der Filterblase irreführend, ja falsch ist, was ist dann richtig?

Ich selbst spreche – im Sinne eines Vorschlags und hoffentlich in ausreichender Distanz zum Digi-Blabla des Konferenzzirkus – vom Filterclash, dem Aufeinanderprallen von Parallelöffentlichkeiten, die in radikaler Unmittelbarkeit kollidieren. Und behaupte: Die Vernetzung der Welt macht den Filterclash unvermeidlich. Man kann sich zwar einigeln, aber vermag einander nur schwer auszuweichen, ganz so, als lebe man in einem belagerten Tal, in dem man immer auch das helle oder dunkle Tal der anderen sieht.

Und eben diese fortwährende Konfrontation, der Distanzverlust im Verbund mit konstanter ,,Feindberührung" polarisiert, erzeugt die große Gereiztheit und die Bewusstseinslage eines fragilen Fundamentalismus, so meine These. Wir leiden unter einem informationstechnisch produzierten Dissonanz- und Differenzkoller.

Nach ihrer Argumentation dürfte es Impfgegner und all die Verschwörungstheoretiker nicht geben, die sich immer mehr in ihre Eigenwelten zurückziehen. Es gibt sie aber. Wie das, Herr Pörksen?

Natürlich, es gibt jede Menge ideologische Selbstverhärtung. Und man kann sich leichter denn je in sein Selbstbestätigungsmilieu und die Bekenntnisgemeinschaft der Wahl zurückziehen, auch das stimmt. Aber man kann dem anderen eben doch nicht ausweichen, und darauf kommt es mir an. Auch der Impfgegner wird sich unter vernetzten Bedingungen immer wieder und in seinem eigenen Kommunikationskanal Kommentaren ausgesetzt sehen, die seinen Ansichten radikal widersprechen.

Es gibt Echokammern, in die man sich bewusst hineinbegeben hat, die aber auf die Echokammern der anderen Seite prallen?

Absolut. Und damit stellt sich die Frage, wie man die Gleichzeitigkeit des Verschiedenen, also Schließung und Öffnung, Abschottung und Konfrontation, zusammendenken kann. Die Antwort hat der Netztheoretiker Michael Seemann geliefert. Er unterscheidet positive und negative Filtersouveränität.

Was ist damit gemeint?

Man kann sich aktiv in seine Wirklichkeitsblase hineingoogeln, kann für jede Idee einen Beleg, für jeden Irrwitz einen sogenannten Experten finden. Das meint positive Filtersouveränität. Und das Netz kommt der Bestätigungssehnsucht sehr weit entgegen, stellt von der Logik des Empfängers auf die des Empfängers um, der sich – einerseits – seine Wunschwirklichkeit zusammensucht. Andererseits kann man jedoch der Weltsicht der anderen nicht entkommen, kann sich eben gerade nicht effektiv abschotten, isolieren. Negative Filtersouveränität ist in der vernetzten Welt nicht zu haben.

Die meisten Theorien und Modelle sehen den kommunizierenden Menschen in einer akuten Gefährdungslage. Entweder überwältigt oder unterinformiert, mehr scheint nicht drin zu sein. Existiert nicht auch der Souverän, der nach und nach gelernt hat, im Universum der Algorithmen seinen eigenen Algorithmus zu entwickeln?

Das ist schöner Gedanke, aber eben diese Poesie der Autonomie geht in den aktuellen Debatten gerade verloren. Es gibt, ausgelöst durch den Trump-Schock, den Brexit, das Wideraufflammen des Nationalismus und den Aufstieg der Rechtsparteien eine neuartige Macht des dystopischen Denkens in der gesellschaftlichen Mitte, die den populistischen Narrativen des Niedergangs und dem dumpfen Lärm der Boulevardmedien formal ähnlich ist.

Aber was bleibt, im Ernst gefragt, wenn man das Sterben der Demokratie, den Tod der Wahrheit verkündet und das postfaktische Zeitalter ausruft? Was bleibt, wenn man Ende von Moral und Menschlichkeit im digitalen Datenstrom prophezeit, wie dies der gefeierte Historiker Yuval Harari tut? Ich würde sagen: Liberale Zeitgenossen sind zu einem Minimum an Aufklärungsoptimismus verpflichtet. Sonst bleiben nur die Flucht in den Fatalismus und eine apokalyptische Eskalationsrhetorik, die selbst zur Überhitzung des Kommunikationsklimas beiträgt.

Die Melancholie des Analogen, die Gereiztheit des Digitalen – was kommt danach?

Vielleicht noch mehr Melancholie und Gereiztheit, aber ich weiß es nicht.

Was wäre der Wunsch?

Eine medienmündige Gesellschaft, die gelernt hat mit dem Geschenk des Informationsreichtums und der Medienmacht eines jeden Einzelnen umzugehen.

Und wie kommt man dahin?

Mein Vorschlag: Wir müssen von der digitalen Gesellschaft der Gegenwart zur redaktionellen Gesellschaft der Zukunft werden. Was ist damit gemeint? Ich behaupte: In den Maximen des guten Journalismus steckt eine Ethik für die Allgemeinheit. Ganz konkret: ,,Analysiere Deine Quellen! Prüfe erst, publiziere später! Höre immer auch die andere Seite! Mache ein Ereignis nicht größer als es ist, orientiere Dich an Relevanz und Proportionalität!" Im Moment sind wir medienmächtig, aber noch nicht medienmündig. Das ist das Kernproblem. Aber in der redaktionellen Gesellschaft der Zukunft sind diese Maximen ein Element der Allgemeinbildung, die schon in der Schule gelernt werden. Aber erneut: Das ist ein Wunsch, noch weit entfernt von der Realität.


Aus: ",,Wir kommen uns im digitalen Dorf unerträglich nahe"" Joachim Huber (11.08.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/interview-mit-medienwissenschaftler-poerksen-wir-kommen-uns-im-digitalen-dorf-unertraeglich-nahe/24888922.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/interview-mit-medienwissenschaftler-poerksen-wir-kommen-uns-im-digitalen-dorf-unertraeglich-nahe/24888922.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 28, 2019, 09:05:13 PM
Quote[...] Politikerinnen müssen sich so einiges gefallen lassen. Wie viel, darüber hat jetzt das Landgericht Berlin geurteilt. Laut Urteil muss die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast hinnehmen, unter anderem als ,,Drecks Fotze", ,,Stück Scheiße" und ,,Schlampe" bezeichnet zu werden. So wurde sie öffentlich auf Facebook betitelt.

... Künast war vor Gericht gezogen, um durchzusetzen, dass Facebook die persönlichen Daten der Kommentatoren herausgibt, damit sie rechtlich gegen sie vorgehen kann. Liegt eine Beleidigung, also eine Straftat vor, müssen die großen Plattformen mit Strafverfolgern zusammenarbeiten. Insgesamt 22 Kommentatoren hatten sie in einem Thread unter einem Post des rechtspopulistischen Bloggers Sven Liebich mit teils drastischen Worten beschimpft.

Laut Beschluss des Gerichtes handelt es sich in keinem der 22 Fälle um eine Beleidigung. Die Äußerungen seien allesamt ,,zulässige Meinungsäußerungen". ,,Sie sind zwar teilweise sehr polemisch und überspitzt und zudem sexistisch", räumt das Gericht in seiner Begründung ein. Künast habe dies jedoch mit ihrem Verhalten selbst provoziert.

,,Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerungen im Kontext einer Sachauseinandersetzung steht", heißt es weiter in der Begründung. Die Kommentare hätten jedoch alle einen ,,Sachbezug" gehabt – und seien somit keine Beleidigungen oder Schmähungen.

Die ,,Sachauseinandersetzung", auf die sich das Urteil bezieht, dreht sich um folgendes: Am 27. März hatte der rechte Blogger Sven Liebich, besser bekannt als Verfasser von ,,Halle-Leaks", auf Facebook einen Beitrag über Künast veröffentlicht. Darin verweist er auf einen Artikel der Welt, in dem es um die schwierige Vergangenheit der Grünen in Bezug auf Pädophilie geht. Der Beitrag gibt auch eine Episode aus dem Berliner Abgeordnetenhaus wieder, in dem Künast damals 1986 saß.

    Während eine grüne Abgeordnete über häusliche Gewalt spricht, stellt ein CDU-Abgeordneter die Zwischenfrage, wie die Rednerin zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern solle aufgehoben werden. Doch statt der Rednerin ruft, laut Protokoll, Renate Künast dazwischen: ,,Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!"

Liebich versah den Artikel mit dem Kommentar ,,Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz ok". Das Gericht sieht das als zulässig.

Die Liste der Beleidigungen, die das Gericht einzeln durchgeht und jeweils begründet, warum diese nicht als Beleidigung zu werten seien, liest sich absurd. Die Äußerung ,,Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!" sei zwar ,,geschmacklose Kritik ... mit dem Stilmittel der Polemik". Allerdings gehe es dabei nicht darum, Künast herabzusetzen, sondern lediglich darum, ihre Äußerung zu kritisieren.

Die Äußerungen ,,Stück Scheiße" und ,,Geisteskranke" werden als ,,Auseinandersetzung in der Sache" gewertet. Selbst die Bezeichnung ,,Drecks Fotze" bewege sich ,,haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch hinnehmbaren". ,,Auch in dem Kommentar ,Schlampe' kann eine von der Äußerung im kommentierten Post losgelöste primär auf eine Diffamierung der Person der Antragstellerin und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielende Äußerung nicht gesehen werden. Vielmehr ist auch dieser Kommentar ein Beitrag in einer Sachauseinandersetzung."

Die Argumentation des Gerichtes stützt sich auf die immer gleiche Logik: Weil das Thema von Künasts Zwischenruf aus dem Jahr 1986 – also die Entkriminalisierung von Sex mit Minderjährigen, die die Grünen in NRW damals beantragten – selbst ,,im sexuellen Bereich" liege und zudem ,,erhebliches Empörungspotential" berge, müsse sie sich als Politikerin ,,auch eine sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen".

Anwalt Riemschneider sagt, der Artikel in der Welt habe den Zusammenhang damals nur bruchstückhaft wiedergegeben. ,,Pädophilie beziehungsweise Geschlechtsverkehr mit Kindern wird und wurde von Frau Künast zu keinem Zeitpunkt befürwortet, gutgeheißen oder akzeptiert". Sie habe auch nie solche Anträge innerhalb ihrer Partei unterstützt. Mit dem Zwischenruf habe sie lediglich den falschen Einwurf der CDU-Politikerin in der Debatte korrigieren wollen. Riemschneider kündigte an, in die nächste Instanz zu gehen.

Ob Künast sich nun missverständlich ausgedrückt hat in der Hitze der damaligen Debatte, sollte jedoch ohnehin nebensächlich sein. Denn auch das rechtfertigt keine sexistische Schmähung als ,,Fotze" oder ,,Schlampe".

Doch genau so argumentiert das Gericht – und sitzt damit einem gängigen Denkfehler auf: Es setzt Sexualität und Sexismus gleich. Die Kammer argumentiert, Künast habe sich zu einem Thema aus dem Bereich der Sexualität geäußert und deswegen seien sexistische Beleidigungen wie ,,Schlampe" oder ,,Fotze" eine angemessene Kritik in der Sache. Dass dieser Fehler selbst Richterinnen und Richtern unterläuft, zeigt wie tief dieses Denken noch verankert ist.

Künast ist bei weitem nicht die einzige prominente Frau, die mit solchen Kommentaren um Netz konfrontiert ist. Gerade Politikerinnen werden besonders häufig zur Zielscheibe von sexistischer Beleidigungen und Drohungen auf Plattformen wie Facebook und Twitter. Zuletzt hatte der Fall Sigi Maurer in Österreich viel Aufmerksamkeit bekommen. Auch dort war in einem Beleidigungsfall ein absurdes Gerichtsurteil ergangen.

Organisationen wie der Juristinnenbund weisen schon seit längerem darauf hin, dass Hetze und Gewalt im Netz eine geschlechtspezifische Dimension haben. Dazu zählt unter anderem der Umstand, dass Frauen spezifisch als Frauen abgewertet werden.

Die Argumentation der Kammer, die Wortwahl der Kommentatoren sei eine Auseinandersetzung in der Sache, wirkt vor diesem Hintergrund besonders absurd. Dass Künast mit eben diesen Begriffen beleidigt wurde, hat wenig damit zu tun, dass es in ihrer Äußerung um Pädophilie ging. ,,Schlampe" und ,,Fotze" sind Standardbeleidigungen, wenn Politikerinnen oder Prominente sich im Netz äußern – egal ob es um Straßenverkehr, Steuerpolitik oder Hochzeitsfotos geht [ https://www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/im-internet--shitstorms--wenn-der-hass-explodiert-10171684.html (https://www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/im-internet--shitstorms--wenn-der-hass-explodiert-10171684.html) ].

Seit einem Jahr soll eigentlich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz Abhilfe dagegen leisten. Strafbare Äußerungen müssen von den großen Plattformen wie Twitter und Facebook seitdem binnen 24 Stunden aus dem Netz gelöscht werden. Ein gängiger Kritikpunkt am Gesetz: Nicht das Löschen, sondern die Strafverfolgung muss das Ziel sein. Nur so werde man im Netz für mehr Affektkontrolle sorgen und Betroffene schützen.

Das aktuelle Urteil zeigt: Das Problem geht viel tiefer. Wenn sexistische Beleidigungen selbst vor Gericht nicht als solche erkannt werden, dann ist nicht die Rechtslage das Problem. Es ist die Vorstellung, dass Frauen nach wie vor selbst die Schuld dafür tragen, wenn sie im Netz sexistisch beleidigt werden.


Aus: "Demokratie: Urteil: Politikerin Künast darf auf Facebook beschimpft werden" (19.09.2019)
Quelle: https://netzpolitik.org/2019/urteil-politikerin-kuenast-darf-auf-facebook-beschimpft-werden/ (https://netzpolitik.org/2019/urteil-politikerin-kuenast-darf-auf-facebook-beschimpft-werden/)


"Drecksfotzenrichter fällen geisteskrankes Urteil gegen Renate Künast, das Justizia wie eine Schlampe aussehen lässt, die auf den Sondermüll gehört" (Donnerstag, 19. September 2019)
Berlin (dpo) - Sollte man diesen Stücken Scheiße die Fresse polieren? Drecksfotzenrichter am Berliner Landgericht haben heute in einem geisteskranken Urteil gegen Renate Künast entschieden, dass sie alle (!) Beschimpfungen, die in diesem Artikel stehen, als nicht beleidigend hinzunehmen hat.
Offenbar wurden die Richter als Kinder ein wenig zu viel gefickt – denn sie entschieden, dass es sich bei den Beleidigungen um "Auseinandersetzungen in der Sache" handelt. Wie genau die hohlen Nüsse zu diesem Urteil kamen, ist derzeit noch unklar.
Sicher scheint jedoch, dass der Urteilsspruch der gehirnamputierten Justiz-Schlampen und -Schlamper vermutlich zu einem Anstieg wüster Beschimpfungen im Internet führen wird.
Unabhängige Beobachter empfehlen nun, die Sondermüll-Richter mal richtig durchzuknattern, bis sie wieder normal werden – möglicherweise wird das Urteil dann revidiert.
Bis dahin meint der Postillon: "Ferckt, ihr Drecksäue!"
https://www.der-postillon.com/2019/09/berliner-landgericht.html (https://www.der-postillon.com/2019/09/berliner-landgericht.html)

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Quote[...] Das Verwaltungsgericht Meinigen hat in einem Eilverfahren entschieden, dass der thüringische AfD-Chef Björn Höcke als Faschist bezeichnet werden darf. Die Antragsteller haben dem Gericht zufolge "in ausreichendem Umfang glaubhaft" gemacht, "dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist", sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht. Das berichten unter anderem Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Hintergrund ist eine Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung mit dem Kundgebungsthema "Protest gegen die rassistische AfD insbesondere gegen den Faschisten Höcke", die die Stadt Eisenach verboten hatte. Sie hatte zuvor zur Auflage gemacht, dass "die Bezeichnung Faschist" für Höcke "im Rahmen der Versammlung untersagt" sei. Die von der Stadt Eisenach angeführte strafrechtliche Relevanz des Begriffs als Beleidigung sah das Verwaltungsgericht Meiningen ebenso nicht wie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Ihre Entscheidung begründeten die Richter damit, dass es um eine "die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage" gehe, bei der "die Auseinandersetzung in der Sache (...) im Vordergrund steht". Der Schutz der freien Meinungsäußerung überwiege demnach der Möglichkeit, dass die Bezeichnung "Faschist" ehrverletzenden Charakter haben könne.

Die Initiatoren beriefen sich vor Gericht auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit und begründeten ausführlich, warum es sich bei der Bezeichnung Höckes als Faschist um ein zulässiges Werturteil handele. Dazu hatten die Antragsteller zahlreiche Zitatstellen aus einem Höcke-Buch sowie Presseberichte über den AfD-Politiker vorgelegt.

Höcke tritt bei den Landtagswahlen am 27. Oktober in Thüringen als Spitzenkandidat der AfD an. Der Politiker ist Wortführer des rechtsnationalen AfD-"Flügels" und fällt immer wieder mit völkischen und fremdenfeindlichen Äußerungen auf. Unter anderem bezeichnete er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" und rief zu einer 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik auf.


Aus: "Björn Höcke darf als "Faschist" bezeichnet werden" (28. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/afd-bjoern-hoecke-faschist-verwaltungsgericht-meinigen (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/afd-bjoern-hoecke-faschist-verwaltungsgericht-meinigen)

Quote1 Bernd #36

Hat er sich aber auch hart erkämpft & verdient!


QuoteLiebling der Moderatoren und Redaktion #28

Wir haben Meinungsfreiheit in Deutschland. Und die Gerichte sind unabhängig. Und unsere Gerichte sind sehr gut. Das beweist nicht nur dieses Urteil sondern auch das im Fall Künast.


QuoteRoger Smith #28.1

Bemerkenswert wie viele Menschen den Unterschied zwischen Meinung und Beleidigung nicht kennen.


Quote
Cronbachs Alpha #34

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.


Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 10, 2019, 03:01:57 PM
Quote[...] Haben wir verlernt, vernünftig miteinander zu reden? 58 Prozent der Deutschen sagten vor kurzem laut einer Umfrage, sie hielten die Meinungsfreiheit in der Öffentlichkeit für eingeschränkt. Das kann man, vor dem Hintergrund der Drohungen gegen den deutschen Grünen Cem Özdemir und rechtsextremer Gewalttaten gegen Andersdenkende im Nachbarland, als erfolgreiche rechte Einschüchterung interpretieren. Man kann es als Ergebnis der "Haltet den Dieb!"-Strategie der rechten AfD betrachten, die in den jüngsten Wahlkämpfen genau das behauptet hatte.

Es könnte aber auch die Furcht des Einzelnen sein, mit seiner Meinung anzuecken. Denn in liberalen Demokratien darf zwar jeder alles sagen, sofern es nicht gegen das Recht verstößt – aber es darf auch jeder widersprechen, so laut er will.

Ein Freibrief für Gehässigkeiten, Untergriffe und persönliche Attacken ist das trotzdem nicht. Wer redet, muss vorher denken und sich bestmöglich informieren (etwa durch das Lesen von Büchern anstelle von Twitter-Meldungen). Und er sollte mitbedenken, dass man seinen Argumenten auch Nachdruck verleihen kann, ohne andere zu verletzen.

Dieser Meinung ist offenbar auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Zur Eröffnung der Buch Wien sagte er, junge Menschen müssten lesen können, um Abgründe zu erkennen. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 160-jährigen Bestehen des Presseclubs Concordia betonte Van der Bellen die Bedeutung von Qualitätsjournalismus, der "Facts" von "Fake" sauber zu trennen wisse – und den Bürgern im Zeitalter der Informationsflut Sicherheit gebe. Aber gebe es auch "Tendenzen, guten Journalismus zu hindern".

Die gibt es in der Tat: Sie werden sichtbar, wenn Politiker mediale Kritik immer schlechter ertragen. Wenn sie lieber ihre eigenen Wahrheiten auf Instagram und Facebook lesen und wenn sie Inserate in Millionenhöhe an gefälligen Journalismus verteilen. Dann kommen gute Journalisten ökonomisch unter Druck.

Dazu kommt, dass die großen Internetplattformen nicht so gebaut sind, dass sie vernünftige Debatten und hochwertigen Diskurs fördern. Millionenfach geteilt wird dort, was emotionalisiert – nicht das, was zum Nachdenken anregt.

Als Erste haben diese Logik Populisten und Demagogen begriffen. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass man mitunter den Eindruck hat, öffentlicher Diskurs sei, wenn Menschen einander anschreien.

Es wäre freilich zu einfach, die Schuld für den Niedergang der Streit- und Debattenkultur den rechten Donaldisten und Populisten in die Schuhe zu schieben. Das hat auch Barack Obama erkannt. Vor kurzem schlug der ehemalige US-Präsident kritische Töne gegenüber jungen Aktivisten an. "Wenn ihr nur mit Steinen werft, werdet ihr nicht weit kommen", sagte er. Wenn jede noch so kleine Verfehlung, jedes moralische Stolpern eines Mitstreiters sofort Anlass zu (öffentlicher) Ächtung durch die anderen sei, dienten auch die Wohlmeinenden ihrer guten Sache nicht. Im Gegenteil.

Wir sollten schleunigst lernen, wieder konstruktiv zu streiten. Die künftige Regierung könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht das geschönte Darstellen falscher Harmonie sollte ihr Ziel sein – sondern der gepflegte Disput, die fundierte inhaltliche Auseinandersetzung ohne Untergriffe. Das brächte Österreichs Demokratie auf jeden Fall ein Stück voran. (Petra Stuiber, 10.11.2019)


Aus: "Petra Stuiber: Wir müssen besser streiten"  Kommentar Petra Stuiber (10. November 2019)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000110852063/wir-muessen-besser-streiten (https://www.derstandard.at/story/2000110852063/wir-muessen-besser-streiten)

QuoteLizz

Es gibt seit einigen Jahren nur schwarz/weiß, egal welche Seite, brauchst dir nur die Migrationspolitik ansehen. Wer nicht pro Open Borders ist, ist ein Nazi. Da brauchst nix diskutieren, hat keinen Sinn.


Quote
gyuri

Und wer kein Nazi ist, ist automatisch pro open borders?


Quote
Wödmasta81

Die Wehleidigkeit kommt primär aus den USA, Stichwort Triggerwarning. Dauerbeleidigte Dauer-Correctness ist das Gift ...


Quote
Quargelsemmerl

Wie verhandelt man mit Menschen, auf die weder Fakten noch Vernunft oder Logik einsichtig reagieren?
Wie überzeugt man Menschen, die Solidarität, Mitleid und Menschenliebe hämisch als Schwäche abtun und Egoismus, Niedertracht und Faustrecht als erstrebenswerte Norm?

In all meinen nun doch schon gehäuften Lebensjahren habe ich dafür kein praktikables Rezept gefunden.
Mit denen streiten ist sinnlos. Da könnte man genauso gegen eine Mauer reden.
Ignorieren ist auch nicht gut. Schweigen ist für Dritte allzu oft eine gefühlte Form der Zustimmung. ...


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 12, 2019, 07:13:58 PM
QuoteNatascha Strobl @Natascha_Strobl

Was ist die furchtbarste politische Phrase oder rhetorischer Kniff die bzw der noch immer von Politiker_innen verwendet wird?
Ganz oben für mich ,,bei den Menschen da draußen" ,,Am Ende des Tages" ,,Herr/Frau xy lassen Sie mich bitte ausreden" ,,Vorher möchte ich noch sagen..."

Gefolgt von technischen Erklärungen zu ,,Kampagne" ,,Slogan" ,,Plakatwellen" ,,Claims" statt einfach die Inhalte zu sagen. Oder die Botschaft erklären statt sie zu vermitteln. Da krieg ich wirklich Zustände.

,,Ein Stück des Weges gemeinsam gehen" - argh, zu abgelutscht sorry Kreisky

4:15 AM - 11 Dec 2019


https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1204736336617492480?s=03 (https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1204736336617492480?s=03)


Quote𝘙𝘰𝘭𝘢𝘯𝘥 𝘛𝘩𝘢𝘭𝘦𝘳 @RolandThaler
Dec 11 Replying to @Natascha_Strobl

Frau Strobl, sie werden mir sicherlich zustimmen, dass eine seriöse Antwort für ihre Frage erst nach Diskussion in den Gremien möglich ist.


Quote
Cifer @teskariel
Dec 11Replying to @Natascha_Strobl

Weshalb das "lassen Sie mich bitte ausreden"?


Quote
Natascha Strobl @Natascha_Strobl
Dec 11

Weil es so elend Zeit kostet und bei Itvs mit zB Wolf strategisch eingesetzt wird um zu Verzögern.

Neue Unterhaltung auferstandene_Karteileiche @Karteileicherl
11. Dez.

Und um den Eindruck zu erwecken das Gegenüber sei unhöflich
#Anpatzen #TonePolicing


Quote
Ulrich Rößl @SON_OFsevenless
Dec 11

"Fakt ist" knapp gefolgt von: "ich habe immer ganz klar gesagt"


Quote
Siobhán Geets @SiobhanGeets
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Die Menschen "von da abholen, wo sie stehen".


QuoteNotyetaguru @notyetaguru
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

,,Der kleine Mann auf der Straße"


Quote
SockenPuppe @SuppenPocke
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl @Floskelwolke

"Fakt ist", gefolgt von einer These oder persönlichen Meinung.
"Wir haben viel gemacht/geschafft beim Thema xy" ohne ansatzweise konkret zu werden


Quote
Edward de Vere @EdDeVere
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Ich sage Ihnen ganz offen..."


Quotetanja malle @scharlatanja
11. Dez.

"in aller klarheit " "ehrlich gesagt" "am ende des tages" "die menschen da draußen"


Quote
likedeeler @likedeeler3
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Da, denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg."


Quote
Irene Czermak @ICCzermak
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Dafür werden wir auch weiterhin kämpfen.." und davor irgendeine Wischiwaschi Initiative, Antrag, Abstimmung, Entwurf zu einem komplexen Thema, das seit langem bekannt und Problem behaftet ist.


Quote
Kaethe Gl @kaethe_gloe
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"XY ist ein Meilenstein", "ein Schritt in die richtige Richtung", "haben ein XY-Paket geschnürt"


Quote
Michael Mazohl @MichaelMazohl
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

,,Die Richtung stimmt."


Quote
Gazal Köpf @itsameitsashe
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Machen wir doch Schluss mit..."
"Meine Hand ist ausgestreckt..."
"Die Leute da draußen..."
"Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass..."
"Es kann doch nicht sein, dass..."
"Erklären Sie das mal der Verkäuferin..."
"Ich habe in ganz Österreich mit Menschen gesprochen..."


Quote
ElisaPot  @Elipo1
11. Dez.

Aber was bleibt dann noch?


QuoteLando w0ot
‏ @w0_ot 22 Std.vor 22 Stunden

stille. herrliche, ohrenbetäubende stille


Quote
Gazal Köpf @itsameitsashe
21 Std.vor 21 Stunden

oder vll mal echter inhalt? glaubwürdige vermittlung von ideen und werten? ich weiss, ich weiss... ich verlang arges zeug


Quote
An even Pizza (tweets by staff outside) @UnevenPizza
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Meine lieben Freunde


Quote
David Millmann  @DavidMillmann
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Wie auch Sie genau wissen, ..."
"Das Problem ist doch ganz ein anderes: ..."
"Der/die einfache BürgerIn will..."


Quote
Mina @hummelinaufruhr
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

,,Ein ,,Weiter so" darf es nicht mehr geben"

... macht genau so weiter


Quote
Beatrice Mariam Ostermann @beaostermann
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Zur Weißglut bringt mich ebenfalls "bei den Menschen da draußen" (Umkehrschluß:"wir in unserem Raumschiff da oben od was", gefolgt von von "ehrlich gesagt,....." (was sonst? "unehrlich gesagt"?)


Quote
Daniel Retschitzegger @DanielRetschitz
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

,,Leistungsträger", ,,Soziale Hängematte" und ,,Lassen Sie mich bitte nur einen Satz vervollständig" inklusive 12 Zeilen Schachtelsatz


Quote
Thomas Diesenreiter @tdiesenreiter
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Wir müssen besser kommunizieren"


Quote
laura pizzeroni golddigger @stromberger1
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Auf Augenhöhe


Quote
Oliver Rautenberg @AnthroBlogger
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Klare Kante"


Quote
Nils Pickert @pickinese
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Mit Augenmaß.


Quote
Major @LornaBDelaney
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"in der Mitte der Gesellschaft angekommen"
"die schwäbische Hausfrau"
"aber die Arbeitsplätze"


QuoteJudith Pühringer‏ @fraufee
    11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Bei allem Respekt aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass...


Quote
redcat @__redcat
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Die Menschen in diesem Land


Quotevielleicht Caro Wiesauer @caro234
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Erlauben Sie mir bitte  in dieser komplexen Angelegenheit doch etwas ausholen zu müssen,....


QuoteRobert Kainerstorfer @rkainers
11. Dez.

"Wir müssen die Leute abholen, wo sie stehen."


Quote
b.schrenk @b_schrenk
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Die Kinder sind unsere Zukunft


Quote

Phil @philenotfound
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Profil schärfen


Quoteksmichel @ksmichel2
11. Dez.Antwort an @Natascha_Strobl

... ein Argument als "Ideologie" zu bezeichnen, um es zu entwerten.


Quote
Brettford @P_Brettford
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Ich hasse die Antworten auf sehr konkrete Nachfragen in Form von: "Die eigentliche Frage ist doch [*beliebiges Bullshit-Geschwafel abseits vom Thema*]."


Quote
Klarnamen sind Schall und Rauch @newborl
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Meine liebe Frau X., ..."


Quote
Ronald Krentz @rokr
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Die Frage ist doch..." gefolgt von Ablenken, Ausweichen und dem Versuch, eigenes/anderes Thema zu setzen, Diskussion in gewünschte Bahn zu lenken.


Quote
Klare Sicht @KlareSicht1
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Das Machbare" als Euphemismus für "mehr erlaubt und die Lobby/Wirtschaft nicht".

Die Sätze mit Modalpartikeln beginnen, wie z. B. "Na ja, ..."


Quote
Viola Martin-Mönnich @Viola_Moennich
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Da gehe ich ein Stück weit mit."


Quote
Benni Bärmann @benni_b
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Am Wahlabend: "Es ist uns nicht gelungen unsere Erfolge/Botschaft zu vermitteln."


Quote
Frau Hellmann @FrauHellmann
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Das verstehen die Menschen nicht."


Quote
Hari Winkler @HariWinkler
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Jetzt hat erstmal der Wähler das Wort."


Quote
Herwig Huber @herwig_huber
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Schaun Sie,..."


Quote
Peter Rubey @fotopezi
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

...wir müssen dieses Ergebnis erst einmal evaluieren!


Quote𝖦𝗋𝖾𝗀𝗈𝗋 @DerGreg0r
11. Dez.

"Es braucht" = "Ich will", nur in neutral und unabhängig wirkender Mogelpackung.


Quote
Frau Sonne @annasonne1234
24 Std.vor 24 Stunden

"Wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin..."


Quote
Jutta Ditfurth Verifizierter Account @jutta_ditfurth
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

,,Wir nehmen Geld in die Hand"


Quote
Christian Obkircher @chrbkr
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

"Vielen Dank für diese Frage, aber lassen sie mich zuerst..."


Quote
Kategor_Imperativ @kateg_Imperativ
11. Dez. Antwort an @Natascha_Strobl

Wir brauchen ein neues Narrativ!


Quote
LightCurves ist sauer! @LightCurves
11. Dez.

wir müssen glaubhaft vermitteln, wofür wir stehen.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 18, 2020, 04:28:11 PM
Quote[...] "Während wir dies von der radikalen Rechten nicht anders erwarten, breitet sich auch in unserer Kultur zunehmend eine Atmosphäre von Zensur aus", hieß es jüngst in einem offenen Brief von 153 Intellektuellen (darunter auch Noam Chomsky, Margaret Atwood oder Salman Rushdie), der gleichzeitig in Harper's Magazine, Le Monde, La Repubblica und der ZEIT erschien.

Seine Botschaft in einem Satz: "mehr Toleranz" für abweichende Meinungen. Der Aufruf ist bedenkenswert: Ein "Klima der Intoleranz" greife nicht nur in radikal rechten Kreisen um sich, die ohnehin intolerant seien, sondern vielmehr "in allen Lagern". Auch die politischen Gegner der radikalen Rechten müssten aufhören, weiter in "ideologischer Konformität" zu verharren, die eigene Kritik zum "Dogma" verkommen zu lassen und der verbreiteten Tendenz zu frönen, "komplexe politische Fragen in moralische Gewissheiten zu überführen".

Dass sich über diesen Aufruf gerade diejenigen Linken empörten, die sich hiervon nicht zu Unrecht angesprochen fühlen durften, war ebenso wenig überraschend wie der Umstand, dass viele ihrer Empörung in kurzen Tweets Ausdruck verliehen. Natürlich entging ihnen die Ironie, dass sie ihre Kritik an dem Aufruf in eben jenem Duktus der "moralischen Gewissheit" formulierten, den der Brief zuvor problematisiert hatte. Doch auch damit war zu rechnen, denn tatsächlich wird unsere Zeit zunehmend und in nicht unerheblichem Maße von "linken" Gestalten geprägt, die alle genannten Momente in sich bündeln: einen Hang zu Konformität, krasser Komplexitätsreduktion und moralistischer Dogmatik.

Wie der Philosoph E.M. Cioran einmal hellsichtig bemerkt hat, kann es geschehen, "daß die Linke, die in die Mechanik der Macht verstrickt ... ist, ihre Tugenden verliert, daß sie erstarrt und die Übel erbt, die gewöhnlich der Rechten eignen". Diese Beschreibung trifft unsere kulturelle Situation sehr genau.

Eine erstarrte und ins Pädagogische abgedriftete Linke, die sich durch ihre Weigerung bestimmt, "ihr eigenes Machtstreben zu reflektieren, ihren Aufstieg in den akademischen und kulturellen Institutionen" (Michael Hampe), ein dergestalt zur Karikatur verkommener Linksliberalismus, der vergessen hat, dass er nicht mehr unter allen Umständen subversiver Underdog ist, sondern sich an Universitäten oder in Social-Media-Kontexten explizite Machtzentren geschaffen hat, bringt einen epochalen Menschenschlag hervor: den digitalen linken Spießer.

Dieser droht die Linke leider für Leute von außerhalb dieser Blasen mittelfristig noch unattraktiver zu machen, als sie es ohnehin schon ist, denn auch und gerade für politische Bewegungen gilt: An ihren Langweilern sollst du sie erkennen. Der neue linke Spießer betrachtet Gegenwart und Vergangenheit mit puritanischem und polizeilichem Blick und genießt es, unablässig den Wuchs der Diskurshecken zu prüfen, mit der Gartenschere in der Hand.

Wahlweise stört er sich an den Scherzen von John Cleese oder Terry Gilliam, an einer Zeile von Nick Cave oder Steely Dan, an einer Karikatur von Ralf König oder an den Witzchen des Theoretikers Slavoj Žižek, von dem sein konservativer Freund Tylor Cowen behauptet, er habe den Humor eines "moderate right-winger", worauf sich Žižek gegenüber Cowen empört verteidigt: "Als ich jung war, war das noch linker Humor!"

Die linken Spießer begegnen allen unsensibel scherzenden oder gar andersdenkenden Zeitgenossen mit offener Verachtung, beweisen aber eine hohe Sensibilität, sobald man ihre eigene progressive Rolle in Zweifel zieht. Dies zu tun, ist jedoch nötig, denn ihr Zorn trifft in jüngerer Zeit sogar historische Figuren, auf deren Schultern sie stehen könnten, wenn sie deren Erbe nicht verspielten. Die Folge jener "ungeheuren Herablassung der Nachwelt" (eine Wendung von E.P. Thompson, die immer wahrer wird) ist ein äußerst abgeflachtes Verhältnis zur großen Andersheit namens Geschichte, die neuerdings ebenfalls von allen krummen Zweigen, von allen Irritationsmomenten bereinigt werden soll – jedenfalls sind es deftige Werturteile, die gegenwärtig geistesgeschichtliche Verdienste überschatten.

Zuletzt teilten bekannte italienische Linksintellektuelle, Politikerinnen und Aktivisten in den sozialen Netzwerken, anknüpfend an den alten Slogan von Lonzi, mannigfach ein Bild mit der Aufschrift "Sputiamo su Hegel" ("Wir spucken auf Hegel"): Der deutsche Philosoph – so  der sozial-mediale Tenor – sei letztlich nämlich nichts weiter als ein bösartiger Sexist gewesen. In der Verkürzung abstrus, aber ein exemplarischer Fall, finden doch in Deutschland längst vergleichbare "Debatten" statt (wobei hierzulande zufälligerweise Kant unter Beschuss gerät).

Es ist bedauerlich, dass ein Teil der Linken nicht mehr liest und wenn doch, dann bestenfalls Memes und Twitterbotschaften, zumindest ist das der Referenzrahmen, in dem dann die weitere Auseinandersetzung stattfindet. Aber spuckt nicht, wer auf Hegel spucken möchte, zugleich auch auf die bedeutende Rolle, die dieser für die Entwicklung des emanzipatorischen Denkens gespielt hat – und noch immer spielt: bei Judith Butler, Axel Honneth oder Jacques Rancière? Kennen die neuen linken Militanten die feministische Hegellektüre von Simone de Beauvoir, in der die Dialektik von Herr und Knecht analog zum Emanzipationsverhältnis von Mann und Frau gedacht wird? (Von den zahlreichen feministischen Lektüren der Antigone-Diskussion bei Hegel ganz zu schweigen...)

Gewiss: Der Hinweis darauf, dass die Beziehung zwischen Hegel und dem Feminismus auch gegenwärtig im Zentrum ernsthafter internationaler Debatten steht, ist für diejenigen, die den Autor der Phänomenologie des Geistes auf stumpfsinnige Weise abtun möchten, vollkommen uninteressant: Er lässt sich nämlich kaum für die eigene mediale Selbstinszenierung verwerten, die ja auch und gerade die Nicht-Leser unter den Linken motiviert. Aus demselben Grund geht sie auch jene Ambivalenz buchstäblich nichts an, die darin liegt, dass Hume, Kant oder Hegel zweifelsfrei rassistisch oder sexistisch schrieben und trotzdem ein unverzichtbarer Teil der europäischen Geistestradition sind, welche die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei, die Erklärung der Menschenrechte oder die gesetzliche Gleichberechtigung der Geschlechter hervorbracht hat.

Ganz unbestreitbar haben sie die Geschichte der Emanzipation mitgeprägt. Ob die neuen Linken ernstlich dem Aberglauben anhängen, wonach sich ein historischer Akteur jederzeit am eigenen Schopf aus der Geschichte ziehen könnte, um aus dem ahistorischen Ideenhimmel das moralisch Richtige zu deduzieren, ist am Ende schwer zu sagen. Sicher ist nur, dass es sie unablässig danach drängt, sich öffentlichkeitswirksam als moralische Instanz zu präsentieren, und dass sich jeder echte Spießer – auch der linke und digitale – durch sein Bedürfnis verrät, permanent als besonders tadelloses oder moralisch sattelfestes Exemplar unserer denkwürdigen Spezies wahrgenommen zu werden.

Das Schlimmste an den gegenwärtigen Spießern ist nun aber nicht, dass sie ahistorisch denken, jedes (vermeintlich) verunglückte Wort zur Würde des Skandals erheben, ständig Situationen des Verdachts organisieren (Wer hat was zu wem gesagt?) oder aus den Menschen wieder reumütige Geständnistiere zu machen versuchen. Das alles ist bloß schlimm. Schlimmer als schlimm ist, dass sie sich immer noch widerständig und "alternativ" fühlen, obwohl sie längst einem kulturell tonangebenden Milieu angehören. Eine unerlässliche Voraussetzung von Toleranz – und dieser Satz steht fest – liegt im ehrlichen Selbsteingeständnis von eigener Macht, auch diskursiver Macht (zum Beispiel an den Universitäten).

Nur die, die wissen, dass sie über Macht verfügen, können sich überhaupt die Frage stellen, ob sie andere tolerieren, das heißt: aushalten, erdulden möchten – oder eben nicht. Hieraus folgt: Die neopuritanische Linke muss sich darüber ehrlich machen, dass ihre Adepten in vielen politisch-kulturellen Konstellationen mittlerweile zu nichts anderem als Figuren der Macht geworden sind. Bislang versuchen sie es wortreich zu vermeiden, doch gerade sie hätten es nötig, sich ein Mantra von Adorno, einem maßgeblichen Vertreter der lesenden Linken, in Erinnerung zu rufen: "Wer innerhalb der Demokratie Erziehungsideale verficht" – mahnte dieser nämlich streng – "ist antidemokratisch, auch wenn er seine Wunschvorstellungen im formalen Rahmen der Demokratie propagiert."

Dass eine solche demokratische Gesinnung derzeit bei vielen Linken wenig praktische Würdigung erfährt, mag auch von der althergebrachten Arroganz herrühren, mit der insbesondere die einflussreichen französischen Linksintellektuellen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – vor und nach 1968 – über liberale Demokratien nachgedacht haben. Denn be­zeich­nen­derweise interessiert sich etwa Deleuze noch in den Neunzigerjahren gerade für ein "Demokratisch-Werden, das nicht mit den faktischen Rechtsstaaten zusammenfällt", während bei Barthes, Foucault, Lacan oder Kristeva demokratietheoretische Reflexionen fast gänzlich ausgespart werden. Anders als in früheren Zeiten, in denen der vielerorts immer abwegiger wirkende Terminus "linksalternativ" einen realen Sinngehalt hatte, fällt es indessen heute ins Gewicht, wenn diskursmächtige Linke immer noch in Begriffen wie "Subversion", "Aufstand", "Ereignis", "Unterlaufen", "Rebellion", "Widerstand" oder "Ungehorsam" denken, statt sich über die ganz konkrete demokratische Vermittlung progressiver Ideen den Kopf zu zerbrechen. Am Ende dieses Gedankens wird eine Linke, die ihre reale Diskursmacht leugnet, zwangsläufig moralisch totalitär. Sie duldet eben keinen Widerspruch, weil Widerspruch per se falsch ist. Die Macht, die sie hat, reicht ihr nicht, sie möchte sie weitestmöglich ausdehnen. Das aber zielt dann weder in faktischen Rechtsstaaten noch in anderen Gebilden auf einen demokratisch organisierten Diskurs.

Was die alte poststrukturalistische linke Avantgarde angeht, so bestach sie aus heutiger Sicht freilich durch ihren – für die linken Spießer der Gegenwart empörenden – Mangel an moralistischer Dogmatik. Sie verehrte de Sade, studierte Heidegger und rehabilitierte mit Nietzsche einen der politisch unkorrektesten Autoren der Geistesge­schichte. Im Übrigen betonte etwa Foucault, dass sich Fragen der Ent-Unterwerfung niemals dogmatisch, systematisch oder gar verwaltungstechnisch entscheiden ließen; vielmehr zähle der subversive Umgang mit Einzelfällen. Und auch Richard Rorty – der ein zentraler Vertreter der sogenannten postmodernen amerikanischen Linken war – glaubte nicht daran, dass sich gesellschaftliche Wirklichkeiten mit starren sprachlichen Regeln verändern ließen. Vielmehr brauche es idiosynkratische Einbildungskraft – "kreativen Sprachmissbrauch" –, eine Position, zu der sich auch Judith Butler einmal bekannt hat.

Den dominanten Strang der gegenwärtigen Linken, die mit dogmatischen Lösungen flirtet, ohne ihren Underdog-Status aufgeben zu wollen, vermag dies ebenso wenig zu beunruhigen wie der Umstand, dass sie keine funktionierenden ökonomischen Konzepte hat, um der sozialen Frage zu begegnen – man denke etwa an die exorbitanten Mietpreise oder an die prekären Lebensbedingungen des neuen Dienstleistungsproletariats. Aber auch das ist nicht verwunderlich, kann doch ökonomische Konzeptlosigkeit überhaupt als ein Grund dafür angesehen werden, sich mit derart verbissenem pädagogischen Eifer auf das Feld der Kultur zu stürzen.

Es geht nicht darum, jedes Interesse für Begriffe oder jede differenziertere Bewertung historischer Persönlichkeit zu diskreditieren. Die Verbissenheit aber, mit der man Debatten mit zugleich geleugneter diskursiver Macht moralistisch zu dominieren versucht, führt letztlich zu populistischer Reaktanz und schwächt die Linke noch dort, wo sie reale Probleme bekämpft. Denn natürlich gibt es, anders als es die politische Rechte behauptet, tatsächlich strukturellen Sexismus und Rassismus in Deutschland, und unter denen, die in universitären oder sozial-medialen Kontexten diskursmächtig sind, finden sich auch Menschen, die in anderen gesellschaftlichen Kontexten benachteiligt oder marginalisiert werden. Das Problem der Linken besteht offenkundig nicht darin, dass sie sich den Reaktionären entgegenstellt, die sich das kulturelle Zeichensystem der Fünfzigerjahre zurückwünschen und auf alle Ewigkeit stillstellen möchten. Sondern darin, dass sie diesen Kampf mit den zensorischen Instinkten führen möchte, die lange Zeit der politischen Rechten gehörten (anstatt an das selbstständige Urteil mündiger Menschen zu appellieren) und dass sie noch dazu die Klassendimension unterschlägt, die allen diesen Kämpfen inhärent ist.

Dass heute die AfD bei manchen Wahlen mehr Arbeiter-Stimmen erhält als jede andere Partei, ist in jedem Fall auch ein trauriges Zeugnis für die naserümpfende, spießig gewordene Linke, die in ihren schlechtesten Momenten zugleich den Eindruck erweckt, einen Klassenkampf "von oben" zu betreiben: eine Rebellion der tadellosen Vier-Zimmer-Altbau-Bourgeoisie gegen das schrecklich vulgäre, unaufgeklärte und politisch unkorrekte Proletariat. Solange die Linke das nicht begreift, werden sich ihre politischen Gegner die Hände reiben.



Aus: "Identitätspolitik: Die digitalen linken Spießer" Ein Gastbeitrag von Jan Freyn (18. Juli 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2020-07/identitaetspolitik-linke-intoleranz-zensur-demokratie-meinungsfreiheit/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2020-07/identitaetspolitik-linke-intoleranz-zensur-demokratie-meinungsfreiheit/komplettansicht)

Kontext: https://www.zeit.de/2020/29/cancel-culture-liberalismus-rassismus-soziale-gerechtigkeit (https://www.zeit.de/2020/29/cancel-culture-liberalismus-rassismus-soziale-gerechtigkeit)

QuoteEinHistoriker #23

"Wie der Philosoph E.M. Cioran einmal hellsichtig bemerkt hat..."
Vielleicht bin ich ja auch nur ein moralisierender Linker, aber ich bezweifle, dass Cioran, ein Antisemit, Anhänger der rumänischen Eisernen Garde und Bewunderer Hitlers ein geeigneter Zeuge gegen die echte oder angebliche Linke ist.



Quotekosmokrator #23.1

Sie bestätigen genau den Artikel. Welch verachtenswerte Anschauungen auch immer Cioran (oder jeder Mensch) hatte, dies diskreditiert nicht automatisch alle Aussagen.

Luther als Antisemit hat durchaus treffende Kritik am Katholizismus geäußert.

Che Guevara hat trotzdem dass er ein skrupelloser Mörder war manche sozialen Misstände korrekt angeprangert.

Die amerikanischen Gründerväter haben mit der amerikanischen Verfassung ein wunderbares Meisterwerk vollbracht obwohl sie zum Teil Sklaven hatten.

Usw.usf.

Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Hauptsächlich besteht sie aus Grautönen.
Und eine infantile Vereinfachung aller Zusammenhänge ist auch ein merkmal der regressiven Linken. Genau wie der extremen Rechten.


QuoteThore-lk #58

Bravo!

Leonardo da Vinci: "Jede kleine Ehrlichkeit ist besser als eine große Lüge."


Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 20, 2020, 03:55:08 PM
Quote[...] Das Problem heißt, so nennen wir mitteljungen Leute das, oversharing. Übersetzt: zu viel mitteilen. Jede Aussage wird heutzutage mit einer Geschichte aus dem eigenen Leben gekontert. Ach, Sie fahren am Wochenende in die Uckermark? Da habe ich mir neulich beim Wandern den Fuß verstaucht! Ach, Sie haben sich den Fuß verstaucht? Ich habe mir kürzlich Nierensteine entfernen lassen! Ach, Sie hatten Nierensteine? Die Katze meines Sohnes hatte Krebs!

Gespräche, die so verlaufen, haben jede Form verloren. ...


Aus: "Geburtstalk" Anna Mayr (19. August 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/2020/35/alter-unterhaltungen-jungsein-merkmal (https://www.zeit.de/2020/35/alter-unterhaltungen-jungsein-merkmal)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2020, 11:25:04 AM
Quote[...] Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat einem Reporter mit Schlägen ins Gesicht gedroht. "Ich habe Lust, Dir auf den Mund zu schlagen", sagte der Staatschef zu dem Journalisten der Zeitung "O Globo", der ihn zur möglichen Rolle von Präsidentengattin Michelle Bolsonaro in einer politischen Affäre befragt hatte. Andere anwesende Reporter beschwerten sich über die Bemerkung des Präsidenten, woraufhin dieser ohne weitere Worte den Ort verließ.

Der Journalist von "O Globo" sowie auch Kollegen anderer Medien hatten Bolsonaro bei einer Begegnung vor der Kathedrale der Hauptstadt Brasília zu dem Bericht eines Magazins befragt, in dem die Ehefrau des Staatschefs in Verbindung mit einer Affäre um die Zweckentfremdung von Staatsgeldern gebracht worden war.

"O Globo" reagierte empört auf Bolsonaros Verbalausfall und betonte, dass der Reporter bei der Befragung des Staatschefs seine Arbeit in "professioneller Weise" getan habe. Solche Einschüchterung zeige, dass Bolsonaro nicht seine Verpflichtung anerkenne, als Diener des Staates "der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen".

Laut dem Bericht des Magazins "Crusoe", zu dem die Reporter nachgehakt hatten, soll Michelle Bolsonaro in den Jahren 2011 bis 2016 auf ihrem Bankkonto Zahlungen von dem pensionierten Polizeioffizier Fabrício Queiroz erhalten haben. Queiroz ist mit dem heutigen Staatschef befreundet und war früher als Berater des Präsidentensohns Flávio Bolsonaro tätig. Gegen Queiroz und Flávio Bolsonaro ermittelt die Justiz, weil sie Gelder, die für die Gehälter von Staatsbeschäftigten bestimmt waren, für andere Zwecke abgezapft haben sollen. Flávio Bolsonaro war früher Regionalabgeordneter des Bundesstaats Rio de Janeiro, inzwischen gehört er dem Senat in Brasília an.

Quelle: ntv.de, vmi/AFP


Aus: "Bolsonaro droht Reporter mit Schlägen" (Montag, 24. August 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Bolsonaro-droht-Reporter-mit-Schlaegen-article21990561.html (https://www.n-tv.de/politik/Bolsonaro-droht-Reporter-mit-Schlaegen-article21990561.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2020, 10:36:45 AM
Quote[...] Eins vorweg: Wenn Sie das Coronavirus für eine Erfindung halten und Bill Gates für den heimlichen Chef einer Weltverschwörung, dann sollten Sie besser nicht weiterlesen. Oder falsch: Gerade dann sollten Sie weiterlesen! Schon klar: Egal, was wir von der gelenkten und lügenhaften Mainstream-Fake-Presse hier schreiben, Sie werden es uns ohnehin nicht glauben. Dabei ist es überaus erfrischend, sich mit den Argumenten anderer auseinanderzusetzen. Deshalb wollen wir das an dieser Stelle tun – voilà: Fünf Dinge, mit denen Corona-Leugner anderen in der Pandemie ziemlich auf die Nerven gehen.

1. Kein Maß

Die Zustände, unter denen wir in Deutschland leben, sind die besten, die dieses Land je erlebt hat. Wer hier lebt, kann frei seine Meinung sagen, ohne Repressionen oder Schlimmeres befürchten zu müssen; die Demokratie ist stabil, die staatlichen Strukturen funktionieren reibungslos, es gibt sauberes Trinkwasser und ein dichtes soziales Netz. Vor allem ist unser Gesundheitssystem so gut, dass es selbst eine Pandemie in Schach halten kann, die es nach Meinung vieler Coronaleugner gar nicht gibt. Wer deshalb ernsthaft davon überzeugt ist, das Tragen von Papier- oder Stoffmasken – von Masken! – sei ein Akt staatlicher Bevormundung und ein massiver ,,Eingriff in unsere Freiheitsrechte", der hat offenkundig noch nie von Ländern gehört, in denen Freiheitsrechte wirklich massiv eingeschränkt werden, von Nordkorea über Weißrussland bis nach China oder Tschetschenien. Die Kritik an den angeblich so ,,repressiven" Maßnahmen in der Corona-Pandemie entbehrt deshalb jeder Verhältnismäßigkeit. Angesichts der Bilder im Frühjahr aus Spanien oder Norditalien, wo die Krankenhäuser von schwer- und schwerstkranken Covid-19-Patienten überfüllt waren und die Leichen der Gestorbenen in der Nacht mit Militärfahrzeugen in improvisierte Leichenhallen geschafft werden mussten, sind Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Nies-Etikette ein mehr als vertretbarer Preis dafür, dass Deutschland die Pandemie bislang sehr gut gemeistert hat.

2. Keine Toleranz (für Fehler)

Ja, es stimmt: Manche Politiker haben zu Beginn der Krise noch anders geredet als ein paar Monate später. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hielt eine allgemeine Maskenpflicht noch im März nicht für geboten – um sie wenige Wochen später dann plötzlich doch für sinnvoll zu erachten. Auch Infektiologen wie Christian Drosten von der Berliner Charité haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder selbst korrigiert – und schon begann in den Kreisen jener, die Behörden, Politiker und die Vertreter des ,,Systems" ohnehin für Scharlatane halten, wieder das Geraune von ,,Fake-News". Wie billig – und wie unehrlich. Denn: Dieses Virus ist neu, und nicht nur die Politik, sondern auch die Forschung mussten sich erst Stück für Stück mit ihm und der neuen Bedrohung vertraut machen. Falschannahmen und Fehleinschätzungen, die man wenig später wieder korrigieren muss, weil sie von neuen Forschungserkenntnissen überholt wurden, sind dabei nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und sie sind nicht automatisch ein Zeichen mutwilligen Betrugs oder von ,,Fake-News", sondern einer Wissenschaft, die zu ihrer Fehlbarkeit steht und dadurch umso glaubwürdiger wird. Dasselbe gilt für Politiker: Lieber Volksvertreter, die offen mit Fehleinschätzungen umgehen und hoffentlich aus ihnen lernen, als ein egomaner, besserwisserischer Präsident wie Donald Trump, der sich schon zu Beginn der Pandemie zum größten denkbaren Fachmann für Corona-Fragen stilisierte und den Amerikanern unter anderem den gefährlichen Ratschlag gab, sich Desinfektionsmittel zum Schutz gegen das Virus zu spritzen.

3. Der Generalverdacht

Die Corona-Pandemie ist für viele ein gefundenes Fressen, die ohnehin ein tiefes Misstrauen gegenüber der Politik hegen. Deshalb sind die Proteste gegen die Pandemiemaßnahmen auch ein Sammelbecken für viele, die ihren Frust loswerden wollen: Frust über die Flüchtlingspolitik der Merkel-Regierung und die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich; über das Gefühl der Machtlosigkeit und die empfundene Bevormundung der ,,kleinen Leute"; über unsere immer unübersichtlicher werdende Welt und angebliche ,,Chemtrails", mit denen eine vermeintliche Riege mächtiger Verschwörer um Bill Gates sich die Welt untertan machen will. Statt zu differenzieren und rational zu argumentieren, ventilieren viele nur noch ein diffuses Unbehagen gegen ,,dieses System" und ,,die da oben", denen per se jede Aufrichtigkeit abgesprochen wird.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist richtig und notwendig, Politiker, Behörden, Ärzte und Forscher kritisch zu hinterfragen und nicht jede vermeintliche Wahrheit unwidersprochen hinzunehmen. Das gilt für die Corona-Pandemie genauso wie für alle anderen Zeiten auch. Und selbstverständlich kann man die Corona-Maßnahmen, die die Regierung getroffen hat, über- oder untertrieben, noch angemessen oder schon zu freiheitseinschränkend finden. Doch dieser für eine Demokratie eigentlich lebenswichtige ,,kritische Bürgersinn" ist bei manchen längst aus dem Ruder gelaufen, weil er nur noch der Legitimation eines destruktiven Widerstands gegen ,,dieses System" dient: Hauptsache, dagegen – weil nicht sein kann und darf, was gerade ,,Mainstream-Meinung" oder gängiger Forschungsstand ist.

Wer aber jeglichen wissenschaftlichen Fakt schon deshalb ablehnt, weil es in Zeiten des Internets für jede Zahl eine Gegenzahl gibt und jede Erkenntnis schon im Moment ihrer Veröffentlichung von selbsternannten ,,Experten" in irgendeinem obskuren Netzforum ,,widerlegt" wird, der darf an gar nichts mehr glauben. Nicht daran, dass die Welt eine Kugel ist – und schon gar nicht an den alleinigen Wahrheitsanspruch der obersten Verschwörungstheoretiker. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, die ultimative Wahrheit zu vertreten, kein Politiker, kein Wissenschaftler, aber eben auch kein Attila Hildmann. Und so lange keine besseren Fakten verfügbar sind, müssen wir uns mit denen begnügen, die wir haben. Das erfordert Kraft und Geduld, die viele nicht (mehr) aufbringen wollen oder können. Lieber erfinden sie – oder glauben an – alternative Fakten.

4. Der Egozentrismus

Nun könnte man ja sagen: Lasst denen, die nicht an die Gefährlichkeit des Coronavirus glauben wollen, doch ihre Meinung! Lasst sie doch protestieren und dabei keine Maske tragen – denn das versteht man doch unter Freiheit in einer Demokratie: anderer Auffassung sein zu dürfen, ohne deshalb Repressionen befürchten zu müssen. Richtig: Jeder hat die Freiheit, sich mit einem Virus anzustecken, an das er gar nicht glaubt. Und natürlich dürfen Tausende in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Wenn sie dabei aber einen neuen Infektions-Hotspot heraufbeschwören und nicht nur sich selbst, sondern auch viele andere gefährden, dann hat das nichts mehr mit Freiheit zu tun, sondern mit Ignoranz. Statt zu sagen, ich glaube zwar nicht an Corona, aber aus Solidarität mit denen, die an das Virus glauben, trage ich trotzdem eine Maske, kreisen gerade viele angebliche Kämpfer für die Bürger- und Freiheitsrechte nur um einen Fixstern: um sich selbst. Dabei ist es ein bisschen wie mit dem Rauchen, das im öffentlichen Raum aus gutem Grund seit vielen Jahren sukzessive reglementiert wurde: Wer rauchen und seine eigene Gesundheit ruinieren möchte, der soll das tun – aber ohne dadurch andere Menschen zu gefährden. Und wer nicht an die Gefährlichkeit des Coronavirus glaubt, etwa weil er jung und weniger gefährdet ist, der sollte sich selbst nicht zum Maßstab aller Dinge erklären. Sondern auch an die Älteren und Gefährdeten denken, bevor er die Maske im Supermarkt abnimmt.

5. Die Diskussionskultur (der Kritiker der Corona-Skeptiker)

Richtig gelesen: Wir nehmen sie auch in Schutz, diejenigen, die die Corona-Maßnahmen skeptisch sehen. Denn gerade darum geht es doch: die Dinge differenziert zu betrachten. Deshalb ist es ein Problem, wenn die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die Anti-Corona-Protestler pauschal als ,,Covidioten" bezeichnet. Schließlich gibt es unter jenen, die sich kritisch über die Pandemiemaßnahmen äußern und dafür auf die Straße gehen, sehr viele sehr kluge Menschen. Sie argumentieren differenziert, wägen Argumente ab, sind bereit, ihre Meinung auch zu ändern, wenn sie zu neuen Erkenntnissen gekommen sind. Eine pauschale Bezeichnung dieser Kritiker als ,,Covidioten" ist nicht konstruktiv und schürt noch die Vorbehalte gegenüber ,,denen da oben", die die Bedenken vieler Bürger angeblich nicht ernstnehmen.

Es ist legitim, Menschen auf das Heftigste zu kritisieren, die wilde, unreflektierte Verschwörungstheorien über das Virus und seine Herkunft verbreiten und für Argumente nicht (mehr) zugänglich sind. Aber das ist es nur dann, wenn man gleichzeitig diejenigen ernst nimmt, die noch bereit zur rationalen Diskussion sind. Eine Debatte erfordert schließlich die Bereitschaft zur Einsicht. Auf beiden Seiten.


Aus: "Kolumne ,,Fünf Dinge": Fünf Dinge, die an Corona-Leugnern nerven" Oliver Georgi (26.08.2020)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/stil/leib-seele/fuenf-dinge/verschwoerungstheorien-diese-fuenf-dinge-nerven-an-corona-leugnern-16918502.html (https://www.faz.net/aktuell/stil/leib-seele/fuenf-dinge/verschwoerungstheorien-diese-fuenf-dinge-nerven-an-corona-leugnern-16918502.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 03, 2020, 11:16:59 AM
Quote[...] Aufbauschen, skandalisieren, beschimpfen: Unsere Gesprächskultur verkommt immer öfter zu strategischer Kommunikation. Das funktioniert, indem gezieltes Falschverstehen zur Taktik wird ...

Kein kommunikativer Trend ist so auffällig wie der sich in den sozialen Medien, in Talkshows und auf Demos austobende Hang zur rechthaberischen Fehlinterpretation. Zum Einsatz kommen dabei vor allem drei rhetorische Kampftechniken.

Die erste ist die Strategie der Nicht-Interpretation: Man weigert sich, ,,zwischen den Zeilen" zu lesen, nimmt jedes Wort für bare Münze. Damit geht jegliche Doppelbödigkeit des Gesprächs verloren, auch alles Hintergründige und vor allem jede Ironie.

... Die zweite Taktik ist die gezielte Falschinterpretation.

... Die dritte Technik ist die Überinterpretation. Was sonst nur Karikaturen können, ist auf Twitter Modus Vivendi: Wer die Absage einer Hygiene-Demo begrüßt, ist Anhängerin der Merkel-Diktatur, wer auf die Demonstrationsfreiheit pocht, ist ein ,,Covidiot". Und wer Kant gegen den Vorwurf des Rassismus verteidigt, verteidigt zugleich auch den Rassismus ...

Traurig ist, dass die Tugend hermeneutischen Wohlwollens dem Laster des hermeneutischen Generalverdachts weicht: Man ist sich stets sicher, und zwar rechts wie links, dass das Gegenüber ein viel schlechterer Mensch ist, als das aus seinen manifesten Äußerungen hervorgeht. Deshalb will man ihn nicht mehr verstehen. ... Verweigertes Verstehen macht freudlos und verbissen.  ...


Aus: "Verrohte Gesprächskultur: Der Wille zum Missverständnis" Arnd Pollmann (30.08.2020)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/verrohte-gespraechskultur-der-wille-zum-missverstaendnis.2162.de.html?dram:article_id=483182 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/verrohte-gespraechskultur-der-wille-zum-missverstaendnis.2162.de.html?dram:article_id=483182)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 03, 2020, 12:24:36 PM
Quote[...] In Paris hat heute ein großer Prozess zum islamistischen Terror-Anschlag auf die Redaktion des Magazins Charlie Hebdo begonnen. Am 7. Januar 2015 töteten die Brüder Said und Chérif Kouachi 12 Personen, Mitglieder der Redaktion des Satire-Magazins, einen Techniker, einen Personenschützer und einen Mann, der sich ihnen bei ihrer Flucht auf der Straße in den Weg stellte. Als ein zentrales Motiv für die Bluttat in der Redaktion wurde Rache für Mohammed-Karikaturen genannt. Unter den Mordopfern befanden sich die Zeichner Cabu, Charb, Honoré, Tignous und Wolinski.

Die beiden Täter wurden zwei Tage später von der Polizei gestellt und erschossen. Im Prozess, der als historisch bezeichnet, geht es um Hintergründe des Anschlags, der lange vorbereitet worden war. Der Prozess wird gegen Helfer des terroristischen Anschlags geführt. Es gibt 14 Hauptangeklagte, wobei drei nicht anwesend sind - sie gelten als tot oder verschollen in Syrien oder dem Irak.

Ungefähr zweihundert zivile Parteien sind vertreten, etwa hundert Anwälte beteiligt. Die Anhörung wurde auf 49 Tage angelegt, wie Le Monde berichtet. Der Prozess werde in voller Länge gefilmt, was seine historische Bedeutung untermauere, so die Zeitung.

Interessant ist aber auch seine aktuelle Bedeutung. Der Prozess holt das Problem des radikalen Islamismus wieder zurück in die Aufmerksamkeit, die von News bestimmt wird. Dort dominierte seit Monaten das Corona-Thema. Mit dem Prozessauftakt kommt eine Bedrohung wieder zur Sprache, die Frankreich lange Zeit in Atem hielt, der Anschlag auf Charlie Hebdo, der zeitgleich von einem anderen tödlichen Terrorakt auf einen koscheren Supermarkt und eine Polizistin begleitet wurde, war der Anfang einer Serie von monströsen Terroranschlägen im Nachbarland.

Die Debatte, wie mit der auf brutale Weise bittere Realität gewordenen Gefahr der Radikalisierung umgegangen werden soll, beherrschte den politischen Betrieb und die Fragen zur Selbstverständigung der Republik. Die Debatte mag von der Corona-Krise überdeckt worden sein, totgelaufen ist sie nicht, weil in ihr auch die Meinungsfreiheit verhandelt wird.

Das aktuelle Cover der Extraausgabe von Charlie Hebdo zum Prozessbeginn nimmt diesen Faden direkt auf. Unter der Überschrift "Tout ça pour ça?" (übersetzt etwa: "Und das alles dafür?") wird eine neue Mohammed-Karikatur umrahmt von den weltweit bekannten früheren präsentiert. Im Mittelpunkt des Titelblatts vom 2. September ist der ganz in Schwarz gekleidete Prophet zu sehen, der sich zerknirscht die Hände vor die tränenden Augen hält. "Es ist hart, wenn man von Idioten geliebt wird", so die Sprechblase dazu. Der Text neben dem gezeichneten Propheten lautet: "Mohammed, überfordert von den Fundamentalisten".

Es gab dazu auch eine Wortmeldung aus dem Libanon. Macron, der sich gestern dort aufhielt, wurde auf das Titelblatt von Charlie Hebdo angesprochen. Er antwortete darauf, dass er sich als Präsident nicht einzumischen habe, und sprach sich nicht nur für die Pressefreiheit, sondern auch explizit für das Recht auf Blasphemie aus. Er verband diese Freiheiten allerdings mit einem Appell an einen respektvollen, zivilen Umgang mit diesen Freiheiten und mit der Pflicht (devoir), "keinen von Hass geprägten Dialog anzustiften".

Hier wird es schwierig, wer definiert die Grenzen des Respekts, das Zumutbare, worauf richtet sich der Respekt, auf Personen, auf Inhalte? Der Streit über die Versuche, Hassreden durch Gesetze zu unterbinden, ist ein Teil dieses mit emotionalen Minen bestückten Geländes, wo es keine fixen Antworten gibt.

Geht es um Befindlichkeiten und Haltungen der Öffentlichkeit, wie sie sich in einer Ifop-Umfrage zur Meinungsfreiheit zeigt, so macht sich Charlie Hebdo Sorgen um die Jugend. Das zugespitzte Fazit lautet:

    Wenn man die Meinungsfreiheit verteidigen will, muss man aufhören, jung zu sein.

    Charlie Hebdo

Begründet wird dies mit Aussagen, die die Altersgruppe von 15- bis 24-Jährigen zur Einschätzung der Täter des Terroranschlages auf die Redaktion und zu den Karikaturen bei einer Interviewbefragung Anfang bis Mitte August abgegeben hat (1 020 Personen, repräsentativ für die Bevölkerung Frankreichs).

Auf die Frage, ob die Attentäter zu verurteilen sind, hätten 88 Prozent insgesamt und 72 Prozent der Muslime die Brüder Kouachi völlig verurteilt, was, so die Charlie-Hebdo- Autoren, zeige, dass 12, respektive 28% "sie sympathisch finden oder es ihnen egal ist". Dieser Anteil sei auffallend höher bei den 14- bis 24-Jährigen. Dort wurden lediglich 72 Prozent insgesamt und 62 Prozent der Muslime die Attentäter völlig verurteilen.

"Das erhöht deutlich die Popularität der Mörder und ihrer Akte", so der Schluss der Autoren. Sie untermauern ihren Eindruck noch mit dem Ergebnis, dass sich bei den 15- bis 17-Jährigen zeigt. War es 2016 noch ein Prozent unter ihnen, die den Anschlag nicht verurteilten, so sind es bei der aktuellen Umfrage 22 Prozent.

Bei der Frage zur Einschätzung der Mohammed-Karikaturen verfestigt sich der Eindruck der Charlie-Hebdo-Autoren. 47 Prozent der 15- bis 24-Jährigen würden die Empörung über die Veröffentlichung der Karikaturen verstehen. In der Gesamtbevölkerung sind es 29 Prozent. Unter den Muslimen 73 Prozent - und 83 Prozent unter den Muslimen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren.

Auf die Frage, ob die Publikationen Recht oder Unrecht hatten, die Karikaturen zu veröffentlichen, "verteidigten nur 59 Prozent der Bevölkerung die Meinungsfreiheit", so Charlie-Hebdo. Bei den 15- bis 24 Jährigen sind es noch weniger, nämlich 35 Prozent. 69 Prozent der Muslime bewerteten die Veröffentlichung als unnütz. Der Anteil steigt bei den 15- bis 24-jährgen Muslimen auf 72 Prozent.


Aus: "Charlie Hebdo: "Wenn man die Meinungsfreiheit verteidigen will, muss man aufhören, jung zu sein"" Thomas Pany (02. September 2020)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Charlie-Hebdo-Wenn-man-die-Meinungsfreiheit-verteidigen-will-muss-man-aufhoeren-jung-zu-sein-4884273.html (https://www.heise.de/tp/features/Charlie-Hebdo-Wenn-man-die-Meinungsfreiheit-verteidigen-will-muss-man-aufhoeren-jung-zu-sein-4884273.html)

Quote-fdik-, Volker Birk, 02.09.2020 17:55

Würde ich versuchen, andere möglichst öffentlich zu beleidigen? Nein.

Muss jeder aushalten, von Satire betroffen zu sein und sich beleidigt zu fühlen?

Ja.


QuoteBirdy407, 03.09.2020 10:05

  Selber Schuld

Wer sich über andere Menschen glauben lustig macht.... selber Schuld.

Ich habe da kein Mitleid.

Über Leute lustig machen die eh schon nichts anderes haben als ihren glauben....
Gaaaanz Unten angekommen würde ich sagen.


Quoteowm3, 03.09.2020 10:12

Re: Selber Schuld

Du hast also Verständnis dafür, wenn ein gläubiger Christ jemanden erschlägt, der seinen Heiland verunglimpft? ...


QuoteBirdy407, 03.09.2020 10:14

Re: selber Schuld

owm3 schrieb am 03.09.2020 10:12:

    Du hast als Verständnis dafür, wenn ein gläubiger Christ jemanden erschlägt, der seinen Heiland verunglimpft?

    https://i2.wp.com/sciencefiles.org/wp-content/uploads/2016/02/titanic-dose.jpg?resize=328%2C233&ssl=1 (https://i2.wp.com/sciencefiles.org/wp-content/uploads/2016/02/titanic-dose.jpg?resize=328%2C233&ssl=1)


ne aber ich habe Verständnis dafür wenn eine große Zeitung sich über Muslime lustig macht und dann dafür die Quittung bekommt.

Muslime sind was das betrifft sehr empfindlich - die schicken dich hald dann zu ihrem Allah

Karma nennt sich das

what goes around comes around


...

QuoteKönig mit Krone, 03.09.2020 10:30

Re: selber Schuld

Diese versagen sich alles selbst, WEIL sie eine "Religion" haben.

Ganz unten angekommen und andere herunterziehend wegen Religion, dagegen gehört aufgestanden und Flagge bzw Karikaturen gezeigt. Zudem wäre mir neu, dass die Scheichs und Emirs und Kefirs der arabischen Halbinsel sonst nichts anderes mehr haben und ausgerechnet jene die brutalste und perverseste aller Auslegungen weltweit mit Milliarden Dollar ihres Benzingelds verbreiten und dabei von den anderen religionsverstrahlt pervertiert-evangelikalen Doomsday-Kranken unterstützt, gefördert und protegiert werden.


Quotefensterfisch, 03.09.2020 03:22

Meinungsfreiheit ist kein Ponyhof

Man muss nicht hinter jedem geschmacklich grenzwertigen Witz stehen. Aber man sollte grundsätzlich gegen Denk- und Sprechverbote sein. ...


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 27, 2020, 05:08:23 PM
Quote[...] Als Motiv habe er die erneute Veröffentlichung umstrittener Mohammed-Karikaturen durch "Charlie Hebdo" genannt, die er "nicht ertragen" habe.

Vor dem einstigen Sitz der "Charlie Hebdo"-Redaktion hatte ein Angreifer am Freitag zwei Journalisten einer Agentur mit einem Hackmesser attackiert und schwer verletzt. Kurze Zeit später wurde der Hauptverdächtige in der nähe des Tatorts festgenommen. Nach eigenen Angaben ist er 18 Jahre alt und kommt aus Pakistan.

... Sie wurden im Gesicht schwer verletzt. Der Angriff war unglaublich gewalttätig", sagte Hermann. ,,Es gab eine echte Bereitschaft zum Töten." Hermann kritisierte, dass das Gebäude während des seit Anfang September laufenden Prozesses gegen mutmaßliche Helfer der Terrorserie im Januar 2015 nicht geschützt wurde.

...


Aus: "Verdächtiger gesteht Messerattacke in Paris" (26.09.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/er-habe-die-mohammed-karikaturen-nicht-ertragen-verdaechtiger-gesteht-messerattacke-in-paris/26219180.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/er-habe-die-mohammed-karikaturen-nicht-ertragen-verdaechtiger-gesteht-messerattacke-in-paris/26219180.html)

QuoteFirebird 15:51 Uhr
Antwort auf den Beitrag von mcgyver 26.09.2020, 19:11 Uhr

    Ich verstehe auch nicht, warum Charlie Hebdo nun zum zweiten Mal diese Karikaturen veröffentlicht. Es war doch absehbar, dass wieder ein Anschlag stattfinden würde und vielleicht war das nicht mal der letzte. 

Hm, so haben die Attentäter wohl auch gedacht.


Quotecountrylover 26.09.2020, 16:47 Uhr

    Als Motiv habe er die erneute Veröffentlichung umstrittener Mohammed-Karikaturen durch "Charlie Hebdo" genannt, die er "nicht ertragen" habe.

Ein guter Grund für europäische Tageszeitungen wie z.B. dem TSP nun erst recht die Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen und damit Solidarität mit den schwerverletzten Redakteuren in Paris zu zeigen.


QuotePumpi-macht-Stress 26.09.2020, 14:02 Uhr

Ideologien/Religionen vertragen schwer die Freiheiten in einer westlich-pluralistischen und demokratischen Gesellschaft. Einge der Foristen werden natürlich wieder die erneute Veröffentlichung der Karikaturen kritisieren: Ach, man muss nicht erneut Öl ins Feuer gießen.  Aber das Öl, ein heilsames Balsam, ist nicht das Problem - Feuer hat nicht nur Bücher verbrannt sondern au f den Scheiterhaufen religiöser Fanatiker brannten Menschen, bizarrerweise auch Tiere. Ach ja, Religionen sind was feines - sie geben uns Halt im morden, verbrennen, erstechen, hängen.


Quotemansfield 26.09.2020, 16:07 Uhr
Antwort auf den Beitrag von ZyanKarli 26.09.2020, 15:13 Uhr

    Oder können Sie sich an aktuelle  Attentate von in ihrem Glaubensempfinden verletzten Buddhisten/Juden/Christen erinnern?

Na ja, z.B. als Gynaekologe, der Abtreibung vornimmt, wuerde ich mich in den USA sehr unsicher fuehlen. Was aber nicht von der Tatsache ablenkt, dass ich den Safalfismus als sehr gefaehrlich empfinde.


QuotePumpi-macht-Stress 26.09.2020, 18:20 Uhr
Antwort auf den Beitrag von ZyanKarli 26.09.2020, 15:13 Uhr

    Warum nehmen Sie alle Gläubige in Sippenhaft?

Sie sollten auf die Nuancen achten: Ich spreche von Ideologien/Religionen die "letzte Wahrheiten" verkünden, nicht von Gläubigen, die mal mehr oder weniger angefasst sind wenn es Kritik hagelt.


...

"Mann nahe Paris enthauptet: Neun Festnahmen - Macron spricht von islamistischem Terroranschlag" (17.10.2020)
Der Lehrer war am Freitag auf offener Straße ermordet worden. Anti-Terror-Fahnder gehen von einem Zusammenhang mit den umstrittenen Mohammed-Karikaturen aus. In der Nähe von Paris ist ein Geschichtslehrer offenbar im Zusammenhang mit den umstrittenen Mohammed-Karikaturen auf offener Straße enthauptet worden. Nach der Tat am späten Freitagnachmittag nahe einer Schule in Conflans Saint-Honorine schaltete sich die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ein. Der von der Polizei angeschossene mutmaßliche Täter starb nach Angaben aus Justizkreisen später. ... Bei dem Mordopfer handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Geschichtslehrer, der seinen Schülern im Rahmen seines Unterrichts über Meinungsfreiheit die Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Die Polizei war nach Ermittlerangaben zu der Schule nordwestlich der französischen Hauptstadt gerufen worden, weil Augenzeugen einen Verdächtigen in der Nähe beobachtet hatten. Als die Beamten vor Ort eintrafen, fanden sie die Leiche des Lehrers. ... Laut ,,Le Monde", die sich auf Polizeikreise beruft, behandelt der Lehrer in seiner Klasse das Thema Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit den Karikaturen Mohammeds. Dieser Aspekt sei der Grund, weshalb die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen habe. ... Frankreich wird seit Jahren von islamistischen Anschlägen erschüttert – dabei starben mehr als 250 Menschen. Daher ist die Terrorgefahr fast ständig im Bewusstsein der Menschen. Erst vor einigen Wochen hatte es vor dem ehemaligen Redaktionsgebäudes des Satiremagazins ,,Charlie Hebdo" eine Messerattacke gegeben. Als Motiv hatte der Täter die erneute Veröffentlichung umstrittener Mohammed-Karikaturen genannt, die er ,,nicht ertragen" habe. (Tsp, dpa, AFP)
https://www.tagesspiegel.de/politik/mann-nahe-paris-enthauptet-neun-festnahmen-macron-spricht-von-islamistischem-terroranschlag/26283278.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/mann-nahe-paris-enthauptet-neun-festnahmen-macron-spricht-von-islamistischem-terroranschlag/26283278.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 28, 2020, 12:46:01 PM
Quote[...] ntv.de: Der Titel Ihres neuen Buches ist "Das gespaltene Land". Meinen Sie damit noch eine Trennung in Ost- und Westdeutschland?

Hans-Joachim Maaz: Ja, auch. Aus meiner Sicht ist das Land weiterhin oder auch erneut in West- und Ostdeutschland gespalten. Es gab ja diese Euphorie mit der Wende und der Hoffnung der DDR-Bürger, dass jetzt alles besser wird - mehr Demokratie, bessere Konsummöglichkeiten, Reisefreiheit. Aber das hat nicht so lange angehalten. Es gab dann doch eine spürbare Ernüchterung. Für viele Menschen sind diese Hoffnungen nicht aufgegangen. Aber für besonders wichtig halte ich, dass selbst Menschen, denen es deutlich besser ging, nicht zufriedener wurden. Sie leiden an den westlichen Lebenszwängen.

ntv.de: Was meinen Sie mit westlichen Lebenszwängen?

Hans-Joachim Maaz: Im Osten war man gut beraten, sich unterzuordnen, sich ins Kollektiv einzupassen, sich zurückzuhalten und nicht zu kritisch zu sein. Im Westen muss man laut sein, sich darstellen und verkaufen können. Das sind zwei sehr unterschiedliche Sozialisationen. Das ist der Grund, warum es diese Spannungen und ein Unverständnis zwischen Ost und West gab. Aber inzwischen erleben wir eine umfassendere gesellschaftliche Problematik, bei der die bisherige Konsum- und Wachstumsgesellschaft des Westens eine kritische Grenze erreicht hat. Das zeigt sich an der Finanz- oder Klimakrise oder an der Migrationsproblematik. In dieser Krise gibt es jetzt neue Gegensätze.

ntv.de: Welche Gegensätze sind das aus Ihrer Sicht?


Hans-Joachim Maaz: Menschen müssen sich an gesellschaftliche Verhältnisse anpassen, auch gegen ihr eigenes Wollen und Vermögen. Das führt oft dazu, dass sie gestresst und unzufrieden sind oder sich entfremdet verhalten müssen. Die bisherigen gesellschaftlichen Erfolge wurden durch solche Anpassungen erreicht. Wenn für eine zunehmende Zahl von Menschen die soziale Sicherheit nicht mehr gegeben ist, der Wohlstand und die Konsummöglichkeiten, dann sind sie geängstigt und verunsichert. Dann werden die persönlichen Ängste wieder aktiviert, die durch Kompensierung befriedet waren. Das ist aus psychotherapeutischer Sicht der Grund für die Spaltung, nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch Alt und Jung, Mann und Frau, Stadt und Land, Migrationsfeinde und -freunde oder Coronamaßnahmenbefürworter und -gegner.

ntv.de: Wie definieren Sie an dieser Stelle Spaltung?

Hans-Joachim Maaz: Spaltung ist eine Reduzierung des kritischen Nachdenkens. Es ist ein primitiver seelischer Abwehrmechanismus, bei dem es nur schwarz oder weiß gibt. Ich beobachte, dass diese Spaltungen immer feindseliger werden. Das ist für mich Ausdruck einer seelischen Abwehr. Man möchte einen Schuldigen finden. Dann wird der eigene Anteil an einem falschen Leben und der Notwendigkeit, sich verändern zu müssen, erträglicher.

ntv.de: Nehmen denn Ost- und Westdeutsche in dieser Gesellschaftskrise verschiedene Positionen ein?

Hans-Joachim Maaz: Wenn wir davon ausgehen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, haben die Ostdeutschen damit Erfahrung. Sie wissen, wie es ist, wenn man sich anpassen muss und diese Anpassung plötzlich sinnlos wird. Das ist eine bittere und schmerzliche Erfahrung, aber auch eine, die hilft, bestimmte Dinge kritischer zu sehen. Und die haben die Westdeutschen nicht. Die Ostdeutschen sind aber mit dieser Erfahrung einfach sensibler und allergischer gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen oder auch politischer Heuchelei oder falschen medialen Darstellungen. Die Kritik, die aus dem Osten kommt, hat damit viel zu tun – dass man den Medien und Politikern nicht mehr traut. Das kennen Ostdeutsche. Deshalb ist die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen stärker als im Westen. Dass es Pegida gibt und eine höhere Zustimmung für die AfD, das erkläre ich mir damit. Das ist nicht vordergründig politisch gedacht, sondern als Gesellschaftskritik.

ntv.de: Sie sprechen von unvereinbaren Polen, einem Entweder Oder, die meisten Menschen sind aber eher im Sowohl-Als-Auch unterwegs.

Hans-Joachim Maaz: Ich finde auch, dass ein gutes demokratisches Leben immer "Sowohl Als Auch" ist. Das ist die gesündere Variante, und das gibt es immer noch. Es haben eben immer beide Seiten Recht, es gibt nicht die eindeutige objektive Wahrheit. Es ist ja die Grundlage einer Demokratie, dass man Dinge so oder so sehen kann. Ich beobachte aber, dass das "Sowohl als Auch" zunehmend zu einem "Entweder Oder" wird. Das ist die Spaltung, der psychosozial primitive Abwehrvorgang oder die gestörtere Haltung. Damit nehmen die Feindseligkeiten in der Gesellschaft zu.

ntv.de: Wie kann man das ändern?

Hans-Joachim Maaz: Was wir brauchen, ist, dass wir alle Positionen zu Wort kommen lassen und ein wirklich kritischer Disput möglich wird. Das wird immer weniger. Stattdessen wächst die Tendenz zu sagen, das sind die ganz Bösen, mit denen reden wir nicht. Wenn in einer Gesellschaft auffällige Außenseiter- und Extrempositionen entstehen, dann bringt Abwertung nichts. Das sind Symptomträger einer gesellschaftlichen Entwicklung. Da muss man sich fragen, warum es mehr Kriminelle, Extremisten oder Gewalttäter gibt.

ntv.de: Innerhalb der pluralistischen Meinungsbildung werden ja diese verschiedenen Positionen durchaus diskutiert. Wie kann man das Einander-Zuhören auch im therapeutischen Sinne besser ermöglichen?

Hans-Joachim Maaz: Ich bin da anderer Meinung. Wenn sich heute jemand deutlich gegen Migration ausspricht, dann hat er es wesentlich schwerer, wird mehr kritisiert und abgewertet, als jemand, der für Migration ist. Es wäre wünschenswert, wenn es so wäre, dass alle Positionen diskutiert würden. Deshalb fürchte ich, dass sich die Verhältnisse zuspitzen, dass immer mehr Meinungen, die andere nicht hören wollen, ausgesperrt oder diffamiert werden.

ntv.de: Sie rufen dazu auf, das eigene Leben kritisch zu bewerten, statt vermeintlich Schuldige zu suchen. Was sehen Sie dabei für Defizite?

Hans-Joachim Maaz: Ich glaube, bei der Betrachtung des Nationalsozialismus und der DDR kommt die individuelle Beteiligung zu kurz. Solche Systeme sind nicht nur denkbar durch eine auffällige, pathologische Elite, sondern nur durch ein stützendes Mitläufersystem. Ich verwende dafür den Begriff der Normopathie und meine, dass etwas Gestörtes für normal gehalten wird, wenn eine Mehrheit diese Meinung vertritt. Das hat etwas mit dem menschlichen Grundbedürfnis zu tun, zu einer Gruppe dazuzugehören. So entsteht die Gefahr, dass man auch einer kollektiv falschen Meinung anhängt. Das kennen wir aus dem Nationalsozialismus und aus dem DDR-Sozialismus. Ich erkenne das auch in dieser aus meiner Sicht narzisstischen Gesellschaft. Wichtig ist, auf sich und auf seinen eigenen Anteil zu schauen. Was ist meine Schuld, wo bin ich Opfer, aber auch Täter einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung? Das geschieht nicht ausreichend.

ntv.de: Steht 30 Jahre nach der Wiedervereinigung mehr persönliche Weiterentwicklung an, damit sich die Gesellschaft weiterentwickeln kann?

Hans-Joachim Maaz: Das wäre mein Wunsch. Ich sehe Zusammenhänge mit der Entwicklung des Kindes. In den ersten Lebensjahren wird die Persönlichkeit geprägt, die dann für ein Leben weiterwirkt. Deshalb ist es die beste Investition, wenn man für die beste Frühbetreuung von Kindern sorgt. Dann bekommt man emotional sichere, stabilere, friedfertigere Menschen, als wenn man die Kinder schlecht behandelt. Es wäre gut, wenn Politik und Wirtschaft das mehr berücksichtigen würden. Gerade gibt es die Tendenz, sehr rasch eine Fremdbetreuung zu favorisieren. Das sehe ich und viele meiner Kollegen kritisch, Krippe vom ersten bis dritten Lebensjahr eher nein, Kindergarten eher ja. Dazu gehört aber ökonomische und psychologische Unterstützung.

ntv.de: Sie werben sehr für das Zuhören, warum?

Hans-Joachim Maaz: Häufig ist es so, dass man nur darauf wartet, bis man die Stelle findet, an der man sein Argument anbringen kann. Das ist kein gutes Zuhören. Für meine Arbeit ist das aktive Zuhören wichtig. Mir sagt jemand etwas, aber ich höre nur das, was ich hören kann und will. Das ist mitunter sehr verzerrend zu dem, was gesagt wird. Also versuche ich zu formulieren, was ich verstanden habe und frage, ob das richtig ist. Eventuell wird das bestätigt oder präzisiert. So wird auch das Gemeinte mit verstanden. Das könnte schon in der Schule geübt werden. Das wünschte ich mir auch in der Gesellschaft und auch im Bundestag.

ntv.de: Politiker würden vielleicht argumentieren, dass zur politischen Auseinandersetzung eine gewisse Zuspitzung dazugehört. Schließt sich das aus?

Hans-Joachim Maaz: Entscheidend ist die Grundhaltung. Wenn ich immer davon ausgehe, ich muss den Gegner fertigmachen, schwächen und unbedingt meine Position durchsetzen, dann halte ich das für schädlich für das soziale Auskommen. Das ist keine Verständigung. Die Schärfe einer Aussage sollte in den Inhalten bestehen. Dafür muss man sich Mühe geben, die vertretenen Inhalte gut zu begründen. Eine Beschimpfung des Gegners ist das Gegenteil von dem, was gutes Zuhören bedeutet. Auch da gibt es wieder Parallelen zu Eltern-Kind-Beziehungen. Wir empfehlen auch da immer Ich-Botschaften statt Du-Botschaften, also zu sagen: Ich empfinde das so und nicht Du bist so. Die Ich-Botschaft hält die Beziehung lebendig, die Du-Botschaft belastet sie.

ntv.de: Sie selbst schauen auch auf 30 Jahre im wiedervereinigten Deutschland zurück. Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?

Hans-Joachim Maaz:

Ich habe sehr unter den DDR-Verhältnissen gelitten, weil ich mich da nicht einordnen wollte. Ich bin dann bei der Kirche untergeschlüpft und war dort sehr zufrieden, weil ich da frei arbeiten konnte. Ich war begeistert über den Zusammenbruch der DDR und war auch aktiv bei den Demonstrationen. Dann habe ich die neuen Verhältnisse genossen und auch beruflich neue Möglichkeiten gefunden. Das war alles positiv. In den letzten Jahren bin ich enttäuscht über die Entwicklung in ganz Deutschland. Ob das bei der kindlichen Frühbetreuung ist oder bei den demokratischen Defiziten, die ich sehe, das entsetzt mich. In der DDR gab es eine starke politisch-ideologische Abhängigkeit, heute gibt es eine starke und zunehmend auch moralische Abhängigkeit. Aus meiner Sicht steht in beiden Fällen als Resultat ein unsicherer und abhängiger Mensch. Das bleibt mein Thema. Ich unterscheide zwischen äußerer und innerer Demokratie. Es fehlt aus meiner Sicht die innerseelische Verankerung demokratischen Erlebens bei vielen Menschen, und das gefährdet demokratische Verhältnisse.

Mit Hans-Joachim Maaz sprach Solveig Bach


Aus: "Hans-Joachim Maaz im Interview "Ostdeutsche sensibler bei Veränderungen"" (Samstag, 26. September 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Ostdeutsche-sensibler-bei-Veraenderungen-article22058173.html (https://www.n-tv.de/politik/Ostdeutsche-sensibler-bei-Veraenderungen-article22058173.html)

Hans-Joachim Maaz (* 17. Februar 1943 in Niedereinsiedel, Böhmen) ist ein deutscher Psychiater, Psychoanalytiker und Autor. ... 2017 war Maaz Unterzeichner der von der Dresdener Buchhändlerin und Pegida-Sympathisantin Susanne Dagen initiierten Unterschriftensammlung Charta 2017, die das Verhalten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Hinblick auf die Proteste gegen die Präsenz von als rechts eingeordneten Verlagen bei der Frankfurter Buchmesse kritisierte. Nach den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 warb er um Verständnis für die Demonstranten, wehrte sich gegen deren generelle Einordnung als Rechtsextreme und kritisierte in diesem Zusammenhang pauschalisierende Reaktionen der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) und der Bundesregierung. ... ... 2020: Das gespaltene Land. Ein Psychogramm. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-75087-8.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Joachim_Maaz (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Joachim_Maaz)

...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 30, 2020, 11:09:46 AM
Quote[...] Ständige Unterbrechungen und Beleidigungen: Das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden hinterlässt verärgerte Zuschauer. Der Moderator konnte kaum mäßigen.

Chaos, Unterbrechungen und Beleidigungen haben das erste TV-Duell von US-Präsident Donald Trump und seinem Wahlherausforderer Joe Biden geprägt. Trump gab bei der Fernsehdebatte den Ton vor, indem er dem Präsidentschaftskandidaten der oppositionellen Demokraten ständig ins Wort fiel. Biden wiederum bezeichnete Trump als "Lügner", "Clown" und "Rassisten" – und fuhr ihn einmal mit den Worten "Halt den Mund, Mann!" an.

Laut des Konzepts sollten sechs Themenblöcke für jeweils 15 Minuten diskutiert werden. Der Moderator stellt eine Frage, die Kandidaten haben jeweils zwei Minuten für ihr Statement, danach folgt eine offene Diskussion. Diese Struktur fiel schnell auseinander, der erfahrene TV-Journalist Chris Wallace vom konservativen Fernsehsender Fox News hatte als Moderator der Debatte große Probleme, Trump zur Ordnung zu rufen. Er versuchte wiederholt, ihm Einhalt zu gebieten und ermahnte ihn, die Regeln der Debatte einzuhalten. Der angesehene Journalist blieb dabei allerdings meist erfolglos.

Biden wiederum lachte immer wieder – um deutlich zu machen, dass er sich von dem Präsidenten nicht provozieren lassen wollte. Er reagierte häufig mit einem ironischen Lächeln und wehrte sich gelegentlich mit leicht resigniertem Ton. "Würden Sie mal die Klappe halten, Mann?", fragte er an einer Stelle. Und: "Es ist schwer, mit diesem Clown auf den Punkt zu kommen." Häufig sprach er auch direkt in die Kamera, um sich an die Fernsehzuschauer zu wenden.

Neben den ständigen Unterbrechungen mit lauter Stimme warf Trump seinem Rivalen vor, die "radikale Linke" habe ihn um den "kleinen Finger gewickelt". Der frühere Vizepräsident sei zudem alles andere als "schlau". Der Präsident attackierte Biden auch für Geschäfte von dessen Sohn Hunter in der Ukraine und mit China. Außerdem mokierte er sich darüber, dass sein 77-jähriger Herausforderer wegen der Corona-Pandemie so häufig eine Schutzmaske trage – "die größte Maske, die ich jemals gesehen habe".

Biden hielt dagegen – und fuhr selbst scharfe Attacken gegen den Präsidenten. "Alle wissen, dass er ein Lügner ist", sagte der Ex-Vizepräsident. Er machte Trump für das verheerende Ausmaß der Corona-Krise in den USA mit bislang mehr als 205.000 Toten verantwortlich. Er habe schon im Februar über die Gefahr durch Covid-19 Bescheid gewusst, sagte Biden. "Er hat gewartet und gewartet und gewartet. Er hat noch immer keinen Plan." Biden bezeichnete Trump als "schlimmsten Präsidenten, den Amerika jemals hatte". Trump sei außerdem ein "Hündchen" des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

... Bei den Zuschauern kam das Spektakel nicht gut an. Befragt nach ihrem überwiegenden Gefühl beim Anschauen der Debatte antworteten in einer CBS-Blitzumfrage mehr als zwei Drittel (69 Prozent), die Diskussion habe sie vor allem verärgert. Nur 31 Prozent fühlten sich davon unterhalten. In der Umfrage mit mehreren Antwortmöglichkeiten gaben zudem 19 Prozent an, sie seien nach der Sendung pessimistisch. Lediglich 17 Prozent erklärten, die Debatte sei für sie informativ gewesen. Den Ton der Diskussion, bei der vor allem der republikanische Amtsinhaber Trump seinem Herausforderer wiederholt ins Wort fiel, empfanden 83 Prozent der Befragten als negativ, nur 17 Prozent als positiv.

Auf die Frage, wer die Debatte gewonnen hat, nannten 48 Prozent Biden und 41 Prozent Trump. Rund zehn Prozent bewerteten den Ausgang als unentschieden.

Die erste TV-Debatte zwischen Trump und Biden fünf Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 3. November wurde in der Case Western Reserve University in Cleveland im Bundesstaat Ohio ausgetragen. Der in Umfragen zurückliegende Republikaner Trump und der Demokrat Biden werden vor der Wahl noch in zwei weiteren Fernsehdebatten am 15. Oktober und am 22. Oktober aufeinandertreffen.


Aus: "TV-Duell zwischen Biden und Trump: "Würden Sie mal die Klappe halten, Mann?"" (30. September 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-09/tv-duell-donald-trump-joe-biden-debatte-corona-politik-rbg-nachfolge (https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-09/tv-duell-donald-trump-joe-biden-debatte-corona-politik-rbg-nachfolge)

Quotemarcelmuellberg #9

Die präsidiale Schlammschlacht ist wie ein Unfall in Zeitlupe.
Man weiß, es ist schlecht, aber man kann nicht wegsehen.


QuoteNightrider #9.1

"Never wrestle with pigs. You both get dirty and the pig likes it."


Quotethis is so contemporary #10

Ich finde es unglaublich wie es ein Mann in einer Machtposition wie Trump nicht einmal schafft sich an einfachste Kindergartenregeln zu halten, wie ist der bitte dort hingekommen? ...


QuoteEinfacher Bürger #10.1

"...wie ist der bitte dort hingekommen?"

"...wie Trump nicht einmal schafft sich an einfachste Kindergartenregeln zu halten,"

Genau deshalb.

Eine Menge Amerikaner hatten die etablierten US-Politiker einfach satt - was ich sogar verstehen kann. Dass sie mit Trump vom Regen in die Traufe gekommen sind, ist diesem Teil der Amerikaner dann auch schon egal. Dass so eine Einstellung überhaupt entstehen kann, macht klar, was Republikaner und Demokraten in den letzten Jahrzehnten versaut und gesät haben.
Das ist die Ernte.


QuoteDynamite Larry #14

Wallace war nicht echt zu beneiden. Aber ich finde, er hat seinen schwierigen Job heute recht gut erledigt.


QuoteInstant Karma #28

Wenn ich jemals einen US-Präsidenten erlebt habe, der in aller Öffentlichkeit versucht hat, sein Gegenüber verbal zu vergewaltigen, dann heute morgen.
Ich habe einige Jahrzehnte in angelsächsischen Ländern verbracht, dies war wirklich auch sprachlich und geistig der Tiefpunkt, the absolute low point of my experience of a debating culture, thanks to the present incumbent. Biden sollte die zwei weiteren vorgesehenen Debatten mit diesem Schlägertyp absagen.
Oder der Moderator sollte einen Knopf haben, der bei Unterbrechungen Trump auf "stumm" schalten kann. Biden konnte in der ersten halben Stunde kaum seine kurzen zwei Minuten Statements formulieren, Mr. Wallace hätte eigentlich die Debatte abbrechen müssen, da sich Trump nicht an die vereinbarten Regeln hielt.


QuoteTendulkar #37

Die 'Diskussion' hat für mich gezeigt: Trump kennt nur eine Regel - seine eigene, Biden hat versucht ihm regelkonform zu begegnen!
Die Wähler werden entscheiden welche Vorgehensweise sie unterstützen!


QuoteDunciad #39

"Finden sie eine Diskussionskultur wie die von Trump für einen US-Präsidenten tatsächlich für angemessen?"

Ja. Das ist keine Papstwahl.


QuoteDie Kommentarfunktion könnt ihr uns nehmen #41

Sehr starker Auftritt von Trump, der Biden sprichwörtlich alt hat aussehen lassen. Ich denke, die Wahl wird nun für Trump noch leichter zu gewinnen sein.


QuoteHenry C. Chinaski #41.2

Man sollte so früh am Morgen noch nix trinken...


QuoteFormSinn #50

Und auf solche Krawall-TV-Auftritte stützen die Amerikaner ihre Wahlentscheidung? ...


QuoteHerr Wolke #58

Biden hat eigentlich alles richtig gemacht, als er die meiste Zeit nach dem Motto gehandelt hat: Laß Dich nicht auf eine Diskussion mit einem Idioten ein .... er zieht Dich auf sein Niveau herunter und schlägt Dich dann mit seinen Waffen.


QuoteAbdul Alhazred #67.1

Naja, er hat ja den richtigen Ansatz von seinen Beratern reingehämmert bekommen "rede nicht mit Trump, rede mit den Leuten da draußen". Leider hat er sich oft von Trump aus der Fassung bringen lassen, die Geschichte über seinen Sohn am Ende war so gewiss nicht geplant - das war rein emotional.


QuoteClimateJustice #73

Die Taktik von Trump war offensichtlich Distracting. Denn inhaltlich konnte er nur verlieren.

Insofern muss man sagen, Trumps Taktik ist aufgegangen. Dass Menschen von diesem constant bullying abgestoßen werden, ist ihm gleichgültig. Er hat nur zum inneren Zirkel der Trump-Sekte gesprochen. Er glaubt irrigerweise, dass dessen Mobilisierung ihn über die Ziellinie bringen wird.


QuoteMahatma Pech #74

Biden ist der schlechteste Gegenkandidat, den man gegen Trump hätte ins Rennen schicken können. Ein guter Rhetoriker hätte Trump an diesem Abend mühelos in die Schranken weisen können.


QuoteKay-Ner #74.2

Selbst der Moderator hat das nicht geschafft und seine Mühen das zu verbergen.

Auch ein guter Rethoriker weiß, das Schweigen & Reden lassen, manchmal schon ausreichend sind.
Trump hat durch sein Verhalten gegenüber dem Moderator und dem Gegenkandidaten mehr über sich & seine Eigenschaften belegt, als Biden jemals verbal hätte platzieren können.

Ich weiß ich nicht welch heroischen Leistungen von einem Rethoriker erwarten.
Wie wären Sie denn mit Trump umgegangen, wenn der einen dauernd unterbricht?


Quoteottonis #75

Das fundamentale Problem bei Debatten mit Trump ist, dass es fast unmöglich ist, *die* richtige Umgangsform mit ihm zu finden:

Hält man sich an die Regeln und Gepflogenheiten, an feine Umgangsformen, erscheint man als Schwächling, der sich nicht wehren kann.

Schiesst man hingegen zurück, indem man ihm über den Mund fährt oder beleidigt, steigt man unweigerlich auf sein Niveau herab und erscheint als "auch nicht besser" als er, ganz davon abgesehen, dass Trump im "Bullying" absolute Weltklasse ist.

Da Trump sich an keine Regeln hält, gibt es aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten:

1. Entweder keine direkte Interaktion mit ihm, also keine direkte Debatte

oder:

2. Strikte Regeln in Bezug auf Umgangsformen, deren Bruch jedes Mal zu einer direkten Strafe führt, z. B. 2 Minuten Redepause für den "offender", während der der Opponent reden darf.

Letzteres würde Trump derart durcheinander bringen, dass er innerhalb von 10 Minuten jede Debatte verlieren würde.


QuoteLionardo di ser Piero #75.2

Und nun stellen wir uns mal vor, dass das nicht nur in Debatten so ist, sondern jeden Tag im Weißen Haus, wenn sich irgendwelche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu internen Besprechungen mit ihm treffen oder Papiere vorlegen.

Kann dabei eine Politik rauskommen, die rational und zielgerichtet ist?


QuoteLionardo di ser Piero #75.4

Der Punkt ist: Herr Trump hat von der ersten Sekunde an laut und heftig losgepoltert. Wie ein Duracell-Häschen mit frischen Batterien – die mit der doppelten Spannung.

Damit waren in den ersten Sekunden die Herren Wallace und Biden überrumpelt, komplett ohne Rhythmus. Biden hat sich dann irgendwie wieder gefangen, der Moderator kam aber nie wieder richtig in Takt. Zumal Trump dann auch immer wieder solche polternden Vorstöße einstreute, sowohl Wallace als auch Biden permanent ins Wort fiel.

Der Moderator hatte nie den Hauch einer Chance.


QuoteClimateJustice #78

16 öffentliche Lügen an jedem Tag seiner Amtszeit hat Trump bis zum 9. Juli produziert: https://www.washingtonpost.com/graphics/politics/trump-claims-database/ (https://www.washingtonpost.com/graphics/politics/trump-claims-database/) Mindestens. Seit Beginn der heißen Wahlkampfphase dürfte das Lügenbarometer durch die Decke geschossen sein. Seine gestrige Performance kommt noch on top.


Quotekajot #81

Mit Trump erblickt uns eine für einen Präsidenten unfassbare Primitivität und Skrupellosigkei. Und dafür, dass es generell unmöglich ist, mit derartigen Menschen eine zivilisierte, wenn nicht gar konstruktive Diskussion zu führen, hat sich Biden gut geschlagen. Wahrscheinlich hätte Kamala Harris - als ehemalige Staatsanwältin gewohnt, mit zwielichtigen Gestalten umzugehen - eine bessere Figur gemacht, aber dann hätte die gesamte verblendete, da auf Trump eingeschworene Rechte wahrscheinlich "Sozialistin" oder "Antifa-Aktivistin" geschrien.
Diese Wahl ist ein gigantischer Schein-Wettkampf, denn es ist nun einmal Faktum - da belegbar -, dass Trump permanent lügt, sein Amt missbraucht, sich durch das Amt bereichert, Vetternwirtschaft betreibt, das Gesetz beugt, Zeugenaussagen beeinflusst, das Finanzamt und die Banken betrügt und vor allem für über 200.000 tote Amerikaner einen großen Schuldanteil trägt.
Und was spricht für ihn?

Einzig die angeblichen "Fake News".


QuoteAzog der Schlämmer #86

... Biden konnte Trump nicht in die Augen sehen. Jedes mal wenn Trump das Wort ergriff, stockte Biden und schloss schmerzerfüllt die Augen, um danach hilfesuchend in Richtung Moderator zu schauen. Er schien stehend K.O. Trump war unbeirrbar in seinem Drängen. Trump erzieht viel Quatsch, aber er hat Energie, Biden ist einfallslos und schwach.


Quotevom Brocke #94

Einer der Tiefpunkte der demokratischen Debatte. Und der Beweis, dass der aktuelle Präsident eine armselige Fehlbesetzung ist.


QuoteQoS #95

Habe jetzt die FAZ, die SZ, die ZEIT, den Spiegel, die WELT und lokale Medien gelesen. Wie unterschiedlich doch die Wahrnehmungen sind.


QuoteDombaumeister #95.1

Nennt sich Meinungsvielfalt.


QuoteJohn Murphy #96

"Bei den Zuschauern kam das Spektakel nicht gut an. Befragt nach ihrem überwiegenden Gefühl beim Anschauen der Debatte antworteten in einer CBS-Blitzumfrage mehr als zwei Drittel (69 Prozent), die Diskussion habe sie vor allem verärgert. Nur 31 Prozent fühlten sich davon unterhalten. "

Ich habe das Duell nicht gesehen, also kann ich zum Inhalt nichts beitragen.

Was mich aber schon etwas schockiert ist die Feststellung, dass sich 31 Prozent der Zuschauer davon "unterhalten" fühlten. What?

Muss man von einem Politikerduell unterhalten werden? Geht es da nicht eher um Informationen und das, was die Politiker wollen? Oder werden diese Fernsehduelle von einem Drittel der Bevölkerung eher als eine Art Reality-Soap wahrgenommen?

Dann sollte es einen nicht wundern, wenn Trump auch die kommende Wahl gewinnt.


QuoteLatouche Tréville #109

Biden hat verloren.

Letztendlich ist es egal, Weil der Supreme Court Trump sowieso zum Präsidenten machen wird, völlig egal, wie die Wahl ausgeht.
Noch so ein Duell, und Trump braucht den Supreme Court nicht.



Biden hat sich auf Trumps Niveau herabziehen lassen.

Das ist niemals gut. Stellenweise hat er sich verunsichern lassen und wirkte unkonzentriert. Auch nicht gut. Souverän ist anders.

48% zu 41% ist nicht sehr überzeugend.

Trump hat seinen radikalen Anhängern die Show geliefert, die sie haben wollten.
Biden muss in den beiden noch ausstehenden Duellen besser werden.
So wird das nichts.


QuoteKay-Ner #109.3

Dafür das Trump unentwegt Biden ins Wort fiel, hat Biden sich Staatsmännisch & eloquent gezeigt. Dass ihm Trumpo dauernd ins Wort fiel und selbst der Moderator das kaum einschränken könnte (Mr President, we and your team agreed ...) kann man Biden nicht anlasten.


Quotespiegelwechsler #110

Laut Trumpfans übersteht "Sleepy Joe" doch kein Fernsehduell.
Was sagt man in der Blase denn jetzt dazu?


Quotefpwhaaat #110.2

Das Narrativ wurde schon im Vorfeld geschaffen: Biden stand selbstverständlich unter Drogen.


QuoteTico77 #110.3

Trump lieferte die beste Performance in der Geschichte der TV-Duelle. Wird das ernsthaft verbreitet? Ja, ernsthaft.
Andererseits ist der Foxnews-Moderator, offenbar von den Demokraten gekauft, an allem Schuld. Auch ernsthaft? Natürlich.


Quote8ball07 #113

Trump ist sich selber treu geblieben und hat gezeigt das er eine zweite Chance verdient hat.


QuoteKarl Lauer #117

Verstörend ist das Trump im Stile eines Mafia-Paten nur von "my people" spricht. Wer soll das bitteschön sein?


Quoteelfotografo #124

"Proud Boys – haltet euch zurück und haltet euch bereit." Trump.


QuoteLatouche Tréville #117.2

Seine Wähler. Die Proud Boys. Bewaffnete Milizen. Die Leute, die ihn im Amt halten sollen, falls der Supreme Court ihn wider Erwarten doch nicht zum Präsidenten erklärt.


Quotereasono #119

Der Artikel ist insofern tendenziös, als er unterstellt, dass beide Kandidaten schlechten Stil gezeigt hätten. Das ist absolut falsch. Trump hat sich aufgeführt wie ein missgelauntes Kleinkind.

Man stelle sich einmal vor, in der Debatte hätten sich zwei Trumps gegenüber gestanden.
Man stelle sich einmal vor, in der Debatte hätten sich zwei Bidens gegenüber gestanden.

Na? ...


QuoteLatouche Tréville #119.1

"Trump hat nur ein Ziel gehabt: Das Zustandekommen einer Diskussion zu verhindern. Das ist ihm gelungen."

-> Und damit hat er das Duell gewonnen. ...


QuoteJoanofarc #130

What a shame. Einem Narzissten beim Dekompensieren zuzusehen, macht keinen Spaß. Und hat mit Politik eigentlich nichts mehr zu tun. Man möchte fragen:, Ist ein Arzt anwesend?"


QuoteHofrat Behrens #150

Eine leidenschaftliche Debatte, voller Spontaneität und Emotionen. So spannend kann Fernsehen sein!


QuoteMia W. #150.1

Meine Oma hätte gesagt: "Sie haben einen Geschmack, wie ein krankes Huhn."


QuoteHau Tscho Hi #152

Diese TV Duell war eine gelungene Beschreibung des Zustandes, in dem sich die USA zur Zeit befinden. ...


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 19, 2020, 03:55:15 PM
QuoteRezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.11.2020
Überzeugend findet Rezensent Nico Hoppe die Kritik der französischen Feministin Caroline Fourest an der postmodernen Linken. In "Generation Beleidigt" legt sie dar, wie die linke Identitätspolitik mit dem Verweis auf die Herkunft Radikalismus verharmlost und zudem einen Opferkult aufbaut, der als lebenserhaltende Maßnahme für jene Diskriminierung und Privilegierung funktioniert, die von ihr eigentlich angeprangert wird. Wie genau es aber dazu kommen konnte, dass ursprünglich linke Ideale wie Diversität und Aufgeschlossenheit sich in ihr Gegenteil verkehrten, schafft sie leider nicht einleuchtend zu erklären, so der abwägende Rezensent.


Aus: "Caroline Fourest: Generation Beleidigt - Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei" (2020)
Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/caroline-fourest/generation-beleidigt.html (https://www.perlentaucher.de/buch/caroline-fourest/generation-beleidigt.html)

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Quote[...] Will man in den USA einen Film machen, ist ,,Sensitivity Counselor" fast so wichtig wie der Drehbuchautor, der Kameramann oder der Regisseur. Wie durch ein Minensucher leitet der Sensitivity Counselor das Filmteam über das Feld der Befindlichkeiten. Wird die Rolle des Transsexuellen auch durch einen Transsexuellen verletzt? Könnten Text oder Teile der Ausstattung eine Minderheit beleidigen? Darf der Regisseur überhaupt diesen Film drehen? Nehmen sich Weiße eines Thema wie Rassismus an, ist das schon einmal schwierig. Aber als Spike Lee den in Chicago spielenden Film Chi-Raq drehte gab es Kritik, dass Lee ja gar nicht aus Chicago kommt, sondern, in Atlanta geboren, in Brooklyn aufwuchs. Der Koch Jamie Oliver bekam Probleme, weil er ein Reisgericht mit einer jamaikanischen Gewürzmischung vorstelle – die in Jamaika allerdings nur für Hähnchengerichte genutzt wird.
Caroline Fourest Buch ,,Generation Beleidigt – Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei" ist voll solcher Beispiele. Sind Yoga-Kurse kulturelle Aneignung?  Warum werden die Rollen von Indigenen beim Théâtre du Soleil nicht ausschließlich mit Indigenen besetzt? Mit der Frage, ob eine französische, feministische Laizistin sich über das Kopftuch äußern darf, wurde Fourest während ihrer Arbeit an einer amerikanischen Universität selbst konfrontiert. Und das sind noch die harmlosesten Beispiele, die sie beschreibt. Als der Biologieprofessor Bret Weinstein, ein engagierter Bürgerrechtler und Vorkämpfer gegen Diskriminierung jeder Art, sich an der Evergreen Universität dagegen aussprach, dass Weißen an einem Tag der Zugang zur Hochschule untersagt werden sollte, weil dies für ihn als ,,Bürgerrechtler – vielleicht sollte ich sagen, auch als Jude – inakzeptable (ist). Wenn die Leute anfangen, mir zu sagen, wohin ich gehen kann und wohin nicht, klingt das für mich wie ein Warnsignal." Studenten forderten daraufhin die Entlassung Weinsteins, bedrängten und bedrohten ihn. Auf Hilfe seiner Universität konnte er nicht setzen. Schließlich verließ er den Campus.

Es solche Vorfälle, um die es geht, wenn auch in Kontinentaleuropa über Cancel Culture diskutiert wird. Und nach der Lektüre des Buchs ist klar, dass solche Zustände verhindert werden müssen. Es geht darum, dass Gruppen an den Hochschulen und auch immer mehr in den Medien jeder Freiheit der Debatte einschränken, keine Diskussion mehr wollen und die Identität in das Zentrum rückt. Dürfen sich Weiße zu Rassismus reden? Laizisten zum Islam? In den USA, sagt die Autorin, hätten Professoren Angst, Themen anzusprechen, über die sich ihre Studenten aufregen. Zum Beispiel, wenn ihnen die Lektüre von Ovid zugemutet wird. Es droht Jobverlust. Braucht nicht jede Gruppe einen Safe-Space, in dem sie vor allen sie vielleicht irritierenden Ansichten geschützt ist? Fourest meint nein: Die Identitätspolitik, ein weitere Ausdruck der sich gegen den Universalismus und die Aufklärung stellenden Postmodernen, beschreibt sie als ein repressives System, dessen Protagonisten sich nicht gegen die Unterdrückung der Frau oder die Verfolgung von Homosexuellen stellen, sondern gegen Meinungs- und Kunstfreiheit. Profitieren von all dem nur die politische Rechte, denn der postmoderne Wahn schwäche die Linke. ,,Es ist Zeit, Luft zu holen und von neuem zu lernen, die Gleichheit neu zu denken, ohne der Freiheit zu schaden."

Caroline Fourest "Generation Beleidigt: Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei", Edition Tiamat


Aus: "Im Fegefeuer der Befindlichkeiten" Stefan Laurin (19. November 2020)
Quelle: https://www.ruhrbarone.de/im-fegefeuer-der-befindlichkeiten/193166 (https://www.ruhrbarone.de/im-fegefeuer-der-befindlichkeiten/193166)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 25, 2020, 09:43:36 AM
Quote[...] Die Menschenwürde steht über der Meinungsfreiheit. So hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einem Beschluss zufolge entschieden. Im konkreten Fall ging es um eine Kündigung wegen einer grob menschenverachtenden Äußerung. Diese hält das Gericht für rechtens. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf ein freies Äußerungsrecht stehe dahinter zurück.

In dem Fall, mit dem sich die 3. Kammer des Ersten Senats befassen musste, hatte ein Mann in einer Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen, "Ugah, Ugah" war aber keine direkte Reaktion darauf.

Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt. Diese Entscheidung hatte vor den Arbeitsgerichten durch alle Instanzen Bestand. Nun blieb auch die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Der Betriebsrat könne sich nicht mehr auf seine Meinungsfreiheit berufe. Einen schwarzen Menschen mit Affenlauten anzusprechen, ist demnach nicht nur eine derbe Beleidigung, sondern "fundamental herabwürdigend", hieß es in der Begründung.

Den Karlsruher Richtern zufolge schützt das Grundgesetz nicht nur die Meinungsfreiheit, es wendet sich auch gegen rassistische Diskriminierung. Die Arbeitsgerichte hätten beides zutreffend abgewogen. "Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird."


Aus: "Bundesverfassungsgericht stellt Menschenwürde über Meinungsfreiheit" (24. November 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/diskriminierung-urteil-bverfg-kuendigung-betriebsrat-menschenwuerde-meinungsfreiheit (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/diskriminierung-urteil-bverfg-kuendigung-betriebsrat-menschenwuerde-meinungsfreiheit)

QuoteJacky Brown #22

"Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt"

Unbelehrbar ...


QuoteLusu #4

Mich hätte echt mal interessiert welche angebliche "Meinung" der Kläger hier denn meint geäußert zu haben.


QuoteSimsalartist #4.2

Offensichtlich die Meinung, dass Menschen mit anderer Hautfarbe als seiner keine Menschen, sondern Affen sind.
Schön, dass das Gericht diese Meinung passend eingeordnet hat.


QuotePeerchen #4.9

Ich denke eher, dass der Kläger denkt "Meinungsfreiheit" heißt alles sagen zu dürfen.

Dabei reicht ein Blick ins Gesetzbuch, dass das nicht stimmt - Neben Beleidigung und Herabwürdigung der Menschwürden sind ja auch andere verbale Äuerungen strafbar: Meineid, Erpressung, Üble Nachrede...


Quoteregreub #11

Die Gedanken sind frei!

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.


Quoteeisensau #11.2

Wahrscheinlich Charles Reade (1814–1884)


Quotelassteskrachen #13

"Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen"
Was ist das für eine Firma mit so einem Umgangston?


QuoteDurch Schaden wird man klüger_Aber niemals klug #13.1

Das habe ich mich auch gefragt.


QuotefuerdieMitte #15

Absolut richtige Entscheidung. Interessant wäre hierzu die Abwägung warum alles was man so Frau Künast an den Kopf geworfen hat am Gericht zur freien Meinungsäußerung gezählt wurde - obwohl dies ebenso herabwürdigend war.


Quotemarcel_nrw #15.1

Die Begründung des Gerichts war, dass ein Spitzenpolitiker sich aufgrund seiner Position mehr gefallen lassen muss als Lieschen Müller. Kann man aber auch anders sehen.


[ " ...  Durfte Renate Künast in Kommentaren zu einem Facebook-Post als "Stück Scheisse", "Schlampe", "Drecks Fotze", als "hohle Nuß, die entsorgt gehört" und als "Sondermüll" bezeichnet werden? Im September 2019 beantwortete das Landgericht Berlin diese Frage mit Ja. Nun kommt es zu einem anderen Ergebnis und ändert seinen Beschluss von damals teilweise ab. Die Grünen-Politikerin will von Facebook die Daten der Nutzer, die sie in den Kommentaren zu einem Post wüst beschimpft hatten, um anschließend zivilrechtlich gegen diese Nutzer vorgehen zu können. Facebook ist gesetzlich zur Herausgabe der Daten verpflichtet, wenn die Kommentare strafbar sind - also etwa beleidigend. ...  Neu war für das Gericht auch, dass der Betreiber der Facebook-Seite seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet und "in vielen Presse- und TV-Beiträgen als Prototyp der deutschen 'Fake-News' Szene beschrieben" werde. Zudem sei dem Gericht inzwischen durch ein anderes Verfahren bekannt geworden, dass der Mann "öffentlich Hetze gegen Personen des liberalen bis linken politischen Lagers" betreibe, unter anderem auf einem eigenen Blog. All das rückt die Facebook-Kommentare aus Sicht des Gerichts nun in ein anderes Licht.  Maßgeblich sei nämlich, wie die Kommentatoren den Facebook-Post verstehen durften. Es mache einen "erheblichen Unterschied", ob sie davon ausgehen durften, dass Künast richtig zitiert worden ist. Da den Fans und Followern des Mannes aber der Ruf von dessen Blog bekannt sein dürfte, mussten sie wohl eher davon ausgehen, dass es sich um ein Falschzitat handelte: "Angesichts der für die Nutzer erkennbaren Hintergründe des Posts mussten sich ihnen Zweifel in Bezug auf die Authentizität des weiteren Zitates aufdrängen", heißt es in dem Beschluss. Durch das Falschzitat fehlt den Kommentaren damit jeglicher Bezug einer Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Zwischenruf von Künast während der Debatte von 1986. Im Einzelnen geht das Gericht deshalb nun davon aus, dass die Kommentare teilweise unzulässige Schmähkritik sind - also eine bloße Herabsetzung der Person, keinerlei Auseinandersetzung in der Sache. ..." | https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-beleidigung-103.html (https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-beleidigung-103.html) (21.01.2020) ]

QuotePardier #16

Hier hätte das BVerfG die Menschenwürde als konkurrierendes Schutzgut gar nicht bemühen müssen. Beleidigungen sind bereits vom Grundrecht der Meinungsfreiheit selbst nicht gedeckt, und zwar unabhängig davon, ob sie rassistisch motiviert sind oder nicht; vgl. Art. 5 Abs. 2 GG: "Diese Rechte finden ihre Schranken (...) in dem Recht der persönlichen Ehre."

Auch ein "Sie Volltrottel" berechtigt (nach Abmahnung) zur verhaltensbedingten Kündigung.


QuoteGeai Raison #16.2

Was eine Beleidigung ist, kann man aber nur über die Abwägung mit der ,,Wahrnehmung berechtigter Interessen" herausfinden, was dann wieder geradewegs zum Aufwiegen (manche sagen auch spöttisch: Schaukeln) der Grundrechte führt.

Wenn jemand einen besonders doofen Fehler macht und viel Schaden anrichtet, wird man den wegen des sachlichen Bezugs schon mal straflos als Volltrottel bezeichnen dürfen (müssen).

Etwas anderes ist eine rassistische Beleidigung, die den Persönlichkeitskern und damit die Menschenwürde berührt.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 25, 2020, 05:41:35 PM
Quote[...] In einer hitzigen Debatte über Verfassungsschutzfragen zeigt Thüringens Ministerpräsident einem AfD-Abgeordneten den Mittelfinger. Der Vorfall aus dem Sommer könnte Folgen für Ramelow haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Anzeige und beantragt die Aufhebung seiner Immunität.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat die Aufhebung der Immunität von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei beantragt. Es geht um den Vorwurf der Beleidigung, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte. Hintergrund ist ein Vorfall im Thüringer Landtag Mitte Juli, als Ramelow dem AfD-Abgeordneten Stefan Möller von der Regierungsbank aus den Mittelfinger zeigte. Außerdem hatte er ihn als "widerlichen Drecksack" bezeichnet und dies später vor laufender Kamera wiederholt. Möller erstattete daraufhin Anzeige.

Der Antrag auf Immunitätsaufhebung Ramelows ist nach Angaben des Thüringer Landtags bereits eingegangen. Ramelow genießt Immunität, weil er auch Abgeordneter des Parlaments ist. In Thüringen muss der Justizausschuss die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten beschließen. Vorsitzender dieses Ausschusses ist Möller selbst. Erst wenn der Ausschuss Ramelows Immunität aufgehoben hat, beginnen die Ermittlungen in dem Fall. Dem Antrag vorausgegangen war aber laut Staatsanwaltschaft eine erste Prüfung, ob sich aus den Vorwürfen ein Anfangsverdacht ergibt.

Die CDU-Fraktion sprach sich für die Aufhebung von Ramelows Immunität aus. "Provokationen von Links und Rechts schaden unserem Land", sagte ihr Vorsitzender Mario Voigt. Er forderte, dass der Vorfall in der Juli-Plenarsitzung "ohne Ansehen der Person" juristisch aufgearbeitet wird. "Selbstverständlich muss die Immunität des Ministerpräsidenten aufgehoben werden, wenn dies zur Aufklärung nötig ist."

Der AfD-Abgeordnete Möller hatte während einer Diskussion über den Umgang mit NSU-Akten im Juli den Verfassungsschutz als skandalgeneigte Behörde bezeichnet. "Wer da schon alles Tolles beobachtet wurde, nicht wahr, Herr Ramelow?", sagte Möller schließlich in Richtung des Thüringer Regierungschefs. Ramelow zeigte Möller daraufhin den Mittelfinger. Ein Foto des Vorfalls existiert nicht. Tatsächlich wurde Ramelow vom Verfassungsschutz überwacht. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die jahrelange Überwachung verfassungswidrig war.

AfD-Fraktionschef Björn Höcke legte Ramelow nach dem Vorfall einen Rücktritt nahe: "Wenn er einen Funken politischen und menschlichen Anstand besäße, würde er zurücktreten!", erklärte Höcke und nannte Ramelow amtsunwürdig.

Ramelow selbst gab sich später reumütig: "Dem Landtag gebührt mein Respekt als Verfassungsorgan. Den habe ich heute nicht im gebotenen Maße gezeigt", schrieb der 64-Jahre alte Politiker damals auf Twitter.

Quelle: ntv.de, mau/dpa


Aus: "Aufhebung von Immunität droht Mittelfinger gegen AfD bringt Ramelow in Not" (Mittwoch, 25. November 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Mittelfinger-gegen-AfD-bringt-Ramelow-in-Not-article22193003.html (https://www.n-tv.de/politik/Mittelfinger-gegen-AfD-bringt-Ramelow-in-Not-article22193003.html)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 09, 2020, 12:49:46 PM
Quote[...] Drei Viertel der jungen Menschen in Deutschland sehen sich regelmäßig mit Falschnachrichten konfrontiert. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap gaben 76 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an, dass sie mindestens einmal pro Woche im Internet oder in sozialen Medien auf Nachrichten oder Beiträge stoßen, bei denen sie das Gefühl haben, es handele sich um Falschinformationen. Jeder fünfte Befragte gab sogar an, dass dies mehrmals täglich vorkomme.

Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich demnach der Anteil derjenigen, die es regelmäßig mit Fake News zu tun bekommen, deutlich erhöht. 73 Prozent der Befragten sehen zudem seit Beginn der Corona-Pandemie eine Zunahme an Falschnachrichten. Und zwei Drittel gaben an, dass es bei Corona schwerer als bei anderen Themen sei, glaubwürdige von unglaubwürdigen Nachrichten zu unterscheiden.

Mit 85 Prozent der Befragten wünscht sich eine große Mehrheit der jungen Deutschen das Thema Desinformation als verpflichtenden Bestandteil des Lehrplans an Schulen. Bisher würden Falschnachrichten nur bei 30 Prozent der Befragten im Unterricht thematisiert. "Dabei ist unter jungen Menschen in Deutschland längst Konsens, dass Medieninformationskompetenz genauso auf die Lehrpläne gehört wie Deutsch oder Mathematik", erklärte die Stiftungsvorsitzende Inger Paus.

Insgesamt fühlt sich zwar eine deutliche Mehrheit von 66 Prozent der Befragten sicher im Umgang mit Falschnachrichten und ist der Ansicht, diese "sehr" oder "eher sicher" als solche zu erkennen. Dennoch zeigt sich insgesamt auch Verunsicherung. Der Aussage "Weil es so viele Falschnachrichten gibt, weiß ich nicht mehr, welchen Informationen ich noch vertrauen soll" stimmten immerhin 53 Prozent der jungen Leute zu, 47 Prozent nicht.

Die meisten Befragten sind der Ansicht, dass die Verbreitung von Falschnachrichten eine Gefahr für die Demokratie ist. Für die Erhebung im Auftrag der Vodafone-Stiftung befragte das Institut Infratest dimap mehr als 2000 junge Menschen in Privathaushalten, die das Internet nutzen. Die Umfrage fand vom 11. bis zum 28. September statt.

Quelle: ntv.de, jug/dpa/AFP


Aus: "Fake-News-Boom verunsichert die Jugend" (Mittwoch, 09. Dezember 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Fake-News-Boom-verunsichert-die-Jugend-article22223820.html (https://www.n-tv.de/panorama/Fake-News-Boom-verunsichert-die-Jugend-article22223820.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 21, 2021, 12:21:30 PM
Quote[...] Am Ende war es wie ein Dominoeffekt. Twitter. Facebook. YouTube. TikTok, Reddit, Pinterest. Nach dem Angriff von Donald Trumps Anhängerinnen und Anhängern auf das Kapitol entschied eine Social-Media-Plattform nach der anderen, Konten des noch amtierenden US-Präsidenten zu sperren.

Seitdem ist eine Debatte darüber entbrannt, ob eine private Firma das eigentlich darf beziehungsweise dürfen sollte: das Konto eines gewählten Staatsoberhauptes sperren. Während die einen diesen Schritt als "überfällig" bezeichnen oder als digitalen "Sumpf", der endlich trockengelegt werde, warnen andere, dass Social-Media-Plattformen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eingreifen – oder dass es beunruhigend sei, wenn Privatunternehmen "de facto darüber entscheiden, was wir sehen dürfen".

Üben die Unternehmen nur ihr Hausrecht aus, so wie ein Wirt eben auch einen rüpeligen Gast rauswerfen darf? Greifen sie in die Meinungsfreiheit ein? Oder gar in die Demokratie, weil sie einem Staatsoberhaupt ein wichtiges Sprachrohr nehmen? Oder sehen wir einfach derzeit den Moment, in dem die Plattformen nicht länger so tun können, als stünden sie als unbeteiligte Beobachter am Spielfeldrand? Viele Fragen, die noch mehr Fragen aufwerfen, auf die es leider kaum einfache Antworten gibt.

Die Debatte darüber ist derzeit hitzig, dabei wird sie eigentlich schon seit vielen Jahren geführt. Spätestens seit dem US-Wahlkampf 2016, bei dem versucht wurde, bestimmte Wählergruppen mit manipulativen Tricks und Einmischungen von den Wahlurnen fernzuhalten, ist auch der breiten Masse bewusst geworden, dass digitale Angriffe auch große Auswirkungen auf unsere analoge Welt haben. Doch auch vier Jahre nach diesem Ereignis macht die Diskussion, wie soziale Netzwerke auf all das reagieren sollen, immer noch einen in weiten Teilen ratlosen Eindruck.

Denn sie weist weit über die wütenden Caps-Lock-Posts des Noch-Präsidenten der USA hinaus. Es geht um die Frage, welche Rolle soziale Medien in unseren Gesellschaften einnehmen. Wie viel Verantwortung sie dafür übernehmen müssen oder dürfen, was für Inhalte über sie transportiert werden, wie sie sie verstärken oder begrenzen. Es geht darum, wie Gesellschaften damit umgehen, dass Hass und Hetze im Netz andere Dynamiken entwickeln, als dies im Analogen der Fall ist. Es geht um das Problem, dass soziale Netzwerke, wenig überraschend, eben nicht nur dazu genutzt werden, Menschen zu vernetzen, sondern auch dazu, Gesellschaften zu spalten, Minderheiten einzuschüchtern, Menschen zu radikalisieren – und dass diese Radikalisierung dann auch in die Offlinewelt zurückschwappen kann.

Viele Lösungsversuche zielen auf die großen Techunternehmen ab. Verständlich, schließlich sind es ihre Portale, auf denen sich unter anderem Hetze, Lügen und gezielte Desinformation verbreiten – warum sollten sich Facebook, Twitter oder YouTube dann nicht auch um eine Lösung für sie bemühen müssen? Strittig ist dann aber schnell, wie genau diese Lösungen konkret aussehen können.

Schon lange pflegen die Plattformen eigene Richtlinien, die Nutzerinnen und Nutzer befolgen müssen: Auf Facebook sollten sie unter anderem nicht zu viel nackte Haut posten, auf YouTube kein Cybermobbing betreiben und auf Twitter andere Menschen nicht belästigen. Sonst droht ihnen das Gleiche wie Trump: Sie könnten ihren Account verlieren. Außerdem gelten natürlich überall auf der Welt Gesetze: Was Gerichte verbieten, müssen die Plattformen von den Seiten nehmen – nur ist dieser Weg in der Regel so langwierig, sind die zuständigen Behörden so unterbesetzt, dass Entscheidungen viel zu spät fallen, um Betroffene zu schützen.

Trotzdem haben sich die Unternehmen lange auf die Position zurückgezogen, dass sie nur eine Plattform bieten, inhaltlich aber nicht verantwortlich für das sind, was dort gepostet wird. Mark Zuckerberg sagte noch 2018 während einer Senatsanhörung, dass es nicht Facebooks Ziel sei, in politische Aussagen einzugreifen. Immer wieder spielte er sich als Hüter der Meinungsfreiheit auf. Twitter-Chef Jack Dorsey argumentierte damals noch ähnlich und sagte, man könne doch nicht ständig die Regularien wegen einiger Einzelfälle anpassen. Und auch YouTube-Chefin Susan Wojcicki sagte noch im vergangenen Jahr, die Plattformen seien neutral und fair.

In den USA, wo viele der Plattformen ansässig sind, gibt Section 230 des Communications Decency Acts von 1996 ihnen darin recht: Danach können Plattformen nicht haftbar für das gemacht werden, was Dritte dort äußern, sie dürfen allerdings moderierend eingreifen. Während einige Forscher wie die Netzbürgerrechtsspezialistin Danielle Citron dies kritisieren, weil Plattformen so von jeglicher Verantwortung für Inhalte befreit würden, verteidigt die Digitalbürgerrechts-NGO Electronic Frontier Foundation den Paragrafen als "das wichtigste Gesetz zum Schutz freier Meinungsäußerung im Netz". Derzeit wird in den USA heftig über Änderungen hierzu diskutiert: Donald Trump und die Republikaner sehen in den Moderationsbefugnissen der Plattformen Zensur, während Joe Biden und den Demokraten das Gesetz nicht weit genug geht. Biden äußerte kürzlich in einem Interview mit der New York Times die Idee, Section 230 aufzuheben. 

Dabei gingen die Richtlinien der Plattformen schon in der Vergangenheit nicht immer damit einher, was man gesellschaftlich akzeptabel findet und was nicht. So findet Facebook schon einen entblößten Nippel auf einem Bild oft sperrwürdig, was in den USA vielleicht auf Zustimmung stößt, in Deutschland aber gewöhnlich kein Grund zum Löschen wäre. Hass hingegen bleibt dagegen teilweise stehen, auch wenn er gemeldet wird. Doch es ist sicherlich auch einfacher, nackte Haut automatisiert zu erkennen als einen beleidigenden Textbeitrag, der auch einfach Satire sein könnte.

Ein Problem ist auch: Was Plattformen wegmoderieren und nach welchen Regeln, ist häufig eine Blackbox: Facebook, Twitter, aber auch neuere Anbieter wie TikTok statten ihre Moderationsteams zwar mit langen Regelwerken aus, was akzeptable Inhalte sind und was nicht, diese Dokumente sind aber in der Regel nicht öffentlich und verändern sich ständig. Und vor allem: Was darin steht, entscheiden die Plattformen eigenständig. Kritik gibt es auch immer wieder an den Arbeitsbedingungen für diejenigen, die eben jene Regelwerke dann anwenden müssen: Content-Moderatorinnen und -Moderatoren arbeiten häufig vom anderen Ende der Welt aus, müssen viele Entscheidungen binnen Sekunden treffen – und einige von ihnen sind von der Arbeit schwer traumatisiert.

In Bewegung geriet die Haltung der Techkonzerne erst nach der US-Wahl 2016 – zumindest ein wenig: Es zeigten sich Ansätze, zu überdenken, ob man eben nicht nur eine neutrale Plattform ist, sondern doch auch verantwortlich für die Inhalte. Nachdem etliche Berichte enthüllten, wie einfach sich Falschnachrichten im Vorfeld über die sozialen Netzwerke verbreitet hatten (auch wenn ihr tatsächlicher Effekt auf die Wahl mindestens strittig ist); wie offenbar versucht wurde, gezielt schwarze Menschen von der Wahl abzuhalten, konnten sich die Plattformen nicht mehr auf ihre neutrale Haltung zurückziehen, laut der sie doch nur der Überbringer der Meinung anderer waren. Das geschah auch, weil hier im großen Maßstab, nicht nur in Millionen Einzelfällen, offenkundig wurde: Wer Inhalte mithilfe von Algorithmen gewichtet, der kann sich nicht mehr als neutral bezeichnen, der entscheidet mit, was Menschen angezeigt wird und was nicht.

Es begann eine Trial-and-Error-Phase: Die Plattformen probierten so einiges, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Facebook bastelte an seinem Algorithmus, der Clickbait und somit auch Fake News, die nur aus Geschäftssinn erstellt worden waren, zurückdrängen sollte; es begann eine Zusammenarbeit mit Faktencheckern, die Inhalte auf ihre Richtigkeit prüfen sollen; es baute zuletzt sogar ein Oversight Board auf, ein unabhängiges Gremium, das über besonders strittige Inhalte entscheiden soll. Twitter überlegte sich Regeln, die speziell für Staatsoberhäupter gelten, verbannte politische Werbung und begann, klar widerlegbare Beiträge als solche zu kennzeichnen und auf seriöse Quellen zu verweisen. Auch YouTube führte verstärkt Faktenchecks ein.

In der Vergangenheit wurden immer wieder ausländische Fake-Accounts aus den Netzwerken entfernt, politische Werbung unterbunden, zweifelhafte Informationen mit Labels gekennzeichnet oder Möglichkeiten zur Verbreitung der Inhalte unterbunden.   

Allerdings zeigte sich schnell, dass diese Kontrolle auch mal nach hinten losgehen kann: Vor der Europawahl sperrte Twitter den Autor Tom Hillenbrand wegen satirischer Tweets. YouTubes automatisierte Informationstafeln dagegen konnten zwischen dem brennenden Notre-Dame 2019 und Bildern vom 11. September 2001 nicht unterscheiden. Und Facebook löschte einmal das ikonische Bild eines Mädchens, das vor einem Napalm-Anschlag im Vietnamkrieg flüchtet, weil es auf dem Foto nackt abgebildet ist.

Die Beispiele verdeutlichen: So sehr die Plattformen versuchen, dem Problem Herr zu werden – es geht bei Millionen Beiträgen nicht ohne Fehler. In einigen dieser Beispiele, aber auch in vielen anderen Fällen zeigt sich, dass es für betroffene Nutzerinnen und Nutzer äußerst kompliziert ist, schnell und wirksam Widerspruch gegen solche Entscheidungen zu ergreifen. Hinzu kommt: Auch wenn viele problematische Beiträge vielleicht herausgefischt werden, so werden es dennoch nie alle sein. Denn oft genug verlassen sich die Plattformen darauf, dass Menschen problematische Beiträge schon melden. Wenn dem aber nicht so ist, bleiben sie in vielen Fällen einfach stehen. Auch wenn sie gegen die Richtlinien der Plattformen verstoßen. 

Manche Experten kritisieren, dass sich Plattformen mit alldem nur schrittchenweise bewegen. Immer gerade so viel wie unbedingt nötig. Statt das Problem an der Wurzel zu packen. Aber was die Wurzel denn ist, ist ebenfalls umstritten: Manche verstehen darunter, bei politischen Inhalten ganz auf eine Sortierung durch den Algorithmus zu verzichten. Andere verstehen darunter das härtere Durchgreifen gegen aufwieglerische Accounts, sei es Trump, seien es die Zehntausenden QAnon-Accounts, die Twitter nun ebenfalls gesperrt hat. Was lange nicht möglich schien, plötzlich geht es.

Natürlich griffen die Plattformen in besonders prominenten Fällen auch schon früher hart durch. So entzogen sie dem früheren konservativen Medienstar Milo Yiannopoulos und dem Rechtsextremen Alex Jones ihre Konten. Auch Politiker müssen damit rechnen, dass Beiträge gelöscht werden. So entfernte Twitter etwa zwei Tweets des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, als er 2020 Falschinformationen zum Coronavirus tweetete. Doch an den amtierenden US-Präsidenten wagte man sich lange nicht heran, zumindest als noch nicht absehbar war, dass er sein Amt verlieren würde – obwohl er klar Hetze, Hass und Falschinformationen verbreitete. Erst im Kontext der vergangenen Wahl begannen Facebook und Twitter, Posts des Präsidenten mit Warnhinweisen zu garnieren. Es musste erst etwas passieren, damit sich massiv etwas veränderte. Nicht wenige finden: viel zu spät, wie nicht zuletzt der Angriff aufs Kapitol Anfang Januar zeigte.

Dennoch bleibt bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern ein mulmiges Gefühl dabei, dass nun Plattformen einen US-amerikanischen Präsidenten einfach rauswerfen können. Ja, man kann argumentieren, es handle sich um einen Einzelfall, ja, man kann argumentieren, die Plattformen übten nur ihr Hausrecht aus, ja, man kann argumentieren, er sei mehrfach verwarnt worden und seine zwei letzten Tweets hätten eben nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Alles richtig.

Gleichzeitig verharmlost man gerade mit dem Hausrecht-Argument die Macht, die Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube heute haben. Milliarden Menschen nutzen die Plattformen monatlich. Bei Twitter sind es zwar nur ein paar Hundert Millionen, doch die Plattform ist ein beliebtes Sprachrohr für Politiker, Journalisten und Meinungsmacherinnen, was hier geäußert ist, wird schnell weiterverbreitet.

Die sozialen Medien haben, gemeinsam mit wenigen anderen, längst ein kommunikatives Oligopol gebildet – und dies verleiht ihnen die Macht, die ihre Entscheidungen so fundamental macht. Wenn es viele große Plattformen gäbe, so wie es viele große Zeitungen, Radiosender und Onlinenewsseiten weltweit gibt, dann wäre schon viel weniger problematisch, was eine davon entscheidet. Klar, man kann immer auf eine andere Plattform wechseln, doch dorthin folgen oft nur die wirklich treuen Followerinnen und Follower. Wenn man ein Millionenpublikum erreichen will oder einfach dort sein will, wo die eigenen Freunde sind, kommt man um eines der großen Silicon-Valley-Unternehmen meist nicht herum.

Selbstverständlich hat niemand, auch kein US-Präsident, ein Recht auf solch ein Konto. Aber sind es wirklich die Plattformen, die darüber entscheiden sollten, ob er es behalten darf oder verliert? Denn die Plattformen sind längst mehr als ein Freizeitspaß. Der öffentliche und demokratische Diskurs findet inzwischen zu einem großen Teil in den sozialen Medien statt. Gibt man ein paar Techmilliardären nicht damit letztlich Diskurshoheit – oder gar die Macht über unsere Demokratie? Was ist denn, wenn die Unternehmen abweichende Meinungen nicht mehr haben wollen und vielleicht eine Person herauswerfen, deren Verortung weniger einfach ist als die des irrlichternden abgewählten US-Präsidenten? In der Vergangenheit hat Facebook journalistische Kritik an der eigenen Plattform bereits einfach weniger angezeigt.

Wenn man den Plattformen trotzdem ihr Hausrecht zugestehen will, so sollte man sich doch fragen, inwiefern das eigentlich mit unseren gesellschaftlichen Werten übereinstimmt. Sind die Richtlinien einer privatwirtschaftlichen Plattform diejenigen, denen wir als Gesellschaft uneingeschränkt folgen wollen? Das von Facebook gelöschte Bild aus dem Vietnamkrieg macht das deutlich: Von den Richtlinien des sozialen Netzwerks ist die Entscheidung gedeckt, die sehen in Nacktheit nun mal ein Problem. Das Foto ist aber von historischem Wert, es drückt die Gräuel des Vietnamkrieges aus wie kaum ein anderes Bild. Es mag das Recht der Plattformen sein, Accounts zu gewähren oder eben nicht, Beiträge zu löschen oder nicht. Nur spiegelt das im Zweifelsfall nicht wider, was für eine Debattenkultur, für eine Gesellschaft, eine Demokratie gut ist.

Gut, dann muss es doch einfach die Politik richten: Regulieren, und zwar bitte schnell! Diese Forderung ist ein verständlicher Reflex, schließlich regeln Politikerinnen und Politiker durch Gesetze alle möglichen Bereiche des öffentlichen Lebens. Bisher deutet sich jedoch an: Von selbst wird sich nichts ändern – oder zumindest nicht genug. Unternehmen bewegen sich nur dann, wenn sie müssen. Die Plattformen werden immer so lange wie möglich dagegenhalten. Beispiele wie die europäische Datenschutz-Grundverordnung zeigen, dass die Politik durchaus in der Lage sein kann, sinnvolle Gesetze für das Netz zu entwickeln, auch gegen Lobby-Interessen.

Nun gibt es ja durchaus schon Regeln für Äußerungen in sozialen Netzwerken. Im Analogen wie im Digitalen gibt es Beleidigungen, die als solche strafbar sind. Und doch zeigt sich in der Praxis, dass juristisches Vorgehen gegen digitales Beschimpfen, Hetzen und Aufwiegeln nicht einfach ist: Selbst bei eindeutigen Straftatbeständen kommt die juristische Reaktion oft mit einer solchen Verzögerung, dass Betroffenen ein Urteil wenig mehr als späte Genugtuung bringt – die Schmähung an hat sich dann längst schon verbreitet. Noch schwieriger ist es in Fällen, die vielleicht nicht justiziabel sind und in denen man trefflich darüber streiten kann, ob eine Äußerung noch als Meinungsbeitrag zählt oder einen zu sperrenden Inhalt darstellt.

Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz etwa sollte Hass und Hetze schneller aus dem Netz befördern. Doch das ist gar nicht so einfach – weil Beiträge von den Urhebern gelöscht werden können, Nutzerinnen nicht unbedingt unter Klarnamen posten oder ihre IP-Adresse per VPN verschleiern. Und im Falle des NetzDG überträgt man die Verantwortung doch wieder hauptsächlich auf die Plattformen. Und die löschen vor allem nach eigenem Gusto, wie netzpolitik.org 2018 feststellte.

Braucht es also einfach eine andere Umsetzung dieses Rechts? Sollte man Gerichte beispielsweise besser ausstatten, gar einen Teil der Richterinnen und Richter nur dafür abstellen, über gemeldete Beiträge aus dem Netz zu entscheiden? Und zwar binnen 30 Minuten? Erstens würde das wahrscheinlich allein an der personellen Ausstattung scheitern. Zweitens ist ein Zeitraum, auch ein kurzer, im Kontext sozialer Medien oft schon zu lang: Was Prominente wie Trump twittern, verbreitet sich auch in 30 Minuten rasant – und so uneinholbar, dass auch eine Sperre höchstens noch symbolischen Wert hätte. Selbst wenn es schneller ginge: Wie sollen alle Beweise und Aussagen ernsthaft geprüft werden, wenn das unter Zeitdruck geschieht? Drittens würde dann möglicherweise auch dort eine einzelne Person entscheiden, was noch sagbar ist und was nicht. Und viertens wäre da die Frage, wie eine solche Regelung eigentlich überhaupt greifen soll – denn Gesetze werden zumeist national gemacht, sind für einen supranationalen Verbreitungsweg wie das Internet also de facto untauglich.

Hinzu kommt das Problem, dass die Idee einer Regulierung der Plattformen von staatlicher Seite immer von einer funktionierenden Gerichtsbarkeit ausgeht. Was aber, wenn die Frage, welche Inhalte auf einer Plattform stehen bleiben dürfen und welche nicht, von Gerichten getroffen werden, bei denen man von einer Orientierung an demokratischen Diskursen und Meinungsfreiheit nicht mehr ausgehen kann? Auch hier zeigt sich erneut: Einfach zu lösen ist das Problem nicht.

Was bleibt dann noch? Natürlich kursieren längst Ideen, die großen Techunternehmen zu zerschlagen – was ihre Macht vielleicht einschränken, ihre inhaltlichen Probleme jedoch nicht lösen dürfte. Um Letzterem beizukommen, gibt es Ideen, die stärker aus der Gesellschaft heraus regulieren würden. Man könnte sich eine Art Rundfunkrat für Plattformen vorstellen, der aus verschiedenen Interessenvertretern zusammengesetzt ist: Politik, Wirtschaft, NGOs, im besten Fall sogar einzelne Bürgerinnen und Bürger. Auch der könnte wahrscheinlich nicht innerhalb von Minuten über problematische Inhalte urteilen, könnte aber vielleicht für Grundsatzentscheidungen durchaus sinnvoll sein. Im Prinzip würde es also ähnlich funktionieren wie Facebooks Oversight Board, nur eben nicht von Facebook kontrolliert, könnte also möglicherweise eher als unabhängige Stelle anerkannt werden. Dann bliebe aber offen, was für Fälle er behandeln würde. Und ob allein die Zusammensetzung eines solchen Gremiums nicht schon bei manchen Menschen für eine Ablehnung eben jenes sorgen würde – etwa weil man es für nicht ausgewogen hält.

Auch Twitter-Chef Jack Dorsey äußerte 2019 eine Idee, die eher aus gesellschaftlicher Perspektive gedacht ist: Er kündigte an, eine Initiative namens Blue Sky zu fördern, in der Menschen zusammengeworfen werden, um einen dezentralen Standard für soziale Medien zu entwickeln. Er hätte den Vorteil, dass nicht eine einzelne Person über die Zukunft sozialer Medien entscheidet, sondern viele zusammen. Doch auch dieser Vorschlag wirkt einmal mehr wie eine Mindesthürde, über die die Plattformen gerade so zu springen bereit wären. Wenn überhaupt, schließlich müssten diese Regeln auch irgendwie verpflichtend sein.

Vielleicht müssen wir also einfach erkennen: Wer schnelle Lösungen fordert, negiert die Komplexität des Problems. Es ist bedenkenswert und brandgefährlich, soziale Netzwerke zu Richtern darüber zu machen, was sagbar ist und wer sprechen darf. Schwierig ist es auch, ihnen Intransparenz bei der Entscheidungsfindung und ihren Moderationsregeln durchgehen zu lassen.

Was sich festhalten lässt: Es ist nicht so, dass es an Vorschlägen mangelt, die sozialen Netzwerke zu regulieren, im Gegenteil, es gibt einen Haufen Ideen. Nur leider werfen diese, genau wie dieser Text, oft mehr Fragen auf, als dass man sie wirklich uneingeschränkt als Lösung empfehlen kann. Bei manchen Fragen der Meinungsfreiheit mag es helfen, sich einfach auf Regeln zu berufen, die es heute schon in der Offlinewelt gibt. In anderen Fragen ist das schwieriger. Auch, weil noch immer unbeantwortet ist, als was wir diese Plattformen sehen, welche Aufgaben wir ihnen eigentlich übertragen wollen. Begreifen wir sie künftig stärker als etwas, das sehr, sehr reichweitenstarken Massenmedien ähnelt, ergeben sich daraus anderen Konsequenzen, als wenn man sie einfach weiterhin vornehmlich als Marktplatz für die Haltungen, Meinungen, aber auch Lügen und Shanty-Clips anderer betrachtet – für deren Inhalte man nur dann geradestehen muss, wenn es strafrechtlich relevant ist. Auch wenn noch vieles unklar bleibt: Letztlich ist das aber eine Frage, die wir als Gesellschaft gemeinsam beantworten müssen und die wir nicht den Plattformen überlassen sollten.


Aus: "Social Media: Löschstatus – es ist kompliziert" Eine Analyse von Lisa Hegemann, Meike Laaff und Jakob von Lindern (20. Januar 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/internet/2021-01/social-media-donald-trump-hass-regulation/komplettansicht (https://www.zeit.de/digital/internet/2021-01/social-media-donald-trump-hass-regulation/komplettansicht)

QuoteZwischenmensch #9

Sehr gute Zusammenfassung der komplexen Problematiken...!

"Die Geister, die ich rief..."!


Quotesecret77 #17

Für mich ist die Frage nicht, ob eine Firma das darf oder nicht, sondern es muss gelten: wer falsche Sachverhalte wiederholt als FAKTEN präsentiert und diese deshalb auch nicht belegen kann, die/der gehört eigentlich gesperrt, egal ob es nun Trump oder FOX News oder sonst wer ist. Die Frage ist nur: Wer hätte Trump sperren sollen, als er noch "mächtig" war? In Zeiten von schnell verbreiteten Lügen, deep fakes, etc brauchen wir andere Verfassungen, die Fakten und Wahrheiten besser schützen.


QuoteJaistdochwahr #17.1

Moment. Sie wollen also eine Verfassung, die es verbietet zu lügen?
Dass Trump einfach stumpf lügt ist ja nunmal nicht von der Hand zu weisen aber die Hälfte seiner im Lügencounter geführten 187324823748237493 Lügen sind politische Einschätzungen die dann einfach irgendein Faktencheck als Lüge bezeichnet, weil die Autoren die Fakten anders beurteilen und einschätzen.

Wenn Trump schreibt, dass durch den Bau der Mauer die Kriminalität sinkt, kann man das als Lüge kennzeichnen oder eben nicht. Da es eine Einschätzung ist und kein felsenfester Fakt.

Ähnlich könnte man Clinton mit einem Fakenewshinweis versehen, wenn sie schreibt Trump sei verrückt. Wenn die Autoren des Faktchecks eine andere politische Einstellung haben könnten sie schreiben, dass das kein Arzt offiziell Bescheinigt hat und blablub..

Lüge und Wahrheit sind abgesehen von naturwissenschaftlichen Fakten wie 2+2 meistens Einschätzungen die je nach Standpunkt anders aussehen.


Quotesecret77 #17.2

"Moment. Sie wollen also eine Verfassung, die es verbietet zu lügen?"

Nein, ich will eine Verfassung, die es in wichtigen öffentlichen Bereichen ermöglicht, Lügnern das Sprachrohr abzudrehen.


"Wenn Trump schreibt, dass durch den Bau der Mauer die Kriminalität sinkt, kann man das als Lüge kennzeichnen oder eben nicht. "

Das ist dann eine Prognose von Trump. Und Sie selbst haben ja seinen "Lügencounter" angeführt. Es ist also offensichtlich möglich, öffentlich Fakten von Lügen zu unterscheiden.



Quotetartan #19

Bei dem guten Artikel fehlt ein Hinweis auf die Verschiedenheit des internationalen Rechts: Nicht nur die Traditionen sind in D anders als in den USA, so dass hier wie dort Gewalt bzw. Nippel moralisch anders gewertet werden, auch juristisch gibt es hier Besonderheiten (NS-Symbole) die es in den USA nicht gibt, aber auch umgekehrt. Und nochmal anders in F, oder anderen Ländern.


QuoteSchlophia #24

Hier wird man schon manchmal wegen einer CSU-Kritik gesperrt, das ist eben das Privileg des Herausgebers.


QuoteWilliam S. Christ #27

Aus meiner Perspektive ist das ganz einfach.

Es gibt kein Recht auf Accounts bei FB, Twitter, Instagram, Youtube und anderen Social Media-Plattformen.
Oder kann mir jemand das ,,Grundrecht auf Twitter" zeigen?

Wenn jetzt jemand kommt und von Recht auf freie Meinungsäußerung redet: ja, das gibt es. Es beinhaltet aber nicht, dass ein privates Unternehmen sich zur Verbreitung dieser Meinungsäußerung zur Verfügung stellen muss.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bezieht sich auf das Verhältnis von Staat und Bürger - der __Staat__ darf nicht einfach ohne sehr guten Grund und Gesetz die freie Meinungsäußerung einschränken!
Das private Unternehmen aber stellt Nutzungsbedingungen auf, deren Bruch zum Ausschluss führen kann.

Die Nutzungsbedingungen dürfen selbst die Vorschrift enthalten, dass jeder Post mit ,,Käsekuchen" als letztem Wort enden muss, sonst Ausschluss.
Völlig legal. Es gibt kein Recht auf Account bei ihnen.

Wenn ich ein Geschäft habe und grundsätzlich erstmal jeder Interessent eintreten darf, eine Person aber ständig besoffen rumpöbelt und andere Kunden beschimpft, dann darf ich diese Person auch vor die Tür setzen und ihr Hausverbot erteilen.
Und sie kann sich NICHT darauf berufen, dass dies ihr ,,Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletze".
Und sie angeblich das Recht habe, bei mir Stress zu machen. Ich muss keine Bühne zur Verfügung stellen.

Die Plattformen müssen keine Hetzer und Verrückten dulden.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 18, 2021, 02:40:29 PM
Quote

Es sind wieder einige Anmerkungen eingegangen, die dazu geeignet sind, dass einige meiner Blogteilnehmer sich gegenseitig verletzt fühlen könnten. Ich möchte deshalb darauf verzichten, diese Beiträge freizuschalten. Ich fühle mich momentan überfordert, zwischen den unterschiedlichen Verletztheiten zu vermitteln.


Aus: "In ,,eigener" Sache" (16. Februar 2021)
Quelle: https://klausbaum.wordpress.com/2021/02/16/in-eigener-sache-4/ (https://klausbaum.wordpress.com/2021/02/16/in-eigener-sache-4/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 30, 2021, 11:16:01 AM
Quote[...] Die ZDF-Talkshow nahm den vielleicht aktuellsten Punkt in der Pandemie-Diskussion auf: ,,Freiheit, Solidarität, Widerspruch – Spaltet Corona das Land?" Die Redaktion hatte die potenziellen Positionen hinreichend besetzt: Der Arzt, SPD-Politiker und Erster Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher, traf auf den Juristen und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, den Grünen-Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim und den Schauspieler Liefers.

... Dabei herrschte nicht Love & Peace & Eiscreme vor. Der Arzt im SPD-Politiker Tschentscher hat, darin intensiv unterstützt von der Chemikerin Nguyen-Kim, das Corona-Virus fest im Auge, während Kubicki und Palmer sich an der Unmäßigkeit der Corona-Maßnahmen abarbeiteten. Kann man machen, klar, doch wird das Virus ungefährlicher, wenn die ,,Freiheitskämpfer" der FDP in Karlsruhe klagen? Kubicki beklagte die Ausgangssperre und pries erste Lockerungen in Schleswig-Holstein. Das brachte dann doch Tschentscher auf die Zinne: Kubicki untergrabe die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen. Immerhin, Nguyen-Kim brachte in ihrem Schlusswort den Optimismus unter, dass es mit der Pandemie ein Ende haben werde. Wann genau, sagte sie nicht.

... Die 60 Minuten haben gezeigt, dass wenn auch de Geduldsfaden reißt, der Gesprächsfaden nicht gleich mit abreißen muss. Das Reden, das Diskutieren, das Nicht-einer-Meinung-Sein über Corona und die Folgen ist möglich, so Menschen bereit sind, zu reden, zu diskutieren, nicht einer Meinung sein zu wollen. Und im Anders-Denkenden nicht den Feind zu erkennen, sondern nur den, der eine andere Meinung hat.

... Das kommunikative Klima im Land ist dermaßen gereizt, dass solch ein Ergebnis einer Talksendung nachgerade gefeiert werden muss ...

...


Aus: ",,Was ist Ihre Botschaft, Herr Liefers?"" Joachim Huber (29.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/zdf-talk-zu-allesdichtmachen-was-ist-ihre-botschaft-herr-liefers/27146344.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/zdf-talk-zu-allesdichtmachen-was-ist-ihre-botschaft-herr-liefers/27146344.html)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 03, 2021, 01:52:37 PM
Quote[...] So steht es im Katechismus der Katholischen Kirche: ,,Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Würde dieser Menschen." An anderer Stelle heißt es: ,,Homosexuelle Handlungen verstoßen gegen das natürliche Gesetz. Sie sind in keinem Fall zu billigen." Solche Sätze sind vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Sie können aber durchaus als Form der Diskriminierung und Hetze empfunden werden.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat eine ,,Charta der Meinungsfreiheit" veröffentlicht. Sie umfasst elf Punkte. Ab diesem Montag, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, sind eine Woche lang bundesweit Aktionen geplant, auf denen auch über die Charta diskutiert werden soll. Unterstützt wird sie von mehreren Prominenten. Eine von ihnen, die Publizistin Jagoda Marinić, betont, alles müsse sagbar bleiben, ,,so lange es die Würde des anderen respektiert". Außerdem müsse verhindert werden, ,,dass Menschen Hass und Hetze verbreiten".



Elf PUNKTE – CHARTA DER MEINUNGSFREIHEIT
Elf PUNKTE vereint die Charta der Meinungsfreiheit, die zum Schutz und zur Förderung der offenen Debattenkultur beiträgt. Ihre Unterzeichnung ist eine Selbstverpflichtung die festgeschriebenen Leitsätze anzuerkennen, nach ihnen zu handeln und sie in das eigene Umfeld und Netzwerk zu tragen.
Unterzeichne die Charta und trage auch du dazu bei, das Recht auf Meinungsfreiheit gemeinsam mit uns zu einem sichtbaren und großen gesellschaftlichen Konsens zu machen. Die Charta soll auch allen helfen, die weltweit in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt, unterdrückt und verfolgt werden. Sie sollen sich darauf berufen können. ...

https://www.woche-der-meinungsfreiheit.de/charta-der-meinungsfreiheit (https://www.woche-der-meinungsfreiheit.de/charta-der-meinungsfreiheit)

Dazu heißt es wörtlich in der Charta, Punkt 5: ,,Hetze und Hass werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern beschädigen sie. Die Meinungsfreiheit endet da, wo die Würde eines Menschen angegriffen wird." Und in Punkt 4: ,,Meinungsfreiheit verpflichtet zu einem Umgang, der von gegenseitigem Respekt, Zuhören, Ausredenlassen, Reflexion und argumentativem Abwägen geprägt ist."

Nein, das tut sie nicht. Meinungen können ironisch oder sarkastisch sein, zynisch oder verletzend, sie können in Polemik, Satire, Spott oder Pamphleten ausgedrückt werden. Sie können den Konsens gefährden, den gesellschaftlichen Frieden stören, wahr oder falsch sein. Verboten sind in Deutschland Mordaufrufe, Beleidigungen, Volksverhetzung und die Leugnung des Holocaust. Doch selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts fällt ,,nicht automatisch aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit", wie das Bundesverfassungsgericht vor zehn Jahren feststellte. ,,Soldaten sind Mörder": Auch das ist erlaubt.

Die Absicht des Börsenvereins ist zweifellos honorig und von der Hoffnung auf mehr manierliche Diskurse geprägt. Aber für Begriffe wie ,,Hass" und ,,Hetze", ,,Respekt" und ,,Abwägen" gibt es keinen objektiven Maßstab. Muslime fühlten sich in ihrer Würde durch Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung verletzt. Das müssen sie aushalten, hieß es. Als dann ein 26-Jähriger aus Berlin-Hellersdorf das Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes Alan Kurdi mit den Worten kommentierte ,,Wir trauern nicht, sondern feiern es", wurde nach einer harten Strafe gerufen. Einige Lockdowner äußern sich aktuell verächtlich über ,,Querdenker", einige ,,Querdenker" agitieren gegen eine vermeintliche ,,Corona-Diktatur". So ist das in einem Gemeinwesen, zu dessen Wesen manchmal Gemeinheiten gehören.
Die Stärke einer Gesellschaft misst sich eben nicht in erster Linie an ihrer Fähigkeit zum rationalen, herrschaftsfreien Diskurs, sondern daran, wie viel Dissens sie aushält. Der Versuchung, im Namen einer Zivilität den erlaubten Diskussionsraum zu verkleinern, um Gefühle zu schonen, muss widerstanden werden. Die Freiheit des Wortes und der Rede zu verteidigen, kann auch heißen, Unerträgliches zu ertragen.


Aus: "Redefreiheit braucht keine Umgangsformen" Ein Kommentar von Malte Lehming (03.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/zum-tag-der-pressefreiheit-redefreiheit-braucht-keine-umgangsformen/27147332.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/zum-tag-der-pressefreiheit-redefreiheit-braucht-keine-umgangsformen/27147332.html)

QuoteUndine 12:38 Uhr

    Die Freiheit des Wortes und der Rede zu verteidigen, kann auch heißen, Unerträgliches zu ertragen.

Was aber, wenn aus unerträglichen Worten Taten werden?

Wir wissen doch längst, dass das Netz zu einer Radikalisierungsmaschine geworden ist und sich z.B. Rechtsextreme (wie die Attentäter von Halle oder Hanau) erst über das Netz radikalisiert haben.

[ ... Julia Ebner verfolgt hauptberuflich Extremisten. Undercover mischt sie sich unter Hacker, Terroristen, Trolle, Fundamentalisten und Verschwörer, sie kennt die Szenen von innen, von der Alt-Right-Bewegung bis zum Islamischen Staat, online wie offline. Ihr Buch macht Radikalisierung fassbar, es ist Erfahrungsbericht, Analyse, unmissverständlicher Weckruf.
Als Extremismusforscherin stellen sich ihr folgende Fragen: Wie rekrutieren, wie mobilisieren Extremisten ihre Anhänger? Was ist ihre Vision der Zukunft? Mit welchen Mitteln wollen sie diese Vision erreichen? Um Antworten zu finden, schleust sich Julia Ebner ein in zwölf radikale Gruppierungen quer durch das ideologische Spektrum. Sozusagen von der anderen Seite beobachtet sie Planungen terroristischer Anschläge, Desinformationskampagnen, Einschüchterungsaktionen, Wahlmanipulationen. Sie erkennt, Radikalisierung folgt einem klaren Skript: Rekrutierung, Sozialisierung, Kommunikation, Mobilisierung, Angriff. ... »Die Dimension von Extremismus über die neuen Kommunikationstechniken kann man kaum überschätzen. Denn insbesondere Jüngere haben sich von der etablierten Medienwelt eher verabschiedet. ... Dafür ein Bewusstsein geschaffen zu haben, ist Ebners anerkennenswertes Verdienst.«
Armin Pfahl-Traughber, bnr.de
Erschienen: 09.09.2019
suhrkamp taschenbuch 5007,
Klappenbroschur, 334 Seiten
ISBN: 978-3-518-47007-7
https://www.suhrkamp.de/buecher/radikalisierungsmaschinen-julia_ebner_47007.html (https://www.suhrkamp.de/buecher/radikalisierungsmaschinen-julia_ebner_47007.html)]


Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut.

Müsste aber, um eine weitere gesellschaftliche Verrohung und individuelle Radikalisierung zu verhindern, nicht viel stärker als bisher über die Grenzen der Meinungsfreiheit nachgedacht werden?

In meinen Augen reicht dann nicht einfach der lapidare Hinweis:

    Für ,,Hass" und ,,Hetze" gibt es keinen objektiven Maßstab

Dann müssen halt objektive und verbindliche Maßstäbe geschaffen werden, weil man als Staatsbürger gewöhnlich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat.

Verboten sind in Deutschland Mordaufrufe, Beleidigungen, Volksverhetzung und die Leugnung des Holocaust.

Was ein Mordaufruf ist, dürfte relativ klar sein. Bei Beleidigungen und Volksverhetzung sieht es schon anders aus. Darüber entscheiden dann i.d.R. Gerichte, an die sich nicht jeder wenden wird, der sich beleidigt oder eingeschüchtert fühlt.

Volksverhetzung scheint mir auch ein eher dehnbarer Begriff zu sein. Der Holocaust wird überdies heutzutage nicht so sehr geleugnet als relativiert, indem sich beispielsweise Rechtsextreme zu Opfern einer "Meinungsdiktatur" und zu Widerstandskämpfern erklären. Sie scheuen nicht einmal davor zurück, sich mit den Opfern des Nationalsozialismus gleichzusetzen (s. das Tragen von gelben Judensternen, Anne-Frank- und Sophie-Scholl-Vergleiche auf Querdenker-Demos).


QuotePaAllgZ 02.05.2021, 17:45 Uhr

Hetze und hasserfüllte Äußerungen sind Äußerungsformen tief verletzter Menschen!

— Man MUSS sich damit auseinandersetzen, um die Welt verändern und verbessern zu können!  — Hetze und Hass verstehen lernen - das ist die Aufgabe für eine Gesellschaft, die zum Frieden und Wohlstand streben will!

Die Motive und Gedankenmodelle, die zu Hass und Hetze hinführen, müssen transparent werden, offengelegt - und öffentlich diskutiert werden und auch richtig gestellt werden können!
Nur so können Legitimität, Demokratie und gleiche Rechte für Alle verteidigt werden!
Die Unterdrückung von Diskursen und Meinungen funktioniert nur um den Preis immer höherer populistischer Wut und Hass-Aufladungen.
Produziert Bücher und Lernsoftware!  — Statt ,,Charta-Papiere."

Denn inzwischen muss die Gutenberg-Galaxis gegen Video-Streaming und Gaming verteidigt werden!


...

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 15, 2021, 02:48:20 PM
Quote[...]  Blog: Alexander Keppel (Alexander Keppel stammt aus Berlin und lebt als freier Texter und Autor in Wien) 14. Juli 2021

Während bei rechtsextremen Anschlägen die Verurteilung der Täter und ihrer Ideologie zu Recht vehement ausfällt, ist die Empörung des linksliberalen Milieus bei islamistischem Terror überraschend verhalten. Warum?

Der notorische Netzaktivist, Iro-Träger und "Spiegel"-Kolumnist Sascha Lobo brachte das Phänomen selbstkritisch auf den Punkt: "Auf einen rechtsextremen Mord folgt linke Empörung, auf einen islamistischen Mord folgt eine stille, linke Zerknirschtheit, wie man sie Erdbebenopfern entgegenbringt." Damit beschreibt er eine Reaktion, als hätte man es mit einer Naturkatastrophe zu tun, die man als eine Art "höhere Gewalt" eben hinnehmen müsse.
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/islamistische-anschlaege-die-linke-social-media-empoerung-bleibt-aus-kolumne-a-9ac7415a-f0d2-4d7d-8279-e5c606f2a82f (https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/islamistische-anschlaege-die-linke-social-media-empoerung-bleibt-aus-kolumne-a-9ac7415a-f0d2-4d7d-8279-e5c606f2a82f)

Man braucht nicht weit zurückzuschauen, um Lobos These bestätigt zu finden: Nach dem tragischen Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd bei dessen Festnahme durch weiße Polizisten demonstrierten Tausende wochenlang in- und außerhalb der USA gegen Rassismus und Polizeigewalt, inklusive schwerer Ausschreitungen und Plünderungen, auch durch die US-amerikanische, mehrheitlich weiße Antifa, auch gegen Geschäfte von Afroamerikanern.

Verglichen damit fiel etwa das linke Echo auf die minutiös geplante barbarische, islamistisch motivierte Hinrichtung des Lehrers Samuel Paty, der mit seinen Schülern über Meinungsfreiheit diskutieren wollte und ihnen im Zuge dessen, inklusive Triggerwarnungen, die Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins "Charlie Hebdo" gezeigt hatte, geradezu kümmerlich – und schlimmer noch – relativierend aus. Jemand schrieb tatsächlich: "Sind nicht der Kapitalismus und sein Umgang mit armen Menschen und Ländern am islamistischen Extremismus schuld?" Oft ist dann auch von Psychosen oder Traumata die Rede.

Man stelle sich derlei Wortmeldungen bitte mal nach Christchurch, Hanau oder Utøya vor. Dies, so Lobo in seinem Kommentar, sei eine Form von "Verniedlichungsrassismus", wenn man muslimischen Menschen und ganzen Ländern vollständig die Verantwortung für ihr eigenes Handeln abspricht und stattdessen offenbar glaubt, alles, was auf der Welt geschieht, sei ausschließlich eine Reaktion auf den bösen Kapitalismus der weißen Europäer und Amerikaner. Einem Kapitalismus übrigens, dem auch die Erdölmilliardäre auf der arabischen Halbinsel ihren märchenhaften Reichtum zu verdanken haben, der sie allerdings auch nicht dazu bewegen vermochte, auch nur einen ihrer syrischen oder irakischen Glaubensgeschwister auf der Flucht aufzunehmen.

Im Drei-Minuten-Interview mit dem "Biber" https://www.dasbiber.at/content/3-minuten-mit-sihaam-abdillahi (https://www.dasbiber.at/content/3-minuten-mit-sihaam-abdillahi) äußerte sich die 17-jährige Landesschülervertreterin Sihaam Abdillahi über den islamistischen Terroranschlag in Wien. Sie sei "happy darüber", dass es (in der Schule) zu keiner Diskussion über das Attentat gekommen sei: "Dadurch wurde ich nämlich nicht unter Druck gesetzt, mich öffentlich distanzieren zu müssen."

Wie bitte? Mit dieser Aussage offenbart die sich als "Flint" – steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans Personen – definierende 17-jährige Kopftuchträgerin mit somalischen Wurzeln, dass ihr die eigene Komfortzone wichtiger ist als Anteilnahme mit den Getöteten vom 2. November 2020. Einer Anteilnahme, die in jeder zivilisierten Welt eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte, aber längst auch innerhalb der Linken keine mehr ist.

Im selben Text gibt sie dann auch zu – als wäre es das Normalste der Welt –, selbst durchaus Leute in ihrem Umfeld zu kennen, die extremistische Meinungen teilen und beispielsweise finden, dass der Lehrer Paty nach dem Zeigen der Mohammed-Karikaturen seine Enthauptung durchaus verdient habe. Stattdessen meinte Abdillahi bezugnehmend auf die Polizeirazzien im österreichischen Jihadisten-Milieu wenige Tage nach dem Attentat: "Die Regierung spielt mit dem Feuer!" Solidarität mit den Opfern und ihren Hinterbliebenen? Verurteilung der Attentäter? Fehlanzeige.

Dieselben Menschen, mit denen man drei Tage und Nächte über Gender als soziales Konstrukt diskutieren kann, sind in Anbetracht offenkundiger Geschlechterapartheid, strenger Verhaltens- und Kleidervorschriften bis hin zu Beschneidungen für Mädchen und Frauen in weiten Teilen der muslimischen Community plötzlich ungemein kleinlaut beziehungsweise genervt, wenn man ein bisschen genauer nachfragt, wie sich das für sie, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Geschlechtergleichheit einfordern, eigentlich ausgeht.

An dieser Stelle möchte ich zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen: Wären dieselben Verhaltens- und Kleidervorschriften für Mädchen und Frauen zum Beispiel von einer ultrakatholischen Freikirche erlassen worden, wären die Reaktionen derselben Blase mit Sicherheit um ein Vielfaches vehementer und emanzipatorisch deutlicher ausgefallen. Ein Blick nach Polen genügt, wo es massive Proteste von links bis weit in die Mitte hinein gegen die rechtskonservative Regierung gibt, die im Schulterschluss mit der katholischen Kirche des Landes gerade das Recht von Frauen auf Abtreibung verunmöglicht hat.

Warum aber ist man beim Islam aber scheinbar so "tolerant", dass man sich schon mal gegen ein Kopftuchverbot für Kleinkinder an Kitas stark macht und dabei tatsächlich glaubt, etwas Gutes zu tun?

Die Weltsicht jener personell überschaubaren, medial aber omnipräsenten, momentan noch den Diskurs dominierenden identitätspolitischen Linken beruht auf zwei großen Irrtümern. Der erste liegt in ihrem antiindividualistischen Denken, dass von starren Gruppenidentitäten mit fixen Eigenschaften ausgeht, und der Einteilung dieser festgeschriebenen Identitäten in potenzielle Täter- und Opfermilieus. Muslime werden in dieser brutal simplifizierten Weltsicht durchwegs als Opfer gehandelt (ob sie wollen oder nicht), und wem einmal der Opferstatus zuerkannt wurde, hat in der Identitätspolitik immer recht. Alle anderen dürfen dann höchstens noch zuhören.

Der zweite Irrtum liegt im gnadenlosen Hypermoralismus jener Blase begründet, mit dem schon bei kleinsten Abweichungen die eigenen Mitglieder vor das Social-Media-Standgericht gezerrt werden. Gedankenverbrechen und Kontaktschuld sind dort keine Orwell'sche Dystopie, sondern längst gang und gäbe. Dies führt zu einem ideologischen Streamlining, dass man bisher eher aus klassisch totalitären Kontexten kennt. Aus diesen Denktunneln erwachsen dann auch so schiefe wie effektive Begriffskonstrukte wie "antimuslimischer Rassismus", wobei Letzterer jeden kritischen Analyseversuch des politischen Islam als fremdenfeindlich und xenophob zu diskreditieren versucht – auch jene von Kritikern wie etwa Hamed Abdel Samad oder Necla Kelek, die selbst aus muslimisch geprägten Gesellschaften stammen.

Angst legt das Denken lahm, denn abgesehen davon, dass es laut Wissenschaft gar keine Menschenrassen gibt, kann das Angehören einer Religionsgemeinschaft ja, selbst wenn es Menschenrassen gäbe, nun wirklich keine sein. Doch wo es der eigenen Agenda nützt, werden auch Fakten plötzlich sehr biegsam. Auch der Begriff "Islamophobie" ist ein solches Kunstwort, dass jede kritische Auseinandersetzung, die sich in einer aufgeklärten Gesellschaft alle (!) Religionen und Ideologien gefallen lassen müssen, in die Nähe des Pathologischen rückt.

Diese dem Postkolonialismus entsprungenen Denkmuster sind weit vor dem "post" vor allem insofern kolonialistisch, als sie den betroffenen Menschen aus den identifizierten "Opfergruppen" in ihrem Top-down-Protegismus sogar absprechen, durchaus auch einfach bösartig, dumm oder beides sein zu können. Jener ausgestellte und auf europäische und/oder "weiße" Kollektivschuld fußende Selbstgeißelung berauscht sich auf gebrochene Weise ständig an seiner eigenen in Selbsthass eingelegten Überlegenheit.

Leider ist der Mensch auch nur ein Herdentier – und das besonders auf Social Media, wo die Schwarmintelligenz regiert. Die Angst, von der eigenen Bubble oder Community gecancelt zu werden, verhindert dort sehr erfolgreich freies Schlussfolgern. Statt sich, wie es vor nicht allzu langer Zeit einmal üblich war, mit anderen Positionen als der eigenen argumentativ und ergebnisoffen auseinanderzusetzen, bleibt man lieber unter sich. "Einem Max Mustermann vom ORF würde ich kein Interview geben", so die schon oben genannte Landesschulsprecherin Wiens im selben "Biber"-Interview, denn: "So jemand habe keine Ahnung von Rassismus und Diskriminierung." Mit dieser Haltung entblößt sie ein Denkmuster, das einem FPÖ- oder Identitären-Sprecher, der etwa meint, einer Nada El-Azar vom "Migrantenblatt" "Biber" würde er kein Interview geben, denn die habe ja keine Ahnung von, tja, was auch immer, in nichts nachsteht.

Die französische Journalistin, Feministin und lesbische Linksaktivistin und ehemalige "Charlie Hebdo"-Mitarbeiterin Caroline Fourest sagte in der "Taz" anlässlich ihres aktuellen Buches "Generation beleidigt": "Früher ging es in linken Jugendkulturen darum, die Zensurversuche religiöser oder patriarchaler Tyrannen lächerlich zu machen. (...) Heute halten junge Linke antireligiöse Zeichnungen für respektlos. Die Bigotten haben die Herzen und Hirne junger Antirassisten erobert. Anstatt in Ideen wird in Identitäten gedacht."
https://taz.de/Islamismus-Charlie-Hebdo-und-die-Linke/!5723540/ (https://taz.de/Islamismus-Charlie-Hebdo-und-die-Linke/!5723540/)

Eine identitäre Linke, die durch moralische Selbstüberhöhung und intellektuelle Kurzatmigkeit offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, alle Erscheinungsformen von Autoritarismus und Faschismus, zu denen mit seiner religiösen Beschichtung eben auch der politische Islam zählt, zu identifizieren und ihnen entgegenzutreten, hat jeden positiven Einfluss auf die Gesellschaft verspielt.

Wer sich nur noch dafür interessiert, wer etwa aufgrund der eigenen ethnischen Identität noch Cornrows, Tunnels oder Dreadlocks tragen darf und wer aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht und nicht etwa Expertise Gedichte übersetzen darf oder nicht, ist längst Teil des Problems und überlässt dem munter und immer diverser sprießenden Garten der Halb- und Vollrechten – ob Populisten, Nationalisten, Islamisten oder Identitären – eine wichtige Flanke, die jene dann ausnutzen, um wiederum als Opfer, Ausgegrenzte oder Märtyrer eine schon stark polarisierte Gesellschaft noch weiter zu spalten.

Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der SPD-Jusos, äußerte sich dazu in einem Gastbeitrag, ebenfalls im "Spiegel": "Will die politische Linke den Kampf gegen den Islamismus also nicht länger Rassisten und halbseidenen Hobbyislamforschern überlassen, dann muss sie sich endlich gründlich mit dieser Ideologie als ihrem wohl blindesten Fleck beschäftigen."
Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kevin-kuehnert-ueber-islamismus-die-politische-linke-sollte-ihr-schweigen-beenden-a-5133948b-bac7-490a-a56a-a42d87a62532 (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kevin-kuehnert-ueber-islamismus-die-politische-linke-sollte-ihr-schweigen-beenden-a-5133948b-bac7-490a-a56a-a42d87a62532)

(Alexander Keppel, 14.7.2021)



Aus: "Der Luftraum - Von linker Ohnmacht gegenüber dem Islamismus" (Alexander Keppel, 14.7.2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000128012162/von-linker-ohnmacht-gegenueber-dem-islamismus (https://www.derstandard.at/story/2000128012162/von-linker-ohnmacht-gegenueber-dem-islamismus)

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milaf, 14. Juli 2021, 10:54:58

Warum? Ernsthaft gemeinte Frage?!

Vielleicht liegt es daran dass diverse rechten Gruppierungen pauschal alle islamgläubigen Menschen gerne mit psychopathischen Mördern in einen Topf schmeißen.
Eventuell will die Gegenseite keine Vorlagen bieten, vermeiden dass durch Diskussionen weiter Öl ins Feuer gegossen wird.
Denn, so ehrlich muss man sein, unter anderem aus Mangel an geistiger Größe brauchst bei einem Rechten weder mit Logik, noch mit Nächstenliebe oder Menschlichkeit argumentieren.


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michael.bliem

eine zeitung die sich so in den rassistischen sumpf legt und völlig unwissenschaftliche und unlogische beiträge unkommentiert veröffentlicht, will ich nicht mehr unterstützen!
das wars für mich beim standard. good bye and get better (again)...


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Haigha

Schade, ich fand Ihre Kommentare meist erfrischend reflektiert.

Hier stimme ich so überhaupt nicht mit Ihnen überein, daher: was empfinden Sie an diesem Artikel als rassistisch? Ich für meinen Teil sehe ihn nicht als Angriff auf den Islam sondern eine Kritik an aktueller linker Debattenkultur. Nehmen Sie diese anders war?


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Wohin_genau

Das ist glaub ich der Engstirnigste, verpeilteste und blind rechts Ideologische Artikel den ich jemals im Standard gelesen habe
Eine Schande für das ganze Blatt.


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Zensur nach Willkür

Welche der im Artikel angegebenen und bestätigten Fakten möchtest du abstreiten?


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Wohin_genau

So gut wie jede Verallgemeinerung das Linke sich nicht mit dem Thema auseinander setzen, wir dumm seien, wir alles ignorieren, das wir Probleme wegspielen, wir Islamismus als Gotteswerk darstellen, beleidigt das aussehen der "Linken Kultur".


Muss ich weiter aufzählen oder lesen Sie einfach mal den Artikel? Das ist ein einziger Angriff auf linke Ideologie.


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Fehlfarbe

Es ist eine kritische Auseindersetzung mit den Leerstellen zu vieler Linken.
In einer Demokratie, in Medien usw sollte man alles kritisieren dürfen ohne Represalien.
Ich wähle selbst Links. Und ich kann diesen Artikel nur unterschreiben. Liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich workingclass Wurzeln habe.
Wir leben in einer internationalen Diktatur des Finanzkapitlismus. Wo bleiben die Demos? Um nur einen Punkt zu nennen.
Rechtsradikale und Islamisten sind Brüder im Geiste und beide Richtungen sind eine große Gefahr für die freie Welt.
Und während wir uns gegenseitig die Fresse polieren, lacht sich eine kleine Finanzelite ins Fäustchen, die Parteien, Medien...fest im Griff haben


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Wohin_genau

Es ist keine Kritik sondern offene beleidigung


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Grande Gigi

Genau solche Typen wie Sie thematisiert / seziert der Autor in seinem bemerkenswerten Beitrag! Sie stehen für diese schreckliche Blase!


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michael.bliem

wie dumm kann man sein?
wenn ein rechtsextremer einen mord begeht, dann muss sich die linke aufregen, weil es sonst keiner tut. wenn ein islamist einen mord begeht braucht sich die linke nicht aufregen, weil eh die halbe bevölkerung alle moslems ausser land deportieren will! ...


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Sieh nicht den Fnord

Sie stimmen dem Artikel also durch ein plakatives Beispiel vollinhaltlich zu.


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Community-Name:

Arbeitet sich der Autor da tatsächlich an einer 17- Jährigen ab und erhöht sie hier für ,,die Linke" zu sprechen?
Ist dem Autor tatsächlich nicht klar, warum gegen Staatsgewalt demonstriert wird, gegen Terror aber nicht?
Hat der Autor tatsächlich so wenig historische Kenntnisse, dass er die Entstehungsgeschichte der islamistischen Terrorgruppen nicht nachverfolgen kann?
Ich stehe Kritik an der Identitätspolitik völlig offen gegenüber und bin überzeugt, dass die, die diese vertreten aus gutbürgerlichen Häusern kommend, mit Links nicht viel am Hut haben ...


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DerSchuWida

Die linke hat vergessen gegen jede Art von Religion zu sein. Das war mal ein Grundpfeiler.


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Falle44

Der Feind meines Feindes ist mein Freund: Linke und Muslime/Islamisten teilen den Antiimperialismusgedanken


Quotepfff.

Wie habe ich hier einmal gelesen ... Gendern, das Axxxgeweih der Akademiker.


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Böser Watz

Sehr bendklich dass man mit solch bizzaren ansichten landesschulsprecherin werden kann. Wer sind die schülerinnen die menschen mit solchen ,,werten" wählen.
Langsam wird mir schlecht.


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Mr.World01

Die ist um NICHTS! besser als ein Fpö-ler, der seine NS-Sympathien nicht ganz verstecken kann!


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Dieser linkslinke Gutmensch

Eine 17-Jährige als Projektionsfläche für "DEN Islam" zu verwenden, ist unprofessionell

Ja, es gibt bei Straftaten tatsächlich ideologische Hemmnisse bzw Verstärkungen. Sehr gut skizziert dies der Konflikt von Israel und Palästina: rechts der Mitte tut sich schwer die israelischen Angriffe zu verurteilen (man könnte das als Antisemitismus auslegen) und links der Mitte bei palästinensischen Angriffen (man will gegenüber einer augenscheinlich unterdrückten Minderheit nicht den moralischen Zeigefinger erheben).

Jede Person klassifiziert Straftaten nach ihrem Hintergrund, ob bewusst oder nicht. Zu glauben, man wäre darüber erhaben, ist dreister Selbstbetrug.
So entgeht dem Autor leider seine eigene Voreingenommenheit gegenüber linken Einstellungen, sodass er selbst anerkannte Begriffe grundsätzlich negiert.


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milaf

Einseitiger Artikel.

Eine Betrachtung linker Motivationen, ohne darauf einzugehen was diese Motivation überhaupt erst auslöst, nämlich meist Provokationen von rechter Seite, funktioniert so nicht!
Mehr als Totschlagargumente, Naivitätsvorwürfe, Pauschalisierungen und eine Anbiederung mit der Rechten lese ich nicht heraus.
Sind wir wirklich soweit das man sich dafür rechtfertigen muss wenn man sich der Menschenrechte, der Gleichberechtigung und des objektiven Denkens verpflichtet fühlt?


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Nummer5gibtNichtAuf

Alice Schwarzer ist für mich das beste Beispiel.
Als Frauenrechtlerin eine Ikone der linken Bewegung.
Wagte sich dann tatsächlich auch die Patriarchen Strukturen der muslimischen Gesellschaft zu kritisieren.
Plötzlich Islamphob und Rassistisch! ...

"Schon wieder eine weiße Frau": ÖH protestiert gegen Alice Schwarzer (Lisa Nimmervoll, 26. November 2019)
Die Studierendenvertretung der Angewandten kritisiert den Auftritt der deutschen Feministin wegen ihres "antimuslimischen Rassismus" ... Angloamerikanische Universitäten haben damit schon einige Erfahrung, in Österreich ist es ein relativ neues Phänomen: der Ruf von studentischer Seite nach "safe spaces", also sicheren Orten, "trigger warnings", also Warnungen vor potenziell verstörenden Textstellen (eine Oxford-Dozentin berichtete laut "FAZ" davon, dass viele ihrer Studierenden "gewarnt werden wollen, wenn eine Stelle naht, die irgendetwas in ihnen anrichten könnte", zum Beispiel die Vergewaltigung Lavinias in Shakespeares "Titus Andronicus"), oder aber Proteste gegen Veranstaltungen, weil der oder die Vortragende aus unterschiedlichsten Gründen nicht passt, weil das Thema nicht passt oder weil sich schlicht jemand "unwohl fühlt" mit dem, was auf universitärem Boden passiert. ...
https://www.derstandard.at/story/2000111495555/schon-wieder-eine-weisse-frau-oeh-protestiert-gegen-alice-schwarzer (https://www.derstandard.at/story/2000111495555/schon-wieder-eine-weisse-frau-oeh-protestiert-gegen-alice-schwarzer)



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encino

Wow, der Standard wird auch immer rechter. Bald lassen sie hier auch den Sellner schreiben.


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NietzscheF

Für mich recht klar. Wen die Geschichte eines gezeigt hat: Wenn es einen Ausländer gibt, der eine Straftat begeht, dann muss für den Mob, der nicht nur den Straftäter teeren, federn und lynchen will, sondern alle Ausländer gleich mit, nicht sorgen. Der kommt von ganz alleine, so sicher wie der Tod und Steuern. ...


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chaimele

vielleicht hat es damit zu tun, dass bei terroranschlägen von muslims gleich die gesamte muslimischen gemeinden in geiselhaft genommen wird und oberlehrerhaft "der islam, eh scho wissen, das problem per se" wie auch hier in den postings ohne differenzierung als übel alles bösen dargestellt. bei neonazis, ja mei, die sind halt welche von uns, ein bisserl verwirrt, aber rassenwahn ist ja net so böse wie der islam.


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Barbarus hic ergo sum ....

zeigen sie auch nur einen einziges posting - in dem jemand"ja mei, die sind halt welche von uns, ein bisserl verwirrt, aber rassenwahn ist ja net so böse wie der islam" schreibt. nur ein einziges!
und dass diese patriarchale, gewaltverherrlichende und zutiefst mittelalterliche ideologie das problem per se ist - ist nicht vom tisch zu wischen.
auch den katholen und den reformierten wurden in blutigsten jahrhunderten zumindest die gefährlichsten giftzähne gezogen.
ich glaub - heut traut sich bei uns keiner mehr "gottwilles" schreiend wahlllos menschen erstechen oder erschießen.


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Christian Kreil

Danke für diese präzise und schonungslose Analyse.

Für "den Islam" sprechen bei uns ausschließlich reaktionäre Proponenten und übermotivierte Konvertiten, die mit Glubschaugen vorgeben, den Islam in allen Aspekten zu vertreten, zu verteidigen und zu verbreiten, nur den islamischen Terror nicht.

Kein Gehör finden:

1. Intellektuelle, die der Chimäre der islamischen Superiorität widersprechen. Aber die erhalten wenigstens Polizeischutz, damit sie nicht von denen ermordet werden, mit denen die oben genannten gar nichts zu tun haben wollen.

2. Die blonde bosnische Kassierin, die mich beim Billa freundlich anlacht, wenn ich mein Wurstsemmerl bezahle.


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Avicenna

Das ist eben wieder der große Denkfehler

Rassismus und Populismus leben von Pauschalisierungen. Es wäre Aufgabe der Linken gewesen die sozioökonomischen Hintergründe zu analysieren, die Probleme nicht zu negieren, sondern zu benennen und differenzierte Lösungen vorzuschlagen. Dass alle Kritiker des politischen Islam Rassisten sind, ist Unsinn. Dazu kommt, dass die Ängste vieler Menschen nicht ernst genommen werden. Da geht es um Emotionen, weniger um Politik. Holt man diese Menschen nicht ab und stigmatisiert sie als Rassistisch, gehen sie zu denen, wo sie sich verstanden fühlen. Das freut die Rechte sehr, weil sie Scheinlösungen anbietet, während die Linke kein klares Konzept hat. Demokratie verteidigt man nicht mit Denkverboten, sondern mit Werten, Klarheit und Mut.


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NothingToSeeHere

Stell dir vor es sterben Menschen bei einem Anschlag und das einzige worüber du dir sorgen machst ist, dass hoffentlich niemand darüber redet weil du dich nicht davon distanzieren willst.


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red_kamo

Was ja auch bei vielen "Linken" der Fall ist. Die werfen mit "progressiven" Vokabular um sich, dass es sich nur so gewaschen hat.
Gibt's daran dann die berechtigte Kritik, dieses "progressive" Vokabular würde nur die Entfremdung von der Arbeiterklasse weiter verstärken, wirst von einer Mischung aus "argumentativer" Bequemlichkeit und identitäspolitischer Borniertheit ins reaktionäre Eck geschoben.
Für die Arbeiterklasse spürt doch die gesamte IdPol-Kaste nur Verachtung.


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BillyCostaCurta

Die arbeiterklasse gibts schon seit 30 jahren nicht mehr. Die heutige arbeiterklasse sind in erster linie migranten die jene jobs machen die den österreichen zu mühsam sind. Supermarktkasse etc. Es ist an der zeit das sich die sozialdemokratie und auch die grünen darauf besinnen das die arbeiterklasse nicht der instalateur mit 2 autos und pool ist der ausländer nicht mag weil er Leila nicht aussprechen kann.


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Platboom

Florian Klenk, themenrelevant: Ich vermisse seitens der linken und der liberalen Kräfte eine Diskussion nach dem Mordfall Leonie. Man kann doch nicht einfach - so wie es NGOs derzeit tun - sagen ,,Das ist ein rassistischer Diskurs von Kurz" und ,,Herkunft bitte nicht erwähnen" und dann das Thema aussitzen.
https://twitter.com/florianklenk/status/1413898238877474827 (https://twitter.com/florianklenk/status/1413898238877474827)


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Hausruckviertler

Mit Islamisismus hat dieser Mordfall wohl nichts zu tun. Dass junge Männer, die aus einem patriarchalischen, Frauen abwertenden kulturellen Hintergrund stammen, so etwas tun, kommt auch außerhalb von muslimischen Communities vor. Beides nicht gut, aber man muss das trennen, wenn die Analyse konzeptionell scharf sein soll.

Der Fall Leonie ist eher mit Gruppenvergewaltigungen vergleichbar, wie sie in Indien vorgekommen sind - siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenvergewaltigung_in_Delhi_2012 (https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenvergewaltigung_in_Delhi_2012) . Die Täter dort waren offenbar Hindus. Anderswo hat es auch schon Fälle mit christlichen Tätern gegeben, etwa im Bosnienkrieg.


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Karin Himmelbauer

naja

schauen sie sich mal an, wie die Reaktionen bei den Links(liberal)en in den Sozialen Medien beim Mord, der vom Bierwirt verübt wurde, waren, und welche Reaktionen der Mord an Leonie hervorgerufen hat... alle, die sich da überdeutlich gegen Na*is, toxische Maskulinität und die reaktionäre österreichische Gesellschaft als ganzes überdeutlich positioniert haben, inkl "Nehmt ihr uns eine, nehmt ihr uns alle"-Demo, haben den Fall Leonie mehr oder weniger gekonnt ignoriert: da war es dann plötzlich doch der tragische Einzelfall, gegen den man eben leider, leider kaum was machen könne (außer halt noch mehr Verständnis und Unterstützung für traumatisierte Kriegsflüchtlinge).

[https://www.derstandard.at/story/2000126280738/in-wien-erschossene-frau-verdaechtiger-soll-bierwirt-sein (https://www.derstandard.at/story/2000126280738/in-wien-erschossene-frau-verdaechtiger-soll-bierwirt-sein)]
[https://www.derstandard.at/story/2000126507831/wiener-bierwirt-soll-eine-woche-vor-der-tat-angeblich-schuesse (https://www.derstandard.at/story/2000126507831/wiener-bierwirt-soll-eine-woche-vor-der-tat-angeblich-schuesse)]
[https://www.derstandard.at/story/2000126436759/mordverdaechtiger-wiener-bierwirt-hatte-umfeld-der-frau-vor-bluttat-bedroht (https://www.derstandard.at/story/2000126436759/mordverdaechtiger-wiener-bierwirt-hatte-umfeld-der-frau-vor-bluttat-bedroht)]
[https://www.derstandard.at/story/2000128054085/verdaechtiger-im-fall-leonie-gibt-unterlassene-hilfeleistung-zu (https://www.derstandard.at/story/2000128054085/verdaechtiger-im-fall-leonie-gibt-unterlassene-hilfeleistung-zu)]
[https://www.derstandard.at/story/2000128100435/die-rekonstruktion-eines-verbrechens-leonies-letzter-stunden (https://www.derstandard.at/story/2000128100435/die-rekonstruktion-eines-verbrechens-leonies-letzter-stunden)]
[https://www.derstandard.at/story/2000128049351/spoe-fordert-konsequente-abschiebungen-von-straffaelligen-asylwerber (https://www.derstandard.at/story/2000128049351/spoe-fordert-konsequente-abschiebungen-von-straffaelligen-asylwerber)]


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Barbarus hic ergo sum ....

leonie war dem klenk sein armageddon und seine katharsis.
die reaktion vieler "linker" auf leonies martyrium hat ihn ordentlich gebeutelt.


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Arnold_Rimmer

Islamistischer Terror == Rechtsextremer Terror
Ein bisschen politische Bildung täte Herrn Alexander Keppel gut.


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wrtlprmft

Das weiß Herr Keppel, und darum wundert er sich eben über die verständnisvolle Diskretion der linken Influencer gegenüber diesen Islamfaschisten.


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Bin Neuer

Das Rechts - Links, Gut - Böse, Alt - Jung, Mann - Frau, Denkschema ist billig, aber man kann es sich damit schön einfach machen.
Meine Meinung bilde ich mir aus Fakten, Bildung, Erziehung und Gesprächen.
Diese kann alle Richtungen einnehmen, welche für mich vernünftig und nachhaltig sind.
Schnappatmung zu bekommen, nur weil jemand eine konträre Meinung hat, hilft niemanden und schränkt nur ein.


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Ohne Dings kein Bums

Eigentlich machst du es dir einfach
Keine Ahnung von Politischer Geschichte und den unterschiedlichsten Ideologien - ob rechts konservativ links anarchistisch usw usf - aber meinen -Ein politisches Grund Wissen braucht kein Mensch heutzutage mir reicht das Gespräch mit Menschen in der Hundezone- ---------- Aber gut - kennt man ja


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super_nintendo_chalmers

es geht nicht um konträre meinungen. es geht um meinungen, die für ander leute leid verursachen. wenn wir über kunst reden, ist mir egal, welche bilder oder musik du magst. niemand muss deshalb leiden. aber politische extreme - rechts so wie links wie religiös - erzeugen massives leid. und das leid tut mir einfach so im herzen weh, dass ich hier nicht ohne seite zu beziehen stumm dasitzen kann. und in österreich verursacht die rechte hälfte aktuell weit mehr leid als die linke. in anderen ländern (zb. kuba) ist es anders. trotzdem werde ich leuten, die anderen leid zufügen wollen, immer entgegen treten.


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fürAlle

Es ist Verharmlosung auf beiden Seiten

Den Rechten juckt eine rechte Tat weniger und den Linken wohl eine von einem Linken.
Darum sollte dieser Links/Rechts-Scheiß endlich aufhören. Das sind Partei oder Ideologie-Fanboys die das machen.
Ein sachlich-objektiv denkender Mensch kritisiert beides! ...


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 25, 2021, 10:23:24 AM
QuoteSvea@svelevant

Diskutiere ab jetzt politische Fragen nur noch auf individueller Ebene:

Was hast du diese Woche fürs NATO 2%-Ziel getan?

Wenn du bessere Bildung möchtest, warum bist du denn kein Lehrer?

Wenn es zu wenig Krankenhausbetten gibt, warum besitzt du noch ein privates Bett?

9:32 nachm. · 23. Sep. 2021


https://twitter.com/svelevant/status/1441123333035081730 (https://twitter.com/svelevant/status/1441123333035081730)

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 11, 2021, 11:12:11 AM
Quote[...] Die Freundlichkeit des wahren Gentleman, der natürlich ebenso ein Taxifahrer oder Hoteldirektor sein kann ... ist absichtslos und steht nicht im Dienst einer Geschäftstüchtigkeit, eines Flirts oder einer Verhandlung.

Als zwischenmenschlicher Diplomat ist er jederzeit auf Ausgewogenheit und Gerechtigkeit bedacht, er tritt niemals dominant auf, ist nicht nachtragend, spricht ungern über sich und bleibt am liebsten unauffällig, ohne dabei schüchtern zu sein. Er beherrscht die Kunst der verstellbaren Augenhöhe, auf der er sich mit jedem treffen kann. ... Eine oft zitierte Definition stammt von dem Autor John Henry Newman, nach der ein Gentleman insgesamt jemand sei "der niemals Schmerz zufügt".

... Heute aber hat der Gentleman vielleicht ein Update nötig. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, er wäre nur noch eine Kostümrolle aus einem Schwarz-Weiß-Film. Nein, gerade in einer Zeit, in der Rüpelei und Beleidigtsein, populistische Unflat und rohe Muskelspiele wieder zu den Stilmitteln gehören, besteht dringender Bedarf an einem zivilisierten Männerbild. Denn der Gentleman ist mit seiner Haltung und seiner wohlwollenden Klarsicht auch immer Inbegriff der Kultiviertheit und Zierde seiner Zeit. Aber was würde ihn in der Gegenwart auszeichnen?

Zwei Punkte irritieren heute am klassischen Gentleman. Er ist zum einen sehr analog, zum anderen sehr heteronormativ und geschlechtsfixiert. Den Mann trägt er nun ja schon im Namen, es wäre aber angebracht, darüber nachzudenken, ob der Gentleman nicht auch eine Frauenrolle sein könnte, oder noch eher: eine UnisexLebensart. Dagegen ist nichts einzuwenden, wäre da nicht der leise Verdacht, dass viele Gentleman-Eigenschaften an Frauen ohnehin als normale Wesenszüge gelten. Das sanfte, sozial-emotionale, intelligente Wesen, dem grundsätzliche an Harmonie und Respekt gegenüber jeder Kreatur gelegen ist und das sich nicht immer in den Mittelpunkt spielen will? Klingt nach Klischee-Frau. Erst am Hetero-Manne scheint diese Ausstattung zu kontrastieren und damit bemerkenswert. Seit das andere Geschlecht nicht mehr beschützt werden muss, fällt zudem ein prominentes Aufgabengebiet weg. Zum Türaufhalten reicht ein Galan, damit ist ein Gentleman unterfordert.

... brauchbare role models wie der kanadische Premier Justin Trudeau oder der britische Schauspieler Benedict Cumberbatch machen es vor: offensives Bekennen zum Feminismus, bei gleichzeitiger Wahrung einer männlicher Note. Modern ist ein Mann, der sich seiner Maskulinität so sicher ist, dass er problemlos hinter einer Frau zurücktreten kann. Der sich, im Gegensatz zu amtierenden Alphamännchen, nicht zu ernst nimmt und dem man die Gleichberechtigung deshalb nicht abtrotzen muss, der sie vielmehr uneitel und schon aus Solidarität unter Menschen praktiziert, ohne weiteres Aufhebens darum zu machen.

Das ist aber kein Plädoyer für einen schwachen, eingeschüchterten Mann, im Gegenteil - gerade der Gentleman war immer ein brillantes Beispiel dafür, wie man auch in freundlicher Zurücknahme Würde behalten und Stärke ausstrahlen kann. Was der Dandy nur mit Putz und Dekadenz, der Snob nur mit seinem Geld und Extravaganz schafft, vermag der Gentleman schließlich ganz aus sich heraus: zu glänzen. Der Philosoph Martin Scherer schreibt in seinem Standardwerk "Der Gentleman" über ihn: "Das Weniger an Selbstdarstellung bedeutet ein mehr an Offenheit und Entspanntheit."

... der verschmitzte Portier im Grand Hotel oder Peter Ustinov im Schaufelraddampfer auf dem Nil, das sind Ansichten aus dem Gentleman-Bilderbuch. Dabei ist er in der digitalen Welt nicht nur genauso denkbar, sondern umso dringender vonnöten. Schließlich gehört angemessene Kommunikation zu seinen Talenten und die Contenance, die ihn auch angesichts ungeheuerlicher Vorgänge einen kühlen Kopf und sämtliche Manieren behalten lässt. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und intellektuellen Gefasstheit sind gerade im Netz gefragt, wo sich unentwegt Fronten bilden und Ansichten kollidieren. Der Webvordenker und Publizist Sascha Lobo entspricht mit seinem roten Irokesenhaarschnitt vielleicht nicht dem romantischen Phänotyp des Gentlemans. Aber er hat es in der vergangenen Woche geschafft, als solcher eine Netzdiskussion zu moderieren, die sonst in üblicher Kinnhakenmanier geführt worden wäre.

Lobo gelang es auf Facebook, unter seiner Einlassung zur "Nafri"-Debatte alle Lager miteinander ins Gespräch zu bringen, Schreiern und Störern entgegenzukommen und sie einzubinden, gleichzeitig allzu selbstgefällige Seilschaften zu lockern. Seine Waffe der Wahl war eine freundliche und respektvolle Sprache, die jeden einfing. Ein enormer Aufwand, der eines zeigte: Das Netz müsste nicht ein Jahrmarkt der niederen Instinkte sein, gäbe es nur genug Engagement für Kultiviertheit und gelassenen Umgang miteinander.

Ein weiteres Talent macht den Gentleman in der neuen Welt erst recht überlebensfähig: Ironie. Der Philosoph Martin Scherer erkennt sie als eines seiner wichtigsten Merkmale und notiert dazu: "Ironie entsteht aus der Überzeugung, dass es nichts ist mit der einen Wahrheit und gestanzten Lebensnorm für alle. (...) Wenn der Zynismus eine Attitüde der Macht ist, dann ist die Ironie ein Signal der Humanität. Jeder Gentleman zuckt zusammen bei Kaltblütigkeit, aggressiven Parolen oder schneidigen Thesen mit Absolutheitsanspruch."

... Ironie bedeutet auch immer Zulassenkönnen und ist damit eben kein Dogma. Der Gentleman ist deswegen auch nicht jener von Parolen verunstaltete "Gutmensch", dem in seiner ewigen Mildheit angeblich das praktische Maß fehlt. Nein, gerade eine gewisse moralische Großzügigkeit, das Wissen um die ewige Unperfektheit aller Pläne und Systeme und eine kleine Neigung zum Ungehorsam im richtigen Moment - das ist die unwiderstehliche Ironie des Gentleman.

Diese gelassene Distanz zum Weltirrsinn entsteht übrigens wie seit jeher durch Reisen, durch Flanieren, Studieren und waches und geneigtes Beobachten der Umwelt. Vielleicht ist das die wichtigste Eigenschaft des modernen Gentleman: eine echte Weltgewandtheit. Eine, die sich aus der neuen digitalen und alten analogen Welt gleichermaßen speist und ihn in die Lage versetzt, seine Entscheidungen auf Grundlage des eigenen Wissens und einer gereiften Erfahrung zu treffen. Und damit nicht auf eine postfaktische Wirklichkeit vertrauen zu müssen, in der ein Rüpel umstandslos zum Gentleman verklärt wird.



Aus: "Die Rückkehr des Gentleman" Max Scharnigg (11. Januar 2017)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/stil/hoeflichkeit-kuess-die-hand-die-rueckkehr-des-gentleman-1.3318162-0 (https://www.sueddeutsche.de/stil/hoeflichkeit-kuess-die-hand-die-rueckkehr-des-gentleman-1.3318162-0)

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Quote[...] NEW YORK taz | In jedem Unternehmen der USA würde ein Beschäftigter, der per Video auf seinem Twitter-Account eine Kollegin umbringt und den Chef bedroht, fristlos entlassen. Nicht so im US-Kongress. Die Republikanische Partei ließ ihren Abgeordneten aus Arizona, Paul Gosar, gewähren, als er einen Trickfilm veröffentlichte, in dem er der linken Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, den Rücken aufschlitzt und den US-Präsidenten Joe Biden mit zwei Schwertern bedroht. Erst nachdem Hunderttausende Gosars Gewaltphantasien gesehen hatten, löschte er sie am Mittwoch von seinem Twitter-Konto.

,,Gibt es hier Comic-Fans?", hatte Gosar scheinheilig gefragt, als er sein japanischen Mangas nachempfundenes 90-Sekunden-Video am Montag sowohl auf seinem privaten als auch seinem politischen Twitter-Konto veröffentlichte. Es mischt Aufnahmen von Flüchtlingen, die durch den Rio Grande waten, während Worte wie ,,Verbrechen", ,,Drogen", ,,Mord" und ,,Banden" sowie Blutflecken, ins Bild eingeblendet werden, mit Fantasiefiguren, die Gesichter von Kongressabgeordneten haben. Gosar selbst ist der Super-Held in diesem Video. Nachdem er Ocasio-Cortez getötet hat, richtet er seine Waffen gegen Joe Biden.

Twitter warnte, dass das Video seine Regel der Gewaltfreiheit verletze. Das Unternehmen ließ es jedoch auf seiner Seite stehen und begründete das mit dem ,,öffentlichen Interesse". Als immer mehr demokratische Abgeordnete eine Ethik-Untersuchung über Gosar und dessen Ausschluss aus dem Kongress verlangten, verlautete aus dem Büro des Republikaners: ,,Dies ist ein Comic. Entspannt Euch alle". Der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, und andere führende Republikaner sagten nichts zu dem Vorgang.

Ocasio-Cortez, die schon mehrfach von RepublikanerInnen verbal attackiert worden ist – unter anderem nannte sie der Abgeordneter Ted Yoho aus Florida auf einer Treppe des Kongress eine ,,Scheißschlampe" – war unterwegs zur Klimakonferenz in Glasgow, als das Video erschien. Sie reagierte auf Twitter mit den Worten: ,,Ein gruseliger Kollege, mit dem ich zusammenarbeite, und der Geld für Neonazi-Gruppen sammelt, hat ein Fantasievideo geteilt, in dem er mich tötet."

Später fügte die New Yorker Abgeordnete, deren Vorfahren aus Puerto Rico stammen, hinzu: ,,Die weiße Vorherrschaft ist etwas für extrem zerbrechliche Menschen und traurige Männer wie ihn, deren Selbstverständnis auf dem Mythos beruht, dass sie von Geburt an überlegen sind, weil sie tief in ihrem Inneren wissen, dass sie nicht einmal ein Gurkenglas öffnen oder ein ganzes Buch lesen können." Die afroamerikanische Abgeordnete der Demokraten, Cori Bush, fügte hinzu, dass ,,weiße Rassisten" die Grenzen täglich weiter verschieben: ,,Sie wollen sehen, wie weit sie ohne Konsequenzen gehen können."

Zumindest eine parlamentarische Rüge droht Gosar jetzt. Zehn demokratische Mitglieder des Repräsentantenhauses kündigten die Vorlage einer Resolution an, die sein Verhalten Gosars verurteilt. Sein Twitter-Post ,,überschreite die Grenze des Erlaubten", hieß es in einer Erklärung vom Mittwoch, die unter Federführung der Co-Vorsitzenden der Frauenorganisation der Fraktion der Demokraten verfasst wurde. Dies sei ein ,,klarer Fall für eine Rüge". Wie die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar gezeigt habe, könnten böse und vulgäre Botschaften echte Gewalt schüren.

Gosar gehört zu einer Gruppe von mindestens sieben Trump-Getreuen im Repräsentantenhaus, die an den Vorbereitungen des Sturms auf den US-Kongress an den Vorbereitungen für den 6. Januar beteiligt gewesen sein sollen. Das haben mehrere Kongress-Stürmer in Interviews mit dem Magazin Rolling Stone erklärt. Die Abgeordneten Matt Gaetz aus Florida und Lauren Boebert aus Colorado, die ebenfalls zu der Gruppe der Trump-Getreuen gehören, haben darüber gewitzelt, die Metalldetektoren am Kongresseingang zu sprengen, um ihre Waffen ins Repräsentantenhaus bringen zu können.

Die Verrohung trifft auch Abgeordnete aus den Republikanischen Reihen. In diesen Tagen bekommt das Fred Upton aus Michigan zu spüren. Er ist einer der 13 Republikaner im Repräsentantenhaus, die in der vergangenen Woche für das Infrastrukturgesetz gestimmt haben. Upton erhält Todesdrohungen, seit seine Parteikollegin, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, die Telefonnummern der Republikaner, die ,,Bidens kommunistische Machtergreifung" unterstützt haben, in sozialen Medien veröffentlicht hat. Bei einem TV-Interview spielte er eine ab, in der ein Anrufer ihn ,,Verräter" und ein ,,Stück Scheiße" nennt und ihm und seiner Familie den Tod wünscht.


Aus: "Den Rücken aufschlitzen" Dorothea Hahn, US-Korrespondentin (11. 11. 2021)
Quelle: https://taz.de/Mordfantasien-von-US-Republikanern/!5814877/ (https://taz.de/Mordfantasien-von-US-Republikanern/!5814877/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 17, 2021, 12:47:44 PM
Quote[...] (48) November 14, 2021 | muetzenfalterin   

Ich habe ja keine Ahnung, sagst du. Und genau so ist es. Du hast ja keine Ahnung, sage ich, und meine damit, dass du diese verstörende Angewohnheit hast, die Dinge genau so zu benennen, wie du sie siehst. Als hätte nichts und niemand einen doppelten Boden.


Quelle: https://muetzenfalterin.wordpress.com/2021/11/14/47-4/ (https://muetzenfalterin.wordpress.com/2021/11/14/47-4/)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 01, 2022, 04:24:09 PM
Quote[...] Zur Person - Polina Aronson aus Sankt Petersburg lebt seit 2008 in Berlin. Die Soziologin ist unter anderem Redakteurin bei Open Democracy. Auf Russisch erschien unter anderem das Buch Komplexe Gefühle: Sprachsuche der neuen Realität von Abuse bis Toxizität

Laura Graf: Warum ist die populäre Psychologie so wichtig in Russland?

Polina Aronson: Die Pop-Psychologie hat in Russland teilweise den Platz der Ideologie eingenommen. Sie ist zu einem Instrument für den Aufbau post-sowjetischer Subjektivität geworden und hat im gebildeten städtischen Milieu die Regeln für die Selbstentwicklung etabliert.

Was beobachten Sie bei diesen Debatten über das Verhältnis der Einzelnen zur Gesellschaft?

Polina Aronson: Es gibt bei den Leuten ein Gefühl, nicht über die Sprache zu verfügen, um mit den Machthabenden zu diskutieren. Die russischen Soziologen Nikolai Wachtin und Boris Firsow haben das als Syndrom des öffentlichen Schweigens bezeichnet, also das Ausbleiben von öffentlichem Diskurs in der Sowjetunion und auch im postsowjetischen Russland. Die Menschen haben leider nie gelernt, miteinander zu debattieren und die Macht zu adressieren. In den letzten zehn Jahren gab es immer weniger die Möglichkeit dazu. Dazu kommen die brutale neoliberale Wirtschaft und ein gnadenloser Arbeitsmarkt. Das Einzige, was den Staatsbürgern blieb, war das Selbst. So sind Selbstoptimierung und der Versuch, die eigenen Gefühle irgendwie zu sortieren, dieses ganz klassisch Neoliberale, in Russland sehr stark etabliert.

Welche Antworten liefert die Pop-Psychologie darauf?

Polina Aronson: Das hat sich in den letzten 20 Jahren dahin entwickelt, dass es inzwischen als quasi pathologisch gilt, etwas von der Welt zu erwarten. Es heißt: Sorge für dich, du musst so viele Ressourcen akkumulieren, bis du ein fast komplett wasserdichtes Leben hast. Wo nur du existierst und vielleicht noch deine Familie.

... Die meisten gebildeten Menschen in großen russischen Städten haben jetzt eine ganz andere Vorstellung von der eigenen Subjektivität. Sie sind, wie Eva Illouz es nennt, individuelle emotionale Unternehmer. Ich bin das Produkt, ich muss mich verkaufen. Wenn es mir schlecht geht, kann ich mich nicht investieren. Ich muss auf mich aufpassen, ich muss erfolgreich sein. Und hier ist wirklich Schluss mit dem Geplapper von der russischen Seele. Das ist wirklich sehr pragmatisch, sehr kapitalistisch. Die Kapazität zum Leiden ist minimal. Ich lasse nichts und niemanden an mich, was oder der mir irgendwelche Unannehmlichkeiten verursacht. Das traumatisiert mich sofort.

...



Aus: ",,Schluss mit dem Geplapper von der russischen Seele"" Laura Graf (28.05.2022)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-soziologin-polina-aronson-widerlegt-klischees-von-aufopferung-und-heroismus (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-soziologin-polina-aronson-widerlegt-klischees-von-aufopferung-und-heroismus)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2022, 01:47:49 PM
Quote[...] Streitkultur A will über die Ukraine sprechen, B kommt mit Irak: Eine Auseinandersetzung mit dem Vorwurf des ,,Whataboutism"

Alle politischen Debatten sind peinlich, und ich sage auch gleich, warum. Leute, die die Welt unterschiedlich sehen, begegnen einander mit Argumenten. Argumentieren bedeutet, mittels einer Begründung zu einer Einschätzung zu kommen. Die Einschätzungen aber stehen, wenn von Politik die Rede ist, längst fest; es geht nur noch darum, sie sinnvoll erscheinen zu lassen. Dazu muss man paradoxerweise so tun, als drängten die Argumente von selbst zu den jeweils vertretenen Einschätzungen. Als seien also die Begründungen Gründe. Als machten die Urteile das Weltbild und nicht umgekehrt. Im Politischen ist der Standpunkt alles und die Erkenntnis so gut wie gar nichts – und trotzdem müssen die Standpunkte fortwährend als Erkenntnisse ausgegeben werden. Andernfalls würde es ja völlig reichen, wenn sich politische Gegner einfach ihre Losungen vortrügen und dann grußlos den Raum verließen.

Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass sich alles erkennen lässt, auch das Politische. Weswegen politisches Denken und Denken über Politik nicht vom selben Ufer sind. Gut dran zu sein scheint da, wer wie der Koloss von Rhodos auf beiden Seiten des Flusses stehen kann, einen gefestigten Standpunkt hat und ihn trotzdem immer wieder auf Konsistenz hin abklopft. Man muss in der Lage sein, sich selbst beim Denken zuzusehen. Die Fähigkeit, sich von den eigenen politischen Zwecken nicht vollends regieren zu lassen, dient diesen Zwecken letztlich.

Folglich ist das Beharren auf dem kategorischen Imperativ kein Spleen der reinen Vernunft. Es stärkt die Argumentation, die verloren hat, sobald sie doppelter Standards überführt wird. Man sollte Kritik nie mit Waffen führen, die der Gegner gegen einen selbst kehren kann. Wer da nicht am Anfang vorsorgt, muss es hinten raus regeln. Und das geht dann nur selten noch gut aus.

Es gibt Feuerlöscher-Argumente, solche, heißt das, die nie offensiv verwendet werden. Die immer erst zum Einsatz kommen, wenn jemand Mist gebaut hat. Zu dieser Sorte gehört der Vorwurf des Whataboutism. Das Wort erfreut sich zur Stunde einiger Popularität; es gibt ja auch viel zu löschen, wenn zum Beispiel Kostümlinke, die den Überfall der USA auf den Irak nach wie vor für richtig halten, am gegenwärtigen Krieg Russlands gegen die Ukraine ihren lange verschütteten Antiimperialismus wiederentdecken.

Aber das Muster ist nicht neu. A kritisiert den Umstand X. Da wendet B ein: Aber was ist mit Y? Konsequenterweise müsste A jetzt seine Kritik auf Y ausdehnen, aber das will A nicht, weil Y in seinem politischen Lager liegt und die politische Schlagkraft seiner Kritik damit verlorenginge. An diesem Punkt kommt der Vorwurf des Whataboutismus ins Spiel. Er soll sagen, dass Person B den Umstand Y nur deshalb ins Spiel brachte, um von der Kritik an X abzulenken, um die es A in diesem Moment ging. Der Verdacht mag zutreffen oder nicht. In jedem Fall ist der Vorwurf des Whataboutismus projektiv. Er wird ausschließlich von Leuten in Anschlag gebracht, die längst selbst mit zweierlei Maß messen und dabei nicht gestört werden wollen.

Auf den Verweis, dass ihre Empörung nur fallweise ist, antworten sie mit dem Zauberwort, das demjenigen, der ihnen gerade nachweist, dass sie den Balken im Auge haben, genau diesen Vorwurf zurückgibt. Wer auf den Ausschlag nach nur einer Seite hinweist, tue das nicht, um die Mitte zu halten, sondern weil er seinerseits den Ausschlag nach nur einer Seite wolle, der anderen nämlich. Projektiv daran ist, dass man seinen Kritikern eben die Korruptheit vorwirft, der man sich selbst immer schon hingibt.

Mit einem Wort: Der Vorwurf des Whataboutismus ist selbst ein Whataboutismus. In ihm schwingt, da der eigene Ruf bereits ruiniert ist, das freche ,,Wir sind doch alle bloß Schweine" mit. Wo alles immer nur einseitig sein kann, gibt es keine besseren oder schlechteren Antworten mehr, nur noch die richtige Gesinnung und die Sturheit beim Durchsetzen derselben. Der Whataboutismus-Vorwurf attackiert somit mehr als bloß den politischen Gegner. Er zieht auch zu Feld gegen jedes Denken in Zusammenhängen.

Felix Bartels ist Literaturwissenschaftler und politischer Publizist in Berlin



Aus: "Ausweichen verboten? Über den Allzweckvorwurf des ,,Whataboutism"" Felix Bartels (12.06.2022)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ukraine-krieg-irak-invasion-ueber-den-allzweckvorwurf-der-doppelten-standards (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ukraine-krieg-irak-invasion-ueber-den-allzweckvorwurf-der-doppelten-standards)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 24, 2022, 04:04:16 PM
Quote[....] Ein Journalist aus Israel diffamierte den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume auf Twitter. Der verklagt die Plattform. ...

Der Angriff auf sein Privatleben und die Unterstellung von Ehebruch und Pädophilie war für Blume aber eine neue Qualität. Er forderte Twitter auf, 46 Tweets aus dieser Kampagne zu löschen. Twitter löschte jedoch nur drei der Postings, ohne Begründung für die Auswahl.

...


Aus: "Antisemitismusbeauftragter gegen Twitter: Kampagne vor Gericht" Christian Rath (23. 11. 2022)
Quelle: https://taz.de/Antisemitismusbeauftragter-gegen-Twitter/!5897727/ (https://taz.de/Antisemitismusbeauftragter-gegen-Twitter/!5897727/)

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Quote[...] Mit einem Eilverfahren vor dem Landgericht Frankfurt will Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume Twitter juristisch dazu zwingen, mutmaßliche Falschaussagen über ihn zu löschen. Er wirft dem Kurznachrichtendienst vor, für die Verbreitung von Verleumdungen mitverantwortlich zu sein. Das Unternehmen soll nach Angaben seines Anwalts Chan-jo Jun und der unterstützenden Organisation Hateaid knapp 50 gemeldete Tweets nicht ordnungsgemäß auf deren Rechtswidrigkeit überprüft, sondern lediglich interne Richtlinien angewandt haben.

Neben den mutmaßlichen Verleumdungen sollen den Angaben zufolge alle "kerngleichen Inhalte umgehend entfernt werden und auch künftig nicht wiederhergestellt werden dürfen". Die Urteilsverkündung in dem auf einen Verhandlungstag angesetzten Zivilstreit ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin für Ende Dezember geplant. "Mir geht es nicht darum, dass Twitter den Betrieb einstellt", sagte Blume zum Prozessauftakt am Donnerstag.

Vielmehr gehe es um die ganz grundsätzliche Frage, wie viel Hetze auf Twitter verbreitet werden dürfe und inwieweit Opfer von Verleumdungskampagnen allein gelassen würden. Auf der Plattform sei etwa behauptet worden, er gehe fremd und er betrüge seine Frau mit Minderjährigen, sagte Blume. "Twitter soll mit meiner Klage dafür sorgen, dass die Accounts gelöscht bleiben." Der Kurznachrichtendienst war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Erst im April hatte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast vor dem Landgericht Frankfurt einen Streit mit dem Facebook-Konzern Meta um die Löschung von ehrverletzenden Falschzitaten gewonnen. Die Grünen-Politikerin hatte darauf geklagt, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination - ein Meme - mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf dem sozialen Netzwerk gesperrt wird. Betroffen von der Entscheidung waren auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt.


Aus: "Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter verklagt Twitter" (dpa, Do, 24. November 2022)
Quelle: https://www.badische-zeitung.de/baden-wuerttembergs-antisemitismusbeauftragter-verklagt-twitter (https://www.badische-zeitung.de/baden-wuerttembergs-antisemitismusbeauftragter-verklagt-twitter)

"Das (vorerst) letzte Tässle Kaffee – Als Elon Musk Twitter übernahm" Michael Blume (06. Nov 2022)
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-vorerst-letzte-taessle-kaffee-als-elon-musk-twitter-uebernahm/ (https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-vorerst-letzte-taessle-kaffee-als-elon-musk-twitter-uebernahm/)

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/author/blume/ (https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/author/blume/)

...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 28, 2022, 04:20:40 PM
QuoteFelis heute, 12:41

Ein Kommentar darf alles, aber Mertins' Kommentar bleibt trotzdem ein schwacher Kommentar. Er wäre auf einer Seite der "Welt" besser aufgehoben...

QuoteAnne Pipenbrinck
heute, 10:31

Herr Reichelt, sind Sie das?


Zu:  "Böhmermanns RAF-FDP-Vergleich: Billig, erwartbar, geschmacklos" (Politik: Deutschland, 27. 11. 2022)
https://taz.de/Boehmermanns-RAF-FDP-Vergleich/!5895075/ (https://taz.de/Boehmermanns-RAF-FDP-Vergleich/!5895075/)



Die Kommentarfunktion unter diesem Artikel ist geschlossen.

QuotePaula Moderatorin 28.11.2022, 13:50

Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Eine Diskussion im Rahmen unserer Netiquette ist offenbar nicht mehr möglich.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 04, 2023, 02:07:03 PM
Quote[...] Stichhaltig in der deutschen Debattenkultur ist oft genug nicht das vorgetragene Argument, sondern der dabei erhobene Zeigefinger. Nicht der lustvolle Streit der Intellektuellen reißt das krisenanpassungserschöpfte Publikum aus seiner Diskurs-Apathie, sondern die auf Asphalt geklebte Hand des Aktivisten. Und wenn Markus Lanz in dem nach ihm benannten Ritter-der-Schwafelrunde-Talk mal wieder ganz nach vorn auf die Kante seines Moderatorenstuhls rückt und seine leicht nach vorn gebeugte, allzeit absprungbereite Lauerhaltung einnimmt (die Beobachtung habe ich aus einem Leserbrief geklaut – vielen Dank, liebe Regina Stock aus Kiel, für die Vorlage!), hat er schneller zugeschnappt, als der Herrscher über die Fernbedienung "Fass, Markus!" sagen kann.

Belehrende Besserwisserei, moralisches Überlegenheitsgefühl und die notorische Ins-Wort-Fallerei mit unkontrollierbarem Zubeißdrang prägen die Debattenkultur hierzulande. Das Augenzwinkernde, Leichte, auch mal Schräge, vielleicht sogar Lustige sucht man hingegen oft vergebens. 75 Prozent der Deutschen stimmen jedenfalls der Aussage zu: "Der deutschen Debattenkultur fehlt es aktuell an Humor." Zehn Prozent beklagen kein Humordefizit – womöglich, weil sie beim Lesen des FAZ-Feuilletons aus dem Lachen gar nicht mehr rauskommen. Und der Rest – 15 Prozent – hat dazu keine Meinung. Wahrscheinlich, weil er den schlechten Witz "Was sagt man einem AfD-Anhänger, wenn er die Klappe halten soll? – Braun schweig!" nicht versteht. Oder weil er Hermann Hesse nicht zustimmen mag, wonach aller Humor damit anfängt, die eigene Person nicht mehr ernst zu nehmen.

Der Wunsch nach Humor wird andererseits zur ernsten Sache, sobald die Frage auftaucht, um welche Debatte es sich handelt. Wenn ein deutsch-marokkanischer Kabarettist den Umfragen-Höhenflug der AfD persifliert, johlt jener Teil des Publikums vor Vergnügen, der mit hasserfüllter Miene Dieter Nuhr als "alten, wütenden, weißen Mann" beschimpft, wenn er über Greta Thunberg spottet. Der Humor endet dort, wo der Ernst heiliger Wut beginnt.

Dabei ist das mit dem Ernst eine ziemlich lustige Sache. Eine Dozentin an der Uni hat mir einst gesagt, es sei ja alles schön und gut, was ich so mache, aber ich sollte doch so langsam mal anfangen, die Dinge ernst zu nehmen. Meine Antwort war, wie ich heute in aller Bescheidenheit sagen darf, von zeitloser Schönheit: "Wieso denn?"


Aus: "Debattenkultur in Deutschland: Dausend Prozent" Peter Dausend (17. August 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/2023/35/debattenkultur-deutschland-humor (https://www.zeit.de/2023/35/debattenkultur-deutschland-humor)

QuoteWolf Karl

Die Briten sagen immer, wir Deutschen hätten keinen Humor. Ich finde das gar nicht witzig. ...


Quotekannstebehalten

Ich schau schon lange keine politischen Talkshows. Nicht wegen mangelndem Humor sondern, sondern wegen mangelndem Tiefgang und meiner daraus resultierenden gestressten Nerven.
Zunehmend nervend war für mich, dass ich mehr und mehr den Eindruck bekam, dass es vor allem um die Selbstdarstellung des Moderator/in geht (darin ist Lanz wahrlich spitze). Über wichtige Fragen der Zeit, dass ständige dazwischen Quatschen der/die Moderatorin, ohne denjenigen erstmal ausreden zu lassen, wurde für mich immer stressiger.
Auch genervt hat mich zunehmend, dass manche Antworten der Teilnehmer verdammt gute weitere Fragen ermöglicht hätten, aber stattdessen der/die Moderatorin gleich zum nächsten Thema springt (meist zu einem viel unwichtigeren).


Quote
R3g3nwolk3

"75 Prozent der Deutschen stimmen jedenfalls der Aussage zu: "Der deutschen Debattenkultur fehlt es aktuell an Humor.""

Stimmt. Auch der Kommentarbereich auf ZON ist hierfür ein Beleg: komplett humorbefreite Zone. Statt dessen wird oftmals aggressiv und in belehrendem Duktus herumgegiftet.


Quote
ottonis

Und jetzt noch einen zum Aufregen: Humor ist in der Regel hinweisend auf Intelligenz, auf recht hohe zuweilen. Denn Humor beinhaltet meist das Spiel mit mehreren Bedeutungsschichten und und zeugt davon, dass dessen Nutzer in der Lage sind, sich auf einer Metaebene zu bewegen.

Je größer die Kompetenz, umso größer der Grad der Bewusstheit um die eigenen Kompetenzlücken - und je mehr man sich darüber im Klaren ist, dass man selber - egal wie sehr man sich im Recht sieht - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die volle Wahrheit für sich gepachtet hat, umso mehr ist man in der Lage, eine Vogelperspektive einzunehmen, aus der man nicht nur den Diskussionspartner und dessen Argumente, sondern ebenso sich selbst und das eigene Argument prüfend betrachtet - und dabei auch mal schmunzeln kann.


Quoteottonis

Antwort auf @Peter Zapfen: "Was für ein Unsinn. Es gibt auch genug Menschen, die können all das, haben aber kein Interesse an Humor in der Situation einer politischen Diskussion."

Inhaltlich kann man Ihnen nicht widersprechen. Ihre Replik wäre aber um Lichtjahre attraktiver, wenn Sie auf den ad hominem verzichten und insgesamt etwas lockerer - und humorvoller - formulierten. Gönnen Sie sich doch mal ein Käffchen und entspannen Sie sich, das befreit und beflügelt den Geist und macht die Interaktionen gleich viel produktiver.


QuotePeter Zapfen

Antwort auf @ottonis: "Ihre Replik wäre aber um Lichtjahre attraktiver, wenn Sie auf den ad hominem verzichten und insgesamt etwas lockerer - und humorvoller - formulierten."

Bei allem Respekt, aber sie pöbeln direkt mal im ersten Beitrag rum, in der Regel hätte man weniger Intelligenz, wenn einem bei Humor keiner Zuhause abgeht, aber fordern hier selbst für sich einen würdevollen Umgang ein?


Quote
ottonis

Antwort auf @Peter Zapfen: "sie pöbeln direkt mal im ersten Beitrag rum, in der Regel hätte man weniger Intelligenz, wenn einem bei Humor keiner Zuhause abgeht"

Ihren Beitrag ordne ich jetzt mal bewusst als "paradoxe Intervention" in einer Diskussion über Humor ein. ;-)

Vielleicht macht Ihnen ja folgende Studie mehr Spaß:


"Humor has been considered a sign of high intelligence throughout human history, such as men telling jokes to demonstrate their cleverness and adaptability to potential mates. And while many studies show some correlation between intelligence and humor in adults, there is less research on the phenomenon in children. For the new study, more than 200 children produced captions for 10 newly drawn cartoons. Seven experts then rated the funniness of the captions and their relevance to the cartoons, with a total of 30,380 ratings.When the intelligence and humor performance of these children were compared, the researchers found that general intelligence was highly correlated with humor. Intelligence explained 68% of the difference in humor ability and, in particular, children with higher general knowledge and higher verbal reasoning were found to have higher humor ability."

Quelle: Study: Ability to produce humor linked to higher intelligence levels in schoolchildren (phys.org)


QuoteBuntScheck

Antwort auf @ottonis

Glauben Sie mir, wenn ich mich noch über Unwahrheiten/absichtsvoll diffamierende Zuspitzungen im Internet aufregen würde, dann hätte ich einen Blutdruck jenseits von gut und böse.


Quote
ottonis
Antwort auf @BuntScheck

Ja, im wesentlichen hilft da wirklich nur die Abspaltung eigener Emotionen - was zugegeben nicht immer einfach ist. Das Internet ist mal wieder ein besonders aussagekräftiger Spiegel dafür, was der menschliche Geist so alles zu produzieren pflegt - von guten (und witzigen) Dingen bis hin zu den tiefsten Abgründen.


QuoteLumpenhund

Ich weiß gar nicht, was Sie alle haben. Der Diskussionsbeitrag zur Kindersicherung "Geld für Kinder ist Sache der Eltern" ist doch nun wirklich schreiend komisch, oder etwa nicht?


QuotePeter Zapfen

Das Problem am Humor in der Politik: Es handelt sich quasi durchweg um zynischen Humor, Häme, der nur darauf abzielt, das Gegenüber zu demütigen oder erniedrigen, bzw. den Sachverhalt ins Lächerliche zu ziehen.
Deutscher Humor sieht zum Beispiel so aus, immer wieder super-ironisch von "Goldstücken" zu reden, wenn mal wieder ein Ausländer eine Straftat begangen hat.
Diese Art Humor brauche ich nicht, weder hier auf ZON noch bei Lanz.


Quotewhat shall we do with the drunken sailor

"Diese Art Humor brauche ich nicht"

Möchten Sie also nur ihren eigenen Humor akzeptieren? Das ist doch genau das Problem welches hier beschrieben wird. ...


Quote
BuntScheck
Antwort auf @what shall we do with the drunken sailor

Ich persönlich würde das nichtmal Humor nennen, sondern Gehässigkeit. Und dieser entziehe ich mich tatsächlich sehr konsequent, weil mir das einfach viel mehr Energie raubt, die ich für das Leben benötige, als es mir Spaß bringt. Ich habe einfach keine Zeit mehr übrig, mich an gehässigen Menschen abzuarbeiten.


Quote
dunelm

Humor hat viel damit zu tun, auch über sich selbst lachen zu können, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Auch muss man, wenn man austeilt, auch mal einstecken können.

Das fehlt hierzulande auch und gerade oft bei denjenigen, die sich als Kabarettist/Comedian/etc. verdingen. Da wird eher Gesinnung als Gewitztheit belohnt. Dabei könnte eine geistreiche Parodie des Milieus, für das man selbst steht, Wunder wirken, weil man dann die eigenen Absurditäten vorgeführt bekommt. Leider artet das stattdessen oft in ...(hier Zielscheibe einsetzen)...-Bashing aus und die Abwehrreflexe setzen ein.


QuoteNinapaul24

Gemeinsam über etwas zu lachen hat immer etwas Verbindendes, natürlich auch Entkrampfendes, und ermöglicht Distanz zu sich selbst und den eigenen, vielleicht starren, Positionen. ...


QuoteGerrit Haase

Ich finde das gar nicht witzig.


-

Quote[...] Ich war immer Fan des gedruckten Wortes – und bin es bis heute geblieben. Vielleicht weil ich noch immer das Gefühl habe, wenn etwas gedruckt wird, ist es besser durchdacht, von mehreren Seiten beleuchtet. Aber als Kind der sogenannten Generation Y bin ich auch mit dem Internet aufgewachsen und habe schon sehr früh verinnerlicht, Informationen nicht nur schnell und komprimiert zu konsumieren, sondern auch zu kommentieren. Heute arbeite ich als Online-Redakteurin. Der Gebrauch und die tägliche Arbeit mit verschiedenen Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram ist mein täglich Brot geworden.

Es hat zwar verhältnismäßig lange gedauert, aber seit Kurzem treibe ich mich auch auf Twitter herum. Mir war zwar zu Ohren gekommen, dass dieses Twitter in Deutschland empirisch gesehen kaum von Bedeutung ist, aber da inzwischen nicht nur der amerikanische Präsident Donald Trump sein Handeln hier zuerst verkündet, sondern sogar unser hiesiger Innenminister Horst Seehofer munter durch die Welt zwitschert, habe ich beschlossen, dem Ganzen eine ehrliche Chance zu geben. FOMO lässt grüßen!

Mir war das Mikro-Blogging-Format lange suspekt. Ich vermutete, dass dort sehr viel Müll geschrieben wird und dass auch kein wirklich weiterführender Austausch möglich sei. Robert Habeck, Vorsitzender der Grünen, entschied sich vergangene Woche erst dafür, seinen Account aus genau diesen Gründen zu löschen – und weil das Medium seiner Meinung nach zu einem "Instrument der Spaltung" verkommen sei. Seitdem wird wieder mal darüber diskutiert, wie gefährlich ein Dienst wie Twitter für die demokratische Meinungsbildung und eine Debattenkultur frei von Hass, Hetze und Spaltung ist. Andere wiederum sehen in den Medium einen Zugewinn.

Generell werden Nachrichten in immer rasanterem Tempo in die Welt hinaus posaunt. Twitter ist allein schon aufgrund seines Formats prädestiniert dafür. Das ist einerseits toll, denn nirgends kann man sich schneller updaten, sich in Echtzeit in aktuelle Debatten einklinken oder über weltweite Trends informieren. Andererseits birgt dieser Fakt auch eine Menge Gefahren, denn wo es schnell zugeht, wird weniger eingeordnet, Dinge werden aus dem Zusammenhang gerissen, manchmal unreflektiert und unkontrolliert veröffentlicht. Auf knallhart recherchierte Fakten, die das Fundament ernsthafter Debatten sein sollten, kann man hier nicht vertrauen.

Für manche, etwa Journalisten, ist die Plattform hingegen der perfekte Ort, um spannende Themen aufzuspüren, aktive Feldforschung zu betreiben oder sich mit Gleichgesinnten angeregt auszutauschen. Das ist übrigens ein Punkt, der mich wirklich begeistert: Twitter folgt einem sehr demokratischen Prinzip, denn jeder kann hier verfolgen, teilnehmen und mitdiskutieren, in Echtzeit ohne Verzögerung. Und ich sage euch, wenn ihr den richtigen Leuten folgt, findet ihr Anregungen und Inspirationen en masse. Denn es gibt sie, die Menschen, die es schaffen in nur 280 Zeichen pointiert, sprachlich perfektioniert und mit Witz zu diskutieren. Das bewundere ich, ehrlich wahr! Aber Vorsicht: Der Suchtfaktor ist extrem hoch. Wer, wie ich, nicht aufpasst, verliert sich in den Weiten und manchmal auch Belanglosigkeiten des Netzes. Am Ende ist Twitter dann auch wieder nichts anderes als ein weiterer sinnloser Zeitfresser.

Auch für Personen der Öffentlichkeit, etwa Spitzenpolitiker, kann der Kanal durchaus von Vorteil sein. Via Twitter können sie nicht nur das Bild ihrer eigenen Person in der Öffentlichkeit schärfen, sondern direkt mit Usern in den Kontakt gehen, nahbarer sein und so potentiell Wähler dazu gewinnen. Die Kehrseite der Medaille? Nie gab es mehr Shitstorms als heute. Eine Minute nicht nachgedacht, einen Gedanken nicht zu Ende geführt, die Twitter-Gemeinde kennt kein Erbarmen.

Das musste zum Beispiel gerade erst die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann erfahren, der aufgrund einer Stellungnahme über ihre politische Haltung in Form eines Hashtags (#Nazisraus) eine bittere Welle des Hasses entgegen schwappte. Überkochende Emotionen, Wortgefechte, die zum Teil unter die Gürtellinie gehen, Rassismus und Diskriminierung – all das kommt jeden Tag vielfach vor. Ermöglicht auch durch die Anonymität, hinter der sich User hier verstecken können. Da kommt viel Ungefiltertes, Leeres, Kommentare ohne Mehrwert. Aber, und das ist eben auch Twitter, Diekmann erfuhr ebenfalls wahnsinnig viel Solidarität. Letztendlich hat der Shitstorm vielleicht sogar eine neue Debatte darüber angestoßen, ob und wie jeder freie Mensch seine Meinung hierzulande kundtun darf.

Trotzdem sollte man sich immer bewusst darüber sein, dass es Hater und Trolls gibt, die bewusst Falschmeldungen in Umlauf bringen wollen, um die Gesellschaft zu spalten. Das ist die Gefahr. Wer twittert, muss das im Zweifel aushalten können – oder, wie Harbeck, gleich ganz austreten.

Ganz klar, Twitter ist verführerisch und macht Spaß. Nirgendwo sonst findet man so viel Meinungsvielfalt, die unsere Debattenkultur im Grunde genommen ja fördert. Aber Raum und Zeit für unvollendete Gedanken, Zweifel oder Meinungsrevisionen sehe ich hier nur bedingt. Zu einem vernünftigen Meinungsaustausch gehört für mich auch, dass man sich gegenseitig zuhört, sich Zeit füreinander und zum Reflektieren nimmt. Von einem Hashtag zum Aufschrei dauert es aber mitunter nur wenige Stunden. Ein Tweet, der auf 280 Zeichen reduziert ist, kann niemals ein echtes Vis-à-vis-Gespräch oder einen wochenlang recherchierten Text ersetzen. Twitter kann deshalb nur Anstoß für Debatten sein. Danach braucht es etwas mehr Ruhe und Besonnenheit, um Debatten in eine weiterführende Richtung zu lenken.

Bevor wir etwas in die Welt "posten", sollten wir uns also fragen, aus welchen Beweggründen wir es tun, ob und für wen die Nachricht eigentlich einen relevanten Mehrwert hat. Oder wie der Welt-Korrespondent Clemens Wergin treffend gesagt hat: "Wir Bürger entscheiden am Ende, ob Twitter et cetera zu einer Bereicherung werden oder zu einer Belastung für die Gesellschaft."


Aus: "Segen oder Fluch? Wie Twitter unsere Debattenkultur beeinflusst" Insa Grüning  (2019)
Quelle: https://mitvergnuegen.com/2019/twitter-einfluss-debattenkultur/ (https://mitvergnuegen.com/2019/twitter-einfluss-debattenkultur/)

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Quote[...] Seit Elon Musk Twitter gekauft hat, haben mehr als 30 Millionen Nutzer, darunter viele Wissenschaftler, das Weite gesucht. Die Klimaforscher waren die ersten, doch inzwischen gehen immer mehr.

Dieser Exodus tut auch dem reichsten Mann der Welt weh: Seit der Übernahme ist der Wert der Plattform auf bestenfalls die Hälfte des Kaufpreises von 44 Mrd. Dollar abgesackt.

Seitdem Musk am Ruder steht, driftet die inzwischen in X umgetaufte Plattform politisch nach rechts. Da der neue Besitzer die Hate-Speech-Kontrolle auf eine homöopathische Dosis heruntergefahren hat, den Politik-Trollen Reichweite und Aufmerksamkeit verkauft und wie zuletzt sogar Wahlwerbung für die AfD verbreitet hat, ist bei vielen - auch eingefleischten - Twitter-Fans der ersten Stunde das Maß des Erträglichen überschritten.

...


Aus: "Warum Bluesky vom X-Exodus profitieren könnte" Holger Schmidt (05.10.2023)
Quelle: https://www.faz.net/pro/d-economy/plattformen/twitter-x-warum-bluesky-von-musk-uebernahme-profitieren-koennte-19217092.html (https://www.faz.net/pro/d-economy/plattformen/twitter-x-warum-bluesky-von-musk-uebernahme-profitieren-koennte-19217092.html)

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Quote[...] Saskia Esken steht gemeinsam mit Co-Chef Lars Klingbeil der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vor.

... Die Emanzipation der Menschen voranbringen, sie auf Augenhöhe vernetzen und ihr Zusammenwirken demokratisieren: das waren die Ziele in den Anfängen des Netzes. 50 Jahre nach der ersten Verbindung im Internet, 30 Jahre nach dem Start des World Wide Web müssen wir feststellen, dass die gesellschaftspolitischen Ideen der Digitalität verloren gingen. Heute wird die Digitalsphäre von einigen wenigen Unternehmen und ihren kommerziellen Interessen kontrolliert. Die basisdemokratische Idee des Netzes ist schwer beschädigt, doch auch mit dem Primat der Politik ist es in zentralen Fragen der Digitalisierung nicht weit her.

Tim Berners Lee, einer der Begründer von Internet und WWW, hat uns dazu aufgerufen, uns das Netz zurückzuholen und es wieder zu dem zu machen, was auch meine Vorstellung davon ist: eine offene und dezentrale Struktur, die demokratisch gestaltet und kontrolliert ist, damit sie allen Menschen dient und nicht einigen wenigen. Die Kapitalverwertung hat das WWW kaputtgemacht.

...



Aus: "Wir müssen uns das Netz zurückholen" Saskia Esken (27. Oktober 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-10/twitter-saskia-esken-debattenkultur-demokratie/komplettansicht (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-10/twitter-saskia-esken-debattenkultur-demokratie/komplettansicht)

Quoteajnat

Nun ja, wir leben in einer Demokratie mit freier Meinungsbildung. Da muss man Kritik aushalten können. Man kann sich die Welt nicht einfach mal so machen, wie sie einem gefällt und sich dann, wenn es nicht funktioniert, in seine eigene Blase zurückziehen. Mit diesem Gedankenansatz verliert man Wählerstimmen!


Quotegambist

Bravo, Frau Esken! Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass unsere Kinder sich an die digitale Ausbeutung unserer Daten gewöhnen, oder bereits gewöhnt haben. Für sie ist es ganz normal, persönliche Daten weiter zu geben, und die Monopolisten weiter zu füttern.
Wir müssen uns um unsere Kinder kümmern, und nicht aus Bequemlichkeit den digitalen Einflüssen aussetzen. Wir müssen ihnen beibringen, die übermächtigen digitalen Medien nutzen zu lernen, und nicht ein "Kanonenfutter" der digitalen Welt zu werden.


Quote
Herr Lüdenscheidt

Ich gebe Frau Esken mit ihrer Einschätzung, dass es sich hier nicht um soziale, sondern um kommerzielle Medien handelt recht. Nur der Schluss, diese Firmen zerschlagen zu wollen ist schon sehr gewagt. Gerade die deutsche Politik hat viel getan, um Monopole zuzulassen. Ob Energiewirtschaft oder andere Bereiche, die mittlerweile ein Größe erreicht haben, dass ihre Marktmacht erdrückend ist. ...


Quote
Neikast

Ich habe meinen Twitter-Account ebenfalls deaktiviert.


QuoteTatzelbrumm

Saskia Esken hat das Problem kommerzialisierter Sozialer Medien klar erkannt und benannt.
Wie das Potential der Internet-Kommunikation erhalten bleiben kann,
ohne dass die Diskurse wieder unter die Zensur von selbsternannten Moralwächtern fällt,
die ihre Auffassung von ,,Erlaubt ist was sich ziemt" zur Erhaltung überkommener Privilegien und Besitzstände durch ,,Darüber spricht man nicht"-Tabus durchsetzen,
ist allerdings ein ungelöstes Problem.
Selbst wenn das Justemilieu eine Kommunikationsplattform zustande bekäme, die mit der Rechweite der kommerziellen social media-Kraken mithalten könnte, würden zu viele Menschen davon ausgeschlossen.

Kommunikation durch ein Medium mit grauenhaft schlechtem Signal-zu Rausch- und Verzerrungsverhältnis ist immer noch besser als Exkommunikation durch ,,Norm-Entrepeneure".
Dieser Tatsache verdankt die AfD ihre Popularität und Existenzberechtigung.


Quote
nrump

In diesem Zusammenhang ein must read: Jaron Lanier, Ten Arguments for Deleting Your Social Media Accounts Right Now.


QuoteGlaube nicht alles was du denkst

"Wir müssen uns das Netz zurückholen"

???

Es hat doch niemand das Netz gestohlen, es spiegelt lediglich die realpolitische Wirklichkeit.

"Empörung, Hass und Fake News" im Netz sind keine abgehobenen Phantasien kranker Irrer, sondern Wahrnehmungen von kranker und irregeleiteter Politik.

Die Ursache dieser Krankheit hat Sartre mit der Haltung ,,L'enfer c'est les autres." (,,Die Hölle sind die andern.") gekennzeichnet. ...


Quoteottonis

Alle sozialen Netzwerke, in denen Algorithmen implementiert sind, um den Nutzer so lange wie möglich vor dem Bildschirm zu halten, können durch die so entstehenden Filterblasen und Echokammern die Tendenz zur Radikalisierung und Polarisierung verstärken.
Mir ist kein Fall bekannt, in dem auf den allgemeinen und frei zugänglichen Netzen wie Twitter oder Facebook irgend eine maßgebliche wissenschaftliche oder kulturelle Errungenschaft generiert worden wäre.
Im Gegenteil, es wird nicht die profunde und elaborierte Argumentation belohnt, sondern diejenigen, die am lautesten schreien und sich empören.
Wie ein Auto, in dem man so viel leichter flucht und ausrastet und auf andere Fahrer schimpft, nur eben kollektiv.

Im übrigen: In den USA wurde ein Zusammenhang zwischen Suizidalität bei Teenagern und dem Konsum von social media festgestellt.

Last but not least: diese Netze führen zu einer massiven Reduktion des informationellen Signal zu Rausch Verhältnisses, es kann ja jeder behaupten, was er will und selbst für die krudesten Theorien und Behauptungen werden sich dankbare Abnehmer finden.
Bestes Beispiel: Querdenker und Verschwörungserzähler.


QuoteHonigPfeffer

Klassische sozialistische Orwell-Fantasien.
Der Staat kümmert sich. Ihr seid unsere Schäfchen.
Wir wissen besser als Ihr, was gut für Euch ist. ...


Quoteoverthehilll

Eine sehr gute Analyse.

Anfangs habe ich noch darüber geschmunzelt, dass google eines seiner updates damals "Big Daddy" genannt hatte. Man konnte aber bereits kurz nach dem Börsengang sehen, wo die Reise hingeht.

Was die Frage aufwirft, warum praktisch alle Politiker und auch Erzieher in diese asozialen Medien überhaupt eingestiegen sind; vor allem mit Blick auf die Kinder, denen sie damit "Vorbild" waren.

Wie Agent Smith schon sagte:

"Ganze Ernten gingen uns verloren."

"Der Einfluss von Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft ist umfassend und geht weit übers Digitale hinaus."

Die Marktkapitalisierung einiger dieser Unternehmen ist mehr Wert als das Vermögen aller Bürger von Belgien. Aller fünf zusammen mehr als Deutschland. Und es gibt noch erheblich mehr sehr kapitalstarke IT-Unternehmen, die mit ihrer Lobbyarbeit alle an einem Strang ziehen.

Die Politik ist dem völlig hilflos ausgeliefert. ...


QuoteHippolyt

Es sind garnicht die Hass und Hetzkommentare über die jeder den Kopf schüttelt.
Ob man Schmierereien im Netz sieht, auf Bahnhofsklos oder in Straßenunterführungen
macht keinen großen Unterschied.
Es sind vielmehr die Punkte von substantiierter Kritik die hier teils ungefiltert, von Privatpersonen auf der ganzen Welt ausgetauscht werden können und dem Einzelnen plötzlich das Gefühl geben, mit seiner "Einzelmeinung" keineswegs alleine dazustehn. ...


QuoteGluecksbaerchen

Jedes Netzwerk, jede Software steht und fällt mit der Akzeptanz der Nutzer.
Bin gespannt was aus Twitter wird. Aus meiner Sicht auf dem absteigenden Ast.


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Quote[...] Musk, knappe 159 Millionen Follower auf X, [...] verbreitete am Freitag den Post eines, vorsichtig formuliert, migrationskritischen X-Kontos, mit einem Video, das zeigen soll, wie deutsche Seenotretter auf dem Mittelmeer illegale Einwanderer ,,einsammeln", um sie – laut Post – in Italien ,,abzuwerfen". Diese Nichtregierungsorganisationen würden von der deutschen Regierung ­subventioniert. ,,Hoffen wir, dass die AfD die Wahlen gewinnt, um diesen europäischen Selbstmord zu stoppen."

Das hat einen ernsten und aktuellen Hintergrund: Die italienische Regierung attackiert Berlin seit Tagen wegen der finanziellen Unterstützung für die private Seenotrettung – in diesem Jahr stehen dafür bis zu zwei Millionen Euro zur Verfügung. Als Baerbock am Donnerstag den italienischen Außenminister Antonio Tajani zu Gast hatte, nahm das Thema viel Raum im Gespräch ein. In der anschließenden Pressekonferenz blieben die Fronten hart. Tajani erfuhr an diesem Tag in Berlin von seinem Innenminister aus Brüssel auch, dass Italien die Reform des europäischen Asylsystems zunächst ausbremsen werde – wegen eines Satzes, den man als Stärkung der Seenotrettung deuten könnte.

Es ist offen, ob Musk das alles wusste, zumal er erst am Samstag kundtat, ,,die alte Medienpropaganda" nicht mehr oft zu lesen. Jedenfalls verbreitete Musk den Post und schrieb darüber: ,,Weiß die deutsche Öffentlichkeit davon?" Über sein englischsprachiges X-Konto,  gut 301.000 Follower, antwortete das Auswärtige Amt darauf zügig: ,,Ja. Und das nennt man Leben retten." Damit begann in den folgenden Stunden die altbekannte Spirale von Kommentaren, also Beschimpfungen, Besserwissereien und Bösartigkeiten. Musk äußerte sich danach auch noch hin und wieder zu dem Thema Migration: Wenn eine Regierung in einer Demokratie gegen den Willen des Volkes agiere, sollte sie abgewählt werden, zum Beispiel.

Das Auswärtige Amt beließ es dabei. Auch dazu hatte Baerbock schließlich eine klare Linie vorgegeben. Weitermachen, schnelle Kommunikation, klar in der Sprache. ,,Und wenn der Shitstorm kommt, dann stehen wir dort gemeinsam."



Aus: "Wie Elon Musk mit dem Auswärtigen Amt streitet" Matthias Wyssuwa, Berlin (01.10.2023)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/elon-musk-teilt-beitrag-mit-aufruf-zu-afd-wahl-diskussion-ueber-seenotrettung-19211594.html (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/elon-musk-teilt-beitrag-mit-aufruf-zu-afd-wahl-diskussion-ueber-seenotrettung-19211594.html)

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Quote[...] Twitter-Nutzende hier? Also von vor zwei, drei Jahren? Als Twitter noch Twitter hieß und einen fröhlichen blauen Vogel und kein schwarzes X, das wie ein russisches Kriegssymbol anmutet, als Logo hatte? Als sich Menschen trafen, die die Welt, auf ihre ganz eigene Weise, ein klein wenig besser machen wollten? Damals, als Twitter Freude bereitet hat, weil es auch bei schlechten Nachrichten und viel Verbesserungspotenzial in der Welt Zusammenhalt gab? Weil Menschen zusammenkamen und Ideen austauschten? Weil man sich gegenseitig unterstützte, Zuspruch gab, half? Weil es fundierte News schnell und zuverlässig gab? Damals, als Twitter politische Relevanz hatte und dort hochpolitische Debatten stattfanden?

Ja, dieses Twitter gab es einmal. Natürlich, es gab auch damals Stänkerer und Hater, Beleidigungen und Verschwörungsquatsch. Aber Twitter war vor allem eine Plattform zum gesellschaftlichen Austausch, mit einer ausgeprägten Diskussionskultur. Wie wir Twitterer hinter vorgeschobener Hand sagten: einfach das beste soziale Netzwerk, weil das Wort sozial noch eine Bedeutung hatte.

...


Aus: "Das neue, alte Twitter: Warum Bluesky die beste Antwort auf Elon Musk ist" Miriam Keilbach (03.10.2023)
Quelle: https://www.rnd.de/digital/das-neue-alte-twitter-warum-bluesky-die-beste-antwort-auf-elon-musk-ist-ZD4SVGH7OJDZRHV7OXJCBRCOB4.html (https://www.rnd.de/digital/das-neue-alte-twitter-warum-bluesky-die-beste-antwort-auf-elon-musk-ist-ZD4SVGH7OJDZRHV7OXJCBRCOB4.html)

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Quote[...] Es ist die aktuell wohl größte Fluchtbewegung im virtuellen Raum. Wer kann, macht rüber. Von X, ehemals Twitter, der Mutter aller Kurznachrichtendienste. Zu Bluesky, der bisher vielleicht besten Kopie.

Was genau den großen Austausch ausgelöst hat, ist unklar. Vielleicht war die offene Wahlempfehlung von X-Chef Elon Musk für die AfD, die bei vielen das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Jedenfalls tauchen seit einigen Tagen reihenweise Menschen, die prominent in der deutschsprachigen X-Bubble waren oder sind, nun bei Bluesky auf. Und wer schon dort ist, registriert seit Tagen stark steigende Followerzahlen.

Als Musk Twitter vor fast einem Jahr gekauft hat, flogen etliche Early Birds rüber zu Mastodon. Diese schon vor Jahren gegründete, dezentral organisierte Plattform galt vielen als bester Ersatz. Die Zahl der User verdreifachte sich binnen eines Jahres von weniger als 5 auf heute über 14 Millionen. Weil aber gewohnte Tools fehlten und die Diskussionskultur als etwas staubig empfunden wird, wurde Mastodon nie den Ruf der Plattform für Nerds los.

Bluesky hat dagegen einen entscheidenden Vorteil. Es sieht aus wie X, ist sogar ein Ableger des Unternehmens – aus Vor-Musk-Zeiten. Der damalige Twitter-CEO Jack Dorsey hatte den Start des Spin-offs 2019 verkündet. Im Februar dieses Jahres startet die Beta-Version mit wenigen hundert ausgesuchten Nutzer:innen. Im September wurde nach eigenen Angaben die Millionen-User-Schwelle überschritten. Und sie steigt weiter.

Noch ist Bluesky verhältnismäßig klein. Zudem fehlt die Möglichkeit, Direktnachrichten zu versenden oder Posts in Listen zu sortieren. Dennoch trendet dort seit Tagen das große Hallo. Man freut sich, dass man da ist. Begrüßt alte Freund:innen, die man lange nicht gesehen hat. Hilft Neu­stei­ge­r:in­nen auf die Sprünge.

,,Hallo, Menschen auf BlueSky", schrieb zum Beispiel die österreichische Politikwissenschaftlerin, Kolumnisten und Posterin Natscha Strobl am Montag. Und freute sich kaum eine halbe Stunde später: ,,Ihr seid so lieb. Ich wurde noch (null) Mal beschimpft oder für eine Regierungskrise verantwortlich gemacht." Was die zwei wichtigsten Phänomene verdeutlicht: Die alte Social-Media-Selbstironie hat hier Platz. Denn die rechten Trolle fehlen. Zumindest noch.

,,BlueSky ist ein bisschen wie Einschulung im neuen Gymnasium. Neue Klasse, viele alte und paar neue Freunde, einige aus dem Kindergarten sind plötzlich wieder da. Dafür sind ein paar Raufbolde (sagt man das noch so?) ganz weit weg", schreibt der Anwalt Chan-Jo Jun und kündigt an, seine Tweets bei Twitter zu löschen. Dort hatte er fast 100.000 Follower.

Das Fehlen der rechten Trolle liegt auch an der exklusiven Zugangsregel, die Bluesky noch vorhält. Rein kommt man erst nach wochenlanger Wartezeit – oder waren es gar Monate? Oder wenn man einen Einladungscode hat. Den dürfen Schon-User:innen an ihnen genehme andere in kleinen Dosen weitergeben. Kri­ti­ke­r:in­nen gilt Bluesky daher als elitärer Club. Die Firma will mit der Zugangsbeschränkung nicht nur einen organischen Aufbau sichern, sondern Spammer und ,,Bad User", die versuchen, die öffentliche Meinung zu manipulieren, raushalten. Also Musk. Trump. AfD-Trolle. Putin-Spam.

Aktuell scheint das zu funktionieren. Zwar entspannen sich schon heftige Diskussionen darüber, ob Mas­to­don nicht doch besser oder zumindest unverzichtbarer wäre, ob das mit Bluesky nicht auch nur ein Hype ist und ob es wirklich von Vorteil ist, dass man bisher noch nicht mit extrem anders Denkenden debattieren kann. Oder muss. Aber man bleibt höflich.

Selbst der Bundestag ist schon da. Und dessen Social-Media-Verantwortlicher kann freundlich nach Support fragen, ohne gleich von einem gehässigen Mob verspottet zu werden.

Kurz gesagt. Es ist herrlich entspannt. Anziehend. So anziehend, dass #Bluesky und #Himmel seit Tagen sogar beim ollen X, ehemals Twitter trenden. Und #Code. Weil viele nach begehrten Einlasscodes fragen. Bei Ebay werden sie sogar für 10 Euro angeboten.

Mittlerweile sind auch erste Po­li­ti­ke­r:in­nen da. Saskia Esken zum Beispiel. Die SPD-Vorsitzende, die sich wegen Musk vor einem Jahr bei Twitter verabschiedete, steht seit 4 Tagen bei Bluesky so sehr Rede und Antwort, dass man sich fragt, ob sie sonst noch zu was kommt. Offensichtlich hat sie was vermisst.

Auch erste Medien sind aktiv. Die taz zwitschert im Himmel. Von der Tagesschau gibt es immerhin einen inoffiziellen Nachrichten-Bot. Und die Süddeutsche ..., nein halt. Das war ein Fake. Gestartet, um zu zeigen, dass man gerade bei neuen Plattformen vor allem eins bewahren sollte: kritische Distanz.


Aus: "Das große Hallo am blauen Himmel" Gereon Asmuth (3.10.2023)
Quelle: https://taz.de/Kurznachrichtendienst-Bluesky/!5961131/ (https://taz.de/Kurznachrichtendienst-Bluesky/!5961131/)

...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2023, 01:53:11 PM
Quote[...] Es fühlt sich gerade an, als wäre Twitter längst tot, aber noch nicht beerdigt. Seit Elon Musk die Plattform vor einem Jahr gekauft hat, baut das Soziale Medium der Wahl für Medien- und Politikmenschen (das inzwischen X heißt) zunehmend ab. Musk hat die Moderation der Inhalte dramatisch reduziert: Rassismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus nehmen deswegen zu, und seit dem Überfall der Hamas auf Israel wird die Seite mit Fake-Videos, manipulierten Fotos und Deepfakes überflutet. Viele Nutzer fühlen sich auf Twitter/X nicht mehr zu Hause. Forscher und Klimaaktivisten haben es bereits in Scharen verlassen. Doch nicht nur scheint da eine Alternative am Horizont, sie ist der Horizont selbst: das dezentrale Netzwerk Bluesky, zu Deutsch: blauer Himmel. Viele versprechen sich einen Ersatz für Twitter/X. Aber braucht es den überhaupt?

Besonders in linken und linksliberalen Kreisen hieß es in den vergangenen Tagen auf X häufig: "Ihr findet mich drüben" – auf Bluesky. In der FAZ kommentierte man bald die "linke Blase" dort und die Welt beklagte den fehlenden Willen der Nutzer, "sich dem breiten Diskurs zu öffnen". Hier spiegelt sich die inzwischen über zehn Jahre alte Befürchtung, im digitalen Raum könnten sich Echokammern oder Filterblasen bilden, in denen Leute sich ideologisch abschotten, Austausch verweigern und so die Spaltung der Gesellschaft befördern. Doch diese Angst ist überzogen. Womöglich könnte eine Fragmentierung des Internets sogar zu einer gesünderen Debattenkultur führen.

Die Geschichte des sozialen Internets lässt sich als Geschichte immer intensiverer Zentralisierung erzählen. Sie begann mit einer stetig steigenden Anzahl an getrennten Foren, in denen man Interessen oder Hobbys diskutieren konnte. Dann kam die noch immer dezentrale, doch durch Links teilvernetzte Blogosphäre aus Blogs und persönliche Webseiten. Und letztendlich Facebook, (das damalige) Twitter, Instagram und Co., die ein einziges Profil für jeden Nutzer und einen einzigen Feed anboten, auf einer einzigen Plattform. Musste man zuvor Inhalte suchen, fanden die Inhalte einen nun von allein. Andersherum fanden auch die eigenen Inhalte wie durch algorithmische Zauberhand ein Publikum, was jedoch ein neues Problem schuf: einen Kontrollverlust.

Üblicherweise kommuniziert man in Kontexten, die durch unser soziales Umfeld oder den physischen Raum, in dem wir uns aufhalten, begrenzt sind. Elektronische Medien ändern das. Sie reißen diese Grenzen ein, und plötzlich sendet man an ein potenziell unendlich großes Publikum. Das Phänomen nennt sich context collapse: Verschiedenste soziale Situationen und ihre spezifischen, womöglich inkompatiblen Regeln rutschen ineinander. Wenn sich Kontexte vermischen, kann das schnell mal kompliziert werden, man kennt das von Geburtstagsfeiern, zu denen man unterschiedliche Freundesgruppen einlädt. Der Kollege kennt diese Referenz nicht, der Schulfreund war bei jener Anekdote nicht dabei, gegenüber dem Ex-Partner sollte man dieses und bei der Nachbarin jenes Thema vermeiden. Es kommt rasch zu Un- oder Missverständnissen, in jedem Fall benötigt man viel Fingerspitzengefühl.

Doch die sozialen Fallstricke der eigenen Party sind nichts im Vergleich zur explosiven Reichweite in den sozialen Medien. Zunächst kommuniziert man meistens in den intimeren Kontext einer Gruppe von Freunden oder Followern hinein. Erst, wenn der Beitrag in dieser Gruppe als gut empfunden, geliket und geteilt wurde, findet er seinen Weg zu flüchtigen Bekannten oder gar Wildfremden. Die Pointe, das Argument oder die Einsicht, die dem Beitrag dabei ermöglicht hat, unter Freunden und Followern erfolgreich zu sein, benötigt dabei meist Kontext, der mit zunehmender Reichweite verloren geht. Empfänger jenseits des eigentlichen Zielpublikums sehen den Beitrag und verstehen ihn häufig falsch oder gar nicht.

In vielen Fällen ist das nicht schlimm. Wenn man einen Witz nicht versteht, scrollt man einfach weiter. Doch in politischen Diskussionen, in denen die Gemüter schneller erhitzt sind, verhindert dieser halb private, halb öffentliche Kommunikationsmodus häufig eine produktive Auseinandersetzung. Die gängige Angst vor Polarisierung durch Filterblasen oder Echokammern ist überzogen, denn die Beweislage für dieses Phänomen ist äußerst dünn. Es weist sogar vieles darauf hin, dass der Nachrichtenkonsum von Menschen durch soziale Medien diverser wird, denn online begegnen einem schnell Nachrichten, nach denen man nicht aktiv sucht.

Doch die Konfrontation mit abweichenden Meinungen ist kein Selbstzweck und führt nicht zwangsläufig zu Kompromissen und dem Erfolg des stärksten Arguments. Stattdessen lässt sich häufig ein Backlash beobachten: Leute begegnen alternativen Standpunkten online und nutzen sie, um sich gegen sie abzugrenzen, ziehen sich noch tiefer zurück in ihre Gruppe. Das ist eben besonders einfach, weil Kommunikation über die ineinander kollabierenden Kontexte hinweg so leicht missverstanden wird. Man begegnet ständig Standpunkten und Argumenten, die ohne den notwendigen Kontext krude oder extrem wirken und fühlt sich in seiner eigenen Position gestärkt. Die harten Fronten in den sozialen Medien entstehen nicht aus Isolation, sondern werden in ständiger Konfrontation geschmiedet.

Der produktive Austausch geschieht viel eher in kleineren, intimeren und eben auch einigermaßen homogenen Gemeinschaften, wie sie sich in Gruppenchats, auf der Chatplattform Discord und nun womöglich auch auf Bluesky bilden. In solchen Kontexten kennen Menschen sich untereinander oder zumindest die Verhaltensregeln innerhalb der Teilöffentlichkeit, man gesteht einander Fehler zu und ist bereit, Missverständnisse auszudiskutieren. In solchen Communitys entsteht (womöglich) ebenjener produktive Austausch, den viele sich wünschen, die jetzt die politische Homogenität auf Bluesky beklagen. Kommunikation in Gruppen und Kommunikation zwischen Gruppen kann wieder getrennt stattfinden, wie es lange die Norm war. Das mäßigt die diskursiven Schaukämpfe und Gruppendynamiken, die auf Twitter/X mit Debatte verwechselt werden. Denn die Plattform war nie ein freier Marktplatz der Ideen, sondern schon immer blutiges Kolosseum.

Eine Fragmentierung des sozialen Internets muss daher nichts Schlechtes sein – und ist schon längst im Gange. Auf Discord, ursprünglich eine für Gamer gedachte Chatplattform, bilden sich ständig neue Communitys, die an die Foren des frühen Internets erinnern. Instagram, Facebook und Snapchat folgen dem Vorbild von TikTok und verschieben ihren Fokus von sozialer Interaktion hin zu einer stetigen Flut algorithmisch empfohlener Videos, die man möglichst passiv (zusammen mit der Werbung) anguckt. Und vor dem linken Exodus von X gab es bereits mehrere Abwanderungswellen aus dem rechten politischen Spektrum zu Alternativen wie Rumble, Parler oder Donald Trumps eigener Plattform Truth Social – auch, weil hier laxere Regeln für rechte bis rechtsextreme Äußerungen herrschen. Doch Fakt ist, dass der dauerhaft erregte Modus der ultrazentralisierten Social-Media-Plattformen alle anstrengt – nicht nur Linke – und dazu motiviert, nach Alternativen zu suchen.

Wenn die NZZ also klagt, dass Bluesky "die langweiligste Social-Media-Plattform" sei, da dort nur Linke und Linksliberale "unter Gleichgesinnten" abhängen, dann hat sie womöglich Recht: Wer will, dass es kracht, muss sich aktuell noch woanders umschauen. Die Harmonie auf Bluesky ist allerdings nicht Symptom einer Spaltung der Gesellschaft; sie bedeutet die Rückkehr zu einem gesünderen Modus von digitaler Öffentlichkeit.


Aus: "Ihr findet mich drüben" Titus Blome (11. Oktober 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2023-10/bluesky-twitter-alternative-linke-oeffentlichkeit-digital-politisch/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2023-10/bluesky-twitter-alternative-linke-oeffentlichkeit-digital-politisch/komplettansicht)

Quote
NeinDoch

Also Psychologe mit Kommunikations- und politische- als Schwerpunkt, kann ich bei diesem Artikel nur die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.
Der Autor redet sich Filterblasen so herlich schön ... und dann liest man "Studierte Philosopie und Politikwissenschaften ..."ODer "Empfänger jenseits des eigentlichen Zielpublikums sehen den Beitrag und verstehen ihn häufig falsch oder gar nicht" - Kritik feindlicher kann man es kaum beschreiben.
Sie suchen sich die "guten klingenden" Argumente für eine stärkere Filterblasenbildung herraus, und die möglichst negativsten Beispiele von "anderen Meinungen" und schreiben sich einen Artikel mit dem jeder andere "Philosophie / Politikwissenschafts studenten" sich gut fühlen kann ....

3. Tun sie das nicht! Bitte !Genau wegen diese Filterblasen Bildung kommt ihnen jetzt alles LGBT++ feindlich vor; die beim Reden nicht Gendern.

4. Suchen sie sich lieber andersdenkenden die Argumentieren können, anstatt vor allen wegzulaufen. Schauen sie sich rechte alternative Nachrichtenseiten an, genau das wird Bluesky, noch schlimmer als Twitter wird es die Linke Medien/Polit Elite von der Gesellschaft spalten.

Lesen sie die Kommentare hier ! Bei der linken Zeit, und denken sie selbst Kritisch!!


QuoteDer Meldereiter

Ich verstehe das Problem nicht. Es ist doch beides wichtig: Foren, in denen es grundlegend kontrovers abgeht, und solche, wo schon einiges an Grundkonsens besteht, so dass bestimmte Fragestellungen vertieft werden können.

Wenn man etwa die Vor- und Nachteile von Wärmepumpen-Typen erörtern will, dann macht man das am besten in einem Fachforum, in dem nicht dauernd jemand dazwischenquakt, dass es Klimawandel ja schon immer gegeben hat.


QuoteRunkelstoss

    grundlegend kontrovers

Fälschungen, Beleidigungen, Drohungen, Hetze sind nicht "kontrovers" sondern Fälschungen, Beleidigungen, Drohungen.

Meine Antwort auf ihren Kommentar ist kontrovers. Eine persönliche Attacke nicht.


Quote
Der Meldereiter

Antwort auf @Runkelstoss

Ja, aber die Frage, wie die Kontroverse ausgetragen wird, ist eine andere. Schlechten Stil gibt es auch bei der Erörterung von Detailfragen innerhalb eines Grundkonsens'.


QuoteRunkelstoss

Ich habe mich bisher von Facebook und Co. ferngehalten, mir hat gereicht, was ich darüber gelesen habe.

Meine Erfahrungen beziehen sich im Wesentlichen auf Online Foren von Zeitungen und Zeitschriften und da dominiert eine Erfahrung.

Es gibt eine Mehrheit von Menschen die überhaupt kein Problem damit haben die wildesten Behauptungen zu posten, Fragen nach Argumenten oder Quellen, werden in der Regel nicht beantwortet.

Ich habe das immer für ein bizarres Phänomen gehalten, weil es so sowohl jeder kommunikativen Logik widerspricht und auch in meinem Alltag, außerhalb von Online Foren, so nicht vorkommt.

Ich habe mich immer gefragt in welcher Verfassung Menschen sind die problemlos Bullshit verbreiten. Ok, es gibt Menschen die sind etwas gestört und trollen nur herum, die zieh ich mal ab, aber das erklärt nicht den Rest.


QuoteSiedepunct

    Ich habe mich immer gefragt in welcher Verfassung Menschen sind die problemlos Bullshit verbreiten.

Die Antwort sind Tribalismus und Identitätspolitik. Stammestreue ist im Zweifel wichtiger als Faktentreue. Kann man bestimmt evolutionstheoretisch begründen.


QuoteSiedepunct

Man kann nicht über Themen wie den Klimawandel (und was dagegen zu tun ist) streiten, wenn man jedes mal bei den Basics anfangen müsste. Mit jemanden, der glaubt, dass die Erde nicht wärmer wird oder das die Erderhitzung was gutes sei, kann man schlicht nicht über die Sinnhaftigkeit verschiedener Decarbonisierungsstrategien diskutieren. Ohne "Bubble"/Kontext würde man also immer auf Grundsatzdiskussionen zurückgeworfen, ohne wirklich Fortschritt erzeugen zu können. Gleiches gilt natürlich für jede andere Debatte, in der gleiche/ähnliche Werte-/Glaubensfundamente als Diskussionsgrundlage Voraussetzung sind. Ohne Gemeinsamkeiten keine Diskussion. Und von daher ist eine "Verbubbleung" gar nicht so verkehrt, mMn.


Quote
U. Hermes

Journos lieben Gatekeeper-Netzwerke, weil sie damit ihre eigene Hegemonie besser sichern können als in offenen Netzwerken. Bisher hat das aber - aus leicht nachvollziehbaren Gründen - nicht gut funktioniert.


QuoteNichtSoSchlimm

Oh Gott, was für ein Artikel. Der gehört dann aber bitte auch nur in der linken Bubble des Autors veröffentlicht und nicht auf einem großen Medium wie die ZON.
Ich wette darauf, dass Bluesky ein Strohfeuer gewesen sein wird.


QuoteRigel42S

Bist du es, Elon?


QuoteBoNT

Der sog. ,,Digital Public Town Square", auf dem jeder immer alles sagen kann, was ihm gerade durch den Kopf geht, ist sowieso ein Hirngespinst bzw. eine Fehlkonstruktion, weil sinnvolle Austausche dort im Großen und Ganzen nicht möglich sind.

Selbst Parlamente haben eine Instanz, die auf die Einhaltung bestimmter Kommunikationsregeln achtet und diese ggf. durchsetzt, wie bspw. einen Parlamentspräsidenten. Geht ja auch gar nicht anders, weil sonst früher oder später alle sich gegenseitig anbrüllen würden... so wie es eben in Netzwerken wie Twitter üblich ist.

Und selbst in Parlamenten kann nicht jeder sprechen, sondern eben nur Abgeordnete, bzw. Gäste, die vom Parlament eingeladen wurden, und das auch nur nach vorheriger Anmeldung beim Parlamentspräsidium, was auch Sinn ergibt, denn ansonsten würde es dort zu einer nicht mehr handhabbaren Kakophonie kommen und das Parlament würde noch weniger auf die Reihe bekommen als schon jetzt.


Quoteagamemnon

Der Autor hat "vergessen" zu erklären, wen er mit "links" meint.

Vermutlich diejenigen, die nach wie vor das Hohe Lied der Covid-Maßnahmen singen und denen die Waffenlieferungen in die Ukraine gar nicht schnell genug gesteigert werden können.


QuoteShenki1971

Sonst alles klar soweit heute ??


Quotevorderwäldler

Oh, Mann, was für ein Niveau.


Quotecommander Doge

Verständlich, ich finde es auch unglaublich ermüdent in den sozialen Netzwerken mit Rassisten, bekennenden Faschisten, Sexisten, Klimawandelleugnern, Impfskeptikern und sonstigen Verschwörungsgläubigern zu diskutieren, da diese einem nur Hass entgegen bringen und wissenschaftliche Fakten schlicht nicht akzeptieren.

Da kann ich meine Zeit auch lieber in konstruktiven Diskussionen mit gleichgesinnten verbringen und mich mit ihnen konstruktiv darüber austauschen, wie man die Probleme dieser Welt lösen könnte.

Also, ihr findet mich da drüben!


QuoteDerMünchner

Mir gehts genau so mit Muslimen. Ständig wird mir erkläert dass der Islam ja in Wahrheit die "Religion des Friedens" ist. Komplett irre.


Quote
Loretta Prein

Komplett irre ist es, von einer lauten Minderheit auf die Gesamtheit zu schließen.


QuoteAnti-Frust-Igel
Antwort auf @DerMünchner

"Ständig wird mir erklärt..."

Naja. Da müssen Sie die Konfrontation aber wohl auch aktiv suchen. Bei den Gesprächen mit Muslimen in meiner Umgebung - durchweg nette Menschen, auch wenn ich deren Lebensstil nicht in allen Punkten teile(n kann) - hat mich noch nie jemand in religiösen Fragen zu belehren versucht. Und auch in den Foren, die ich besuche ist mir so was noch nicht passiert. Allerdings halte ich auch nicht den Muslimen die Taten der Islamisten vor. Pauschalisierung erzeugt halt entsprechende Reaktionen.

"Aber so sind sie halt, die Münchner, gell?" ;)


Quotemagnalogger

Twitter ist schlichtweg die Realität.

Wenn Linke und Links-Liberale auf Bluesky lieber unter sich bleiben, flüchten sie vor der Realität.

Und ja, Redefreiheit gilt auch für Idioten.
Sonst ist es keine Redefreiheit.


QuoteBoNT

Die Realität findet immer noch außerhalb des Smartphone statt.


QuoteMartin Köster

Twitter ist schlichtweg die Realität.

Ist es eben nicht!

Das ist ein Zerrbild der Realität, wenn Trolle, Radikale und Extreme versuchen den Diskurs zu erobern.

Das sorgt nämlich dafür, dass alle gemäßigten Stimmen sich (angewidert) zurückziehen, und das wird mit genau solcher Absicht wissentlich und willentlich inszeniert.


Quote
Ceadere

Die Social-Media-Welt scheint sich etwas zu zerfasern, in viele Universen mit ihrer jeweils geneigten Bevölkerung. Vielleicht ist das okay, weil dann Massenpaniken schwerer anzuzetteln sind...


Quotemarcel_nrw

Ich verstehe dieses "nicht aushalten können" von anderen (auch dummen) Meinungen eh nicht.

Auch auf X/Twitter pflegen ja Leute aus sämtlichen Meinungsspektren Blocklisten mit Personen der jeweils abweichenden Meinung. ... Ich frage mich, was man auf eine Plattform davon hat, wenn man Meinungen des anderen Spektrums ausblendet und sich nur in seiner eigenen Echo-Kammer bewegt. Für mich sind Block-Funktionen für Personen, die jemanden belästigen, beleidigen oder angreifen gedacht. Es muss sich keiner beschimpfen oder belästigen lassen. Aber doch nicht für das Ausblenden missliebiger Meinungen.


Quote
Wunderbares Wildschwein


"Aber doch nicht für das Ausblenden missliebiger Meinungen."

Das ist mir gestern im "Das Gravenbruch-Forum" auf Facebook passiert.

Der Gründer will ständig politisieren, auch wenn es mit dem Stadtteil nichts zu tun hat. Als er sich wunderte, dass hier zu 23% AfD wählten (was sogar zur Abwechselung mal was mit dem Ortsteil zu hatte), versuchte ich ihm an dem Beispiel eines Türken, der hier das ganze Haus aufmischt, zu erklären, wie AfD-Wähler wenigstens zum Teil entstehen. Durchaus auch mit Verweis auf die 99%, die sich normal benehmen.

Eine Admin hatte mich angepöbelt, weil ich erwähnte, wie der Ortsbeirat bei Problemen für die Bürger NICHT da ist, während er sonst immer präsent ist, wenn irgendwo ein Reissack umfällt und er sich wichtig hält, dass er sich noch beim Gang an die Wahlurne ablichte ließ, um das gleich bei Facebook hochzuladen.

Moderation gibt es ansonsten keine, das Forum wird mit bunten Bildchen geflutet, dass man deswegen nur die Leute blockieren kann.

Manchmal stinkt der Fisch auch vom Kopf her.


Quote
ali3imbali

Mastodon und vermutlich auch Bluesky haben eher homogene Nutzergruppen, was den Umgangston deutlich verbessert, aber leider auch ein wenig langweilig ist und zudem verhindert, dass man die Argumente von Leuten mit deutlich anderer Meinung überhaupt zu sehen bekommt.

Der Diskurs wird dadurch ebensowenig befördert wie durch Xitter, wo ich bis heute praktisch keine sinnvolle Diskussion zu einem kontroversen Thema gefunden habe - das Kollosseum ist ein sehr treffendes Bild dafür. Ich benutze es deshalb auch nur passiv als eine Art Newsfeed.

Für eine einigermaßen fruchtbare Diskussion braucht es einige Grundregeln und eine gewisse Bereitschaft, Argumente der Gegenseite überhaupt zuzulassen. Das finde ich am ehesten tatsächlich z.B. hier und auch im SPON-Forum, die ja relativ streng kuratiert werden. Wenn man jetzt noch einen Rahmen schaffte, der den Dialog untereinander ein wenig mehr förderte, wäre dies das ideale Forum.


Quote
Twisted Firestarter

Twitter et al. sind keine Plattformen zum Meinungsaustausch (wie auch, bei weniger als 300 Zeichen), sondern Nachrichtenbeschleuniger.

Ich bin da nur als passiver Konsument vertreten, for reasons. Manches ist schwer auszuhalten, v.a. jetzt im Israel-Konflikt, Meldungen kommen quasi ungefiltert. Aber das ist auch eine Stärke dieser Plattform, aus diesen Gründen blocke ich prinzipiell niemanden. Ich will auch verstehen wie diejenigen ticken, deren Meinungen ich nicht teile oder aus verschiedenen Gründen vielleicht sogar verachte.

Wenn nun die Linken sich ihren eigenen Ponyhof bauen kann man das natürlich machen. Aber wenn das dann mit der harten Wirklichkeit verprobt wird, dann soll man sich nicht wundern. Gleiches gilt übrigens für die hart Rechten.


QuotePedant

Habe am Samstag Abend meine Twitter App gelöscht weil ich die ungefilterten Bilder und Videos von abgeschlachteten Menschen und entführten Kindern nicht mehr ausgehalten habe.


QuoteBlaubeerchen

Nun der eher magere Erfolg der Twitter-Alternativen (von Mastodon über Threads bis hin zu Bluesky) weist in Kombination mit einem sterbenden Twitter/X auf was ganz anderes hin:

Die meisten Menschen haben gar keine große Nachfrage für ein Kurznachrichten-Netzwerk. Twitter war immerhin auch vor Musk das kleinste der "großen Netzwerke" und hat medial und politisch eine massiv überbewertete Bedeutung zugeschrieben bekommen, wohl auch deshalb, weil vor allem Journalisten (unabhängig der politischen Richtung) auf der Plattform aktiv waren. Dadurch waren mehr Scheinwerfer auf Twitter gerichtet, als Augen aus der Gesellschaft.

Die größte Bubble ist und bleibt daher das Twitter-Prinzip selbst, was seine Nutzerschaft mit einbezieht.

Daher ist meine persönliche Konsequenz viel simpler: Braucht man alles nicht. Online Diskutieren kann man in echten Foren 100 mal besser, selbst YouTube-Videos ("Essays") sind besser dazu geeignet. Und eine Debatte im echten Leben, wo Menschen in Echtzeit und damit aufrichtig ihre Expertise über ein Thema unter Beweis stellen müssen, kommt eh nix heran.


Quote
Hambörger

Ich bin maximal nicht überzeugt. Der gesellschaftliche Diskurs hat durch die sog. sozialen Medien arg gelitten. Es gibt keine gemeinsame Grundlage von Fakten für eine Diskussion verschiedener Ansichten, jeder zieht sich in den safe space seiner Filterblase zurück und ist erschrocken, sobald er auf Andersdenkende trifft.

Wer ständig nur Gleichgesinnte spricht, erhält ein völlig schiefes Bild von der Realität, die Kompromissbereitschaft sinkt.

Die Algos sorgen schon innerhalb einer Plattform dafür, dass man immer die eigene Meinung bestätigt bekommt, mit verschiedenen Plattformen wird es eher noch schlimmer.


QuoteRottenlast

Viel mehr noch drängt sich mehr der Eindruck auf, dass Filterblasen dazu führen, dass sich ihre Teilnehmer gegenseitig aufschaukeln und zu immer extremeren Ansichten oder Forderungen pushen. Es fehlt ja jedwedes Korrektiv.
Das führt dann dazu, wenn man sich außerhalb dieser Blase bewegt, dass zumeist jede gemeinsame Diskussionsgrundlage mit "Andersdenkenden" gar nicht mehr vorhanden ist, weil man sich selber thematisch schon völlig radikalisiert hat.

Ich sehe daher - im Gegensatz zum Autor - diese Fragmentierung des Internets und der Diskursräume als äußert kritisch und befürchte hier ein wesentliches Triebmittel für die weitere Spaltung der Gesellschaften.


QuotederBjörn

Ich verstehe nicht, warum erst Threads und jetzt Bluesky gehyped werden.
Warum von der einen kommerziellen Algorithmusfeed-Hölle in die nächste?

Es gibt so viele bessere, nicht profitorientierte Alternativen!

Kleine Auswahl: Mastodon, Pixelfed, Pleroma


QuoteReAnder

In den USA war Twitter eigentlich die einzige Plattform, in denen linke Stimmen große Reichweite generieren konnten (Facebook ist ja "Boomerhell", Youtube Algoritmen spülen wie ein Naturgesetz Alt-Right Inhalte hoch, das gleiche mit TikTok und viele Tageszeitungen sind eher in der Mitte zu sehen).

Eine ähnliche Rolle spielte Twitter auch für das Linksliberale Lager, hier auch noch verstärkt zum Austausch und zur Vernetzung. Natürlich hat es die konservativen Krawallmännchen/fräuchen gefreut, dass dieser Austausch durch ihre Trollhorden dank Twitter Blue torpedierte wurde.

Mit den neuesten Änderungen (die Ausblendung von Meta-Daten für Links und, wie ich gehört habe, die Entfernung der Werbekennzeichnung(?!)) ist selbst die Informationsfunktion Twitter nicht mehr gegeben.

Es gehört daher viel Verblendung und Realitätsverweigerung dazu, wenn man jetzt Linksliberale kritisiert, dass sie dieses Sh...hole zu gunsten einer ordnetlich funktionierenden Plattform zu verlassen, die nicht strategisch in den Ruin geführt wird.


QuoteRottenlast

Das witzige, als Twitter es genauso nur andersherum gemacht hat und nahezu alles instant weggelöscht wurde, was auch nur im Ansatz nicht ins Meinungsspektrum des - naja verwenden wir mal ihren Begriff - "Linksliberalen" passte, fandens alle supi, weil man sich sicher sein konnte, die Moderation stets auf seiner Seite zu haben.

Ich erinnere mich bspw. als der twitter-algorhytmus mal den account der Jüdischen Allgemeinen gesperrt hat, weil einer ihrer Artikel mutmaßlich gegen die Regeln verstoß, obwohl dort lediglich Beispiele durch Negativformulierungen als Stilmittel verwendet wurden.

Mein Twitter-Account wurde ebenfalls gelöscht, weil ich Beiträge mit migrationskritischen Inhalten retweetet hatte. Alleine schon die Statistik zur Entwicklung der Erstanträge führte dazu, dass man als fremdenfeindlich eingestuft wurde.

Das wirkt jetzt ein bisschen so, als würde man bockig den Spielplatz verlassen, auf dem man bisher die Deutungshoheit gepachtet hatte. Kann man ja nur hoffen, dass das "hier ist es scheisse, los kommen wir gehen alle woanders hin" auch von allen disputscheuen Mitinteressenten vernommen wird und alle zusammen im neuen safe-space landen.


QuoteVeganesHack

Ist immer wieder lustig, zu sehen, wie einige Menschen so gar nicht klar kommen, wenn sie sich nicht in einer Echokammer befinden.


QuoteHeimweh04

Ja, lustig!

Ausgerechnet Welt, Bild, FAZ und NZZ, wo für rechte Politiker vorgedacht wird, beschweren sich darüber das die Zielgruppen ihrer Hasskampagnen in Scharen Twitter verlassen...


QuoteAventurin

Na das ist doch einfach eine Sache von Ursache und Wirkung: Seit Musk ist der Umgang dort richtig schlimm geworden. Das hat nichts mit unterschiedlichen Meinungen zu tun.


QuoteKnilch aus der Bäckerei
Antwort auf @Aventurin

Hier wird so getan, als ob Twitter nicht schon immer toxisch war. Davor kamen einfach endlos viele Shitstorms aus der linken Bubble.
Diese Bubble hat es einfach verdient, dass ihr Spielplatz kaputtgemacht wurde.


Quote_

Twitter ist aktuell voll von rechter Gülle, wird mit Fake News von russischen Bots geflutet und präsentiert immer mehr Schrottwerbung für toxisches Crypto-Zeug, Aktienmarkt-Manipulationen, u.ä. Ober-Macker Elon Musk promotet im Kontext des Israel-Hamas-Krieges eindeutig antisemitische Accounts wie War Monitor. Es ist eine Jauche-Grube.

Nichtsdestotrotz zeigt sich im Kontext des Israel-Hamas-Krieges eben auch wieder, dass Twitter nach wie vor die relevanteste Plattform und (leider) noch lange nicht tot ist. Die meisten (echten) Experten sind noch dort und nicht bei Bluesky. Medien referenzieren dauernd Twitter-Posts und keine bei Bluesky.

Und wir erinnern uns: Nach der Übernahme durch Musk und der anschließenden Massen-Entlassungswelle haben uns im Herbst letzten Jahres massenweise Experten erzählt, dass Twitter innerhalb weniger Wochen technisch sterben wird. Immer wieder liefen Wechselwellen zu Mastodon, Threads und jetzt zu Bluesky an. Aber Twitter ist immer noch da. Es ist immer noch gut möglich, dass Twitter stirbt. Aber leider ist es lange noch nicht so weit, auch wenn wir uns das in immer neuen Artikeln immer wieder neu herbei fabulieren.


QuoteTenki Star

Guter Artikel... nur warum darf ich diese Ansicht immer noch in eine Kommentarspalten schreiben, hier auf der Platform, die genau die Probleme reproduzieren dürfte, die oben angesprochen werden?


QuoteReAnder

Weil das Forum hier moderiert wird.


QuoteExExpat

Auch das Zeit Forum ist schon eine Blase. Wenn Sie z.B. die Welt oder die TAZ ansehen, finden Sie im Schnitt eine deutlich andere politische Ausrichtung. Das ergibt sich schon aus der Auswahl der Themen, zu denen es Artikel und damit Diskussionen gibt, der Moderation und der Tendenz, dass man eher Zeitungen liest, bei denen man sich nicht ständig über die Inhalte ärgert.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2023, 11:39:52 AM
17.10.2023 "Kein Frieden ohne Lösung der #Palästinenser-Frage!" Slavoj #Žižek eröffnet #Buchmesse
https://youtu.be/Xt2JBG3VqKA (https://youtu.be/Xt2JBG3VqKA)

Quote[...] Der slowenische Autor und Philosoph Slavoj Žižek hat seine umstrittene Rede bei der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse verteidigt und seinen Kritikern indirekt Zensurversuche vorgeworfen. Konkret beschuldigte er der hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker (CDU), sich wie ein "Politkommissar" im "DDR-Kommunismus" zu verhalten. Seine Forderung nach einem Dialog zwischen Israel und den Palästinensern bekräftigte Žižek. Er befürchte "eine Megakatastrophe", die für beide Seiten schlimm werde, sagte er auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat.

In seiner Rede bei der Eröffnungsfeier am Dienstagabend hatte Žižek gefordert, im Konflikt zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel die Lage der Palästinenser nicht zu vergessen. Man müsse auch den Palästinensern zuhören und den Hintergrund des Konflikts beachten, um ihn zu verstehen. Žižek wurde wiederholt von Zwischenrufen Beckers unterbrochen. Der CDU-Politiker warf dem Philosophen vor, das Vorgehen Israels mit den Terrorangriffen der Hamas zu vergleichen und damit den brutalen Angriff der Islamisten auf israelische Zivilisten zu relativieren. Žižek wies dies empört zurück.   

Auf der Literaturbühne der Buchmesse sagte Žižek nun, er verurteile "ohne Wenn und Aber" das Handeln der Hamas und relativiere nichts. Man müsse aber fragen, was der Hintergrund sei, vor dem große Verbrechen geschähen.

Der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, sagte zu Žižeks Rede: "Es ist die Freiheit des Wortes. Und die müssen wir hier stehen lassen, das ist mir wichtig." Er betonte zugleich: "Wir verurteilen den Terror. Wir sind Menschen und wir denken menschlich. Menschlich, auf israelischer Seite, auf palästinischer Seite." Er sei auch froh, "wenn eine Rede unterbrochen wird", sagte Boos. "Das muss möglich sein. Ich bin froh, dass wir die Rede zu Ende gehört haben, auch wenn sie uns nicht gefallen mag. Auch wenn wir sie sogar verurteilen, es ist wichtig, dass wir uns zuhören."

Unterstützung erhielt Žižek von mehreren israelischen Intellektuellen, darunter dem Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus. Er sagte, Žižek habe viel Kritikwürdiges gesagt. Zutreffend aber sei seine Diagnose, dass es wichtig wäre, die Situation besser zu analysieren. "Ich wünsche mir, dass ich diese Komplexität besser verstehen kann. Damit wir bessere Lösungen finden. Weil die Lösungen, die wir gerade haben, scheinen seit Jahrzehnten nicht zu funktionieren." Der Historiker Doron Rabinovici sagte, Teile von Žižeks Rede seien ihm "fremd" gewesen. Zutreffend aber sei: "Es gibt ein Leid des palästinensischen Volkes."

Auch der deutsch-israelische Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, äußerte Zustimmung für Žižeks Forderung, dass alles kontextualisiert werden müsse. "Vermutlich stimmt das. Aber ich merke, wie schwer es mir fällt", sagte Mendel. Er forderte einen Grundkonsens, dass bei den Massakern der Hamas am 7. Oktober "das absolut Böse" am Werk gewesen sei. "Da braucht es keine Kontextualisierung. Darüber kann man nicht diskutieren. Aber wenn wir diese gemeinsame Grundlage haben, können wir über alles sprechen."


Aus: "Slavoj Žižek weist Kritik an umstrittenen Äußerungen zu Nahost zurück" (18. Oktober 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2023-10/slavoj-zizek-buchmesse-kritik-verteidigung-antisemitismus (https://www.zeit.de/kultur/literatur/2023-10/slavoj-zizek-buchmesse-kritik-verteidigung-antisemitismus)

Quote
skippy502

Die jüngsten Eskalationen der Konflikte in Europa und Nahost deuten darauf hin, dass sich weltweit eine Spirale der Unversöhnlichkeit beschleunigt. Was uns aus ihr hinaushelfen kann, ist das Kennen und Verstehen der konträren Positionen. Emotionale Reflexe, missionarisches Sendungsbewusstsein und einseitige Parteilichkeit hingegen sind Drehbeschleuniger der Spirale. Unsere Chancen stehen schlecht, wenn nun auch hierzulande Andersdenkende angeprangert werden. Anders gesagt: Wir bräuchten mehr Žižek und weniger Becker.


Quotejus-kenner

Der Nahostkonflikt ist ziemlich komplex. Damit sind offenbar nicht nur viele in der deutschen Bevölkerung, sondern auch viele in der deutschen Politik intellektuell überfordert. Dann liegt es nahe, sich in simples Schwarz-Weiß-Denken zu flüchten. Auf diesem beruhen die Äußerungen aller, die nur eine Seite als grundsätzlich gut und die andere als grundsätzlich böse ansehen.

Und dem wohlfeilen opportunistischen Lippenbekenntnis eines ,,We-Stand-With-Israel" vieler deutscher Gutmenschen (insbesondere in der Politik) traue ich angesichts des bis heute immer wieder bei Umfragen festgestellten tief verankerten antisemitischen Denkens (vor allem auch bei vielen Deutschen OHNE Migrationshintergrund, die zu über 1/5 auch noch eine Partei wählen würden, die sich offen antisemitischer Codes bedient), ohnehin nicht über den Weg. Insbesondere, wenn dieses Lippenbekenntnis bei vielen Deutschen (anders übrigens als bei vielen Israelis und außerhalb Israels lebenden Juden) auch noch mit völliger Empathielosigkeit gegenüber dem Schicksal und dem Leid der Palästinenser einhergeht.

Daher kann ich die deutsche Empörung (insbesondere eines pseudochristlichen Politikers) über die Rede Zizeks, die sich um das Erfassen der Komplexität der Lage zumindest bemühte, nur als durch und durch bigott empfinden.


QuoteFriedenstaube2019

Der Hamas-Angriff auf Israel war ein böswilliges, gemeines Terroristenstück. Hinterlistig und unterstützend vom mordenden iranischen System. Nichts daran kann ich irgendwie für verteidigenswert halten. Die Stimme kritischer differenzierender und kontexualisierender Intellektueller halte ich dennoch für notwendig, denn der Ausweg aus dem Israel-Palästina-Problem darf eben nicht eine von Schreiern unterstützte Hamas-Mordmaschine sein. Kritische Stimmen in Israel weisen auch auf die Verantwortung der jetzigen rechten Regierung hin, die Hamas gestärkt habe. Wenn wir den klugen kritischen Stimmen nicht zuhören, werden wir zu dumpfen Populisten. Zisek ist ein kluger Kopf, zuhören und solidarisch mit Israel sein in dieser Situation dürfen sich nicht ausschließen.


QuoteSchimmerlos

Auch das freie Wort hat dort eine Grenze, wo es in einem Kontext Dinge relativiert, verharmlost und gleichsetzt, wo man sie nicht gleichsetzen kann.


Quote
Halp

Antwort auf @Schimmerlos

Nein, das ist schlichtweg falsch. Das freie Wort darf nicht verboten werden. Aber es sollte auch Konsequenzen geben, die sich a) aus dem objektiven Wahrheitsgehalt und b) aus der Absicht der/des Sprecher/s dieses Wortes ableiten.


QuoteLudwig Edel

Ich danke Slavoj Žižek für den Versuch einer differenzierten Ausleuchtung der äusserst komplexen historischen Hintergründe. Den Vorwurf der Vergleichsziehung und Relativierung, der Žižek gemacht wurde, halte ich für absolut ungerechtfertigt.


QuoteBeRootOrReboot

Wer Heydrich zitiert, kann keine komplexen historischen Hintergründe ausgeleuchtet haben.


Quote
kanga
Antwort auf @BeRootOrReboot

Haben Sie gehört, wie er ihn zitiert hat? Als negatives Gegenbeispiel...


QuoteGnurg

Erinnert mich, obwohl es doch was ganz anderes ist, an Stockhausens Aussagen zu 9/11, von wegen die Anschläge seien "das größte Kunstwerk, was es je gegeben hat".

Auch hier mit Zizek treffen Philosophentum und Politik hartkantig aufeinander. Ich würde, als neutraler Beobachter ohne richtig ausgereifte Meinung zu dem Thema, jedoch eher Zizek Gehör schenken. Der Mann hat mehr als genug bewiesen, dass er komplexe Themen gut durchdenken kann.

Andererseits denke ich auch, dass beide, sowohl der Philosoph als auch der Politiker hier einfach nicht viel zu melden haben: Wenn es sich monotheistische Religionen in den Kopf gesetzt haben, dass die andere Religion falsch ist, dann kommt man in der Regel mit Logik, guten Ratschlägen und 'Friedensplänen' nicht weit. Irgendwann kommt doch wieder einer auf die Idee, dass es sich lohnt für irgendeinen Gott zu töten und zu sterben. Die religiösesten Länder sind ja meist auch die gewalttätigsten. Aber das ist sicher nur ein Zufall.


Quotejozipbroz

Das Elend mit diesen Begriffen kommt immer wieder vor bzw. diese Begriffe werden immer wieder bewusst missverstanden + zur Diffamierung eingesetzt:
"Vergleichen", "Gleichsetzen", "Relativieren".

1) "Vergleichen" ist fast immer sinnvoll, wenn es sorgfältig, rational, abwägend und vor allem inhaltlich erfolgt. Natürlich kann "man" das Vorgehen der Hamas in ganz vielen Aspekten mit dem Vorgehen Israels "vergleichen". Und wenn "man" dabei sorgfältig arbeitet, werden (These) eine ganze Reihe bedeutsamer Unterschiede zwischen Hamas und Israel deutlich werden, auch und gerade bei der Kriegführung.

Mit einem derartigen Vorgehen wird in keinster Weise ein

2) "Gleichsetzen" vorgenommen - was interessanterweise, lt. ZEIT-Berichterstattung, von CDU-Becker auch nicht vorgeworfen wird; er wendet sich schon gegen jegliches "Vergleichen", obwohl dies, jenseits seiner Vorwürfe, ja durchaus sinnvoll sein kann (siehe oben).

3) "Relativieren" ist demgegenüber, heißt:
gegenüber dem "eigentlich" rationalen Verfahren des "Vergleichens", wie auch gegenüber dem "eig." (dann nämlich, wenn eine rationale Begründung geliefert wird) rationalen Verfahren des "Gleichsetzen"s (das aber eben oftmals rhetorisch-irrational verwendet wird);
eine rhetorisch-propagandistische Funktion bzw. Methode, die regelmäßig auf der Basis der inkorrekt verwendeten Behauptungen des "Vergleichen"s bzw. "Gleichsetzen"s verwendet/angewendet/versucht wird.

FAZIT: CDU-Becker hat sich irrational empört. Zizek hat rational Recht.


QuoteBeRootOrReboot

Sie irren, wenn Sie die Empörung allein auf den Antisemitismusbeauftragten der hessischen Landesregierung, Becker, CDU, schieben.

Mike Josef, Oberbürgermeister von Frankfurt, SPD und Andrea Dorn, Kultusministerin von Hessen, Die Grünen, waren ebenfalls empört und haben u.a. auch den Saal verlassen. Beide haben dazu noch heute Interviews gegeben.


QuoteNogod

Antwort auf @BeRootOrReboot

Empörung ist nun mal wohlfeil. Komplexe Sachverhalte durchdenken, eher weniger.


QuoteBeRootOrReboot

Antwort auf @Nogod

In Foren wird sich oft unterkomplex empört. Der Forist, der sicherlich mit Absicht Marschall Tito im Namen trägt, hat hier politisch unterkomplex versucht, den Eklatcharakter einer einzigen politischen Partei anzulasten.

Das trifft aber nicht die Stimmung im Saal und bei den Veranstaltern, wovon letztere noch immer eifrig eine sie entlastende Kontextualusierung in die Nachrichten zu bringen versuchen.


QuoteBeRootOrReboot
Antwort auf @Nogod

Übrigens gehört es auch zur situativen Komplexität, wurde aber von Zizek wohl nicht aufgegriffen, dass ein Teil der Frankfurter Messe derzeit Flüchtlinge aus jenen Ländern beherbergen muss, die von Islamisten und autokratischen Demokratiefeinden beherrscht werden, die Israels Existenzrecht bestreiten.


QuoteRick_Sanchez_23

Žižek hat recht und er hat sich nun wirklich ausreichend vom Terror distanziert. Das muss man ja nun nicht in jedem Nebensatz betonen.
Doch der Versuch die Hamas einfach "auszurotten" wird genauso scheitern wie der "Krieg gegen den Terror". "Hoppla, auf einmal IS".
Es sind nicht Menschen die man bekämpfen darf, sondern eine Ideologien. Wenn man hier einfach die Anführer tötet stehen sofort 10 neue da.
Doch um die Ideologie der Hamas auszurotten, muss eine Zweistaaten Lösung her, wie von der UN gefordert.


QuoteBeRootOrReboot

Die Hamas will keine Zweistaatenlösung und wird sie auch nicht akzeptieren.
Die Hamas will nach eigener Bekundung die Auslöschung aller Juden und allen jüdischen Lebens im Nahen Osten.
Die Hamas akzeptiert noch nicht einmal Gewaltlosigkeit gegenüber der Fatah.

So viel Kontext braucht man.


Quote
PastPerfect

Antwort auf @BeRootOrReboot

Die radikalen Juden wollen auch keine Zweistaatenlösung.


Quotejozipbroz

Antwort auf @BeRootOrReboot

Die Hamas will, was sie will.
Die radikalen Juden (BeRootOrReboot) wollen, was sie wollen.
Trotzdem hat, systematisch-logisch-theoretisch, Rick_Sanchez_23 Recht. Es braucht nur die Träger einer solchen Lösung (und natürlich weiterhin die entsprechende militärische Macht Israels zur Selbstverteidigung (und theoretisch auch die entsprechende militärische Macht der arabischen Staaten, nämlich um sich gegen Hamas & Co. zu verteidigen (siehe Ägypten))).
Dann KÖNNTE langfristig die "Heilige-Krieg-Ideologie" in ihrer Massenwirksamkeit ausgetrocknet werden.


Quotevincentvision

Das rechtskonservative Lager, macht aktuell leider entscheidende Fehler bei seiner Solidarität mit Israel!

Es setzt die radikalislamische Hamas und ihren Terror mit den Palästinensern gleich. Und es geht sogar noch weiter und setzt die Palästinenser mit allen Muslimen gleich und fordert absurderweise Ausweisungen oder sonstige Sanktionen.

Das ist politische und ethnische Sippenhaft, die nie etwas zum Besseren drehen wird!

Und wenn Zizek nichts anderes tut, als völlig berechtigt zu erläutern, dass zur Lösung dieser Situation die Gesamtsituation und alle Beteiligten betrachtet werden müssen, dann sprechen die entsprechenden ablehnenden Reaktionen leider Bände.

,,Wer nicht hundertprozentig für sie (die Israelis) ist, ist automatisch gegen sie" greift eben viel zu kurz - und schürt nur weiteren Hass und Hetze!


Quoteetiam_si_omnes_ego_non

Zu einer umfassenden Betrachtung der Situation gehört allerdings auch dies: Die Palästinenser in Gaza haben die Hamas an die Macht gewählt, und bis heute hat sich in der dortigen Bevölkerung keine nennenswerte Opposition zur Regierung formiert. Im Gegenteil, die Gräueltaten der Hamas-Terroristen wurden in Gaza bejubelt, die Geiseln von der Menge geschändet.
Auch in der muslimischen Welt erheben sich keine prominenten Stimmen, die die Hamas und ihre Taten verurteilen - stattdessen kritiklose Solidarität.

Irgendwann kann man sich nicht mehr darauf herausreden, machtlos und unwissend gewesen zu sein.
Irgendwann heißt es eben: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.

Siehe Deutschland 1933-45.


QuoteMr.Roboto

Ich frage mich, ob sie eine ähnliche derartige Differenzierung auch für die Deutschen in der Zeit von 1933-1945 vornehmen würden. Und das ist durchaus vergleichbar in Anbetracht der Tatsache, dass das Hamas-Regime gewählt wurde und in einer absoluten Radikalität, mit Hass und Antisemitismus die Zerstörung Israels (und damit der Juden, zumindest ihre Vertreibung) als Ziel hat und alle Mittel dafür verwendet. Eine Mehrheit der Palästinenser in Gaza und sehr viele Muslime weltweit steht nun einmal hinter diesen Zielen, das ist doch offensichtlich.

Aber klar, alle die Solidarität mit Israel zeigen, müssen rechtskonservativ sein. Sie haben große Probleme, vincentvision.


QuoteBeRootOrReboot

Nicht nur der Antisemitismus-Beaufragte der hessischen Landesregierung (Becker, CDU), sondern auch der Oberbürgermeister von Frankfurt (Joseph, SPD) und die Kultusministerin von Hessen (Dorn, Die Grünen) haben den Saal verlassen. Zwischenrufe kammen überwiegend von Becker, aber eben auch noch von vielen anderen hessischen Politikern - auf der Frankfurter Buchmesse immer stark vertreten - die aber nicht alle der CDU angehören oder gar Rechtskonservativ sind.

Zizek hat ja u.a. auch Reinhard Heydrich zitiert, was viel Protest hervorgerufen hat.

Eine sinnvolle Kontextualisierung des heutigen Konfliktes kann ich das auch nicht im Entferntesten finden.


QuoteGogol85

Antwort auf @etiam_si_omnes_ego_non

Guter Vergleich, aber leider ohne Geschichtsbewusstsein. "Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen" war mitnichten die Politik der Alliierten. Das ist schlicht und einfach unwahr. Im Zuge der Entnazifizierung hat man klugerweise differenziert. Im "Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946", kurz Befreiungsgesetz hat, man etwa "zur gerechten Beurteilung der Verantwortlichkeit und zur Heranziehung zu Sühnemaßnahmen" folgende Gruppen gebildet: 1)Hauptschuldige 2) Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer) 3) Minderbelastete (Bewährungsgruppe) 4) Mitläufer 5) Entlastete. (---> siehe hierzu der Wikipedia-Artikel zum Befreiungsgesetz)


QuoteGogol85

Antwort auf @Mr.Roboto

Offensichtlich sind die Ziele der Hamas. Was die Mehrheit der Muslime weltweit will, mit Verlaub, wissen sie genau so wenig wie ich. Und was ihren Vergleich angeht, empfehle ich einen Blick in die Geschichtsbücher. Die Alliierten haben differenziert. Wir sind heute zivilisatorisch weit hinter das zurückgefallen, was die Alliierten auf deutschem Boden erreicht haben. Als Deutscher kann ich mich nur dafür schämen, dass so viele Menschen, die, um Bundeskanzler Kohl zu zitieren, das "Glück" der späten Geburt hatten, das alles heute nicht mehr erinnern wollen. Oder lesen sie die Rede von Bundespräsident Weizsäcker. Kohl und Weizsäcker waren zwei Konservative, die wussten, was sie den Alliierten zu verdanken hatten. Zur Erinnerungskultur der Deutschen gehört heute darum auch, sich des Handelns der Alliierten zu erinnern. Sie haben am deutschen Volk das Exempel historischer Gerechtigkeit statuiert. Kein Deutscher heute hat das moralische Recht, hinter diese - nennen wir sie ruhig "rechtskonservativen" - Errungenschaften zurückzugehen.


Quotevincentvision

Antwort auf @Mr.Roboto

Mit Leseverständnis haben Sie es nicht so, oder!?

Sonst würden Sie mein ,,Die Rechtskonservativen machen entscheidende Fehler bei der Solidarität mit Israel" nicht umdeuten in ,,Alle, die Solidarität mit Israel zeigen, sind rechtskonservativ".

Und leider glaube ich nicht, dass Sie meine Kritik verstehen...


QuoteMr.Roboto

Antwort auf @vincentvision

Ich habe Sie schon ganz genau verstanden, auch Ihre Reaktionen bzw. besser gesagt fehlenden Reaktionen vor zwei Wochen. Sie betrachten Menschen kritisch, die 100% hinter Israel stehen. Menschen also, die 100% hinter dem Staat der Juden stehen und bei einem terroristischen Angriff, welcher ehrlich gesagt eher einem Pogrom glich, nicht sofort "Ja, aber..." rufen. Sie und einige andere benutzen zivile Oper auf der palästinensischen Seite als Rechtfertigung für anti-israelische Statements - nicht alle so offensichtlich, aber die Stoßrichtung ist mindestens mal zwischen den Zeilen zu erkennen. Der Hass einiger Linken auf Israel ist nun nichts Neues und es hat nur wenige Tage gedauert, bis die altbekannten Phrasen in die Welt posaunt wurden.

Dabei ist es eindeutig: Ihr wollt Israel das Recht versagen, die Hamas zu vernichten - also jene Organisation, die nicht nur über Gaza herrscht (gewählt), sondern die vor allem Israel zerstören will und dabei Hunderte Zivilisten getötet und weitere verschleppt hat. Da werden, nachdem diese ihre eigene Bevölkerung als Schutzschilde nutzten und wahrscheinlich ihr eigenes Krankenhaus getroffen haben, schnell Verhandlungen gefordert und Israel kritisiert. Dabei ist es Israel, welches die Gegenseite vorwarnt, nicht andersherum. Das ist alles so durchschaubar und dennoch so schäbig, was Teile der Linken hier veranstalten. Ihr macht euch mit lupenreinen Antisemiten gemein und merkt es nicht einmal.


QuoteArnnewillnix

Ich frage mich: Wenn einer seiner Angehörigen Opfer des Hamas Terrors geworden wäre, hätte er sich auch so geäußert??


Quotegolino

Wenn einer Ihrer Angehörigen Palästinenser wäre, wie würden Sie sich äußern? Genau.


QuoteArnnewillnix

Antwort auf @golino

Und wenn Ihre Angehörigen beim Festival gewesen wären?

...

[...] Die militärische Operstion dient der Vernichtung einer terroristischen Organisation nach rinem terroristischen Angriff und nicht der Ausübung von Rache, da verwechseln Sie etwas.
Vollends naiv ist es von Ihnen auch noch wenn Sie demokratische Grundwerte im Zusammenhang mit der Hamas anführen, welche genau diese brutalst ablehnt


QuoteNordmar

Dieses Argument ist vollkommen stumpf. Wir sind als Gesellschaft bspw. einig, dass die Todesstrafe verboten sein soll. Wenn allerdings Ihr Verwandter/Kind einem Gewalt- oder Sexualverbrechen zum Opfer fällt, wären Sie vielleicht auch für die Todesstrafe für den Täter.

Eine moderne, humane Gesellschaft baut man nicht auf den emotionsgesteuerten Rachegelüsten von Opfern auf, so nachvollziehbar und menschlich deren Gefühle auch sind.


Quotecommander Doge

Das Totschlag Argument "Antisemitismus" wird inzwischen so dermaßen missbraucht, dass es jede Diskussion erstickt. Nicht alles ist automatisch Antisemitismus, und Kritik an Israels Politik ist es defacto nicht.

Wenn ein Philosoph wie Žižek, der sich in seiner Geschichte immer für die Menschenrechte eingesetzt hat, nicht einmal mehr auf die Menschen in Gaza und deren Leiden aufmerksam machen kann, und nicht einmal mehr eine differenzierte Diskussion anstoßen kann, dann haben die Rechtsradikalen Hardliner in Israel wirklich volle Arbeit geleistet und wir die demokratische Meinungsfreiheit wirklich aufgegeben.

Wieso sind uns die Leben der Palestinenser eigentlich so egal? Kinder sind Kinder, egal wo sie geboren wurden.
Wer meint, die Menschen in Gaza wären weniger wert und verdienen es zu leiden, weil die Hamas Israel angegriffen hat, der macht sich der Logik der Hamas Terroristen eigen.

Und dieser undifferenzierte Hass, der gerade mal wieder einem ganzen Volk entgegen gebracht wird - das übrigens von den Hamas Terroristen genauso unterdrückt wird, ist nicht nur zutiefst rassistisch, sondern wird den Konflikt auch nur noch weiter unnötig anheizen. Und so nur zu noch mehr Toten und Verletzten auf beiden Seiten führen.

Man erreicht Frieden eben nicht durch noch mehr Hass. Und man zerstört Terroristen auch nicht mit Bomben, das mussten schon die Amerikaner schmerzhaft in Afghanistan und Irak lernen. Und Israel sollte das eigentlich auch wissen, nach über 70 Jahren Konflikt.


QuoteGogol85

Vielleicht sollten wir in die Geschichtsbücher schauen und überlegen, wie die Alliierten den NS-Terror beantwortet haben. Vollständige militärische und politische Entmachtung der Verantwortlichen. Nachhaltige Verhinderung einer Rückkehr der NS-Ideologie. Strafprozesse gegen führende Repräsentanten. Entnazifizierung. Verzicht auf Racheakte. Aufbau einer demokratischen Kultur. Nahezu vollständiger Rückzug aus der Besatzung. Relativ baldige Übergabe der Macht an eine junge Demokratie. Wenn das angesichts der Shoa möglich war, dann muss es auch angesichts der durch die Hamas verübten Progrome möglich sein. Wer - wie manche - hinter diesen zivilisatorischen Status quo ernstlich zurück will, dreht das Rad der Geschichte zurück in die Steinzeit. Das Ziel des israel. Militärs und seiner Verbündeten sollte also nicht "Rache" lauten, sondern: Entmachtung und Grundgesetz.


Quote
Der Eskapist

"Und man zerstört Terroristen auch nicht mit Bomben, das mussten schon die Amerikaner schmerzhaft in Afghanistan und Irak lernen." Nunja, das ist jetzt so auch nicht richtig. Der IS in Syrien und dem Irak wurde nicht mit Worten besiegt sondern mit Bomben und Gewehren.


Quote
CingCoCo

Antwort auf @Gogol85

Im Gegensatz zu den Palästinensern hatten die Nazis aber einen großen Haufen Macht. So viel Macht, dass sie die Welt 6 Jahre lang in einen vernichtenden Krieg stürzen konnten bei dem zuweilen Gebiete vom Atlantik bis in den Kaukasus unter NS-Herrschaft fielen.

Die HAMAS ist eher mit der ETA oder IRA vergleichbar. Die haben auch wahllos in der Gegend rumgebombt. Besiegt wurden sie aber nicht durch militärische Racheakte sondern durch einen politischen Dialog und eine Inklusion der Bedürftnisse der den beiden Terrororganisationen (ETA und IRA) zugrundeliegenden Bevölkerungen, was de facto dem Terror den Boden unter den Füßen wegriss.


Quote
W. aus H.

Lieber Herr Zizek, der Hintergrund des Pali Terrors ist zum Beispiel die jahrelange Erziehung der arabischen Kinder zu Gewalt und Judenhass.


QuoteRick_Sanchez_23

Haben Sie den Text eigentlich gelesen? Er hat es doch verurteilt.


QuotePastPerfect

Was ist der Hintergrund für die religiöse fanatische Rechte in Israel?

Antwort auf @BeRootOrReboot

Und wer unterstützt die illegale Bebauung und Erschaffung von jüdischen Siedlungen im Westjordanland? Es ist nicht schwarz und weiß dieser Konflikt, sondern hat so viele Graustufen wie Beton. Wir hier in Europa haben überhaupt keine Ahnung. Wissen Sie eigentlich wie viele Bevölkerungsgruppen (auch kleine wie die Drusen) in Israel aufeinandertreffen?


QuoteNogod

Antwort auf @PastPerfect

Ach, Wissen ... wer weiß schon, dass im Osmanischen Reich (keineswegs eine Idylle der Menschenrechte) im damaligen Palestina Araber und Juden ganz gut miteinander auskamen, während die christlichen Religionen (und ihre Schirmherren natürlich) sich im 'Land des Gottessohns' die härtesten Kämpfe lieferten. Gewalttätig.

Wenn es historische Verantwortung gäbe, müssten das britische Empire und Frankreich alle vertriebenen Palestinänser aufnehmen. Als Folge der räuberischen Aufteilung des osmanischen Reichs nach dem gewonnenen WW1.


QuotePaul Freyburger

"Auf der Literaturbühne der Buchmesse sagte Žižek nun, er verurteile "ohne Wenn und ABER" das Handeln der Hamas und relativiere nichts. Man müsse ABER fragen, was der Hintergrund sei, vor dem große Verbrechen geschähen."

Was war denn der "Hintergrund" der Shoa oder der Massenmorde der Roten Khmer, um mal zwei Beispiele von monströsen Verbrechen zu nennen?

Das ist vielleicht mehr eine Frage für Psychologen und Soziologen. Ideologie, Indoktrination und psychosoziale Manipulationen bringen Menschen zu solchem Hass.


QuoteGive Peace Every Chance

Genau darauf wollte er ja aufmerksam machen. Schauen Sie sich mal seine Vita an!


QuoteGogol85

Ich wundere mich, dass man es neuerdings für illegitim hält, die Wörter "Ja" und "Aber" in einem näheren Kontext zu gebrauchen. Spiegel Online tituliert die Haltung des US-Präsidenten übrigens gerade mit "Ja, aber". Das ist treffend gewählt und zeigt mE auch, dass die US-Demokraten - und das ist ja durchaus ein Ausrufezeichen wert - zu dieser eindeutig differenzierenden Haltung kommen: Es gibt kein bedingungsloses "Ja". Der Unterschied zwischen Zivilisation und Barbarei läuft entlang der Unterscheidung von Gerechtigkeit und Rache. Die Hamas muss zur Rechenschaft gezogen werden. Daran zweifelt kein anständiger Mensch. Bis zur vollständigen Entmachtung erfordert dies militärisches Vorgehen bei Wahrung des Völkerrechts. Das ist der zivilisatorische Standard und niemand hat das Recht, hinter diese moralische Linie zurückzugehen, ohne selbst Recht zu brechen. Die notwendige Wiederherstellung von Gerechtigkeit nach den Schändungen am gesamten israelischen Volk kann nur darin bestehen, der Hamas und ihren Handlangern im weitestmöglichen Rahmen zur Verantwortung zu ziehen. Gerade in diesem Kontext ist der Vergleich zum 3. Reich mE überaus treffend. Man hat den NS-Terror militärisch und politisch komplett entmachtet, eine neue demokratische Kultur ermöglicht und es gab die Nürnberger Prozesse. Behandeln wir den Hamas-Terror also wie den historischen NS-Terror. Das Vorgehen der Alliierten nach Kriegsende gibt also durchaus eine Linie vor: Gerechtigkeit, nicht Rache.


QuoteBeRootOrReboot

Antwort auf @Give Peace Every Chance

Zizek liefert aber keine pädagogisch-praktischen Werkzeuge oder gedanklichen Ansätze, um gegen solche Ideologien vorzugehen. Vielmehr möchte er sie all kontextualisieren und als gleichberechtigte Wahrheiten nebeneinander stehen lassen.

Und das geht eben nicht - es ist ein Rückschritt, auch kulturell, hinter die moralischen Errungenschaften der Nürnberger Prozesse.


QuoteDer Eskapist

"Ideologie, Indoktrination und psychosoziale Manipulationen bringen Menschen zu solchem Hass." Sie vergessen dabei die lange Geschichte der Gewalt und Gegengewalt. Ach, hören Sie sich einfach seine Rede im Original an dann verstehen Sie eher wie er das gemeint hat.


QuotePastPerfect

Antwort auf @BeRootOrReboot

Vielleicht wollte er nur darauf aufmerksam machen, dass die Welt nicht schwarz und weiß ist.


QuoteGogol85

Antwort auf @BeRootOrReboot

Sind Sie sich da so sicher? Ich habe seine Rede nicht im Sinne eines indistinkten moralischen Nebeneinanderstellens verstanden. Ich glaube, eben jene Errungenschaften,die sie mit den Nürnberger Prozessen beispielhaft ansprechen, wäre, auch für Zizek, ein Fortschritt - jedenfalls bezogen auf den rhetorischen Status quo der Jetztzeit. Die Positionen liegen doch, in der Sache, näher beieinander als die vielen rhetorischen Exzentrizitäten heute suggerieren. Wir leiden, unter Demokrat:innen, heute leider oft unter dem Narzissmus der kleinsten Differenz, scheint mir.


...

Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 20, 2023, 12:37:30 PM
"Meinungsfreiheit: Nur 40 Prozent der Deutschen glauben, Meinung frei äußern zu können"
Noch nie gab es in der Bundesrepublik so große Bedenken, politische Meinung frei zu artikulieren. Nur Anhänger der Grünen sind noch von der Meinungsfreiheit überzeugt.
Von David Rech, Aktualisiert am 19. Dezember
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-12/meinungsfreiheit-zensur-studie-freiheitsindex-deutschland-2023 (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-12/meinungsfreiheit-zensur-studie-freiheitsindex-deutschland-2023)

QuoteEdewecht

Was für eine unsinnige Diskussion.Natürlich kann in diesem Land jede/r seine Meinung frei äussern.ohne Repressionen befürchten zu müssen.Dass die Meinungskundgaben im Netz und anderswo häufig unerfreulich , unsachlich und manchmal auch ziemlich dämlich sind,steht auf einem anderen Blatt.Man kann sich dem aber leicht entziehen und muss an dem Geplapper nicht teilhaben.Wer von Meinungsterror redet,sollte mal seinen Blick dahin richten,wo Meinungen unterdrückt und sanktioniert werden.Da fallen einem ganz viele Länder ein.


QuoteWas_ich_meine

Denke das kommt darauf an wo man es tut. Hier in der Anonymität des Forums kann es einem ja egal sein weil man max. gesperrt oder der Kommentar gelöscht wird. An meinem Arbeitsplatz in einem Konzern mit zumindest nach außen hin Auftreten wie es heute gewünscht wird, würde ich sicher nicht alle meine Ansichten äußern da ich Bedenken hätte. ...


Quoteregilot

Die Leute haben offensichtlich keine Ahnung, was Meinungsfreiheit bedeutet.

Meinungsfreiheit bedeutet, wegen seiner öffentlich geäußerten Meinung nicht eingesperrt zu werden.
Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, teils deutlichen Widerspruch zu erfahren.
Wer einen Crashkurs in Meinungsfreiheit haben will, kann sich gerne nach Moskau auf den Roten Platz begeben und ein Plakat hochhalten, auf dem Putin in Sträflingsklamotten zu sehen ist....


QuoteHabibi Bloxberg

Naja, man bekommt jede Woche einen neuen Shitstorm mit, durch den dann jemand von der öffentlichen Bildfläche verschwindet.

Menschen mit unliebsamen Meinungen werden aus dem Diskurs gedrängt, durch verbale- oder körperliche Angriffe.

Beispiele der jüngeren Zeit:

Constantin Schreiber, der nicht mehr öffentlich in Erscheinung treten kann/will, nachdem er Kritik am Islam geübt hatte.
Abdel Al Samad, der sich zwar noch äußert, aber nur noch mit massivem Polizeischutz das Haus verlassen kann.
Frau Vollbrecht, die an der Uni Berlin einen Vortrag zur Zweigeschlechtlichkeit halten wollte.
Bernd Lucke, der keine Vorlesungen mehr halten kann
Musiker, die wegen Ihrer Haare nicht mehr spielen dürfen.
Und dutzende Beispiele aus England und den USA, wo das Phänomen noch stärker um sich greift.
Begleitet wird das ganze von einer Schwemme an Artikeln, Kommentaren und Glossen, die permanent versuchen, konservative Ansichten in Richtung der AfD und des Rechtsextremismus zu rücken:
,,Das ist AfD Sprech; das ist Wasser auf die Mühlen der Rechten; das ist Menschenverachtend, ihr wollte alle Menschen im Mittelmeer ersaufen lassen..." etc.

Insofern muss ich gestehen, dass mich diese Umfrage nicht wundert.


QuoteT. Kruck

"Constantin Schreiber, der nicht mehr öffentlich in Erscheinung treten kann/will, nachdem er Kritik am Islam geübt hatte."

Doch, er tritt weiterhin öffentlich in Erscheinung, klammert aber das Thema Islam aus. Die Attacken bzw. Bedrohungen kamen von Islamisten und Linksextremisten, nicht vom "Mainstream" oder einem nennenswerten Teil der Gesellschaft.

Ähnlich erginge es einem Comedian, der Witze über Putin machen würde. Traut sich nämlich niemand.


Quoteagneta andersson

Schreiber und Abdel Al Samad brauchen Mut für ihre Meinungen. Frau Vollbrecht ist dagegen eine Hardcore - Aktivistin, die auf eine winzige und wehrlose Minderheit einschlägt und sich als Opfer geriert. Sie hat die Naziverbrechen an Transsexuellen relativiert und Transfrauen über X in einer Art und Weise beschimpft, die einer Doktorandin unwürdig sind.


QuoteBarny Geröllheimer
Antwort auf @T. Kruck

"Ähnlich erginge es einem Comedian, der Witze über Putin machen würde. Traut sich nämlich niemand." Ich weiß ja nicht, wo sie leben, aber hier in Deutschland schon..


QuotePilotthedune

Unglaublich - dann würde ich 60 % der Deutschen mal einen längeren Aufenthalt in Traumländern wie Vereinigte Arabische Emirate, Qatar oder Türkei empfehlen...
Und nein, zur freien Meinungsäußerung gehören IMMER NOCH NICHT
Rassismus, Hass gegen Andersdenkende, Religionsfeindlichkeit, oder Träumereien über Faschismus.

Ich kriege das wirklich überhaupt nicht in den Kopf, was in diesem Lande mittlerweile los ist... klare Symptomatik von ,, uns geht's zu gut"!


QuoteSevro au Barca

    Unglaublich - dann würde ich 60 % der Deutschen mal einen längeren Aufenthalt in Traumländern wie Vereinigte Arabische Emirate, Qatar oder Türkei empfehlen...

Dass es woanders schlecht ist, heißt ja nun nicht automatisch, dass hier alles im Reinen ist.

    Hass gegen Andersdenkende

Erlebe ich hier andauernd. v.a. von denen, die sich auf der Richtigen Seite(TM) wähnen.


Quotealliance1979

Ich kann diesen Blödsinn nicht mehr ertragen. Sorry. Wenn man sich etwas mit der Geschichte unseres Landes befasst, dann stellt man schnell fest, dass es eben früher deutlich schwieriger war, seine Meinung frei zu äußern.
Himmel. Es gab mal eine Zeit, da durften unverheiratete Paare nicht mal zusammen in einer Wohnung leben.

Und erschreckend viele Menschen scheinen nicht zu verstehen, dass freie Meinungsäußerung eben auch für alle gelten.
Der Meinung wird im Zweifel also, schreck lass nach, auch widersprochen.

Und egal ob ich irgendwelchen Blödsinn oder irgendetwas besonders kluges vor mir gebe, muss ich eben mit den sozialen Konsequenzen leben. Da ich Menschen schwer zwingen kann, mich zu mögen.


QuoteDozzemer

Interessant... ich habe beim Lesen des Artikels richtig geraten, dass wahrscheinlich Wähler der Grünen diejenigen sind, die noch am ehesten zustimmen, dass jeder seine Meinung frei äußern kann.
Grund für meine Annahme war, dass zumindest nach meiner eigenen Wahrnehmung die politischen Positionen dieser Leute in den Medien sowohl stark vertreten sind als auch dort häufig in positivem Licht dargestellt werden.
Oder vereinfacht gesagt: Wer tagtäglich Beiträge sieht oder liest, die sich weitgehend mit seinen Meinungen decken, der kommt so schnell nicht auf die Idee, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt sein könnte.


Quote- E -

Einfach mal anschauen, was die auflagenstärkste deutsche Zeitung ist und dann den Satz wiederholen, dass ,,die politischen Positionen dieser Leute in den Medien sowohl stark vertreten sind als auch dort häufig in positivem Licht dargestellt werden." - dann sieht man, wie abwegig Ihre Stellungnahme ist.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73448/umfrage/auflage-der-ueberregionalen-tageszeitungen/ (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73448/umfrage/auflage-der-ueberregionalen-tageszeitungen/)


Quoteflosculi

Widerspruch erfahren verwechseln viele leider als Zensur, dabei ist es Teil der Meinungsfreiheit.



Quoteh
hanspeterpeise

Ja. Gilt für alle Seiten.


Quote
eichelhäher

Das erklärt auch, dass die Überzeugung von weniger Meinungsfreiheit mit dem Bildungsniveau korreliert.


QuoteAbydos2

Widerspruch ist nicht das Problem. Es hilft sogar die eigene Haltung zu hinterfragen. In der Form von Diffamierung, Stigmatisierung oder gar Löschung hat das dann nichts mehr mit einem wirklichen breiten Debattenraum zu tun.


QuoteStefan Saar

Bin weitgehend ungrün und hätte nicht gedacht, hinsichtlich meiner persönlichen Freiräume einig zu sein mit der Mehrzahl der Grünwähler. Deutlich formulierter Widerspruch in den Grenzen des Anstands würzt die Diskursuppe. Duckmäuser sind entsetzlich langweilig!


QuoteThe Academist

Das stimmt, allerdings kommt es schon auch auf die Rahmenbedingungen an. Denn was heißt Widerspruch, viele argumentieren ja eben nicht rational/neutral, sondern wenn die eigene Meinung verächtlich gemacht und ausgegrenzt wird, bleibt es mit der Meinungsfreiheit eher auf der technischen Ebene. D.h nicht, dass alles akzeptiert werden müsste, aber die Umfrage deutet darauf hin, dass wir in Deutschland ein Problem haben.


QuoteYog

In einem Kampf wo es um soziale Normen geht (ohne soziale Sanktionen existieren die nicht), ist das durchaus mehr als nur "Meinungsfreiheit trifft Widerspruch". Während die einen immer weiter sensibilisieren und gewisse Kategorien so weit in den Mittelpunkt rücken wollen, dass sie in der Tat zu einer sozialen Norm werden, versuchen andere soziale Normen aufzubrechen.


Quote
Magnus Nufer
Antwort auf @hanspeterpeise

Ja, die Grünen haben das offensichtlich verstanden. Denen weht gerade der Wind ins Gesicht, sie werden ständig angefeindet, aber sie sehen die Meinungsfreiheit trotzdem nicht gefährdet - weil sie mit anderen Meinungen umgehen können.

Die AfDler dagegen, die gerade Rückenwind haben und alles sagen dürfen inklusive übler Beschimpfungen, fühlen ihre Meinungsfreiheit gefährdet - weil nicht Meinungsverbote ihr Problem sind, sondern Widerspruch ihnen nicht passt.


Quote
EtwasmehrRuhe

Es geht nicht um Widerspruch sondern und die dahinterstehende Drohung. Wenn ich als Reaktion auf meine Meinung, die in keinster Weise strafrelevant ist, von meinem Arbeitgeber abgemahnt oder gar gekündigt werde, ist das eine klare Einschränkung der Meinungsfreiheit. Insbesondere bei der aktuellen Situation mit vielen heiklen Themen merkt man das.

Beispielsweise werden Nahost-Experten, die einen anderen Blick auf den Konflikt haben, derzeit konsequent von den Medien vermieden. Offensichtlich hat man Angst, dass diese Experten etwas sagen können, was die Leitmedien per se nicht senden wollen.

Auch hier bei ZeitOnline kommen Autoren wie Can Dündar nicht zu Wort zu diesem Konflikt. Denn Can Dündar hat auf seinem X-Account mehrmals veröffentlicht, dass er den Angriff Israels in Gaza als ein Völkermord wertet.

Eine solche Darstellung wollen derzeit Deutsche Medien vermeiden. Das ist eine klare Einschränkung der Meinungsfreiheit.


QuoteNW1986
Antwort auf @The Academist

Ich glaube das größte Problem ist, dass die meisten nicht mehr wissen, dass es sich bei der Meinungsfreiheit im Grundgesetz, wie beim gesamten Grundgesetz übrigens auch, um Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat bezieht. Weder Privatpersonen, noch Unternehmen, Vereine usw. sind gezwungen die Meinung anderer zu akzeptieren. Wenn ich einen AfD-Fanboy wegen seinen Ansichten aus meinen vier Wänden werfe, dann hat das nicht im geringsten etwas mit einem Eingriff in die Meinungsfreiheit zu tun. Es ist erschreckend wie vielen Menschen es selbst an grundlegender politischer Bildung fehlt. Hier zeigt sich das Versagen unseres Bildungssystems besonders deutlich. Warum sehen denn die meisten Akademiker die Meinungsfreiheit als nicht gefährdet an? Weil diese im Rahmen ihrer akademischen Ausbildung in der Regel zumindest grundlegende Kenntnisse im Bereich der Rechtswissenschaften vermittelt bekommen. Die Frage ist also warum dies an Schulen schlicht nicht vermittelt wird.


Quote
NW1986
Antwort auf @Yog

Formulieren wir es doch mal deutlich: Vor 30 Jahren war es noch völlig legitim ausländisches Leben als minderwertig zu betrachten, nach den Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen wurde nichts gegen die Täter unternommen, sondern das Asylrecht verschärft. Sie können das gerne anders sehen, aber Hetze gegen Minderheiten hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, denn es verstößt gegen Artikel 1 des Grundgesetzes und dieser steht weit über der Meinungsfreiheit und zwar moralisch und juristisch.


QuoteKlausabc2.0

Tja, die Grünen sind der Meinung das man frei reden kann. Die anderen haben das Gefühl häufig mit Ihrer Meinung niedergemacht zu werden. Das sollte den Grünen zu denken geben.


Quotebuzzwall

Erhalten Sie dafür etwa Morddrohungen wie so manche Grüne? Augenrollen zählt nicht zu Unterdrückung.


Quote
Arunai

Mir gibt zu denken, wie Sie ausgerechnet DAS aus dem Artikel herauslesen. Ich weiß, Sie mögen keine Grünen und kein grün denkenden Menschen, aber mir wäre nicht bewusst, dass "die Grünen" sich auf die Fahne geschrieben hätten, alles "niederzumachen", was anderer Meinung ist.

Ist es nicht vielleicht eher so, dass die Menschen, die so denken, wie Sie es beschreiben, schlichtweg die schlechteren Argumente haben und darum Widerworte erfahren, die fundiert sind?


Quote
aamitredn

Nein, die Grünen haben Erfahrung damit, da sie ihre Meinung noch nie unwidersprochen äußern konnten. Sie können also unterscheiden zwischen Widerspruch (ist völlig normal und in Ordnung) und Beschneiden der Meinungsfreiheit. Viele andere kommen nicht damit klar, dass andere Menschen auch anderer Meinung sein können und verwechseln Widerspruch mit Beschneiden der Meinungsfreiheit. Wenn ich mich nicht äußern will, weil ich auch mit sachlichem Widerspruch nicht umgehen kann, liegt das Problem aber zu einem großen Teil bei mir selbst, nicht bei den Gesprächspartnern.


QuoteGennusregion
@ Klausabc2.0

"Die Grünen" mal wieder.

Was Sie hier schon alles gesagt haben, wäre vor Jahren undenkbar gewesen.
Niedergemacht? Na dann schauen Sie mal in den Bundestag, in die Landtage, wer hir wen "niedermacht". Wer hetzt, lügt und hämisch artikuliert.
Richtig begonnen hat es mit Pediga, wo Dinge ins Mikro geschrieen wurden, die ich niemals für möglich gehalten hätte.


Quoterasierpinsel

Auch sollte es denen zu denken geben, die vorher nicht viel nachgedacht haben und einfach eine wenig intelligente und vielleicht sogar inhaltsleere "Meinung" haben - und denen deshalb widersprochen oder sogar gesagt wird, dass sie doch bitte mal nachdenken wollen, ob denn ihre Meinung nicht einfach verfassungs- und demokratiefeindlich ist.

Eine Meinung sollte man begründen können - sonst ist es nur ein Vorurteil oder (Nach-) Geplapper.


Quoterbiks

Dass Menschen unter Meinungsfreiheit verstehen, jeden Bullshit unwidersprochen behaupten zu dürfen, gibt mir auch zu denken. Es ist aber auch wirklich eine Zumutung, seine Meinung auch noch mit Fakten untermauern zu müssen, wenn man ernst genommen werden will...


QuoteNennt mich Freiheit

Na klar, wenn ich die mainstream-Meinung vertrete, die gerade die haben, die andere dann eins auf die Birne geben wenn sie anders denken, die können leicht denken, dass man seine Meinung frei äußern kann.
Aber seid ehrlich, wenn ich heute auf dem Marktplatz dem Journalisten sage, dass ich Migration ablehne, dann kann es sein, dass mein Haus einen Eierklecks bekommt.

Umgekehrt wird das nicht passieren.

Wenn wir von Meinungsfreiheit reden, warum werden dann andere Meinungen an Universitäten niedergeschrieben wie es die Nazis machten?
Warum werden Vorträge aus Angst vor Gewalt abgesagt?
Warum werden Menschen, die Ängste äußern in die rechte Ecke gestellt?
Wenn es freie Meinungsäußerung gäbe, dann dürfte so etwas nich passieren.


Quote
Arunai

    Warum werden Menschen, die Ängste äußern in die rechte Ecke gestellt?

Weil es sehr oft keine Argumente sind, die geäußert werden, sondern nur gefühlte Wahrheiten, die alles und jedem, das irgendwie fremd wirkt, die Schuld an Deutschlands Untergang gibt, auch wenn der Argumentierende noch nie, oder nur sehr wenig Umgang mit Fremden hatte.


Quoterasierpinsel

Ganz so einfach ist es nun wahrlich nicht. Grundsätzlich verstehe ich was Sie meinen - aber es gibt sehr dumme "Meinungen", gefährliche Hetze und Lügen... - und denen darf und muss widersprochen werden.

Wie gesagt, eine Meinung muss man begründen können, sonst ist es nur Bauchgefühl oder (Nach-) Geplapper - und das als Meinung zu titulieren ist derzeit leider Mode und wird durch die dig. Netzwerke noch massiv verstärkt/verbreitet und kann uns Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie kosten - ist also sehr gefährlich, häufig (und wohl immer häufiger) sogar tödlich (siehe Trump, Jones, MTG... und die ganzen anderen ignoranten Verschwörungsmystiker).


QuoteNibbla

    Umgekehrt wird das nicht passieren.

Ja das sinds dann Brandsätze...


QuoteNibbla

    Warum werden Menschen, die Ängste äußern in die rechte Ecke gestellt?

Menschen mit rechten Meinungen stellen sich in die Rechte Ecke. Ängste äußern viele.


Quote
nichtwichtig

    Aber seid ehrlich, wenn ich heute auf dem Marktplatz dem Journalisten sage, dass ich Migration ablehne, dann kann es sein, dass mein Haus einen Eierklecks bekommt. Umgekehrt wird das nicht passieren.

Geschichten aus dem Paulaner Garten. Wirkt insbesondere für jemanden der Menschen kennt, die sich in Ostdeutschland für die Grünen engagiert hat wie blanker Hohn...


Quotenamevergeben2

Mir scheint, dass die Ansicht, nicht mehr sagen zu dürfen, was man will, wird auch gerne als Grund genommen, anderen die freie Rede zu verbieten.
Nicht umsonst ist deren Anteil in der AfD, und gleichzeitig der Kampf gegen freie Presse, dort am größten.


QuoteHeinrich Reisen


Eines der nicht erklärbaren Widersprüche mit afd Wählern - beschweren sich über die Mainstream Presse - über die angeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit - wollen aber diese gleichzeitig sofort verbieten ...


Quotesid bertel

soso, grüne akademiker sind also von meinheitsfreiheit überzeugt. könnte es daran liegen dass der moralisierende grüne zeitgeist im land den ton angibt, die medien besetzt und jeden frevler als rechts oder als leugner abwatscht? ich habe heute in diesem medium ein posting geschrieben, dass zur berliner wahlwiederholung stellung nimmt, in dem stand dass mit neuwahlen auf bundesebenen die chance besteht das land ohne grünes zutun zu retten - ich denke das sollte von der meinungsfreiheit gedeckt sein. allerdings wird diese meinung hier nach 10 minuten wegen polemik entfernt - wollen wir ernsthaft weiter über das sagbare diskutieren?


Quote
Freizeitmitleser

Sie verwechseln gerade Meinungsfreiheit mit Hausregeln, die jedes Forum hat.


QuotePalzwoi
Antwort auf @Freizeitmitleser

Wenn die "Hausregeln" einseitig werden, ist dies eindeutig ein Thema der Meinungsfreiheit.


QuoteSchlossermeisterBernbacher

"Einzig Grünenwählerinnen und -wähler sind überzeugt, ihre Meinung in Deutschland frei aussprechen zu können. "

Passt. Das ist auch die Partei, deren Anhänger die höchsten Bildungsabschlüsse haben. Dass diese einer unklar definierten diffusen Wutbürgerparanoia folgen, ist somit schwer vorstellbar.


QuoteMantou Xiaojie

Ich bin Grünenwählerin und zur Zeit häufiger in den Kommentarspalten der BILD unterwegs... Und auch in der realen Welt: grüne Lebensgestaltung ist eher Ausnahme. Ich verstehe mich nicht als Mainstream, schön wär's, lieber als Avantgarde. Deshalb ist klar, dass andere meine Meinung nicht teilen. Ich muss sie auch nicht immer sagen, aber ich hab auch keine Angst davor.


QuoteBelzedar
Antwort auf @NureinLeser

Tja der Unterschied ist ob halt etwas mit Fakten untermauert ist, wie der menschengemachte Klimawandel, oder mit Fakefakten wie bei der Impfdebatte.


Quotevincentvision

Diejenigen, die am lautesten schreien, ,,nicht mehr alles mitteilen zu können", hört man am deutlichsten im öffentlichen Raum!

Denn sie haben eins nicht verstanden: Jeder hat das Recht, seine Meinung hier zu sagen und sich zu informieren, wo er will. Aber - das Gegenüber hat ebenso jedes Recht, ihm den Vogel zu zeigen, das Gespräch abzubrechen, ihn als Rassist zu bezeichnen oder nicht jedem Blödsinn eine gleichberechtigte Bühne zu geben.

Ihre populistischen Lautsprecher reden ihnen ein, dass Meinungsfreiheit nur bedeutet, wenn jeder ungefiltert jeden Mumpitz, jede Beleidigung und jede Volksverhetzung in die Runde dröhnen darf, wenn nicht, dann DDR und Zensur...

Doch dieses weinerliche Narrativ hat noch nie gestimmt. Wer seine Meinung äußert, muss den Gegenwind aushalten und die Verantwortung übernehmen.

Er hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber eben nicht auf eigene Fakten.


QuoteDemokrat13

Da praktisch alles, was nicht auf rot-grüner Linie ist, als rechtsextrem gebrandmarkt wird, ist das nicht wirklich verwunderlich. Dieser inflationäre Gebrauch hat übrigens auch dazu geführt, dass viele dieses Stigma auch bei der AfD nicht mehr ernst nehmen.


QuoteWiedelschnutz

Und da ist noch eine Sache:

"Kann frei reden" ist kein polarer Gegensatz zu "Besser vorsichtig sein" und vice versa. Ich gebe Ihnen ein Beispiel (und hoffe die Moderation flagt diesen Kommentar nicht aufgrund von Triggerwörtern wie den folgenden Schimpfwörtern, denn es geht ja um eine Demonstration):

Wenn ich Max Mustermann nicht mag und finde dass er unglaublich dummen Schwachsinn von sich gibt, dann kann ich das so lange zur Kenntnis geben, solange ich ihn nicht einfach nur beleidige. Stellen wir uns mal vor, Max glaubt, die Erde sei flach - dann steht es mir einfach zu seine Gedanken (!) als idiotisch, bizarr, bescheuert, seltendämlich, realitätsfremd und stupide zu bezeichnen. Weil die Erde ist ja eine Kugel und Mustermann denkt einfach nachweislich komplett bescheuerten Schwachsinn.

Ich kann ihn aber nicht "Drecksau" oder "Wichser" oder was auch immer nennen und ad hominem angreifen. Warum? Ach ja, stimmt - weil man in seiner Argumentation bzw. seinem Diskurs was sein muss? Richtig: Vorsichtig.

Das ist in etwa so wie bei der Kiste mit Israel grade: Jeder kann und darf bestimmte Teile der Knesset kritisieren - mache ich ja auch, einfach weil radikalisierte Zionisten genauso spinnen, wie radikalisierte Moslems, Christen, usw. Trotzdem obliegt es ja mir und meiner eigenen Vorsicht, mich klar und differenziert zu äußern und halt nicht irgendwas von wegen "Die Juden..." zu faseln - weil das halt antisemitisch wäre.

Dass man 60 % genau das erklären muss, ist beängstigend.


...
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 05, 2024, 11:54:40 AM
Das GuteKommentarKonto (04.02.2024): Politische Auseinandersetzungen sollten mit Worten geführt werden.

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Quote[...] Die brutale Attacke am Freitagabend auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) am Rosenthaler Platz in Mitte hat eine weitaus größere Dimension als bislang bekannt. Er soll von einem muslimischen Kommilitonen schwer verletzt worden sein.

Offenbar wurde der 30-jährige Lahav Shapira von einem 23-jährigen arabischstämmigen FU-Studenten erkannt, wie Angehörige des 30-Jährigen erklärten. Denn Shapira hatte nach dem Massaker der islamistischen Hamas am 7. Oktober in Israel gegen propalästinensische Aktionen an der FU und die Verharmlosung des Terrors protestiert, aber auch an die von den Hamas entführten Israelis erinnert.

Der Bruder des Opfers, der Comedian Shahak Shapira, teilte beim Twitter-Nachfolger X mit: ,,Es gab keinerlei politische Debatte. Er wurde vom Angreifer in der Bar erkannt, dieser ist ihm und seiner Begleitung gefolgt, hat sie aggressiv angesprochen und ihm dann unangekündigt ins Gesicht geschlagen."

Auch die Mutter des Opfers äußerte sich. Tzipi Lev, die in Sachsen-Anhalt lebt, sagte dem israelischen Nachrichtenportal Ynet: ,,Am Freitag saß Lahav mit seiner Freundin in einer Bar. Sie hatte das Gefühl, dass sie ständig jemand ansah, und dann sagte Lahav ihr, dass es jemand war, den er von der Universität kannte, und sah, dass er es war."

Weiter berichtete die Mutter. ,,Als sie die Bar verließen, begann dieselbe Person, ein Araber, auf einmal, Lahav auf sehr harte Weise anzugreifen. Er schrie ihn an: ,Warum posten Sie Bilder von Entführten?' Er war voller Hass." Shapira hatte Fotos von Menschen verbreitet, die beim Angriff der Hamas auf Israel von den Terroristen in den Gaza-Streifen entführt worden waren.

Die Darstellung der Familie widerspricht der Mitteilung der Polizei zu dem Fall. Die Überschrift lautete: ,,Streit zwischen Studenten eskaliert". Es soll um unterschiedliche Einstellungen zum Nahost-Konflikt gegangen sein. Weiter erklärte die Polizei: Es habe ,,sich zunächst ein Streitgespräch entwickelt. Im Verlaufe des Streits soll der Jüngere den Älteren unvermittelt mehrmals ins Gesicht geschlagen haben, sodass dieser stürzte. Auf den am Boden liegenden Mann soll der Kontrahent dann eingetreten haben."

Das Opfer habe Frakturen im Gesicht erlitten, hieß es von der Polizei. Nach Angaben der Angehörigen geht es Lahav trotz der schweren Verletzungen den Umständen entsprechend gut. Die Polizei konnte den Angreifer fassen. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat den Fall übernommen.

Lahav Shapira ist der Enkel von Amitzur Shapira, einem Leichtathletik-Trainer und Mitglied der israelischen Delegation bei den Olympischen Spielen in München, der beim Massaker an israelischen Sportlern durch die Terrororganisation ,,Schwarzer September" bei den Sommerspielen 1972 ermordet worden war. Lahavs Großvater mütterlicherseits war der einzige Shoa-Überlebende dieses Familienzweigs.

Über die propalästinensischen Aktionen an der FU und den Protest ihres Sohnes dagegen sagte die Mutter nun: ,,Lahav wurde von ihnen als Zionist bezeichnet und engagierte sich viel gegen den Antisemitismus, für Israel und für die Freilassung der Entführten."

Auch die FU hat bei X – allerdings nicht per direktem Post, sondern nur als Antwort auf den Post einer Journalistin – reagiert: ,,Wir sind tief betroffen. Die Freie Universität Berlin steht für Offenheit und Toleranz und distanziert sich von jeglicher Form von Hetze und Gewalt." Der Begriff Antisemitismus taucht im Statement nicht auf. Shahak Shapira kommentierte: ,,Um die Leute zu zitieren, die seit Monaten die FU in einen unsicheren Ort für Studierende gewisser Herkunft verwandeln: solche Angriffe finden nicht in einem Vakuum statt."


Aus: ",,Er war voller Hass": Muslimischer Student der FU Berlin verprügelt Shahak Shapiras Bruder" Alexander Fröhlich,  Julius Geiler (04.02.2024)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/er-war-voller-hass-muslimischer-student-der-fu-berlin-verprugelt-shahak-shapiras-bruder-11159581.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/er-war-voller-hass-muslimischer-student-der-fu-berlin-verprugelt-shahak-shapiras-bruder-11159581.html)

QuoteMcSchreck
05.02.24 10:36
An jeder normalen Universität würde der Täter jetzt mit der Exmatrikulation zu rechnen haben.

Zu der Pressemitteilung der Polizei möchte ich anmerken, dass diese natürlich keine Vorverurteilung enthalten darf, selbst wenn ich Herrn Shapira jedes Wort glaube. Es wäre ja schon ein großer Zufall, dass der Beschuldigte gleichzeitig das Lokal verlässt, ohne Böses im Schilde zu führen. Und dass ein "Streit eskaliert" ist eine immer wieder gebrauchte Formulierung, die oft die Sachlage nicht trifft, wenn es einen klaren Aggressor und jemanden gibt, der von ihm attackiert wird.


QuoteCJa
05.02.24 10:35

Schon im Kaiserreich, erst recht in der Weimarer Republik, waren die deutschen Universitäten ein Hort des Antisemitismus - mit auch physischen Angriffen auf jüdische Studenten oder Dozenten (am bekanntesten: E. J. Gumbel), Sprengung von Vorlesungen, Boykottaufrufen, Diffamierungskampagnen. Hat sich nicht viel geändert, auch nicht an den bestenfalls halbherzigen Reaktionen der Unileitungen.


QuoteSimone1963
05.02.24 10:35

Das nennt sich wohl "Verdachtsberichterstattung" und erinnert an die Anfänge der Berichterstattung im Hinblick auf Gil Ofarim.

"Auch die Mutter äußerst sich zur Tat". Die lebt allerdings nicht in Berlin, war bei dem behaupteten Vorfall auch nicht anwesend wird aber im Artikel mit Aussagen zitiert, die der einer Augenzeugin bei dem Vorfall gleichkommt. Und im Artikel wird dann lediglich auch noch, ohne eigene Recherchen des Tagesspiegels, Bezug genommen auf Nachrichten
auf X von Familienangehörigen.

Um Stellungnahmen des "muslimischen Kommilitonen" und eine damit verbundene Sachverhaltsdarstellung hätte man sich ja bemühen können. Ist aber anscheinend nicht geschehen, sonst hätte es ja erwähnt werden können.


QuoteSilvio_Goerner
05.02.24 10:24

Es ist absolut beschämend, dass sich jüdische Mitbürger im Land der Täter fast 80 Jahre nach dem Ende der Shoa nicht mehr sicher fühlen können.

Die Deutschen sind Schuld an dieser Entwicklung, weil die Mehrheit nicht in der Lage ist, sich mit den Ursachen dieser Entwicklung ehrlich zu beschäftigen.

Es handelt sich hier um eine neue Art von Antisemitismus als Ergebnis einer falschen Toleranz gegenüber Antisemiten mit Migrationshintergrund.

Ein Migrationshintergrund darf keine Ausrede dafür sein, dass wir bei Antisemitismus wegschauen. Es muss endlich unsere Aufgabe sein, dass wir von jedem Menschen, der in unser Land kommt, erwarten können, dass er kein Antisemit ist.

Wer dazu nicht bereit ist und dadurch eine Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland wird, muss ausgewiesen werden bzw. dem müssen wir die Einreise verweigern.


Quoteaxantas
05.02.24 10:22

Ist das ein Teil der intelektuellen Elite, mit der wir uns hier in Zukunft herumschlagen müssen. Kein Diskurs, nichts, einfach nur dreinschlagen? Dann gute Nacht.

Aber dann sofort "Diskriminierung" schreien, wenn man mal einen Schritt zurück machen und mit Besonnenheit an Dinge rangehen müsste. Viele arabischstämmige Mitbürger haben noch einen enormen kulturellen Nachholbedarf, wie wir hier miteinander umgehen.

Nicht, dass ich das irgendwie gutheissen würde: Aber dann wundert man sich, dass sich Kräfte formieren, die solche Elemente aus dem Land raus haben wollen.


QuoteLausoderhexe
05.02.24 10:50
@axantas am 05.02.24 10:22

Ja, dieser Mensch hat kulturellen Nachholbedarf, wie auch tausende mit 5 Generationen deutscher Vorfahren.

dieses ausspielen von antisemitismus und islamfeindlichkeit ist genauso widerwärtig, wie den Amtsinhaber in Israelkritik zu verpacken.

Shahak und sein Bruder sind laut im benennen der Missstände und Blinder Flecken in unserer Gesellschaft. Viele reagieren darauf mit Reflexen von Hass und Gewalt, anstelle mit Selbstreflexion und Reflexion.

das ist Teil des Problems, nicht der Lösung denn:
"es gibt nichts inhumaneres als selektiven Humanismus." (Shahak shapira 10.10.23).


QuoteWaldfrau
05.02.24 10:19

Ich muss sagen, dass macht mich wütend, zornig und ich bin entsetzt. Auch wie damit umgegangen wird.
Da gibt es nichts runterzuspielen und zu verharmlosen!
Wo sind jetzt die Antifaschisten?


QuoteSiebenNull
05.02.24 10:48
@Waldfrau am 05.02.24 10:19

    Wo sind jetzt die Antifaschisten?

Antifaschisten und Antisemitismus schließen sich nicht aus. Klingt komisch, ist aber so!


QuoteVernunft
05.02.24 10:12

Schlimme Zustände an der FU und nicht nur an dieser Universität. Man muss die Ursachen und Motive für den dort herrschenden Antisemitismus und die Verherrlichung der Palästinenser und deren Organisationen benennen, offen diskutieren und bekämpfen. Und: Die Ermittler der zuständigen Behörden, also Polizei und Staatsanwaltschaft, sollten nicht der Versuchung nachgeben, die Sache von vornherein als kleinen Streit unter Personen mit unterechiedlichen Auffassungen herunterzuspielen. Es war eine gezielte Verfolgung eines Juden und ein gezielter Angriff auf einen Juden, weil er Jude ist und den Angriff der Hamas verurteilte.


QuoteCharly-Berlin
05.02.24 10:07

Da es hier einen klaren Bezug zur Freien Universität Berlin (FU) gibt, bin ich gespannt auf das Handeln der Unileitung. ...


...

// https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-02/juedischer-student-berlin-angriff-antisemitismus (https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-02/juedischer-student-berlin-angriff-antisemitismus)

QuoteH. Chinaski

Es gibt Antisemitismus in Deutschland. Sowohl den hier gewachsenen als auch den eingewanderten. Beide sind schädlich. Ich hatte in meinem Leben noch nie negative Erfahrungen mit Juden, warum soll ich sie dann hassen? Dumme Nazis und dumme Islamisten kenne ich dagegen zur Genüge und hätte allen Grund die zu hassen, ich verstehe allerdings dass die im gleichen Topf gekocht werden, Loser die für ihr Selbstwertgefühl dringend einen Sündenbock brauchen. Dummheit nervt einfach. Und tötet. :(


QuoteLe Blanc

Bei aller berechtigten Kritik an der Härte Israels, aber wer zu blöd ist zu erkennen, dass ein jüdischer Student nicht für den Nahostkonflikt verantwortlich sein kann, dem sollte man vielleicht die allgemeine Hochschulreife entziehen.


QuoteLeonia Bavariensis

Beschämend für unser Land.


Quoteback2time

Gewalt wird viel zu selten sofort hart bestraft. Das muss sich ändern.


QuoteLe petit prince

Womöglich hätten harte Strafen diese Tat doch verhindert. Denn, wenn man weiß, dass man einwandfrei identifiziert wird und eine harte Strafe folgt, dann überlegt auch der größte Idiot zweimal, ob er die Tat tatsächlich begeht.


QuoteRoter Mangold

Wenn der Täter auch Student ist, erwarte ich sofortiges Hausverbot.


QuoteNSAM-263

Bei einer rechtskräftig Verurteilung sollte die Uni eine Zwangsexmatrikulation vornehmen.

Wenn der besagte nur in Deutschland sich aufhält, weil er hir Studiert, erlischt sein Gastrecht.

Wegen Gefährliche Körperverletzung als Ersttäter wird wohl die Strafe recht gering ausfallen. Die Staatsanwaltschaft hat so weit ich weiß, auch die Möglichkeit, die Strafe auszusetzen um eine mögliche Abschiebungen rechtlich möglich zu machen. Bei einer unerlaubte Einreise kann die Strafe Vollzogen werden. Wenn er nicht Abgeschoben werden kann, soll er einsetzen und mal nachdenken, wie man Konflikte friedlich löst.

P.S. Abschiebungen löst das Problem des Antisemitismus oder Rassistischer Straftaten nicht, nur wir haben genug Einheimische Arschlöcher und brauchen keinen Import.

Auch bei Rechtsextreme die keine dt. Staatsbürgerschaft haben sollte rigoros Abgeschoben werden.


QuoteDakota Joe

>> Wenn der besagte nur in Deutschland sich aufhält, weil er hir Studiert, erlischt sein Gastrecht <<

Höre ich da ein ,,Deportation"? Es geht Ihnen doch nur um Antimuslimische Hetze und gar nicht um diesen Gewaltakt.


QuoteRer
Antwort auf @Dakota Joe

Nein, es geht um das:
Die Feindschaft gegenüber den Juden und der Zerstörungswille gegenüber Israel prägen zahlreiche islamistische Diskurse. Hierbei handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen. Neu hingegen ist die kritische Aufmerksamkeit in der westlichen Öffentlichkeit für solche Positionen.
https://www.bpb.de/themen/islamismus/dossier-islamismus/36358/antisemitismus-und-antizionismus-in-der-ersten-und-zweiten-charta-der-hamas/ (https://www.bpb.de/themen/islamismus/dossier-islamismus/36358/antisemitismus-und-antizionismus-in-der-ersten-und-zweiten-charta-der-hamas/)


Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 09, 2024, 12:19:04 PM
Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet die kognitive Verzerrung im Selbstverständnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt)

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Eine kognitive Verzerrung ist ein kognitionspsychologischer Sammelbegriff für systematische fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen. Sie bleiben meist unbewusst und basieren auf kognitiven Heuristiken.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_kognitiver_Verzerrungen (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_kognitiver_Verzerrungen)

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Quote[...] Brandolinis Gesetz lautet:

    "The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it."

    ,,Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion."


... Alberto Brandolini formulierte diese Erkenntnis im Jahr 2013. Als Herkunft dieser Erkenntnis gab er die italienische Politik an und dabei insbesondere eine Fernsehdiskussion mit Silvio Berlusconi. Breite Aufmerksamkeit erlangte das Gesetz durch das öffentliche Bekanntwerden des Effekts von Filterblasen sowie aufkommender Fake News einige Jahre später. So wurde Brandolini 2016 in der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature zitiert. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten den Befund: Empfänger von Falschmeldungen mit Richtigstellungen zu erreichen ist schwierig.


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Brandolinis_Gesetz (https://de.wikipedia.org/wiki/Brandolinis_Gesetz)

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Quote[...] Der Ausdruck Chewbacca-Verteidigung (im Original: Chewbacca defense) ist ein vor allem in den Vereinigten Staaten gebräuchlicher Begriff für die juristische oder politische Verteidigung eines Standpunktes mit unsinnigen Argumenten.

...


https://de.wikipedia.org/wiki/Chewbacca-Verteidigung (https://de.wikipedia.org/wiki/Chewbacca-Verteidigung)

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Quote[...] Im Gish-Galopp (englisch Gish gallop) zu reiten, ist die Bezeichnung für eine Methode des Debattierens, in welcher der Gegner in einer Flut aus Halbwahrheiten und ihm unterstellten falschen oder lächerlichen Annahmen ertränkt werden soll, so dass es ihm unmöglich wird, alle diese Postulate zu widerlegen. Der Begriff Gish-Galopp wurde von Eugenie C. Scott geprägt und nach dem Kreationisten Duane T. Gish benannt.

... Der ,,Galoppierende" erscheint dabei als allwissend, während der Diskussionsgegner als unfähig und ständig einen Schritt hinterher erscheint. Durch die Vielzahl an vorgebrachten Argumenten steht der Gegner ständig unter Erklärungszwang und kann unmöglich alle vorgebrachten Punkte auf der Stelle entkräften. Selbst wenn es gelingt, ein Argument zu entkräften, folgt sofort der Wechsel auf eine andere Diskussionsebene oder die Erklärung wird schlicht verneint. Die dann nötige Erläuterung kostet den Gegner viel Diskussionszeit. Im Publikum soll so Zweifel an der Fähigkeit des Gegners erzeugt werden. Die Technik funktioniert besonders live vor ungeschultem Publikum, während bei aufgezeichneten Debatten die fraglichen Punkte im Nachhinein überprüft werden können.

...


Aus: "Gish-Galopp" (Rhetorischer Begriff, 26. Oktober 2023)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gish-Galopp (https://de.wikipedia.org/wiki/Gish-Galopp)

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Quote[...]  Innerhalb der Argumentationstheorie und diskursiven Strategieforschung hat sich der Begriff [Derailment] für eine Reihe von Taktiken etabliert, mit denen Debatten absichtsvoll zum Entgleisen gebracht werden.

... Johnny Haeusler, Organisator der Web-Konferenz re:publica, definiert Derailing als ,,Ablenkungsstrategie in Webdiskussionen". Im Unterschied zu Internettrollen geben ,,Derailer" vor, am Thema interessiert zu sein, reißen dann aber die Diskussion an sich, um sie aus dem Ruder laufen zu lassen. Dabei würden mitunter Scheinidentitäten, sogenannte Sockenpuppen, mit verschiedenen IP-Adressen genutzt, um sich selbst zuzustimmen und eine Mehrheit vorzutäuschen. Besonders häufig komme diese Kommunikationsstrategie vor, wenn es um rechtsradikale Positionen gehe. Haeusler färbt solche Kommentare auf seinem Blog Spreeblick weiß und hat damit seine ,,Lösung für Kommentare zwischen Trolling und echten Diskussionsbeiträgen" gefunden.

Andreas Weck, Redakteur der Onlineplattform t3n, machte in seiner Kolumne unter dem Titel Derailing im Netz auf die bevorzugt ideologischen Gründe als Motiv des Derailings aufmerksam. Beiträge mit gesellschaftlichem Fokus liefen ständig Gefahr, ,,in den Kommentarspalten entgleist zu werden". Manche Kommentare hätten keinen anderen Zweck, als andere ,,lächerlich zu machen".

...


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Derailment (https://de.wikipedia.org/wiki/Derailment)
Title: [Debattenkultur (Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 22, 2024, 01:02:12 PM
Quote[...] Wladimir Putin ist gefährlich, aber der Klimawandel ist noch gefährlicher. Das, vermutlich, wollte US-Präsident Joe Biden am Mittwoch in San Francisco zum Ausdruck bringen, als er bei einem Spendensammelevent in San Francisco vor die Mikrofone trat. In Erinnerung bleibt aber – wie bei so manchem Biden-Auftritt zuvor – vor allem ein Detail der Ausdrucksweise des Präsidenten. "Das Klima ist die letzte existenzielle Bedrohung", zitiert ihn unter anderem die Agentur Reuters: "Wir haben einen verrückten Hurensohn (SOB) wie diesen Typ Putin, und andere, und wir müssen uns Sorgen über nukleare Konflikte machen, aber die existenzielle Bedrohung für die Menschheit bleibt das Klima."

Die Ausdrucksweise "SOB" steht für die Beleidigung "son of a bitch". Im Deutschen bedeutet das direkt übersetzt "Hurensohn", im übertragenen Sinne, der mit der Abkürzung oft gemeint ist, aber etwa auch "Mistkerl" oder "Arschloch". Der Ausdruck ist in den USA recht gebräuchlich und gilt im Vergleich mit anderen Beleidigungen als weniger vulgär. Biden hat Putin in der Vergangenheit bereits als "Schlächter" und "Kriegsverbrecher" tituliert.

Putin, der vor kurzem noch seinen angeblichen Wunsch nach einer Wiederwahl Bidens öffentlich gemacht hatte – mutmaßlich um diesem im Wahlkampf zu schaden –, ließ seinen Sprecher Dmitri Peskow pikiert reagieren. Die Aussagen würden die USA herabwürdigen, teilte dieser mit, so wie solches Vokabular generell auf jene zurückfalle, die es gebrauchten. Es habe sich um einen "schlechten Versuch" gehandelt, "wie ein Hollywood-Cowboy zu sprechen". Der Gebrauch solcher Wörter werde "vermutlich nicht unserem Präsidenten, Präsident Putin, schaden", meinte Peskow noch.

Der 81-jährige Biden ist dafür bekannt, privat öfter zu fluchen. Im Jänner 2022 hatte er einen Reporter des besonders bei Konservativen beliebten Senders Fox News ebenfalls einen "son of a bitch" genannt, als er das Mikrofon ausgeschaltet wähnte. Für Israels Premier Benjamin Netajahu soll Biden kürzlich im privaten Kreise mehrfach die Bezeichnung "Arschloch" gefunden haben. (red, APA, 22.2.2024)


Aus: "Biden nennt Putin "verrückten Hurensohn", Kreml kritisiert "Cowboy"-Rhetorik" (22. Februar 2024)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000208515/biden-nennt-putin-verrueckten-hurensohn-kreml-kritisiert-cowboy-rhetorik (https://www.derstandard.at/story/3000000208515/biden-nennt-putin-verrueckten-hurensohn-kreml-kritisiert-cowboy-rhetorik)

QuoteKael Drakkal

Aber sie haben ihn nicht der Unwahrheit bezichtigt.


QuotePenthesilea258

Putin wählt halt keine Rhetorik, sondern ... Fenster, Balkone, etc...


Quotepol_neutrum

Ich würde mir wünschen, dass unsere Politiker ihr pseudoelitäres und möchtegern höfliches Gequatsche bleiben lassen würden und auch mal sagen was sie sich gerade wirklich denken.

Es ist ja komplett verlogen, wenn jeder - allen voran die Medien - bei Worten wie "Holler" oder "Lüge" schon ganz entsetzt die Hand vor den Mund schlagen obwohl die meisten Menschen ganz anders sprechen. Da wird so getan, als hätten wir das Empfinden einer Hofratswitwe aus den 60er-Jahren...
Aber nein, wir entscheiden uns für passiv-aggressives Dauergrinsen und unendliche Wortgirlanden anstatt einfach mal Dinge wie "Ned bös sein owa wos sie do verzapfn ist außer deppat nur mehr deppat." zu sagen. Oder beim Wolf könnte zwischendurch auch mal berechtigterweise jemand das G. Neunkirchner-Zitat anbringen. Ich mein, man muss es nicht übertreiben aber so wie es jetzt ist, ist es ja nur noch verlogen.


QuoteM4rtin

Die Wahrheit ist manchmal unschön.


QuoteAllround

"Cowboy"-Rhetorik

Nicht jeder drückt sich so gewählt aus wie die Russen, wenn sie mit der Atombombe drohen.


QuoteJamesblond

So richtig hat sich Biden nicht mehr im Griff, glaube der ist sich manchmal nicht mehr bewußt was er von sich gibt!


QuoteKruzi.Fix

Also mir fällt zum Putin auch nichts anderes ein...
Hab ich mich noch im Griff ?


QuoteHe! Sie da!

Das erinnert mich

An die Demonstrationen der Sexarbeiterinnen in Spanien gegen die Konservative Regierung, damals.
Dabei Trugen sie Plakate auf denen sie Ausdrücklich die Behautung zurückwiesen das es sich bei dieser Regierung um ihre Kinder handele.
Die hätten nämlich eine bessere Erziehung...


Quotezwirnsi

Bad Spencer zu Terence Hill nach der Schlägerei im Saloon, warum es zu der Keilerei gekommen ist.

T: "Er hat unsere Mutter eine alte Hure genannt"
Bud: "Naja, das stimmt doch"
T: "Na hör mal, so alt ist sie auch wieder nicht "

:)



QuoteNein! - Doch! - Oh!

Das Niveau in der Weltpolitik sinkt. Auch unter dem Aspekt das Biden Recht hat.


QuoteAlois Moik Institut

Weit verbreiteter Irrtum ist, dass bitch H*re heißt. Das Wörterbuch würde das vielleicht hergeben. Das Wort bezeichnet eine akut unerträgliche Frau. Ich kann zum Beispiel beim Wirten sagen, my wife is being a bitch, gotta go. Das ist weder eine Berufsbezeichnung, noch die Ankündigung sie inflagranti erwischen zu wollen. Auch Frauen verwenden den Begriff für Fälle aggressiver Stutenbissigkeit.


QuoteFredKulm

Wenn man neben Englisch auch Deutsch kann, weiß man aber, dass Hurensohn bzw Hurenkind ja auch nicht wörtlich gemeint ist.


QuoteSAFF12

Also auf ein Niveau eines Trump muss sich Biden nicht lassen, auch wenn wir uns alle das gleiche über Putin denken...


QuoteMedeae

So kann man es auf einen gemeinsamen Nenner bringen.


Quoteherbertmaurer

Eine Beleidung für jede Hure.
Hoffe Biden entschuldigt sich bei allen.


QuoteMedeae

Einzeln.


QuoteIQ500

Erfrischend, der alte Biden! Trotz langjähriger Erfahrung als Diplomat (!) frei von der Leber weg zu sagen, was Sache ist, macht ihn sympathisch. Dass er recht hat, steht ja außer Zweifel.


QuoteModjo

Wenn man bei der Präsidentenwahl gegen einen vulgären und primitiven Soziopathen antritt, kann man nicht immer nur auf Diplomatie setzen. Da muss man bei Gelegenheit auch mal die richtigen Worte verwenden.


Quoteslevin1

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen...das lass ich mir nicht verbieten!!!1111


Quotedr_rock

Nacktaufpferdreiter
Bärenniederringer
ukraineentnazifizierer
Superunschwuler
Kneisslzumknicksbringer
Grösstertischderwelthaber
Gasnachösterreichliefermaster


QuoteKid Icarus

Was auch immer die rechten Kumpanen behaupten, er hat seine munteren Momente.


QuoteCollective Image

Und das ist immer noch VIEL zu nett für einen der großen Verbrecher der russischen Geschichte, der mit seinem besch... Angriffskrieg schon hundertausende Menschen auf dem Gewissen hat.


QuoteS. Aynf

Ich gebe zu, so höflich wäre ich nicht gewesen.


Quoteder kleine prinz

Vor kurzem noch wollte Putin, dass Biden die Wahl gewinnt. Jetzt kritisieren sie ihn. Da soll sich noch jemand auskennen ;-)


Quoteherr-s

Ich hielte Drecksack für passend. Aber mich fragt ja niemand.


QuoteSara KM

Ich find das gut. Dieses ewige "Wir verurteilen das aufs Schärfste" uä ist einfach nicht mehr glaubwürdig. Die Leute wollen eine nahbare Person, die so spricht, sodass sie von möglichst vielen Menschen verstanden wird.


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