COMMUNICATIONS LASER #17

Laser#17 - Fraktal Text Akkumulation => Global-Politix und Micro-Welt, Randnotizen und Fussnoten => Topic started by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2006, 10:30:34 AM

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2006, 10:30:34 AM
QuoteRund 35.000 Menschen sind in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen. Von vielen sind nicht einmal die Namen bekannt. Das Buch ,,Todesursache: Flucht" widmet sich ihrem Schicksal. ...

[Kontext: "Das europaweite Netzwerk UNITED for Intercultural Action mit Sitz in Amsterdam führt die Liste der belegten Fälle der auf der Flucht nach und in Europa gestorbenen Menschen seit 1993 unter dem Titel der ,,Asylsuchenden, Geflüchteten und Migrant*innen, die aufgrund der restriktiven Politik der Festung Europa zu Tode kamen". UNITED besteht aus 550 Organisationen aus 48 europäischen Ländern" Kristina Milz, Jahrgang 1988, ist freie Journalistin und Historikerin. Buch: Todesursache: Flucht: Eine unvollständige Liste von Kristina Milz (Herausgeber), Anja Tuckermann (Herausgeber), (30. November 2018)]


Aus: "Flucht: Die dunkle Kehrseite der westlichen Werte" Rolf Gössner (09.01.2019)
Quelle: https://www.fr.de/politik/dunkle-kehrseite-westlichen-werte-11414215.html (https://www.fr.de/politik/dunkle-kehrseite-westlichen-werte-11414215.html)

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Quote[...] In Nordafrika warten 2,5 Millionen Menschen auf eine Gelegenheit, in Booten das Meer nach Europa zu überqueren, und täglich sterben Menschen bei diesem Versuch. In den Großstädten haben sich ganze Bezirke in Ghettos verwandelt. In Frankreich rebellieren die Enkel der Zuwanderer in zerstörerischen Aufständen gegen ihren Ausschluss aus der Gesellschaft. Der Extremismus unter islamischen Jugendlichen hat in Amsterdam und London zu Attentaten geführt, ausgeübt von jungen Europäern aus Zuwanderer-Familien.

Europa hat sich zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt, in der selbst noch die Enkeln von Zuwanderern als ,,Ausländer" gelten und der Bedarf an Arbeitskräften durch zehn Millionen ,,Illegale" ohne jegliche Rechte gedeckt wird. Die Politik reagiert auf die explosive Situation mit dem Bau einer Festung: Die Grenzen werden geschlossen – außen mit Stacheldraht, innen mit unsichtbaren Barrieren.


Über: "Corinna Milborn: Gestürmte Festung Europa - Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto - DAS SCHWARZBUCH" (Mai 2006)
Quelle: http://www.verlagsgruppestyria.at/index.php?template=index&content=c82928317c67a7ef3e00945579e96cd9 (http://www.verlagsgruppestyria.at/index.php?template=index&content=c82928317c67a7ef3e00945579e96cd9)

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Quote[...] Andreas Kossert stellt in seinem neuen Buch die Flüchtlingsbewegung des frühen 21. Jahrhunderts in einen großen geschichtlichen Zusammenhang. Immer nah an den Einzelschicksalen und auf bewegende Weise zeigt Kossert, welche existenziellen Erfahrungen von Entwurzelung und Anfeindung mit dem Verlust der Heimat einhergehen - und warum es für Flüchtlinge und Vertriebene zu allen Zeiten so schwer ist, in der Fremde neue Wurzeln zu schlagen. Ob sie aus Ostpreußen, Syrien oder Indien flohen: Flüchtlinge sind Akteure der Weltgeschichte.

...  Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2021
Für Mathias Beer ragt das Buch von Andreas Kossert aus der einschlägigen Flucht-Literatur heraus, weil Kossert einen erfahrungsgeschichtlichen Ansatz wählt, Flüchtlinge aller Zeiten und Orte mit Tagebüchern, Erinnerungen, Gedichten, Briefen selbst zu Wort kommen lässt und das Universelle ihrer Erfahrungen festhält. Beer folgt dem historischen Rückblick auf die Zwangsmigration seit der Antike, lauscht berührenden Lebensgeschichten und entwickelt mit Kossert einen Heimatbegriff und eine Ahnung davon, was es heißt, niemals anzukommen. Auch wenn die Materialfülle den Rezensenten fordert, ist der Gewinn der Lektüre für Beer immens. Ein wichtiger Beitrag der Migrationsforschung, meint er, und ein ebenso wichtiger Beitrag zum Verständnis von Menschen auf der Flucht.

... Zu:
Andreas Kossert
Flucht - Eine Menschheitsgeschichte
Siedler Verlag, München 2020
Gebunden, 432 Seiten
ISBN 9783827500915

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Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/andreas-kossert/flucht.html (https://www.perlentaucher.de/buch/andreas-kossert/flucht.html) (2021)

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Quote[...] Flucht ist eine geschichtliche Konstante. Genauso wie der Argwohn derer, zu denen die Flüchtlinge flüchten. Sie fühlen sich seit jeher überwiegend bedroht. Kossert macht dafür weniger die Sorge um den eigenen Wohlstand verantwortlich als vielmehr die Angst, man selbst könne ein ähnliches Schicksal erleiden. Eine bedenkenswerte Abweichung von der Standarderklärung.

... Kossert wertet zahllose Zeugnisse von Flüchtlingen aus: Briefe, Tagebücher, Erinnerungen, Autobiografien, außerdem auch Romane, Erzählungen und Gedichte – ungewöhnlich für einen Historiker. Aber Kossert meint, dass Literatur ,,gerade zum Heimatverlust viel zum Erkenntnisgewinn beitragen kann."

Wer den Begriff ,,Heimat" verdächtig oder überholt findet, dem sagt Kossert mit dem KZ-Überlebenden Jean Amery: ,,Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben." Die Zeugnisse geben stets individuelle Erlebnisse und Einsichten wieder. Um die politischen Hintergründe der Fluchtursachen, um Kriegsverläufe, Gewaltregime und zivile Hilfsorganisationen geht es ausdrücklich nicht.

Kossert kehrt den Fokus also um. Er reicht den Betroffenen das Wort. Er ordnet und kommentiert die Zeugnisse aus vielen Jahrhunderten und mehreren Kontinenten entlang des typischen Verlaufs einer Flucht: vom Weggehen/Fliehen/Vertrieben-Werden bis hin zum Ankommen/Weiterleben/Erinnern.

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Aus: "Andreas Kossert: ,,Flucht. Eine Menschheitsgeschichte"Jeder Mensch kann Flüchtling werden" Arno Orzessek (08.02.2021)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/andreas-kossert-flucht-eine-menschheitsgeschichte-jeder.1270.de.html?dram:article_id=492020 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/andreas-kossert-flucht-eine-menschheitsgeschichte-jeder.1270.de.html?dram:article_id=492020)

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Robert Fietzke @robert_fietzke
Ursula von der Leyen: "I thank Greece for being our European ασπίδα [English: shield] in these times."
Sie hat wirklich "Schild" gesagt. Damit haben sich Framing & Selbstinszenierung der neuen Rechten ("Defend Europe" et al.) bis in die EU-Führung durchgesetzt ...
5:19 nachm. · 3. März 2020·Twitter
https://twitter.com/robert_fietzke/status/1234876082714824704 (https://twitter.com/robert_fietzke/status/1234876082714824704)

Statement: 3 March 2020 - Kastanies: Remarks by President von der Leyen at the joint press conference with Kyriakos Mitsotakis, Prime Minister of Greece, Andrej Plenković, Prime Minister of Croatia, President Sassoli and President Michel
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_20_380 (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_20_380)

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Quote[...] Arendts Überlegungen stehen seit dem Beginn dieses Jahrhunderts im Zentrum vielfältiger Diskussionen über den rechtlichen Status von Flüchtlingen und was Menschsein in einer globalisierten Welt bedeuten kann. ... Seit Kant gibt es umfassende Versuche, Staatsrecht, Völkerrecht und sogar das Weltbürgerrecht den modernen Flüchtlingsbewegungen anzupassen. Und gerade die politische Philosophie hat immer wieder betont, dass mit der klassischen Dreiteilung von Staat, Staatsvolk und Staatsgebiet die völkerrechtlichen Probleme nicht mehr gelöst werden können – Probleme politisch Verfolgter, Asylsuchender, sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge oder von Menschen, die auf die Anerkennung der Staatsbürgerschaft warten.

Und dennoch ist gegenwärtig aus der Philosophie so gut wie nichts zu hören, was das Stimmengewirr zwischen den Ausrufen ,,Wir schaffen das!" und ,,Untergang des Abendlandes" unterbrechen würde. Zwar finden sich immer wieder Artikel oder Gespräche mit Vertretern des philosophischen Fachs, doch man merkt ihnen an, dass sie keine Sprache für die aktuelle Situation haben. Nicht für die politischen Ursachen, nicht für das Elend, für die Möglichkeiten und Gefahren dessen, was gerade passiert. Soziologen, Politologen und Kulturwissenschaftler finden offensichtlich weitaus leichter Begriffe, um die neue Lage zu beschreiben und zu analysieren. Und so will der Eindruck nicht schwinden, dass zu der Frage, die das Schicksal Deutschlands, Europas oder gar der gesamten westlichen Welt besiegeln könnte, den Freunden der Weisheit nichts einfällt.

... ,,Wir haben unser Zuhause und dann die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein."

Ein Name allerdings taucht immer wieder auf, wenn von ,,Flüchtlingen" und der ,,Philosophie" gesprochen wird: der von Hannah Arendt.

,,Wir haben unsere Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen, die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle. Unsere Identität wechselt so häufig, dass keiner herausfinden kann, wer wir eigentlich sind. [...] und das bedeutet den Zusammenbruch unserer privaten Welt."

Dieses Zitat klingt zeitlos, wie eine Strophe aus dem ewiggültigen Klagelied von Entrechteten, Staatenlosen, von Flüchtlingen. Vielleicht deshalb hört und liest man diese Zeilen seit dem Beginn der sogenannten ,,Flüchtlingskatastrophe" immer wieder.

Sie stammen aus Hannah Arendts Essay ,,We Refugees", einem kurzen Text, veröffentlicht im Januar 1943 im Menorah Journal. Es scheint, als habe der knappen Beschreibung des Verlusts von beruflicher Existenz, der Sprache und der Emotionalität in ihrem Artikel bis heute niemand etwas Substanzielles hinzufügen können. Zumindest dann, wenn man den unzähligen Positionspapieren von Parteien, Aktivisten und Stiftungen glauben mag, die sich jetzt philosophischen Rat holen – wenn schon nicht bei Aischylos, dann wenigstens bei Arendt.

Hannah Arendt, die nach dem Studium bei Martin Heidegger und Karl Jaspers gleich 1933 aus Deutschland nach Frankreich flüchtete, kam über Portugal erst im Mai 1941 in den USA an.

Womöglich hat die Vielschreibende und ständig Arbeitende ,,We Refugees" innerhalb weniger Stunden aus dem Ärmel geschüttelt. Ein Text, der zunächst ganz auf die eigene Situation bezogen ist. Sie äußert sich erstmals über ihr eigenes Schicksal und das anderer europäischer Juden, die sich vor der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie retten konnten. Mit der Figur des Herrn Cohn beschreibt sie darin die Weigerung vieler Jüdinnen und Juden, die den Nazis entkommen konnten, sich als ,,Flüchtlinge" zu bezeichnen und die versuchten, in Staaten und Gesellschaften ihrer Ankunft normale Bürger zu werden.

... Mit der Benennung der Flüchtlinge als Avantgarde ihrer Völker spielt Arendt den letzten Trumpf ihres Essays aus. Sie spitzt zu, was als Aussage im Jahre 1943 kaum auszuhalten ist: Durch die geplante Vernichtung der europäischen Juden sitzen alle mit den Überlebenden der Vernichtung in einem Boot. Denn was heute den Juden widerfährt, so erlebt es Herr Cohn in ,,We refugees", kann jedem anderen auch passieren. Was letztlich nichts anderes heißt, als das all das, worauf die früheren Unterscheidungen basierten, mit deren Hilfe man das Verhältnis von Juden und Nichtjuden beschrieb, nicht länger gilt.

Übersetzt heißt das: Die Flüchtlingsfrage ist universell geworden.

... Wer sich auf Hannah Arendt beruft, beschwört eine Theoretikerin, die immer in gedanklicher Bewegung war. Sie zu zitieren heißt vor allem, sie weiterdenken zu müssen. Im Umgang mit der Flüchtlingsfrage wird sich zeigen, ob wir sie aufmerksam gelesen haben.

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Aus: "Hannah Arendt über Flüchtlinge: ,,Es bedeutet den Zusammenbruch unserer privaten Welt"" Thomas Meyer (20.12.2015)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/hannah-arendt-ueber-fluechtlinge-es-bedeutet-den.1184.de.html?dram:article_id=337310 (https://www.deutschlandfunk.de/hannah-arendt-ueber-fluechtlinge-es-bedeutet-den.1184.de.html?dram:article_id=337310)

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Quote[...] (Colette M. Schmidt, 6.7.2018) --- Vor 80 Jahren begann die Évian-Konferenz, auf der sich fast alle 32 Staaten weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Jahr später suchten über 900 Juden auf der MS St. Louis vergebens einen sicheren Hafen Herzzerreißende Szenen spielten sich auf dem Schiff ab, wie sich Menschen, die an Bord waren und überlebten, später erinnerten. Frauen, Kinder, Männer, ganze Familien weinten und schrien verzweifelt, als sie erfuhren, dass sie nach dem emotionalen Abschied von ihrer Heimat und Wochen auf hoher See nicht an Land gehen dürften. Den Menschen an Bord hätte das nämlich mit ziemlicher Sicherheit das Leben gerettet.

Doch den über 900 deutschen Juden, die im Mai 1939 in der Bucht vor Havanna vor Anker lagen, wurde die Einreise verweigert. Durch antisemitische Propaganda in Kuba befeuert, waren die Einreisebestimmungen kurz zuvor geändert worden. Die Menschen an Bord, die von Hamburg aus aufgebrochen waren, weil sie vor dem Naziregime fliehen mussten, hatten fast alle gültige Papiere und Touristenvisa. Doch das galt nichts mehr. Nur rund 30 durften von Bord. Der Rest musste am 2. Juni Kuba verlassen und hatte eine grausame Irrfahrt entlang der amerikanischen Küste vor sich. Ein Stück Geschichte, dass die involvierten Staaten noch viele Jahrzehnte später beschämen sollte. 9. Mai 2018: Der Abgeordnete Michael Levitt von den Liberalen ist im kanadischen Parlament in Ottawa, sichtlich bewegt, am Wort: "Zur ewigen Schande Kanadas verweigerte die damalige Regierung diesen Flüchtlingen den Schutz." Levitt hat jahrelang daran gearbeitet, dass sich sein Land offiziell entschuldigen würde. Sein Parteikollege, Premierminister Justin Trudeau, kommt dieser Forderung Sekunden später nach. Sein Land habe sich mit der damals geltenden "None is too many"-Flüchtlingspolitik ("Keine sind noch zu viele") nicht nur "an jenen Flüchtlingen, sondern auch an ihren Nachfahren und an ihrer Gemeinschaft schuldig gemacht", sagte Trudeau. Kanada, das von 1938 bis 1945 überhaupt nur 5000 Juden und Jüdinnen Asyl gewährte, hat sich für die ablehnende Haltung gegenüber den Flüchtlingen auf der St. Louis entschuldigt. Nach 79 Jahren.

Das Schiff durfte zuvor auch in den USA nicht anlegen. Dort wurde es zur innenpolitischen Zwickmühle für Präsident Franklin D. Roosevelt, dem einige gewichtige Parteimitglieder der Demokraten drohten, ihn im nächsten Wahlkampf nicht zu unterstützen, wenn er die Juden einreisen lassen würde. Roosevelt hatte im Jahr zuvor die erfolglose Évian-Konferenz einberufen, in der die Aufteilung jüdischer Flüchtlinge auf 32 Staaten besprochen werden sollte. In Kanada hatten die Flüchtlinge durchaus eine Lobby: In Toronto hatten sich zu dieser Zeit 41 prominente Bürger rund um den Historiker und Geistlichen George MacKinnon Wrong zusammengetan, um eine Petition an Premierminister William Lyon Mackenzie King zu formulieren. Ihr Land solle Flüchtlinge aufnehmen, forderten sie. "Gutmenschen" oder "Willkommensklatscher" würde sie so mancher in Österreich heute wohl nennen. Doch der Premier hörte lieber auf einige Minister und den Direktor der Einwanderungsbehörde, Frederick Blair, der der Meinung war, die Flüchtlinge würden die Einwanderungsbestimmungen Kanadas nicht erfüllen und kein Land könne "seine Türen weit genug öffnen, um alle hunderttausenden Juden, die Europa verlassen wollen, aufzunehmen. Irgendwo muss man eine Grenze ziehen."

Die Grenze war zumindest für rund 250 Passagiere der MS St. Louis tödlich. Denn nachdem Kanada am 7. Juni das Anlegen des Schiffs in Halifax verweigert hatte, nahm es Kurs auf Europa. Am 17. Juni lief man schließlich in Antwerpen ein. Von hier aus wurden die Menschen auf Belgien, die Niederlande und Frankreich aufgeteilt – Länder, in die rund ein Jahr später die Nazis einmarschierten. Nur jene, die von Großbritannien aufgenommen wurden, hatten Glück. 254 Passagiere der St. Louis wurden später im Holocaust ermordet, viele von ihnen in Konzentrationslagern. Dem Drama dieses Schiffs ging die glücklose Konferenz im französischen Évian-les-Bains voraus. Sie begann genau vor 80 Jahren am 6. Juli 1938 und dauerte neun Tage bis 15. Juli. In Deutschland war Hitler zu diesem Zeitpunkt schon fünf Jahre an der Macht. Doch nach der Annexion Österreichs im März 1938 und den Pogromen im November desselben Jahres hatte sich "ein fast unüberschaubarer Flüchtlingsstrom in Bewegung gesetzt", wie die österreichische Historikerin Gabriele Anderl in einem Essay über die Bedeutung der illegalen Flucht über Grenzen für die Rettung von Verfolgten des NS-Staates schreibt ("Grenzen", Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag 2015) schreibt.

Der amerikanische Historiker Dennis R. Laffer bezeichnet die Évian-Konferenz im von Anderl und Simon Usaty herausgegebenen Band Schleppen, Schleusen, Helfen (Mandelbaum-Verlag 2016) auch als "den jüdischen Pfad der Tränen". Das offizielle Verbot der Auswanderung aus dem Deutschen Reich galt erst ab dem 23. Oktober 1941. Im Juli 1938 war das Problem für deutsche und österreichische Juden also weniger die Ausreise aus der Nazidiktatur als die Frage, wo sie Asyl bekommen konnten. Bei der auf Initiative von Roosevelt einberufenen Konferenz saßen Vertreter von 32 Staaten in Évian-les-Bains. Die meisten von ihnen übertrafen sich in Ausreden dafür, warum sie keine Juden aufnehmen konnten: etwa die wirtschaftliche Lage, steigende Arbeitslosenzahlen, eine angebliche Gefahr von Überfremdung oder soziale Spannungen. Nur von Costa Rica und der Dominikanischen Republik gab es Zugeständnisse. Die Konferenz endete ergebnislos, sieht man von der Gründung des Intergovernmental Committee on Refugees (ICR) ab, in dem einige der Teilnehmer an der Suche nach Asylorten für Juden arbeiten wollten. Das ICR stellte seine Tätigkeit ein, bevor sie noch richtig begonnen hatte, löste sich jedoch nicht auf. 1943 wollten die USA und Großbritannien das ICR noch einmal aktivieren, doch da kam die Hilfe für die meisten europäischen Juden zu spät.

Die damalige Korrespondentin der New York Post in Berlin, Dorothy Thompson, schrieb zuvor, dass nur die USA mit ihrem "Glauben an demokratische Prinzipien" eine internationale Rettungsoffensive leiten könnten. Sie sah eine "politische Falle" für Demokratien im Umgang mit der Situation und warnte davor, dass die "liberale westliche Kultur total paralysiert" reagiere. Nichthandeln würde einen zum Komplizen von "Hitlers antijüdischem Programm" machen. Eine begründete Sorge, wie sich herausstellen sollte. Eine andere Frau, die die vor allem von Männern abgewickelte Konferenz beobachtete und eindrücklich kommentierte, war Golda Meir, später Premierministerin Israels: "Dazusitzen in diesem wunderbaren Saal, zuzuhören, wie die Vertreter von 32 Staaten nacheinander aufstanden und erklärten, wie furchtbar gern sie eine größere Zahl Flüchtlinge aufnehmen würden und wie schrecklich leid es ihnen tue, dass sie das leider nicht tun könnten, war eine erschütternde Erfahrung. (...) ich hatte Lust, aufzustehen und sie alle anzuschreien: Wisst ihr denn nicht, dass diese verdammten 'Zahlen' menschliche Wesen sind, Menschen?"


Aus: "Die "ewige Schande" unterlassener Hilfeleistung" Colette M. Schmidt (6. Juli 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000082907519/Die-ewige-Schande-unterlassener-Hilfeleistung (https://derstandard.at/2000082907519/Die-ewige-Schande-unterlassener-Hilfeleistung)

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Quote[...] Was passiert, wenn du zum Flüchtling wirst? – Du läufst. Klar: um mit dem Leben davonzukommen – zum Beispiel wenn Bewaffnete dein Dorf angreifen –, wirst du mit dem erstbesten Transportmittel fliehen. Mit dem Familienauto. Mit dem Obstlaster deines Nachbarn. Im Anhänger eines Traktors. Aber dann irgendwann: eine Grenze. Von nun an musst du laufen. Warum? Weil Männer in Uniform deine Papiere sehen wollen. Was, keine Papiere? Es ist gleichgültig. Steigt aus! Stellt euch da drüben hin! Wartet! Jetzt, ... beginnt das Leben als Flüchtling wirklich: zu Fuß, in der Haltung des Ohnmächtigen. ... So fängt es an. Du machst einen Schritt. Du verlässt ein Leben und trittst in ein neues ein. Du gehst durch einen zerschnittenen Grenzzaun und wirst staatenlos, verwundbar, abhängig, unsichtbar. Du wirst zum Flüchtling. ...


Aus: "Aber dann irgendwann: eine Grenze" Paul Salopek (3. März 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/reisen/2015-03/tuerkei-syrien-out-of-eden (http://www.zeit.de/reisen/2015-03/tuerkei-syrien-out-of-eden)

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Festung Europa (engl. fortress Europe) war ursprünglich der Begriff im Zweiten Weltkrieg für den von Nazideutschland besetzten Teil Europas. Heute ist er ein ,,häufig von Journalisten in kritischer Absicht gebrauchter Ausdruck, dem die Behauptung zugrunde liegt, die EU betreibe gegenüber Drittstaaten eine Politik der Abschottung insbesondere beim Asyl- und Einwanderungsrecht oder bei der Gemeinsamen Agrarpolitik".
https://de.wikipedia.org/wiki/Festung_Europa (https://de.wikipedia.org/wiki/Festung_Europa)

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Quote[...] Brüssel. Rassismus ist in Europa weiterhin ein "allgegenwärtiges und hartnäckiges" Phänomen. Dass es nicht länger als etwas ungewöhnliches betrachtet wird, ist die "Hauptsorge" einer Vergleichsstudie "Racism in Europe", die am Dienstag in Brüssel vorgestellt wurde.

Sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Behörden und Exekutive sei eine steigende Akzeptanz rassistisch motivierter Übergriffe festzustellen. Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) hält in dem Bericht gleichzeitig fest, dass die EU im Hinblick auf positive Initiativen und Entwicklungen eine "wichtige und katalytische" Rolle spielt. Im Teilbericht aus und über Österreich wird eine fehlende Eigenkultur im Kampf für Menschen- und Bürgerrechte kritisiert. Gruppen, die dafür eintreten, seien nur in Einzelfällen in der Lage, die nationalen Institutionen ausreichend unter Druck zu setzen.

Die Studie stützt sich auf 25 nationale, auf das Jahr 2007 bezogene "Schatten-Berichte", in denen die Lage in den einzelnen Ländern durch einheimische NGOs und CSOs (Zivilgesellschaft-Organisationen) analysiert wird. ...


Aus: "Rassismus wird laut Studie in Europa normal" (Printausgabe vom Mittwoch, 03. Dezember 2008)
Quelle: http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3857&Alias=wzo&cob=385433 (http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3857&Alias=wzo&cob=385433)

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Quote[...] Auf meiner letzten Reise besuchte ich einen Bauernhof im Südosten Georgiens, wo ich für zwei Wochen Freiwilligenarbeit leisten sollte. Zuvor hatte ich Mailkontakt auf deutsch mit dem Leiter des kleinen Hofes. Er hatte einen eindeutig französischen Namen. Ein deutschsprechender Bauer in Georgien mit französischem Namen. Jean-Jacques begrüßte mich dann auch auf deutsch. Wir wechselten ein paar Worte und ich fragte schließlich: ,,Bist du nun Deutscher oder Franzose?" Jean-Jacques lachte und antwortete: ,,Nun ja, ich bin zunächst einmal ein Mensch."

Von der in vielerlei Hinsicht prägenden Begegnung mit Jean-Jacques ist mir vor allem dieser Satz in Erinnerung geblieben. Ist es wichtig, woher jemand kommt? Was hat es für eine Bedeutung, ob man Franzose oder Deutscher ist? Was ändert es? Jean-Jacques schneidet alles mit seinem Opinel, das er immer bei sich trägt. Jean-Jacques verwendet auch in Georgien nur Meersalz aus der Bretagne. Wie französisch von ihm. Doch auch mein Reisemesser ist ein Opinel und das französische Meersalz steht bei mir zuhause im Küchenschrank. Nur in dem Wissen, dass Jean-Jacques Franzose ist, erscheint alles an ihm französisch. Und man kann natürlich fragen, was daran falsch ist, Franzose zu sein. Für den Franzosen selbst, scheint es von erheblicher Bedeutung zu sein. Da wird der junge Mann aus Mali, der mehrere Franzosen während des Charlie-Hebdo-Terrors in einem Kühlraum versteckte, im Eilverfahren zum Franzosen gemacht. Er ist ja schließlich ein Held. Und Helden müssen französisch sein. Warum Lassana Bathily es zuvor nicht wert war, die französische Staatsbürgerschaft zu erhalten, danach fragt keiner mehr. ...

... Europa, das einfach so tut, als hätte es eine Identität, grenzt sich ab. Ungarn baut einen Zaun an der Grenze zu Serbien. In Melilla steht schon länger einer. Europa handelt und beschließt, Schlepperboote zu bombardieren und die Schleuserbanden zu bekämpfen. Die Rechnung ist einfach: Boot + Schlepper = Flüchtlinge. Man streiche die Variablen Boot und Schlepper und erhält: Flüchtlinge = 0. So funktioniert weder Mathematik noch demütige Politik. Um Demut sollte es aber gehen in dieser Frage. Demut vor der Geschichte Europas und den Grauen der Kolonialzeit.

... Die Menschen, die nach Europa wollen, kommen aus Kriegsgebieten, aus Ländern, in denen sie Hunger leiden, aus Ländern, in denen sie verfolgt werden. Sie kommen mit der Aussicht auf ein besseres Leben. Besser, das ist in ihrem Fall: ein sicheres Dach über den Kopf, kein ständiges Gefühl der Angst, manchmal treibt sie auch nur der Wunsch danach regelmäßig etwas zu essen oder eine feste Arbeit zu haben. Sie kommen nicht, um unser Leben schlechter zu machen. Und vor allem sind sie nicht sie. Da kommt kein Kollektiv, das man sprachlich negieren kann. Da kommen tausende Einzelschicksale, die erschüttern sollten wie die Geschehnisse um Charlie Hebdo. Das sind weder Franzosen, noch Deutsche. Das sind zunächst einmal Menschen. Menschen auf der Suche nach Zugehörigkeit. Solange unsere Identität sich aber zunehmend über Nationalität definiert, entfernen wir uns von diesen Menschen und mithin dem eigenen Menschsein.


Aus: "Die Flüchtlinge und wir – eine Frage der Identität" Linus Lütcke (21.06.2015)
Quelle: http://www.carta.info/78681/die-fluechtlinge-und-wir-eine-frage-der-identitaet/ (http://www.carta.info/78681/die-fluechtlinge-und-wir-eine-frage-der-identitaet/)

Title: [Der Doppelstandard-Index... (Notiz)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2006, 10:37:49 AM
Quote[...] Und in der taz schreibt Michael Braun: Wie die "Bekämpfung der Fluchtursachen" aussieht, kann man in Nordafrika studieren. Dort gibt es hochsubventioniertes EU-Gemüse oft genug billiger als die Produkte aus dem heimischen Anbau. Erfolgreich "bekämpft" wird da bloß der europäische Agrarüberschuss, auf Kosten von Bauern, die gegen die Brüsseler Zuschüsse beim besten Willen nicht konkurrieren können.

Seit Jahren setzt sich Oxfam für eine Reform der EU-Agrarpolitik ein, die desaströse Folgen für die Länder des Südens hat. Im Doppelstandard-Index von Oxfam belegt die EU den ersten Platz, noch vor den USA. Die CAP, die europäische Agrarpolitik, macht fast die Hälft des EU-Haushalts aus, annähernd 50 Millarden Euro. Zu diesem Paket gehören Exportsubventionen, mit deren Hilfe Agrarüberschüsse auf die Märkte von Entwicklungsländern gebracht werden, eine Billigkonkurrenz, der die einheimischen Bauern oft nicht gewachsen sind. Und nach wie vor schirmt sich die EU mit Handelsbarrieren für Agrarprodukte ab.

Verteidigt wird die EU-Agrarpolitik insbesondere von Frankreich, dessen Bauern am meisten davon profitieren. Gestützt wird sie aber auch von Deutschland: Seit Jahren gehört es zum Deal zwischen Chirac und Schröder, dass Berlin gemeinsam mit Paris die vor allem von London ausgehenden Versuche, die CAP zu reformieren, blockiert.


Aus: "Festung Europa" (10.10.2005)
Quelle: http://blog.zeit.de/kosmoblog/?p=57 (http://blog.zeit.de/kosmoblog/?p=57)


-.-

Quote[...] The EU forces Third World countries to open their markets at breakneck speed, while maintaining barriers to Third World exports, particularly farm products and textiles. The EU does further damage to livelihoods in the developing world by dumping highly-subsidised agricultural surpluses with which small farmers cannot compete. This paper describes what EU Heads of State must do if they are serious about making trade fair.


From: "Europe's Double Standards" (Date of original publication: May 2002)
Source: http://www.oxfam.org.uk/what_we_do/issues/trade/bp22_eutrade.htm (http://www.oxfam.org.uk/what_we_do/issues/trade/bp22_eutrade.htm)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2006, 10:59:11 AM
Quote[...]  Fleets of unmanned "drone" aircraft fitted with powerful cameras are to be used to patrol Europe's borders in a dramatic move to combat people-smuggling, illegal immigration and terrorism.

The Independent on Sunday can today reveal that the tiny planes will fly at more than 2,500 feet over the English Channel and Mediterranean beaches as part of a £1bn programme to equip Europe's police forces, customs officers and border patrols with hi-tech surveillance and anti-terrorism equipment.


From: " Revealed: robot spyplanes to guard Europe's borders" By Severin Carrell (Published: 04 June 2006)
Source: http://news.independent.co.uk/europe/article624667.ece (http://news.independent.co.uk/europe/article624667.ece)
Title: [Militärische Grenzüberwachung... (Notiz, EU)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 19, 2006, 12:10:57 PM
Quote[...] F: Am Donnerstag sind im Europaparlament neue Rüstungsausgaben durchgewinkt worden. Es geht um jährlich 500 Millionen Euro ab 2007. Wo fließen die hin?

[Tobias Pflüger] Es geht um Forschungsgelder. Damit soll die Entwicklung in der Überwachungs- und Kontrolltechnologie – hier insbesondere zur militärischen Grenzsicherung – ebenso gefördert werden wie die militarisierte Weltraumforschung. Eingeschlossen sind insbesondere Projekte, die die Kriegsführungsfähigkeit von Eingreiftruppen wie den Rapid-Reaction-Corps und den EU-Battle-Groups betreffen.

[Tobias Pflüger] [...] Die großen Rüstungskonzerne werden de facto bis in jede Einzelheit mitbestimmen können, wozu die Forschungsmittel verwendet werden. Eine öffentliche Kontrolle gibt es nicht. Was wir hier erleben ist der Aufbau eines europäischen Militärisch-Industriellen Komplexes, der einen Erfolg nach dem anderen vermelden kann. Erst die Verankerung der Rüstungsagentur und der Militarisierung im EU-Verfassungsvertrag, dann der gemeinsame EU-Rüstungsmarkt und jetzt die Erhöhung der Mittel für Rüstungsforschung auf EU-Ebene. Heute werden in den Chefetagen von EADS, BAE Systems, Thales und Finmeccanica die Sekt- und Champagnerkorken geknallt haben.

F: Wurden konkrete Rüstungsprojekte benannt, die finanziert werden?

Die Projekte, um nur einige zu nennen, betreffen die militärische Grenzüberwachung (SOBAH), die Verbesserung der sogenannten homeland security (TERASEC) und verbesserte Überwachungstechniken (PROBANT). Unter den ersten 24 Projekten, die im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen des Rüstungsforschungsprogramms Zuwendungen bekamen, wurden allein 17 von Militärorganisationen oder Rüstungsunternehmen direkt angeleitet. Thales nahm an fünf, EADS an drei und Finmeccanica an sieben Projekten teil. BAE Systems bekam auch was vom Kuchen ab. Die vier größten Rüstungsunternehmen der EU haben bei der Verteilung also nicht schlecht abgeschnitten.

Interview: Wera Richter



Aus: "Beutezug der Rüstungskonzerne einfach abgenickt"
Europaparlament nimmt Posten für Militärforschung in den Haushaltsplan.
500 Millionen Euro im Jahr veranschlagt.
Ein Gespräch mit Tobias Pflüger« (Tobias Pflüger ist Abgeordneter der Linksfraktion (GUE/NGL) im Europäischen Parlament)
Quelle: http://www.imi-online.de/fpdf/index.php?id=1371 (http://www.imi-online.de/fpdf/index.php?id=1371) [Informationsstelle Militarisierung e. V. (IMI);  Hechingerstr. 203; 72072 Tübingen]
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 21, 2006, 10:49:39 AM
Quote[....] Die Vereinten Nationen haben den 20. Juni zum Weltflüchtlingstag erklärt. Eine Gelegenheit, einen Blick auf die Politik der Abschottung zu werfen, die Europa betreibt. Die Bundesrepublik braucht Migranten und tut doch zusammen mit ihren Nachbarstaaten alles dafür, sie abzuhalten, auszugrenzen und abzuschieben. Die längst gelebte multikulturelle Realität wird geleugnet und schwindende Zuwanderungszahlen werden wider jeder Vernunft als politische Erfolge gefeiert. ...


... An den Stränden der Inseln südlich des italienischen Stiefels und auch an anderen Mittelmeerküsten werden fast täglich die Leichen ertrunkener Flüchtlinge angeschwemmt und alles, was der europäischen Politik dazu einfällt, ist ein weiterer Ausbau der Festungsmauern ...

In ihrem absolut empfehlenswerten, ebenso gut recherchierten wie berechtigt wütendem Buch "Gestürmte Festung Europa" stellt die Journalistin Corinna Milborn fest:

Dieser Mauerbau führt dazu, dass Europa seine eigenen Grundwerte verrät – nicht nur, weil an den Außengrenzen und an den inneren Bruchlinien der Gesellschaft Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Vor allem wird der Grundsatz verraten, auf dem die europäische Gesellschaft aufbaut: das Versprechen der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit. Es hat sich eine Oberschicht von Alteingesessenen gebildet, die alle Vorteile dieser europäischen Grundwerte genießen und eine Unterschicht von Einwanderern und ihren Nachkommen, die faktisch davon ausgeschlossen sind und immer öfter unter ghettoähnlichen Bedingungen wohnen. Darunter liegt ein Subproletariat von zehn Millionen illegalen Migranten, deren billige Arbeit ganze Wirtschaftszweige erhält .... – die aber keinerlei Rechte genießen und jederzeit festgenommen und abgeschoben werden können. Diese Situation ist explosiv: Die europäische Gesellschaft stolpert blindlings in die Spaltung. (Corinna Milborn)


Aus: "Festungsmauern gegen Einwanderer" von Andrea Naica-Loebell (TP; 20.06.2006)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22933/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22933/1.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 03, 2006, 09:59:38 AM
Quote[...] Die USA rühren sich nicht, bevor nicht Europa seine Agrarsubventionen abbaut. Die EU fordert ihrerseits Zugeständnisse von den USA; außerdem müssten die Schwellenländer ihre Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen aus dem Norden öffnen. Dazu sind die Entwicklungsländer, geführt von Indien und Brasilien, jedoch nur bereit, wenn die Industrieländer nicht allein ihre Zölle, sondern auch die Agrarsubventionen für ihre Bauern massiv senken.

Lamy beklagte wortreich, dass ein Scheitern der Handelsrunde insbesondere die Entwicklungsländer treffen würde. Ein WTO-Abkommen würde beispielsweise westafrikanische Baumwollbauern vor der erdrückenden Konkurrenz der hoch subventionierten US-Baumwolle schützen, ebenso würden westafrikanische Viehzüchter nicht mehr durch europäische Trockenmilchexporte bedroht. Susanne Luithlen von der Kampagne "Gerechtigkeit jetzt" sieht das ganz anders: Die Verhandlungen seien "fehlkonzipiert", bei einem Scheitern würden die Entwicklungsländer nicht verlieren. Alle heute reichen Länder hätten ihre Industrien zunächst durch hohe Zölle geschützt. "Wenn man das den Entwicklungsländern verwehrt, verwehrt man ihnen faktisch das Recht auf industrielle Entwicklung."

Diese Haltung nehmen auch die Entwicklungsländer ein, die sich auf der Konferenz nicht spalten ließen. In einer gemeinsamen Stellungnahme konstatierten 110 Regierungen, dass die Agrar- und Exportbeihilfen im Norden "das Leben von Millionen von armen Bauern" bedrohen. Sie forderten, dass sich die WTO-Verhandlungen endlich wieder "mit den Entwicklungserfordernissen und den Problemen der Entwicklungsländer befassen". Jeglicher Versuch, dies zur Disposition zu stellen, "wäre nicht hinnehmbar".


Aus: "Welthandelstreffen wurde abgebrochen" (taz vom 3.7.2006, S. 8, 122 Z. (TAZ-Bericht), NICOLA LIEBERT)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/07/03/a0071.1/text (http://www.taz.de/pt/2006/07/03/a0071.1/text)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 03, 2006, 10:36:55 AM
Quote[...] Dem neuen Gesetz zufolge ist es für Ausländer künftig schwerer, sich in Frankreich niederzulassen oder ihre Familien ins Land zu holen. Ausnahmeregelungen sind allerdings für Einwanderungswillige mit speziellen Fähigkeiten oder Talenten vorgesehen. Sarkozy zufolge soll Frankreich damit in die Lage versetzt werden, seine Immigranten selbst auszuwählen, anstatt zu deren Aufnahme gezwungen zu sein.


Bruchstueck aus: "Demonstration in Paris gegen schärfere Einwanderungsgesetze" (de.news.yahoo.com; Samstag 1. Juli 2006, 23:26 Uhr)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/01072006/12/demonstration-paris-schaerfere-einwanderungsgesetze.html (http://de.news.yahoo.com/01072006/12/demonstration-paris-schaerfere-einwanderungsgesetze.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 04, 2006, 09:58:13 AM
Quote[...] Derzeit sei unklar, ob spanische oder marokkanische Grenzschützer den tödlichen Schuss abgefeuert hätten. Ein weiterer Mann erlitt laut den marokkanischen Behörden bei dem Fluchtversuch am Stacheldraht des sechs Meter hohen Grenzzauns tödliche Verletzungen. Er sei auf dem Weg in ein marokkanisches Spital gestorben. Mindestens acht weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen beim Versuch, den rasiermesserscharfen Draht zu überwinden.


Aus: "Massenansturm auf Melilla - Bei einem Flüchtlingsansturm auf die schwer bewachte Grenze von Marokko zur spanische Exklave Melilla sind zwei Menschen ums Leben gekommen" (3. Juli 2006; nachrichten.ch)
Quelle: http://www.nachrichten.ch/detail/245948.htm (http://www.nachrichten.ch/detail/245948.htm)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 12, 2006, 10:04:09 AM
Quote[...] Ungeachtet erster Massenrevolten gegen die Migrationspolitik der EU haben Berlin und Brüssel am gestrigen Dienstag einen "Aktionsplan" zur weiteren Hochrüstung der Außengrenzen durchgesetzt. In Malta revoltierten Ende Juni mehrere Hundert Flüchtlinge gegen die katastrophalen Haftbedingungen in den dortigen Flüchtlingslagern; der gestern beschlossene "Aktionsplan" verpflichtet nun 27 afrikanische Staaten, aktiver als bisher gegen Migration einzuschreiten und Brüssel an der Kontrolle ihrer Landesgrenzen zu beteiligen. Flüchtlingsorganisationen üben scharfe Kritik an dem Dokument. Auch Amnesty International urteilt, schwere Menschenrechtsverletzungen sowie das Massensterben im Mittelmeer und vor den Kanarischen Inseln seien "eine strukturelle, unvermeidliche Konsequenz" der europäischen Flüchtlingsabwehr. Erst am Montag hatte Brüssel 2,5 Millionen Euro für die Abschottung der Land- und Seegrenzen Mauretaniens zugesagt, das kürzlich mehrere hundert Flüchtlinge in der Wüste ausgesetzt hat - nach dem Vorbild Marokkos, das seine Grenzen ebenfalls mit EU-Geldern militarisiert. Wie es in Berlin und Brüssel heißt, muss in Zukunft allerdings der steigende Bedarf an afrikanischen Arbeitskräften in mehreren europäischen Staaten berücksichtigt werden. Ein deutscher Europaabgeordneter fordert befristete Arbeitseinsätze afrikanischer Kontingente in der EU.

[...] Wenige Tage vor der Verabschiedung des EU-"Aktionsplans" ist es auf Malta zu ersten Massenrevolten in europäischen Flüchtlingslagern gekommen. Am 27. Juni bewaffneten sich im Lager Hal Safi rund 500 Inhaftierte mit Metallstangen und Steinen und verlangten ihre sofortige Freilassung. Es gelang ihnen, das Wachpersonal - maltesische Soldaten - zu überwältigen und aus dem Lager zu fliehen. Zwar wurden die meisten bald wieder festgenommen; einige Flüchtlinge konnten sich jedoch über Tage hin in Dörfern der Mittelmeerinsel verstecken. Erneute Aufstände werden nicht ausgeschlossen.

[...] Ursache der Massenrevolte sind die katastrophalen Zustände in den fünf maltesischen Flüchtlingslagern. Wie die maltesische Hilfsorganisation Jesuit Refugee Service berichtet, sind die Lager - wie viele andere Lager entlang der EU-Außengrenzen auch - stets überbelegt und völlig unzureichend ausgestattet. In ihnen werden alle Flüchtlinge inhaftiert, die die Mittelmeerinsel ohne offizielle Genehmigung erreichen - ein Verstoß gegen verschiedene grundlegende Menschenrechtskonventionen, zumal diejenigen, die Asyl beantragen, mit einer Haftzeit von zwölf bis 18 Monaten zu rechnen haben. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats hat bereits im Oktober 2003 die Verhältnisse in den maltesischen Lagern scharf kritisiert und "eiliges Handeln" verlangt - vergeblich. "Die Lebensbedingungen in den Lagern liegen unterhalb der internationalen Mindeststandards", urteilt der Jesuit Refugee Service.

[...] Scharfe Kritik an der europäischen Migrationsabwehr üben nicht nur Flüchtlingsorganisationen, sondern auch Amnesty International (AI). "Trotz einer Fülle von Phrasen über humanitäre Absichten und über die Bedeutung der Befassung mit den Migrationsursachen besteht die Haupttätigkeit der europäischen Staaten und der EU darin, die Menschen draußen zu halten - und das um beinahe jeden Preis", heißt es in einer Erklärung, die AI anlässlich der Konferenz in Rabat veröffentlicht hat.[3] Wie die Organisation bestätigt, begehen EU-Staaten bei der Flüchtlingsabwehr schwere Menschenrechtsverletzungen; Beschwerden von Nichtregierungsorganisationen bleiben unbeantwortet. AI vermerkt insbesondere, dass keinerlei öffentliche Aufklärung über die Todesfälle an den Grenzen von Ceuta und Melilla stattfindet; dort wurden im vergangenen Jahr 14 Menschen bei nicht genehmigten Einreiseversuchen von Grenzpersonal ums Leben gebracht, erst in der vergangenen Woche wurden erneut drei Flüchtlinge am Rande von Melilla erschossen.

[...] Die von Berlin forcierten und von Brüssel umgesetzten Pläne laufen auf ein praktisch flüchtlingsfreies Europa hinaus, das seinen Wohlstand mit Hilfe befristet abrufbarer Arbeitskontingente aus streng abgeschotteten Armutszonen deckt - Apartheidpolitik in globalem Maßstab.



Bruchstuecke aus: "Lagerrevolten" (german-foreign-policy.com; 12.07.2006)
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56440?PHPSESSID=c76rfl75pvmkp6u5tv0724h3t5 (http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56440?PHPSESSID=c76rfl75pvmkp6u5tv0724h3t5)
Title: [entschlossen und menschlich...]
Post by: lemonhorse on July 16, 2006, 01:47:18 AM
Quote[...] Rom (AP) Italien und Frankreich haben am Freitag eine gemeinsame Initiative zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung angekündigt. Der französische Innenminister Nicolas Sarkozy erklärte nach einem Treffen mit seinem italienischen Kollegen Giuliano Amato, beide Regierungen wollten «entschlossen und menschlich» gegen das Problem «massiver und illegaler Einwanderung» vorgehen, wie italienische Nachrichtenagenturen berichteten. Das Treffen der beiden Minister fiel mit der Landung von 250 Bootsflüchtlingen auf der italienischen Insel Lampedusa zusammen.


Aus: "Rom und Paris wollen gemeinsam gegen illegale Einwanderung vorgehen" (de.news.yahoo.com; 14. Juli 2006)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/14072006/12/rom-paris-gemeinsam-illegale-einwanderung-vorgehen.html (http://de.news.yahoo.com/14072006/12/rom-paris-gemeinsam-illegale-einwanderung-vorgehen.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 18, 2006, 10:50:51 AM
Quote[...] Rom. SDA/AFP/baz. Vor Sizilien und Lampedusa hat Italiens Küstenwache am Montag fünf Boote mit insgesamt mehr als 650 Flüchtlingen aufgegriffen. Am Montagmorgen entdeckte sie nahe Lampedusa und Südsizilien vier Boote mit insgesamt mehr als 350 Menschen.
Dies teilte die Zollbehörde in Palermo mit. Laut der Nachrichtenagentur Ansa wurde am Nachmittag südlich von Sizilien ein weiteres Boot entdeckt, auf dem rund 300 Menschen waren. Zwei von ihnen hätten das Bewusstsein verloren und seien in ein Spital eingeliefert worden.
Das 200 Kilometer südlich von Sizilien gelegene Lampedusa ist nur 300 Kilometer von der libyschen Küste entfernt. Hier treffen ständig neue Flüchtlinge ein, die sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa machen; das Auffanglager ist häufig überfüllt.
Im vergangenen Jahr wurden laut Küstenwache fast 22 000 illegale Einwanderer in 207 Booten an den italienischen Küsten aufgegriffen. 70 Leichen von Flüchtlingen seien in diesem Zeitraum entdeckt worden.


Aus: "650 Flüchtlinge vor Sizilien und Lampedusa aufgegriffen" (baz.ch; 17.07.06)
Quelle: http://www.baz.ch/news/index.cfm?ObjectID=7DC3FAAA-1422-0CEF-707CB100B43738A5 (http://www.baz.ch/news/index.cfm?ObjectID=7DC3FAAA-1422-0CEF-707CB100B43738A5)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 20, 2006, 10:06:23 AM
Quote[...] Die Europäische Union baut eine schnelle Eingreiftruppe aus Grenzpolizisten der Mitgliedsstaaten auf, um sich gegen illegale Einwanderer zu schützen. Die Expertengruppe soll aus rund 300 Leuten bestehen und in Krisensituationen von jedem der 25 EU-Mitglieder angefordert werden können.

Die Teilnahme an der Spezialeinheit ist freiwillig, wie EU-Innenkommissar Franco Frattini gestern in Brüssel sagte. Allerdings habe besonders Deutschland bereits großes Interesse gezeigt und ein außerordentlich großzügiges Angebot zur Teilnahme gemacht.

[...]  Die schnelle Eingreiftruppe gehört zu einem Maßnahmenpaket, mit dem Frattini dem Problem der illegalen Einwanderung in die EU begegnen will. Wichtig sei neben der Überwachung vor allem, die Anreize für Illegale zu mindern, überhaupt in europäische Länder kommen zu wollen, sagte Frattini. Daher müßten illegale und schwarze Arbeitsmärkte beseitigt werden. Denkbar sei etwa, Arbeitgeber von illegalen Beschäftigten zu bestrafen.

"Wir wollen nicht die Opfer von Ausbeutung attackieren, sondern die Ausbeuter selbst", sagte Frattini. Er denke darüber nach, dem Rat der EU-Innenminister vorzuschlagen, daß ein illegal Beschäftigter mit einem "echten" Arbeitsplatz belohnt wird, wenn er seinen Arbeitgeber bei den Behörden anzeigt. Die Kosten für diesen Arbeitsplatz müßte dann wiederum der illegale Arbeitgeber tragen. "Damit hätten wir eine doppelte Abschreckung geschaffen", sagte Frattini. Allerdings will er seine Vorschläge erst am kommenden Montag in der Runde der Innenminister diskutieren. Auch das EU-Parlament muß den Vorschlägen noch zustimmen.

Die Spezialteams der Grenzpolizisten könnten nach Vorstellung Frattinis in Notsituationen wie in Ceuta oder Mellila eingesetzt werden. Im vergangenen Jahr hatten Tausende von Afrikanern versucht, die Grenzen der beiden spanischen Enklaven in Nordafrika zu überwinden. Allerdings gehe es weniger um aktive Polizeieinsätze als um Servicemaßnahmen, sagte Frattini.


Aus: "Deutsche Polizisten sollen Grenzen in Spanien schützen" EU-Kommissar Frattini plant eine Einsatztruppe gegen illegale Einwanderer. Sie soll zum Beispiel das Flüchtlingsproblem im Mittelmeerraum regeln. Deutschland zeigt besonderes Interesse" Von Hannelore Crolly (welt.de; 20. Juli 2006)
Quelle: http://www.welt.de/data/2006/07/20/965782.html (http://www.welt.de/data/2006/07/20/965782.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2006, 10:16:47 AM
Quote[...] Der maltesische Ressortchef Tonio Borg sprach bei einem Treffen der europäischen Innenminister in Brüssel deutliche Worte: "Hunderte ertrinken praktisch vor unserer Haustür." Ständig würden Leichen eingesammelt. Doch das Problem sei größer "als würden da ein paar tote Fische angeschwemmt", fügte Borg hinzu. "Das ist zu einer echten Krise geworden im Mittelmeerraum."

Die öffentliche Meinung reagiere mit Entsetzen, sagte der spanische Staatssekretär Antonio Camacho Vizcaino: "Unsere Bürger können nicht akzeptieren, dass sich unsere Meere zu Massengräbern entwickeln." Der italienische Innenminister Giuliano Amato sieht dabei auch die nördlichen EU-Staaten in der Pflicht: "Das Problem ist ein Problem der Europäischen Union insgesamt."


Aus: FLUCHT ÜBERS MITTELMEER - "Hunderte ertrinken vor unserer Haustür" (SPON; 24. Juli 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,428348,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,428348,00.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2006, 01:00:34 PM
Quote[...] notiz: übel wird mir bei der auffällig-unauffälligen "berichterstattung" über ein wahres menetekel [Als Menetekel bezeichnet man eine unheilverkündende Warnung, einen ernsten Mahnruf oder ein Vorzeichen drohenden Unheils]. welches offensichtlich nicht nur hierzulande die große mehrheit nicht so recht wahrnehmen will. erinnern Sie sich an 1989? jene flüchtlinge wurden damals wahrgenommen, diese verschwinden irgendwo unter den gleichgültigen auslandsnachrichten:

Quote"In den frühen Morgenstunden des gestrigen Montags haben erneut um die 700 Schwarzafrikaner aus Marokko den Grenzzaun gestürmt, der die spanische Enklave Melilla von Marokko trennt. An zwei Stellen gelang es ihnen, die Sperrgitter auf einer Länge von jeweils 20 Metern niederzureißen. 350 Menschen gelangten nach Melilla und damit in die EU."

(...) Vier Polizeibeamte und drei Soldaten wurden durch Steinwürfe verletzt. Über 135 Flüchtlinge zogen sich nach Angaben des spanischen Innenministeriums bei dem Durchbruch Verletzungen zu. 130 wurden ambulant verarztet. Fünf wurden ins Krankenhaus eingeliefert, vier davon wurden operiert.

(...)In den angrenzenden marokkanischen Wäldern leben unter unwürdigsten Bedingungen tausende von schwarzafrikanischen Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa. Imbroda beschwerte sich außerdem über die Abordnung von 500 Legionären der spanischen Armee an die Grenze. Kritiker dieser Maßnahme der spanischen Regierung befürchten, dass Soldaten nicht die geeignete Ausbildung haben, um Flüchtlinge ohne Schusswaffengebrauch zurückzuweisen."

[...] in abwandlung eines gerade kursierenden mottos könnte es heißen: "wir sind europa" - und der rest muss leider draußenbleiben. aber vielleicht sollte das ganze realistischerweise so ausgesprochen werden: "wir sind die festung europa, eure armut ist uns scheißegal, und wir sind bis auf weiteres einverstanden mit der nutzung u.a. von steuergeldern für die ausrüstung dieser festung, damit wir unseren zusammengeplünderten wohlstand nicht teilen müssen."

ja. wir sind mittäter und -täterInnen. involviert und kompromittiert. meine übelkeit meine ich nicht nur metaphorisch, absolut nicht.

Aus: "notiz: übel wird mir..." (monoma; 4. Okt 2006)
Quelle: http://autismuskritik.twoday.net/stories/1029501/ (http://autismuskritik.twoday.net/stories/1029501/)

-.-


Quote[...]
Quote"Mit einem dramatischen Appell haben die südlichen EU-Staaten um Hilfe im Umgang mit den vielen Flüchtlingen aus Afrika gefordert. Bei einem Treffen der europäischen Innenminister sagte der maltesische Ressortchef Tonio Borg am Montag: "Hunderte ertrinken praktisch vor unserer Haustür." Ständig würden Leichen eingesammelt. Doch das Problem sei größer "als würden da ein paar tote Fische angeschwemmt", fügte Borg hinzu. "Das ist zu einer echten Krise geworden im Mittelmeerraum".

Die öffentliche Meinung reagiere mit Entsetzen, betonte der spanische Staatssekretär Antonio Camacho Vizcaino: "Unsere Bürger können nicht akzeptieren, dass sich unsere Meere zu Massengräbern entwickeln." Der italienische Innenminister Giuliano Amato sieht dabei auch die nördlichen EU-Staaten in der Pflicht: "Das Problem ist ein Problem der Europäischen Union insgesamt." Mehrere Staaten, darunter Deutschland, versprachen "europäische Solidarität".

[...] die "solidarität" von antisozialen eliten (und ihren bütteln) - was davon zu halten ist, machen die bisher bekannten planungen bzw. bereits einfach ein blick auf die derzeitige realität deutlich:

"solidarität" 1:

Quote"Die Mittelmeeranrainerstaaten Frankreich und Spanien wollen einen gemeinsamen Polizei- und Justizraum mit Marokko aufbauen. Diese Initiative, die im wesentlichen als Anti-Terrormaßnahme verkauft wird, richtet sich aber vor allem gegen die illegale Einwanderung und wurde ohne Abstriche auf dem Treffen der Innen- und Justizminister in Newcastle abgenickt. Der Vorschlag soll zum zehnten Jahrestag des sogenannten Barcelona-Prozesses konkretisiert und auf der Europa-Mittelmeerkonferenz (Euromed) verabschiedet werden."

"solidarität" 2:

Quote"Die von Spanien finanzierten Lager sollen der "Rückführung" und Wiedereingliederung von Minderjährigen dienen; Ghana stimmte der Rückführung von Migranten zu, Algerien schiebt nach Druck der EU Schwarzafrikaner ab (...)

Warum die Eingliederung ins Arbeitsleben ausgerechnet im armen Marokko geleistet werden soll, statt im reicheren Spanien, wird nicht beantwortet. Tatsächlich will man vor allem die Schwarzafrikaner schlicht loswerden. Die spanische Staatsekretärin für Einwanderung und Sicherheit Consuelo Rumí hat dies deutlich erklärt: "Das Ziel der Regierung ist es, so viele Jugendliche wie möglich zurückzuführen." Erst im danach sprach sie von Garantien, Familienzusammenführung und der Fürsorge durch Marokko.

Dabei hat Marokko gerade gezeigt, welche Garantien es bietet. Mehr als ein Dutzend Einwanderer wurden erschossen, als sie versuchten die Armutsgrenze in die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta zu überqueren. Es sperrt Hunderte in Militärlager. Im besseren Fall werden sie per Charterflug in ein Land deportiert, aus dem sie angeblich kommen. Migranten wurden aber auch schon mit Lastwagen mitten in die Wüste gefahren und zum Teil in vermintem Gelände ihrem Schicksal ohne Wasser und Nahrung überlassen."

"solidarität" 3:

Quote"Der Versuch, die Grenzen zu überqueren, wird zum Angriff erklärt. Wer es trotzdem schafft, europäischen Boden zu erreichen, muss damit rechnen, dass er durch seine Existenz einen Verstoß gegen die Gesetze darstellt.(...)

Die so genannten Illegalen stellen ein unsichtbares Heer von Billiglohnarbeitern, ohne die unter anderem im Pflegebereich, in der Landwirtschaft, in privaten Haushalten und auf dem Bau oft gar nichts mehr gehen würde. Nach Schätzungen leben in der Bundesrepublik zwischen 500.000 und 1,2 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus in totaler Rechtlosigkeit. Dazu kommen 200.000 langjährig Geduldete, wie sie in der Behördensprache genannt werden. Real bedeutet das, dass sie ständig von Abschiebung bedroht sind und alle paar Wochen oder Monate auf der Ausländerbehörde ihre Papiere verlängern lassen müssen. Inzwischen bekommen sie als Folge der Einführung des neuen in vielen Fällen auch keine Arbeitsgenehmigung mehr, selbst wenn sie schon seit Jahren erwerbstätig waren und sie bekommen sowieso nur die Jobs, die nachweislich kein Deutscher oder EU-Ausländer will."
ja, sie ist schon eine feine sache, diese "europäische solidarität". mit reellen ergebnissen :

"Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl starben allein seit Anfang 2002 mehr als 1.000 Menschen an den europäischen Außengrenzen. Im Mittelmeer zwischen Nordafrika und Südeuropa kamen demnach in den vergangenen Jahren mehr als 5.000 Flüchtlinge bei dem Versuch ums Leben, mit klapprigen und meist völlig überfüllten Booten die spanischen, französischen, italienischen oder griechischen Küsten zu erreichen. Pro-Asyl-Europareferent Karl Kopp spricht gar von einem regelrechten "Massengrab" in der Straße von Gibraltar."


Aus: notiz: "Hunderte ertrinken praktisch vor unserer Haustür" (monoma; 24. Jul, 2006)
Quelle: http://autismuskritik.twoday.net/stories/2427841/ (http://autismuskritik.twoday.net/stories/2427841/)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 27, 2006, 11:09:43 AM
Quote[...] Sie sind vor Elend, Armut und vermutlich auch politischer Unterdrückung geflüchtet - in Europa werden sie nun wie Tiere behandelt: Seit Tagen werden in einem Militärcamp auf der Mittelmeerinsel Malta elf Afrikaner in einem winzigen, stickigen Raum ohne Licht und Belüftung festgehalten. Drei Matratzen haben sie insgesamt zur Verfügung, ihre Bedürfnisse müssen sie in einer Plastikflasche verrichten.

Entdeckt hat das "Lager" das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in der vergangenen Woche.

[...] Malta ist von der Flüchtlingskrise ganz besonders betroffen: Seit Jahresbeginn sind mehr als 1000 illegale Einwanderer aus Afrika auf der kleinen Mittelmeerinsel gestrandet. Die Regierung in Valletta ist mit der Situation völlig überfordert und hat bereits mehrmals die EU um Unterstützung gebeten.


Aus: " Flüchtlinge wie Tiere behandelt" (Die Presse; 27.07.2006)
Quelle: http://www.diepresse.com/home/panorama/welt/72105/index.do (http://www.diepresse.com/home/panorama/welt/72105/index.do)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 27, 2006, 11:11:45 AM
Quote[...] Wieder sind 81 illegale Zuwanderer aus Afrika auf den Kanaren gelandet. Damit sind allein seit Jahresbeginn fast 12 500 Illegale auf den Kanaren angekommen. In ganz Spanien leben derzeit nach vorläufigen Ermittlungen mehr als eine Million Einwanderer ohne gültige Papiere.


Aus: "81 weitere illegale Zuwanderer auf den Kanaren gelandet" (brf.be; 27.07.2006)
Quelle: http://www.brf.be/nachrichtenex/shownachricht?id=44060 (http://www.brf.be/nachrichtenex/shownachricht?id=44060)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 30, 2006, 09:57:10 AM
Quote[...] Neugierig laufen die Urlauber auf das Boot im Hafen von Los Cristianos zu. Sie wissen genau, was hier passiert. Seit Anfang des Jahres sind bereits mehr als 18 000 afrikanische Flüchtlinge auf den Kanaren gelandet, fast vier Mal so viele wie im gesamten Jahr 2005. Nachdem im vergangenen Herbst Tausende Afrikaner versuchten, die Grenzzäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko zu stürmen, erhöhten die Spanier die Absperrungen und verschärften die Kontrollen in der Straße von Gibraltar zwischen Afrika und Andalusien. Seitdem bleibt den Flüchtlingen nur noch der Weg über die Kanaren, um nach Europa zu kommen.

Mit Digitalkameras und Handys versuchen die Touristen, das in diesem Sommer so begehrte Motiv zu bekommen: Elendsflüchtlinge aus Afrika. Die Polizei drängt die Urlauber an der Kaimauer zurück. Doch mit hoch in die Luft gehaltenen Kameras hüllen sie die Elendsflüchtlinge auf dem Deck des Schiffes weiterhin in ein Blitzlichtgewitter. Ängstlich stehen die Afrikaner der schaulustigen Menge gegenüber. "Die müssen sich ja wie im Zoo vorkommen", sagt Javier Alvarez, ein Tourist aus Madrid. Doch im gleichen Augenblick zückt auch er sein Handy und macht ein Foto von den Flüchtlingen aus Gambia, die verwirrt um sich schauen.

[...] Antonio Morin und die anderen Helfer vom Roten Kreuz hüllen die frierenden Afrikaner in Decken, geben ihnen trockene Kleidung, Wasser und Kekse, bevor sie von der Polizei auf die Wache gefahren werden. "Einige haben kleine Schnittwunden und Verbrennungen. Doch generell befinden sie sich im guten Zustand", sagt Antonio Morin. Das ist längst nicht immer so. Manchmal sind die Flüchtlinge zwei Wochen auf dem Meer gewesen, die letzten Tage ohne Wasser und Brot. "In diesen Fällen ziehen wir nicht selten Leichen aus den Booten", sagt Morin.

Noch an diesem Sonntag sind wieder 22 Menschen vor der westafrikanischen Küste ertrunken, auch sie hatten Kurs auf die Kanaren genommen. "Wir schätzen, dass seit Anfang des Jahres 490 Flüchtlinge auf ihrer Fahrt zu den Kanaren umgekommen sind", sagt Froilan Rodriguez, der Immigrationsbeauftragter der kanarischen Regierung. Hilfsorganisationen wie etwa das Rote Kreuz gehen allerdings von bis zu 3 000 Todesopfern aus. Genaue Zahlen kann niemand geben.


Aus: ""Europa schaut weg - Sie kommen in Holzbooten aus Afrika und landen auf den Kanarischen Inseln. Spanien fühlt sich völlig überfordert vom Strom der Flüchtlinge" Von Manuel Meyer" (Berliner Zeitung, 29.08.2006)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/seite_3/581549.html (http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/seite_3/581549.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2006, 09:54:52 AM
Quote[...]  Der Schlüssel zur Bekämpfung dieser Missstände ist nach Ansicht des UN-Bevölkerungsfonds die Durchsetzung gleicher Rechte für Frauen und die Armutsbekämpfung.


Aus: "Europa unter Migrationsdruck - Weltbevölkerungsbericht vorgelegt / Entwicklungsländer verlieren medizinisches Personal " Von  Claudia Nauth (07.09.2006)
Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2514071 (http://www.wiesbadener-kurier.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2514071)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 20, 2006, 12:24:34 PM
Quote[...] Das Lager auf der besonders betroffenen italienischen Insel Lampedusa ist nach Angaben der Behörden nur für 186 Personen ausgelegt, oft kommen dort jedoch an einem einzigen Wochenende um die 500 Flüchtlinge an. Italien wie auch Spanien und Malta wollen außerdem mehr Sanitäter, Ärzte, Psychologen und Dolmetscher in den Auffanglagern einsetzen.

Um die Situation in den Lagern zu verbessern stellt die EU-Kommission Italien, Malta und Spanien 3,3 Millionen Euro zur Verfügung. Es handele sich um eine Soforthilfe, teilte ein Kommissionssprecher heute in Brüssel mit.

Damit sollen neben neuen Flüchtlingslagern eine strengere Überwachung der Seegrenzen finanziert werden. So soll die Ausstattung von Späh- und Suchtrupps der Küstenwachen verbessert werden, die auf dem Mittelmeer nach Bootsflüchtlingen Ausschau halten. Die Kommission geht davon aus, dass in den Sommermonaten rund 3000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind.

Der Süden Spaniens erlebte unterdessen einen neuen Zustrom von illegalen Zuwanderern. Nach Angaben der Behörden erreichten mehr als 200 Nordafrikaner mit etwa 20 Booten in der Region Andalusien das spanische Festland. Die meisten von ihnen stammten aus Marokko. Illegale Immigranten aus dem nordafrikanischen Staat werden normalerweise umgehend in ihre Heimat abgeschoben, da Spanien mit Rabat ein Rückführungsabkommen geschlossen hat.


Aus: "KANAREN - Verheerende Zustände in Flüchtlingscamps" (SPON; 19. September 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,437936,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,437936,00.html)
Title: [Zuwanderer-Bilanz und Stammtisch-Gerede]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 26, 2006, 09:53:19 AM
Quote[...] Köln (ots) - 24. September 2006 - Die sieben Millionen Ausländer
in Deutschland stützen den Sozialstaat. Im Durchschnitt zahlen sie
nach einer neuen Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit
(IZA) für das Wirtschaftsmagazin ,Capital' (Ausgabe 21/2006, EVT 28.
September) pro Kopf 1.840 Euro mehr Steuern und Beiträge an die
öffentlichen Kassen, als sie an Transferleistungen erhalten. Für die
Untersuchung haben die Bonner Wissenschaftler die neuesten
verfügbaren Daten des sozio-ökonomischen Panels herangezogen.

   Laut 'Capital' zahlte jeder Ausländer im Jahr 2004
durchschnittlich 7.390 Euro an den Staat und erhielt öffentliche
Leistungen in Höhe von 5.550 Euro. "Das Stammtisch-Gerede, dass
Ausländer auf Kosten der Bundesbürger die Sozialsysteme ausplündern,
ist blanker Unsinn", resümiert IZA-Forscher Holger Bonin gegenüber
,Capital'. Die Studie zeigt allerdings auch, dass die Deutschen mit
2.750 Euro pro Kopf und Jahr unter dem Strich noch mehr in die
staatlichen Kassen zahlen als die Migranten. Die Differenz von gut
900 Euro kommt überwiegend dadurch zustande, dass Ausländer weniger
verdienen und häufiger arbeitslos sind. Bei Rentnern und Jugendlichen
ergeben sich hingegen nur sehr geringe Unterschiede in der Bilanz.

   Auch auf lange Sicht betrachtet, profitiert der Sozialstaat laut
'Capital' von den Migranten. Nach den IZA-Berechnungen wird jeder
heute hier wohnende Ausländer im Laufe des Lebens durchschnittlich
11.000 Euro mehr an den Staat zahlen, als er bekommt.
Zusammengerechnet ergibt sich daraus ein Betrag von 82 Milliarden
Euro - unter der Annahme, dass die Wirtschaft langsam, aber stetig
wächst und sich an den politischen Rahmenbedingungen nichts ändert.
"In der Realität dürfte das Resultat noch besser ausfallen", sagte
Bonin gegenüber ,Capital'. "Denn angesichts der miserablen
Staatsfinanzen wird die Politik in Zukunft mehr Steuern kassieren und
weniger Transfers bezahlen."


Aus: "Neue Zuwanderer-Bilanz: Fiskus und Sozialkassen profitieren von Ausländern - Jeder Migrant zahlt pro Jahr durchschnittlich 1.840 Euro mehr Abgaben an den Staat, als er Leistungen erhält" (24.09.2006)
Quelle: http://www.presseportal.de/story.htx?nr=877495&ressort=5
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 04, 2006, 11:50:05 AM
Quote[...] Das "US Committee for refugees and immigrants" stellt in seinem statement "calling for solutions to end the warehousing of refugees" fest, dass weltweit von den annähernd 12 Millionen "politischen Flüchtlingen" gegenwärtig mehr als 7 Millionen ihr Leben in Lagern verbringen müssen: they are warehoused, wie es dort heißt. Sie sind lagerverbracht, könnte man übersetzen. Ich führe diese aktuelle von mehr als 200 NGOs getragene Erklärung des US-Commitees an, um deutlich zu machen, dass nicht nur die Weltarmut in Lagern verschwindet, sondern auch politische Flüchtlinge. Diese Entwicklung markiert einen Trend, dem alle Migrantinn/en unterworfen sind, gleich, aus welchen Gründen sie ihre Herkunftsregionen verlassen haben.

Die gewöhnliche Unterscheidung zwischen Armutsflüchtlingen einerseits und politischen Flüchtlingen andererseits wird angesichts der verheerenden Folgen der "Globalisierung" den tatsächlichen migrantischen Realitäten schon lange nicht mehr gerecht: Armut ist immer politisch. Sie wird politisch gewaltsam hergestellt und aufrecht erhalten.


Aus: "Die Wiederkehr der Lager im Kontext der Europäischen Immigrationskontrolle – oder: Wohin mit den ,,Weltüberflüssigen""?
Dirk Vogelskamp (Geringfügig redigierte Fassung des Vortragsmanuskripts zur Veranstaltung "Krieg gegen die trikontinentale Massenarmut – Migration, Flucht und die Rückkehr der Lager." vom 5. Mai. 2006 in Berlin)
Quelle: http://www.materialien.org/texte/migration/weltueberfluessig.html (http://www.materialien.org/texte/migration/weltueberfluessig.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 16, 2006, 11:07:22 AM
Quote[...] So wie sich die spätrömische Grenze aus verschiedenen Befestigungssystemen zusammensetzte (Hadrianswall, Limes Porolissensis, Fossatum Africae), besteht die Große Mauer des Kapitals aus drei kontinentalen Grenzregimen: der US-amerikanischen frontera, der Festung Europa und der Howard-Linie, die das weiße Australien von Asien trennt.

[...] Der Vorschlag, »papierlose« Immigranten befristet anzuerkennen, ist aber keineswegs altruistisch. Man würde eine Unterkaste von Niedriglohnbeziehern legalisieren, ohne ihnen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis oder gar die Staatsangehörigkeit zu gewähren. Wal-Mart und McDonald's bekämen ein verlässliches Reservoir an Lohnsklaven. Außerdem wäre die befristete Legalität ein diabolischer Köder, um Arbeitskräfte ohne Papiere aus der Anonymität zu locken, sie zu identifizieren, etikettieren und ins elektronische Monitoring einzuspeisen. Dadurch würde die Große Mauer nicht etwa durchlässiger, sondern hermetischer, gleichzeitig blieben die Interessen der Ausbeuter gewahrt.

[...] Im Juli 2001 druckte eine spanische Zeitung ein Foto, das Badegäste am Strand von Tarifa zeigte, wie sie sich neben dem Leichnam eines ertrunkenen Marokkaners sonnten. Der Fotograf betitelte sein Bild Die Gleichgültigkeit des Westens. Tatsächlich werden jedes Jahr zwischen 600 und 1000 Leichen an Land gespült, seitdem die Europäische Union ihre Grenzen stärker gegen politische Flüchtlinge und Einwanderer aus der Dritten Welt abriegelt. Die Ertrunkenen sind, wie die toten Mojados in der Wüste von Arizona, kalkulierte Opfer einer menschenrechtswidrigen Asylpolitik.

Wie an der mexikanischen Grenze geht es am Rande der Festung Europa auch darum, die Ängste der Wähler zu zerstreuen. Die Schreckensvision dunkelhäutiger, vornehmlich muslimischer Hungerleider, die die westlichen Wohlfahrtsstaaten heimsuchen, hat Europas extreme Rechte beflügelt. Und so war das Schengener Abkommen ein Versuch der großen Volksparteien, die Wählerabdrift zu Populisten wie Jean-Marie Le Pen, Jörg Haider, Umberto Bossi oder Pim Fortuyn zu stoppen. Es richtete sich sowohl gegen die erwiesenen Barbaren im Inneren als auch gegen die vermeintlichen Barbaren draußen.

Momentan besteht die Festung Europa aus drei grundlegenden Bauteilen: einem panoptischen Gehirn, einem gemeinsamen System der Grenzkontrolle und einer Pufferzone alliierter Staaten. Als Gehirn fungiert seit 1995 das Schengener Informationssystem SIS. Es speichert die Daten von acht Millionen »unerwünschten« Personen. Geplant ist die Erweiterung um biometrische Daten und die Erfassung von EU-Personalausweisen. Eine »Weiße Liste« soll Bürgern bevorzugter Länder wie der Vereinigten Staaten, Israels und der Schweiz die beschleunigte Einreise ermöglichen, während Ankömmlinge aus der Dritten Welt mit Endloskontrollen schikaniert werden.

[...] Als Antwort auf das Massensterben im Mittelmeer verlagert die EU ihre Grenzschutzmaßnahmen mittlerweile ins Innere der Dritten Welt. So schlug Tony Blair vor, »Schutzzonen« in Konfliktregionen Afrikas und Asiens einzurichten, in denen man potenzielle Flüchtlinge jahrelang in Quarantäne halten kann. Mit Zuckerbrot (Hilfe und Handel) und Peitsche (weder Hilfe noch Handel) sollen Länder wie Kenia oder Tansania genötigt werden, Pufferzonen einzurichten: Der Zugang zu OECD-Märkten wird wohl bald an die Bereitschaft zur Auswanderungskontrolle geknüpft.

»Freundliche Nachbarschaft« lautet der offizielle Euphemismus für den Vorschlag, einen Cordon sanitaire rund um die EU zu bilden, der Russland, die Ukraine, Moldawien, Weißrussland, Albanien, Marokko, Tunesien, Libyen und eventuell Syrien und Israel umfassen soll. So würden Einwanderer lange vor dem Ziel ihrer verzweifelten Reise abgefangen. Die Folgen für die Menschenrechtssituation in den Pufferstaaten wären natürlich gravierend, und manche Kritiker haben die geplanten Auffanglager bereits mit Guantánamo verglichen. Aber es gibt noch ein anderes sinistres Vorbild, nämlich Australien, wo Premierminister John Howard den kurdischen, afghanischen und timorischen Flüchtlingen den Krieg erklärt hat.

[...] Australiens Premierminister John Howard ist zum Idol amerikanischer und europäischer Zuwanderungsgegner avanciert, seit er die australische Marine abkommandierte, Flüchtlinge aufzufischen, um sie in Internierungslager in der südaustralischen Wüste zu sperren oder in grausige Camps des Inselchens Nauru abzuschieben. Howards bisher wichtigster Triumph war die Schlacht gegen den Frachter Tampa, der im August 2001 rund 150 Kilometer nördlich der zum australischen Hoheitsgebiet zählenden Weihnachtsinsel 460 afghanische Schiffbrüchige aufnahm. Als deren überladener Fischkutter sank und die australische Seefahrtbehörde das Notsignal auffing, forderte sie die MS Tampa auf, den Afghanen zu Hilfe zu eilen. Pflichtschuldigst rettete die Tampa die Flüchtlinge, von denen einige schwer krank waren, und nahm Kurs auf die Weihnachtsinsel. Die Regierung Howard verweigerte dem norwegischen Kapitän Arne Rinnan jedoch die Anlegeerlaubnis und wies ihn an, die Flüchtlinge nach Indonesien zu bringen. Rinnan erwiderte, dass sein Schiff für eine Besatzung von 27 Mann ausgelegt wäre und weder Sicherheit noch Gesundheit Hunderter Flüchtlinge gewährleisten könnte. Als die Tampa nach mehrtägigem Warten in australische Gewässer einfuhr, entsandte Canberra eine bewaffnete Kommandoeinheit, die den Frachter enterte und Rinnan befahl, auf offene See zurückzukehren. Der couragierte Kapitän weigerte sich, dieser Aufforderung nachzukommen, womit er sich eine Strafverfolgung als »Menschenschmuggler« einhandelte. Schließlich wurden die Flüchtlinge von der australischen Marine auf die Internierungs-Insel Naura transportiert.

[...] Natürlich hat die Vermauerung unserer Gegenwart ihre Vorgeschichte. So waren die reichen Länder, die sich heute einigeln, im 19. Jahrhundert selbst Ausgangspunkt für Massenemigration. Die Freizügigkeit von Arbeit und Kapital gehörte zu den zentralen Glaubensgrundsätzen des viktorianischen Liberalismus. Diese werden nun durch die neoliberale Globalisierung verraten. Sie inthronisiert das Kapital als uneingeschränkten Souverän, der alle Grenzen überwindet, während die Unterprivilegierten in ihrem Elend eingesperrt bleiben, während die soziale Ungleichheit durch Bollwerke zementiert und die Arbeitsmigration kriminalisiert wird. Im Namen des Antiterrorkampfes formieren sich unheilvolle totalitäre Kräfte.


Aus: "Die Große Mauer des Kapitals - USA/Mexiko und anderswo: Wie die Armen der Welt brutal von den reichen Ländern ausgegrenzt werden" Von Mike Davis (Aus dem Englischen von Michael Adrian - Mike Davis ist der bedeutendste US-amerikanische Stadtsoziologe. Er unterrichtet an der Universität Kalifornien in Irvine und lebt in San Diego. Mehr zum Thema in dem Sammelband »Against the Wall«, hrsg. von Michael Sorkin, New Press 2005) / DIE ZEIT, 12.10.2006 Nr. 42
Quelle: http://www.zeit.de/2006/42/Mauern?page=1 (http://www.zeit.de/2006/42/Mauern?page=1)

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Quote[...]  Die Hamburger SPD hat sich, genau wie die Grüne Jugend Hamburg, für eine Arbeitserlaubnis für Ausländer ausgesprochen, die in Deutschland nur geduldet sind. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Sonntag diesen Vorstoß gemacht: "Wir haben etwa 180 000 Menschen, die geduldet sind und nicht abgeschoben werden können. Da ist es doch besser, sie arbeiten zu lassen. Sonst fallen sie dem Sozialsystem zur Last", so Schäuble. Damit unternahm er vor einem Arbeitstreffen der Innenminister in München am Montag einen Vorstoß.

"Innensenator Nagel sollte dem CDU-Bundesinnenminister Schäuble auf seinem Weg in die Realität folgen", forderten die SPD-Abgeordneten Aydan Özoguz und Andreas Dressel am Montag.


Aus: "Beifall für Schäuble von SPD und GAL" (10.10.2006)
Quelle: http://www.welt.de/data/2006/10/10/1065567.html (http://www.welt.de/data/2006/10/10/1065567.html)

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Quote[...] Frankfurt/Main (AP) Die nach der neuen Bleiberechtsregelung zu erwartende stärkere Nachfrage von Ausländern nach Arbeitsplätzen kann laut Experten erfüllt werden, ohne dass es zu Konkurrenz-Problemen kommt. «Es gibt noch eine Menge Angebote, wegnehmen werden die Ausländer niemandem etwas», sagte Migrationsexperte Herbert Brücker vom bundeseigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Berliner Zeitung «Tagesspiegel am Sonntag».

«Die meisten werden Arbeit im Niedriglohnsektor annehmen müssen - also für fünf oder sechs Euro die Stunde, vielleicht auch darunter», sagte Brücker. Nach Meinung des Arbeitsmarkt-Forschers Holger Bonin vom Institut zur Zukunft der Arbeit nehmen Migranten den Einheimischen keine Arbeitsplätze weg, weil sie die «schmutzigen Jobs» erledigten, die sonst keiner will. «Als Erntehelfer will sich noch immer kaum ein deutscher Arbeitsloser einstellen lassen», sagte Bonin dem Berliner Blatt. Einen Mangel an gering bezahlten Tätigkeiten gebe es nicht. «Die Unternehmer wären froh, wenn sie mehr Niedriglohn-Stellen besetzen könnten; es gibt aber kaum Bewerber», sagte der IZA-Forscher.

Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich nach zähem Ringen am Freitag auf eine Bleiberechtslösung für die rund 180.000 geduldeten Ausländer geeinigt. Ausländern, die bereits einen Arbeitsplatz haben oder eine Ausbildung machen, soll ab sofort eine auf zunächst zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden. Alle anderen Betroffenen haben bis zum 30. September 2007 Zeit, sich eine Arbeit zu suchen. Nach Angaben des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) sind dies rund 40.000, während 20.000 geduldete Ausländer schon einen Arbeitsplatz haben.

Schünemann sagte der hannoverschen «Neuen Presse», die Betroffenen brauchten eine dauerhafte Anstellung, um ein Bleiberecht zu erhalten. Wer keinen Job finden sollte, werde abgeschoben.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, sagte im NDR, jetzt herrsche Rechtsklarheit. Die SPD habe den zwischen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) erarbeiteten Kompromiss so ausgelegt, dass die geduldeten Ausländer sich lediglich um einen Arbeitsplatz bemühen sollten. «Wir haben immer unter Arbeit 'arbeiten gehen', also Erwerb, verstanden, denn nur das gibt ja die Fähigkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen.»

Schäuble hält einen Streit über die Auslegung für unnötig. «Es muss der Gesetzgeber mit den Ländern zusammenwirken», sagte der CDU-Politiker in einem ZDF-Interview. Kompromisse hätten es an sich, dass sich jeder Beteiligte eine Regelung gewünscht hätte. «Das gilt auch für mich.»

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) plädierte im RBB für weiter gehende Regelungen. Er befürwortete Überlegungen in der großen Koalition, wonach Ausländer nach vierjährigem Aufenthalt in Deutschland gleichrangig Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Bisher haben sie nach einem Jahr einen nachrangigen Anspruch, stehen also hinter inländischen Arbeitslosen zurück.

Die Grünen bekräftigten ihre Kritik. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach in der «Netzeitung» von einer Mogelpackung und einem humanitären Armutszeugnis. So würden jetzt auf den «ohnehin restriktiven Vorschlag der Bundesregierung» zu einer gesetzlichen Altfallregelung «zusätzliche Schikanen drauf gesattelt», sagte Beck.


Aus: "Ausländer drängen nun wegen Bleiberecht auf Arbeitsmarkt" (19. November 2006)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/19112006/12/auslaender-draengen-bleiberecht-arbeitsmarkt-wochenendzusammenfassung.html (http://de.news.yahoo.com/19112006/12/auslaender-draengen-bleiberecht-arbeitsmarkt-wochenendzusammenfassung.html)

Title: ["Sie sind mit den Bildern aus Dallas und Schwarzwaldklinik groß geworden"]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 24, 2006, 11:45:05 AM
Quote[...]  40 Tage sind die Flüchtlinge auf auf einem Militärgelände untergebracht, nur 20 Bus-Minuten von Las Palmas entfernt, aber Touristen werden fern gehalten. "Die Zustände in dieser Zeltstadt sind in einem unsäglichen Zustand, aber für sie ist es vielleicht da schon besser als die Zustände zu Hause", so Trüpel. Die Flüchtlinge dürfen die Kaserne nicht verlassen, keine Briefe schreiben, Handys werden ihnen weggenommen - Kontakt mit der Heimat verboten. Nur das Rote Kreuz kommt jeden Tag mit ÄrztInnen vorbei - eine so intensive ärztliche Versorgung "kennen sie aus ihrer Heimat nicht". Die große Hoffnung der Flüchtlinge ist es, nach Spanien ausgeflogen zu werden.

Für Trüpel trägt die europäische Politik eine doppelte Verantwortung für das Flüchtlingselend. Denn die europäische Wirtschaftspolitik fördere die Verarmung in Westafrika: "Da werden tiefgefrorene Billig-Hähnchen mit EU-Mitteln subventioniert nach Westafrika exportiert und machen da die Märkte kaputt." Die Fischfangflotte der EU fischt vor der Küste der westafrikanischen Länder die Bestände weg und macht die örtlichen Fischbestände kaputt - zwei große Probleme, die VertreterInnen der westafrikanischen Länder dem Grünen-Besuch ins Gästebuch schrieben. "Die Verarmung der afrikanischen Bauern hat in den letzten 20 Jahren dramatisch zugenommen, sagen uns die Experten aus diesen Ländern", berichtet Trüpel.

Europa mache die Ökonomie vor Ort kaputt und zeige gleichzeitig über die Medien das reiche Leben im Westen. "Die, die abhauen, gelten als die jungen, mutigen Männer, die sich aufmachen, ein besseres Leben zu finden." Sie sind mit den Bildern aus Dallas und Schwarzwaldklinik groß geworden, "haben eine feste Vorstellung vom Leben im Westen - alles scheint ihnen besser als das Leben in Afrika", so der Eindruck der EU-Abgeordneten.

Was tun? Trüpel sagt: "Wir haben verlangt, dass im EU-Haushalt mehr Geld für die Unterbringung bereit gestellt wird, als Soforthilfe." Die politischere Forderung: "Wir müssen mit dieser Landwirtschafts- und Fischereipolitik aufhören." Und schließlich müsse Europa eine legale Einwanderungspolitik mit Quoten entwickeln - erst dann, so Trüpel, sei es legitim, illegale EinwandererInnen zurückzuweisen. Dann erst könne man von den afrikanischen Staaten verlangen, dass sie illegale Flüchtlinge zurücknehmen.


Aus: "Wie die EU Flüchtlinge aus Afrika produziert" - Bremer EU-Abgeordnete besuchte Flüchtlingslager auf Gran Canaria. Ihr Fazit: Die EU subventioniert die Armut in Afrika"; taz Nord vom 23.10.2006, S. 24, 90 Z. (TAZ-Bericht), kawe
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/10/23/a0276.1/text


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Quote[...] Auch in Niger, wo 63 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar am Tag lebten, gebe es genügend Nahrungsmittel. "Aber die Menschen dort sind zu arm, um sie zu erwerben", bedauert Mittal. Die Katastrophe des letzten Jahres habe sich ereignet, obwohl die Nahrungsmittelproduktion nur 7,5 Prozent unter dem Bedarf gelegen habe.

Selbst während der Krise war ein Kilogramm Hirse in Niger teurer als ein Kilogramm Reis in einem europäischen oder US-amerikanischen Supermarkt. Einen der Gründe dafür sieht Frédérick Mousseau, Ko-Autor der Studie des Oakland Institute, in den Strukturanpassungsprogrammen von Weltbank und IWF. Sie hätten zur Abschaffung der Getreidereserven für Notzeiten und Aufgabe des staatlichen regulierten Getreidemarktes geführt.

Marktwirtschaftliche Prinzipien gelten in Niger mittlerweile auch für die medizinische Versorgung. Folge ist, dass Medikamente für das Gros der Armen unerschwinglich geworden sind, Krankheiten nicht kuriert werden und Einkommen ausfallen. Ein Übriges tun Schulgebühren. Sie sorgen dafür, dass in Niger derzeit nur 17 Prozent der Kinder zur Schule gehen.


Aus: "Niger: Hunger duch Marktwirtschaft: Nahrungsmittel oft teurer als in Europa - NIGER: Hunger durch Armut, Markwirtschaft und verspätete Hilfe" Von Stephen Leahy (2006-10-23)
Quelle: http://www.afrika.info/aktuell_detail.php?N_ID=325&kp=news

Title: ["Das hat nichts mit Ideologie zu tun"...]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2006, 11:39:58 AM
Quote[...] Adro - "Das hat nichts mit Ideologie zu tun, es geht darum, Beamte auszuzeichnen, die an ihre Arbeit glauben", zitierte die Zeitung "Corriere della Serra" Adros Bürgermeister Oscar Lancini. Sogar die Gewerkschaften hätten seiner Idee anfangs zugestimmt.

Für Polizisten, die einen illegalen Einwanderer festnähmen, seien 500 Euro Belohnung ausgesetzt, meldete das Blatt. "Es handelt sich nicht um ein Kopfgeld, sondern um einen Bonus", sagte Lancini, der Mitglied der populistischen Lega Nord ist.

[...] Hintergrund der Maßnahme ist der nicht abreißende Flüchtlingsstrom übers Mittelmeer nach Europa. Erst an diesem Wochenende waren erneut zwei Boote mit insgesamt über 430 illegalen Einwanderern aus Nordafrika auf der süditalienischen Insel Lampedusa gelandet. Zwei weitere Schiffe mit etwa 100 beziehungsweise mehreren Dutzend Passagieren hätten sich der Insel genähert, berichteten die italienischen Behörden.

Das Auffanglager auf Lampedusa südlich von Sizilien ist nach Behördenangaben völlig überfüllt. In dem Lager, das für 190 Menschen gedacht ist, sind gegenwärtig über 500 Menschen untergebracht.

Insgesamt sind seit Jahresbeginn über 14.000 Flüchtlinge aus Nordafrika über das Mittelmeer nach Süditalien gekommen. Die Regierung in Rom fordert immer wieder andere europäische Staaten auf, beim Kampf gegen die illegale Einwanderung zu helfen. Für viele Flüchtlinge sei Italien lediglich Transitland, ihr Ziel sei häufig Deutschland oder Frankreich.


Aus: "MIGRATION IN ITALIEN: 500 Euro für Festnahme von Zuwanderern" (SPON; 25. Oktober 2006; als/jaf/dpa)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,444614,00.html

Title: ["...die Abrufung befristeter Arbeitskontingente"]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 31, 2006, 11:56:25 AM
Quote[...] Man werde sich so lange zur Wehr setzen, bis die Lebensbedingungen in der heruntergekommenen Massenunterkunft verbessert würden, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion. Blankenburg ist Teil des deutschen Lagersystems. Unerwünschte Einwanderer werden in Massenunterkünften konzentriert, um den Ausreisedruck zu steigern; Ziel ist es, die Bundesrepublik flüchtlingsfrei zu machen. Die deutschen Lager ordnen sich in das umfassende Abschottungsregime der EU ein, das von Menschenrechtsorganisationen scharf verurteilt wird. In einer aktuellen Stellungnahme stellt amnesty international (ai) fest, dass die von Berlin unterstützten Sperrmaßnahmen vor den Kanarischen Inseln (Frontex) gegen universelle Grundrechte verstoßen. Davon unbeeindruckt hat der deutsche Innenminister in der vergangenen Woche eine weitere Hochrüstung der EU-Außengrenzen gefordert. Wie Wolfgang Schäuble ankündigt, soll es in Zukunft Flüchtlingskontingente geben, die auf Bestellung europäischer Unternehmen einreisen und der Produktion zugeführt werden. Der Plan sieht vor, die Migranten nach Abschluss des Arbeitseinsatzes abzuschieben. Berlin will die deutsche Initiative beim Gipfeltreffen der EU-Staatschefs im Dezember absegnen lassen.

[...] Vor allem sieht das Schäuble-Sarkozy-Papier vor, in Zukunft begrenzten Flüchtlingskontingenten den befristeten Zugang zu EU-Mitgliedsländern zu gewähren, falls dort Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften besteht. Demnach sollen Staaten, in denen Unternehmen den Wunsch nach kostengünstigen außereuropäischen Hilfsarbeitern vermelden, nationale "Zuwanderungsquoten" festlegen. Sie erhalten dann die gewünschte Arbeitermengen, die allerdings nach Verrichtung ihrer Tätigkeit (maximal drei bis fünf Jahre) wieder des Landes verwiesen werden ("Gastarbeiter auf Zeit"). Das Konzept ähnelt verwandten Methoden, mit denen das Deutsche Reich seinen damaligen Wirtschaftsbetrieben Arbeitskräfte aus der europäischen Peripherie zuführte.

Da die Geldüberweisungen der in Europa arbeitenden Migranten einen bedeutenden Teil der Deviseneinnahmen ärmerer Länder ausmachen, gilt die Abrufung befristeter Arbeitskontingente zugleich als aussichtsreiches politisches Druckmittel. Schäuble und Sarkozy verweisen auf die Möglichkeit, Staaten bei der Arbeiterüberstellung zu bevorzugen, sofern sie beim Abschub nicht gewünschter Flüchtlinge kooperieren. Damit nähert sich der deutsch-französische Vorschlag einer umfassenderen Kontrolle über die globalen Migrationsbewegungen, die auf ihren ökonomisch nutzbaren Teil reduziert werden. Dem nicht verwertbaren Rest drohen Lager - innerhalb und außerhalb der EU.


Aus: "Nicht verwertbar - Im norddeutschen Flüchtlingslager Blankenburg gehen die Proteste weiter." (german-foreign-policy.com; 31.10.2006)
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56586?PHPSESSID=dqqa67o1au281p6brs2tmbiqp1
Title: [Gut 50% des Zuwachses des spanischen Bruttoinlandproduktes...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 21, 2006, 10:28:42 AM
Quote[...] Auf insgesamt 5 Booten erreichten gestern 170 Immigranten vier Kanarische Inseln. Ähnlich wie am Mittwoch als 200 Afrikaner auf dem Archipel ankamen, waren die Inseln Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria und Teneriffa betroffen. In Los Cristianos ist ein Cayuco mit 4 Babys zwischen einem und drei Jahren an Bord in den Hafen geschleppt worden. 57 Meilen südlich von Gran Canaria konnte die Küstenwache die Insassen eines Cayucos retten, das Boot war leckgeschlagen und voll Wasser gelaufen. Damit sind in den letzten vier Tagen 370 Immigranten auf den Kanarischen Inseln gelandet. Die Folgen der Immigration wirken sich positiv auf die spanische Wirtschaft aus. Das ist die Aussage von Miguel Sebastián, Wirtschaftsminister im Kabinett von Ministerpräsidenten José Luis Zapatero. Gut 50% des Zuwachses des spanischen Bruttoinlandproduktes in den letzten 5 Jahren ist laut Sebastián ausländischen Arbeitnehmern zuzuschreiben. Laut dem Minister trägt die Immigration auch zur Senkung der strukturellen Arbeitslosigkeit bei - die Immigration habe auch einen positiven Einfluß auf das Pro-Kopf Einkommen in Spanien. Sebastián ist der PSOE Kandidat für das Bürgermeisteramt in Madrid und der erste Politiker der betont, daß die Immigration keine Gefahr für die spanische Nation darstellt, sondern im Gegenteil sehr viele Vorteile für das Land darstellt.


Aus: "Kanaren - Immigrantenwelle geht ungehindert weiter" (Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, 17.11.2006)
Quelle: http://www.megawelle.com/Nachrichten.918.Kanaren..Immigrantenwelle.geht.ungehindert.weiter.html

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 22, 2006, 01:31:50 PM
Quote[...] Man nennt sie "die Illegalen": bis zu eine Million Menschen leben in Deutschland ohne gültige Ausweis-Papiere oder Aufenthaltsrecht. Der Fernseh-Journalist Hauke Wendler hat ein Jahr lang recherchiert, um sie aufzuspüren. Heute strahlt der NDR seinen Film "Abgetaucht" aus.

[...] Was sind die größten Probleme der Papierlosen?

[Hauke Wendler]: Sie kämpfen damit, ihren Alltag zu organisieren. Was für uns normal ist, wird für sie zur täglichen Tortour, da alles geheim, informell, mehr oder weniger im Verborgenen geregelt werden muss. In Schwierigkeiten geraten sie am Häufigsten, wenn der deutsche Arbeitgeber sie um ihren Lohn prellt, wenn die Kinder zur Schule wollen, wenn der Vermieter einfach die Miete erhöht, weil er weiß, dass sie sich nicht wehren können. Oder wenn sie einen Arzt brauchen. Sie haben kaum Geld, sie arbeiten schwarz und für sehr niedrige Löhne, um überhaupt etwas zu haben. Sie können ja keinen Cent von den Behörden bekommen. Sie leben mit der ständigen Angst, entdeckt zu werden. Sie leben mit einem komischen Gefühl, weit weg von der Heimat und den Freunden zu sein, und sich gleichzeitig aus ihren schmalen inoffiziellen Wegen nicht herausbewegen zu dürfen.

[...] Wie schaffen sie es überhaupt zu überleben?

Sie bewegen sich in einem engen Geflecht, einem Netzwerk von Menschen, die sich gegenseitig inoffiziell über die Runden helfen. Oft besteht es aus anderen Migranten aus dem gleichen Land oder Erdteil, die schon früher nach Deutschland gekommen sind. Man darf sich das aber nicht zu romantisch vorstellen: Diese Netzwerke sind für die Papierlosen schlicht die einzige Möglichkeit, zu überleben. Mit der Mehrheit der Deutschen kommen die Papierlosen nicht in Kontakt. Sie sind dazu gezwungen, zu Überlebenskünstlern zu werden. Durch das gegenseitige Vertrauen und Wissen übereinander wird ein Papierloser aber auch leicht zum Opfer von Erpressung.

Welche Art von Erpressung?

Es kommt vor, dass ein Migrant, der gültige Papiere hat, einen Bekannten ohne Papiere droht, ihn anzuzeigen - es sei denn, er zahlt. Oder er fordert immer höhere Geldbeträge für die Hilfe. Es gibt auch indirekte Erpressung: Michael bei uns im Film lebt seit zwölf Jahren nur in seinem Netzwerk. Er fühlt sich darin gefangen, es gibt kein Vor und kein Zurück. Morgens geht er zu seinem Job in einem teuren Restaurant in der Hamburger Innenstadt. Den hat ihm ein Bekannter vermittelt. Die Chefin weiß über Michael Bescheid. Aber sie unternimmt nichts, nichts für ihn und nichts gegen ihn. Denn sie weiß auch: Sie kann niemandem so wenig Geld für so harte Arbeit zahlen wie Michael.

[...] Im Film kommen einige Menschen vor, die Kontakt zu den Papierlosen haben und ihnen helfen, eine Ärztin zum Beispiel. Machen sich diese Menschen strafbar, weil sie die Papierlosen nicht melden?

Schulen, Krankenhäuser und viele öffentliche Einrichtungen haben eine Meldepflicht, ja. In unserem Film kommen aber mehrere Ãrzte vor, die ihre Patienten nicht melden. Für jeden Arzt ist es eine Frage der Abwägung, ob er einen Papierlosen behandelt. Sie alle haben einen Eid geschworen, jedem kranken Menschen zu helfen. Eine Zahnärztin bei uns im Film sagt: Ich glaube nicht, dass mich jemand vor Gericht stellt, weil ich einem Menschen mit Schmerzen geholfen habe. Alle anderen Menschen haben keine Meldepflicht und müssen nichts fürchten, wenn sie Papierlose kennen oder ihnen helfen, es sei denn sie machen das gewerbsmäßig. Ich empfinde es als eine Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen.

Tun Sie das mit dieser Dokumentation?

Sie soll vor allem Leute wachrütteln, die noch nie etwas von den Problemen dieser illegalen Einwanderer gehört haben. Ein paar Zahlen, ein paar Meldungen von der Polizei - das kann man leicht ignorieren. Aber im Film sieht man das achtjährige Mädchen jeden Tag auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen, wie sie deutsche Zeichentrickserien schaut, obwohl sie eigentlich zur Schule will. Sie darf nicht vor die Tür, weil vormittags niemand auf dem Spielplatz spielt. Das würde auffallen, das geht nicht. Und dieses Mädchen kannst du nicht mehr ignorieren. Ich zumindest nicht.


Aus: "Die Angst, entdeckt zu werden" Ein Interview mit  Hauke Wendler von MARKUS FLOHR (taz Nord vom 31.7.2006, S. 23)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/07/31/a0055.1/text (http://www.taz.de/pt/2006/07/31/a0055.1/text)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2006, 09:54:06 AM
Quote[...] Ich bezeichne dieses System, dass die Verwaltung und Unterbringung von fast 200.000 Menschen hinter den Augen der Öffentlichkeit organisiert und deren zentrale Komponente die Gemeinschaftsunterkünfte sind, als dezentrales Lagersystem. Anfangsglied sind die Zentralen Aufnahmestellen, dann folgen die zur langfristigen Unterbringung genutzten dezentralen Sammellager, es folgt das neuen Zwischenglied Ausreiseeinrichtung (§ 61 des neuen Aufenthaltsgesetz) und am Ende steht der Abschiebeknast als Endpunkt der bundesdeutschen Lagerunterbringung. Wie sehen diese Lager aus? Die wichtigsten Merkmale und Unterschiedlichkeiten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: In der Regel werden alten Kasernenkomplexen, heruntergekommenen Plattenbauten oder alten Hochhäuser als Lager genutzt. Diese liegen meistens in Industriegebieten oder am Stadtrand, in den ländlichen Bundesländern wie Brandenburg ist diese Situation noch einmal verschärft durch die Isolation der Unterkünfte, die versteckt in den Wäldern liegen. Zentral ist eine Mehrbettzimmerbelegung, in der Regel 4-6 Menschen, in Ausnahmen gibt es auch 2er-Zimmer oder eine Belegung mit mehr als 6 Personen. Die kleinsten Unterkünfte beherbergen ca. 40 Menschen, die größte in Berlin hat eine zurzeit nicht ausgelastete Kapazität von 1400 Plätzen.

[...] Die bundesdeutschen Flüchtlingslager sind keine klassischen Internierungslager, sie sind als halboffen zu klassifizieren. Die dort untergebrachten Menschen können sich irregulär gegen die Residenzpflicht bewegen, obligatorisch ist ein monatlicher Termin bei der Sozialbehörde, wo der Kostenübernahmeschein für die Unterkunft unterschrieben werden muss. Ein Nichterscheinen kann das Abmelden bei der Ausländerbehörde und eine Ausschreibung zur Fandung und Abschiebung bedeuten. Die Menschen migrieren realiter trotz Residenzpflicht in Richtung größerer Städte und Arbeitsmöglichkeiten. In den Lagern bleiben so vor allem
Familien, Kranke und bereits Depressive. In den Brandenburger Lagern leben vielleicht 15 % der dort untergebrachten Menschen regelmäßig, die anderen kommen zwischen durch mal ein paar Tage oder zumindest einmal im Monat zu den obligatorischen Meldeterminen. Die Berliner Heime sind voller, jedoch schläft auch hier ein Drittel bis zur Hälfte der BewohnerInnen
bei FreundInnen oder Verwandten. Diese Tatsache ist direkte Folge den psychisch zerrstörerischen Lebensbedingungen und den Möglichkeiten, in den irregulären Sektoren der bundesdeutschen Ökonomie Geld zum Leben zu verdienen.

[...] Schleswig Holstein:

[...] Nach der Unterbringung in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in einer Kaserne in Lübeck
mit 500 Plätzen erfolgt eine neunmonatige Unterbringung in einer zentralen Landesgemeinschaftsunterkunft,
entweder in dem gleichen Lagerkomplex in Lübeck oder in einer Kaserne
in Neumünster mit 300 Plätzen. Danach wurden die MigrantInnen im Asylverfahren bis
Ende März 2006 auf die Kommunen verteilt. Seit dem 1.4.2006 erfolgt eine Weiterverteilung
auf die Kommunen nur noch bei einer behördlichen Annahme eines positiven Ausgangs des
Asylverfahrens, insgesamt wurden 10 Herkunftsländer festgelegt, bei denen ein positives
Ende des Verfahrens generell ausgeschlossen wird. Seit dem 1.4.2006 wird das Großlager
in Neumünster multifunktional auch als Ausreiseeinrichtung für Menschen mit einer Duldung
genutzt (offizieller Sprachgebrauch: ,Gemeinschaftsunterkunft für ausreisepflichtige Ausländer').
Die ehemalige Kaserne besteht aus mehreren Gebäuden, die nun mit unterschiedlichen
Unterbringungsfunktionen (Ertaufnahme, Gemeinschaftsunterkunft, Ausreiseeinrichtung)
belegt werden. Hier werden nun auf Antrag der lokalen Ausländerbehörden Menschen
mit einer Duldung unbefristet eingewiesen, denen mangelnde Kooperation bei der eigenen
Ausreise vorgeworfen wird. Aktuelle Zahlen gibt es noch nicht, im Sommer 2006 wurde von
24 Personen gesprochen. Da es keine offizielle Definition von Ausreisepflichtigen bzw. der
von ihnen abverlangten Mitwirkungspflicht gibt, weist die Administration nach eigener Definition
in das Lager ein. Auch für dieses Bundesland zeichnet sich ein enger Lagerkreislauf ab,
die Verteilung auf die Kommunen soll offenbar gänzlich vermieden werden.
Die Unterbringung in den Kommunen erfolgt in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften
und dezentralen Unterkünften der Gemeinden, es gibt viele Behelfsunterkünfte und Containerlager,
die jedoch nach und nach abgebaut werden, es wurden auch ehemalige Gaststätten
genutzt, die von Privatpersonen angemietet wurden um dort dann gewinnbringend
MigrantInnen unterzubringen. Normale Wohnungen werden nur in einigen Kreisen und vornehmlich
bei besonderen medizinischen Gründen oder mit einer Bleiberechtsperspektive und
nur in Ausnahmefällen für Menschen mit einer Duldung bewilligt.
Menschen mit einer prekären (humanitären) Aufenthaltserlaubnis können in der Regel in
normale Wohnungen ziehen, aber es gibt beispielsweise in dem ,Speckgürtel' um Hamburg
herum sind die Mieten so hoch, dass in den dortigen Kommunen auch diese Menschen weiterhin
in Gemeinschaftsunterkünften wohnen müssen. Dieses Problem gibt es auch bei einer
Anerkennung und einem gefestigten Aufenthalt. So leben in den Lagern einige Menschen
bereits seit 5-8 Jahre. Wenn sie eine Anerkennung bekommen, werden sie aufgefordert, sich
eine eigene Wohnung zu suchen, aber wenn es in dem Landkreis keine bezahlbaren Wohnungen
gibt, müssen die Menschen in den Lagern bleiben. So kommt es vor, dass sowohl
anerkannte als auch geduldetet MigrantInnen mit Arbeitsplätzen selber für die Unterkünfte
bezahlen müssen, pro Bett wird eine ,Nutzungsentschädigung' von ca. 160 € genommen.
Unklar ist, welche Preise an die privaten Betreiber durch die Sozialämter gezahlt werden. Es
gibt in allen Kreisen (11) und kreisfreien Städten (4) Lager, über die genaue Zahl kann nichts
gesagt werden. Aufgrund der BezieherInnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
(4.519 Menschen) und den 15 Verwaltungsdistrikten gehe ich von mindestens
30 Lagern aus. Diese liegen häufig randständig an Wäldern und in Industrie- und Gewerbegebieten,
häufig versteckt, am Rande der Dörfer, »außerhalb auf einer Wiese hinterm Knick«
oder an einem Berg ohne Verkehrsanbindung und mit schlechten Einkaufsmöglichkeiten. Es
gibt jedoch auch wenige Ausnahmen, hier liegen die Unterkünfte zentral in den Ortschaften.
Die Größen der Unterkünfte sind sehr unterschiedlich, es gibt ein Dorf, wo in einem Container
nur noch zwei Familien mit neun Personen wohnen müssen, in Norderstedt gibt es aber
auch eine Unterkunft mit ca. 100 Plätzen. Die Ausnahme sind kommunale Gemeinschaftsunterkünfte
mit bis zu 140 Plätzen und einer zentralen Kantinenversorgung.
In Teilen der Kreise werden Sachleistungen (Gutscheine) ausgegeben, in anderen Bargeld,
dies wird häufig über den ,Trick' erreicht, dass Schecks für eine Bank als unbare Leistungen
ausgegeben werden. Menschen, die unter § 1a AsylbLG fallen, bekommen in der
Regel immer Gutscheine. In den beiden zentralen Großlagern (Lübeck und Neumünster) erfolgt
Kantinenversorgung durch Großküchen. Betrieben werden die Lager in der Regel im
kommunalen Selbstbetrieb, in Kiel unterhält ein christlicher Verein eine Unterkunft.
Die Residenzpflichtkreise für Geduldete und Menschen mit einer Gestattung sind die 11
Kreise und 4 kreisfreie Städte. Menschen mit einer humanitären Aufenthaltserlaubnis bekommen
in der Regel auch eine Beschränkung auf das Bundesland, dies liege vor allem an
der positiven Praxis der Härtefallkommission, die besondern vielen MigrantInnen einen dauerhafteren
Aufenthalt zuerkennt und an den Protesten der anderen Bundesländer, wenn diese
Menschen dann aus Schleswig-Holstein wegziehen wollen. Im Jahr 2005 wurden knapp
2500 Aufenthaltserlaubnisse erteilt.

Abschiebehaft: Abschiebehaftanstalt in Rendsburg (56 Plätze), in einer Länderkooperation:
Abschiebehaftanstalt Eisenhüttenstadt (Brandenburg) (15 Plätze) und Justizvollzugsanstalt
Fuhlsbüttel (Hamburg) (10 Plätze).


Aus: "Das Lager als Struktur bundesdeutscher Flüchtlingspolitik" - Überblick über die Praxis der Bundesländer
Stand November 2006 - Von Tobias Pieper [Psychologe, Politikwissenschaftler]; pdf 54 Seiten (Stand November 2006)
Quelle: http://www.materialien.org/migration/texte/pieper-lagerunterbringung.pdf (http://www.materialien.org/migration/texte/pieper-lagerunterbringung.pdf)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 19, 2006, 03:05:56 PM
Quote[...] Die Behörden im Senegal erklärten, sie könnten die Zahl der Todesopfer noch nicht genau benennen. Die Polizei habe die Gespräche mit den Überlebenden noch nicht abgeschlossen. Diese seien nach Tagen auf See dehydriert und unterernährt. In diesem Jahr haben tausende Flüchtlinge die Kanarischen Inseln per Boot erreicht. Hunderte weitere haben den Versuch, in die Europäische Union zu gelangen, mit dem Leben bezahlt. Einzelheiten über die Vorgänge auf hoher See, welche zu der Havarie geführt haben, sind derzeit nicht bekannt. Über das Unglück orientierte heute Mittag ein Sprecher des Roten Kreuzes in Dakar.


Aus: "80 Flüchtlinge vor Senegal ertrunken - Bei einem Schiffsunglück sind am Wochenende vor der Küste des Senegals mindestens 80 afrikanische Flüchtlinge ums Leben gekommen" (18.12.2006)
Quelle: http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/30306860 (http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/30306860)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 20, 2006, 01:06:06 PM
Quote[...] Es geht nicht nur um die humanitäre Notlage, sondern auch um Arbeit und Wirtschaft, um Profite statt Papieren. «Es ist eine scheinheilige Politik, einerseits zu wissen, dass die Wirtschaft angewiesen ist auf illegale Einwanderer, und andererseits so zu tun, als ließe sich das Problem durch Abschiebung lösen», sagt Professor Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institutes. «Letztlich profitieren wir alle von diesen Menschen, von niedrigen Preisen und willigen Arbeitskräften.»


Aus: "«Schattenwelt» - Reportage über illegale Einwanderer" - Hamburg (dpa) - Illegale Einwanderer in Deutschland sind nirgends registriert oder dokumentiert... (19.12.2006)
Quelle: http://www.mainpost.de/aaw/kulturwelt/fernsehen/art572,3831212.html?fCMS=f35149628d90ceeec5dad2d449fadd6e (http://www.mainpost.de/aaw/kulturwelt/fernsehen/art572,3831212.html?fCMS=f35149628d90ceeec5dad2d449fadd6e)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 01, 2007, 12:04:18 PM
Quote[...] Deutschland hat nach Worten von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit mit Ausnahmen von Hochqualifizierten keinen Bedarf an der Zuwanderung von Arbeitskräften. Die Bundesrepublik leide noch an den hohen Zuwanderungszahlen der 90er Jahre, sagte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Auf europäischer Ebene warb Schäuble für ein neues Modell der befristeten Zuwanderung.

Schäuble verwies auf die Grundsatzeinigung der europäischen Innen- und Justizminister bei ihrem informellen Treffen vor zwei Wochen in Dresden. Die Staaten wollen vereinbaren, dass befristet Arbeitsplätze in den EU-Staaten angeboten werden. Bei ihrer Rückkehr könnten die Migranten mit ihrem gehobenen Ausbildungsstand einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung ihres eigenen Landes leisten, so Schäuble. Die Rückübernahme sei Voraussetzung dieser Partnerschaft – die deshalb auch als «rotierende Zuwanderung» bezeichnet wird.

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) verwies darauf, dass Deutschland derzeit faktisch keine Zuwanderung mehr habe. Die Zahl der Asylbewerber sei auf den niedrigsten Stand, auch kämen kaum noch Spätaussiedler. «Die Eliten der Welt, die wir gewinnen wollten, sind auch nicht gekommen.»

Grünen-Chefin Claudia Roth beklagte im Anschluss, Schäuble ignoriere, dass Deutschland als Wissenschafts- und Kulturstandort und aus wirtschaftlichen und demographischen Gründen auf Einwanderung angewiesen sei. «Die Idee einer befristeten Einwanderung fällt zurück in die alte 'Gastarbeiterlogik', die die Integrationspolitik gerade in Deutschland viel zu lange behindert hat.» Was in Deutschland nicht funktioniert hat, könne kein Modell für die EU sein, beklagte Roth.


Aus: "Schäuble will nur hochqualifizierte Zuwanderer" (31.01.2007)
Quelle: http://www.netzeitung.de/deutschland/516374.html (http://www.netzeitung.de/deutschland/516374.html)

-.-

Quote[...] Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) forderte eine bessere Information der Gesellschaft über die Probleme von Integration und Migration. "Wir müssen dahin kommen, dass eine desinformierte Gesellschaft informierter ist." Zuwanderungspolitik könne nicht gegen die Bevölkerung gemacht werden.


Aus: "Migration: "Keinen Bedarf an Zuwanderern" - Deutschland hat nach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble derzeit - mit Ausnahmen von Hochqualifizierten - keinen Bedarf an der Zuwanderung von Arbeitskräften (ZEIT online, Tagesspiegel; 31.01.2007 12:28)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2007/01/31/90395.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2007/01/31/90395.xml)


Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 08, 2007, 11:57:02 AM
Quote[...] Täglich warten im Intensivanbaugebiet von Almería Tausende Tagelöhner auf die Patrones, um in einem der Gewächshäuser einen Tagesjob zu ergattern. Die meisten von ihnen sind Immigranten ohne Papiere aus dem Maghreb oder Ländern südlich der Sahara, die in Booten vor den Kanarischen Inseln aufgegriffen werden. Für die Produzenten ist es ein gutes Geschäft. Und dem Verbraucher in Berlin oder Paris ist selten klar, unter welchen Bedingungen das billige Obst und Gemüse in seinem Supermarkt geerntet wurde.


Aus: "Moderne Ausbeutung: Wracks im Plastikmeer - Im Süden Spaniens schuften Tausende afrikanische Migranten auf Treibhaus-Plantagen: ohne Rechte, ohne Schutz, ohne Zukunft" von Shelina Islam (06.02.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,tt2m4/ausland/artikel/910/100810/ (http://www.sueddeutsche.de/,tt2m4/ausland/artikel/910/100810/)

-.-

Quote[...] Täglich warten im Intensivanbaugebiet von Almería Tausende Tagelöhner auf ihre Anwerbung durch die Patrones, um in einem der Gewächshäuser einen Tagesjob als Erntehelfer zu ergattern. Die meisten von ihnen sind papierlose Immigranten aus dem Maghreb oder Ländern südlich der Sahara, die in Booten vor den Kanarischen Inseln aufgegriffen werden.

Nur selten protestieren sie nach den durchstandenen Strapazen noch gegen die Lebensbedingungen, die sie erwarten, wenn sie spanisches Festland erreichen. Doch was für die Produzenten ein gutes Geschäft mit billigen Arbeitskräften ist, bezahlen die Immigranten teuer. Und dem Endverbraucher ist selten klar, unter welchen Bedingungen die günstigen Obst- und Gemüseangebote in seinem Supermarkt zustande kommen.

[...] Auch Abdelkader Chacha kam vor 30 Jahren aus Marokko nach Almería, um in den Gewächshäusern zu arbeiten. Heute ist er Mitarbeiter der Landarbeitergewerkschaft Syndicato dos Obreras/os del Campo (SOC), die sich für die Rechte der papierlosen Arbeitsimmigranten einsetzt und gegen ihre Ausbeutung durch die Unternehmer kämpft.

"Die Immigranten, die unter dem Plastik arbeiten, sind die Sklaven von heute!" Abdelkaders Blick schweift über die schmutzigweißen Plastikplanen, die um die Mittagszeit träge im heißen Wind flattern. "Die Bauern verdienen gutes Geld an uns, aber sie behandeln uns wie Dreck."


Aus: "MIGRANTEN IN SPANIEN: Wie Sklaven unter Plastik" (22. Mai 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,483849,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,483849,00.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 01, 2007, 09:32:18 AM
Quote[...] Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Ilkka Laitinen, sieht sein Team als "Sündenbock" für alle jene, die mit dem Migrantenstrom überfordert sind.

[...] Der Besucher wird, bevor er sich umschauen kann, durch nüchterne Flure in ein ebensolches Büro geführt und ab dann keinen Augenblick mehr aus den Augen gelassen. Eine Führung durch das Amt sei in Anbetracht der Richtlinien nicht möglich, hatte die Pressesprecherin, Daniela Munzbergerova, eine Frontex-Agentin aus Tschechien, zuvor immer wieder betont.

Mit der Presse reden darf nur der Direktor und sein Vertreter. Ilkka Laitinen empfängt in einem Büro, ebenso steril wie das Vorzimmer, doch im Unterschied zu seiner Sprecherin bringt der finnische Direktor manchmal ein kurzes Lächeln über seine Lippen.

"Ich bin ein Praktiker", sagt Laitinen. Schon seine Wehrpflicht hatte General Laitinen an der finnisch-sowjetischen Grenze absolviert; später sei er Grenzschutzpolizist in Lappland gewesen, dann nach Helsinki ins Innenministerium umgezogen, dann zurück an die inzwischen finnisch-russische Grenze, erzählt Laitinen und lächelt; als sei er froh darüber, dass ihn einer einmal nicht über die Frontex-Operation Hera-II vor der kanarischen Küste löchert.

"25 Jahre Grenzschutz habe ich auf dem Buckel", sagt Laitinen stolz. Von all dem steht in seinem offiziellen Curriculum Vitae nichts. Dieses beginnt mit den ersten Brüsselreisen des Grenzers. Ein paar Jahre Brüssel und nun seit eineinhalb Jahren Warschau, in einem Glaspalast mit grandioser Sicht auf die östlichen Außenbezirke.

"Dienst ist Dienst - und Befehl ist Befehl", sagt Laitinen, wenn die Rede auf die Warschauer Lebens- und Arbeitsbedingungen kommt. Und sein Befehl lautet unter anderem, den Schutz der EU-SeeAußengrenze um die mehr als 3000 Kilometer entfernte Inselgruppe der Kanaren von hier aus zu koordinieren. Das sei beileibe nicht seine einzige Aufgabe, sie sei einfach "der sichtbarste Teil von Frontex".

Viel lieber spricht Laitinen über die Ausbildungsinitiativen von Frontex, die Koordination der Terrorabwehr auf EU-Flughäfen und seinem Team, 67 Agenten aus 22 Ländern, darunter auch aus dem Nicht-EU-Mitglied Norwegen.

Doch verraten kann er nichts. Oder fast nichts. "Spanien hat uns zu Hilfe gerufen; wir koordinieren nur", hält Laitinen fest und fügt fast süffisant hinzu: "Wir von Frontex können nicht mehr leisten, als die Mitgliedstaaten gewillt sind, beizutragen." Als ineffizient hatte die spanische Regierung den Frontex-Einsatz vor den Kanaren kritisiert. Tatsächlich haben die gemeinsamen Patrouillen von spanischen, italienischen und portugiesischen Küstenwachschiffen nicht den von den Spaniern erwarteten Erfolg gebracht. Der Flüchtlingsstrom aus Westafrika auf die Kanaren reißt nicht ab.

"Flüchtlinge?" - Der Frontex-Direktor hebt zum ersten Mal seine Stimme: "Das sind keine Flüchtlinge, sondern illegale Migranten." Die Mission seiner EU-Agentur werde von den Mitgliedern falsch verstanden, klagt er. Das Einzige, was man von Warschau aus tun könne, sei koordinieren, so, wie es das Frontex-Leitbild vorsehe. "Wir werden stattdessen als eine Art Sündenbock missbraucht", sagt Laitinen. Ein Sündenbock für gewisse EU-Kritiker, ein Sündenbock für all jene, die mit dem Migrantenstrom überfordert seien.

[...] Auf dem Sims steht ein Foto von vor 20 Jahren. Ein junger Finne im Tarnanzug steht neben einem schnauzbärtigen Russen. "Das war meine erste internationale Kooperationsaufgabe: die jährliche gemeinsame Grenzzaunkontrolle mit den Sowjets", schmunzelt Laitinen. Pro Jahr seien damals 10 bis 15 Sowjetbürger nach Finnland geflohen.

Mit eigenen Augen habe er nie einen solchen Flüchtling gesehen, sagt der Finne.


Aus: "Frontex ist ein Sündenbock"  (Paul Flückiger aus Warschau, DER STANDARD, Print, 21.12.2006)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=2762328 (http://derstandard.at/?url=/?id=2762328)

-.-

Quote[...] Bisher seien von 19 Ländern insgesamt 48 Schiffe, 13 Hubschrauber, 8 Flugzeuge und drei mobile Radarstationen zur Verfügung gestellt worden. Den Hauptteil hätten Spanien, Deutschland, Italien und Finnland gemeldet.

So legt sich für die deutsche Ratspräsidentschaft vor allem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble für Frontex ins Zeug: "Die Bürger erwarten von Europa einen effektiven Schutz der gemeinsamen Außengrenzen. Und nur gemeinsam und solidarisch können wir illegale Migration effektiv bekämpfen." Deutschland gehe bei seinem Beitrag zum Aufbau eines Zentralregisters mit gutem Beispiel voran. Vier Hubschrauber für die Land- und Seegrenzüberwachung, ein Schiff für den Einsatz im Bereich der Nord- oder Ostsee sowie tragbare Wärmebildgeräte habe man für das Zentralregister der Europäischen Grenzschutzagentur gemeldet. Deutschland muss das zum Führen und Bedienen der Geräte notwendige Personal stellen, finanzieren und ständig auf Abruf bereithalten.

Die Teams und Sachmittel sollen, so wollen es Schäuble und Frattini, in ein Zentralregister, eine sich im Aufbau befindliche "Toolbox", einfließen. In der Datenbank soll auch verfügbares Equipment, wie tragbare Wärmebildgeräte, aufgelistet werden. Frontex soll so in die Lage versetzt werden, in kürzester Zeit ein "Soforteinsatzteam" zusammenstellen können, wenn ein Mitgliedstaat "an seinen Grenzen einer besonderen Belastung durch illegale Migration ausgesetzt ist". Für die erweiterten Aufgaben, soll der Personalstamm der Agentur bis zum Jahresende auf bis zu 140 Personen ausgebaut werden.

Die Toolbox ist ein Bestandteil der "Verordnung über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke", die von Schäuble und Frattini vorangetrieben wird und in den entsprechenden Gremien gerade beraten wird. Sie sieht auch vor, dass im Rahmen der EU-Zusammenarbeit "Gastbeamte" zwischen den Mitgliedsstaaten für den Grenzschutz ausgetauscht werden, die im Gastland auch "exekutive Befugnisse" erhalten sollen.

Frontex habe bisher vier Hauptrouten illegaler Migration in die EU ausgemacht: Über die südlichen Seeaußengrenzen, sowie die östlichen Landaußengrenzen über den Balkan und dazu kämen die bedeutenden internationalen Flughäfen. Auf europäischen Flughäfen findet derzeit ein Probelauf mit Gastbeamten statt. Bis zum 9. März kontrollieren auch Grenzpolizisten aus sieben EU-Ländern auf dem Frankfurter Flughafen ankommende Passagiere. Der Einsatz begann letzte Woche. Neben Frankfurt sind auch die Flughäfen Madrid, Barcelona, Lissabon, Paris, Amsterdam, Mailand und Rom in die Aktion eingebunden. Insgesamt 29 Grenzschutzexperten aus sieben EU-Mitgliedstaaten seien dort nun im Einsatz.

[...] Frontex dient der Vorverlagerung der Grenzen, um ohne größere Kontrolle und außerhalb des eigenen Rechtssystems Maßnahmen durchführen zu können, die in Europa nur schwer möglich wären.


Aus: "Frontex mit neuen Zielen" Ralf Streck (TP; 28.02.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24734/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24734/1.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 25, 2007, 01:20:32 PM
Quote[...] In der Textpassage der Berliner Erklärung soll es nun nach dem Willen der Spanier heißen: "Wir werden den Terrorismus, die organisierte Kriminalität und die illegale Einwanderung gemeinsam bekämpfen." Spanien hat an dem Thema wegen der zahlreichen Flüchtlinge, die unter anderem auf den Kanaren ins Land kommen, ein besonderes Interesse.


Aus: "BERLINER ERKLÄRUNG: Kampf gegen illegale Einwanderung eingefügt" (SPON; 24. März 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,473719,00.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,473719,00.html)
Title: [Satellitensysteme zur Überwachung der Grenzen... (Spanien)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 10, 2007, 12:17:38 PM
Quote[...] Die spanische Regierung plant bis 2010 die Installation eines Satellitensystems mit der die Grenze besser gegen illegale Einwanderer überwacht werden kann. Dafür sollen zwei Satelliten ins All geschickt werden, die von dort die Erde, das spanische Festland, die zu Spanien gehörenden Kanaren und den nördlichen Teil Afrikas, überwachen sollen. Der eine Satellit wird das Gebiet optisch überwachen und der andere mit Hilfe von Radar. Sie sollen die Erde in einer Höhe von 500 bis 700 Kilometer umkreisen und von einem Kontrollzentrum auf Gran Canaria geleitet werden. Die Satelliten sollen aber nicht nur die Grenzen überwachen, sondern dem spanischen Geheimdienst Informationen im Kampf gegen den Terrorismus liefern, des weiteren könnten mit ihrer Hilfe mögliche Umweltkatastrophen schneller erkannt werden und auch Waldbrände frühzeitig lokalisiert werden. Damit würden die Überwachungssatelliten sowohl militärischen als auch zivilen Zwecken dienen. Bis 2010 sollen die Satelliten in Betrieb sein. Spanien wäre der erste Staat in Europa, der ein eigenes Satellitensystem hat, um die Erde zu überwachen. Das ganze System soll 325 Millionen Euro kosten.


Aus: "Spanien plant Satellitensystem zur Überwachung der Grenzen" (07.04.2007)
Quelle: http://www.spanien-bilder.com/aktuelles_aus_spanien_details2266.htm (http://www.spanien-bilder.com/aktuelles_aus_spanien_details2266.htm)

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Quote[...] Mit zwei neuen Satelliten will die kanarische Regierung in Zukunft die Küsten und den Atlantik überwachen, um so die Flüchtlingswelle besser zu kontrollieren. Mit einem Investitionsvolumen von 325 Millionen Euro sollen innerhalb der kommenden zwei Jahre die beiden Überwachungssatelliten in 700 Kilometer Höhe den Bereich zwischen Afrikas Küsten und den Kanarischen Inseln überwachen. Koordiniert werden die Einsätze in Zukunft auf Gran Canaria. Dort soll die Leitzentrale der beiden Satelliten sitzen, von der aus Bilder und Koordinaten der Flüchtlingsschiffe an Guardia Civil und Frontex Einheiten weitergeben werden sollen. Zusätzlich sollen die beiden Satelliten zur Bekämpfung von Drogenhandel und organisierter Kriminalität eingesetzt werden. Auch bei Gefahren durch internationalen Terrorismus und Naturkatastrophen wie Waldbränden soll das System zum Einsatz kommen. Damit ist Spanien der erste europäische Staat mit eigenem Satellitensystem.


Aus: "Kanarische Inseln - Satelliten im Kampf gegen illegale Einwanderer" (Santa Cruz, 10.04.2007)
Quelle: http://www.megawelle.com/Nachrichten.1533.Kanarische.Inseln..Satelliten.im.Kampf.illegale.Einwanderer.html (http://www.megawelle.com/Nachrichten.1533.Kanarische.Inseln..Satelliten.im.Kampf.illegale.Einwanderer.html)

Title: [Die Arbeitsverhältnisse seien grundsätzlich befristet... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 11, 2007, 10:35:15 AM
Quote[...] Die Europäische Union will stärker gegen illegale Einwanderung vorgehen. Entwicklungskommissar Michel sagte der Zeitung "Die Welt", die EU plane hohe Strafen für Arbeitgeber, die illegale Flüchtlinge beschäftigen. Zugleich bekräftigte der Kommissar, die EU wolle Jobcenter in Afrika gründen. Ein Pilotprojekt sei in Mali geplant. Das Jobcenter könnte Stellen beispielsweise in Frankreich oder Spanien an geeignete Bewerber vermitteln. Die Arbeitsverhältnisse seien grundsätzlich befristet.


Aus: "EU will illegale Einwanderung stärker bekämpfen" (11. April 2007; MDR INFO)
Quelle: http://www.mdr.de/nachrichten/meldungen/4346242.html (http://www.mdr.de/nachrichten/meldungen/4346242.html)

Title: [„Boat People“ und Molotow-Cocktails... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 11, 2007, 10:28:40 PM
Quote[...] Als sich die Grenzpolizisten dem afrikanischen Migrantenkahn näherten, warfen die Insassen Molotow- Cocktails gegen das Küstenschutzschiff, um es in Brand zu stecken. Daraufhin drehte das Polizeischiff zunächst ab, ,,um keine Leben in Gefahr zu bringen". Das sei das erste Mal gewesen, berichtete ein Behördensprecher am Dienstag, dass afrikanische Illegale auf dem Meer die Grenzschützer angriffen. Die Einwanderer wollten offenbar verhindern, dass sie von der Küstenwacht zurück nach Westafrika geschickt werden.

Als aber die Immigranten mit ihrem rund zehn Meter langen Holzkahn schließlich auf der Kanareninsel Gran Canaria ankamen, war der Traum vom besseren Leben in Europa doch zu Ende. Die 57 jungen Männer wurden zwar – wie alle auf den Inseln ankommenden ,,Boat People" – zunächst vom Roten Kreuz versorgt. Kurz darauf wurden sie jedoch von der Polizei in Abschiebehaft genommen. Sie sollen im Schnellverfahren nach Mauretanien abgeschoben werden, jenem Land, in dessen Gewässern sich der Angriff auf die spanische Küstenwacht ereignete.

In Mauretanien erwartet die Männer wegen dieser Attacke ein Gerichtsverfahren. Der gefährliche Zwischenfall gilt als Beispiel dafür, dass der Druck der illegalen Einwanderung aus Afrika Richtung Europa kaum geringer werden wird. Das angegriffene spanische Küstenwachtschiff ,,Rio Duero" ist Bestandteil der EU-Überwachungsmission vor Westafrika, mit der die unkontrollierte Immigration vor allem Richtung Spanien gestoppt werden soll. Die EU-Mission, die von der EU- Grenzschutzagentur Frontex koordiniert wird, versucht seit vergangenem Sommer, Migrantenschiffe vor der westafrikanischen Küste abzufangen. Dies geschieht in Absprache mit den Ländern Marokko, Mauretanien und Senegal.

Rund 50 Immigrantenboote mit annähernd 4000 Afrikanern an Bord wurden im Jahr 2006 von der Frontex-Flotte im Atlantik aufgebracht und den westafrikanischen Behörden übergeben. Ein bescheidener Erfolg: Denn knapp 32 000 Migranten schlüpften durch die Maschen und kamen auf den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln an. Jeder Dritte der Ankömmlinge wurden in seine Heimat abgeschoben. Die Rückführung ist jedoch nur möglich, wenn die Staatsangehörigkeit festgestellt werden kann und Abschiebeabkommen mit den betreffenden Staaten bestehen. Um ihre Ausweisung zu verhindern, kommen die meisten Afrikaner freilich ohne Papiere.

Die Frontex-Flotte aus Schiffen, Flugzeugen und Hubschraubern mehrerer EU-Staaten dürfte auch dieses Jahr viel Arbeit bekommen: ,,Es ist nicht zu erwarten", sagte EU-Grenzschutzkommissar Franco Frattini, ,,dass der Wanderungsdruck auf unsere Südgrenzen in der unmittelbaren Zukunft abnimmt." Seit Beginn des Jahres 2007 sind bereits 1700 Afrikaner an den kanarischen Stränden gelandet. Das ist zwar nur gut die Hälfte jener, die im ersten Quartal 2006 ankamen. ,,Doch die große Welle steht noch bevor", befürchten Experten, wenn das Seewetter besser und die mehrtägige Überfahrt von Westafrika auf die Kanaren ungefährlicher werde.

Wie viele Afrikaner diese tagelange Fahrt übers Meer nicht überleben, kann nur geschätzt werden. Mehr als 1000 Tote sind im vergangenen Jahr offiziell gezählt worden. Flüchtlingsorganisationen gehen jedoch davon aus, dass die wirkliche Opferzahl wesentlich höher liegt. Die spanische Vereinigung für Menschenrechte spricht gar von ,,bis zu 7000 Toten" im Jahr 2006.

Vorsitzender Rafael Lara: ,,Experten gehen übereinstimmend davon aus, dass von drei Flüchtlingsbooten nur zwei auf den Kanarischen Inseln ankommen." Spanien ist übrigens das beliebteste Einwanderungsland der EU. Laut der EU-Statistik wählte im Jahr 2006 knapp die Hälfte der 1,4 Millionen in der Union ankommenden Immigranten das südliche Sonnenland als neue Heimat.

Dabei machen die afrikanischen Wirtschaftsflüchtlinge eine verschwindende Minderheit der Einwanderer aus. Die meisten Immigranten in Spanien stammen aus Osteuropa und Lateinamerika.


Aus: "Angriff zur Verteidigung" Von Ralph Schulze, Madrid (11.04.2007)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/11.04.2007/3192906.asp (http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/11.04.2007/3192906.asp)

Title: [Verstärkung der Außengrenzen... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 23, 2007, 08:44:15 AM
Quote[...] Anlässlich eines Treffens der Innen- und Justizminister der EU in dieser Woche wirft die Menschenrechtsorganisation Amnesty international der EU vor, sie verfolge gegenüber Flüchtlingen "eine systematische Politik der Abschottung, Abweisung und Auslagerung". Sie ergreife immer neue Maßnahmen, um Flüchtlinge "schon an den Grenzen abzuwehren" und den Umgang mit ihnen den Nachbar- und Herkunftsländern zu überlassen. "Dass Menschen vor Verfolgung fliehen, wird nur noch als 'illegale Einwanderung' gesehen", moniert die Organisation. Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU zu erhalten, sei heute kaum noch möglich. Mit der EU-Grenzagentur Frontex Frontex wolle man flüchtige Menschen auf See "aufspüren" und nach Afrika zurückbringen, bevor sie europäischen Boden erreichen könnten. "Damit wird den Menschen ihr Recht verwehrt, in Europa einen Antrag auf Asyl zu stellen."

Amnesty spricht von einer "Festung Europa" und beklagt zahlreiche Todesopfer im Zuge der versuchten Einwanderung allein im Jahr 2006. So seien allein 650 Menschen beim Versuch, in die EU zu flüchten ertrunken. 81 Menschen seien im Jahr 2006 auf ihrer Flucht verhungert, zum Teil auch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Amnesty listet noch eine ganze Reihe weiterer Todesursachen auf. Insgesamt dokumentiert die Organisation über 1150 Todesfälle bei der Flucht in die EU. Amnesty stützt sich bei diesen Angaben auch auf das Noborder Network sowie auf das Europäische Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus und zur Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen.

Die Menschenrechtsorganisation fordert, dass die EU sicherstellt, dass die Rechte von Flüchtlingen und Migranten in ihrem "Kampf gegen irreguläre Zuwanderung" volle Anerkennung finden. "Rückführungen müssen in Sicherheit und Würde stattfinden." Darüber hinaus müsse der Zugang zu einem fairen Asylverfahren auf dem Gebiet der EU und an den Außengrenzen gewährleistet werden. "Die EU-Mitgliedstaaten dürfen sich ihrer Verantwortung aus der Genfer Flüchtlingskonvention nicht entziehen."

Abzulehnen sei das EU-Konzept der "sicheren Drittstaaten" ab. Ankommenden Flüchtlingen müsse in der EU ein faires Asylverfahren offen stehen. Es dürfe unter keinen Umständen zu Kettenabschiebungen kommen. Auch das Konzept der "sicheren Herkunftsstaaten" dürfe nicht umgesetzt werden. "Es gibt grundsätzlich kein Land, in dem keine Verfolgung droht", so Amnesty.

Der deutschen Bundesregierung wirft Amnesty vor, sie habe "die Chance, die EU-Flüchtlingspolitik gemäß internationaler Menschenrechtsabkommen zu gestalten" während ihrer EU-Ratspräsidentschaft bislang verstreichen lassen.

Hinsichtlich des Schutzes von Flüchtlingen enttäusche das Programm der deutschen EU-Präsidentschaft vom November 2006 "auf der ganzen Linie", meint Amnesty. "Betonte der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs 1999 im finnischen Tampere noch ausdrücklich die Verpflichtung der EU zum Flüchtlingsschutz und bekannte sich zur uneingeschränkten Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention, so ist davon im deutschen Präsidentschaftsprogramm nicht mehr die Rede."

Im Kapitel "kohärente Asyl- und Migrationspolitik" gehe es fast ausschließlich um die "Bekämpfung der illegalen Migration", des "internationalen Terrorismus" und der Verstärkung der Außengrenzen der EU.


Aus: "EU-Grenzagentur Frontex: "Systematische Politik der Abschottung, Abweisung und Auslagerung"" (ngo-online e.V.; 18. April 2007)
Quelle: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=15775 (http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=15775)

Title: [sich abschotten, einmauern, verbarrikadieren... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 07, 2007, 10:11:06 AM
Quote[...] Auch wenn derzeit vor allem das hermetisch abgeriegelte Heiligendamm im Blickpunkt einer kritischen Öffentlichkeit steht – Bollwerke werden an vielen Ecken der Welt errichtet. Dass sich die mächtigsten Politiker der Welt bei ihren G8-Beratungen über die wichtigsten Fragen der Weltpolitik hinter einem 12 Millionen Euro teuren Sicherheitszaun verstecken, weckt, bei allen Sicherheitsbedenken, nicht gerade den Anschein von Souveränität. Abgesehen davon ist Heiligendamm nur ein Beispiel dafür, wie sich die reichen Länder abschotten.

Hochsicherheitszäune, meterhohe Mauern aus Beton, Sand oder Stahl, wohin man schaut.

Saudi-Arabien baut an der Grenze zum Irak einen 900 Kilometer langen Stacheldrahtzaun mit Bewegungssensoren, ergänzt durch eine meterhohe Sandböschung, um zu verhindern, dass Schmuggler und irakische Islamisten ins Land einsickern. Zum Jemen gibt es bereits eine Zementröhre, die Fahrzeuge aufhalten soll. Saudi-Arabien mauert sich ein und sperrt die ,,arabischen Brüder" aus.

Auch Indien hat damit begonnen, einen drei Meter hohen Erdwall durch Kaschmir zu bauen. Irgendwann soll die 1800 Kilometer lange Grenze zu Pakistan befestigt sein, wie es zwischen Indien und Bangladesch schon der Fall ist.

1125 Kilometer Zaun zwischen den USA und Mexiko. Botswana baut einen Elektrozaun an der Grenze zu Simbabwe, der viele Afrikaner an die elektrischen Todeszäune des südafrikanischen Apartheid-Regimes erinnert. Das relativ wohlhabende Costa Rica vermauerte sich gegen das arme Nicaragua und nahm sich die USA zum Vorbild, die sich durch einen 1125 Kilometer langen Hochsicherheitszaun vor Arbeitssuchenden aus Mexiko abzuschirmen versuchen.

Etwa 500 Menschen sterben jedes Jahr an dieser Grenze, sie verdursten, erfrieren oder werden erschossen. Auch Australien verhindert mit der so genannten ,,Howard-Linie" die Einwanderung asiatischer Flüchtlinge, die nach ihrer Festnahme in menschenunwürdige Internierungslager in der australischen Wüste oder in grausige Insel-Camps abgeschoben werden.

Die Israelis, die in ihrer Geschichte reichlich Erfahrungen mit Ghettos und Lagern machen mussten, gestehen durch ihre Mauern, mit denen sie die Palästinenser ausgrenzen, dass sie jede Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben aufgegeben haben.

Irgendwann überwanden die Barbaren jede große Maue. rNicht zuletzt hat sich Europa, seit 1989 von Berliner Mauer und Eisernem Vorhang befreit, zu einer Festung formiert, die durch doppelte Stacheldrahtzäune in den nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla und durch das elektronische Schengener Informationssystem SIS unerwünschte Personen von seinen Brotkörben fernhält. Jahr für Jahr werden 600 bis 1000 Leichen an europäische Strände gespült, Menschen aus der Dritten Welt, die dennoch den verzweifelten Versuch wagten, in die Europäische Union zu gelangen.

Die Aufzählung von materiellen oder virtuellen Zäunen ließe sich leicht fortsetzen. Gut ein Dutzend Länder hat in der letzten Zeit den Eisernen Vorhang zugezogen. Vielerorts verschanzen sich Reiche in streng bewachten Stadtvierteln vor den Armen.

Zustände wie im alten Rom im 2. Jahrhundert n. Chr. Damals versuchten die Römer, Germanen und andere Völker durch verschiedene Befestigungsanlagen in Schach zu halten.

Die neoliberale Globalisierung, schreibt Mike Davis, der bedeutendste US-amerikanische Stadtsoziologe, über die Eisernen Vorhänge des 21. Jahrhunderts, setzt das Kapital als uneingeschränkten Herrscher ein, ,,der alle Grenzen überwindet, während die Unterprivilegierten in ihrem Elend eingesperrt bleiben, während die soziale Ungleichheit durch Bollwerke zementiert" wird.

Vielleicht könnte man die Hypothese wagen, dass etwas faul ist in Staaten, die sich abschotten, einmauern, verbarrikadieren. Wie die Geschichte lehrt, konnten Mauern die Fremden, die ,,Barbaren", nie für immer aufhalten. Jede große Mauer fiel irgendwann oder wurde sinnlos. 1644 überwanden die Mandschuren die Chinesische Mauer.

Auch der Limes in Germanien oder der Hadrianswall in Britannien konnten den Verfall des Römischen Reiches nicht verhindern. Die große Völkerwanderung scherte sich wenig um Palisaden, Gräben und Wälle.


Aus: "Zustände wie im alten Rom - Heiligendamm, Israel, Saudi-Arabien, USA, Festung Europa – die Welt mauert" Von Holger Kankel (Mittwoch, 6. Juni 2007)
Quelle: http://www.svz.de/newsmv/MVPolitik/06.06.07/23-17435594/23-17435594.html (http://www.svz.de/newsmv/MVPolitik/06.06.07/23-17435594/23-17435594.html)

Title: [Auf der Türschwelle Europas... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 14, 2007, 11:47:58 AM
Quote[...] Dies führt immer wieder zu Dramen und Katastrophen. ,,Jedes Jahr sterben 600 Einwanderer auf der Türschwelle Europas, vor den Küsten Tunesiens, Libyens, der Inseln Lampedusa, Sizilien und Malta", sagte Borg. ,,Ich finde es unglaublich, dass wir vor den Toren Europas eine so tragische Situation erleben und nicht genug dagegen getan wird." Zuletzt war Malta allerdings selbst in die Kritik geraten, weil es die Aufnahme schiffbrüchiger Flüchtlinge verweigert hatte. EU-Justizkommissar Franco Frattini hatte den Maltesern daraufhin eine ,,offensichtliche Verletzung" ihrer Pflichten vorgeworfen und eine humanere Politik gefordert.

Davon ist die EU jedoch noch weit entfernt. Bisher setzen die 27 Mitgliedstaaten vor allem auf Abschottung – und auf nationale Prioritäten. Eine gemeinsame ,,Tool Box" mit Schiffen, Hubschraubern und anderen Mitteln zur Rettung und Bergung von Schiffsflüchtlingen ist nur auf dem Papier prall gefüllt – in der Praxis fehlen immer noch die nötigen Werkzeuge. Von den versprochenen 115 Booten, 25 Hubschraubern und 23 Flugzeugen habe er bisher nur ein Zehntel bekommen, klagt Frattini.

Auch die Debatte um eine faire Lastenverteilung kommt nicht vom Fleck. 2006 war eine Initiative des finnischen EU-Vorsitzes gescheitert, die Kosten der Flüchtlingspolitik auf alle EU-Staaten umzulegen. Auch der neue Vorstoß Maltas hat kaum Chancen auf Verwirklichung. Sogar Spanien und Italien, die selbst besonders von der Welle der Bootsflüchtlinge betroffen sind, schalten auf stur. Eine großzügige Verteilung auf die gesamte EU würde nur noch mehr illegale Flüchtlinge anlocken, hieß es in Luxemburg. Die EU solle lieber dafür sorgen, dass aus Nordafrika überhaupt keine Flüchtlingsboote mehr ablegten, sagte Italiens Innenminister Giuliano Amato.


Aus: "EU findet keine Antwort auf Flüchtlingsdramen" Von Eric Bonse (HANDELSBLATT, Mittwoch, 13. Juni 2007)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Politik/International/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1280857/default.aspx/eu-findet-keine-antwort-auf-fluechtlingsdramen.html (http://www.handelsblatt.com/news/Politik/International/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1280857/default.aspx/eu-findet-keine-antwort-auf-fluechtlingsdramen.html)
Title: [als das Material im Internet landete... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 19, 2007, 01:33:41 PM
Quote[...] Wie erst jetzt bekannt wurde, sollen einige griechische Polizisten in Athen zwei Immigranten misshandelt haben. Auf einem Video, das vor einem Jahr aufgenommen worden war, sieht man, wie Polizeiangehörige des Athener Stadtteils Omonia, Immigranten mit Waffen bedrohen und sie zwingen, einander zu schlagen. Nach Reuters-Berichten flog der Skandal auf, als das Material im Internet landete. Griechenlands TV-Stationen griffen das Thema auf und zwangen die Regierung zu einer Reaktion. Der griechische Innenminister Costas Karamanlis verurteilte die Übergriffe der Polizei und suspendierte die Polizisten.

Noch ist unklar, wer das Handy-Video gedreht hat. Zu hören waren allerdings weitere Stimmen. Die Nationalität der beiden Männer wurde offenbar nicht festgestellt. Man vermute, dass die Misshandelten albanische Staatsbürger seien, hieß es aus Athen. Der Vorfall löste in Griechenland heftige Kritik aus. Mehrere Parteien verlangten harte Strafen für die Polizisten. In den vergangenen Jahren hatten Menschenrechtsgruppen mehrmals die griechische Polizei wegen zahlreicher Übergriffe an Immigranten kritisiert.


Aus: "Skandal in Griechenland: Polizei zwingt Immigranten einander zu schlagen" (06/2007)
Quelle: http://news.de.msn.com/panorama/Article.aspx?cp-documentid=5279846 (http://news.de.msn.com/panorama/Article.aspx?cp-documentid=5279846)

Title: [Die "Lastenverteilung" im Fortress Europe... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 05, 2007, 12:26:48 PM
Quote[...] Hamburg. AP/baz. Malta hat einen Hilferuf an den Rest Europas wegen der steigenden Zahl afrikanischer Flüchtlinge auf der Insel gerichtet. «Malta ist an vorderster Front auf der Grenze zwischen Afrika und Europa. Immer mehr kommen hierher, wir haben riesige Probleme», sagte der maltesische Ministerpräsident Lawrence Gonzi der «Financial Times Deutschland» (Donnerstagausgabe).

Im vergangenen Jahr kamen rund 1800 Flüchtlinge in Malta. Nach maltesischen Angaben ist das so, als ob in Deutschland 280'000 Immigranten angekommen wären. «Sie sagen, das ist wenig. Gemessen an unserer Bevölkerung ist es eine sehr, sehr grosse Anzahl», sagte Gonzi. Die Insel ist einer der kleinsten EU-Staaten und hat nur 400'000 Einwohner.
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Malta versucht damit, einen Vorstoss in der EU-Flüchtlingspolitik zu unterstützen. Bereits im vergangenen Monat hatte das Land den anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, Flüchtlinge auf Afrika auf alle EU-Staaten zu verteilen. Der Vorstoss war unter anderem am Widerstand Deutschlands und weiterer EU-Staaten gescheitert. Gonzi will nun unter portugiesischer EU-Ratspräsidentschaft einen neuen Versuch wagen. «Es gibt absolut keine Entschuldigung für niemanden, sich zu weigern, zu Lösungen für unser Konzept der Lastenverteilung beizusteuern», sagte Gonzi.


Aus: "Malta bittet Europa um Hilfe in Flüchtlingsfrage" (04.07.07)
Quelle: http://www.baz.ch/news/index.cfm?keyID=D9D08A04-1208-4059-9E63E3737491F484&startpage=1&ObjectID=92F65908-1422-0CEF-7078DA25ADF6B96F (http://www.baz.ch/news/index.cfm?keyID=D9D08A04-1208-4059-9E63E3737491F484&startpage=1&ObjectID=92F65908-1422-0CEF-7078DA25ADF6B96F)

Title: [Operationsgebiet auf See... (Frontex)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 04, 2007, 05:58:45 PM
Quote[...] Brüssel. Das Dichtmachen der europäischen Südgrenzen gegen Flüchtlinge aus Afrika könnte für die Bürger der Europäischen Union (EU) schon bald mit Milliardenkosten zu Buche schlagen. Diese Sorge herrscht im Bundesinnenministerium (BMI) in Berlin, wenige Tage nachdem die erste Phase der EU-Grenzschutzoperation "Nautilus" im Mittelmeer zwischen Malta, Tunesien und Libyen beendet wurde. Wie die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex gestern bestätigte, plant sie für diesen Sommer eine zweite Nautilus-Operationsphase. Dafür werden voraussichtlich wieder Schiffe, Hubschrauber und Flugzeuge eingesetzt. Sie sollen Flüchtlingsboote und Migranten aus Nordafrika im Mittelmeer aufspüren und zur Umkehr bewegen.

Völlige Geheimhaltung Frontex will diesen See-Einsatz aber, anders als in der ersten Phase von Nautilus, nun in völliger Geheimhaltung durchführen. Hohe Kosten drohen, weil das räumlich bisher eng begrenzte Observations- und Operationsgebiet auf See ganz erheblich ausgeweitet werden müsste. Wie Frontex-Sprecher Michal Parzyszek einräumte, hätten die Menschen-Schleuser während der ersten Nautilus-Operation bequem andere Fluchtrouten wählen können. Nicht mehr nach Malta, sondern auf die vorgelagerte italienische Insel Lampedusa sei "eine große Zahl" an Flüchtlingen geschleust worden. "Die Schleuser sind schlau, sie waren über die Operation bestens informiert" und hätten über "Aufklärung" verfügt.

Angesichts des Misserfolgs der Operation war EU-Kommissar Franco Frattini in die Offensive gegangen. Er verlangt in Malta ab Januar 2008 "permanente Operationen". Im Bundesinnenministerium werden darum extreme Kosten befürchtet: "Wenn Frattini das ganze Mittelmeer permanent observieren will, dann wird das ein Riesenbetrag, das würde in die Milliarden gehen", hieß es gestern in Berlin.

Lösung parat In der Frontex-Zentrale mit Sitz in Warschau hat man offenbar eine Lösung parat. Wegen des begrenzten Frontex-Budgets von 33 Millionen Euro jährlich sollen die Mitgliedstaaten die immensen Operationskosten aus eigener Kasse zahlen: Für schwere Hubschrauber, Observationsflugzeuge, Marine-Kriegsschiffe und Polizeiboote sowie Technik, Piloten, Kapitäne, Matrosen, Rettungstaucher und anderes Einsatz-Personal.

Unklar ist, ob Frontex überhaupt noch genug Geld für die zweite Nautilus-Operation in der Kasse hat oder bereits die Mitgliedstaaten um Zuschüsse bitten muss. Auch eine andere Belastungsgrenze gilt: "Die Bundespolizei muss schauen, dass die Arbeit in Deutschland durch solche Einsätze nicht gefährdet wird". Operationen seien auch "mit nicht unerheblichen Risiken verbunden". Zeitgleich zu Großeinsätzen wie dem G8-Gipfel in Heiligendamm sei eine Beteiligung von Bundespolizei-Hubschraubern an Frontex-Operationen kaum denkbar, hieß es gestern im Ministerium.

Frontex-Sprecher Parzyszek versuchte, diese Sorgen zu zerstreuen: "Wir planen hier nicht die Festung Europa". Schiffe und Flugzeuge müssten nicht massiv und permanent das ganze Mittelmeer observieren. Frontex nutze geheimdienstliche Informationen, um Schleuser und Flüchtlinge möglichst punktgenau zu orten.

Wie aber die sichtbare Anwesenheit von Patrouillenbooten und Hubschraubern überhaupt geheim gehalten werden kann, ist fraglich. Offenbar sollen sich die Frontex-Schiffe künftig "tarnen", indem sie sich unter die Kriegsschiffe mischen, die unter Nato-Kommando ebenfalls im Mittelmeer kreuzen.


Aus: "Milliardenkosten für EU-Grenzschutz befürchtet EU-Grenzschutzagentur Frontex plant im Mittelmeer zweite Operation noch diesen Sommer / Nautilus gescheitert / Bedenken in Berlin" Von Peter Sennekamp (03.08.2007)
Quelle: http://www.westfalenpost.de/wp/wp.politik.volltext.php?kennung=on2wpPOLWelNational39295&zulieferer=wp&kategorie=POL&rubrik=Welt&region=National&auftritt=WP&dbserver=1 (http://www.westfalenpost.de/wp/wp.politik.volltext.php?kennung=on2wpPOLWelNational39295&zulieferer=wp&kategorie=POL&rubrik=Welt&region=National&auftritt=WP&dbserver=1)

Title: [Süditalien... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 09, 2007, 11:54:59 AM
Quote[...] Die Flüchtlingsströme an die süditalienischen Küsten reißen nicht ab. Insgesamt 201 illegale Immigranten landeten in der Nacht auf Mittwoch an verschiedenen Küstenorten. 110 Menschen erreichten an Bord eines Fischerbootes den Hafen von Roccella Jonica in der Region Kalabrien. Weitere 44 Personen wurden unweit der Insel Lampedusa aufgegriffen, 47 weitere Immigranten auf einem Boot wurden gerettet.

Die nach Kalabrien gelangten Immigranten bezeichneten sich als irakische Kurden und behaupteten, vor fünf Tagen in der Nähe eines türkischen Hafens abgefahren zu sein. Sie sollen bis zu 1.400 Euro für die Fahrt bezahlt haben.

Nach Angaben der UNO-Flüchtlingsagentur UNHCR sind im Juni 77 Menschen im Kanal von Sizilien bei der Überfahrt von den libyschen Küsten nach Sizilien gestorben. Weitere 133 Menschen werden vermisst.


Aus: "Erneut große Flüchtlingsströme nach Süditalien" (08.08.2007)
Quelle: http://www.vol.at/news/welt/artikel/erneut-grosse-fluechtlingsstroeme-nach-sueditalien/cn/apa-8894068 (http://www.vol.at/news/welt/artikel/erneut-grosse-fluechtlingsstroeme-nach-sueditalien/cn/apa-8894068)

Title: [Die - freiwilligen - genetischen Tests... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 20, 2007, 11:47:14 AM
Quote[...] Paris - Der von Einwanderungsminister Brice Hortefeux vorgelegte Entwurf wurde mit den Stimmen der regierenden UMP und dem Neuen Zentrum verabschiedet. Die Sozialisten, die Kommunisten und die Grünen stimmten dagegen. Nach dem Gesetz müssen unter anderem Einwanderungswillige, die zur Familienzusammenführung nach Frankreich kommen wollen, ihre Sprach- und Landeskenntnisse schon in der Heimat prüfen lassen.

Besonders kontrovers waren in der nächtlichen Debatte Pläne diskutiert worden, die Verwandtschaft von Einwanderungswilligen und ihren in Frankreich lebenden Angehörigen durch einen genetischen Test feststellen zu lassen. Nachdem Hortefeux sich in einigen Punkten kompromissbereit zeigte, wurde die Regelung mit 91 zu 45 Stimmen angenommen.

Die - freiwilligen - genetischen Tests sollen zunächst nur vorläufig eingeführt und Ende 2010 einer neuen Prüfung unterzogen werden. Befürworter hatten argumentiert, dass die DNA-Tests bereits in elf weiteren EU-Ländern erfolgreich eingesetzt werden.


Aus: "FRANKREICH: Parlament verabschiedet verschärftes Zuwanderungsrecht" (20. September 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,506822,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,506822,00.html)

Title: [Die Chancen von Flüchtlingen...]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 28, 2007, 09:39:00 AM
Quote[...] Es steht schlecht um die Chancen von Flüchtlingen, die in Deutschland Asyl suchen.


Aus: "Anerkennungsquote in Deutschland unter 1 Prozent" - Asylverfahren im europäischen Vergleich
Von Albrecht Kieser (TP, 28.09.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26293/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26293/1.html)

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Quote[...] Fortress Europe can refer to

    * A song by Asian Dub Foundation about European immigration controls.
    * the Nazi defences against an Allied invasion of Western Europe during World War II, the Atlantic Wall.


Source: http://en.wikipedia.org/wiki/Fortress_Europe (http://en.wikipedia.org/wiki/Fortress_Europe) (27.09.2007)

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Quote[...] ROM - Das Massaker geht weiter. Mindestens 243 Migranten sind im August an den Türen Europas gestorben, 9 756 Opfer seit 1988. Seit Anfang dieses Jahres sind 959 Leute umgekommen, die meisten davon in Malta und Lampedusa. Im Kanal von Sizilien sind es im August 161 Opfer, 29 im agaïschen Meer und 13 auf den Kanarischen Inseln. 3 Männer sind in Lastwagen gestorben, 2 in der Türkei und einer in Spanien, beim Versuch versteckt und illegal die Europäische Grenze zu überqueren. In Italien ist ein 28 jähriger Albaner beim Versuch den Carso-Berg, entlang der slovenischen Grenze, zu Fuss zu überqueren, gestorben. Aber die Europäische Festung bringt auch im Indischen Ozean ihre Opfer, wo 36 Migranten im August gestorben sind als sie versuchten die französische Insel Mayotte zu erreichen. In der Zwischenzeit geht in Agrigento der Prozess gegen 7 tunesische Fischermänner weiter die verhaftet wurden weil sie 44 Schiffsbrüchige Migrante gerettet haben. Hunderte von Irakischen Flüchtlingen werden von Italienischen Häfen aus zurückgebracht...


Aus: " August 2007" (Fortress Europe, posted by gabriele del grande)
Quelle: http://fortresseurope.blogspot.com/2006/01/august-2007_02.html (http://fortresseurope.blogspot.com/2006/01/august-2007_02.html)

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"Fortress Europe: 217 Todesopfer im Juli" (02.08.2007)
Quelle#2: http://www.borderline-europe.de/news/news.php?news_id=25 (http://www.borderline-europe.de/news/news.php?news_id=25)

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Title: [Massengrab der namenlosen Flüchtlinge... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 28, 2007, 10:19:28 AM
Quote[...] Das Mittelmeer gilt seit langem als eine Art Massengrab der namenlosen Flüchtlinge. Allein im August dieses Jahres zählte die Organisation "Fortress Europe" 243 tote Migranten an den Grenzen Europas. Im Kanal von Sizilien - zwischen Libyen, Ägypten, Tunesien, Malta und Italien - waren es seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1988 insgesamt 2421 Menschen. Und dabei handelt es sich nur um die offiziell registrierten Leichen. Die Insassen jener übervollen Boote, die unbemerkt von der Öffentlichkeit in den Fluten versinken, erscheinen in keiner Statistik.


Aus: "FLÜCHTLINGSDRAMA IM MITTELMEER: Samariter auf der Anklagebank" Von Annette Langer (SPON, 27. September 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,507456,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,507456,00.html)
Title: [Einwanderung mit Datenabgleich kontrollieren... (Notiz, EU, SIS)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 02, 2007, 01:11:25 PM
Quote[...] Alle vorhandenen Instrumente - wie die Schengen-Datenbank oder das Visa-Informationssystem - sollten miteinander vernetzt werden. «Die Idee dabei ist, alle Hilfsmittel zusammenzuführen und die vorhandenen Technologien besser zu nutzen», sagte der Vizepräsident der Europäischen Kommission. «Die Technik ist extrem hilfreich, um die Sicherheit der Bürger zu schützen.»

Weiter forderte Frattini: «Wir müssen biometrische Daten besser nutzen.» Für die Einführung digitaler Passbilder und Fingerabdrücke in EU-Pässen und anderen Dokumenten gebe es einen Zeitplan. «Eines Tages» könne dabei auch die Augeniris erfasst werden, meinte der Kommissar. Sobald auch Visa biometrische Daten enthielten, könnten alle Ein- und Ausreisenden problemlos identifiziert werden.

Bei der Erfassung von Fluggastdaten will Frattini mit den USA gleichziehen. «Offen gesagt ist Europa ein Ziel des Terrorismus, genau wie die USA», warnte der Kommissar. In einem ersten Schritt sollten deshalb Daten aller Passagiere, die von außerhalb der EU einen europäischen Flughafen ansteuern, erfasst werden. Später könne man dies für innereuropäische Flüge diskutieren, sagte er.

In Lissabon will Frattini den EU-Ministern auch seine Pläne zur Fahndung nach terroristischen Aktivitäten im Internet darlegen. Webseiten mit Hass-Propaganda oder Anleitungen zum Bombenbau seien nicht akzeptabel. Solche Aktivitäten sollten EU-weit unter Strafe gestellt werden, sagte Frattini. Eine Datenbank über Sprengstoffe werde ebenfalls zu seinem Anti-Terror-Paket im November gehören.

Frattini räumte ein, für alle diese Vorhaben sei Einstimmigkeit im Ministerrat nötig: «Aber ich denke, es gibt einen einhelligen Konsens zur Stärkung unserer Befugnis und europäischer Fähigkeiten auch auf technologischem Gebiet zur Bekämpfung des Terrorismus.» Auch an gemeinsamen Einsätzen der Grenzschutz-Agentur Frontex hätten sich in diesem Jahr mehr Mitgliedstaaten beteiligt als 2006.

Frontex-Aktionen hätten die illegale Einwanderung im zentralen Mittelmeer und auf die kanarischen Inseln gebremst, müssten nun aber auf das östliche Mittelmeer ausgeweitet werden: «Es gibt eine neue Route von Osten, von der Türkei über das östliche Mittelmeer nach Griechenland», sagte Frattini. Er betonte, die kommenden Monate seien von zentraler Bedeutung für die Migrationspolitik der EU.


Aus: "Frattini will Einwanderung mit Datenabgleich kontrollieren" (dpa, 28.09.2007)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/international/259069.html (http://www.ftd.de/politik/international/259069.html)

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Quote[...] Das Schengener Informationssystem (SIS) ist eine nichtöffentliche Datenbank, in der Personen und Sachen eingetragen sind, die im Schengen-Raum zur Fahndung ausgeschrieben sind. Zugriffsberechtigt sind nur Sicherheitsbehörden in Schengen-Ländern. Rechtsgrundlage ist das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und die dazugehörigen Durchführungsvereinbarungen.

Die berechtigten Stellen können im SIS Informationen über Personen oder Gegenstände anfragen oder registrieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Informationssystem (http://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Informationssystem)

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LASER#17 [Visa Information System und SIS II]
http://www.subfrequenz.net/forum/index.php/topic,36.0.html (http://www.subfrequenz.net/forum/index.php/topic,36.0.html)

Title: [Unsere europäische Heuchelei.... (Notiz, Elias Bierdel)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 11, 2007, 01:42:20 PM
Quote[...] Gerrit Wustmann:  Was haben Sie an den europäischen Außengrenzen erlebt und gesehen?

Elias Bierdel: Gleich in meinem allerersten Interview mit einem Flüchtling auf der Insel Chios, einem Palästinenser aus dem Libanon, habe ich Details erfahren, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Es ging um regelrechte Folterungen auf hoher See bis hin zur Scheinhinrichtung. Der Mann ist von der Küstenwache mit dem Kopf unter Wasser getaucht worden, man hat ihm eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und zugehalten, bis er keine Luft mehr bekam.

All das hat mich völlig niedergeschlagen in dem Augenblick. Ich brauchte ein paar Tage, um mich überhaupt wieder zu motivieren für diese Arbeit. Wir haben sie fortgesetzt, nachdem uns auf verschiedenen Inseln von Angehörigen völlig verschiedener ethnischer Gruppen ganz ähnliche Sachen berichtet wurden. Da war uns klar, dass das nicht abgesprochen ist, sondern dass wir es mit systematischen Techniken zu tun haben, die die Küstenwache anwendet, um Flüchtlinge abzuwehren. Auch daher geht die Zahl der Toten steil nach oben.

All das haben wir schriftlich niedergelegt und am 29.10. in Brüssel und Athen zeitgleich veröffentlicht. Wir hoffen, dass es was hilft, etwa in dem das Thema Parlamenten zugeleitet wird. In Griechenland jedenfalls hat es eingeschlagen wie eine Bombe. Zum Glück. Wir haben oft das Gefühl, an einem Thema zu arbeiten, das keiner so recht hören will. In Griechenland war das anders. Die haben diesen sehr harten Bericht, der schwerste Vorwürfe gegen griechische Behörden enthält, nicht unter den Teppich zu kehren oder zu leugnen versucht. Im Gegenteil, es gab eine Fragestunde im Parlament. Abgeordnete einiger Parteien haben sich ganz klar zu ihrer Scham über diese Umstände bekannt. Es gab eine Riesenkampagne mit Presse und Öffentlichkeit. Wir hoffen, dass sich jetzt was ändert. Der erste Schritt ist schon mal, dass der Chef der Küstenwache, den man nur als Faschisten bezeichnen kann, am 7. Dezember in den Ruhestand verabschiedet wird.

Gerrit Wustmann: Sie haben eben den Begriff "systematisch" benutzt, der auch im Bericht auftaucht...

Elias Bierdel: Das fängt an mit dem eben erwähnten Chef der Küstenwache, der als lokaler Befehlshaber allein zu entscheiden hat. Die Aufgabe, die Europa bzw. die griechische Regierung ihm stellt, lautet: Sorge dafür, dass keiner mehr rüberkommt. Aber natürlich heißt es eigentlich auch, dass dabei keine Gewalt angewendet werden darf.

Das ist ja immer unsere europäische Heuchelei. Unsere Einheiten, Frontex [http://europa.eu/agencies/community_agencies/frontex/index_de.htm] und andere, sollen die Boote stoppen und zur Umkehr bewegen, ohne Gewalt anzuwenden. Doch so läuft das Spiel nicht. Es ist klar, dass diese Menschen auf den Booten nach Europa wollen. Dann greift dieser Chef der Küstenwache zu Methoden, die mit unserem Wertekatalog oder unseren Gesetzen wahrhaftig nicht in Einklang sind. Er persönlich ist der Überzeugung, dass es sich nicht um Flüchtlinge, sondern um Terroristen handelt. Auch bei den minderjährigen Afghanen und Irakern beispielsweise. Feindliche Krieger, islamistische Kämpfer, die kommen, um Europa in den Abgrund zu reißen. Hier entsteht ein Chorgeist in der Behörde, wo klar ist: Das sind Feinde. Nicht Menschen, die Hilfe und Schutz bei uns suchen, und die auch Anspruch darauf haben, sondern Feinde, die abgewehrt werden müssen.

Was wir festgestellt haben ist: Es gehört zu den gängigen Techniken, dass Boote da draußen nicht nur gestoppt und die Insassen verprügelt und ausgeraubt werden. Sie werden auf unbewohnten Felseilanden ausgesetzt, wo sie teils tagelang ohne Kleidung, Nahrung usw. ausharren, bis sie doch noch irgendjemand rettet. Es werden Flüchtlinge ins Wasser gestoßen, sie werden, wie schon erwähnt, regelrecht gefoltert. Es gibt eine ganze Palette von Techniken, die angewendet werden. Das ist kein Zufall. Wenn Sie mich nach der Systematik dieser Dinge fragen, dann fällt eines auf: Vieles davon erinnert an die Verhörpraktiken, die wir aus Guantanamo und Abu Ghuraib kennen. Ich frage mich, ob es dort irgendwelchen Austausch gibt, das möchte ich ernsthaft weiter untersuchen. Gibt es Kurse, in denen das unterrichtet wird?


Gerrit Wustmann: Wie sieht denn die rechtliche Situation der Flüchtlinge aus? Bekommen sie zumindest juristischen Beistand? Gibt es vor Ort Gruppen oder gar Behörden, die versuchen, diese Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden oder einzuschränken?


Elias Bierdel:  Die von uns festgestellten Abwehrtechniken sind jetzt wenigstens öffentlich geworden. Wir werden genau beobachten, ob sich wirklich etwas ändert. Wir müssen befürchten, dass ähnliche Praktiken auch im Mittelmeer, vor Lampedusa und den Kanaren, nicht ganz unbekannt sind, um es vorsichtig auszudrücken, nachdem wir es punktuell nachweisen konnten.

Die rechtliche Lage der Flüchtlinge ist die, dass es kein Gesetz mehr gibt, das für sie gilt. Es sind Zonen der Rechtlosigkeit entstanden, die wir uns in Europa überhaupt nicht vorstellen konnten. Im Unterschied zur Lage vor Sizilien und den Kanaren, wo diese Boote irgendwo auf offener See sind, im Niemandsland auf dem Wasser, ist es hier so, dass sie, sobald sie die türkischen Gewässer verlassen, automatisch auf griechischem Gebiet und somit in Europa sind. Damit hätten sie Anrecht auf eine ganze Reihe von Rechtsmitteln, die sie geltend machen könnten. Beispielsweise müssten sie angehört werden. Wir wissen ja gar nicht, wer die Leute sind, und aus welchen Gründen sie unterwegs sind.

Immerhin gibt es noch das Versprechen, Menschen, die vor Verfolgung fliehen, Asyl zu gewähren. Aber wenn man sie nicht anhört, stellt man auch nicht fest, warum sie unterwegs sind, also gibt es diesen Anspruch nicht. Es ist ja auf der breiten Front so, dass sie nicht mal mehr das Recht auf Leben geltend machen können. Dabei gibt es das Verbot des Refulement. Man darf nicht Flüchtlinge daran hindern, ein rettendes Ufer zu erreichen. Man muss sie aufnehmen. All das ist in Flüchtlingskonventionen und internationalen Bestimmungen festgelegt. Aber dieses Recht wird ausgehebelt. Das ist die Katastrophe. Das ist für mich das Entscheidende und Erschütternde, dass es hier nicht so sehr darum geht, dass wir versuchen müssen, die Gesetze zu verbessern, sondern dass wir versuchen müssen, den existierenden Gesetzen Geltung zu verschaffen. Und das ist doch etwas, was jeden Europäer und auch jeden Deutschen aufs Höchste beunruhigen sollte, wenn er erlebt, dass in seinem Land, auf seinem Kontinent plötzlich allgemeines Völkerrecht de facto außer Kraft gesetzt wird.


Gerrit Wustmann: Welche Haltung haben denn EU-Parlament und Bundesregierung zu diesen Sachverhalten?


Elias Bierdel:  Fangen wir mit den Parlamentariern an. Die wissen tatsächlich meistens nicht wirklich, was da draußen passiert. Das liegt daran, dass es systematisch geheim gehalten wird. Ich war auch schon mit Delegationen von Europaparlamentariern dort, um ein Flüchtlingslager auf den Kanaren anzuschauen. Da wurde uns eine Kulisse vorgeführt, ausgefegte Zelte gezeigt und gesagt, dass nur wenige Leute hier seien und es keine Probleme gäbe. Es ist auch für Parlamentarier schwierig zu sehen, was tatsächlich passiert.

Das muss natürlich jeden Abgeordneten mit ein wenig Anstand beunruhigen. Seine Kontrollrechte werden ihm entzogen, weil die EU-Grenzschutzorganisation Frontex in Warschau nicht mehr im selben Maße wie normale Behörden der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Hier dürfen Abgeordnete nur noch über das Haushaltsvolumen abstimmen, aber nicht mehr darüber, wer was im Einzelnen tut. Das berührt unsere Demokratie im Kern. Diese Erkenntnis setzt sich nur sehr langsam durch. Europaparlamentarier wissen, dass dieses Thema die Seele Europas berührt und wir sehr genau hinschauen sollen, aber sie sind noch ein wenig hilflos. Das EU-Parlament ist, ja, wie wir wissen, auch nicht sehr stark.

In der EU-Kommission gibt es Leute wie den Kommissar Frattini, die das sehr wohl als Thema sehen und versuchen, auf eine europäische Solidarität hinzuarbeiten, die aber nicht funktioniert. Es geht darum, innerhalb von Europa die Lasten zu verteilen, die daraus bestehen, die Menschen, die an den Küsten landen, zur Prüfung ihrer Asylverfahren zu übernehmen, um dann anschließend zu sehen, was man mit ihnen macht. Es ist nicht einzusehen, warum Deutschland, das über hervorragende Einrichtungen, Infrastruktur, Fachleute verfügt, einfach sagt: Ist nicht unser Problem, bei uns kommt ja de facto keiner mehr an.

Bei der EU-Innenministerkonferenz unter deutscher Ratspräsidentschaft von Herrn Schäuble im Juni machten die Malteser diesen Vorschlag und sagten: "Die Leute wollen gar nicht zu uns, die wollen nach Europa. Insofern ist es doch richtig, wenn wir sie verteilen. Das ist für uns kleines Land so, als würden in Deutschland 1,4 Millionen im Jahr ankommen. Wir können das nicht mehr." Das wurde unter deutscher Präsidentschaft abgelehnt. Da bin ich einigermaßen verwundert. Es gibt eine große Menschenrechtsrhetorik, die beteuert, man wolle unter keinen Umständen zulassen, dass viele Menschen sterben. Aber wenn es darum geht, konkret zu helfen, ist keiner mehr zuständig. Das führt dazu, dass ein kleines Land wie Malta zunehmend die Grenzen dicht macht und niemanden mehr rettet. Und daran ist Berlin mitverantwortlich.



Gerrit Wustmann: Welche Lösungsansätze sehen Sie, und worin wird Ihre weitere Arbeit bestehen?


Elias Bierdel:  Wenn wir uns die Ursachen nicht anschauen, dann werden wir zu keiner Lösung kommen. Die Antwort Europas, die im Wesentlichen aus einer militärisch organisierten Flüchtlingsabwehr besteht, kann nicht der letzte Schluss sein. Vor allem wenn wir sehen, dass die Todeszahlen steil ansteigen. Nach letzten Schätzungen sterben heute bis zu 60% mehr Menschen als vor Beginn der Abschottungsmaßnahmen durch Frontex. Das können wir nicht beweisen, aber es ist ein Hinweis darauf, dass die "Erfolgsmeldungen", die wir hören, bedeuten, dass deshalb weniger Menschen ankommen, weil mehr von ihnen gestorben sind.

Aus meiner Sicht ist das ein gefährlicher Irrweg, der das Problem an einem unzulässigen Ende angreift, zumal mit Gefahr für Leib und Leben für die Leute, um die es geht, und die in aller Regel mit gut nachvollziehbaren Gründen Schutz und Hilfe bei uns suchen. Was ich für den entscheidenden Punkt halte, ist: Wir müssen uns anschauen und eingestehen, dass von diesen Menschen viele zunehmend durch uns, durch aktive europäische Politik, aus ihren Heimatregionen vertrieben sind. Beispiel Handelsbedingungen. Unsere Agrarsubventionen für Produkte hier auf dem Kontinent zerstören die Märkte in Afrika. Das weiß ja nun schon jeder, das ist ja banal. Aber wie wirkt das?

Auf den afrikanischen Märkten, in Senegal beispielsweise, wo ich viel unterwegs war, liegen die zu Dumpingpreisen angebotenen Tomaten aus den Anbaugebieten Spaniens und Italiens, die dort übrigens auch mit Hilfe illegaler Einwanderer angebaut werden. Und weil die Erzeugnisse durch Steuersubventionen schon bezahlt sind, kann man sie zu beliebigen Preisen abkippen. Das ist eine Form von Müllentsorgung der Überschussproduktion, die wir früher noch für teures Geld vernichtet haben. Das wird jetzt einfach nach Afrika gebracht. Die Folge: Die Einheimischen Bauern können mit den Preisen nicht mehr konkurrieren, weshalb in diesen Agrarstaaten ganze Bevölkerungsschichten einbrechen.

Gleiches gilt für die Fischerei. Unsere Fischereiflotten vor den Küsten Senegals – bis vor kurzem eines der fischreichsten Gewässer der Erde – haben derartig zugeschlagen, dass die Fischer dort buchstäblich nichts mehr zu fischen und deshalb ihre eigenen Familien jetzt nichts mehr zum Leben haben. Und die machen sich auf zum Beispiel in Richtung Kanaren. Wer möchte ihnen das verdenken?

Selbst wenn wir den ganzen Bereich der extrem ungerechten Handelsbeziehungen, die Art, wie diese Welt wirtschaftlich organisiert ist, außer Acht lassen, dann sollen jetzt diese Länder, speziell Subsahara, auch noch die Last des Klimawandels tragen. Da geht es nicht um zwei Grad wärmer oder kälter, sondern darum, dass in absehbarer Zeit keine Lebensgrundlagen mehr da sind, dass es kein Trinkwasser mehr in bestimmten Ländern gibt. Wer ist dafür verantwortlich? Afrika ist an der Emission von Treibhausgasen nicht einmal mit 6% beteiligt. Daran kann es also nicht liegen.

Ist es nicht so, dass wir unseren maßlosen Lebenswandel, den wir hier traditionell auf Kosten von anderen, von Nachbarregionen, führen, und einem Reichtum, der auf Ausbeutung basiert, überdenken sollten? Ich meine ja. Wir sollten lernen, die Leute in den Booten als Warnzeichen ernst zu nehmen. Herbert Leuninger, einer aus der Gruppe der zornigen alten Männer – das sind ja nicht die schlechtesten -, ein ehemaliger katholischer Priester und Mitbegründer von Pro Asyl, nennt die Leute in den Booten "Botschafter der Ungerechtigkeit". Das finde ich sehr klug, das hilft uns weiter. Wir müssen verstehen, dass es diese Botschaft ist, die für uns so wichtig ist. Darum wollen wir versuchen, die Bevölkerung dazu zu ermutigen, nicht nur mit Ängsten auf die Migrationsphänomene zu schauen, sondern mit einem möglichst klaren Blick.

Am Ende ist es auch in unserem Interesse, wenn wir aufhören, diese brutale und tödliche Politik zu betreiben, die Menschen das Überleben unmöglich macht, und am Ende auf sie zu schießen, wenn sie bei uns eine bessere Zukunft suchen. Es handelt sich um ein tabuisiertes Thema. Politiker wollen davon nach Möglichkeit nichts hören, denn sie haben keine schnellen Lösungen an der Hand.

Die Medien, speziell in Deutschland, haben dieses Thema bisher in skandalöser Weise ignoriert. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe in vielen Gesprächen mit werten Exkolleginnen und Kollegen versucht, das zu diskutieren, und die konnten mir nicht erklären, warum der Tod von zehntausenden Menschen kein Thema für sie sein sollte. Im journalistischen Sinne. Also: Hinschauen. Sich trauen, das wahrzunehmen. Wenn wir als Menschen nicht mehr in der Lage sind, das Grauen zu sehen, wenn wir die Trauer nicht mehr spüren, dann brauchen wir keine klugen Reden mehr zu halten.


Quote10. November 2007 9:07
Anmerkung
jozi59 (mehr als 1000 Beiträge seit 16.01.04)

Ichi the Killer schrieb am 10. November 2007 2:18

> Es gibt kein Recht auf Einwanderung.

Genau, bauen wir doch die Mauer wieder auf. Nur diesmal nicht in
Berlin sondern gleich um ganz Europa.

Wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, faselt man was von
Globalisierung. Wenn Menschen aus anderen Regionen der Welt nach
Deutschland kommen, werden die alten Begriffe von Blut und Boden
wieder aus der Klamottenkiste geholt.


Quote10. November 2007 6:09
lol...gut aufgepasst in Geschichte!!
Mordkopierer (193 Beiträge seit 10.05.05)
35 Grad schrieb am 10. November 2007 2:07

[...]

> Kein Mensch sollte heutzutage mehr auf der Flucht sein müssen.
> Im Moment verkaufen Europäische Politiker ihre Menschlichkeit.
> Ich schäme mich für diese Politiker.

Auch wenn es dein Weltbild evtl. zerstört...wenn es drum geht seinen
Wohlstand ect. zu verteidigen, bzw wenn man diesen in Gefahr sieht,
wird JEDER zum Rassist! [...]



Quote10. November 2007 8:22
Wirtschaftsflüchtling versus politischer Flüchtling
Hacker-Staat, Tobias Weisserth (116 Beiträge seit 22.03.07)

Die Frage ist vielmehr ob man neben den wenigen politischen
Flüchtlingen auch der Mehrheit - den Wirtschaftsflüchtlingen - also
denjenigen die einfach auf der "Flucht" vor Arbeitslosigkeit und
schlechten Lebensbedingungen sind, Asyl gewähren will. Meine Meinung
dazu ist: Nein. Besser wäre es, in den jeweiligen Ländern
wirtschaftliche Anreize für die Menschen durch Entwicklungshilfe zu
schaffen, um den "Flüchtlings"strom auf dem Weg zu verringern. Denn
die meisten "Flüchtlinge" kommen in meinen Augen nicht, um
politischer Verfolgung zu entgehen, sondern um am Wohlstand Europas
teilzuhaben. Das hat mit Asyl nichts zu tun.

Quote10. November 2007 10:34
wirtschaftsflüchtlinge contra politische flüchtlinge
Pincinato (mehr als 1000 Beiträge seit 08.01.03)

ja, das passt in das beliebte spiel, des gegeneinander ausspielens.

wer so argumentiert, hat entweder nie begriffen, was menschen zu so
etwas bewegt, oder reiht sich ein in die lange reihe perverser
menschenverachter, wie si in der politik alltäglich sind.

das deutsche asylrecht spielt dieses spiel seit langerm.

Quote10. November 2007 11:34
Zum Glück gibt es noch Menschen mit Verstand in Europa
jiyuu (818 Beiträge seit 09.01.04)

Dich kann es ja nicht stören, du bist in Brasilien ein gern gesehener
Einwanderer. Aber was machen wir hier mit dem ganzen Abschaum, der
lieber Moscheen baut und uns mit seiner politischen Ideologie genannt
Islam beglücken will, anstatt sich anständig zu integrieren, Deutsch
zu lernen und Respekt vor dem Grundgesetz, den Menschenrechten, den
Frauen und den anderen Religionen zu haben?






Quote10. November 2007 4:13
Inhumanes Verhalten der Grenztruppen Griechenlands
Mr.Mustard (mehr als 1000 Beiträge seit 09.07.05)

und der Türkei sind nichts neues, nicht mal vor Vergewaltigung
und Mord(versuchen) wird dabei zurückgeschreckt :

> http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/0/0732ea4e16a25dd2c1256aa000463f07?OpenDocument


Quote10. November 2007 4:40
Willkommen in der Realität!
nexus7 (115 Beiträge seit 20.07.01)

So bekommt das Windsurfen in Tarifa doch wieder den speziellen Kick
durch Wasserleichen. Scherz beiseite. Das kann man aus vielen
verschiedenen Sichten sehen. Das mit den Boten der Ungerechtgkeit hat
schon was. Unser System hält die Warlords am Kacken, wenn nur die
Rohstoffe weiterhin möglichst störungsfrei fließen. Das Volk hat da
nichts von. Andererseits wars da auch vor kolonialer Landnahme nicht
immer so idyllisch wie oft und gern behauptet. Es gibt durchaus nicht
anekdotische Berichte welche aufzeigen wie es da vor, während und
nach der Kolonialisierung aussah, und wie die Lebensbedingungen
währenddessen waren. Natürlich fiel das unterschiedlich aus. Ja, und?
Es hatte gute und schlechte Seiten. Shit happens! Man muß sich doch
nur mal die wie mit dem Lineal über die Landkarte gezogenen Grenzen
ansehen um zu erkennen, daß damals am grünen Tisch ohne Rücksicht auf
Ethnien aufgeteilt wurde. Aufgeteilt...allein das Wort sagt doch
schon alles. Und jetzt teilt ein gewisser ostasiatischer Staubsauger
neu auf, weswegen der ganze Rest furchtbaren Schiss bekommt und wegen
der Menschenrechte empört mit dem Zeigefinger wedelt. Lächerlich. Man
kann das aber auch aus rechter Sicht sehen. Z.B. dahingehend das ne
ganze Menge dieser Leute nicht kompatibel zu unserem System und
Alltag sind, da krieggeschädigt. Möchte ich jemanden als Nachbar der
schon als Kind unter allermiesesten Härten ne Kalaschnikov in die
Hand gedrückt bekommen hat und keinen Respekt mehr vor dem Leben hat?
Der einfach nur Überleben will, und das bisher auch musste? Egal wie?
Der sozusagen desensibilisiert ist, abgestumpft, ne Zeitbombe, ein
Psychopath? Oder was das Gesundheitssystem angeht, das eh an allen
Ecken und Enden knackst, ächzt und stöhnt ne zusätzliche Belastung
wie diese unerwünscht erscheinen läßt? Es gibt da den medizinischen
Begriff der Triage. Warum sollte man den nicht auch
gesamtgesellschaftlich anwenden können? Natürlich kann ich fast all
dies auch über einheimische innerhalb der "Festung" sagen. Aber, ich
zieh das jetzt mal von ner anderen Seite auf, nicht nur auf Afrika
bezogen. Will ich beliebige Austauschbarkeit und Lohndumping? Möchte
ich von "Bimbo" die Tüten im Geschäft verpackt bekommen? Brauche ich
die Drogen von "Vitaly" an der Ecke? Will ich all diese Leute
wirklich hier haben, von denen auch hier nur die allerwenigsten ne
legale Chance haben? Wozu führt denn das? Auf dem Land werden sie in
"Lagern" ausgegrenzt und geschnitten. In der Stadt tragen sie zur
weiteren Verrohung und Anonymität der eh schon angespannten Massen
bei. Entgeht mir mit der Denke ne "kulturelle Bereicherung"? Aber
sicher, soviel ist klar. Nur...ich kann eh nicht jede Kultur kennen.
Ich will einfach nur meine Ruhe haben und nicht sehen wie
irgendwelche Typen vollaggro eigentlich vandalismussichere Scheiben
kaputt treten, oder schlimmer noch, sich gegenseitig. Das sorgt trotz
Elektroschocker und nen paar miesen Tricks einfach für ZU VIELE
UMWEGE meinerseits. Multikulti funktioniert nicht wirklich.
Aggromulti schon eher. Und darauf habe ich NULL BOCK! Ich habe da ne
Dokumentation in Erinnerung, irgendwie rotes Cover, grünes Hanfblatt
drauf. Darin gings um die Kultur des Kiffens und den Anbau in
Marokko. Der darin hauptsächlich interviewte Protagonist berichtete
auch von seinem Versuch über die Türkei nach Griechenland zu kommen,
und wie sie mit ihm umgesprungen sind. Sein Schlußsatz war irgendwie
ne blonde, deutsche Frau heiraten zu wollen. Na Klasse. Dann wäre da
noch die sich hier illegal aufhaltende junge Frau die einfach so ihr
Neugeborenes den Balkon eines Wohnsilos herunterwirft. Äh, Hallo?
Ging das nicht anders? Klar gibts auch genug einheimische
Kriminalität, aber will ich deshalb NOCH MEHR davon? Wirklich ändern
würden daran nur andere Verhältnisse in den Quellländern. Aber mal
ehrlich, wie realistisch ist denn das? SO IHR TRÄUMER, jetzt macht
mich ROT weil ich meinen spießigen Egoismus entdeckt habe und dazu
stehe!


Quote10. November 2007 5:02
gerne doch
Mr.Mustard (mehr als 1000 Beiträge seit 09.07.05)

nexus7 schrieb am 10. November 2007 4:40

> ... jetzt macht
> mich ROT weil ich meinen spießigen Egoismus entdeckt habe und dazu
> stehe!

Dein Wunsch sei mir Befehl...

Quote10. November 2007 6:02
Bei mir das gleiche!
Mordkopierer (192 Beiträge seit 10.05.05)

nexus7 schrieb am 10. November 2007 4:40

> Der darin hauptsächlich interviewte Protagonist berichtete
> auch von seinem Versuch über die Türkei nach Griechenland zu kommen,
> und wie sie mit ihm umgesprungen sind. Sein Schlußsatz war irgendwie
> ne blonde, deutsche Frau heiraten zu wollen. Na Klasse.

hab versucht in einer plastikwanne nach schweden rüberzudaddeln, um
dort sozialhilfe zu beantragen und ne richtg geile schwedin ehelichen
zu können.
wer konnte denn ahnen, dass es mit dem wellegang usw probleme geben
könnte??
Schuld ist das System!!

Quote10. November 2007 11:03
Als körperlich schwerbehinderter Mensch ......
kallekoelle (mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.06)

.....kann ich garnicht genug schwarze Menschen hier haben. Die stehen
in der U-Bahn für mich auf, und noch nie hat einer von denen Randale
in der Vorort-S-Bahn gemacht. Wenn Schwarze sich im Waggon befinden
fühle ich mich sicher.


Quote10. November 2007 12:51
Das Märchen von den "Kriminellen Ausländern"
martin-2 (mehr als 1000 Beiträge seit 02.04.03)

Wenn ich mir anschaue, wieviele Menschen von euch Nazis in den
letzten Jahren ermordet und verkrüppelt wurden, dann sollte man
zuerst euch Nazis abschieben.

Quote10. November 2007 21:46
re:
Punani (449 Beiträge seit 21.08.05)

martin-2 schrieb am 10. November 2007 12:51

> Wenn ich mir anschaue, wieviele Menschen von euch Nazis in den
> letzten Jahren ermordet und verkrüppelt wurden, dann sollte man
> zuerst euch Nazis abschieben.

richtig! nazis sollte man "abschieben"...

allerdings sind laut statistiken die anteile ausländischer täter bei
diversen arten des verbrechens erschreckend hoch.
zählt man dann noch die sog. "russlanddeutschen" dazu (die ja nen
deutschen pass haben), dann dürfte es noch schlechter aussehen.

ich habe bestimmt nichts gegen friedliche ausländer die hier
leben...aber man sollte auch nicht die augen vor solchen
gesellschaftlichen problemen verschliessen ...

und auch wenn ich nazis hasse....jeder fall wo nazis gewalttätig
wurden, wird von der presse damassen ausgeschlachtet...von daher ist
anzunehmen, dass es relativ wenige fälle sind.
wenn ich dagegen mal gucke, wieviel alleine täglich in der
tageszeitung an übergriffen steht, die oft auch von ausländern
begangen werden....
wo ich wohne kannste auf jeden fall nach 22:00 kaum noch spazieren
gehen...und auch wenn du es nicht wahrhaben willst, es sind i.d.r.
ausländer die scheisse bauen und mit der dummen frage "ex..haste
zigarrette" ankommen und du weisst genau egal was du sagst, du
bekommst jetzt einen aufs maul...



Quote10. November 2007 15:06
wie jetzt?
yamamoto, realekki@gmx.de (mehr als 1000 Beiträge seit 23.04.01)

nexus7 schrieb am 10. November 2007 4:40

> ... Und jetzt teilt ein gewisser ostasiatischer Staubsauger
> neu auf, weswegen der ganze Rest furchtbaren Schiss bekommt und wegen
> der Menschenrechte empört mit dem Zeigefinger wedelt.

was fürn staubsauger?

> Lächerlich. Man
> kann das aber auch aus rechter Sicht sehen. Z.B. dahingehend das ne
> ganze Menge dieser Leute nicht kompatibel zu unserem System und
> Alltag sind, da krieggeschädigt. Möchte ich jemanden als Nachbar der
> schon als Kind unter allermiesesten Härten ne Kalaschnikov in die
> Hand gedrückt bekommen hat und keinen Respekt mehr vor dem Leben hat?
> Der einfach nur Überleben will, und das bisher auch musste? Egal wie?
> Der sozusagen desensibilisiert ist, abgestumpft, ne Zeitbombe, ein
> Psychopath?

junge, junge, was für ne aufzählung; also das ne ganze menge (nicht
nur dieser sondern auch jener) leute nicht mit unserem system und
alltag kompatibel sind ist schon klar, aber vergiss nicht, dass hier
vor noch nicht einmal 65 Jahren so ziemlich jeder kriegsgeschädigt
gewesen ist und "kriegsschaden" nicht per se inkompatibel bedeutet.
wenn es ein ehemaliger kindersoldat (auf diese spielst du wohl an)
bis nach europa geschafft hat, dann will der hier vor allem ruhe und
frieden (so wie du und ich und so ziemlich jeder) und nicht noch mehr
krieg. den satz mit der desensibilisierten, abgestumpften,
psychopatischen zeitbombe übergehe ich mal zu deinen gunsten (du
solltest dich für derartige aussagen schon um belege bemühen).

> Oder was das Gesundheitssystem angeht, das eh an allen
> Ecken und Enden knackst, ächzt und stöhnt ne zusätzliche Belastung
> wie diese unerwünscht erscheinen läßt?

das liegt aber nicht daran, das vornehmlich junge leute
hierherkommen, sondern vielmehr daran, das die meisten kosten des
gesundheitswesens in den letzten sechs lebensmonaten anfallen an und
den <troll> sarkosanten gewinnen der pharmaindustrie </troll>

> Es gibt da den medizinischen Begriff der Triage. Warum sollte man den nicht auch gesamtgesellschaftlich anwenden können?

ja warum wohl? vielleicht weil das ganze schon im krieg (genauer auf
dem schlachtfeld) ein enormes problem darstellt - da sollte man sich
in friedenszeiten besser von fern halten, sowas endet ganz schnell
bei wilden eutanasiedebatten und massenmord.

> Natürlich kann ich fast all
> dies auch über einheimische innerhalb der "Festung" sagen.

in der tat

> Aber, ich zieh das jetzt mal von ner anderen Seite auf, nicht nur auf Afrika
> bezogen. Will ich beliebige Austauschbarkeit und Lohndumping?

austauschbarkeit und lohndumping gibt es schon zu hauf, aber nicht
wegen irgendwelcher flüchtlinge (asylanten unterliegen einem
arbeitsverbot!) sondern weil mit massenhaften 1eurojobs der reguläre
arbeitsmarkt und die inlandskaufkraft kaputt gemacht werden..

> Möchte ich von "Bimbo" die Tüten im Geschäft verpackt bekommen?

wäre mal ein service am kunden, wobei der bimbo dann
höchstwahrscheinlich ein student ist

> Brauche ich die Drogen von "Vitaly" an der Ecke?

das entzieht sich meiner kenntniss, bei deiner kruden
argumentationsweise könnte aber der versuch nicht schaden. scnr

> Will ich all diese Leute wirklich hier haben, von denen auch hier nur die
> allerwenigsten ne legale Chance haben?

deinem posting nach zu urteilen nicht, aber warum dann als
rhetorische frage formuliert?

> Wozu führt denn das? Auf dem Land werden sie in
> "Lagern" ausgegrenzt und geschnitten.

ich komme ursprünglich vom dorf - meiner erfahrung nach werden da
menschen nicht unbedingt geschnitten und ausgegrenzt

> In der Stadt tragen sie zur
> weiteren Verrohung und Anonymität der eh schon angespannten Massen
> bei.

was ist das denn für ne prosa?

> Entgeht mir mit der Denke ne "kulturelle Bereicherung"? Aber
> sicher, soviel ist klar.

du sagst es - aber sei versichert, das dir noch einiges anderes
entgeht.

> Nur...ich kann eh nicht jede Kultur kennen.

musst du auch nicht

> Ich will einfach nur meine Ruhe haben und nicht sehen wie
> irgendwelche Typen vollaggro eigentlich vandalismussichere Scheiben
> kaputt treten,

dann sollte man sein geld vom glaser zurückverlangen, denn
offensichtlich halten sie scheiben nicht was sie versprechen

> oder schlimmer noch, sich gegenseitig. Das sorgt trotz
> Elektroschocker und nen paar miesen Tricks einfach für ZU VIELE
> UMWEGE meinerseits.

wieso, die treten doch nicht dich sondern sich gegenseitig

> Multikulti funktioniert nicht wirklich.
> Aggromulti schon eher.

was ist aggromulti?

> Und darauf habe ich NULL BOCK! Ich habe da ne
> Dokumentation in Erinnerung, irgendwie rotes Cover, grünes Hanfblatt
> drauf. Darin gings um die Kultur des Kiffens und den Anbau in
> Marokko. Der darin hauptsächlich interviewte Protagonist berichtete
> auch von seinem Versuch über die Türkei nach Griechenland zu kommen,
> und wie sie mit ihm umgesprungen sind. Sein Schlußsatz war irgendwie
> ne blonde, deutsche Frau heiraten zu wollen. Na Klasse.

jeder hat so seine ziele im leben

> Dann wäre da noch die sich hier illegal aufhaltende junge Frau die
> einfach so ihr Neugeborenes den Balkon eines Wohnsilos herunterwirft.

wann und wo? belege

> Ging das nicht anders? Klar gibts auch genug einheimische
> Kriminalität, aber will ich deshalb NOCH MEHR davon?

was haben jetzt flüchlinge mit noch mehr einhimischer kriminalität zu
tun?

> Wirklich ändern  würden daran nur andere Verhältnisse in den Quellländern.

richtig

> Aber mal ehrlich, wie realistisch ist denn das?

das hängt von den jeweiligen ländern ab und davon ob "die westliche
welt" ihre probleme weiterhin auf dem rücken anderer zu lösen
trachtet.

> SO IHR TRÄUMER, jetzt macht
> mich ROT

mache ich grundsätzlich nicht :-)

> weil ich meinen spießigen Egoismus entdeckt habe und dazu stehe!

wohl eher weil deine argumentation etwas unausgegoren ist

mfg ekki



Quote10. November 2007 16:41
Re
nexus7 (116 Beiträge seit 20.07.01)

> was fürn staubsauger?
Der chinesische, der einfach mal seinen Rüssel in die
(Rohstoff)Märkte hält, sie leersaugt und somit das bisher etablierte
Ungleichgewicht zu seinen Gunsten stört ;-)

> (du solltest dich für derartige aussagen schon um belege bemühen)
Ich will gar nicht alles belegen, wenn würde ich ein Tagebuch oder
neudeutsch ne Autobiographie verföffentlichen (lassen).

> ..sakrosanten gewinnen der pharmaindustrie
Ja, kann man so sehen. Sollte man aber nicht allein darauf
reduzieren.

> ..friedenszeiten besser von fern halten, sowas endet ganz schnell
> bei wilden eutanasiedebatten und massenmord.
Frieden? Welchen Frieden? Halte ich für ne übergestülpte Illusion
welche die Räder der Maschinen für den (Pyrrus)Sieg rollen lässt.

> ..austauschbarkeit und lohndumping gibt es schon zu hauf, aber nicht
> wegen irgendwelcher flüchtlinge
Korrekt, ist aber trotzdem Teil des Wirtschaftsklimas welches dies
ermöglicht.
Will ich somit nicht haben.

> wäre mal ein service am kunden, wobei der bimbo dann
> höchstwahrscheinlich ein student ist
Ah ja, Service? Will ich in der Form nicht haben.
Studenten sollen LERNEN, nicht Jobben!

> das entzieht sich meiner kenntniss, bei deiner kruden
> argumentationsweise könnte aber der versuch nicht schaden. scnr
Nein Danke!

> ich komme ursprünglich vom dorf - meiner erfahrung nach werden da
> menschen nicht unbedingt geschnitten und ausgegrenzt
Ich kenne auch so einiges, Dorf, Kleinstadt, größere Stadt,
Großstadt, Vorort, und ich muß ehrlich sagen auffm Dorf gefällts mir
am besten. Zum Ausgrenzen...das liegt wohl an vielen Faktoren, unter
anderem Region und Zeit. Die Dinge ändern sich.

> was ist das denn für ne prosa?
Mein Braindump.

> dann sollte man sein geld vom glaser zurückverlangen, denn
> offensichtlich halten sie scheiben nicht was sie versprechen
Hm, ich glaub eher das Magenta-T damit ein Problem hat, oder der HVV,
oder JC-Decaux, oder irgendwelche Gemeinden. Trennscheiben von
öffentlichen Fernsprechern, Haltestellen, Stadtpläne, Fahrpläne,
Schaukästen...
Wie auch immer, ich habe bei all diesen beobachteten Vorkommnissen
kein deutsches Wort gehört. Mich störts, und ich sehe diese
Vollspacken in dem Augenblick als nichts weiter als wilde Tiere
welche meine Umgebung verschandeln. Will ich so nicht haben. Also weg
damit.

> wieso, die treten doch nicht dich sondern sich gegenseitig
Du raffst es nicht. Dieses soziale Klima gefährdet meine Illusion
dessen das alles in Ordnung ist. Das STÖRT! Ich will meinen spießigen
THEMEPARK!

> was ist aggromulti?
Die multiplizierung von Aggressivität durch multiple,
aufeinandergepferchte Kulturen.

> jeder hat so seine ziele im leben
Klar, kein Einwand.

> wann und wo? belege

> http://www.hamburg1.de/hh1/nachrichten_article.html?nachrichten/2007/09/18/749900000

> was haben jetzt flüchlinge mit noch mehr einhimischer kriminalität zu tun?
Siehe oben.



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Quote10. November 2007 12:56
Nazis spammen mal wieder das Forum zu
martin-2 (mehr als 1000 Beiträge seit 02.04.03)

Wie üblich beim Thema kriechen wieder die üblichen Nazis aus ihren
Ecken hervor und spammen manisch das Forum mit ihren Märchen um
"kriminelle Ausländer" und "der Neger will nur das deutsche Geld" zu.
Irgendwie gibt sich der braune Dreck aber auch ziemlich die Blöße:
man merkt den Beiträgen an, daß die Hetze gegen Nichteuropäer und die
Freude über 10.000 Tote etwas mit ihren eigenen
MInderwertigkeitskomplexen zu tun, die sie so kompensieren wollen.
Und da sie auf der Straße konsequent von Antifas zurückgeschlagen
werden, müssen sie sich nun in irgendwelche Internetforen
verkriechen, die wahrscheinlich niemand außer sie selbst wahrnehmen.





Quote11. November 2007 1:06
Jetzt sind also die Tomaten schuld!
muma (113 Beiträge seit 05.04.06)

Herr Bierdel bemerkt, dass der Export der (von meinen Steuergeldern)
subventionierten Tomaten in den Senegal schuld an dessen
landwirtschaftlichem Niedergang ist - nun ja- Für mich ist der Export
unseres Nahrungsüberschusses nichts anderes, als das, was man in
meiner Kindheit immer postuliert hat: Statt Nahrungsmittel im großen
Maßstab zu vernichten, sollte man sie doch lieber den hungernden
Menschen nach Afrika schicken! Oder anders gefragt, wenn die
heimische Landwirtschaft seither funktioniert hat, warum gab es dann
dort schon Hungersnöte, seit ich denken kann?
Die Subventionspolitik kann ich sehr wohl als europäisches und damit
eigenes Problem erkennen, aber warum ich mich damit gegenüber Afrika
schuldig machen soll, das hängt mir ehrlich gesagt zu hoch.
Übrigens, in Deutschland hat sich die Anzahl der Menschen, die von
Landwirtschaft und Fischerei leben können, in den letzten 50 Jahren
auch von 30% auf 3% reduziert!

Ach ja und dann noch zu den Einfuhrzöllen: Wenn afrikanische Länder
so hohe Einfuhrzölle auf Sachspenden draufschlagen können, dass sich
die Spender zu Geldspenden entschlossen haben (Erfahrungsberichte
persönlicher Bekannter und ebenfalls intimer Afrika-Kennerinnen)
warum können sie dann nicht auch Schutzzölle auf Lebensmittelimporte
erheben?
muma

Quote11. November 2007 6:31
Also
linus22 (mehr als 1000 Beiträge seit 23.07.01)


du darfst durchaus davon ausgehen das diejenigen welche die Regeln
bestimmen auch immer dafür sorgen das sie gewinnen.

Und die Regeln bestimmen die mit der größeren Macht. Und wieso das
nicht die Afrikaner sind - da kommst du vielleicht noch selber drauf.


Quote11. November 2007 1:16
Beschämend...
Lindows Insider (mehr als 1000 Beiträge seit 14.08.02)

...wie eine Mehrheit hier im Forum versucht, durch Herumkritteln an
fehlenden Links zu konkreten Beweisen für bestimmte Aussagen o.ä. die
Kernaussage des Artikels zu negieren: Dass sich Europa im Recht
glaubt, seinen - im Moment noch - vorhandenen Wohlstandsvorsprung
gegenüber anderen Regionen, Menschen aus diesen anderen Regionen
gegenüber, die daran teilhaben wollen, mit (Waffen)Gewalt verteidigen
zu dürfen.
Dabei könnte es in naher Zukunft schon anders herum laufen. Wie lange
noch die Schweiz und Norwegen z.B. zusehen werden, wie u.a. Deutsche
einwandern und Arbeitsplätze in Anspruch nehmen, wird sehr
interessant sein, abzuwarten.
Und wenn China und andere Regionen der Welt mit ihrer Dynamik Europa
hinter sich lassen, könnte es sein, dass irgendwann Deutsche
versuchen, von irgendwoher in das neue "gelobte Land" zu gelangen.
Wenn dann die dortigen Grenzschützer ähnlich vorgehen, wie heute die
europäischen, wird es ebenfalls interessant sein, zu beobachten, wie
die Öffentlichkeit im - dann verarmten - Deutschland zum Thema
"Rechte von Flüchtlingen" steht.
Auf diesem Planeten gibt es nur eine Art Menschen - den Homo sapiens.
Und niemand kann vernünftig begründen, weshalb ein Individuum dieser
Art nicht an dem Ort auf dieser Welt leben dürfen soll, den es für
den besten hält.
Die DDR z.B., die ihren Bürgern diese Wahl verweigert hat, ist daran
zugrunde gegangen. Nur - die Freizügigkeit, die wir gern als hohes
Gut ansehen, hat zwei Seiten: Ich muss einem Menschen nicht nur
erlauben, ein Land zu verlassen, wenn er das wünscht, sondern ich
muss es ihm auch erlauben, in ein Land einzureisen/einzuwandern, wenn
er es wünscht. Sonst ist das ganze Gerede von Freiheit und
Menschenrechten nur leeres Gefasel...

Gute Nacht.

LI

Quote11. November 2007 2:08
re:
Punani (453 Beiträge seit 21.08.05)

Lindows Insider schrieb am 11. November 2007 1:16

> Auf diesem Planeten gibt es nur eine Art Menschen - den Homo sapiens.
> Und niemand kann vernünftig begründen, weshalb ein Individuum dieser
> Art nicht an dem Ort auf dieser Welt leben dürfen soll, den es für
> den besten hält.

ich möchte ab jetzt in deinem vorgarten dauercampen! :P


Quote1. November 2007 4:28
Leider sind diese Worte Perlen vor die Säue
martin-2 (mehr als 1000 Beiträge seit 02.04.03)

Rassismus kommt aus dem Bauch. Da kann man argumentieren soviel man
will. Die Argumente kommen im Kopf gar nicht erst an.








Quote11. November 2007 12:06
das Boot is voll !!
ProSCOre (216 Beiträge seit 25.10.05)

Klares nein zur EU Erweiterung und Asylanteneinwanderung!

Afrika den Afrikaneren und nichts anderes.


Quote10. November 2007 15:14
Was ist denn hier schon wieder los?
David Bowman (703 Beiträge seit 01.03.07)

Diese Themen rufen aber auch immer dieselben Gestalten auf den Plan.


Quote10. November 2007 16:38
Mir scheint
OmniBus56 (876 Beiträge seit 24.01.02)

es gibt hier eine Menge Leute, die Angst haben, die Immigranten
wollten ihnen ihren Manta wegnehmen und die Zuwanderung würde die
Europäer zu einem "Volk ohne Raum" machen.

Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen sich zwar halbwegs
verständlich der deutschen Sprache bedienen können, aber offenbar
geistig auf den Niveau 3-jähriger stehen geblieben sind. Ihnen ist
nie klar geworden, dass es auch Dinge gibt, die sie nicht sehen.


Aus: "Die militärische Abschottung Europas" Von Gerrit Wustmann (TP, 10.11.2007)
Interview mit dem Menschenrechtler Elias Bierdel, der zusammen mit Pro Asyl dokumentierte, wie die EU geltendes Völkerrecht missachtet
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26583/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26583/1.html)

-.-


"Die Toten, die niemand sehen will" - Von Gerrit Wustmann (TP, 29.07.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25736/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25736/1.html)


-.-

"Griechenland: schwere Menschenrechtsverletzungen" - Zurückweisung von Flüchtlingen auf See, systematische Misshandlungen und unmenschliche Haftbedingungen - PRO ASYL und griechische Anwaltsvereinigung dokumentieren schwere Menschenrechtsverletzungen in Griechenland.
http://www.proasyl.de/de/index.html#c4272 (http://www.proasyl.de/de/index.html#c4272)


-.-


borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
Rudolf-Breitscheid-Str. 164, D-14482 Potsdam
http://www.borderline-europe.de/ (http://www.borderline-europe.de/)


Title: [10 Fingerabdrücke von Einreisenden aus Drittstaaten... (Notiz, EU)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 22, 2007, 09:39:30 AM
Quote[...] Die EU will von Personen, die ein Visum beantragen, ein Foto und die Abnahme der Fingerabdrücke der 10 Finger verlangen. Strittig ist, ab welchem Alter dies auch für Kinder gelten soll. Der Europäische Rat beabsichtigt, bei Kindern über sechs Jahren auch Fingerabdrücke zu verlangen, wenn sie in den Schengenraum einreisen wollen. Nach dem Prinzip "Eine Person – ein Pass" sollten Kinder nicht mehr nur auf dem Pass der Eltern eingetragen sein, weil so von ihnen keine biometrischen Daten vorhanden wären.

Der Bürgerrechtsausschuss des EU-Parlaments hat zwar zugestimmt, dass Personen, die ein Visa für die EU beantragen, ein Foto und die 10 Fingerabdrücke abgeben müssen, will aber Kinder, die jünger als 12 Jahre sind, davon ausnehmen. Sie müssten keine Fingerabdrücke geben und können Bilder einschicken, ohne selbst im Konsulat zu erscheinen. Schärfer geregelt werden soll auch die Beauftragung von Firmen zur Erhebung der biometrischen Daten, um die Sicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten. (fr/Telepolis)

Quote22. November 2007 9:19
"Drittstaaten"
Kai Lahmann, Kai Lahmann (mehr als 1000 Beiträge seit 06.01.00)

...Sind in diesem Kontext Staaten, die weder Mitglied der EU sind,
noch mit dieser ein Visa-Abkommen haben. Denn aus diversen
nicht-EU-Ländern braucht man keines.


Quote22. November 2007 8:50
EU schlimmer als die USA
rosi76 (221 Beiträge seit 11.02.03)

Bei der Einreise in die USA muss man nur die Abdrücke von zwei
Fingern abgeben. Das kommt mir langsam vor wie ein Wettstreit von
Paranoiden, wer paranoider ist.

Quote22. November 2007 9:02
Re: EU schlimmer als die USA
Richard1, Kufonkiel@aol.com (88 Beiträge seit 07.01.03)

ich vermisse das logische denken unter euch allen, die hier
schreiben. da müssten nicht nur die fingerabdrücke, sondern
gleichzeitig die iris, sowie der genetische code vermittelt werden,
ausser der äusserlichen erscheinung, die verändert werden kann.

verdammt, wovor habt ihr denn angst? habt ihr angst davor, vor
verbrecher geschützt zu werden? ich bin dafür, jedem menschen hier
auf dieser erde von der geburt an seinen individuellen und nicht
fälschbaren pass zu verpassen, der ihn für sein gesamtes leben
begleitet. er soll pass, zahlungsmittel und ausweis sein.

alle diejenigen, diesich gegen diese idee aussprechen, die
begreifeneinfach nicht, welche vorteile das bringt , oder haben
selbst DRECK am stecken. so sehe ich das.

und all die bedenken, die ich bisher vernehmen durfte - das sind ne
ganze menge - die sind schlichtweg haltlos und zudem aufgebauscht von
der mafia, oder sonstigen zwielichtigen gestalten, die zudem auch
meist noch in schlüsselpositionen sitzen, dreck am stecken haben und
damit verhindern wollen, dass sie entlarvt werden.

ich weiss, das ist jetzt wieder sehr unangenehm für diejenigen, die
dagegen sind, das aber geht mir am *A...* vorbei. richard


Quote22. November 2007 9:11
Ich schäme mich!
SV 650 (139 Beiträge seit 22.11.04)

...da ich auch zur EU gehöre und wir jetzt auch schon so anmassend
wie die USA sind.

Irgendwie geht alles in eine falsche Richtung, sind denn alle nur
noch verrückt?
Es kann doch nicht alles an einem verbitterten Wolfgang liegen....
(Für den GröFaZ sollte er eiegtnlich seinen Hut nehmen, aber nein, er
entschuldigt sich nichtmal!)

Gruß
Anreas

Quote22. November 2007 8:39
Ich verstehe die Logik dahinter nicht.
Nebumuk (mehr als 1000 Beiträge seit 09.03.06)

Wofür sind die Fingerabdrücke eigentlich zu wichtig für die Behörden.
Die Terroristen sind doch meistens Schläfer, die jahrelang in ihrem
Land arbeitet, konsumieren, usw. Plötzlich werden sie aktiv und
schreiten zur Tat.

Was sollen da die Fingerabdrücke daran ändern ?

Quote22. November 2007 8:42
die gleiche logik
mpeg42 (mehr als 1000 Beiträge seit 23.08.02)

mit der ueberwachungskameras installiert werden um die toten
selbsmordattentaeter spaeter zu identifizieren.

...


Quote22. November 2007 8:43
Re: Ich verstehe die Logik dahinter nicht.
asi_dkn (40 Beiträge seit 24.01.06)

Eine Theorie könnte sein, das wenn sich die in einem Bahnhof in die
Luft jagen, dann dürfen Sie nachher nicht mehr in die USA
einreisen... als Beispiel...


Quote22. November 2007 8:47
Re: Ich verstehe die Logik dahinter nicht.
René Riech, René Riech (538 Beiträge seit 19.11.00)

Nebumuk schrieb am 22. November 2007 8:39

> Wofür sind die Fingerabdrücke eigentlich zu wichtig für die Behörden.
> Die Terroristen sind doch meistens Schläfer, die jahrelang in ihrem
> Land arbeitet, konsumieren, usw. Plötzlich werden sie aktiv und
> schreiten zur Tat.
>
> Was sollen da die Fingerabdrücke daran ändern ?

Vermutlich kommt Schäuble demnächst mit einen "Handbuch der
Fingerabdrucklehre zur Klassifizierung der terroristischen
Veranlagung" daher und behauptet, daß es bei Terroristen "gaaaanz
doll" erkennbare Muster gäbe. Und nur so könne man Deutschland sicher
machen und er will das unbedingt und ein Verzögern brächte nur Tod
und Verderben, Cholera, Pest und Pocken über Deutschland...

Irgendwie so halt ;)

René

Quote22. November 2007 8:53
vermutlich gehts um das Verleihen von Pässen
con troll er (633 Beiträge seit 26.05.04)

und weniger um terror-abwehr.

Wenn in einen non-EU-Pass eine Aufenthaltserlaubnis
oder ein Visum
eingetragen ist, wird ein solcher Pass zur
mobilen Einreisegenehmigung für jedes Kind, das
damit ins Schengen-Gebiet einreist und dem
Foto im Pass aehnlich aussieht.

Das Alter von sechs soll in etwa die Grenze ziehen,
ab der ein Finger so ausgewachsen ist,
dass ein Fingerabdruck-Abgleich auch Sinn macht.

Der Fingerabdruck eines 3Jaehrigen waere aufgrund seines
Fingerwachstums nach kurzer Zeit zur Identitaetspruefung
nicht mehr geeignet.





Aus: "EU will Fingerabdrücke von Einreisenden aus Drittstaaten ab sechs Jahren" (22.11.2007)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/99382 (http://www.heise.de/newsticker/meldung/99382)

Title: [Mindestens 30 Bootsflüchtlinge in der Ägäis... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 23, 2007, 10:21:41 PM
Quote[...] Athen. dpa/baz. Vor der griechischen Insel Lesbos wurden am Sonntag mindestens 30 illegale Einwanderer vermisst. Ihr Boot war am Morgen bei dem Versuch gekentert, die Meerenge zwischen der Türkei und Lesbos zu durchqueren.

Die griechische Küstenwache konnte einen Menschen aus den Fluten retten und eine Leiche bergen. Wie der Überlebende den Behörden sagte, war das Boot mit etwa 30 Menschen an Bord rund zwei Kilometer vor der Küste von Lesbos im starken Seegang gekentert.

Die Küstenwache setzte am Sonntagnachmittag die Suchaktion fort. Wie der griechische Rundfunk weiter berichtete, sind am Sonntag vor Lesbos 33 weitere Bootsflüchtlinge aufgegriffen worden.


Aus: "Mindestens 30 Bootsflüchtlinge in der Ägäis vermisst" (baz.ch, 23.12.07)
Quelle: http://www.baz.ch/news/index.cfm?keyID=D9D08A04-1208-4059-9E63E3737491F484&startpage=1&ObjectID=0734CA3E-1422-0CEF-7021A8DB7BAA9507 (http://www.baz.ch/news/index.cfm?keyID=D9D08A04-1208-4059-9E63E3737491F484&startpage=1&ObjectID=0734CA3E-1422-0CEF-7021A8DB7BAA9507)



Title: [Nicht aufenthaltsberechtige Person... (Recht des Bodens, Sprachregelungen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 06, 2008, 12:52:48 PM
Quote[...] Ius Soli (auch ius soli, Jus Soli, lat. Recht des Bodens), bezeichnet das Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an alle Kinder verleiht, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden. Es knüpft die Rechtsfolgen an ein leicht verifizierbares Ereignis an. Das Ius Soli ist in seiner Reinform streng, formal und einfach. Es wird auch als ,,Territorialprinzip" bezeichnet.

Das Abstammungsprinzip (Ius Sanguinis) ist ein anderes, meist parallel geltendes Prinzip des Staatsbürgerschaftserwerbs und an die Staatsbürgerschaft der Eltern gebunden.

[...] Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland ausschließlich das Ius Soli praktiziert. Von 1913 bis 2000 galt das Ius Sanguinis. Ab dem 1. Januar 2000 wurde auch ein Element des Ius Soli in das Staatsangehörigkeitsrecht eingeführt. Die Anforderungen an den Geburtserwerb sind jedoch sehr hoch und es handelt sich um das sog. ,,Optionsmodell", bei dem bis zur Volljährigkeit eine doppelte Staatsbürgerschaft besteht und sich die Person dann in der Regel bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden muss.


http://de.wikipedia.org/wiki/Ius_soli (http://de.wikipedia.org/wiki/Ius_soli) (01/2008)

-.-

Quote[...] Staatsangehörigkeit ist die rechtliche Zugehörigkeit einer natürlichen Person zu einem Staat.

[...] Die deutsche Staatsangehörigkeit ist die rechtliche Mitgliedschaft einer natürlichen Person zum Staat Bundesrepublik Deutschland. Wer Deutscher ist, regelt Art. 116 Abs. 1 GG. Deutsche Staatsangehörigkeit ist demnach weder mit der Eigenschaft als Deutscher noch mit einem ethnischen Begriff identisch.

Die deutsche Staatsangehörigkeit erfasst natürliche Personen. Regeln, die an die Staatsbürgerschaft anknüpfen, werden aber sowohl innerstaatlich als auch im Internationalen Recht entsprechend auf juristische Personen mit Sitz in Deutschland angewandt.

Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft sind im deutschen Recht synonym.

Gleichzeitig ist die Staatsbürgerschaft individuelle Ausprägung des staatskonstitutiven Elements Staatsvolk, wonach ein Staat nur dann und nur so lange völkerrechtlich anerkannt wird, als er neben Staatsgebiet und Staatsgewalt über Staatsvolk verfügt (vgl. Dreielementelehre).


Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Staatsangeh%C3%B6rigkeit (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Staatsangeh%C3%B6rigkeit) (01/2008)


-.-

Die Duldung ist nach der Definition des deutschen Aufenthaltsrechts eine "vorübergehende Aussetzung der Abschiebung" von ausreisepflichtigen Ausländern, und stellt damit keinen Aufenthaltstitel dar.
http://de.wikipedia.org/wiki/Duldung_%28Aufenthaltsrecht%29 (http://de.wikipedia.org/wiki/Duldung_%28Aufenthaltsrecht%29)

-.-

Aufenthaltsstatus
http://de.wikipedia.org/wiki/Aufenthaltsstatus (http://de.wikipedia.org/wiki/Aufenthaltsstatus)

-.-

Abschiebung (Recht):
http://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebung_%28Recht%29 (http://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebung_%28Recht%29)

-.-

Abschiebehaft, Abschiebungshaft oder Schubhaft (Österreich) ist ein Begriff aus dem Ausländerrecht. Es handelt sich um Freiheitsentzug, der in festgelegten Situationen in Zusammenhang mit einer Abschiebung vorübergehend über eine nicht aufenthaltsberechtige Person verhängt werden kann.
http://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebehaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebehaft)

-.-

Das Ausländerrecht ist ein Teil des Sonderordnungsrechts, das im Kern die Einreise und den Aufenthalt von Menschen regelt, die nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besitzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ausl%C3%A4nderrecht (http://de.wikipedia.org/wiki/Ausl%C3%A4nderrecht)

-.-


Quote[...] Härte mit System – Wie Deutschland abschiebt ist ein WDR-Dokumentarfilm von Birand Bingül, Pagonis Pagonakis und Jutta Pinzler aus dem Jahre 2006 über die Abschiebe-Praxis deutscher Behörden.

Die Dokumentation zeigt aktuelle Fälle von Abschiebungen aus Deutschland, bei denen – entgegen der bisherigen Praxis – der Abschiebetermin nicht angekündigt wurde. Die Autoren des Films gehen den Gründen dafür nach und erklären das insgesamt verschärfte Verfahren aus dem komplexen Prozess einer Abschiebung, in deren Verlauf es zu Arbeits- und Kostendruck für die beteiligten Mitarbeiter – von der Justiz bis zum Flugzeugpiloten – kommt. Um diesen Druck zu mildern, seien die Behörden offenbar verstärkt zu nichtangekündeten Abschiebungen übergegangen, die eine besondere Härte für die betroffenen Flüchtlingsfamilien darstellten.

Der Film zeigt die aktuelle Abschiebepraxis nicht nur aus Sicht der Betroffenen – hier anhand des Einzelfalls der Familie L. –, sondern auch aus Sicht des gesellschaftlichen Umfelds und der beteiligten Behörden. Er bezieht finanzielle und wirtschaftliche Überlegungen als mögliche Motive für deren Vorgehen mit ein. Er schildert im einzelnen:

    * den Ablauf und die Organisation von Abschiebungen
    * Beispiele von ,,stillen" und nächtlichen Abschiebungen
    * die Reaktionen von Nachbarn darauf
    * die Situationen der Abgeschobenen und die Folgen für ihre Angehörigen
    * den Sprachgebrauch der Behörden.

Er kommt zu dem Ergebnis, es gäbe heute eine gewisse Häufung (,,Konjunktur") von Abschiebungen, die – z.B. bei Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien – auch Menschen betreffe, denen gegenüber Jahre lang öffentlichkeitswirksam eine Integrations- und Duldungspolitik praktiziert worden sei und die nun ohne größere Öffentlichkeit routinemäßig außer Landes gebracht würden.

Die Dokumentation stellt diese Einzelfälle vor, ohne statistische Daten über die Häufigkeit der geschilderten Vorkommnisse zu erheben. In welchem Ausmaß in Bezug auf die Gesamtzahl der Abschiebungen die geschilderten Probleme auftreten, bleibt offen. So wird über den Fall einer tamilischen Familie mit einem schwer geistig behinderten Kind aus dem sauerländischen Meschede berichtet, die im August 2005 in einer nächtlichen Aktion nach Sri Lanka abgeschoben wurde. Diese Familie lebte seit über zehn Jahre in Deutschland. Interviewt wird eine Nachbarin, die sich durch das Verhalten der Behörden an ihrer eigenen Vergangenheit erinnert fühlte: "Haben wir wieder Hitlerzeit?"

Berichtet wird über beteiligte Firmen wie LTU und Lufthansa und den unterschiedlichen Umgang der Flugkapitäne mit der Abschiebung. So im Februar 2005: Der Film zeigt die Proteste in einem Flughafen gegen den Abschiebungsversuch von Zahra Kameli in den Iran. Frau Kameli droht im Iran die Steinigung wegen Ehebruch. Der Film zeigt Szenen einer Steinigung. Im Terminal fordern Freunde und Demonstranten ein Bleiberecht. Polizeibeamte räumen daraufhin das Terminal, um einen ungestörten Abschiebevorgang sicherzustellen. Es gibt ,,Aufregung" beim Boarding. Der Lufthansapilot bricht daraufhin den Flug ab. Frau Kameli, so berichtet der Film, wird später als ,,Härtefall" anerkannt. Sie bekommt Asyl und wird nicht mehr abgeschoben. Anders verlaufen laut dem Film Abschiebungen an dafür gesondert eingerichteten Terminals, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt habe. Der Film nennt hier das Gate F. des Düsseldorfer Flughafens.

Neben der Situation von traumatisierten Menschen und dem Umgang der Behörden mit entsprechenden medizinischen Gutachten, berichtet der Film besonders über den Zusammenhang von Kosten für die gemieteten Flugzeuge und den unangekündigten Abschiebungen. Ein Mitarbeiter einer Abschiebebehörde berichtet, es gehe dabei darum, Stornierungsgebühren zu sparen. Behörden, die Betroffenen einen Termin für die Abschiebung mitteilen, müssten sich Kritik unter anderem vom Bundesgrenzschutz gefallen lassen, da die Familien, vor diese Situation gestellt, vermehrt Folgeanträge stellten und sich somit der Kostenaufwand für die Abschiebung erhöhe.

Reaktionen:
Die linksliberale deutsche Tageszeitung Frankfurter Rundschau titelt eine Besprechung des Films mit dem Zitat einer Nachbarin, die Zeugin einer nächtlichen Abschiebung wurde: ,,Haben wir wieder Hitlerzeit?" Der Film biete einen neuen Beitrag zur Frage, ob die Gesetze, die die Abschiebung regeln, und ihre Ausführung in Ordnung sind.

Weiter schreibt die Frankfurter Rundschau zu dem Film: ,,In dieser WDR-Dokumentation über die deutsche Abschiebepraxis wird nicht bedächtig das Für und Wider erörtert. Die Autoren [...] machen von Anfang an klar, dass sie den staatlichen Umgang mit diesen Menschen für einen Skandal halten." Danach ließe sich der Film im den Bereich des Meinungsjournalismus einordnen. Volker Mazassek ist allerdings der Meinung, dass Journalismus die Aufgabe habe, die Funktionalität eines Rechtsstaates zu befragen: ,,Von interessierter Seite wird der engagierte Beitrag sicherlich als Kampagnen-Journalismus abgetan, weil die Behörden nur täten, wozu sie nach Recht und Gesetz verpflichtet seien. Aber dieses Argument ist banal. Man kann ja mal fragen, ob diese Gesetze und ihre Ausführung in Ordnung sind."

Daten:
    * Titel: Härte mit System – Wie Deutschland abschiebt
    * Filmlänge: 30 Minuten
    * Produktion: WDR, 2006
    * Autoren: Birand Bingül, Pagonis Pagonakis und Jutta Pinzler
    * Mitarbeit: Marta Mojkowska, Maraike Wenzel
    * Kamera: Christoph Berg, Norbert Kinzel, Werner von Mayer-Myrtenhain
    * Montage: Martina Pille, Susanne Schweinheim
    * Aufnahmeleitung: Sabine Berge, Bettina Stein
    * Produktionsleitung: Bettina Kapune
    * Redaktion: Tibet Sinha
    * Erstausstrahlung: 11. Mai 2006
    * Pressetexte: Adolf-Grimme-Institut



Aus: "Härte mit System – Wie Deutschland abschiebt" (01/2008)
http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4rte_mit_System_%E2%80%93_Wie_Deutschland_abschiebt (http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4rte_mit_System_%E2%80%93_Wie_Deutschland_abschiebt)

-.-

Quote[...]  Donnerstag, 11. Mai 2006, Reportage (23.15 - 23.45 Uhr, WDR Fernsehen)

Härte mit System - Wie Deutschland abschiebt

Flüchtlingsgruppen kritisieren eine schärfer werdende Abschiebepraxis. Gerade auf Familien, die oft schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, üben die Ausländerbehörden momentan großen Druck aus - nach Recht und Gesetz. Für viele Kinder von Flüchtlingen jedoch macht das die Lebenssituation unerträglich.

Es geschieht lautlos, von der Öffentlichkeit unbemerkt und fast täglich: Abschiebungen per Flugzeug. Neben Frankfurt hat sich insbesondere der Düsseldorfer Flughafen zum Drehkreuz für Abschiebungen entwickelt. Aus ganz Deutschland bringen die Ausländerbehörden die so genannten Abschüblinge hierher.

Die Öffentlichkeit wird selten Zeuge von Flugabschiebungen; höchstens wenn eine Abschiebung mal platzt. So wie im Jahr 2004, als ein Lufthansa-Pilot den Abschiebeflug von Zahra Kameli in den Iran abbrach, wo ihr die Steinigung drohte. Bei "erkennbarem Widerstand", so die Lufthansa-Führung, dürfen die Piloten so entscheiden. Andere leisten sich nicht soviel Moral. Es gibt Fluggesellschaften, die in die Bresche gesprungen sind: Chartergesellschaften nämlich, die sich auf Abschiebungen spezialisiert haben. Sie erledigen selbst heikelste Ausreisen verlässlich, ohne zu fragen - und fernab der Öffentlichkeit. Und regelrechte "Abschiebeärzte" schreiben selbst schwerst Kranke "reisetauglich". Keine schrecklichen Bilder, keine hässlichen Schlagzeilen. Denn die Behörden spielen mit, stürmen nachts die Wohnungen der "Abschüblinge", führen sie nicht selten in Hand- und Fußschellen ab.

Sammelabschiebungen per Charter sparen auch noch Geld. Das scheint den EU-Innenministern zu gefallen. Sie verfolgen schon länger eine rigorose Abschiebungspolitik. Für 2005 und 2006 haben sie mehrere Millionen Euro bereitgestellt für Massenabschiebungen per "Eurocharter". Kritiker wie die Europaparlamentarierin Jean Lambert warnen: "Was wir sehen, ist ein Spiegelbild der Entmenschlichung von Leuten, die Asyl suchen oder Einwanderer ohne Papiere sind."

Film von Birand Bingül, Pagonis Pagonakis, Jutta Pinzler 



Quelle: http://www.lernzeit.de/sendung.phtml?detail=719326&WDH=TerminVon&thema=Wirtschaft%20&%20Recht&rub=programmtipps&PHPSESSID=0dcab533704a8afee650e451d20b72dc (http://www.lernzeit.de/sendung.phtml?detail=719326&WDH=TerminVon&thema=Wirtschaft%20&%20Recht&rub=programmtipps&PHPSESSID=0dcab533704a8afee650e451d20b72dc)

Title: [Im Lager Pavshino... (Notiz, Transkarpatien)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2008, 12:02:54 PM
Quote[...] Pavscino (sometimes transliterated from Cyrillic as Pawschino or Pavschino) is the site of a "Temporary Detention Centre" for refugees in Transcarpathia, Ukraine not far from Mukachevo.

The site is a former military base which housed RSD-10 Pioneer (SS-20) missiles allegedly aimed at targets in Belgium. It is now managed by Military Unit 2142 of the State Border Guard Service of Ukraine. In 2002 it was turned it a detention centre.

...


http://en.wikipedia.org/wiki/Pavschino (http://en.wikipedia.org/wiki/Pavschino) (02/2008)



-.-


Quote[...] Sie kommen aus dem Irak, Afghanistan, Somalia, China, Bangladesh, getragen von der Hoffnung auf ein besseres Leben, und scheitern an den Mauern der Festung Europa. In den Anhaltezentren der Westukraine werden ihre Träume in Trümmer geschlagen.

Transkarpatien wird die ukrainische Grenzregion zur Slowakei und zu Ungarn genannt. Mit der Erweiterung der Europäischen Union um die Nachbarstaaten im Mai 2004 und der Erweiterung des Schengen-Raumes Ende Dezember 2007 wurde die Ukraine vom "geeinten Europa" abgeriegelt. Transkarpatien wurde zum Auffangbecken für jene, die die EU nicht haben will, zum Schwemmland für Migranten aus aller Herren Länder.

"Seit wir hier sind, kennen wir nichts anderes als das Gefängnis. Wir flohen vor dem Krieg - und landeten im Gefängnis," sagt ein somalischer Flüchtling im Anhaltezentrum Pavshino. Viele Migranten sind schon seit rund einem halben Jahr hier, obwohl die Entscheidung über eine Aufnahme in das Asylverfahren von den Behörden innerhalb von zwei Monaten gefällt werden soll. Einige der in Pavshino Festgesetzten sind deshalb in den Hungerstreik getreten. Seit fünf Tagen haben sie nicht gegessen; lethargisch liegen sie auf den schmalen Stockbetten.

Im Lager Pavshino, mitten in waldigem Sumpfgebiet, sind bis zu 400 Männer untergebracht. Ihr Quartier ist eine ehemalige Kaserne, wo sie zu Dutzenden in schimmligen Räumen schlafen. Bis vor einiger Zeit gab es nicht einmal Toilette-Anlagen, die Duschen führten nur kaltes Wasser und befanden sich im Freien - während der ukrainischen Winter mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt völlig untragbar. Wenn es regnete, versanken die Flüchtlinge im Schlamm. Mittlerweile verfügt das Anhaltezentrum Pavshino über Warmwasserduschen im Haus, einen Speisesaal, einen Aufenthalts- und einen Gebetesraum, auch über ein WC außerhalb des Hauses, das allerdings nicht immer funktioniert. Das sumpfige Terrain wurde weitgehend trockengelegt. Die Verbesserungen wurden dank Organisationen wie der Caritas durchgeführt. Zufriedenstellend sind die Lebensbedingungen nach wie vor nicht. "Sie halten uns wie Tiere", sagt ein junger Afghane.

Die Ukraine verfügt über kein System zur ausreichenden Versorgung der Migranten. Die Caritas und andere NGOs liefern Trinkwasser, Nahrung, Hygieneartikel, Bekleidung und Medikamente in die Anhaltezentren. Sofern es gestattet ist, bieten sie auch rechtliche Beratung zum Thema Asyl. Wird eine Person in das Asylverfahren aufgenommen, kann er das Lager im Normalfall verlassen. Allerdings erhält er vom ukrainischen Staat keinerlei Unterstützung während der Dauer des Verfahrens,  und das können Monate bis Jahre sein. Ein anerkannter Flüchtling bekommt als Startkapital eine Einmalzahlung von 17 Hrywnja, umgerechnet 2 Euro 30 Cents.

Wer in der Ukraine strandet, wird mit größter Wahrscheinlichkeit in sein Herkunftsland abgeschoben. "Wir hören natürlich jeden einzelnen Asylwerber an, allerdings handelt es sich hauptsächlich um Wirtschaftsmigranten und hier arbeiten wir auf ein negatives Resultat hin," erklärt Mykola Towt, Chef des Amtes für Migration der Region Transkarpatien. In Transkarpatien werden 50 Prozent aller Asylanträge landesweit gestellt. Im Jahr 2007 waren es 1.186 Anträge, von diesen wurde kein einziger positiv beantwortet.

Die Ukraine ist mit der Flut der Migranten, die in die EU drängen, überfordert. Es fehlt nicht nur an Mitteln zu deren Verpflegung, es fehlt an Personal und vor allem an Dolmetschern. "Die Ukraine ist ein Pufferzone für die Europäische Union", befindet der stellvertretende Kommandant des Anhaltelagers Pavshino, Andriy Dovganyuk. Die Ukraine erledige die Arbeit der EU. Die Europäische Union hat mit der Republik Ukraine ein Rückübernahmeabkommen geschlossen: Demzufolge ist die Ukraine verpflichtet, eigene Staatsangehörige, die in Mitgliedsländern der EU aufgegriffen werden, wieder aufzunehmen. Die Ukraine ist weiters dazu angehalten, Personen aus Drittstaaten oder Staatenlose, die über die Ukraine illegal in die EU eingereist sind, zu übernehmen - gleich, ob sie sich in der Ukraine legal oder illegal aufhielten. Diese Praxis ist für die Flüchtlinge unverständlich. Ein Bangladeshi: "Ich frage die Europäische Union: Wenn wir in ein EU-Land reisen, warum deportieren sie uns dann in die Ukraine? Wir haben doch das Recht, in ein anderes Land zu gehen, in Frieden zu leben!"

Es sind zum Großteil junge Männer, die im ukrainischen Anhaltezentrum Pavshino, unmittelbar vor der Grenze der EU, gefangen sind. Söhne, deren Familien, Verwandtschaft, Dorfgemeinschaft zusammengespart hat, damit sie ins gelobte Europa ziehen und von dort die Zurückgebliebenen materiell und finanziell unterstützen. In unerschütterlichem Glauben preisen die Flüchtlinge Europa als Ort des Friedens, der Freiheit, als Bastion der Menschenrechte und halten hartnäckig daran fest, dass dieses Europa ihnen beistehen wird. "Wir ersuchen Österreich und alle Staaten der EU, uns zu helfen", bittet Hassan aus Somalia, "wir haben nicht einmal das Nötigste, wir haben nichts. Wir bitten die Staaten der EU, uns aufzunehmen, damit wir ein gutes Leben haben, eine gute Zukunft, und eine gute Ausbildung bekommen. Helfen Sie uns. Vielen Dank!" Er bittet vergebens. Denn das Europa, das sie beflehen, ist dasselbe, das sie in die Kerker vor seinen Toren sperrt.

...

(mf)


Aus: "Der lange Schatten der EU" (Die Erzdiözese Wien, 2008)
Quelle: http://stephanscom.at/news/0/articles/2008/02/22/a14293/ (http://stephanscom.at/news/0/articles/2008/02/22/a14293/)

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http://de.wikipedia.org/wiki/Transkarpatien (http://de.wikipedia.org/wiki/Transkarpatien)


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Quote[...] Ein Brennpunkt der Mi-gration ist Transkarpatien jedenfalls im doppelten Sinne: Herkunftsregion Zehntausender ukrainischer Wanderarbeiter und Transitstation für zahllose Flüchtlinge und MigrantInnen aus Ländern des globalen Südens.

Das Gefälle ist unübersehbar

Sichtbare Zeichen massiver Armut finden sich zwar auch in den östlichen Regionen Ungarns, doch hinter dem Grenzübergang in die Ukraine geht es eindeutig nochmal eine ziemliche Stufe runter. Der Zustand der meisten Häuser oder die Kleidung vieler Menschen läßt ahnen, dass das monatliche Durchschnittseinkommen häufig keine 70, selten 120 Euro und manchmal 150 Euro übersteigt. Letzteres verdienen vielleicht diejenigen, die einen Arbeitsplatz in der (noch?) spärlichen Maquiladora3 gefunden haben: im Skoda/VW-Werk direkt hinter der Grenze in Tschop, oder einige Kilometer weiter am Stadteingang zu Ushgorod beim japanisch-amerikanischen Autozulieferer Yazaki. Diese verlängerten Werkbänke erscheinen als Ausläufer der in den letzten Jahren zunehmend nach Osteuropa4 verlagerten Automobilproduktion.

Hier in Transkarpatien, also kurz hinter der EU-Grenze, hoffen einige global Player offensichtlich auf ein längerfristiges Niedriglohnparadies, und zweifellos hat der Spruch Geltung: «Es ist schlimm, von einem transnationalen Konzern ausgebeutet zu werden, aber es ist (oft) schlimmer, nicht von einem solchen Konzern ausgebeutet zu werden».

Denn die Menschen der Region haben wenig Alternativen: Schon zu Zeiten der Sowjetunion gab es wenig Industrie, die landwirtschaftlichen Möglichkeiten sind durch die Karpaten begrenzt, Tourismus ist noch wenig entwickelt. Viele haben keine andere Wahl als sich durchzuschlagen mit Kleinhandel oder Benzinschmuggel, wovon die langen Autoschlangen am Grenzkontrollpunkt nach Ungarn zeugen, wo das Benzin um einiges teurer ist. Oder eben auszuwandern: nach Tschechien oder Rußland, nach Portugal, nach Italien oder in die USA, sei es als SaisonarbeiterIn oder Au-Pair für einige Monate oder als Bauarbeiter oder Haushaltshilfe für einige Jahre. Und viele kommen dann gar nicht mehr zurück oder allenfalls auf Besuch zu den wichtigen Feiertagen.

Jahreszeiten

Über 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Transkarpatiens ist temporär oder dauerhaft auswärts beschäftigt. In früheren Jahren waren es vor allem die Männer, die sich auf den Weg machten. Heute sind es gleichermaßen Frauen. Zwar werden Visas für die Ausreise Richtung Westen immer teurer, doch sie lassen sich (noch) organisieren und die illegale Grenzüberschreitung für UkrainerInnen bleibt insofern die Ausnahme. Doch diese Touristenvisa gelten maximal drei Monate und berechtigen nicht zur Arbeitsaufnahme. Job und Geldverdienen sind somit in aller Regel von Anfang an «illegal» und der Aufenthalt als «Overstayer»5 wird es dann oft ebenfalls. Doch in diversen Legalisierungskampagnen der letzten Jahre in Südeuropa6 konnten auch viele UkrainerInnen einen regulären Aufenthaltsstatus erlangen, der jedoch immer an Bedingungen geknüpft wurde, und in aller erster Linie an den Arbeitsplatz. Denn überall in Europa sind fügsame ArbeiterInnen für die verschiedenen Niedriglohnsektoren wie Landwirtschaft, Bau, Haushalt oder Pflege gefragt. Umso erstaunlicher, dass die ArbeitsmigrantInnen trotz dieser ausbeuterischen Umstände jeden Monat immense Geldsummen an ihre Familienangehörigen schicken, auch in die Ukraine und insbesondere in Transkarpatien7. Wie in vielen Ländern am unteren Ende des globalen Lohngefälles sind diese Rücküberweisungen, die Remisen, zu einem zentralen Einkommensfaktor geworden. Das macht sich nicht nur an den immer zahlreicher werdenden Western Union-Büros8 bemerkbar, sondern daran, wie diese Ersparnisse aus der Wanderarbeit neue Möglichkeiten schaffen: die Einrichtung eines Ladens oder den Kauf eines Taxis, die Renovierung des Hauses oder die Anschaffung teurer Konsumgüter wie z.B. Autos, oder auch die ansonsten kaum zu finanzierende Ausbildung der Kinder.

Mafia?

Die Grenze zur EU eröffnet nicht wenigen Menschen in einer der ärmsten Regionen der Ukraine noch eine andere Einkommensmöglichkeit. Illegale Grenzüberschreitung ist stark gefragt, das angeblich mafiös strukturierte Geschäft bietet Jobs bei der vorübergehenden Unterbringung wie auch beim Transport der TransitmigrantInnen, die vor allem aus angrenzenden Ländern wie Moldawien, aus Südostasien oder Afrika kommen. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass das für die Grenzüberwachung zuständige Militär hochgradig in solche Geschäfte verwickelt ist. Es liegt im besonderen Interesse der EU, dass schon die ukrainischen Grenzsoldaten möglichst viele der illegalen GrenzgängerInnen abfangen � als östlicher Pufferstaat vergleichbar mit Marokko an der EU-Südgrenze. Und mit viel Geld, politischem Druck sowie der tätigen Beihilfe internationaler Organisationen9 wird seit Jahren alles dafür getan, die ukrainischen Behörden zum effizienten Erfüllungsgehilfen des EU-Migrationsregimes aufzubauen. Dieses Ziel trifft sich (und widerspricht gleichzeitig) mit einem Eigeninteresse in der ukrainischen Grenzarmee. Es soll niemand durchkommen, der nicht extra gezahlt hat, und ohne Bestechungsgelder scheint in der Tat kaum jemand durchzukommen. Umgekehrt: wer genügend Geld hat und «Reiseagenturen» mit guten Kontakten findet, dürfte an der ukrainischen Grenze kaum scheitern. 2003 kam es zu einem beispielhaften Skandal, als öffentlich wurde, dass ausgerechnet ein Gefangenenbus der Grenzarmee für einen Schleusertransport Richtung grüner Grenze der Slowakei genutzt wurde. Die Reisegruppe hatte offensichtlich gut gezahlt.

Das Lager Pavshino

Aber auf der Strecke bleiben zunächst diejenigen, die nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen. Und das sind zunehmend mehr Flüchtlinge, die beim «Survival of the Fittest» nicht mithalten können. Im Sommer 2004 trafen wir in Ushgorod eine palästinensische Großfamilie, die alle Torturen miterlebt hatte. Von den Schleppern irgendwo im Wald ausgesetzt und um ihr Geld gebracht. Dann von der Grenzpolizei geschnappt und schließlich über fünf Monate festgesetzt: die Frauen in einem Lager in Mukachevo, die Männer im mittlerweile berühmt berüchtigten Abschiebeknast Pavshino. Ein militarisiertes Hungerlager, in dem damals ca. 250 Männer eingesperrt waren, die meisten aus Südsostasien, aber auch einige aus Afrika. Mehrmals am Tag zum Appell und Durchzählen antreten, miesestes Essen, kein Strom, Massenschlafsäle und immer der Willkür der Soldaten ausgeliefert. Und an dieser Situation hat sich in Pav-shino offensichtlich bis heute nur wenig verbessert10. Der Knast in Pavshino findet sich mitten im Wald. Nur einmal in den fünf Monaten ihrer Haft, so berichteten die palästinensischen Männer, konnten drei Chinesen entfliehen. Sie hatten aus der Küche einen Tunnel gegraben. Ansonsten gibt es kein Entkommen, es sei denn, der Asylantrag wird irgendwann nicht nur entgegengenommen sondern auch bearbeitet und ernstgenommen. Damals, 2004, war dies fast nur auf Intervention des UNHCR möglich. Heute kommen im-merhin mehrmals die Woche Anwälte ins Lager. Sie unterstützen die Inhaftierten beim Schreiben von Anträgen und leiten diese an die zuständigen Behörden weiter.

Pavshino ist das Auffang- und Abschiebelager für einen großen Teil der Migranten und Flüchtinge, die an der Grenze aufgegriffen werden. Sei es noch auf der ukrainischen oder auch schon auf der slowakischen Seite. Offiziell gilt hier eine 15-Kilometer-Grenzzone. Wer dort festgenommen wird, kann entsprechend des Rücknahmeabkommens aus der Slowakei in die Ukraine zurückgeschickt werden. Doch der slowakische Grenzschutz scheint wenig zimperlich und transportiert manch-mal auch Menschen zurück, die ihnen viel weiter weg bei Kontrollen oder Razzien in die Hände fallen. Wer kann das schon überprüfen?!

In Tschop

Die Festgenommenen bzw. Zurückgeschickten kommen zunächst in den Grenzort Tschop, in ein mittlerweile mit EU-Geldern frisch renoviertes Gefängnis direkt an der Grenze. Eine zunehmende Zahl illegaler Grenzgänger stammt aus Moldawien oder Tschetschenien, und weil diese als Bürger früherer Sowjetrepubliken in der Ukraine visumsfrei reisen können, werden sie nach maximal zehn Tagen mit einer Strafzettel in der Tasche wieder ausgesetzt. Sie sollen innerhalb von 15 Tagen selbständig zurückreisen, bei einem erneuten Aufgriff droht jedoch längere Inhaftierung. Tschetschenische Flüchtlinge sollen allerdings des öfteren mit dem Zug auch bis nach Russland abgeschoben bzw. ausgeliefert worden sein11. Nichtsdestotrotz versuchen und schaffen es viele beim zweiten oder dritten Mal. Das Risiko wird in Kauf genommen, um sich im Westen als Wanderarbeiter zu verdingen und in einigen Monaten zu verdienen, was zuhause einiger Jahre bedarf.

Wer aus anderen Ländern des globalen Südens kommt und an dieser letzten Grenze zur EU scheitert, wird zwar ebenfalls kurz nach Tschop verbracht. Nach ein paar Tagen heißt die vorläufige Endstation aber Pavshino. Aus China, Indien oder Vietnam, aus Bangladesh und Afghanistan, aus Palästina und Irak oder auch aus Somalia: ca. 400 Menschen werden hier aktuell und quasi im Auftrag der EU interniert. Bis zu 6 Monaten Abschiebehaft ist angesagt, sozusagen der deutsche Standard. Und wessen Pässe die ukrainischen Behörden bis dahin von den jeweiligen Botschaften ausgestellt bekommen, wird dann auch abgeschoben. Die Verbliebenen werden wieder «ausgespuckt», wie die palästinensische Familie, die dann auf neues Geld von Angehörigen und FreundInnen angewiesen war, um offensichtlich erfolgreich einen neuen Versuch in Richtung des westeuropäischen Ziellandes zu unternehmen.

Etwa 5000 Personen wurden nach offiziellen Angaben jeweils in den Jahren 2005 und 2006 an diesem Teil der ukrainischen Grenze festgenommen. Doch geschätzt wird, dass dies allenfalls ein Zehntel derer ist, die durchwollen und durchkommen. Also rund 50.000 der von Europol vor einigen Jahren mal vage geschätzten 500.000, die jedes Jahr illegal die Grenzen der EU bezwingen? Insofern läßt sich - aus dem Blickwinkel eines Frontex-Beamten � schnell nachvollziehen, warum Transkarpatien als echte Problemzone angesehen wird. Und dies wird - in ihrem Sinne - hoffentlich auch noch viele Jahre so bleiben.

Hagen Kopp

kein mensch ist illegal/Hanau


Aus: "Go West ... Migration in und durch Transkarpatien" Von Hagen Kopp (Archipel Monatsblatt, 2007-09-07)
Quelle: http://www.forumcivique.org/index.php?lang=DE&site=ARCHIPEL&sub_a=ARCHI_151&article=1004 (http://www.forumcivique.org/index.php?lang=DE&site=ARCHIPEL&sub_a=ARCHI_151&article=1004)

Title: [Im September unterzeichnete die EU Rückführungsabkommen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2008, 12:09:34 PM
Quote[...] Die EU-Grenzbehörde FRONTEX führte gemeinsame Marineoperationen mit Senegal und Mauretanien in deren Hoheitsgewässern durch. Dadurch sollten Boote, die in Richtung der Kanarischen Inseln fuhren, abgefangen und zur Umkehr gezwungen werden, bevor sie internationale Gewässer erreichten. Die EU bemüht sich um die Teilnahme Tunesiens, Algeriens, Marokkos und Libyens an ähnlichen Patrouillen. Bei den Operationen existierten keine klaren Richtlinien, wie den Flüchtlingen der Zugang zu Asyl gewährleistet werden soll. Die EU-Staaten waren sich nicht über Verantwortlichkeiten einig, wenn Boote in internationalen Gewässern aufgebracht wurden, und konnten sich nicht mit anderen Mittelmeerstaaten darüber einigen, wer für die Rettung schiffbrüchiger Migranten verantwortlich ist. 

Im September unterzeichnete die EU Rückführungsabkommen mit Staaten des westlichen Balkans. Sie führt weiterhin Verhandlungen mit anderen Ländern, darunter Marokko, Algerien und die Türkei. Mit der Ukraine, Sri Lanka, Albanien, Hongkong und Macao wurden bereits Abkommen abgeschlossen. Sie verpflichten Nicht-EU-Staaten, Migranten aus Drittstaaten zurückzunehmen, die ihr Staatsgebiet auf dem Weg in die EU durchquert haben. Die Rücknahmeabkommen lassen befürchten, dass schutzbedürftige Personen in Länder abgeschoben werden, die kein funktionierendes Asylsystem haben, und Betroffene nicht ausreichend vor der Abschiebung in Länder geschützt werden, in denen sie möglicherweise gefoltert oder misshandelt werden. 

Im Juni begann die Europäische Kommission einen Konsultationsprozess über ein gemeinsames EU-Asylsystem mit der Veröffentlichung eines Diskussionspapiers, das Methoden zur Verbesserung und Harmonisierung von Schutzmechanismen erörtert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) schloss Anhörungen zu einer Petition des Europaparlaments ab, in der gefordert wird, Regelungen aus der stark umstrittenen EU-Richtlinie über Asylverfahren zu ändern. Durch sie sollten Listen ,,sicherer Herkunftsländer" und ,,sicherer Drittstaaten" geschaffen werden. In einem ersten Schritt zur Urteilsfindung empfahl der Generalanwalt in seinem Schlussantrag, diese Regelungen abzuschaffen. 

Mit 19.375 Asylanträgen im Jahr 2006 und 18.205 im ersten Halbjahr 2007 stellten Iraker die größte Gruppe Asylsuchender in der EU. Mehr als die Hälfte von ihnen halten sich in Schweden auf. Deutschland stand an dritter Stelle bei der Aufnahme irakischer Asylsuchender im ersten Halbjahr 2007 (820 Anträge). Es entzog weiterhin Irakern den Flüchtlingsstatus, die während der Regierungszeit Saddam Husseins geflohen waren. Seit 2003 wurde der Flüchtlingsstatus von etwa 18.000 irakischen Flüchtlingen widerrufen. 
Ein von der EU-Kommission vorgelegter Entwurf einer Richtlinie, die einheitliche Standards und Verfahren bei der Abschiebung illegaler Einwanderer schaffen soll, gibt weiterhin Anlass zur Sorge. In seiner derzeitigen Fassung würde der Entwurf Mitgliedsstaaten erlauben, Flüchtlinge bis zu 18 Monate vor ihrer Abschiebung festzuhalten. Die Debatte über die Richtlinie im Europäischen Parlament steht noch aus. 

...


Aus: "Europäische Union - Länderkapitel aus dem World Report 2008" (hrw, 2008)
Quelle: http://hrw.org/german/docs/2008/01/31/eu17937.htm (http://hrw.org/german/docs/2008/01/31/eu17937.htm)

Title: [High-Tech Grenzsystem... (Notiz, EU, Frattini-Plan)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2008, 12:19:55 PM
Quote[...] Brüssel - Die EU will ihre Außengrenzen besser sichern. EU-Justizkommissar Franco Frattini plant in dem Zusammenhang ein elektronisches Einreisesystem anstelle der heutigen Visa, wobei die Daten sämtlicher Flugpassagiere aus Drittstaaten gesammelt werden. Dabei sollen unter anderem die Fingerabdrücke der Einreisenden gespeichert werden. Ein entsprechendes Paket mit Gesetzesvorschlägen will Frattini am Mittwoch in Brüssel vorstellen.

Zustimmung erhält der Kommissar aus dem EU-Parlament vom ÖVP-Abgeordneten Hubert Pirker. Nach der Erweiterung des Schengenraums müsse nun "mit einem High-Tech Grenzsystem die grenzüberschreitende Kriminalität, die illegale Einreise in die Union und der illegale Aufenthalt mit abgelaufenen Visa gänzlich" eingedämmt werden, betonte er am Dienstag in einer Aussendung.

Wie bereits bekannt ist, will Frattini für das Einreisesystem die biometrischen Daten der Reisenden sammeln - also elektronisch gespeicherte Gesichtsform, Augeniris oder Fingerabdrücke. Mit Hilfe des Ein- und Ausreiseregisters würde jeder, der länger in der EU bleibt, als sein Visum erlaubt, automatisch auffallen. Ziel ist es, vor allem Terroristen und illegale Einwanderer aufzuspüren.

2006 wurden in der gesamten EU laut Pirker über 516.000 illegal aufhältige Personen festgenommen, davon 37.692 allein in Österreich. "An den Außengrenzen der Union wurden 2006 fast eine Million Drittstaatsangehörige zurückgewiesen und am illegalen Eintritt gehindert", so der ÖVP-Politiker. An Österreichs Grenzen wurden knapp 27.700 Menschen abgewiesen. Zur besseren Überwachung der See- und Landgrenzen solle die EU möglichst rasch ein "satellitengestütztes Grenzüberwachungssystem" realisieren, forderte Pirker. (APA)

QuoteCarpe diem!
13.02.2008 15:47

Endlich ist es soweit!
Das war doch schon längst überfällig! Mich wundert nur, dass sich die EU-Kommission nach der Einführung in den USA so lange Zeit gelassen haben, es dem großen Bruder nach zu machen! Wie es jedoch funktionieren soll, dass jeder automatisch auffällt, der sich länger in der EU aufhält, als sein Visum erlaubt, impliziert doch einige Zukunftsvisionen: An jeder Ampel, Kreuzung, in jedem Geschäft, an jedem Bankomat, etc, etc, Iris- und Fingerabdruckkontrolle. (Die illegal Aufhältigen ausgenommen, die sind ja nicht gespeichert - lol). Und überprüfen und speichern tuts die ... genau ... Polizei !!!! Der Kreis hat sich geschlossen, Illegale und Terroristen haben in europäischen Landen keine Chance mehr ... wenns wer glaubt!



Aus: "EU-Kommissar Frattini will Einreise-Register nach US-Vorbild" - Biometrische Daten von Einreisenden sollen gespeichert werden - ÖVP-Parlamentarier für "High-Tech Grenzsystem"  (14. Februar 2008)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=3223139 (http://derstandard.at/?url=/?id=3223139)

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Quote[...] Es soll nur 15 bis 20 Sekunden dauern: Ein Computer liest den elektronisch aufgerüsteten Reisepass, vergleicht dessen Daten mit Gesichtsform und Fingerabdrücken des Reisenden – und schwupp! öffnet sich das Tor zur Europäischen Union. Schnell, einfach und ziemlich sicher sehe die »Automatisierte Grenzkontrolle« der Zukunft aus, verspricht die EU-Kommission.

EU-Justizkommissar Franco Frattini bezeichnete das gestern in Brüssel vorgestellte »Grenzschutz-Paket« als »Antwort auf den Auftrag des Europäischen Rates«, mit dem »das Reisen für ehrliche Leute einfacher« gestaltet werden soll. Er bezeichnete die Vorschläge als einen »völlig neuen Weg zur Kontrolle unserer Grenzen«. Das System solle bis spätestens 2013 stehen, sagte Frattini.

Das Kernstück ist das »Entry-Exit-System«, das für alle Einreisenden aus Drittstaaten gilt. Mit einer EU-weiten Datendatei sollen künftig die Millionen von Menschen registriert werden, die mit einem Touristen-Visum in die Europäische Union einreisen. Sie müssen einen Personalbogen ausfüllen und der Grenzschutz fordert biometrische Daten ab, die dann in der Datenbank gespeichert werden.

Unter dem Deckmantel der angeblichen Verhinderung von Asyl-Missbrauch sollen nunmehr die EU-Mitgliedsstaaten die Namen der Asylsuchenden nach Brüssel melden, um dort jene Personen ausfindig machen zu können, die in mehreren Ländern Anträge stellten. Zudem sollen Bürger, die aus einem Drittstaat einreisten, unmittelbar nach Ablauf ihres Visums zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben werden können. Frattini bezeichnete diese Menschen als »Hauptfaktor der illegalen Einwanderung«. Nach Schätzungen der EU-Kommission gelangten mit einem Touristen-Visum etwa die Hälfte der auf acht Millionen geschätzten »Illegalen« nach Europa.

Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE kritisierte die Pläne der EU-Kommission scharf. Die EU schotte sich nach außen weiter ab, ohne Personen in Not den Zugang zum Asylverfahren zu erleichtern, erklärte Generalsekretär Bjarte Vandvik. Nach wie vor gebe es sehr wenige Wege, die EU auf legale Weise zu betreten. Das sieht die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, ähnlich: »Gastfreundschaft ist für Frattini offenbar ein Fremdwort. DIE LINKE lehnt eine Festung Europa, die ihre Gäste wie Kriminelle

behandelt, entschieden ab und tritt für Freizügigkeit in einem demokratischen Europa ein.«

Statt in Richtung Freizügigkeit wandelt die EU auf den Spuren der USA: In den USA müssen Einreisende bereits jetzt elektronische Abdrücke beider Zeigefinger sowie ein digitales Foto abgeben. Ähnliches könnte es künftig auch in der EU für alle Einreisenden aus Drittstaaten geben.

Schon jetzt halten Frattinis Pläne allerdings auch für EU-Bürger Unannehmlichkeiten bereit, etwa wenn sie Flugfernreisen planten: Sie müssen künftig Auskunft über ihr Reiseziel und über ihre Essgewohnheiten geben sowie ihre E-Mail-Adresse oder Angaben zur Kreditkartennummer hinterlassen. Nach Auskunft des EU-Kommissars werden auch diese Daten ab 2009 zentral gespeichert.

Nach Angaben des EU-Kommissars belaufen sich die Kosten zur Errichtung des Datensystems auf rund 20 Millionen Euro. Die Mitgliedsstaaten müssten schätzungsweise etwa 35 Millionen Euro zur Einrichtung der automatisierten Kontrollpunkte einplanen. Die Pflege des Datensystems kostet den europäischen Steuerzahler rund sechs Millionen Euro.


Aus: "Europa macht die Schotten dicht: Totale Kontrolle aller Reisenden in die EU geplant" Von Holger Elias, Brüssel (14.02.2008)
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/124000.html (http://www.neues-deutschland.de/artikel/124000.html)

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Quote[...] Im Europäischen Parlament haben Vorschläge der EU-Kommission zur Einführung eines elektronischen Ein- und Ausreiseregisters für Nicht-EU-Bürger geteilte Reaktionen hervorgerufen. Aus der Gruppe der Christlichen Demokraten und Konservativen kam Zustimmung, Sozialisten und Grüne äußerten Ablehnung.

Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber sprach von einem Fortschritt, weil es mit dem geplanten System möglich werde, Leute zur Fahndung auszuschreiben, die nach Ablauf eines Visums in der EU untertauchten. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler fragte, wie weit die Menschen noch kontrolliert werden sollten. Mauerbau und Überwachungsstaat seien Konzepte der Vergangenheit.


[...] Kernstück der geplanten Neuregelung ist das elektronisches Ein- und Ausreiseregister, mit dem die Kommission dem Problem begegnen will, dass Leute aus Drittstaaten legal nach Europa einreisen, dann aber nach dem Ablauf ihres Aufenthaltstitels abtauchen. Es sei wahrscheinlich, dass mehr als die Hälfte aller illegalen Einwanderer auf diese Weise in die EU gelange. Wie groß die Zahl der Illegalen in Europa ist, kann nur geschätzt werden. Für das Jahr 2006 ging man von bis zu acht Millionen Personen aus, 80 Prozent davon im Schengen-Raum.

Das System würde automatisch Meldung machen, wenn jemand nach drei Monaten noch nicht ausgereist ist oder die EU erst zu einem späteren Zeitpunkt verlässt. Die Kommission schlägt vor, das System bis 2015 in Betrieb zu nehmen, um das bereits im Grundsatz vereinbarte Visa-Informationssystem der EU zu nutzen, mit dem bei der Visumerteilung künftig ohnehin biometrische Daten erhoben werden, um sie dann bei der Grenzkontrolle zu überprüfen.

Sogenannte Bona-fide-Reisende wie etwa Vielflieger, die geschäftlich in Europa zu tun haben, sollen nach dem Vorschlag der Kommission die Möglichkeit erhalten, sich registrieren zu lassen, um dann automatisierte Ausgänge an Flughäfen oder anderen Grenzübergängen zu benutzen, wo ihre biometrischen Daten maschinell überprüft werden. Entsprechende Pilotprojekte mit einem sogenannten Iris-Scan gibt es derzeit neben Frankfurt auch auf Flughäfen in London, Amsterdam und Paris. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen diese nationalen Systeme miteinander verbunden werden, so dass eine biometrisch registrierte Ein- oder Ausreise an verschiedenen Grenzen in Europa möglich würde.

[...] Frattini sagte, dass die Iriserkennung für ihn die Zukunft des Grenzübertritts darstelle, weil sie schnell und automatisiert stattfinde. Er hob aber hervor, dass seine Vorschläge sich nur auf Bürger von Drittstaaten bezögen. Die Bürger der EU sollten ermutigt werden, ebenfalls die biometrischen Systeme zu nutzen, könnten aber weiterhin die heute übliche normale Grenzkontrolle benutzen, wenn sie das wollten. Auf den Einwand, dass potentielle illegale Einwanderer oder Verbrecher sich dann wahrscheinlich um den Status eines registrierten Reisenden oder einen gefälschten EU-Pass bemühen würden, entgegnete er: ,,Wir werden sehen, wie das System funktioniert. Zur Zeit würde ich zusätzliche Maßnahmen ausschließen." Europäische Bürger könnten nicht von vornherein als potentielle Straftäter angesehen werden.

Zu dem Gesetzespaket gehören auch Vorschläge, die Arbeit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex durch eine Zusammenarbeit mit ,,problematischen" Drittstaaten und durch die Beschaffung eigener Kontroll- und Überwachungsgeräte zu verbessern. Letztere könnten dann den bereits bestehenden Schnellen Interventionsteams zur Verfügung gestellt werden, mit denen Mitgliedstaaten bei der Sicherung der Außengrenzen geholfen werden soll. Frattini legte Wert darauf, dass hier keine ,,neue europäische Bürokratie" entstehen solle, sondern nationale Grenzbeamte im Auftrag der EU zum Dienst in anderen Ländern abgeordnet werden sollten. Er sprach sich dafür aus, dass Frontex künftig auch die Zusammenarbeit der Zollbehörden der Mitgliedstaaten koordinieren solle und nicht nur wie bisher den Grenzschutz.

Schließlich schlägt die Kommission den Aufbau eines europäischen Systems zur Grenzüberwachung vor, weil aufgrund technischer oder finanzieller Engpässe derzeit nur Teile der EU-Außengrenzen, vor allem flaches Gelände und Küstenabschnitte, überwacht würden. Hier sollen Zusammenarbeit und Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten befördert werden, insbesondere durch die Einführung neuer Überwachungstechnik. Bei der Kontrolle der Seegrenzen, die vor allem im Mittelmeer immer wieder Schauplatz von Flüchtlingsdramen sind, strebt die Kommission als letzten Schritt eine Integration aller existierenden nationalen Überwachungssysteme an.


Aus: "Festung Europa? - Lob und Tadel für Frattini-Plan" Von Nikolas Busse, Brüssel (13. Februar 2008)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~E989A9C5D24B0429F81777CCB654C85BD~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_googlefeed (http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~E989A9C5D24B0429F81777CCB654C85BD~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_googlefeed)

Title: [Die Residenzpflicht existiert nur in Deutschland... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2008, 12:50:24 PM
Quote[...] Die Residenzpflicht nach dem deutschen Asylverfahrensgesetz ist eine Vorschrift, die es einem Menschen verbietet, den jeweils zugewiesenen Bezirk der Ausländerbehörde zu verlassen. Das Übertreten der Grenze des Bezirks der Ausländerbehörde bedroht der deutsche Staat mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Rechtsgrundlagen für die Residenzpflicht sind § 56 und § 85 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes.

Der Protest und Widerstand gegen die Residenzpflicht ist seit langem ein Tätigkeitsschwerpunkt von Flüchtlingsselbstorganisationen, wie "The Voice Refugee Forum", in Deutschland, von dem derzeit zwei von der Residenzpflicht betroffene Mitglieder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das Gesetz klagen, die damit die Abschaffung der sie selbst betreffenden Residenzpflicht erreichen wollen.

Bereits im Jahr 1938 während der Nazi-Zeit wurden ähnliche Regelungen (diesmal alle Ausländer betreffend) in der Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 (Reichsgesetzblatt, Teil I, 25. August 1938, Nr. 132, Seite 1055) erlassen. Diese Form der Residenzpflicht ist jedoch vor dem Hintergrund der damaligen Diktatur der Nazis zu sehen und nur schwer mit der heutigen Residenzpflicht vergleichbar, die zum Ziel hat, im Europa der offenen Grenzen die Fluktuation von Personen mit Asylbewerberstatus zu begrenzen und deren Versorgungskosten regional gerecht aufzuteilen.

Die Residenzpflicht ist einmalig in der EU und existiert nur in Deutschland. Ähnliche Einschränkungen existierten auch sonst nur zu bestimmten Zeiten in bestimmten Ländern, so während der Apartheid in Südafrika. Allerdings ist die Bundesregierung bestrebt, die Residenzpflicht EU-weit einzuführen, da sie im Raum des Schengen-Abkommens verbesserte Kontrolle für alle Mitgliedsstaaten verspricht.

Da das Übertreten der Grenze des Bezirks der Ausländerbehörde als opferlose Straftat zur Kriminalitätsstatistik gezählt wird, ist schon deswegen diese Statistik zwischen deutschen Staatsbürgern und Asylbewerbern nicht mehr vergleichbar. Für die gleichen Handlungen von Bundesbürgern und Asylbewerbern wird letzteren eine erheblich höhere Kriminalitätsrate zugeschrieben als ersteren. Gegenüber Bundesbürgern erhöhte Kriminalitätsraten von Asylbewerbern werden im politischen Diskurs als Argument verwandt, spezifisch Asylbewerbern und anderen Ausländern weitere Restriktionen aufzuerlegen.


Aus: "Residenzpflicht (Asylverfahrensgesetz)" (12. Oktober 2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Residenzpflicht_%28Asylverfahrensgesetz%29 (http://de.wikipedia.org/wiki/Residenzpflicht_%28Asylverfahrensgesetz%29)


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Quote[...] BELZIG - Wenn der Belziger Jean-Marce Banoho am Berli-ner Bahnhof Zoo aus dem Zug steigt, kann er die Blicke der dort postierten Polizisten auf seiner Haut fast spüren. ,,Wenn man unsicher um sich blickt, sind sie sofort ran. Ausweis bitte! Haben Sie einen Urlaubsschein?" Genau dieses Wort verwenden sie, beteuert Banoho, ,,es ist der pure Hohn."

Jean-Marce Banoho ist Kameruner und seine Haut so schwarz wie der Lavastrand von Limbe. Die Polizisten haben trotzdem den Falschen gestellt. Banoho ist ein Aus-länder mit Aufenthaltserlaubnis, der in Belzig als Sozialar-beiter arbeitet und nach Berlin fahren kann, so oft er will. Auch ohne ,,Urlaubsschein". Offiziell ist das Papier eine ,,Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen".

Flüchtlinge im Asylverfahren oder ausreisepflichtige Ausländer müssen sie mitführen, wenn sie den Landkreis verlassen, in dem sie registriert und wohnhaft sind. Der Staat will damit die ,,Residenzpflicht" absichern. Der anmutig klingende Begriff bezeichnet eine der umstrittensten Restriktionen für Flüchtlinge.

Asylbewerber, die Potsdam-Mittelmark zugewiesen werden, leben im Übergangswohnheim Belzig oder in Wohnungen. Sie dürfen sich nur im Landkreis bewegen sowie nach Potsdam und Brandenburg/Havel reisen. Die Ausländerbehörde befindet sich in Werder/Havel. Die meisten Anwälte, fremdsprachige Ärzte und Landsleute sind in Berlin zu finden. Für jeden Termin oder private Verabredungen muss der Flüchtling bei der Behörde jenen ,,Urlaubsschein" beantragen. Die Mitarbeiter wägen Für und Wider nach ,,pflicht-gemäßem Ermessen" ab, wie Behördenchef Jörg Hallex kürzlich auf eine Frage im Kreistag Potsdam-Mittelmark antwortete.

Den Landkreis verlassen darf, wer sich in seiner Botschaft um Ausreisepapiere kümmert, beim Hohen Flüchtlingskommissar vorspricht, Ehefrau, Verlobte oder Freundin besucht, Arzt- oder Therapietermine wahrnimmt, den Anwalt aufsucht. Auch Kultur- und Sportveranstaltungen oder die Ausübung der Religion sind akzeptierte Gründe.

,,Wer einfach nur mal aus dem Heim raus oder Freunde besuchen will, muss entweder Adressen angeben oder Gründe vorschieben", weiß Sozialarbeiter Banoho. ,,Die Leute sind total genervt, wegen so einer Kleinigkeit müssen sie in eine für sie schlimme Behörde und dafür auch noch Fahrgeld ausgeben. Asylbewerber haben monatlich rund 260 Euro." Hinzu kämen demütigende Befragungen etwa nach den Personalien der Freundin und der Beziehung. ,,Du fühlst dich total kontrolliert und von vornherein kriminalisiert", so Banoho. ,,Du kannst auch nicht dreimal im Monat nach Werder/Havel fahren. Mehrere Scheine gibt es in der Regel nicht, schon gar nicht, um bloß Freunde zu besuchen, obwohl das für Menschen im Exil so wichtig ist."

Also fahren viele ohne Schein. Wer erwischt wird, zahlt das erste Mal 35 Euro. Zwischen Januar 2006 und August 2007 traf dies 69 Asylbewerber. Das zweite Mal macht sie bereits zum Straftätern, die vor Gericht abgeurteilt werden. Nach Schätzungen der kreislichen Ausländerbehörde betrifft das etwa 75 Prozent der Verwarnten. Wer die Geldstrafe nicht zahlen kann, leistet Sozialstunden. Er gilt als vorbestraft und geht in die Kriminalstatistik für Ausländer ein. Obgleich Jörg Hallex kein Fall bekannt ist, in dem ein Asylbewerber abgeschoben wurde, weil er unerlaubt außerhalb unterwegs war, wäre dies möglich, wenn bei Wiederholung eine Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen erfolgt.



Aus: "Nicht ohne ,,Urlaubsschein": Asylbewerber dürfen sich im Land nicht frei bewegen" Von Kerstin Henseke (26.01.2008)
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11119562/60889/Asylbewerber_duerfen_sich_im_Land_nicht_frei_bewegen.html (http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11119562/60889/Asylbewerber_duerfen_sich_im_Land_nicht_frei_bewegen.html)


Title: [Asylum Airlines... (Notiz, EU, Abschiebung)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 25, 2008, 07:25:32 PM
Quote[...] Heinz Berger hat viel darüber nachgedacht, wie man abgelehnte Asylbewerber in großen Gruppen aus Europa heraus bringen kann. Der österreichische Manager hat eine Lösung gefunden und zusammen mit dem österreichischen Rechtsanwalt Hermann Heller und dem "Luftfahrtexperten" Carl Julius Wagner ein Geschäftsmodell daraus gemacht: eine Fluggesellschaft nur für Abschiebungen. "Asylum Airlines".

"Dieses Unternehmen wird mit eigenen Flugzeugen diese Dienstleistung durchführen und Schüblinge in das entsprechende Zielland transportieren", sagt Berger der FR. Mit speziell ausgestatteten Flugzeugen, in denen möglichst viele Flüchtlinge von möglichst wenigen Beamten kontrolliert werden können. "Man kann die Leute nicht in Käfige stecken, verkleben oder fesseln", meint Berger. Bei Asylum Airlines werde es zivilisiert zugehen. Denkbar seien Polsterungen und "Bügel wie von Sesselliften", die die Flüchtlinge im Sitz fixieren. "Das hemmt nicht die Bewegungsfreiheit, aber das Randalieren stellt man ab."

Derzeit ermittelt Berger die potenziellen "Stückzahlen", wie er sagt. Die Fluggesellschaft sei "in Gründung". Bei Regierungsbehörden verschiedener europäischer Länder versucht er Angaben über die Zahl der Abschiebefälle zu bekommen und bietet seine Airline als Problemlösung an. "Damit könnten die Regierungen sehr viel Geld sparen", sagt Berger. Derzeit müssten immer zwei Bewacher mit einem "Schübling" mitfliegen. "Dieses Verhältnis können wir umdrehen." An seiner Idee gebe es "hohes Interesse aus dem gesamten EU-Raum", so Berger.

Tatsächlich mühen sich die europäischen Länder derzeit aus Kostengründen, grenzübergreifende Sammelabschiebungen zu organisieren. "Deutschland beteiligt sich regelmäßig - je nach Bedarf - an Flügen anderer europäischer Staaten und hat in der Vergangenheit auch schon Flüge selbst organisiert", teilt das Bundesinnenministerium auf FR-Anfrage mit. Die Flüge würden nach dem "leading country"- Prinzip organisiert: Das Land, das den Flug initiiere, übernehme sowohl die inländische Planung als auch die Koordination der ausländischen Partner.

Im Flugzeug bewachen Polizisten der europäischen Länder jeweils die Flüchtlinge ihres Landes. Da für jeden Flüchtling zwei Beamte mitreisen,sind nach FR-Informationen bei manchen Flügen an die 100 Beamte dabei. Auch Ärzte und Einsatzleiter fliegen mit.

Das Verfahren werfe grundlegende Fragen auf, kritisiert Pro Asyl. So sei völlig ungeklärt, auf welcher Rechtsgrundlage die Beamten im Flugzeug ihren Dienst versähen. Auch wie viel Gewalt angewendet werden dürfe, sei in den europäischen Ländern unterschiedlich geregelt. "Das Schlimme ist, dass diese Flüge in aller Heimlichkeit und mit großer Brutalität stattfinden", sagt Conni Gunzer vom Hamburger Flüchtlingsrat. "Um die Flugzeuge vollzukriegen, werden die Menschen willkürlich zusammengekarrt."

Noch gibt es keine rein auf Abschiebung spezialisierte Fluglinie. "In Deutschland wird ein Makler damit beauftragt, das günstigste Fluggerät zu ermitteln", so das Innenministerium. Die Abschiebung werde "vom Initiator vorfinanziert", der die Kosten dann umlege. Auch in Zukunft seien solche Flüge geplant. "Seitens der europäischen Partner kommen mehrmals pro Jahr Angebote zur Teilnahme an Flügen, die auch durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex den Mitgliedstaaten bekannt gegeben werden."

Ein zu umständliches Verfahren, meint Berger. Seine Asylum Airlines werde Abzuschiebende "am einen Tag nach Nigeria, am anderen Tag nach Pakistan" bringen. Man werde Flugzeuge mit großer Reichweite kaufen, um die Zahl der Zwischenlandungen gering zu halten. Wie viele Flugzeuge, "hängt von der Stückzahl ab". Der "Stückzahl" der Menschen.

Bei Asylum Airlines geht es sogar "mit Catering" zurück. Ein Essen mit Messer und Gabel kann er den "Schüblingen" aus Sicherheitsgründen aber nicht anbieten. "Dann gibt es halt irgendwelche Brote", meint Berger. "In sechs Stunden verhungert ja niemand."



Aus: "Asylum Airlines: Abschiebung als Geschäftsidee" VON MATTHIAS THIEME (22.03.2008)
Quelle: http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=c0a67119d2a4a4d7e4a0bf6580e0bc02&em_cnt=1307371 (http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=c0a67119d2a4a4d7e4a0bf6580e0bc02&em_cnt=1307371)

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Austrian company offers to remove UK's 'disruptive' migrants in adapted aircraft
By Robert Verkaik, Law Editor
Thursday, 27 December 2007
http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/austrian-company-offers-to-remove-uks-disruptive-migrants-in-adapted-aircraft-766862.html (http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/austrian-company-offers-to-remove-uks-disruptive-migrants-in-adapted-aircraft-766862.html)

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EU: Asylum Airlines - Abschiebung
Österreichische Firma will Abschiebe-Airline mit speziell angepassten Flugzeugen gründen
Quelle: http://de.indymedia.org/2008/03/211434.shtml (http://de.indymedia.org/2008/03/211434.shtml)

Title: [Abschiebepraxis und europäischen Standards... (Festung Europa)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 19, 2008, 12:02:25 PM
Quote[...] Die Einwanderungspolitik ist ein hochsensibles Thema in der EU. Dafür zuständig sind die Mitgliedstaaten. Der Entscheidung des Europaparlaments ging eine fast dreijährige Debatte voraus. Erst Anfang des Monats hatten sich die EU-Innenminister auf die Richtlinie verständigt. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy will Europa noch stärker abschotten: Seine Regierung, die im kommenden Monat die Ratspräsidentschaft übernimmt, will illegalen Einwanderern den Zugang zum Kontinent deutlich erschweren. Vorgeschlagen werden schärfere Grenzkontrollen und eine effektivere Abschiebepraxis.

Schätzungen zufolge leben derzeit zwischen acht und zwölf Millionen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in der EU. Der größte Teil von ihnen ist legal eingereist und anschließend einfach geblieben. Die Richtlinie sieht vor, dass Illegale in ihre Heimatländer oder in sichere Drittländer abgeschoben werden, mit denen die EU Rückführungsabkommen abgeschlossen hat.

Linke und Teile der Sozialdemokraten hatten bis zuletzt eine Begrenzung der Abschiebehaft auf höchstens drei Monate gefordert. Sie hatten außerdem einen Passus über die Inhaftierung von Minderjährigen kritisiert und weitergehende Schutzmaßnahmen bei der Ausweisung unbegleiteter Kinder in Transitländer verlangt.

Für Deutschland ändert sich durch die Richtlinie wenig, da die Abschiebehaft in der Regel bis zu sechs Monate dauert, aber auch bis zu 18 Monate möglich ist. In anderen Ländern wie Frankreich dürfen Abschiebehäftlinge dagegen nicht so lange festgehalten werden. "Jedes Land kann auch ohne diese Richtlinie jederzeit die Dauer der Abschiebehaft verlängern", sagte der CSU-Europaabgeordnete Weber.

Die Befürworter der Richtlinie verwiesen zudem auf neun EU-Mitgliedsländer, darunter die skandinavischen Staaten sowie Estland, Großbritannien und die Niederlande, wo die Haftdauer unbegrenzt ist. Diese Länder müssen ihre Abschiebepraxis nun in Einklang zu den europäischen Standards bringen.


Aus: "Festung Europa - EU-Parlament vereinheitlicht Abschieberegeln" (FTD.de, 18.06.2008)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/europa/:Festung%20Europa%20EU%20Parlament%20Abschieberegeln/374535.html (http://www.ftd.de/politik/europa/:Festung%20Europa%20EU%20Parlament%20Abschieberegeln/374535.html)



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Quote[...] ,,Es ist schon schwierig genug, zu eruieren, was mit den Flüchtlingen passiert, wenn sie in weniger problematischen Drittstatten landen. Doch in Libyen ist die Situation total unüberschaubar", meint Mesovic. NGOs und staatliche Delegationen bekommen nur selten Zugang in die Lager. Die wenigen Berichte zeugen von katastrophalen Zustände in vielen Lagern: Bis zu 200 Menschen sind oft in nur einem Raum gefangen, darunter Familien mit Kleinkindern.

Die Zusammenarbeit der EU mit Libyen geht trotz Kenntnis dieser Situation weiter. "Die Union hat es offenbar sehr eilig, in der Wüste des Landes eine überschaubare "braune Grenze" zu errichten," mutmaßt Mesovic. Dadurch wird sich die EU-Außengrenze vom Mittelmeer in den Süden Libyens verschieben. Was auch die traditionelle Mobilität der Ethnien zwischen den Maghreb-Staaten erschweren wird.

Im Gegenzug für die bilaterale Zusammenarbeit bietet die Europäische Union technische Ausrüstung und Know-how. Im Bericht der Delegation 2007 fertigte Libyen eine Wunschliste mit Geräten und Maschinen an, die es zur Erfüllung seiner Aufgaben als nötig erachtet: Kommandostände, Überwachungsradars, Nachtsichtgeräte, Fingerabdruck- und Bilderkennungssysteme, satellitengestützte Kommunikation, Navigationsgeräte, Lastwagen sowie Patrouillenboote. Und wie vor kurzem bekannt wurde, zählen auch Schulungen von privaten Militärfirmen aus Deutschland zu den Bedürfnissen Libyens.

,,Die deutsche Regierung gab im Zuge dessen bekannt, dass Frontex gegenüber nationalen Regierungen keine Berichtspflicht habe", kritisiert Mesovic die mangelnde Transparenz der EU-Grenzagentur. Aber auch der Einfluss und die Kontrolle des EU- Parlaments seien beschränkt. ,,Frontex führt fast ein Eigenleben. Was bei den Gesprächen in den Drittstaaten, was auf hoher See wirklich passiert, ist schwer kontrollierbar. Wie soll man unter diesen Umständen dafür sorgen, dass Menschenrechte eingehalten werden?"

QuoteSchwalbe, 30.04.2008 11:25   
   
haben wir mal wieder gar nichts gewusst von den grausamkeiten unserer regierungen?



QuoteSponge Bob, 01.05.2008 10:06   

Ich würde gerne was für FRONTEX spenden!   
hat jemand eine Kontonummer für mich?



QuoteWüstenfloh, 01.05.2008 09:34   

Bravo den Leuten von Frontex!   
Sie machen für uns eine Arbeit, die sehr unangenehm aber notwendig ist.
Mich würde interessieren, wieviele Flüchlinge diese postenden Menschenfreunde schon selbst aufgenommen haben bzw. für deren Unterhalt aufkommen. Meist lautet die Devise "lasset die Armen zu mir kommen, andere mögen sie ernähren"!



QuoteDr. Seltsam, 30.04.2008 13:25   

Re:    
Es geht nicht darum, was für eine Organisationsform Frontex hat. Es geht darum, dass Europa mit dem Instrument Frontex ein menschenverachtendes System kreiert hat. Es kann nicht Aufgabe einer EU-Agentur sein, Meschen an der Wahrung ihrer elementarsten Rechte (Recht auf Leben, Recht auf Asyl) zu hindern. Die EU schreibt sich ganz groß die Menschenrechte auf ihre Fahnen und nimmt es in diesem konkreten Fall damit nicht sehr genau (das ist noch sehr euphemistisch formuliert).


Quotedb73, 30.04.2008 08:34   

Bei jeder EU Behörde wo die Linke so rumjammert kann man wohl davon ausgehen das sie eine erstklassige Arbeit macht. Und wenn selbst nur ein Europäer durch Frontex nicht zum Opfer von immigrierter Gewaltaffinität wurde, dann ist es dies ohne wenn und aber wert.


QuoteGüle, güle Hojaç Bey!
05.05.2008 23:35   
      
Re: Frontex...   
... My honour is fidelity.


Quotepower-cat, 01.05.2008 13:58   
   
Grauen   

packt mich wenn ich die Postings zu diesem Artikel lese. Bei solchen MitbürgerInnen wundern mich einige Zustände in diesem Staat gar nicht mehr. Differenzierte Wahrnehmung, erkennen komplexer Zusammenhänge wird durch reflexartiges, blindwütiges Hinbeissen auf sozial schlechter Gestellte und weniger Priveligierte ersetzt.



Aus: ""Frontex führt fast ein Eigenleben"" (derStandard.at, 05.05.2008)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=3382024 (http://derstandard.at/?url=/?id=3382024)

=> http://derstandard.at/Text/?id=3312341&_view=forum (http://derstandard.at/Text/?id=3312341&_view=forum)



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Quote[...] Abschiebehaft, Abschiebungshaft oder Schubhaft (Österreich) ist ein Begriff aus dem Ausländerrecht. Es handelt sich um Freiheitsentzug, der in festgelegten Situationen in Zusammenhang mit einer Abschiebung vorübergehend über eine nicht aufenthaltsberechtige Person verhängt werden kann. Übergeordneter Zweck der Abschiebehaft ist es, zu verhindern, dass sich die betroffene Person durch Untertauchen an einem für die Behörden (Exekutive) unbekannten Ort einer Abschiebung entzieht.

[...] In Deutschland wird normativ der Begriff Abschiebungshaft, (vgl. § 62 AufenthG) verwendet. Zum berechtigten langfristigen Aufenthalt in Deutschland muss man entweder Deutscher oder freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger sein oder ein Aufenthaltsrecht in Form eines sogenannten Aufenthaltstitels besitzen. Davon zu unterscheiden sind kurzfristige Aufenthalte bis zu 3 Monaten Dauer. Diese sind für die Bürger der EU-Länder visumsfrei, für die Bürger anderer Länder grundsätzlich visumspflichtig. Es gibt jedoch eine Reihe von Ländern, für die die Visumspflicht für Kurzaufenthalte auf EU-Ebene im Schengen-Raum aufgehoben wurde (Liste in Anhang II der EU-VisumsVO).

Ausländer, die kein explizites Recht zum Aufenthalt haben sind auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet, das Land zu verlassen. Eine Duldung stellt insofern kein Aufenthaltsrecht dar, sondern sichert einem Ausländer nur eine befristete Aussetzung der Abschiebung zu. Häufig erlässt die zuständige Ausländerbehörde zunächst eine Ausweisungsverfügung mit Abschiebungsandrohung, mit der dem Betroffenen eine letzte Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt wird. Wer innerhalb der ihm im Rahmen der Ausweisung gesetzten Frist das Land nicht verlässt, kann abgeschoben werden, das heißt zwangsweise und mit Zwangsmitteln außer Landes gebracht werden. Seit 1998 wurden von der Bundespolizei nach eigenen Angaben durchschnittlich 30.000 Menschen pro Jahr abgeschoben. Neben Österreich verhängt Deutschland als einzig weiteres Land in Europa Abschiebehaft gegen Kinder und Jugendliche. Allein in Hamburg befanden sich 2003 etwa 125 Minderjährige länger als drei Monate in Abschiebungshaft.

[...]  Geschichte:

Eine erste Abschiebehaft-Regelung wurde in Bayern 1919 während den Nachkriegswirren verabschiedet. Am 25. Mai 1919 verabschiedeten die Ministerien für Inneres und militärische Angelegenheiten die ,,Bekanntmachungen über Aufenthalts- und Zuzugsbeschränkungen", die das geltende Fremdenrecht unter der Maßgabe einer Revolutionsprävention (unmittelbar nach Ende der Münchner Räterepublik) verschärften. Mit diesen Änderungen wurde der Grundstein für die heutige Abschiebehaftpraxis und das heutige Ausländerrecht gelegt.

In der 1938 verabschiedeten ,,Ausländerpolizeiverordnung" fand die bayrische Regelung im § 7 Eingang: ,,Der Ausländer ist (...) durch Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Reichsgebiet abzuschieben, wenn er das Reichsgebiet nicht freiwillig verlässt oder wenn die Anwendung unmittelbaren Zwanges aus anderen Gründen geboten erscheint. Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebehaft genommen werden." Diese Regelung der Ausländerpolizeiverordnung galt in Westdeutschland unverändert bis 1965.

Von 1965 bis 2004 regelten die beiden Ausländergesetze die Abschiebehaft. Das Gesetz von 1965 in § 16 und das Gesetz von 1990 in § 57. Seit 2005 gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Aufenthaltsgesetz. Darin regelt § 62 die Abschiebehaft.

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Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Schubhaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Schubhaft) (19. Juni 2008)



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Quote[...] Die zehn von der Kommission vorgeschlagenen Grundsätze lauten: klare Regeln und gleiche Bedingungen, Ausrichtung der Qualifikationen auf den Arbeitsmarktbedarf, Integration als Schlüssel für erfolgreiche Einwanderung, Transparenz, Vertrauen und Zusammenarbeit, eine wirksame und kohärente Nutzung der verfügbaren Mittel, Partnerschaft mit Drittländern, eine Visapolitik im Interesse Europas, Integrierte Grenzverwaltung, Intensivierung der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und keine Toleranz für Menschenhändler sowie nachhaltige und wirksame Rückführungsmaßnahmen. (mimo, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2008)

Überraschend deutlich hat das EU-Parlament dem Gesetzesentwurf für eine einheitliche Behandlung von illegalen Einwanderern zugestimmt. Die Schubhaft wird damit auf sechs bis 18 Monate begrenzt.



Aus: "EU-Parlament stimmt Abschiebe-Richtlinie zu" (18. Juni 2008)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=3382024 (http://derstandard.at/?url=/?id=3382024)

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Quote[...]  Vor Kurzem wurde eine in Hamburg lebende Familie durch die Abschiebebehörden zerrissen. Der Vater wurde zusammen mit seiner Tochter Liana (14) und seinem Sohn (10) in die "Heimat" Armenien abgeschoben, während die Mutter und ihre vierjährige Tochter vorerst weiter in der BRD geduldet werden.
MitschülerInnen der beiden abgeschobenen Kinder von der Heinrich-Hertz-Gesamtschule haben am 4.6. eine Demo organisiert, um gegen die unmenschliche Abschiebung zu protestieren.
Die Demo begann ca. um 16:15 am U-Bahnhof Borgweg, wo sich ca. 75 Menschen, größtenteils jüngere SchülerInnen der Heinrich-Hertz-Schule mit einigen LehrerInnen, nur wenige Jugendliche von außerhalb der Schule [...] versammelt hatten.
Die Route verlief durch einige Haupt- und viele Nebenstraßen nach Mundsburg zur Bildungsbehörde. Während der Demo, die sich sehr schnell fortbewegte gab es viele kraftvolle und laute Sprechchöre, die sich jedoch fast nur auf die abgeschobene Mitschülerin bezogen, eine generelle Ablehnung aller Abschiebungen bzw. die Forderung nach dem Bleiberecht für alle war kaum zu hören. Fairerweise muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Altersdurchschnitt der Demonstrierenden bei ca. 13 Jahren lag - dementsprechend wirkte die Aktion zeitweise auch mehr wie ein Klassenausflug im Gemeinschaftskundeunterricht als wie eine Demo.

[...]


Aus: "HH: SchülerInnendemo gegen Abschiebung" (Hamburger, 04.06.2008)
Quelle: http://de.indymedia.org/2008/06/219263.shtml (http://de.indymedia.org/2008/06/219263.shtml)

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Quote[...] Die Lebensbedingungen in vielen dieser Lager sind katastrophal, so auch in der von K&S betriebenen Flüchtlingsunterkunft Katzhütte im Thüringer Wald. Bereits seit Februar protestieren dort die BewohnerInnen des Lagers. In diesem Zusammenhang ist es bereits mehrfach zur Berichterstattung in überregionalen Medien gekommen. Der von der Flüchtlingsselbstorganisation ,,The Voice" unterstützte Protest richtet sich nicht nur gegen den maroden Zustand des Barrackenlagers - einer ehemaligen DDR-Sommerferienanlage. Die BewohnerInnen fordern vielmehr die sofortige Schließung des Heims und das Recht, eigene Wohungen zu beziehen - "Wir wollen in normalen Häusern leben und nicht in Baracken!" ...


Aus: "Proteste bei der Bau- und Betreiberfirma von Flüchtlingslagern K & S zur Unterstützung der Proteste in Katzhütte"
Submitted by kandolo (05/07/2008 - 21:10. Bremen | Deutsch | No Lager)
Quelle: http://thecaravan.org/node/1554 (http://thecaravan.org/node/1554)

Title: [Homo Sacer... (Giorgio Agamben)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 19, 2008, 03:04:52 PM
Quote[...] Seit Ende der 1980er Jahre greift Agamben dezidiert politische und staatsrechtliche Fragen auf. Er zeichnet ein Bild des heutigen Menschen in seiner Lebensform, das das euphemistische Bild des globalen Dorfs konterkariert: Für Agamben sind die postmodernen Transiträume und Wohncontainer, die Konzentrations- und Flüchtlingslager Paradigma und Konsequenz der westlichen Politik seit der Antike.

Im Zentrum seiner jüngeren Schriften steht die Kulturgeschichte der politischen Ein- und Ausschließung. In seinem Hauptwerk, der Trilogie ,,Homo Sacer" (Einaudi 1995ff.) geht Agamben aus von einer rechtlich verfassten Spaltung der Identität in ein vergesellschaftetes Wesen (zoon politikon) und das ,,bloße Leben" (Il potere sovrano e la nuda vita), die er auf Aristoteles' folgenreiche Unterscheidung zwischen ,,bios" und ,,zoé" im Werk Nikomachische Ethik zurückführt und im politischen Denken des Westens bis heute aufzeigt.

Ausgehend von so unterschiedlichen Ansprechpartnern wie Walter Benjamin und Carl Schmitt, Martin Heidegger, Hannah Arendt (,,Wir Flüchtlinge") und Michel Foucault entwickelt Agamben eine Philosophie von rechtsfreien Räumen und der Reduzierung von Menschen auf ihr ,,nacktes Leben" (als Beispiel dienen ihm vor allem die nationalsozialistischen Konzentrationslager). Demnach streben die Mächtigen seit der Antike nicht nur die Kontrolle der Individuen als gesellschaftliche Wesen an, sondern auch die Vereinnahmung ihres biologischen Lebens. Die Folge ist eine latente, für ständig wachsende Teile der Weltbevölkerung auch offene, staatsrechtlich erzwungene Spaltung der Existenz in Mensch und Zugehörigkeit. Wie vor ihm Walter Benjamin, Jacob Taubes und Jacques Derrida erkennt Agamben ihre konsequenteste Ausformung im Freund-Feind-Denken des Juristen Carl Schmitt, der federführend für die Nürnberger Rassegesetze war und zugleich neben Heidegger zu den wirkungsreichsten Intellektuellen der Weimarer Republik zählte.

Die Figur des Homo Sacer aus dem römischen Recht dient als Konfiguration dieser Unterscheidung zwischen bios und zoé. Wie der ständige Begleiter des christlichen Abendlandes, der ,,Ewige Jude", wandert der Homo Sacer hier durch die Jahrhunderte westlicher Geschichte. Agamben hält sich an den Doppelsinn des Worts Sacer: heilig und ausgestoßen (vogelfrei), und erkennt in diesem Konzept einen rechtsfreien Raum, der nicht erst mit der Ausstoßung des ,,bloßen", des fremden und des anderen Lebens beginnt, sondern in die Geschichte der westlichen Selbsterfahrung eingeschrieben ist.

Diese Entwicklung bezeichnet Agamben in Anlehnung an Michel Foucault als Biopolitik: Es entsteht ein totalitärer Zugriff auf jeden Einzelnen, wovor auch Demokratien nicht gefeit sind. Im Gegenteil: Als Antwort auf globale Fluchtbewegungen und Terror werden Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt. Als Beispiel dafür sieht Agamben die Flüchtlings-Camps in der Europäischen Union und das amerikanische Gefangenenlager in der Guantánamo-Bucht auf Kuba. Agamben zufolge wird hier der permanente Ausnahmezustand zum neuen Regulator des politischen Systems - nach dem Zeitalter der Kriege zwischen souveränen Staaten. Er wird in diesem Schreckens-Szenario neben Staat, Territorium und Nation zum vierten Element der politischen Ordnung.

[...]


Aus: "Giorgio Agamben"  (15. Juni 2008)
Giorgio Agamben * 22. April 1942 in Rom, Philosoph
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Agamben (http://de.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Agamben)

Title: [Fortress Europe... (Frankreich)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 23, 2008, 10:51:38 AM
Quote[...] Paris - In einem Haftzentrum für illegal Eingewanderte in Frankreich haben Insassen ein Feuer zur Flucht genutzt. "50 Gefangene gelten noch als vermisst", teilte die Polizei in Paris mit. Bei den Geflüchteten handelt sich demnach um illegale Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten.

[...] Die Polizei geht davon aus, dass die Gefangenen den Brand absichtlich gelegt haben, um gegen den Tod eines Tunesiers in dem Gefängnis zu protestieren. Den Angaben zufolge zündeten die Insassen in mehreren Räumen des Haftzentrums Matratzen an.

[...] Der 41-jährige Tunesier war am Samstag gestorben. Die Polizei erklärte, er sei einem Herzinfarkt erlegen. Demnach war er zum Zeitpunkt seines Todes allein in seiner Zelle. Die Polizei leitete Ermittlungen ein. Die Menschenrechtsorganisation MRAP machte die miserablen Bedingungen in den Abschiebezentren für den Tod des Mannes verantwortlich. Sie warf der Regierung eine grausamen, brutale und unmenschliche Politik und die Kriminalisierung von Einwanderung vor. Frankreich will in diesem Jahr 26.000 Immigranten abschieben, die illegal eingereist sind.

tno/AFP/AP/Reuters


Aus: "FRANKREICH: 50 Insassen fliehen aus brennendem Einwanderer-Gefängnis" (22.06.2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,561301,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,561301,00.html)

Title: [Das Leben ohne passende Papiere in Europa... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 23, 2008, 12:53:06 PM
Quote[...] Rom. Rumänien bangt um seine Immigranten in Italien. Bei einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Andrea Ronchi rief der rumänische Europaminister Adrian Ciocanea Italien zur Änderung des Sicherheitspakets zur Bekämpfung der illegalen Immigration auf, das die Einführung des Vergehens der illegalen Immigration vorsieht. "Wir bangen um die Sicherheit unserer Bürger in Italien", sagte der rumänische Minister nach Angaben der römischen Tageszeitung "La Repubblica" am Mittwoch.

Ciocanea erklärte, dass Rumänien zur Zusammenarbeit mit Italien bei der Bekämpfung der Kriminalität bereit sei, die rumänischen Immigranten dürften jedoch nicht als Kriminelle behandelt werden.

Der italienische Europaminister versicherte, dass Italien keineswegs einzelne Minderheiten verfolgen wolle. "Für uns ist die Sicherheit des italienischen Bürgers ein Muss. Zugleich braucht Italien die Immigration", sagte Ronchi. Er betonte, dass die Beziehungen zwischen Italien und Rumänien sehr eng seien. 25.000 Unternehmer seien mit ihren Unternehmen in Rumänien präsent, die 800.000 Personen beschäftigen.

In Italien macht gerade das neue Sicherheitspaket der Regierung von Silvio Berlusconi Schlagzeilen, das sich besonders gegen kriminelle Einwanderer richtet. So soll illegales Einreisen künftig mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden können. Das Paket erleichtert außerdem die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer und führt eine Datenbank mit dem DNA-Informationen von Verbrechern ein. Immigranten dürfen maximal 18 Monate in Auffanglagern verbringen. Wenn sie kein Recht auf Asyl haben, sollen sie abgeschoben werden. Das Paket muss noch vom Parlament abgesegnet werden, in dem die Regierung eine komfortable Mehrheit der Sitze hat.

(APA)


Aus: "Rumänien bangt um seine Immigranten in Italien" (wirtschaftsblatt.at, 11.06.2008)
Quelle: http://www.wirtschaftsblatt.at/home/international/osteuropa/330538/index.do (http://www.wirtschaftsblatt.at/home/international/osteuropa/330538/index.do)



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Quote[...] Brüssel - Die EU-Kommission will von den Mitgliedsländern "nationale Migrationsprofile" einfordern, um die Einwanderung in die Union besser zu steuern. Darin sollen die 27 Staaten darlegen, wie aufnahmefähig sie sind und welchen Bedarf an legalen Einwanderern sie für ihre Arbeitsmärkte sehen. Der neue EU-Innenkommissar Jacques Barrot schlägt einen verstärkten Datenaustausch zwischen den nationalen Behörden und eine Aufwertung der 2004 gegründeten europäischen Grenzschutzagentur Frontex vor, um Europa wirksamer gegen Illegale abzuschotten.

[...]


Aus: "Frankreich fordert Grenzschutzpolizei für die EU" Von Hannelore Crolly (16. Juni 2008)
Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article2108337/Frankreich_fordert_Grenzschutzpolizei_fuer_die_EU.html (http://www.welt.de/welt_print/article2108337/Frankreich_fordert_Grenzschutzpolizei_fuer_die_EU.html)

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Quote[...] Maspalomas, 26.05.2008: Drei tote Immigranten, daß ist die traurige Bilanz vom Wochenende auf den Kanarischen Inseln. In der Nähe des Leuchturms vor Maspalomas auf Gran Canaria hatte die Küstenwache in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein Cayuco mit 68 Personen an Bord lokalisiert. Mehrere Immigranten waren in einem lebensbedrohlichen Zustand, zwei Afrikaner hatten die Strapazen der Überfahrt mit dem Leben bezahlt. Sieben Personen mußten wegen Unterkühlung und Dehydration im Krankenhaus behandelt werden. Ein weiterer Afrikaner starb gestern Vormittag im Hospital Doktor Negrín. An Bord des Cayucos befanden sich auch 15 Minderjährige.


Aus: "Gran Canaria - Drei tote Immigranten" (26.05.2008)
Quelle: http://www.megawelle.com/Nachrichten.3515.Gran.Canaria..Drei.tote.Immigranten.html (http://www.megawelle.com/Nachrichten.3515.Gran.Canaria..Drei.tote.Immigranten.html)

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Quote[...] Nehmen wir Spanien zum Beispiel. Spanien war bis vor fünfzehn Jahren ein Auswandererland, das heißt: Bis 1993 wanderten mehr Leute aus Spanien aus als nach Spanien einwanderten. Dann kamen die Ausländer. Anfang 1998 waren gut 600 000 Immigranten in Spanien gemeldet, heute, zehn Jahre später, sind es knapp 4,2 Millionen. Kein anderes europäisches Land hat in so kurzer Zeit so viele Ausländer aufgenommen. Armes Spanien, oder?

Offensichtlich ächzt Europa unter den Ausländern. Denn: "Europa ist nicht in der Lage, all denjenigen einen würdigen Empfang zu bereiten, die hier ein Eldorado sehen." So steht es im Entwurf für den "Immigrationspakt", den Frankreich gerade den EU-Partnern schmackhaft zu machen versucht, damit er während der französischen EU-Präsidentschaft Mitte Oktober von allen verabschiedet werde. Und wenn wir den Eldorado-Verblendeten keinen würdigen Empfang bereiten können, dann bereiten wir ihnen eben einen unwürdigen.

Die Botschaft ist beim Europäischen Parlament angekommen. Das hat am Mittwoch beschlossen, das Leben ohne passende Papiere in Europa unter Strafe zu stellen. Bis zu 18 Monate Freiheitsentzug sind drin. Autofahren ohne Führerschein kommt billiger: Darauf steht in Deutschland im Höchstfall ein Jahr Gefängnis.

Neu ist das nicht: in Deutschland kann die Abschiebehaft für Ausländer schon nach geltendem Recht anderthalb Jahre dauern. In Spanien bisher auf keinen Fall länger als vierzig Tage. Die EU-Richtlinie verpflichtet kein Land, die Höchstgrenze auszuschöpfen. Aber sie sendet ein Signal aus: Gebt acht, ihr Ausländer, wenn es uns passt, sperren wir euch ein.

Ach ja, so böse ist das doch alles gar nicht gemeint. Wir wollen ja niemanden einsperren, und wenn doch, dann stecken wir ihn nicht ins Gefängnis, sondern ins Abschiebezentrum. Nur ein bürokratischer Akt, leider hin und wieder notwendig, so leicht geht das mit der Abschiebung eben nicht immer über die Bühne.

Haben die Befürworter vielleicht recht? Abschiebehaft, das klingt doch ganz normal, man kennt das von Verbrechern, die an ein anderes Land ausgeliefert werden. Das Verbrechen eines Ausländers ohne Papiere besteht darin, ein Ausländer ohne Papiere zu sein. Und weil er damit die Europäische Union ins Wanken bringt, erlauben wir uns ein bisschen Apartheid, es sei noch einmal gesagt: Wer keine Papiere hat, darf anderthalb Jahre weggesperrt werden. Wir haben uns an den Gedanken gewöhnt. Uns trifft's ja nicht. Wir haben ja Papiere.

Ja, was sollen wir denn anfangen mit den Illegalen? Mindestforderung: Wenn die Polizei es nicht schafft, jemanden innerhalb von vier Wochen abzuschieben, dann soll sie den Versuch ganz sein lassen. Das gefährdet nicht die öffentliche Ordnung. Es geht hier nicht um Straftäter. Es geht um Leute, die sich vom braven Bürger nur dadurch unterscheiden, dass sie nicht die richtigen Papiere haben. Ein Autofahrer ohne Führerschein ist potenziell gefährlicher.

Nächste Forderung: Die EU-Politiker sollen aufhören, die Immigration zum Problem hochzureden. Am klarsten hat das Silvio Berlusconi getan, wie man das von ihm erwartet: "Wir haben ein wichtiges Thema behandelt, das Thema Sicherheit und das Recht der Bürger, keine Angst zu haben", sagte er nach seiner ersten Kabinettssitzung in Neapel, bei der sich die Minister auf eine härtere Gangart gegen illegal Eingewanderte geeinigt hatten. Den Text würden zivilisierte Politiker nicht nachsprechen, aber sie pfeifen dieselbe Melodie.

Nächste Forderung: Die Europäer sollten sich ein Beispiel an Spanien nehmen. Von den 3,6 Millionen Ausländern, die in den vergangenen zehn Jahren in Spanien eine neue Heimat gefunden haben, ist die Mehrheit mit Touristenvisum eingereist und hat das Rückflugticket verfallen lassen. Spanien hat sie trotzdem großzügig aufgenommen. Das Land hat das ausgehalten. Die Immigranten haben schließlich den spanischen Wirtschaftsboom mit ermöglicht.

Das Schlimme ist, dass Spanien sich heute selbst nicht mehr zum Vorbild nimmt. Noch 2005 hat es 600 000 Zuwanderern, die keine Papiere, aber einen Arbeitsplatz besaßen, ein legales Aufenthaltsrecht eingeräumt. Der Boom ist zu Ende, was mit der Immigration nicht das Geringste zu tun hat. Jetzt kommt die Zapatero-Regierung auf die Idee, sogar Ausländer mit Papieren freundlich außer Landes zu bitten, freiwillig und ohne Abschiebehaft. Niemand soll denken, dass Europa ein Eldorado sei.


Aus: "Leitartikel - Europas Apartheid" VON MARTIN DAHMS (20.06.2008)
Quelle: http://www.fr-online.de/top_news/?sid=29e739e055766b02b5a3a48cba4addb7&em_cnt=1354336 (http://www.fr-online.de/top_news/?sid=29e739e055766b02b5a3a48cba4addb7&em_cnt=1354336)

Title: [Mittlerweile ist die Grenzanlage überall sechs Meter hoch... (Notiz, Marokko)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 23, 2008, 01:12:19 PM
Quote[...] MADRID taz Die ruhige Nachtschicht an der spanisch-marokkanischen Grenze war abrupt zu Ende. Gestern früh um 4.25 Uhr stürmten rund 70 afrikanische Migranten den größten Grenzposten zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla. Sie überrannten sowohl die marokkanischen Grenzsoldaten als auch ihre spanischen Kollegen von der Guardia Civil. Mehrere Grenzbeamte wurden leicht verletzt. Rund 50 Immigranten gelangten nach Angaben der spanischen Behörden nach Melilla, bevor die Guardia Civil die Grenzabsperrung wieder schließen konnte.

Ein Sonderaufgebot aus Gemeinde- und Nationalpolizei sowie Guardia Civil machte am gestrigen Sonntag den ganzen Tag über Jagd auf die Flüchtlinge. Bis Redaktionsschluss seien so gut wie alle festgenommen worden, heißt es. Die meisten hätten sich unweit der Grenze unter Fahrzeugen und in Müllcontainern versteckt. Sie wurden auf eine Polizeiwache gebracht, wo versucht wurde, sie zu identifizieren. Die meisten machten jedoch keine Angaben zu ihrer Person und ihrem Herkunftsland. Daraufhin wurden sie in ein Auffanglager überstellt. Dort warten sie nun auf einen Abschiebebescheid - der allerdings nur bei denen ausgeführt werden kann, deren Identität zweifelsfrei feststeht.

Es war der erste schwere Grenzzwischenfall in Melilla seit Heiligabend 2006. Damals versuchten mehrere dutzend Flüchtlinge, den sechs Meter hohen Grenzzaun zwischen Marokko und Melilla zu überwinden. Sie scheiterten. 40 Flüchtlinge wurden festgenommen. Die Grenzanlage war erst kurz zuvor verstärkt worden, nachdem im Sommer und Herbst 2005 128-mal Flüchtlinge den einst nur drei Meter hohen Zaun gestürmt hatten. Mindestens 17 Immigranten kamen dabei ums Leben. Teils wurde auf sie scharf geschossen. Die Schüsse seien alle von marokkanischen Grenzsoldaten abgegeben worden, hieß es aus spanischen Quellen. Amnesty international verlangte immer wieder eine genaue Untersuchung - ohne Erfolg.

Mittlerweile ist die Grenzanlage überall sechs Meter hoch. Sie besteht aus einem Doppelzaun mit einem Fahrstreifen für die Grenzschützer in der Mitte. Außerdem wurde als weiteres Element ein Wirrwarr aus Stahlseilen aufgebaut, in dem sich Eindringlinge verfangen sollen.

Der Ansturm von Samstagnacht kam überraschend. Denn anders als 2005 halten sich mittlerweile keine großen Gruppen von Flüchtlingen mehr in den umliegenden marokkanischen Wäldern auf. Die dort errichteten Camps, in denen Migranten aus allen möglichen Ländern Afrikas zusammen hausten, wurden inzwischen von Marokko auf Drängen Spaniens geräumt. Stattdessen verstecken sich die Flüchtlinge, die es bis an die Grenze schaffen, einzeln oder in kleinen Gruppen in den umliegenden Dörfern und Städten.

Nicht nur Melilla wurde in den letzten Tagen wieder das Ziel von Flüchtlingen aus Afrika, die nach Europa wollen. Ebenfalls in der Nacht auf Sonntag gelangte ein mit 75 Menschen besetztes Boot an die südspanische Küste in der Provinz Granada. Unter den Flüchtlingen befanden sich fünf Minderjährige. In der vergangenen Woche erreichten außerdem 500 Schwarzafrikaner die Kanarischen Inseln im Atlantik. Die meisten von ihnen kamen in bis zu 17 Meter langen Fischerbooten mit Außenbordmotoren aus Mauretanien, da die Küste Senegals mittlerweile von europäischen und einheimischen Patrouillenschiffen systematisch überwacht wird.

Das gute Wetter dürfte das Geschäft der Flüchtlingsboote erleichtern. Außerdem begann vor wenigen Tagen die Fischfangsaison in Mauretanien. Damit herrscht reger Betrieb in den Häfen. Die Flüchtlinge nutzen dies, um unerkannt abzulegen.


Aus: "Ansturm auf Festung Europa - Grenzposten überrannt" (23.06.2008)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/grenzposten-ueberrannt/ (http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/grenzposten-ueberrannt/)

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Quote[...]  Nach dem "Sturm der MigrantInnen auf Ceuta", 2005, verstärkt Spanien das technologische Abschottungssystem der südlichen Festungsfront Europas... "zum Schutz der MigrantInnen"
Die spanische Regierung präsentiert der dritten Grenzaun, der den Süd-Übergang der Festung Europa bei Melilla/Marokko noch stärker abschotten wird. Nachdem es im vergangenen Jahr dutzenden MigrantInnen gelungen war, den Grenzzaun bei Ceuta und Melilla zu überwinden, wird nun mit der Intsallation intensivierter Sicherheitsverstärkungen begonnen, die bis Juni diesen Jahres fertiggestellt sein sollen.
Mit schon Ekel erregendem Zynismus heisst es dazu seitens der spanischen Verantwortlichen:"Der dritte Zaun diene v. a. dazu, gefährliche Elemente zu entfernen, um bei MigrantInnen, die ev. dennoch versuchen werden, nach Europa vorzudringen, Verletzungen zu vermeiden." Vergessen scheint dabei, dass 2005 die festgenommen mehrheitlich AfrikanerInnen ohne Wasser und Nahrung in der marokkanischen Wüste ausgesetzt worden waren. Als stellte eine deratig menschenrechtswidrige Behandlung keine direkte Verletzung der physischen und psychischen Unversehrtheit der Betroffenen dar. Vergessen scheinen auch die richtungsweisenden Worte, wie etwa die Peter Struck´s : "Vor dem Hintegrund des "Sturmes auf Ceuta" und mit Blick auf weltweite militärische Operationen, gilt es deutsche und europäische Operationen genauer zu definieren: Massenfluchten können relevant werden für die Stabilität Europas. Deshalb ist in Afrika künftig ein stärkeres militärisches Engagement notwendig, um auseinanderfallende Staaten zu stabilisieren und Massenfluchten zu verhindern. "Im Militärjargon heisst das Containment und Vorfeldverteidigung, die wenig mit der Sorge um die Unverletzbarkeit der MigrantInnen zu tun haben dürften.

Der sogenannte dritte Zaun mit dessen Einbau bereits begonnen wurde, besteht aus mehreren Hightech-Komponenten, welche die Überwindung des Grenzwalls in zeitlicher Hinsicht erschweren und damit letztlich unmöglich machen sollen.

Der Regierungsabgesandte in Melilla, José Fernández Chacón, präsentierte, während einer Grenzwallbaustelleninspektion, Journalisten den laufenden Ausbau des Zaunes, der ca.20 Millionen Euro kosten wird. Es handelt sich um ein weltweit einzigartiges System, für das sich bereits die USA interessieren, um ihr Abschottungssystem an den Grenzübergängen nach Mexiko zu perfektionieren. Der Wall erstreckt sich über 10 km Länge des Grenzgebietes, von Aguadú bis zu den südlichen Dämmen. Im Juni soll die Installation fertig sein und im August die technologische Inbetriebnahme möglich werden. Ca. 1200 km Kabel werden Cádiz und Lérida "verbinden".
Unter dem Vorwand des "Schutzes der MigrantInnen", sollen primär verletzende Elemente des Grenzwalles entfernt werden, dazu, so im allgemeinen Tenor der "Humanität" auch der Verantwortliche der entsprechenden Intstallationsfirma, César Sayen, werden u.a. die Stacheldrahtspiralen und Bandeisen entfernt.

Der Dritte Zaun neigt sich nun in einem Winkel von 10 Grad Richtung Marroko, um den MigrantInnen "die Gefahr eines Absturzes zu ersparen", bzw. um ihnen die Ersteigung zu erschweren. Bei einer Belastung durch Personengewichte, spannen die Kabel sich automatisch und verhindern somit, dass jemand die Gänge zwischen den beiden ersten Zäunen durchqueren kann, oder die Elemente erreichen, die zur Überwindung des dritten benutzt werden müssten. Auf diese Weise entsteht ein zeitlicher Spielraum, der es den staatlichen Sichrheitskräften ermöglicht, in der Zone zu intervenieren. Die Installationsfirma hat eigens in diesem Sinne Test mit Alpinisten vorgenommen, die das Sicherheitssystem getestet haben: Die Verletzungsgefahr sei zufriedenstellend und die Dauer zur Überwindung der Hindernisse betrage 15 Minuten.
Diese Massnahmen werden ergänzt von einer Zeitalarmanlage, die einsetzt, sobald jemand sich im nahen Umkreis ausserhalb des Walls aufhält und von einer Druckanlage, die Pfefferwasser versprüht, um den "Angreifenden" die Sicht zu nehmen; "das ist nicht verletzend, aber erschwert den Migranten etwas die Sicht", so die "Designer" dieser Ab-Art-igkeit. Wird die äussere Alarmanlage in Funktion gesetzt, entzünden sich zusätzlich alle 125 Meter grelle Lichtpunkte, die Irritationen bewirken und bei Nacht zudem eine totale Verengung der Pupillen verursachen.

"Was die technologischen Systeme anbetrifft, so der Direktor des "Projektes", Francisco Vázquez, werden Radaranlagen an sämtlichen Türmen des Territoriums installiert, die es der Guradia Civil ermöglichen, wahrzunehmen wenn jemand sich im Umkreis von 2 Km dem Grenzwall vom Innern Marokkos her nähert. Das System erlaubt es unter jeden klimatischen Bedingungen "zu arbeiten" und beinhaltet mehrere Kameras, die sich sofort auf den jeweiligen Bewegungspunkt richten. Dadurch kann sofort ausgemacht werden, ob es sich um eine Annäherung von MigrantInnen, Fahrzeugen oder Tieren handelt."
Für den Delegierten der Regierung ist das System eine " Arbeit von symbolischer Tragweite", die den "klaren Kompromiss" der Exekutiven zur Sicherheit und Unverletzlichkeit des Territoriums manifestiert. Chacón wiederholte, dass die marokkanische Armee, die Spanien zu dieser Arbeit beglückwünschte, die Beobachtung in der Aussenzone der Grenze aufrechterhalten wird und unterstrich, "dass es nichts gibt, was den Kompromiss zwischen der marokkanischen und der spanischen Regierung in Zweifel stellen würde".
( Quelltext:  http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/246051/index.php (http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/246051/index.php) )

Unbestreitbar ist es für das "Tourismusunternehmen spanischer Staat" von Vorteil, wenn keine Nachrichten über verletzte "Grenzgänger" mehr erscheinen ( es genügen ja schon wirklich die zu Hunderten Ertrinkenden vor der kanarischen Küste ). Innovativer ist es da schon, wenn Hunger, Krankheiten und Massenverelendung und das menschenunwürdige "Schiksal" tausender MigrantInnen in den Auffanglagern der Herkunftsländer nicht etwa als Verletzung von Menschen in europäischen Schlagzeilen Furore machen.

[...]

Siehe dazu auch:
EU - ausge-Lager-te Diktatur
http://www.de.indymedia.org/2005/10/130608.shtml (http://www.de.indymedia.org/2005/10/130608.shtml)
EU Intervention gegen MigrantInnen
http://de.indymedia.org/2006/01/136467.shtml (http://de.indymedia.org/2006/01/136467.shtml)

Link   28.03.2006 - 04:56
Umfangreiche Linksammlung zu Artikeln, Lageberichten, Videos, Hintergrundinformationen, NGO's usw. zu den Ereignissen an der Grenzen zu Ceuta und Melilla seit Sep 2005:  http://at.indymedia.org/newswire/display/54580 (http://at.indymedia.org/newswire/display/54580)


Aus: "Melilla: der dritte Zaun" (tierr@ 25.03.2006 09:13)
Quelle: http://de.indymedia.org/2006/03/142086.shtml (http://de.indymedia.org/2006/03/142086.shtml)

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Quote[...] Vor drei Jahren hatten Tausende von Afrikanern versucht, in immer neuen Wellen von marokkanischem Gebiet aus in die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta einzudringen. 14 Flüchtlinge waren dabei ums Leben gekommen. Spanien ließ daraufhin die Grenzbefestigungen der beiden an der Nordküste Afrikas gelegenen Städte ausbauen und die Zäune auf bis zu sechs Meter erhöhen. Diesmal versuchten die Flüchtlinge nicht, die Zäune zu überwinden, sondern stürmten direkt auf den Übergang los und versuchten, die marokkanischen und spanischen Grenzposten zu überrennen. (peg/dpa)


Aus: "Marokko: Erneuter Ansturm auf europäische Exklave" (ZEIT online, Tagesspiegel | 23.06.2008)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2008/06/23/2556944.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2008/06/23/2556944.xml)

Title: [Innenminister wollen «keine Mauer» um Europa bauen... (ftd.de)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 07, 2008, 11:10:25 AM
Quote[...] Das Treffen der EU-Innenminister im südfranzösischen Cannes diene keineswegs der Abschottung. «Ich sehe keine Mauer um Europa», betonte Schäuble.

«Es geht nicht darum, eine Mauer zu bauen», sagte auch der luxemburgische Ressortchef Luc Frieden. Der griechische Innenminister Prokopios Pavlopoulos meinte, Europa müsse angesichts seiner Zivilisation ein Beispiel geben. «Das Wichtigste an dem Pakt ist die Verteidigung der Menschenrechte», sagte Pavlopoulos.

EU-Justizkommissar Jacques Barrot meinte, die Einwanderung nach Europa solle «harmonisch und großzügig» gestaltet werden. Der deutsche Ressortchef Schäuble erklärte: «Wir haben ein Interesse, legale Einwanderung zu steuern und illegale Migration zu bekämpfen.» Der tschechische Innenminister Ivan Langer bezeichnete den Pakt als «gute Grundlage für unsere künftige Arbeit während unserer Präsidentschaft und der schwedischen Präsidentschaft».


Aus: "Innenminister wollen «keine Mauer» um Europa bauen" (2008)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/382700.html (http://www.ftd.de/politik/deutschland/382700.html)


Title: [Bunker Europa... (Notiz, Frankreich, Deutsche Welle)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 08, 2008, 10:47:08 AM
Quote[...] Die französische Polizei hinderte den Auslandssender  Deutsche Welle nach Angaben von Korrespondent Frank Hofmann am  Montagabend daran, eine Gegendemonstration zu filmen. Das Team  wurde demnach ohne Angaben von Gründen eine halbe Stunde im Zentrum  von Cannes festgehalten, obwohl die Journalisten eine  Akkreditierung der französischen Regierung für den EU-Ministerrat  vorweisen konnten.
   
Das Team wollte den Protest von mehreren  Flüchtlingshilfeorganisationen filmen, an dem sich nach Polizeiangaben 18 Menschen beteiligten. Drei von ihnen wurden demnach in  Polizeigewahrsam genommen, die anderen zur Überprüfung ihrer  Papiere auf das Kommissariat geführt. Die zuständige Präfektur hatte für die Dauer des Innenministertreffens ein  Demonstrationsverbot verhängt. Die Demonstranten protestierten  gegen den "Bunker Europa", der aus ihrer Sicht durch EU-Pläne für  einen "Einwanderungspakt" geschaffen wird. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gab an, er habe von dem Vorfall keine Kenntnis. "Ich werde mich informieren und  gegebenenfalls tun, was zu tun ist", sagte er nach dem Treffen. Ein Beamter des  zuständigen Kommissariats bestätigte den Vorfall nur indirekt:  "Es ist möglich, dass wir einen deutschen Fernsehsender am Filmen gehindert haben." (dw / afp)


Aus: "Frankreich: Polizei hält Fernsehteam fest"  (ZEIT online, Tagesspiegel, 07.07.2008)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2008/07/07/2567670.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2008/07/07/2567670.xml)

Title: [Der Herzschlag von versteckten Immigranten... (UK, Roboter Hero)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 24, 2008, 10:49:09 AM
Quote[...] An der britischen Grenze wird seit kurzem ein kleiner Roboter eingesetzt, um in Fahrzeugen illegale Einwanderer aufzuspüren. Der von BAE Systems entwickelte Roboter Hero ist mit Scheinwerfern und Kameras ausgestattet, um die Unterseite von Lastwagen und PKWs zu untersuchen. In Calais wurde Hero nach Angaben von BAE bereits erfolgreich eingesetzt.

Entwickelt worden sei die Technik zunächst für Soldaten in Afghanistan und im Irak, um Häuser und Bomben oder Minen zu untersuchen. Die Suche nach illegalen Einwanderern, die verlangt, dass Grenzbeamte unter Lastwagen oder Bussen krabbeln, sei körperlich anstrengend und personalintensiv, erklärt Bae. Der vierrädrige Roboter wurde im Auftrag der UK Border Agency so weiter entwickelt, dass er die Arbeit der Fahrzeugkontrolle übernehmen kann.

Ausgestattet werden könnte der Roboter nicht nur mit Detektoren zum Aufspüren von chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen, sondern auch mit Sensoren, die den Herzschlag von versteckten Immigranten entdecken können.



Aus: "Roboter gegen illegale Immigranten" Florian Rötzer (23.07.2008)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/3/113182 (http://www.heise.de/tp/blogs/3/113182)

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http://www.baesystems.com/Sites/FarnboroughInternationalAirshow2008/Newsroom/autoGen_10861117197.html (http://www.baesystems.com/Sites/FarnboroughInternationalAirshow2008/Newsroom/autoGen_10861117197.html)

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Quote[...] A spokesman for the UK Border Agency said: "Last year over one million lorries were searched and we stopped a record 18,000 people. New technology is crucial in the fight against illegal immigrants."

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From: "Robot recruited in war on illegal immigrants" (20/07/2008)
Source: http://www.telegraph.co.uk/earth/main.jhtml?xml=/earth/2008/07/20/earobot120.xml (http://www.telegraph.co.uk/earth/main.jhtml?xml=/earth/2008/07/20/earobot120.xml)



Title: [Zentren zum Management von Migration... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 28, 2008, 01:23:09 PM
Quote[...] Stadt Gießen [...] Nach dem Auftritt von "Bluesdoctor" zeigte der Arbeitskreis Flüchtlinge einen Dokumentarfilm über die Ereignisse Anfang Oktober 2005. Nach der militärischen Abschottung Europas kam es an den Grenzen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu schweren Zwischenfällen. Spanische und marokkanische Grenzsoldaten erschossen elf Menschen und verletzten Hunderte von Flüchtlingen. Eine unbekannte Zahl von Flüchtlingen starb an den schweren Verletzungen, die sie sich beim Versuch, die Grenzzäune zu übersteigen, zuzogen. Nach dem Film gab es noch ein Konzert mit der Rockband "Linger", bevor die Flüchtlingsnacht in einer Party zum Kennenlernen endete.


Aus: ""Noch gut Platz für eine Menge Flüchtlinge" - Erste Gießener Flüchtlingsnacht erinnert an Drama von Ceuta und Melilla" (06.10.2008)
Quelle: http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=3947807&template=d_artikel_import&_adtag=localnews&_zeitungstitel=1133842&_dpa= (http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=3947807&template=d_artikel_import&_adtag=localnews&_zeitungstitel=1133842&_dpa=)

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Quote[...] Während viele Menschen unter den schweren Schäden leiden, die ihre Häuser teilweise unbewohnbar gemacht haben, freuen sich einige Flüchtlinge "ohne Papiere", dass sie den Weg in den Westen – zumindest vorerst – geschafft haben.

Rund 40 Afrikaner sind am Montag von Marokko aus in die spanische Exklave Melilla geflohen, nachdem die Grenzanlagen durch schwere Unwetter stark beschädigt worden waren.

Nach Angaben des spanischen Zivilschutzes wurden 17 Flüchtlinge nach dem Überqueren des marokkanischen Grenzpostens in Beni-Enzar von der Polizei festgenommen, rund 20 entkamen.

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Aus: "Unwetter: 40 Einwanderer fliehen nach Melilla" (27.10.2008)
SAZ, Autor: Susanne Thiel
Quelle: http://www.saz-aktuell.com/newsdetail~key~10549~start~1~app~review.htm (http://www.saz-aktuell.com/newsdetail~key~10549~start~1~app~review.htm)

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Quote[...]  MADRID, 27. Oktober (RIA Novosti).

[...]In der Umgebung von Melilla auf dem Territorium Marokkos halten sich ständig hunderte Migranten auf, die aus verschiedenen afrikanischen Ländern kommen, um die Grenze nach Spanien zu passieren. Sie leben in Hütten auf dem unbebauten Gelände nahe der Stadt.

Melilla ist von Marokko durch zwei Stacheldrahtzäune von einer Höhe von sechs Metern abgetrennt. Im Herbst 2006 hatte eine große Gruppe von Afrikanern versucht, mit Leitern über diese Absperrungen zu steigen. Dabei kamen drei von ihnen ums Leben.


Aus: "Afrikanern gelingt Massenflucht nach Spanien" MADRID, 27. Oktober (RIA Novosti)
Quelle: http://de.rian.ru/society/20081027/117975704.html (http://de.rian.ru/society/20081027/117975704.html)

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Quote[...] BAMAKO taz  In Malis Hauptstadt Bamako ist gestern das erste "Migrationszentrum" der EU eröffnet worden. Unter der Schirmherrschaft Frankreichs und Spaniens soll das CIGEM (Zentrum für Information und Migrationsmanagement) Malis Regierung bei der Etablierung einer eigenen Migrationspolitik unterstützen. Bei der Eröffnung waren neben dem EU-Entwicklungskommissar Louis Michel und Malis Präsident Amadou Toumani Touré viele weitere hohe Politiker anwesend.

CIGEM hat vier Aufgaben: Erforschung der Migration in Mali und der Region, Information und Unterstützung sowohl potenzieller EmigrantInnen als auch freiwillig beziehungsweise unfreiwillig Zurückgekehrter, Information über legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa und Sensibilisierung über die Gefahren der "illegalen" Migration, sowie die Einbeziehung der im Ausland lebenden Malier in die Entwicklung Malis. Wo zu Beginn noch von der Schaffung legaler Migrationsmöglichkeiten gesprochen wurde und von einem "EU-Jobcenter" , heißt es nun in der Presseerklärung: "Es ist nicht vorgesehen, dass das Zentrum Migranten dabei helfen wird, Jobs in Europa zu finden."

Die Vorbereitungen für die Eröffnungsfeier schienen nicht wie geplant zu verlaufen. So waren bis vor ein paar Tagen lediglich die Stellen der europäischen Koordinatoren und Experten besetzt, wohingegen die 40 malischen Stellen noch nahezu komplett ausstanden. Die CIGEM-Schilder standen noch im sonnnigen Innenhof des Gebäudes anstatt in der Stadt aufgehängt zu sein, und kaum ein Malier in Bamako hatte davon gehört.

Die Idee, ein Migrationszentrum in einem der wichtigsten Herkunftsländer afrikanischer Migranten in Europa zu errichten, kommt aus der Zeit, nachdem im September 2005 hunderte von afrikanischen MigrantInnen versucht hatten, die Zäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko zu überwinden. Den EU-Politikern wurde vor Augen geführt, dass Migration auch durch immer höhere Zäune nicht zu stoppen ist. So erweiterte sich die Strategie der europäischen Migrationspolitik von einer auschließlichen Militarisierung der Außengrenzen hin zu einer Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik in den Herkunftsländern. So propagiert das CIGEM die besondere Bedeutung von Migration für die Entwicklung Malis.

Von den 12 Millionen Maliern leben mittlerweile ca vier Millionen im Ausland, davon allerdings nur etwa 5 Prozent in Europa, der Rest zumeist in afrikanischen Ländern. Die Bedeutung ihrer Rücküberweisungen übersteigt mit geschätzten 300 Millionen Euro pro Jahr bei weitem Malis Entwicklungshilfe. So ist etwa die Infrastruktur in der an Senegal grenzenden Region Kayes zu 60 Prozent aus Rücküberweisungen aus Frankreich finanziert worden.

Nach dem Willen des CIGEM sollen MigrantInnen jetzt auch zu produktiven Investitionen in der Heimat animiert werden. Wie sich dieses Ziel mit den schwindenden legalen Migrationsmöglichkeiten in die EU verträgt, ist jedoch unklar. Die alltägliche Aussage auf den Straßen Bamakos "Ohne die Rücküberweisungen von Migranten hätten wir nichts zu essen" unterstreicht die lebenswichtige Bedeutung von Migration bei der Unterstützung der daheimgebliebenen Familien.

In Mali werden kritische Stimmen laut. Bereits im März endete ein Treffen von aus Europa abgeschobenen Maliern in Bamako mit der Kritik, das CIGEM werde die Migration vor allem bekämpfen. In einem "Appell von Bamako" wurde Malis Regierung aufgefordert, das Zentrum nicht zu eröffnen und mit den dafür vorgesehenen Geldern lieber die Abgeschobenen zu unterstützen.

Ousmane Diarra, Präsident der "Organisation der abgeschobenen Malier" (AME), sagt, das CIGEM "zielt auf die Kontrolle der Migrationsbewegungen und dient der Verhinderung, Abschreckung und Entmutigung." Zudem warnt er davor, dass die neue Politik der "ausgewählten Migration" von Eliten, wie sie von der EU befördert wird, zu einem neuen Phänomen der "Kleenex-MigrantInnen" füht - saubere Migration nach europäischen Bedürfnissen.

Die AME weist weiter darauf hin, dass das CIGEM in direktem Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Rücknahmeabkommen zwischen Mali und Frankreich stehen. Ein solches Abkommen, welches Abschiebungen erleichtert, soll bei der zweiten Euro-Afrikanischen Konferenz zu Migration und Entwicklung am 21. Oktober in Paris unterzeichnet werden. Die EU versucht momentan mit möglichst vielen afrikanischen Ländern solche Abkommen abzuschließen - und zugleich Zentren zum Management von Migration zu eröffnen.


Aus: "Migrationszentrum der EU in Mali - Afrikaner schon zuhause abschrecken" - Das erste afrikanische Migrationszentrum der EU wird eröffnet. Statt wie geplant als "Jobcenter" zu fungieren, wird das Zentrum CIGEM nun eher die Regierung beraten - Von THOMAS BÖWING, JANA JANICKI (06.10.2008)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/afrikaner-schon-zuhause-abschrecken/ (http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/afrikaner-schon-zuhause-abschrecken/)

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Quote[...] WIEN. Es war Folter, und das mitten in Wien, was sich am 7. April 2006 in einer Lagerhalle am Handelskai abspielte: Drei Polizisten der Sondereinheit Wega prügelten und traten auf den gambischen Schubhäftling Bakary J. ein. Sie drohten ihm an, ihn umzubringen, schleiften ihn durch die Halle und fuhren ihn mit einem Auto an. Ein vierter Beamter sorgte dafür, dass – außer ihm selbst – niemand zusah.

Bakary J., der sich zuvor seiner Abschiebung widersetzt hatte, überstand die ,,Sonderbehandlung" mit schweren Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule, Schulter, Arm, Hüften und psychisch traumatisiert. Was seinen Peinigern widerfuhr, löste ähnlich große Fassungslosigkeit aus wie das, was sie angestellt hatten. Vom Gericht wurden sie, unter der Last der Beweise geständig, wegen Quälens eines Gefangenen zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Als Disziplinarstrafen fassten sie fünf Monatsbezüge Geldstrafe für den Vorgesetzten, vier für die beiden anderen Prügelpolizisten und drei für den Zuschauer und Mitorganisator aus. Und blieben ansonsten, wenn auch dem direkten Kontakt zum Bürger entzogen, im Dienst.

Das wird sich nun ändern. Der Verwaltungsgerichtshof setzt einem schleißigen Umgang mit Misshandlungsvorwürfen, wie er den Sicherheitsbehörden in Österreich immer wieder vorgeworfen wird, ein Ende. Über Beschwerde des Disziplinaranwalts, der – wie der Menschenrechtsbeirat – die dienstrechtlichen Sanktionen für zu mild hielt, befasste er sich mit dem Fall. Ergebnis: Die Strafen müssen verschärft werden.

Das kann zumindest für den Chef des Quartetts nur die Entlassung bedeuten, sind doch die fünf Monatsgehälter die letzte Vorstufe zur Höchststrafe. Wahrscheinlich muss die zur erneuten Entscheidung berufene Disziplinarbehörde auch die drei anderen entlassen: Der VwGH klingt nicht so, als hielte er eine um ein oder zwei Monatsbezüge erhöhte Geldstrafe für ausreichend.

Der Gerichtshof wirft der Behörde vor, die Schwere der Taten viel zu gering eingeschätzt zu haben: Zu berücksichtigen sei, dass die Polizisten eine Scheinhinrichtung vorgenommen hätten, dass Folter auch durch eine UN-Konvention und die Europäische Menschenrechtskonvention verboten ist. Die Geständnisse wurden zu Unrecht als mildernd berücksichtigt: Die vier hatten ausgemacht, sie würden J.s Verletzungen als Folgen eines Fluchtversuchs hinstellen. Dass die Beamten derlei Behauptungen dann bei Gericht nicht aufrechterhielten, war laut VwGH ,,bloß eine Folge der Beweislage zu diesem Zeitpunkt".

Die Disziplinarbehörde wird die Verlässlichkeit der Beamten genauer prüfen müssen. ,,Hiebei kann die Einschätzung der belangten Behörde, die Mitbeteiligten seien ,nicht von gewalttätiger Natur', angesichts der Eigenart der Dienstpflichtverletzungen ohne Weiteres nicht nachvollzogen werden", so der VwGH (2007/09/0320). Der Gerichtshof tritt auch ausdrücklich dem Versuch entgegen, das Verhalten des vierten Mannes in günstigerem Licht darzustellen als jenes der drei, die J. physisch misshandelten.

Univ.-Prof. Gabriele KucskoStadlmayer, Spezialistin für Beamtendienstrecht und Vizevorsitzende des Menschenrechtsbeirats, begrüßt es, dass der VwGH so klare Worte über die schweren polizeilichen Misshandlungen, nicht weniger als verabredete Folter, gefunden hat. Auch der Menschenrechtsbeirat sieht sich in seiner Arbeit bestätigt. Er hatte dem Innenministerium empfohlen, ,,unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten auf die Entlassung der verurteilten Beamten hinzuwirken".

Im Vorjahr hatte der VwGH in einer Disziplinarsache für Überraschung gesorgt: Er verbot der Post, eine stehlende Schalterbeamtin kurzerhand zu entlassen. Er verlangte zu prüfen, ob die Entlassung nötig ist, um die Frau von Straftaten abzuhalten, und ob sie woanders als am Schalter eingesetzt werden könne (eine Gesetzesnovelle, wonach künftig nur noch auf die bisherige Verwendung abzustellen ist, ist in Vorbereitung). Von solchen Alternativen ist im neuen Erkenntnis keine Rede mehr. Vielmehr betont der VwGH ,,zur Vermeidung von Missverständnissen": Es sei nicht ausgeschlossen, schon bei der ersten Dienstpflichtverletzung die Entlassung zu verfügen, wenn sie ,,wie im vorliegenden Fall sehr schwer ist".

J., wegen Drogenbesitzes verurteilt, ist noch in Österreich; was aus dem aufrechten Aufenthaltsverbot wird, ist ungewiss. Über eine Entschädigung wird noch verhandelt.



Aus: "Fall Bakary J.: Härtere Strafen für Folterpolizisten" BENEDIKT KOMMENDA
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2008)
Quelle: http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/425877/index.do?_vl_backlink=/home/index.do (http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/425877/index.do?_vl_backlink=/home/index.do)

Title: ["Illegale" sollen amtlich registriert werden... (IT)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 08, 2008, 05:16:03 PM
Quote[...] Die italienische Regierung will verschärft die illegale Integration bekämpfen. Laut einem Gesetzesentwurf der Regierungspartei Lega Nord sollen Geldstrafen für das Vergehen der illegalen Immigration eingeführt werden. Wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Italien befindet, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro. Die Regierung wollte die Haftstrafe für illegale Immigration einführen, hatte nach einem scharfen Eingriff der EU aber einen Rückzieher machen müssen.

Laut dem Gesetzesentwurf, der demnächst im Parlament diskutiert werden soll, soll auch ein Register der Obdachlosen eingeführt. Bei einer landesweiten zählung sollen alle Obdachlosen im Land identifiziert werden.

[...] Ausländer, die eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, müssen ein "Integrationsabkommen" unterzeichnen. Immigranten, die gegen die Gesetze verstoßen, werden Punkte abgezogen, was zur Rücknahme der Aufenthaltsgenehmigung führen kann, heißt es in einem Papier, das vom Fraktionschef der Lega Nord im Senat, Federico Bricolo, vorgestellt wurde.

"Wer in Italien lebt, muss bestimmte Regeln respektieren. Solange ein Ausländer nicht die Staatsbürgerschaft erhält, ist er hier zu Gast. Wer die Regeln und die Legalität respektiert, hat nichts zu befürchten und wird in seiner Integration unterstützt", erklärte Bricolo.

Mit dem Gesetzesentwurf werden strenge Kontrollen zur Bekämpfung von Scheinehen zwischen Ausländern und italienischen Staatsbürgern, mit denen die Migranten schneller die italienische Staatsbürgerschaft erlangen wollen, eingeführt. Nicht-EU-Bürger, die in Italien heiraten wollen, werden künftig eine Aufenthaltsgenehmigung vorweisen müssen, lautet das Vorhaben der Lega.

(APA/Red.)



Aus: "Rom will Obdachlose zählen"
07.11.2008 | 13:37 |   (DiePresse.com)
Laut einem Gesetzesentwurf soll ein Register der Obdachlosen eingeführt werden. Für Immigranten ist eine Punkte-Aufenthalts-Genehmigung vorgesehen, sie müssen ein "Integrations-Abkommen" unterzeichnen.
Quelle: http://diepresse.com/home/panorama/welt/428594/index.do?_vl_backlink=/home/index.do (http://diepresse.com/home/panorama/welt/428594/index.do?_vl_backlink=/home/index.do)

-.-

Quote[...] Vorgesehen ist auch eine Verschärfung der Strafen für Menschenhändler, denen Haftstrafen von 15 Jahren drohen. Außerdem müssen sie eine Geldstrafe von 15.000 Euro für jede Person zahlen, die sie illegal nach Italien schleusen.

(apa/red)


Aus: "Italien will seine Obdachlosen zählen: "Illegale" sollen amtlich registriert werden" (7.11.2008)
Quelle: http://www.news.at/articles/0845/15/224831/italien-obdachlosen-illegale (http://www.news.at/articles/0845/15/224831/italien-obdachlosen-illegale)

Title: [Konflikt um unliebsame Flüchtlinge... (Österreichische Politik)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 22, 2008, 02:11:33 PM
Quote[...] Klagenfurt/Bregenz - Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (BZÖ) kennt mit tatverdächtigen oder straffällig gewordenen Asylwerbern kein Pardon. Um sie rasch außer Landes zu bringen, wäre er sogar bereit, die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auf den Prüfstand zu stellen: "Der Schutz unserer eigenen Bevölkerung und deren Wunsch nach Sicherheit darf nicht durch internationales Recht beeinträchtigt werden" , sagt er, auf GFK und EMRK angesprochen, zum Standard. Die österreichische Politik müsse sich "überlegen, inwieweit internationales Recht und nationales Recht in dieser Frage kompatibel sind" .

Den Konflikt um unliebsame Flüchtlinge hatte Dörflers Vorgänger, der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ), eröffnet. Er ließ Tschetschenen aus Kärnten abtransportieren und auf der Saualm eine eigene Unterbringungsmöglichkeit für "mutmaßlich straffällig gewordene" Asylwerber eröffnen.


Vor wenigen Wochen dann forderte Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (VP) die Abschiebung tatverdächtiger Asylwerber oder deren Verwahrung ohne rechtskräftige Verurteilung. Auf massive Kritik antwortete der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz mit dem Verweis auf einen einstimmigen Beschluss dieses Gremiums vom April 2008, der auf Initiative Jörg Haiders zustande gekommen war: Er stehe mit seinen Forderungen nicht allein.
Bereits im August hatte Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), von Sausgruber brieflich an die Forderung erinnert, mit einem langen Schreiben reagiert. Sie setzte den Landeshauptleuten die geltende nationale und internationale Rechtslage auseinander, versprach jedoch Verschärfungen. Diese wären nicht nur "hochproblematisch und sinnlos" , sagt jetzt der Asyl-Experte Georg Bürstmayr, sondern auch eine "eklatante Völkerrechtsverletzung".
In seiner Novembersitzung machte der Vorarlberger Landtag dennoch weiter Druck. Alle Parteien außer die Grünen forderten in einem Antrag vom Bund "rasche aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde, die gravierende Rechtsvorstöße zu verantworten haben" . Als Hardliner zeigt sich auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (VP): "Ich stehe grundsätzlich hinter dem Beschluss, einen bei einem Verbrechen auf frischer Tat ertappten Asylwerber entsprechend rasch abzuschieben."

Im Büro des steirischen Landeshauptmannes Franz Voves (SP) will man sich zuerst nur dunkel an den Beschluss der LH-Konferenz erinnern. "Das war noch mit dem Haider damals" , so ein Sprecher von Voves. Trotz der im Beschluss geforderten "prioritären" Behandlung der Verfahren von betroffenen Asylwerbern könne man aber ausschließen, dass Menschen "denen Folter oder unmenschliche Behandlung in ihrem Heimatland" drohe, abgeschoben werden, beschwichtigt man im Büro Voves. "Alles andere wäre gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind."

Zur Einstimmigkeit der Landeshauptleute-Forderung hat auch Burgenlands Landeshauptmann Herbert Niessl (SP) beigetragen. Hinter Niessls Zustimmung stehe - so des Landeshauptmanns argumentative Pirouette - der Wunsch "nach einer bundeseinheitlichen Regelung" . Die rechtliche Problematik sehe auch er, aber "ich erwarte mir hier von der neuen Bundesregierung eine klare, einheitliche Bestimmung, wobei es selbstverständlich ist, dass die allen nationalen und internationalen rechtlichen Vorgaben entsprechen muss".

In Kärnten indes soll die "Sonderbetreuung" auf der Saualm trotz der Flucht von Asylwerbern aus dem abgelegenen Quartier ausgeweitet werden. Bis zu 40 Asylwerber sollen dort untergebracht werden. Auch von Unterbringung kranker und traumatisierter Menschen ist die Rede. Damit niemand mehr weglaufen kann, soll eine private Security eingestellt werden. Sozialarbeiter, auch Psychologen und Krankenschwestern sollen vor Ort arbeiten. Die Kosten dafür müsste dann großteils der Bund übernehmen. (bri, cms, jub, stein, wei, ver/DER STANDDARD-Printausgabe, 22. November 2008)

Quote

I. O.
22.11.2008 10:41   

Mich erschrecht die Tatsache
...das zu solche Machenschaften unsere Regierungen, und Verfassungshoff nicht zu sagen haben!!!!! ...mit ihren Duldungen oder sogar Unterstützungen gehen solche Menschenrechtsverletzungen munter weiter...


QuoteEine Kreatur, 22.11.2008 10:59   

Re:
was sollen die sagen?
alles fest in der hand der övp .. und schauen sie mal die landeshauptleute an, wie viele övp'lerInnen dort sind .. dazu noch ein primitives "die da in wien" und jegliche kritik perlt ab wie an einem entenbürzel ..

österreich ist einfach nur tiefste provinzposse .. die österreicherInnen sind sozusagen die hillbillies europas ..


QuoteLord Helmet, 22.11.2008 10:19

Fast schon
ist es so weit dass ich mir eine schwer bewaffnete Uno Mission in Österreich wünschen würde. Unglaublich was sich da abspielt. Menschenrechte werden in Frage gestellt. Internationales Recht dem nationalen unterworfen. Der Rechtsstaat andererseits aber auch übergangen. Dämlich auf solchen rumgepickt, die sich im Regelfall eh nicht wehren können.

Könnte man bitte aufhören dafür zu sorgen dass man sich im Ausland schon schön langsam dafür schämen muss aus Österreich zu sein? Hauptsache über die Amis meckern und denken denen moralisch überlegen zu sein.

Quoteincredibile, 22.11.2008 12:06   

Re:
mag dich deiner illusionen nicht berauben..
aber was glaubst du, wie es da in anderen europäischen staaten zugeht?

schau dir spanien, italien, griechenland, schweiz ect an und lies dir berichte von AI durch.


...


Aus: ""Schutz der Bevölkerung" wichtiger als Menschenrechte" (21. November 2008)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=1227286817663 (http://derstandard.at/?url=/?id=1227286817663)

Title: [Lampedusa ... (01/2009)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 27, 2009, 01:37:15 PM
Quote[...] Lampedusa ist die größte der drei Pelagischen Inseln zwischen Tunesien und Sizilien. Die Insel gehört zur Gemeinde Lampedusa e Linosa in der italienischen Provinz Agrigent.

Lampedusa ist etwa 20 km² groß, der höchste Punkt ist Albero Sole mit 113 m s.l.m.

Die bis zu 9 km lange und bis zu 3 km breite Insel erstreckt sich in Ost-West-Richtung. Die Nordküste ist geprägt von steilen Klippen, an der Südküste befinden sich mehrere Buchten mit Sandstränden. 45 km nordöstlich von Lampedusa liegt die bewohnte Insel Linosa, 17 km nordwestlich die unbewohnte Insel Lampione.

Der Hauptort an der Ostküste heißt ebenfalls Lampedusa. Zurzeit (Stand 2005) wohnen etwa 4.500 Menschen dauerhaft auf Lampedusa, in der Hauptreisezeit allerdings zeitweilig bis zu 10.000. Die Bewohner leben vom Tourismus, vom Fischfang und von der Produktion von Fischkonserven.

[...] In den letzten Jahren verstärkte sich der Zustrom afrikanischer Flüchtlinge, die versuchen, von Tunesien und Libyen aus über Lampedusa und Sizilien den europäischen Kontinent zu erreichen. Immer wieder kommt es dabei zu Schiffsunglücken mit Todesopfern.

Lampedusa gilt als Vorposten der italienischen Behörden, illegale Einwanderer und Schmuggler auf ihrem Weg nach Europa abzufangen. 2003 wurden 8.000 Flüchtlinge registriert, 2004 schon 13.000 und 2005 verzeichnete man über 20.000 illegale Einwanderer auf der Insel.

Im Januar 2009 gelang hunderten Flüchtlingen die Flucht aus dem Auffanglager. Sie protestierten gegen die haftähnliche Situation in dem Lager, das für 850 Menschen ausgelegt, aber von 1.800 belegt wird.[1]


[...]

   1. ↑ TAZ am 26. Januar 2009


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Lampedusa (http://de.wikipedia.org/wiki/Lampedusa) (27. Januar 2009)

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Italiens Flüchtlingspolitik - Wutausbruch auf der Gefängnisinsel
Seit Italiens Regierung beschlossen hat, afrikanische Flüchtlinge auf Lampedusa festzusetzen, protestieren Inselbewohner und die Neuankömmlinge gemeinsam. "Guantánamo" und "Alcatraz" sind die Stichwörter, die die Einheimischen immer wieder in den Mund nehmen, wenn es um das neue Lager geht, und um den Plan des Innenministeriums, die Flüchtlinge nicht mehr von der Insel zu lassen, sondern Italiens Probleme mit der südlichen Seegrenze komplett von dort aus abzuwickeln: Lampedusa werde so zu "einem Gefängnis unter freiem Himmel", fürchten die Insulaner, deren Hauptverdienstquelle der Tourismus ist. ...
VON MICHAEL BRAUN
=> http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/wutausbruch-auf-der-gefaengnisinsel/ (http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/wutausbruch-auf-der-gefaengnisinsel/)

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Quote[...] (apa) Die italienische Regierung plant in den nächsten Tagen die Ausweisung von 1200 der rund 1300 Migranten, die sich derzeit auf der Insel befinden. 16 nordafrikanische Flüchtlinge traten in den Hungerstreik. Sie protestierten damit gegen die geplante Abschiebung in ihre Heimatländer.

Am Samstag hatten rund 650 Flüchtlinge die Öffnung der Lagertore erzwungen und marschierten protestierend zum Stadtzentrum. Auf dem Hauptplatz vor dem Stadthaus skandierten sie Slogans wie «Freiheit!» und «Helft uns!». Die Flüchtlinge aus Afrika wurden von den Bewohnern der Insel mit Applaus begrüsst.

Für Dienstag ist ein weiterer Streik der Bewohner Lampedusas gegen die Immigrationspolitik der Regierung Berlusconi geplant. Sie protestieren gegen das von der Regierung geplante zweite Auffanglager zur Identifizierung der Flüchtlinge.

Die neue Einrichtung soll neben dem bereits bestehenden und chronisch überlasteten Auffanglager errichtet werden. Die Regierung will, dass alle auf Lampedusa ankommenden Einwanderer auf der Insel bleiben, um all jene dann direkt wieder nach Nordafrika abschieben zu können, denen kein Asylrecht in Italien gewährt wird.

Bisher wurden die auf Lampedusa eingetroffenen Migranten in Auffanglagern auf Sizilien oder in anderen italienischen Regionen gebracht.


Aus: "Migranten aus Afrika im Hungerstreik - Angespannte Lage auf der italienischen Insel Lampedusa" (26. Januar 2009, 16:48, NZZ Online)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/international/migranten_hungerstreik__1.1790525.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/international/migranten_hungerstreik__1.1790525.html)

Title: [James Aweya hatte sich seine Reise anders vorgestellt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 22, 2009, 03:01:14 PM
Quote[...] MADRID taz - James Aweya hatte sich seine Reise anders vorgestellt. Nach einem Vorstellungsgespräch an einem Forschungsinstitut in Madrid wartete der Doktor der Informatik und Elektrotechnik im Flughafen der Hauptstadt auf seine Maschine nach Ottawa. Plötzlich näherte sich ein Grenzbeamter dem aus Ghana stammenden Afro-Kanadier, überwältigte ihn und legte dem völlig geschockten Ingenieur Handschellen an.

Eine Stunde lang wurde er gefesselt festgehalten, während die Beamten seine Identität prüften. Am Ende wurde der 47jährige freigelassen. Selbst wenn er den Job bekäme, will Aweya nicht nach Spanien zurückkommen. Ohne es zu wollen, ist er zum Symbol für die seit Wochen anhaltende Jagd auf Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung geworden.

Spaniens Polizei patrouilliert überall und kontrolliert jeden, der exotisch aussieht. Immigrantenorganisationen sprechen von einer "willkürlichen Hetzjagd. "Das ist in einem Rechtsstaat nicht zu tolerieren", heißt es in einem Kommuniqué der Vereinigung Marokkanischer Arbeiter in Spanien (ATIME).

Spanien erlebte in den letzten Jahren ein Einwanderungsboom wie kein zweites Land in der EU. Dank des Baubooms gab es Arbeit. Im Jahr 2000 lebten knapp eine Million Ausländer in Spanien, heute sind es 5,3 Millionen. Hinzu kommen mindestens eine halbe Million "sin papeles", Ausländer ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung. Jetzt wo die Arbeitslosigkeit steige, wolle die Regierung die Ausländer los werden, beschweren sich die Immigrantenverbände.

Einwanderer aus Nordafrika trifft es besonders hart. So sickerten Dienstanordnungen der Polizei durch, in denen Stadtteilkommissariate bestimmte Festnahmequoten vorgegeben bekamen. In den Anordnungen sei auch festgelegt, aus welchen Herkunftsländern die "Illegalen" möglichst stammen sollen. Die Rangliste macht sich an den Abschiebekosten fest. Da es nach Marokko per Bus und Schiff geht, sind Nordafrikaner besonders beliebt. Bolivianer sollen laufengelassen werden. Es gibt keine günstigen Flüge nach La Paz.

Die marokkanische Botschaft in Madrid hat sich inzwischen offiziell beschwert. "Wenn es ein Land gibt, dass mit den spanischen Behörden in Sachen Migration zusammenarbeitet, ist es Marokko", erklärt der marokkanische Botschafter in Madrid, Omar Azziman, gegenüber der spanischen Presse. "Ist dies die Art uns das zu danken?" fragt er.

Es handle sich "um ein Missverständnis" bei den Polizeibehörden, versuchte der sozialistische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba anlässlich einer vierstündigen Anhörung vor dem spanischen Parlament vor einer Woche die Wogen zu glätten. Die Verantwortung sieht der Minister bei den niedrigen Diensträngen: "Irgendjemand hat schlecht gearbeitet, aber nicht der Minister, nicht der Staatssekretär und auch nicht der Polizeidirektor", sagt Rubalcaba. Er habe keine generelle Jagd auf Ausländer ohne Dokumente angeordnet, sondern eine Kampagne zur "Bekämpfung der Kriminalität". Deshalb habe er die umstrittenen Dienstvorschriften ausgesetzt.

"Der Minister lügt", zitiert die Tageszeitung El Mundo einen Polizeibeamten aus Madrid, "wenn wir keine Ausländer verhaften, dürfen wir keine Überstunden abfeiern."

Trotz der Jagd auf "illegale" Einwanderer kommen auch weiterhin Immigranten in Spanien an. Sobald sich das Wetter auf hoher See beruhigt, gelangen Flüchtlingsboote an die Küsten der Kanarischen Inseln. Erst vergangene Woche kam es dabei zu einer Tragödie, als ein Boot vor der Insel Lanzarote kenterte. Fast die gesamte Besatzung kam ums Leben. 21 Menschen ertranken, darunter 16 Minderjährige. Nur sechs Flüchtlinge überlebten den Unfall.


Aus: "Spaniens Polizei jagt Migranten - Hatz auf alle, die anders aussehen" (27.02.2009)
Auf der Suche nach illegal im Land lebenden AusländerInnen verhaftet Spaniens Polizei seit Wochen willkürlich Menschen. Es geht um Festnahmequoten und Überstunden. VON REINER WANDLER
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/hatz-auf-alle-die-anders-aussehen/ (http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/hatz-auf-alle-die-anders-aussehen/)


Title: [Global Monitoring for Environment and Security... (Frontex)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 24, 2009, 11:11:38 AM
Quote[...] Weil die Bremer Raumfahrtindustrie der Grenzschutzagentur Frontex hilft, Boatpeople auf dem Mittelmeer aufzuspüren besuchten 150 DemonstrantInnen das italienische Konsulat im Viertel

Sie trugen ein Schiff den Sielwall hinauf: Mit einer symbolischen Aktion erinnerte das Bremer "Bündnis gegen Frontex" am vergangenen Samstag an die Mitverantwortlichkeit der Bremer Raumfahrtunternehmen EADS und OHB Technology bei der Flüchtlingsabwehr im Mittelmeerraum.

"Frontex" nennt sich die für Flüchtlingspolitik zuständige europäische Grenzschutzagentur, die zur verbesserten Überwachung durch Satellitensysteme mit jenen Bremer Unternehmen kooperiert. Etwa 150 Demonstrierende nahmen sich dieses Themas an und zogen vom Ziegenmarkt zum italienischen Konsulat am Sielwall.

Dort wurde ein kleines Holzschiff mit den Aufschriften "Frontex abschaffen" und "Boatpeople welcome" angekettet. Der italienische Honorarkonsul Marco-Romed Fuchs ist gleichzeitig Vorstandsvorsitzender bei OHB. Dem Bündnis zufolge vertrete er somit die aggressive Flüchtlingspolitik Berlusconis in doppelter Funktion. Seit Februar ist in Italien die direkte Abschiebung aus Lampedusa nach sechs Monaten Flüchtlingslager möglich. Die gesamte Protestaktion dauerte nur eine halbe Stunde; die Polizei beobachtete, griff aber nicht ein.

Bei OHB Technology ist die Stimmung derweil blendend: Dem allgemeinen konjunkturellen Trend entgegen vermeldete das Unternehmen blühende Raumfahrt-Landschaften. Der Umsatz lag für das vergangene Jahr bei 232 Millionen Euro und stieg damit um sechs Prozent. Die Tendenz sei weiterhin steigend, sagte Fuchs: "Für das laufende Geschäftsjahr erwarten wir eine Steigerung der Gesamtleistung um 15 Prozent." Der Unternehmensbereich Telematik und Satellitenbetrieb, der unter anderem die Systeme für Frontex entwickelt, hat dabei einen Anteil von etwa zehn Prozent.

Sowohl OHB als auch der in Bremen beheimatete "EADS Astrium"-Konzern sind für die Weiterentwicklung von Satellitenprogrammen zuständig, die Frontex bei der Organisation der EU-Grenzüberwachung als technisches Mittel dienen. Seit 2005 ist Frontex zuständig für den Schutz der Staatsgrenzen und kooperiert eng mit den nationalen Grenzbehörden, um Flüchtlingsbewegungen zu erfassen. Interesse ist es, die Technologien voranzutreiben, die beispielsweise die Überwachung des Mittelmeerraums optimieren. Und an dieser Stelle kommen die Bremer Unternehmen ins Spiel: Die so genannte "SAR-Lupe" ist ein Satellitensystem, das jederzeit Bilder in hoher Auflösung von bestimmten Punkten auf der Erde liefern kann. Sie wurde im Jahr 2006 von OHB Technology entwickelt und zunächst nur von der Bundeswehr genutzt.

Unter anderem arbeite die von der Europäischen Kommission und der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA getragene Initiative "Global Monitoring for Environment and Security" (GMES) mit dieser Technologie, sagt Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Die GMES wurde 2006 gegründet, um Krisenmanagement bei Umweltkatastrophen zu vereinfachen.

Mittlerweile aber werde das vorhandene Instrumentarium auch für die EU-Sicherheitspolitik und Frontex genutzt, bestätigt Marischka. "Es gibt zwei nachgewiesene Fälle, in denen Frontex sich der Technologien der GMES-Projekte bedient hat", sagt er: "Testweise bei der Drogenbekämpfung der französischen Marine in der Karibik und für die Überwachung des EU-Lateinamerika-Gipfels in Lima."


Aus: "Globale Monitore aus Bremen" VON JENS UTHOFF (24.03.2009)
Quelle: http://www.taz.de/regional/nord/bremen/artikel/?dig=2009%2F03%2F24%2Fa0145&cHash=35f2d2d80b (http://www.taz.de/regional/nord/bremen/artikel/?dig=2009%2F03%2F24%2Fa0145&cHash=35f2d2d80b)

Title: [Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs gelang es... (Malta)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 24, 2009, 12:01:12 PM
Quote[...] Es ist der zweite Aufstand in einem der geschlossenen Flüchtlingslager auf Malta innerhalb weniger Wochen. Heute morgen gegen 7 Uhr versuchten bis zu 600 Bootsflüchtlinge aus dem Haftlager Safi auszubrechen. Sie steckten zwei Gebäude in Brand, darunter einen größeren Aufenthaltstrakt, in dem viele Lagerinsassen schlafen. Die Schäden sollen erheblich sein.

Bei den Rebellierenden handelt es sich nach Angaben des maltesischen Innenministeriums um Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden. Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs gelang es den Aufstand nach zwei Stunden niederzuschlagen. Dabei wurden zwei Beamte verletzt. Entgegen ersten Meldungen ist es jedoch keinem Lagerinsassen gelungen, zu fliehen.

Nach einem Aufstand auf der süditalienischen Insel Lampedusa war Mitte Februar ein großer Teil des dortigen Flüchtlingslagers niedergebrannt. Auf Malta gibt es mehrere geschlossene Haftlager für Bootsflüchtlinge. Diese werden dort bis zu 18 Monate eingesperrt. Die Zustände in den Lagern werden oft kritisiert. Erst vor kurzem hatte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ihre Arbeit dort aus Protest gegen die schlechten Bedingungen eingestellt.

...


Aus: "Insassen versuchen auszubrechen - Revolte in Flüchtlingslager auf Malta" Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom (23.03.2009)
Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/malta114.html (http://www.tagesschau.de/ausland/malta114.html)

Title: [Einwanderungsministerium vermeldet stolz die Abschiebungszahlen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 30, 2009, 10:08:23 AM
Quote[...] Wer in Frankreich die Einreise, die Bewegungsfreiheit oder den illegalen Aufenthalt eines Ausländers zu erleichtern versucht, muss mit bis zu fünf Jahren Haft und einer Geldbuße von 30.000 Euro rechnen. In einem Nachtrag zum Haushaltsgesetz 2009 werden Quoten für die «Unterstützer» gesetzt: 5.000 im laufenden Jahr, 5.500 im Jahr 2011. Zwtl: Abschiebequote um 4.000 überschritten Das von Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei seinem Amtsantritt geschaffene Einwanderungsministerium vermeldet jedes Jahr stolz die Abschiebungszahlen. Das Ziel für 2008 von 26.000 Ausweisungen wurde um knapp 4.000 übertroffen. Dass jetzt auch Sollwerte zur Verhaftung von Helfern erfüllt werden müssen, hält Einwanderungsminister Eric Besson für «unausweichlich» im Kampf gegen Menschenschmuggler.

[...] Jean-Claude Lenoir, Lehrer und Vizepräsident der Hilfsorganisation Salam, wurde im November verhaftet, als die Polizei mit Spürhunden und Helikoptern Einwanderer zusammentrieb. Im Februar musste er wegen Beleidigung von Polizisten vor Gericht erscheinen. Der Prozess wurde auf Juni vertagt. In der vergangenen Woche wurde eine Salam-Mitarbeiterin vier Stunden verhört, die zwei Immigranten in ein Krankenhaus fuhr. «Es gibt mehr und mehr Druck und Einschüchterung», sagt Lenoir. In der südfranzösischen Hafenstadt Marseille geriet die internationale Hilfsorganisation Emmaus in die Bredouille. Nachdem sie einem Ausländer ohne Papiere Unterkunft gewährt hatte, wurde ein Mitarbeiter sechs Stunden lang verhört. «Es gibt keine rechtliche Definition für jemanden, der Immigranten unterstützt», sagt Emmaus-Sprecher Teddy Roudaut. «Deswegen kann das Gesetz gegen jemanden angewendet werden, der Suppe ausschenkt.» Obwohl Emmaus keine Menschenschmuggler verteidige, werde das Gesetz gegen die Gruppe angewendet. «Jetzt fürchten wir, zum Reservoir für die Quoten des Innenministeriums zu werden. 


Aus: "Wenn das Austeilen von Suppe zum Risiko wird - Frankreich macht Jagd auf Helfer von Immigranten"
Von Elaine Ganley (29.03.2009)
Quelle: http://www.pr-inside.com/de/wenn-das-austeilen-von-suppe-zum-r1148301.htm (http://www.pr-inside.com/de/wenn-das-austeilen-von-suppe-zum-r1148301.htm)

Title: [Die humanitäre Situation katastrophal... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 31, 2009, 10:12:28 AM
Quote[...] An den Küsten Italiens trafen im Vorjahr nach Angaben des Innenministeriums rund 36.500 Bootsflüchtlinge ein. Der Großteil von ihnen startete die gefährliche Reise über das Mittelmeer von Libyen aus. Oft geraten die überladenen Boote in Seenot und kentern.

Zehntausende Menschen aus Afrika wagen jährlich die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa auf unzureichend ausgestatteten Booten. Die Flüchtlingslager in Italien und Spanien sind hoffnungslos überfüllt, die humanitäre Situation katastrophal.

pad/dpa


Aus: "DRAMA VOR LIBYENS KÜSTE - Boote mit knapp 600 Flüchtlingen an Bord gesunken" (31.03.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,616418,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,616418,00.html)

Title: [Es gibt ein Schweigen in Berlin... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 04, 2009, 10:03:40 AM
Quote[...] Schulz: Herr Kopp, wenn künftig niemand mehr Schiffbrüchige an Bord nähme, ohne zynisch fragen zu wollen, wie viele Menschenleben würde eine solche neue Zurückhaltung kosten?

Kopp: Wir haben jetzt schon wirklich Tausende von Toten. Über 10.000 Tote wurden dokumentiert in den letzten zehn Jahren. Die Cap Anamur hat - niemand bestreitet das - 37 Menschen vor dem sicheren Tod bewahrt und es ist völlig unverständlich, dass heute versucht wird, politisch motiviert humanitäre Hilfe zu kriminalisieren. Und von daher: es geht heute genau um die gleichen Fragen wie vor fünf Jahren. Morgen diskutieren die Innenminister über diese Frage. Der EU-Kommissar sagt, ihr müsst euch endlich einigen: Wer ist zuständig bei Lebensrettung? Ihr dürft nicht tagelang wie vor kurzem darüber streiten, wer lässt die Leute anlanden und sie unter erbärmlichen Bedingungen beispielsweise auf dem türkischen Schiff Pinar warten lassen, vegetieren lassen. Das ist die Realität und eine andere Realität ist, dass praktisch die italienische Regierung wie kürzlich geschehen fünfhundertfach Menschenrechte, Flüchtlingsrechte verletzt und Bootsflüchtlinge nach Libyen zurück bringt in Haftlager des Herrn Gaddafi, und das ist kein Straftatbestand, der irgendwie angeklagt wird, das wird nicht mal in EU-Kreisen kritisiert. Es gibt ein Schweigen in Berlin, es gibt ein Schweigen in Brüssel zu diesem Thema.

Schulz: Herr Kopp, was ist also gewonnen durch die Aktion Elias Bierdels vor fünf Jahren?

Kopp: Die Lebensrettung hat den Finger in die Wunde Europas gehalten, nämlich den größten Menschenrechtsskandal ganz klar noch mal dokumentiert, dass vor unseren Toren jeden Tag Menschen sterben und dass diese Seefriedhöfe Tag für Tag größer werden. Aus dem Grund wurde dieses Exempel statuiert von Herrn Schily und damals von seinem Kollegen Pisano, dass man sagt, diesem Lebensretter machen wir den Prozess, wir schrecken ab. Die 37 Menschen, die gerettet wurden, hatten nie ein faires Asylverfahren. 36 von ihnen wurden nach einem kurzen Prozess abgeschoben. Es sollte abschrecken, dass in Zukunft so was nicht noch mal passiert.


...


Aus: "Bierdel-Prozess dokumentiert "den größten Menschenrechtsskandal"" (03.06.2009)
Pro Asyl: Anklage gegen ehemaligen Cap-Anamur-Chef dient der Abschreckung
Karl Kopp im Gespräch mit Sandra Schulz
Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/975397/ (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/975397/)

Title: [Auf dem offenen Meer zurückgedrängt... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 06, 2009, 12:29:26 PM
Quote[...] Mit einem gemeinsamen Positionspapier fordert ein Bündnis bestehend aus Amnesty International, AWO, Caritas, Diakonie, Deutscher Anwaltsverein, Deutsches Rotes Kreuz, Neue Richtervereinigung, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und PRO ASYL eine grundlegende Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik.

Die Organisationen werfen der EU Völkerrechtsverletzungen vor, wenn Schutzsuchende durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex auf dem offenen Meer zurückgedrängt werden. Deutschland stelle dafür Hubschrauber zur Verfügung und leiste damit Beihilfe zum völkerrechtswidrigen Verhalten. ,,Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch auf Hoher See", betont Rechtsanwalt Reinhard Marx, ,,Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass es den Vertragsstaaten nicht erlaubt ist, die Konventionen im eigenen Hoheitsgebiet oder außerhalb des eigenen Territoriums zu verletzen. Aufgegriffenen Asylsuchenden muss ein wirksamer Zugang zu einem Asylverfahren in der EU gewährt werden."

Die Organisationen fordern eine faire Teilung der Verantwortung bei der Verteilung von Flüchtlingen in den Mitgliedstaaten. In der Dublin II-Verordnung ist festgelegt, dass der Staat, über den Schutzsuchende die EU erreichen, für die Behandlung des Asylsuchenden zuständig ist. Dadurch werden insbesondere die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der EU wie Griechenland oder Malta mit einem hohen Zugang konfrontiert. Weil diese Staaten mit der Verantwortung allein gelassen werden, greifen sie zu einer rigiden Grenzpolitik und drastischen Abschottungsmaßnahmen. Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL: ,,Tausende von Toten an den EU-Außengrenzen, dramatische Defizite in der Qualität der Asylverfahren und in der Unterbringung von Asylbewerbern und die Inhaftierung von Schutzsuchenden sind ein Skandal – und mittelbare Folge des Dublin II-Systems."

Amnesty International und PRO ASYL wenden sich gegen die im derzeit auf EU-Ebene verhandelten ,,Stockholmer Programm" vorgesehene Ausweitung der europäischen Abschottungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge in Transit- und Herkunftsstaaten und die Zusammenarbeit mit diesen Staaten unter Missachtung der Menschenrechte. ,,Die EU darf den ,,Türsteherjob" beim Zugang zur Festung Europa nicht auf Transitstaaten verlagern" sagte Wiebke Hennig, Flüchtlingsreferentin von Amnesty International. ,,Staaten wie Libyen oder Mauretanien sind kein Schutz-Raum für Flüchtlinge, sondern weisen ihrerseits eine hochproblematische Menschenrechtsbilanz auf." Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn die EU Transitländer dabei unterstützt, ein funktionierendes Schutzsystem zu errichten. Die fortbestehenden gravierenden Schutzdefizite in Drittländern dürfen jedoch nicht verschleiert und die Unterschiede in den nationalen Schutzkapazitäten und der Bedarf nach mehr Solidarität im internationalen Flüchtlingsschutz müssen anerkannt und berücksichtigt werden.

* Quelle: Website von pro asyl; www.proasyl.de


Aus: ""Tausende von Toten an den EU-Außengrenzen sind Folge des Dublin-II-Systems""
(Uni Kassel, AG Friedensforschung, 2009)
Quelle: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Europa/fluechtlinge2.html (http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Europa/fluechtlinge2.html)

Title: [Griechenlands Immigranten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 14, 2009, 10:16:32 AM
Quote[...] Griechenland grenzt im Norden an Ablanien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonion (international FYROM), Bulgarien und zum Osten an die Türkei. Der Landweg von der Türkei nach Griechenland ist vermint. Regelmäßig sterben Menschen bei dem Versuch, das Minengebiet der Evros Region im Grenzgebiet zur Türkei zu durchqueren. Doch auch der Seeweg ist nicht sicher. Auf kleinen Booten versuchen Schieber im Schutz der Dunkelheit ihre menschliche Fracht von der Türkei aus auf eine griechische Insel zu bringen. Werden sie dabei behelligt, versuchen die Menschenhändler ihre Flucht zu erleichtern, indem sie die Flüchtlinge einfach im Wasser aussetzen. Die griechischen Grenzschützer sind machtlos. Sie sind zu schlecht ausgerüstet und unzureichend geschult (18).

Die meisten der Flüchtlinge hatten nach eigener Aussage ursprünglich gar nicht vor, in Griechenland zu bleiben. Ihr Ziel ist Westeuropa. Viele sammeln sich daher in und um die Hafenstädte Patras und Igoumenitsa. Rund um die Hafenstädte haben die Heimatlosen provisorische Lager errichtet, die an die Slums von Kalkutta erinnern (21). Auf abenteuerlichen Wegen versuchen sie, auf eine der Fähren zu kommen. Dass sie dabei meist Kopf und Kragen riskieren, nehmen die meisten in ihrer Verzweiflung in Kauf.

Von dort, so ihr Traum, können sie ins nächste Schengen-Land, Italien, gelangen. Die Durchgangsstation Griechenland bedeutet jedoch gemäß dem Dublin-II-Abkommen, dass Griechenland für die Asylverfahren und die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich ist. Schnell verfangen sich die verzweifelten Asylsuchenden im neuen Aufnahmeland in der Tücke des Dublin-II-Rechts, das de facto die reicheren westlichen Staaten der EU abschottet und die humanitäre Katastrophe auf Länder wie Griechenland abwälzt. So schwer der Weg aus Griechenland heraus auch ist, die Abschiebung aus Deutschland, Italien oder Österreich zurück ins hellenische Chaos geht schnell.

Folgerichtig suchen viele der Flüchtlinge die Anonymität der Großstadt. In der Millionenstadt Athen sind bereits ganze Stadtviertel mehrheitlich von Asiaten und Afrikanern bewohnt. Das gilt besonders für die Straßen um den Omonia Platz, das Stadtviertel Kypseli und das [...] Viertel Agios Panteleimonas. Die sozialen Spannungen in diesen Vierteln sind groß.

Einerseits klagen die Immigranten über Diskriminierung, andererseits befürchten die Griechen angesichts von Schulen, die Klassen mit mehr als 50% Ausländeranteil haben, um die Chancen ihrer Sprösslinge beim einheitlichen Zentralabitur. Positiv ist, dass zumindest die Schulbildung für einige Flüchtlingskinder ermöglicht wurde.

Die Immigranten nutzen meist mangels Alternative minderwertigen Wohnraum in Kellerappartements. Mehr als 500 illegale Einwanderer leben in einem besetzten ehemaligem Gerichtsgebäude am Omoniaplatz, ohne sanitäre Einrichtungen und ohne Elektrizität.

Das griechische Gesundheitssystem leidet unter einem chronischen Defizit. Krankenhäuser, vor allem in abgelegenen Regionen, sind oftmals nicht in der Lage, mehr als die Grundversorgung sicher zu stellen. Griechen müssen oft tief in die Tasche greifen, um durch Bestechung einen Platz in einem Krankenhaus zu erhalten. Kein Wunder, dass sich HIV-positive Migranten über das Fehlen jeglicher Versorgung beschweren. Unregistrierte, chronisch kranke Flüchtlinge werden, so ergaben eigene Recherchen, oft von Krankenhäusern abgewiesen. Zu kostenintensiv sei deren Betreuung, so die in privaten Gesprächen erteilte Begründung. Hilfe erhalten Notleidende von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen (22).

Unter den Heimatlosen grassieren Hepatitis B, ansteckende Hautkrankheiten, HIV und Tuberkulose. Weil viele, männlich oder weiblich, der illegalen Prostitution nachgehen und viele der Freier beim schnellen Sex auf den Verzicht von Kondomen bestehen, trägt diese Situation auch zu Griechenlands Status als AIDS-Exportnation bei (23). Es ist bezeichnend, dass Rassisten dies gern als Argument gegen den Flüchtlingsstrom verwenden, dabei aber übersehen, dass die Freier aus den eigenen Reihen stammen können. Dass besonders Freier von homosexuell agierenden Strichern ein gesellschaftliches Doppelleben führen, verschärft die Gefahr der Ausbreitung von Infektionen zusätzlich.

Angesichts der katastrophalen humanitären Situation, die sich mit starken fremdenfeindlichen Tendenzen in der wirtschaftlich gebeutelten Bevölkerung zu einem explosiven Gemisch vereint, sollte man entschlossene politische Maßnahmen zur Krisenbewältigung erwarten. Erforderlich sind Aufklärungsarbeit, humanitäre Sofortmaßnahmen aber vor allem eine Bewältigung des Problems an der Wurzel des Übels, der kafkaesken Bürokratie.

Regierungschef Kostas Karamanlis von der Nea Dimokratia hat versucht, innerhalb der EU Solidarität für das griechische Flüchtlingsdrama zur gewinnen. Beim EU-Gipfel im Juni 2009 versuchte der Grieche das Problem zum Tagesthema zu machen (30). Das Aufgabe sei für seine Regierung nicht mehr lösbar. Er hatte damit keinen Erfolg. In Zeiten der Wirtschaftskrise war kein Staatschef bereit, dem bedrängten Kollegen Hilfe zu leisten.

Stattdessen wird das Asylgesetz weiter verschärft. Am 18. Juni wurde von dem in Sommerbesetzung (100 statt 300 Abgeordnete) tagenden Parlament eine Novelle verabschiedet,

- nach der die maximale Dauer der Abschiebehaft von bisher drei auf sechs bis zwölf Monate verlängert wird. Damit, so die Gesetzgeber, solle dem Rassismus Einhalt geboten werden. Die verlängerte Haft solle verhindern, dass der abgelehnte Asylant kriminelle Straftaten begehen, somit eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen würde. Als gefährlich wird der Asylsuchende bereits dann eingestuft, wenn gegen ihn wegen eines Vergehens, bei dem eine Haftstrafe von mehr als drei Monaten möglich ist, Anklage erhoben wird. Eine Verurteilung ist nicht erforderlich.

[...] Wer einem illegalen Immigranten Fluchthilfe leistet, kann mit einer Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren bestraft werden. Darüber hinaus muss eine Geldstrafe von mindestens 20.000 Euro bezahlt werden. Dieser Passus betrifft ausdrücklich auch jene, die aus Unwissen oder in humanitärer Absicht handeln. Denn gewerbsmäßige Fluchthilfe wird mit mindestens zehn Jahren Zuchthaus (bisher zwei) und mindestens 50.000 Euro Strafe bedroht. Als gewerbsmäßiger Fluchthelfer gilt bereits, wer zusammen mit einer weiteren Person den illegalen Grenzübertritt ermöglicht.

Selbst arglose Touristen oder LKW-Fahrer sind nun mit Zuchthaus bedroht. Regelmäßig springen in den Häfen von Patras und Igoumenitsa wagemutige Flüchtlinge auf LKWs oder PKW-Anhänger. Einzelne Touristen berichteten bereits vor Verabschiedung des Gesetzes über ihre eigene Festnahme. So wurde ein deutsches Freundespaar tagelang festgehalten und dem Schnellgericht überstellt, weil sich Palästinenser in einem unbeaufsichtigten Moment im Bootsanhänger versteckt hatten. Die Freunde hatten Glück, denn die Palästinenser sagten vor Gericht aus, dass sie das Boot ohne Einwilligung der Deutschen bestiegen hätten. Nach dem neuen Gesetz könnte allerdings sogar das PKW-Bootsanhänger-Gespann beschlagnahmt werden.

Die Tatsache, dass Menschenschiebern drakonische Strafen drohen, die bei Unfällen mit Todesfolge bis zu 700.000 Euro pro Flüchtling betragen können, trägt nach Aussage der Gesetzesväter auch zur Belebung der Staatsfinanzen bei. Die Novelle wurde gemeinsam vom Finanzminister Ioannis Papathanassiou, dem Justizminister Nikolaos Dendias und dem stellvertretenden Innenminister Christos Markogiannakis eingereicht.

Eine Vervierfachung der Haftdauer bedarf einer adäquaten Kapazität an Unterkunftsmöglichkeiten. Die Regierung plant deshalb die Errichtung spezieller Gefängnisse in stillgelegten Kasernen des Heeres und der Luftwaffe.

Bisher bestehen zwölf Abschiebehaftanstalten, die vom Innenministerium als ,,Zentren zur Aufnahme von illegalen Einwanderern" bezeichnet werden. Diese Lager haben eine Kapazität von 2.200 Personen. Innerhalb kürzester Zeit möchte das Ministerium landesweit Kasernen in ,,humanitäre Einrichtungen für die Beherbergung der Abschiebehäftlinge" umfunktionieren. Nach Angaben der Zeitung ,,To Vima" soll jeder Insasse den Staat täglich lediglich 5,70 Euro kosten (26). Zehn Lager sind in und um Athen herum geplant, der Rest soll im gesamten Land verteilt werden.

Die Mehrzahl der Bürgermeister, deren Gemeinden als Lagerstätten auserkoren sind, protestiert und kündigt scharfen Widerstand an. Die Kommunistische Partei bezeichnet die geplanten Zentren als ,,Konzentrationslager" (29). Die PASOK und das Linksbündnis SYRIZA werfen Karamanlis vollkommen planlose und verfehlte Politik vor. Oppositionsführer Georgos Papandreou von der PASOK warf der Regierung vor, sie hätte überhaupt kein Konzept für eine Migrationspolitik und würde keine Unterscheidung zwischen Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen treffen. Er stellte einen Acht-Punkte-Plan zur Integration von legalen Immigranten, Asylanten und Flüchtlingen der zweiten Generation vor. Die illegale Einwanderung möchte jedoch auch er mit schnellen Abschiebungen bekämpfen.

Die ,,Volkspartei der orthodoxen Sammlung" (LAOS) von Georgios Karatzaferis war die erste Partei, die vor einer ,,Überfremdung" warnte. LAOS verdoppelte bei den Europawahlen im Juni 2009 mit einem einfachen ,,Law and Order" Programm ihren Stimmanteil auf 7,15 Prozent. Somit zählte die Partei zu den Wahlsiegern. Die ursprünglich als Sammelbecken für Dissidenten des rechten Flügels der Nea Dimokratia gegründete Partei hatte in ihren ersten Jahren mit stramm rechtem Kurs der Nea Dimokratia Stimmen abgeworben und dadurch einen Sitz bei den Europawahlen 2004 errungen. Seit September 2007 ist Karatzaferis Bündnis auch im Athener Parlament vertreten. Karatzaferis, ehemaliger Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, versucht seiner ehemaligen Partei, der Nea Dimokratia, Stimmen abzugewinnen. Er benutzt dabei sowohl rechtskonservative als auch soziale Themen (31). Er greift die Wirtschaftspolitik der Regierung an und forderte bereits vor den Europawahlen eine schärfere Politik gegen illegale Einwanderung.

In einem Interview, das vom staatlichen Radiosender NET am 15. Juni gesendet wurde, forderte er eine europaweite Quotenregelung für Asylanten. Es könne nicht sein, dass ,,wir 20 Prozent Asylsuchende in der Bevölkerung haben und das übrige Europa nur 2- 2,5 Prozent". Im Übrigen beruft sich der Politiker auf das Parteiprogramm der deutschen ,,Die Linke" von Oscar Lafontaine, dass er mit Begeisterung abgeschrieben habe. Gleichzeitig aber bietet er Karamanlis eine konstruktive Regierungsunterstützung an. Die Nea Dimokratia sei ,,sein Herzblut".

Es mag angesichts solcher politischen Äußerungen für Außenstehende schwer verständlich sein, aber LAOS erhält mit dieser Taktik steten Zulauf von prominenten, ehemaligen Unterstützern aller Parteien.

Die poppigen Sprüche und flotten Parolen der noch jungen und unverbrauchten Partei wirken schneller als komplizierte Parteiprogramme. Soziale Themen gemischt mit konservativen Forderungen verwischen die politische Einordnung. Die übrigen Oppositionsparteien geraten angesichts der öffentlichkeitswirksamen Auftritte von LAOS-Politikern in den Hintergrund.

Premier Karamanlis nutzt in diesem Zusammenhang die Gelegenheit, mit einer eigenen ,,Law and Order" Kampagne zu Lasten einer durchdachten Migrationspolitik politisch zu punkten. Seine Minister versuchen, Karatzaferis Parolen mit ihren Gesetzesnovellen zu übertreffen. Die Regierungspartei verspricht sich davon den Zulauf verlorener Protestwähler.

Die immensen wirtschaftlichen Probleme des Landes und massive Steuererhöhungen geraten damit kurzfristig aus dem Blickfeld der breiten Öffentlichkeit (32). Die Probleme der Flüchtlinge werden so allerdings nicht wirklich gelöst, sondern nur kurzfristig unter den Teppich gekehrt.


Literatur und Quellennachweise:

[...] 18. New York Times zum griechischen Migrationsproblem, Niki Kitsantonis, Oktober 2007, http://www.nytimes.com/2007/10/04/world/europe/04iht-migrate.4.7756077.html

19. Menschenrechtsbericht 2008 der US Regierung über Griechenland http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2008/eur/119082.htm

20. Süddeutsche Zeitung ,,Patras ist die Hölle für Flüchtlingskinder", 17.06.2008: http://www.sueddeutsche.de/politik/204/445940/text/9/

21. Der Journalist Gerd Höhler zum Flüchtlingslager in Patras, http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/welt/2009/4/26/news-118058660/detail.html

22. Humanitäre Organisation Praksis, Pressemitteilung zur medizinischen und sozialen Betreuung von Flüchtlingen, 17. Juni 2009, http://www.praksis.gr/default.asp?pid=16&la=1&did=85

23. Sybille Möckl in ,,Die Welt", 3.Juni 2009, Griechenland als AIDS-Exportnation, http://www.welt.de/die-welt/article3849103/Import-Export-Bilanz-bei-Aids.html

24. Novellierung des Gesetzes zum Asyl – Juni 2009 (griechisch): http://www.parliament.gr/ergasies/nomosxedia/Tropologies/656/M-NARKOT.600.pdf

25. Englische Analyse zum neuen Gesetz, "New Laws Being Rushed in Against Migrants", Apostolis Fotiadis: http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=47329

26. Neue Lager für Flüchtlinge - To Vima, 14.Juni.2009 (griechisch): http://www.tovima.gr/default.asp?pid=2&ct=32&artid=273519&dt=14/06/2009

27. Konzentrationslager statt Wohnheime, eu-digest, 12. Juni 2009, http://www.eu-digest.com/2009/06/setimescom-greece-moves-to-curb-illegal.html

28. Karamanlis bittet um EU-Hilfe für Flüchtlinge, Kathimerini, englische Ausgabe vom 16.Juni.2009, http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_articles_politics_100002_16/06/2009_108103

29. Profil von Georgios Karatzaferis beim Europaparlament: http://www.europarl.europa.eu/members/expert/inOut/viewOutgoing.do?language=DE&id=28587

30. Englischer Wikipedia Eintrag zu Georgios Karatzaferis: http://en.wikipedia.org/wiki/Georgios_Karatzaferis

31. Abschrift eines Radiointerviews von Karatzaferis für den Staatssender NET 15. Juni, 2009 (griechisch): http://economics.soc.uoc.gr/EuropeanIntegration/print.php?sid=1066

32. Athen dreht an der Steuerschraube, Handelsblatt, 25. Juni 2009: http://www.handelsblatt.com/politik/international/athen-dreht-an-der-steuerschraube;2394152



Aus: "Griechenlands Immigranten - ein humanitäres Drama " Von WASSILIOS ASWESTOPOULOS (13. Juli 2009)
Quelle: http://www.hintergrund.de/20090713423/politik/eu/griechenlands-immigranten-ein-humanit%C3%A4res-drama.html (http://www.hintergrund.de/20090713423/politik/eu/griechenlands-immigranten-ein-humanit%C3%A4res-drama.html)

Title: [...sagte der Ministerpräsident ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2009, 01:05:08 PM
Quote[...] Abbott hatte [ ] lediglich erklärt, die Kommission wünsche von Italien eine Erklärung zu Medienberichten, denen zufolge ein Boot voller Flüchtlinge nach Libyen zurückgeschickt worden sei. Die italienische Regierung hatte entgegnet, das Boot sei in internationalem Gewässer gewesen.

Berlusconi warf der Kommission vor, die italienischen Medien "manipuliert" zu haben. "Ich bitte darum, dass Kommissare und Kommissionssprecher, die diesen Trend schon jahrelang fortsetzen, gefeuert werden", sagte der Ministerpräsident.

...




Aus: "Streit um Flüchtlingspolitik:  Berlusconi fordert Maulkorb für EU-Kommissare" (1. September 2009)
Quelle: http://www.stern.de/politik/ausland/streit-um-fluechtlingspolitik-berlusconi-fordert-maulkorb-fuer-eu-kommissare-1506644.html (http://www.stern.de/politik/ausland/streit-um-fluechtlingspolitik-berlusconi-fordert-maulkorb-fuer-eu-kommissare-1506644.html)

Title: [Die Flüchtlingsproblematik im Mittelmeerraum... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2009, 10:53:11 AM
Quote[...] Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen die EU-Staaten künftig eine gemeinsame Prioritätenliste der Krisengebiete und der schutzbedürftigen Gruppen aufstellen, die am dringendsten Hilfe benötigen. Vorbild ist der im vergangenen Jahr auf deutsche Initiative gefasste Beschluss, insgesamt 10'000 Iraker aus Flüchtlingslagern in Jordanien oder Syrien in die EU umzusiedeln. Wie in diesem Fall soll aber auch künftig jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden, ob er tatsächlich Flüchtlinge aufnehmen will oder nicht.

Der zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot äusserte die Erwartung, die freiwillige Aufnahme von Asylbewerbern aus Krisengebieten könnte den Ansturm von Flüchtlingen auf die EU-Aussengrenzen verringern. Er glaube, «dass wir den Migrationsdruck verringern werden», weil durch eine Aufnahme bereits in den Krisengebieten erreicht werden könne, dass Flüchtlinge «nicht Menschenhändlern in die Fänge geraten, die sie dann in die EU bringen», erklärte Barrot.

Ein weiteres Thema im EU-Innenministerrat wird nebst den minderjährigen Flüchtlingen auch die Flüchtlingsproblematik im Mittelmeerraum sein. Frankreich wollte am Montag durchsetzen, dass illegale Einwanderer bereits im Mittelmeer abgefangen und zurückgeführt werden.


Aus: "EU-Innenminister diskutieren Flüchtlingsproblematik" (22. September 2009)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/international/eu-neuansiedlungsprogramm_1.3620708.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/international/eu-neuansiedlungsprogramm_1.3620708.html)

Title: [Das DHM, Bernd Neumann und die Festung Europa... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 18, 2009, 02:38:34 PM
Quote[...] Wie der Sprecher des Deutschen Historischen Museums gegenüber der ZEIT bestätigte, war eine große Texttafel, die sich mit der Situation von Migranten in Deutschland von 1989 bis heute beschäftigt, auf ausdrücklichen Wunsch des im Kanzleramt angesiedelten Kulturstaatsministers ausgetauscht worden. Das Ministerium hatte auch gleich die neue, genehme Formulierung geliefert.

Der ursprünglich vorgesehene Text hatte mit den Sätzen geendet: »Neue Gesetze über Staatsangehörigkeit und Zuwanderung schufen erst seit der Jahrtausendwende die neuen Rechtsgrundlagen. Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die ›Festung Europa‹ soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.« In der nun ausgestellten Version fehlen die letzten beiden Sätze. Stattdessen steht da nun die staatliche Bekanntmachung: »Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert seitdem staatlicherseits die Integration von Zuwanderern in Deutschland.«

»Selbstverständlich kümmert sich ein Integrationsbeauftragter um Integration«, sagt Dieter Gosewinkel, der viel zu Fragen von Staatsbürgerschaft und Migration im deutsch-französischen Vergleich geforscht hat: »Doch der Ausstellungstext hatte ursprünglich eine ganz andere Aussage. Eine Aussage, die nicht aus wissenschaftlichen Gründen korrigiert, sondern aus politischem Kalkül gestrichen wurde.«

Ist dieser Vorfall Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien? Wird nach dem Wahlsieg von Schwarz-Gelb jetzt auch ideologisch durchregiert? (Der Staatsminister hat auf Fragen der ZEIT bis Redaktionsschluss nicht reagiert.)

Besonders skandalös ist der politische Eingriff in die Arbeit des Deutschen Historischen Museums (DHM) vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Hauses. Das zu DDR-Zeiten im Zeughaus angesiedelte Museum für Deutsche Geschichte unterstand direkt dem ZK der SED. In der Gründungsphase des bundesrepublikanischen DHM hatten sich die beratenden Historiker – darunter Lothar Gall, Jürgen Kocka, Michael Stürmer und Richard Löwenthal – die Unabhängigkeit des neuen Nationalmuseums von den Einflüssen der Politik ausbedungen. Bisher hatte sich das Museum, soweit bekannt, diese Unabhängigkeit bewahren können. Nun scheint der Druck aus der Regierung zu stark gewesen zu sein. Das Bundesministerium hat mit dem Akt der Zensur nicht nur das Grundgesetz missachtet, es hat auch dem Museum geschadet. Ein Museum, dem ein Ministerium die Sicht auf die Dinge vorschreibt, kann man nicht ernst nehmen. Für Staatspropaganda, wenn man sie haben wollte, gibt es in dieser Republik das Bundespresseamt.

...

Quote* 13.11.2009 um 16:05 Uhr
    * Tom Riddle

Das ist eben das Wesen einer "gelenkten Demokratie", und mit kaum einer anderen Formulierung ist das bundesdeutsche Staatswesen besser zu beschreiben. Wenn man sich seitens der Austellungsmacher Schlussfolgerungen wie

"Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die ›Festung Europa‹ soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.«"

aufstellt wäre es im übrigen nur fair gewesen, zu thematisieren was die Alternative wäre - aktuell etwa vor dem Hintergrund, dass Dänemark die Prämie für Rückkehrer, d.h. für nicht-EU-Ausländer die Dänemark freiwillig verlassen möchten, auf nunmehr 13.500 EUR verzehnfacht hat.


Quote* 13.11.2009 um 16:34 Uhr
    * Sveb Huhnerjager


Wenn die Chinesen Zensur ausüben...

verletzen sie sofort Menschenrechte und haben keine Meinungsfreiheit!

Wie soll man es nennen, wenn das gleiche von der deutschen Regierung kommt?


Quote* 13.11.2009 um 17:53 Uhr
    * Dominik F.


Alles klar?

Dass so etwas passiert liegt im Wesen der westlichen und auch anderer Staaten und ihrer Massenkommunikation. Auftrag der Medien sit es, Konsens unter den Beherrschten herzustellen. Divergierende Sichtweisen, Meinungen und Geschichtsschreibung über Strategie und Handlungsweisen der eigenen Regierung müssen demzufolge unterbunden werden, während die der Wettbewerber (andere Staaten) genau untersucht jede Verfehlung dieser mit großem Gejaule unters Volk gebracht wird. Wie sonst komt es, dass Amerikaner fragen "I cannot see why they hate us so much. We're doing so much good in the world!" Das Bild der Welt, das in Medien, Ausstellungen etc. propagiert wird, ist meist ein anderes als das, das man bei genauem Hinsehen und eigener Recherche bekommt.
Allerdings muss die Führung eines Bundes/Staates Konsens herstellen, will sie sich an der Macht halten und ihre Anerkennung behalten. Dazu zählt auch die Zensur und Steuerung der Medien. Dieser muss sihc der aufgeklärte Bürger mit aller Macht widersetzen. Meist reicht das Netz oder der Gang in die Bibliothek, um falsche Aussagen der Politiker und Wirtschaftslenker zu entlarven. Man sollte Kurse in geistiger Selbstverteidigung anbieten, um Menschen zu befähigen, sich der Staatspropaganda zu entziehen, die hier, in Europa, den USA und dem Rest der Welt mittels der Massenmedien betrieben wird. ...


Quote* 13.11.2009 um 21:15 Uhr
    * Scrutograph


...diese Stiftung ist nicht unabhängig.

Unabhängig? Die Stiftung "Deutsches Historisches Museum" erhält Bundesmittel!





Aus: "Zensur - Bundesbeauftragter für Propaganda" Von Tobias Timm (13.11.2009)
Quelle: http://www.zeit.de/2009/47/Zensur-Fremde (http://www.zeit.de/2009/47/Zensur-Fremde)


http://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Neumann (http://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Neumann)

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Historisches_Museum (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Historisches_Museum)

Title: [Die Kapitäne der Morthada und der Mohamed El Hedi... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 23, 2009, 09:51:42 AM
Quote[...] Gestern wurden im sizilianischen Agrigento die tunesischen Fischer, die im August 2007 44 Bootsflüchtlinge aus Seenot gerettet hatten, von einem Gericht zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Die Kapitäne der ,,Morthada" und der ,,Mohamed El Hedi" wurden zwar vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise freigesprochen, leisteten aber angeblich Widerstand gegen die Staatsgewalt und gegen ein Kriegsschiff. Sie hatten 44 Menschen, unter ihnen zwei schwangere Frauen und ein behindertes Kind in schlechtem gesundheitlichen Zustand, nach Lampedusa bringen wollen. Die Manöver, mit denen sie einer Kollision mit Marineschiffen auswichen, wurden ihnen nun zur Last gelegt. Die Verteidiger kündigten bereits an, in Berufung zu gehen.

...


Aus: "Lebensretter verurteilt" (18.11.2009)
Quelle: http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/lebensretter_verurteilt/back/9/ (http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/lebensretter_verurteilt/back/9/)

-.-

Quote[...] Der Vorfall hatte sich am 8. August 2007 zugetragen. Damals waren die beiden tunesischen Schiffe "Morthada" und "Mohamed El Hedi" in der Straße von Sizilien unterwegs, als sie ein havariertes Boot mit Flüchtlingen aus Sudan, Eritrea, Äthiopien, Marokko kreuzten, etwa 40 Seemeilen vor Lampedusa.

Die Fischer setzten einen Notruf ab und nahmen die Schiffbrüchigen an Bord – erhielten aber von den italienischen Behörden umgehend das Verbot, einen italienischen Hafen anzulaufen.

Dennoch steuerten die beiden Schiffe Lampedusa als den nächstgelegenen Hafen an. Mehrfach versuchten Boote der italienischen Marine, sie mit Manövern am Anlaufen des Hafens zu hindern.

Und kaum waren die Fischkutter in Lampedusa, wurden alle sieben Besatzungsmitglieder verhaftet und kamen erst nach mehreren Wochen wieder auf freien Fuß. Der Vorwurf, der ihnen dann auch im Prozess gemacht wurde, lautete auf Schleuserei sowie auf Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Doch in der Verhandlung ließ sich auch das Gericht überzeugen, dass da keine gewerbsmäßigen Schlepper vor ihm saßen, sondern Fischer, die - wie vom internationalen Seerecht vorgeschrieben – Menschen aus Seenot gerettet hatten.

Fünf Besatzungsmitglieder wurden deshalb freigesprochen. Den beiden Kapitänen aber wurde zum Verhängnis, dass sie gegen die Anweisungen der Behörden den Hafen Lampedusa angelaufen hatten.

[...] das Gericht legte die riskanten Manöver der italienischen Marine, deren Schiffe bei hohem Wellengang immer wieder die Kutter zu behindern suchten, nun als Widerstandshandlung der tunesischen Kapitäne aus.

Die argumentierten, dass sie die geschwächten Flüchtlinge so schnell wie möglich an Land bringen wollten. Unmittelbar nach der Ankunft im Hafen wurden denn auch zwei schwangere Frauen und ein Kind sofort mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Palermo ausgeflogen.

Quote

19.11.2009 08:12 Uhr:
Von johannes:

... können die Richter noch gut schlafen?


Quote19.11.2009 02:12 Uhr:
Von vic:

... Wir feiern in der BRD den Mauerfall?
In Wahrheit haben wir die Mauern nur verschoben.





Aus: "Gefängnis für Flüchtlingsretter - Die 44 aus den Wellen" (18.11.2009)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/die-44-aus-den-wellen/ (http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/die-44-aus-den-wellen/)

Title: [...nicht weiter dem Steuerzahler zur Last fallen]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2009, 01:30:44 PM
Quote[..] Nach Ablauf der Verlängerung gelte: "Wer seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, darf bleiben. Die anderen dürfen nicht weiter dem Steuerzahler zur Last fallen. Sie müssen unser Land verlassen." Die Innenminister befassen sich auf ihrer zweitägigen Herbstkonferenz in Bremen unter anderem mit dem Auslaufen der sogenannten Altfallregelung im Aufenthaltsgesetz. Laut taz hatten knapp 63.000 langjährig geduldete Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, 31.000 von ihnen aber nur "auf Probe". Können sie zum Jahresende kein ausreichendes Einkommen nachweisen, fallen sie zurück in die Duldung.

Im Gegensatz zu Herrmann will dessen niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) der Zeitung zufolge die Regelung nur für diejenigen verlängern, bei denen "eine berechtigte Aussicht" besteht, dass sie eine Arbeit finden. Die SPD-Innenminister sind gegen eine Verlängerung: "Wir brauchen eine Dauerlösung", sagte der Berliner Innensenator Ehrhart Körting dem Blatt.

Nach Vorstellung der SPD-Innenminister sollen dem Bericht zufolge deshalb alle eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, die sich nachweislich um Arbeit bemühen. Wer keine Arbeit habe, solle sich ehrenamtlich engagieren. "Das ist wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz", sagte Körting.

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke wandte sich gegen eine Verlängerung des "schlechten Kompromisses beim Bleiberecht". Mit entsprechenden Vorstößen hielten Unions-Innenminister an dem Prinzip fest, "dass, wer nicht arbeitet, auch nicht bleiben soll", kritisierte Jelpke in Berlin. Dabei hätten viele Flüchtlinge in strukturschwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit bei einer solchen Regelung keine Chance. "Sie dürfen ihren Wohnort nicht wechseln, um die Aussichten ihrer Arbeitssuche zu verbessern."

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appellierte derweil an die politisch Verantwortlichen, lange in Deutschland lebende Flüchtlingskinder zu schützen. Diese hier geborenen oder aufgewachsenen Kinder sprächen Deutsch als Muttersprache, oft mit regionalem Akzent, hieß es in einer in Göttingen veröffentlichten Erklärung. Oft beklagten die politischen Verantwortungsträger ein "kinderloses Deutschland". "Und trotzdem vertreiben Sie immer mehr dieser Flüchtlingskinder mit ihren Eltern gnadenlos aus unserem Land", kritisierte GfbV-Präsident Tilman Zülch in dem Appell.

Quote

30.11.2009 16:30:22

eulen|spiegel:

Herr Innenhermann, sie liegen dem Steuerzahler auf der Tasche. Verlassen Sie doch unser Land. Danke!



Quote

01.12.2009 08:56:42

da_Schorsch: Zitat Münti

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!

Wenn ein Sozi so etwas sagt, ist das anscheinend voll OK. Bei einem christlich sozialen ist es verwerflich. Aber das weiß ja eh jeder.


Quote

30.11.2009 16:46:52

Svensk: ûbrigens

Gilt das vorläufige Bleiberecht auch für Ausländer aus anderen Bundesländern. ZB. wenn ein Sachse nach Bayern zieht. Dort ist er ja Ausländer, da er ja kein waschechter Bajuvare ist. Muss der wenn er keine Arbeit mehr hat auch wieder umziehen?

haben wir uns doch schon genug blamiert. Gut integrierte Familien, deren Kinder oft ebenso gut in die Schulen integriert waren, wurden gegen alle Bürgerproteste ausgewiesen, weil z.B. Bosnien für sicher erklärt wurde. Ich frage mich, wenn das alles so ist, warum haben wir noch unsere Soldaten dort?



Aus: "Herrmann für Bleiberecht - unter Vorbehalt" (30.11.2009)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/bayern/771/496090/text/ (http://www.sueddeutsche.de/bayern/771/496090/text/)

-.-

Quote[...] Mit Blick auf die Entschließung des Europaparlaments vom 25. November 2009 und dem zweiten Entwurf der Schwedischen Präsidentschaft zum Stockholmer Programm mahnt PRO ASYL, Europa müsse sich entscheiden: Wer auf der einen Seite die Menschenrechte und den Flüchtlingsschutz stärken will, kann nicht ein paar Zeilen weiter mit dem libyschen Diktator Ghaddafi Kooperationen im Bereich der Migration- und Fluchtbekämpfung eingehen (siehe Auszüge im Anhang). ,,Diese doppelzüngige europäische Menschenrechtspolitik ist mitverantwortlich, dass auf Hoher See abgedrängte Bootsflüchtlinge aus Eritrea, dem Sudan und Somalia auf so beschämende Art erneut Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen in Libyen  werden, " so Kopp. Das Modell Italien – die völkerrechtswidrige Zurückweisung von Bootsflüchtlingen – darf nicht das Modell für die künftige europäische Flüchtlingspolitik werden.

Internationale Flüchtlingsschutzstandards werden täglich an den EU-Außengrenzen eklatant verletzt, Schutzsuchende werden in Transitländer wie Libyen, die Türkei, Mauretanien und die Ukraine zurücktransportiert - egal wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist. Entlang der europäischen Küsten und Landgrenzen entstehen immer mehr Haftanstalten für die neuankommenden Flüchtlinge. Die Todesrate bei den Einreiseversuchen nach Europa ist unvermindert hoch. Über 500 Bootsflüchtlinge sind seit Beginn dieses Jahres allein im Kanal von Sizilien ums Leben gekommen. ,,Die EU und ihre Mitgliedsstaaten, die über alles Statistik führen, sind bezeichnenderweise nicht bereit, die Opferzahlen der Festung Europa zentral zu dokumentieren, geschweige denn eine humane Antwort zu finden, um dieses Massensterben zu beenden", so Karl Kopp.

Wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten es ernst meinen mit dem ,,Europa des Asyls" und wenn derRaum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts künftig ein ,,gemeinsamer Schutzraum für Flüchtlinge"sein soll, dann muss allen Kooperationen mit menschenrechtsverletzenden Regierungen eine Absage erteilt werden. Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen oder internationalen Gewässern durch Verbände der europäische Grenzschutzpolizei FRONTEX oder Mitgliedstaaten sind zu unterbinden.


Aus: "Das Stockholmer Programm und die traurige Realität an Europas Grenzen" (30. November 2009)
Quelle: =67577&tx_ttnews[backPid]=23&cHash=7827e0c2ed]http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=55&tx_ttnews[tt_news]=67577&tx_ttnews[backPid]=23&cHash=7827e0c2ed (http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=55&tx_ttnews%5Btt_news)

Title: [Migrationskontrolle aus dem All... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 15, 2009, 01:12:34 PM
Quote[...] Migrationskontrolle aus dem All

Matthias Monroy, Hanne Jobst 14.12.2009
Ab 2012 befördert die Europäische Union eine Reihe von Erdbeobachtungssatelliten ins All, die auch europäische Polizeibehörden mit Bilddaten versorgen

...


Quote15. Dezember 2009 07:34
Wichtiger Schritt zur Festung Europa.
cyclopel (114 Beiträge seit 08.07.09)

Bald ist Schluss mit den Flüchtlingsströmen.
Das ist für die Betroffenen sicher nicht schön, aber Europa erreicht
langsam seine Belastungsgrenzen
Wir haben hier auch viele Kriege für unsere Freiheit und Demokratie
führen müssen, die sollen das in ihren Ländern also auch mal unter
sich klären.
Wenn Europa seine Tore nicht schliesst, wird es uns mit
hinunterreissen.

Spätestens wenn noch das Bargeld aus dem Verkehr gezogen und Bezahlen
nur noch mit überwachten Geld- und Kreditkarten möglich ist, wird
sich kein Illegaler oder Krimineller mehr lange unentdeckt in Europa
aufhalten können.

Ja, es spricht sich einfach wenn man selbst aus der 1. Welt kommt -
das ist wahr. Aber man kann Menschen Härten zugestehen, wir müssen
nicht für jeden verantwortlich sein nur weil es uns etwas besser geht
als dem Rest der Welt.
Die ärmsten Länder produzieren die meisten Menschen und wundern sich,
dass nichts übrig ist - so geht es nicht.


...

Quote14. Dezember 2009 02:04
...global concentration camp !
Kollateralschaden-deluxe (39 Beiträge seit 29.11.06)

Der technokratische Wahn der globalen Macht-Eliten kennt keine
Grenzen.....

...was wird das für eine Welt werden ?

Ein globales Konzentrationslager bei dem eine akademische
Mittelschichts-Kaste die Wärtefunktion zur Beibehaltung des status
quo für die Mächtigen übernimmt während die Ausbeutung, ökonomische
Vernutzung und ideologische Zurichtung der großen Massen zunehmend
forciert wird....?

ausbrechen, flüchten, abtauchen, wiederstand leisten, anderer Meinung
sein

- KEINE CHANCE ?

Wenn all die finanziellen Mittel und das erforschte know-how aus den
Bereichen Militär, Rüstung, Intelligence und Security für das Wohl
der Menschen und der Natur aufgewendet werden würden hätten wir
wahrscheinlich eine fantstische Welt.......

aber wer von den Verantwortlichen würde das schon wollen.......

WAS FÜR EINE KRANKE SCHEISSE !!!





Aus: "Migrationskontrolle aus dem All" Matthias Monroy, Hanne Jobst (14.12.2009)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31655/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31655/1.html)


Title: [Ein Bürgerkomitee in Rosarno forderte... (IT)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 09, 2010, 09:26:15 PM
Quote[...] Auslöser für die blutigen Gewaltexzesse war eine Demonstration von Hunderten Einwanderern, die überwiegend illegal als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Einwanderer protestierten gegen gewaltsame Übergriffe, nachdem einige von ihnen von Unbekannten mit einem Luftgewehr beschossen worden waren. Die Demonstranten steckten Autos in Brand, schlugen Schaufenster ein und lieferten sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Aufgebrachte Anwohner wollten sich dafür am Freitag offenbar rächen und attackierten die Einwanderer mit Schrotflinten und Eisenstangen. Sie fuhren mehrere Afrikaner absichtlich mit ihren Autos an, errichteten Barrikaden und besetzten vorübergehend das Rathaus. Wenige Kilometer vor der Stadt wurde am Samstag erneut ein Einwanderer durch Schüsse verletzt.

Ein Bürgerkomitee in Rosarno forderte, alle illegal eingewanderten Ausländer müssten aus der Stadt ausgewiesen werden. "Wir sind keine Rassisten, gegen legale Einwanderer haben wir gar nichts, wir wollen nur Sicherheit für die Bürger." Die Zeitung "Corriere della Sera" berichtete, die als Landarbeiter eingesetzten Afrikaner lebten in Rosarno unter unmenschlichen Bedingungen. Sie seien in einer verlassenen Fabrik untergebracht.

Der italienische Innenminister Roberto Maroni erklärte, die Vorfälle in Rosarno seien ein Beweis dafür, dass die illegale Einwanderung mit härteren Mitteln bekämpft werden müsse.

Viele Jahre lang sei eine illegale Einwanderung toleriert worden, "die einerseits die Kriminalität erhöht und andererseits zu extrem schwierigen Situationen geführt hat", so Maroni.

Der Oppositionschef Pierluigi Bersani konterte, in Rosarno herrsche "Mafia, Ausbeutung, Fremden- und Rassenhass". Die Revolte zeige, dass Wirtschaft in der Hand von organisierter Kriminalität Zuwanderer zu Sklaven mache.

Berichten zufolge werden jedes Jahr mindestens 4000 Einwanderer illegal in Rosarno für die Obsternte eingesetzt. Das Uno-Flüchtlingswerk (UNHCR) und eine italienische Gewerkschaft kritisieren ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen als unmenschlich.

jjc/AFP/DAPD


Aus: "Hunderte Afrikaner aus italienischer Stadt vertrieben" (09.01.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,671035,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,671035,00.html)

Title: [Die Zahl der Bootsflüchtlinge... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 19, 2010, 11:51:32 AM
Quote[...] Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die es bis an die spanische Küste geschafft haben, ist im vergangenen Jahr auf ein Zehnjahrestief gesunken. Auf den kanarischen Inseln kamen nur noch 2.242 Flüchtlinge und Migranten an, was weniger als einem Drittel der Ankömmlinge im Vorjahr entspricht und weit unter der bisherigen Höchstzahl von 31.600 im Jahr 2006 liegt.

Spaniens Premierminister Jose Luis Rodriguez Zapatero bezeichnete den starken Rückgang als Ergebnis der verschärften Grenzkontrollen und vermehrter Rückübernahmeabkommen mit afrikanischen Herkunfts- und Transitstaaten. Durch die rigiden Kontrollen unter anderem durch die europäische Grenzagentur FRONTEX sei die Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Migranten in Spanien im Vergleich zu 2008 insgesamt um die Hälfte auf etwa 7.000 gesunken.

Was in Spanien als Erfolg im "Kampf gegen illegale Migration" gefeiert wird, ist vor allem ein Symptom der flüchtlingsfeindlichen Abschottungspolitik Europas. Unter Missachtung des Völkerrechts werden Flüchtlinge in Transitstaaten zurückgedrängt. Die Routen der Bootsflüchtlinge werden immer länger und dadurch gefährlicher. Wie viele Menschen auf ihrem Weg nach Europa verhungern, verdursten oder ertrinken, wird nicht erhoben.


Aus: "Immer weniger Flüchtlingen gelingt die Flucht nach Spanien" (05.01.2010)
Quelle: http://www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/immer_weniger_fluechtlingen_gelingt_die_flucht_nach_spanien-1/back/1308/ (http://www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/immer_weniger_fluechtlingen_gelingt_die_flucht_nach_spanien-1/back/1308/)

Title: [Wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 19, 2010, 11:57:35 AM
Quote[...] Menschenrechtsberichte wecken den Pharisäer im Europäer. Wir stellen uns hin wie der Pharisäer im Lukas-Evangelium, Kapitel 18, Vers 11: »Gott, ich danke Dir, dass wir nicht so sind wie die bösen Diktatoren, ich danke Dir, dass wir die Menschenrechte achten, dass wir ganz und gar nicht so sind wie die dort in den Entwicklungsländern, die foltern und morden und selbst Frauen und Kinder nicht schonen.« Auch Pontius Pilatus ist eine große Nummer auf dem internationalen Parkett. Er wäscht sich die Hände in Unschuld, wenn Flüchtlinge auf ihrer Flucht zu Hunderten und Tausenden krepieren.

Staaten haben Botschafter mit Schlips und Kragen. Die Menschenrechte haben auch Botschafter, nur kommen sie meist nicht so elegant daher – es sind die Flüchtlinge und Asylbewerber. Sie sind die Botschafter des Hungers, der Verfolgung, des Leids. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ihre Depesche. Indes: Europa mag diese Botschafter nicht empfangen, Europa mag sie nicht aufnehmen. Die europäischen Außengrenzen wurden so dicht gemacht, dass es dort auch für die Humanität kein Durchkommen mehr gibt. Manchmal werden tote, manchmal werden lebende Flüchtlinge an den Küsten Andalusiens angespült. Das Mittelmeer ist ein Gottesacker geworden für viele, die sich auf den Weg gemacht haben. Manchmal bleibt ein Stück Flüchtling an den Stacheldrahtzäunen hängen, mit denen Spanien in seinen Exklaven in Marokko den Weg versperrt.

18 Millionen Afrikaner sind seit Jahren auf der Flucht, von Land zu Land, nach Süden, nach Südafrika, oder nach Norden, nach Europa. Sie fliehen nicht nur vor Militär und Polizei, nicht nur vor Bürgerkrieg und Folter. Vielen Millionen drohen absolute Armut und Hunger; und es lockt die Sehnsucht nach einem Leben, das wenigstens ein wenig besser ist. Die Flüchtlinge gelten als Feinde des Wohlstands. Die Europäische Union schützt sich vor ihnen wie vor Terroristen: man fürchtet sie nicht wegen ihrer Waffen, sie haben keine; man fürchtet sie wegen ihres Triebes, sie wollen nicht krepieren, sie wollen überleben – sie werden also behandelt wie Triebtäter, und sie werden betrachtet wie Einbrecher, weil sie einbrechen wollen in das Paradies Europa; und man fürchtet sie wegen ihrer Zahl und sieht in ihnen so eine Art kriminelle Vereinigung. Deswegen wird aus dem »Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts«, wie sich Europa selbst nennt, die Festung Europa.

Die Flüchtlinge flüchten, weil sie nicht krepieren wollen. Sie sind jung, und das Fernsehen lockt noch in den dreckigsten Ecken der Elendsviertel mit Bildern aus der Welt des Überflusses. Die Leute, die sich in Guinea Bissau oder in Uganda auf den Weg machen und nach einer einjährigen Odyssee vor den spanischen Exklaven Ceuta oder Melilla ankommen, wollen nicht wieder zurück. Diese Ausgeschlossenen drängen nun an die Schaufenster, hinter denen die Reichen der Erde sitzen. Der Druck vor den Schaufenstern wird stärker werden. Ob uns diese Migration passt, ist nicht mehr die Frage. Die Frage ist, wie man damit umgeht, wie man sie gestaltet und bewältigt. Migration fragt nicht danach, ob die Deutschen ihr Grundgesetz geändert haben, sie fragt nicht danach, ob einige EU-Staaten sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention hinausschleichen.

Bei der EU-Konferenz im finnischen Tampere im Oktober 1999 räumten die Staats- und Regierungschefs der EU erstmals ein, dass eine Politik des bloßen Einmauerns nicht funktionieren kann. Zwar wurde damals auch zum x-ten Mal beschlossen, die Außengrenzen noch besser zu sichern und Schlepperbanden noch besser zu bekämpfen (was sollen Flüchtlinge eigentlich anderes machen, als sich solcher Fluchthelfer zu bedie-nen, wenn es sonst keine Möglichkeit zur Flucht gibt?). Andererseits räumten sie ein, dass Verfolgte weiterhin Aufnahme finden müssten. Flüchtlinge sollen also wenigstens eine kleine Chance haben, Schutz in der EU zu finden. In Tampere wurde sozusagen das Europa-Modell einer Festung mit einigen Zugbrücken kreiert. Über die Zugbrücken sollten die politisch Verfolgten kommen dürfen. Diese Zugbrücken existieren aber bis heute nur auf dem Papier. Stattdessen gibt es vorgeschobene Auffanglinien in Nordafrika – in Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Ägypten. Die Nordafrikaner sollen sich, irgendwie, um die Flüchtlinge kümmern. Wie? Da wird man dann nicht so genau hinschauen. Man spielt Pontius Pilatus und wäscht die Hände in Unschuld.

Ziel ist: Das Institut des Asyls soll ausgelagert werden. Die EU zahlt dafür, dass das Asyl dort hinkommt, wo der Flüchtling herkommt. Asyl in Europa wird so zu einer Fata Morgana werden: schön, aber unerreichbar. Schutz gibt es dann nicht mehr in Deutschland, Italien oder sonst wo in der EU, sondern allenfalls weit weg von der Kontrolle durch Justiz und Öffentlichkeit. Und wenn der Schutz dann kein Schutz ist, sondern Auslieferung an das Land, aus dem der Flüchtling geflohen ist – dann kräht kein Hahn danach. Aus den alten Kolonialländern werden nun also neue, sie werden eingespannt zur Flüchtlings-Entsorgung. Entsorgung ist teuer, das ist aus dem Umweltschutz bekannt. Dementsprechend wird den einschlägigen Ländern finanzielle und sonstige Hilfe angeboten. Die Europäer finanzieren, die anderen parieren. Libyen erhält Nachtsichtgeräte und Schnellboote, um zu verhindern, dass Flüchtlinge überhaupt nach Europa kommen. Staaten, die den Europäern auf diese Weise helfen, sich den völkerrechtlichen Verpflichtungen zu entziehen, erhalten dafür das Testat, dass sie sich nun auf dem Weg guter demokratischer und rechtsstaatlicher Entwicklung befänden.

Leistung soll sich wieder lohnen, sagen Politiker oft. Wenn das so ist, müsste man eigentlich den wenigen Flüchtlingen, die es noch nach Deutschland schaffen, schnell Asyl gewähren. Es ist eine große Leistung, nach Deutschland zu fliehen – weil das eigentlich gar nicht mehr geht, weil davor eine Vielzahl größter Hindernisse steht: Visasperren, scharfe Grenzkontrollen, strengste gesetzliche Abweisungsmechanismen. Wer es trotzdem schafft, hat seine gesetzlich angeordnete Illegalisierung faktisch durchbrochen und eine Belohnung verdient: seine Legalisierung.

EU-Entwicklungshilfe besteht neuerdings auch darin, in Afrika »Lager« einzurichten. Es ist sicherlich richtig, dass bei Konflikten von kürzerer Dauer heimatnahe Lager sinnvoll sind. Die EU-Politik aber verfolgt eine andere Linie. Diese heißt: Aus den Augen aus dem Sinn. So kann man sich der Illusion hingeben, das Welt-Armutsproblem mit administrativen und abschreckenden Maßnahmen im Griff zu behalten: Wohlstand bleibt drinnen, Elend draußen. Indes wird eine Mauer aus Paragrafen und Lagern so wenig halten, wie alle anderen Mauern der Geschichte gehalten haben. Sie fördert nur den Irrglauben, Reichtum nicht teilen zu müssen. Der Kaiser, der in Max Frischs gleichnamigem Stück »Die chinesische Mauer« bauen lässt, tut dies »um die Zukunft zu verhindern« – um also sein Weltbild nicht in Frage stellen zu müssen. Dieser chinesische Kaiser hat noch heute Minister.


Aus: "Die Politik spielt Pontius Pilatus" (13.05.2009)
Wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht
von Dr. Heribert Prantl
Quelle: http://www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/die_politik_spielt_pontius_pilatus/back/1308/ (http://www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/die_politik_spielt_pontius_pilatus/back/1308/)

Title: [Italien ist allerdings nicht das einzige EU-Land... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 29, 2010, 09:11:33 AM
Quote[...] Die italienische Flüchtlingspolitik verstößt gegen humanitäre Grundsätze. Diese von Flüchtlingsgruppen schon lange vertretene Meinung wurde nun vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe  (CPT) bekräftigt. In seinem gerade veröffentlichten Landesbericht zu Italien befasste sich die Delegation mit der italienischen Praxis, illegale Migranten, die sich der italienischen südlichen Mittelmeerküste nähern, bereits auf See abzufangen und nach Libyen zurückzuschicken. Mehrere dieser Deportationen auf hoher See sind in dem Bericht dokumentiert.

Der Delegationsleiter des Antifolterkomitees Jean-Pierre Restellini fand bei der Vorstellung des Berichts deutliche Worte gegen diese Praxis: "Halbverhungerte Bootsflüchtlinge in dieses Land zu schicken, wo ihnen Folter und schwere Misshandlungen drohen, ist eine Missachtung aller internationalen Regeln."

Zumal bekannt ist, dass in den lybischen Abschiebezentren katastrophale Zustände herrschen, was ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nachgewiesen hat. Das Antifolterkomitee forderte die italienische Regierung zum Überdenken ihrer Flüchtlingspolitik, besonders der Abschiebungen nach Lybien, auf. Es wies darauf hin, dass Italien selber lange ein Auswandererland war und es daher besonders unverständlich ist, dass sich die Regierung so inhuman gegen Migranten verhält.

Die italienische Flüchtlingspolitik wird die europäischen Gremien weiter beschäftigten. 24 Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia, die von Italien nach Lybien abgeschoben wurden, haben eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Italien ist allerdings nicht das einzige EU-Land, das wegen der Flüchtlingspolitik kritisiert wird. So monieren Menschenrechtsgruppen die Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland und auch Deutschland steht vor allem wegen der Residenzpflicht für Flüchtlinge und ihrer Abschiebepolitik immer wieder in der Kritik.

Quote29. April 2010 08:26
Die Flüchtlinge hatten halt das Pech im Mittelmeer zu ersaufen
lurchwurch (mehr als 1000 Beiträge seit 21.04.04)

Ausser, dass die BRD nicht am Mittelmeer liegt unterscheidet sie sich
in Sachen Flüchtlingspolitiksoi gut wie gar nicht von Italien. Wären
die Flüchtlinge an der ehemals innerdeutschen Grenze umgekommen,
hätte man ihnen auf jeden Fall die Gnade der medialen Teilnahme
zuerkannt. Nicht nur in Deutschland. Ja, wirklich. Mauertote kamemn
nicht nur in deutschen Nachrichten. Bei ersaufenden Afrikanern reicht
es leider nur zur medialen Teilnahmslosigkeit. Ach das kann man nicht
miteinander vergleichen? Komisch und ich hatte immer gedacht
Menschenrechte heißen vor allem deswegen so, weil sie zuerst einmal
universell sind.



Aus: "EU-Behörde nennt italienische Flüchtlingspolitik inhuman" Peter Nowak (29.04.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/147524 (http://www.heise.de/tp/blogs/8/147524)

Title: [Für andere Menschen sind die Grenzen dicht... (Mindblindness)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 30, 2010, 11:46:40 AM
Quote[...] Nötig sind jedoch kluge Köpfe und nicht bildungsferne Ausländer, die auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht unterzubringen sind. Klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien haben seit Jahrzehnten überhaupt kein Problem damit, Zuwanderung ausschließlich nach nationalen Eigeninteressen zu lenken. Ohne Ansehen der Rasse oder Religion sind die Fremden willkommen – jedoch nur, wenn es sich um qualifizierte Arbeitskräfte handelt. Für andere Menschen sind die Grenzen dicht.

[...] In der Debatte wird oft übersehen, dass die verschiedenen Ausländergruppen hierzulande sehr unterschiedlich integriert sind. Während Türken und Araber häufiger als andere auch in der dritten Generation noch nicht in der hiesigen Gesellschaft angekommen sind, gelangen die Kinder mit russischen, iranischen oder vietnamesischen Wurzeln sogar überdurchschnittlich oft zum Abitur. Und auch unter den Türken sind diejenigen, die schon in ihrer Heimat eine gute Bildung genossen haben, in Deutschland erfolgreich.

Diese Arrivierten unter den Zugewanderten leiden darunter, dass die Deutschen sie oft mit den Hartz-IV-Ausländern in einen Topf werfen und sie entweder als Störenfriede oder als Opfer behandeln. Den internationalen Wettbewerb um Talente werden wir grandios verlieren, wenn wir nicht die Hochgebildeten im eigenen Land – gleich welcher Herkunft – mit guten Bedingungen zum Hierbleiben veranlassen.

Gleichzeitig muss Deutschland aktiv in Ländern wie Indien, Polen oder China um die Klugen werben und umgekehrt die Hürden für Unqualifizierte erhöhen. Richtig gesteuert, ist Zuwanderung kein Problem, sondern ein Teil der Lösung unserer Zukunftsprobleme.

...

WELT ONLINE hat den Kommentarbereich dieses Artikels geschlossen.


Aus: "Deutschland muss Zuwanderung endlich steuern" von Dorothea Siems (30.06.10)
Quelle: http://www.welt.de/channels-extern/ipad/debatte_ipad/article8232744/Deutschland-muss-Zuwanderung-endlich-steuern.html (http://www.welt.de/channels-extern/ipad/debatte_ipad/article8232744/Deutschland-muss-Zuwanderung-endlich-steuern.html)

-.-

Assoziation/Kontext:

Quote[...] Der Ausdruck ,,Theory of Mind" bezeichnet in der Psychologie und in den Kognitionswissenschaften ein Modell der Empathiefähigkeit. Gegenstand dieses Modells ist die Fähigkeit, sich einerseits vorstellen zu können, dass andere Menschen eigene Vorstellungen, Gedanken und Gefühle haben und andererseits die Fähigkeit, diese auch nachzuempfinden. Neurophysiologisch scheint die Theory of Mind mit verschiedenen Hirnarealen wie dem medialen präfrontalen Cortex, der Amygdala  und der Fusiform face area im Temporallappen zu korrelieren. Auch das Spiegelneuronen-System scheint für das Empathievermögen eine Rolle zu spielen. Dass Kinder mit Asperger-Syndrom Defizite in Bezug auf diese neuronalen Funktionen haben, konnte bereits nachgewiesen werden. So haben sie z. B. Schwierigkeiten, den emotionalen Ausdruck von Gesichtern zu verstehen und zu differenzieren; sie betrachten das menschliche Gesicht und dessen Ausdruck wie ein Objekt.  Im englischen Sprachraum bezeichnet man diese Einschränkung der Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, auch als Mindblindness.

...


http://de.wikipedia.org/wiki/Asperger-Syndrom (http://de.wikipedia.org/wiki/Asperger-Syndrom) (25. Juni 2010)

Title: [Evros... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 30, 2010, 05:11:02 PM
Quote[...] Beim Versuch der illegalen Einreise in die EU sind 16 Afrikaner im türkisch-griechischen Grenzfluss Evros ertrunken. Nach drei Vermissten werde noch gesucht, teilten die griechischen Behörden mit. Überlebende berichteten, ihr Boot sei im Evros gekentert. - Jedes Jahr versuchen Zehntausende, auf dieser Route in die EU zu gelangen.


Aus: "16 illegale Einwanderer in griechischem Grenzfluss ertrunken" (30. Juni 2010)
Quelle: http://www.dradio.de/nachrichten/201006301700/5 (http://www.dradio.de/nachrichten/201006301700/5)

http://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlingsdrama-in-griechenland-leichen-in-eu-grenzfluss-1.967922 (http://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlingsdrama-in-griechenland-leichen-in-eu-grenzfluss-1.967922)
Title: [Er werde illegale Roma-Camps auflösen... (FR, 2010, Roma)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2010, 12:13:28 PM
Quote[...] Frankreich rechtfertigt den Rücktransport der Roma bisher mit einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2004. Sie sieht vor, dass Unionsbürger nur dann das Recht auf einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat haben, wenn sie eine Arbeit nachweisen können oder für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen. Zudem müssen alle Betroffenen einen umfassenden Krankenversicherungsschutz haben. Diese Voraussetzungen sind für die meisten nichtfranzösischen Roma nicht zu erfüllen.

...


Aus: "Roma-Massenabschiebung: EU knöpft sich Sarkozy vor" (02.09.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,715258,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,715258,00.html)

-.-

Quote[...] Bereits im Juli hatte Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach Ausschreitungen zwischen gens du voyage und der Polizei im zentralfranzösischen Dorf Saint-Aignan behauptet, das Verhalten mancher Angehöriger der Roma und des fahrenden Volkes sei »problematisch«. 50 Jahre »schlecht geregelter Einwanderung« trügen Schuld an der Kriminalität in vielen französischen Städten (Jungle World, 30/10). Sarkozy hatte außerdem konkrete Maßnahmen gegen die »Ausländerkriminalität« angekündigt: Er werde illegale Roma-Camps auflösen und die Betroffenen abschieben lassen.

Gesagt, getan. In den vergangenen Wochen wurden nach Angaben von Innenminister Brice Hortefeux bereits 51 Camps geräumt, in denen sich Roma aus Rumänien und Bulgarien ohne Aufenthaltstitel niedergelassen hatten. Bis Ende des Monats sollen rund 700 Roma »in ihre Heimat« zurückgebracht werden, kündigte Hortefeux an. Die ersten Rückflüge fanden bereits in der vergangenen Woche statt. Am Donnerstag wurden 86 Roma nach Bukarest ausgeflogen, am Freitag brachte ein von den französischen Behörden gechartertes Flugzeug 130 weitere Personen ins westrumänische Temesvar. Am Freitagabend landete eine Air-France-Maschine mit 13 bulgarischen Roma an Bord in Sofia. Laut Regierungsangaben hätten alle Frankreich »auf freiwilliger Basis« verlassen. Jedem Ausreisenden wurden 300 Euro pro Person sowie 100 Euro für jedes minderjährige Kind gezahlt. Es habe sich nicht um eine kollektive Abschiebung gehandelt, prä­zisierte Immigrationsminister Eric Besson, sondern um »individuelle Rückführungen«. Seit Anfang des Jahres habe sein Ministerium gemeinsam mit dem Französischen Amt für Immigration und Integration bereits 24 Flüge dieser Art nach Rumänien und Bulgarien organisiert. Weitere Rückführungen seien für Ende dieser Woche geplant.

Frankreich fordert von Rumänien die Rücknahme der unerwünschten Roma, die jedoch als EU-Bürger seit 2007 Freizügigkeit genießen. Die französische Regierung möchte hingegen gesetzlich verhindern, dass einmal Abgeschobene wieder einreisen. Unerwünschte Migrationskandidaten sollen in einer Fingerabdruckdatei erfasst werden. Rumänien kritisierte dieses Vorhaben jedoch und forderte Frankreich auf, finanzielle Hilfe für die Betroffenen zu leisten. Allerdings hat das Land, unter massivem Druck aus Paris, am 30. Juli den seit Februar versprochenen Posten eines Ministers »für die Wiedereingliederung der Roma« geschaffen.

Sarkozys Rede über »kriminelle Ausländer« und die Maßnahmen der französischen Regierungen wurden nicht nur von internationalen Institutionen kritisiert. Die britische Tageszeitung Daily Mail warf dem französischen Staatspräsidenten »Rassismus« und die Planung einer »ethnischen Säuberung« vor. Anfang August schrieb die New York Times in einem auch in Frankreich viel beachteten Kommentar unter dem Titel »Xenophobia: Casting Out the Un-French«, Sarkozy nähre »feindselige Gefühle gegen Einwanderer« und tue dies aus einem »kurzfristigen politischen Kalkül« heraus.

Noch im August wird Innenminister Brice Hortefeux an den konkreten gesetzlichen Bestimmungen arbeiten, die bereits im September im Parlament debattiert und verabschiedet werden sollen. Sie sind Teil des Entwurfes für ein verschärftes Einwanderungsgesetz.

Noch ist unklar, was die neuen Bestimmungen genau beinhalten werden. Diskutiert wird etwa die Erweiterung der bereits bestehenden Möglichkeit, die französischen Staatsbürgerschaft zu entziehen. Bislang ist dies juristisch nur während der ersten zehn Jahre nach dem freiwilligen Erwerb der Staatsangehörigkeit möglich und im Falle von »terroristischen Straftaten« sowie »Hochverrat«. Möglich wäre, diese Regelung auf die anvisierten Anwendungsfälle auszudehnen – vom Polizistenmord, den Sarkozy in seiner Rede nannte, bis zur Polygamie. Das ginge sogar noch weit über das Programm des neofaschistischen Front National hinaus.

Die rechtsextreme Partei hatte in ihrem Wahlprogramm für das Jahr 2007 gefordert, innerhalb der zehnjährigen Frist nach Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft diese wieder entziehen zu können. Und zwar für den Fall, dass der oder die Betreffende wegen eines »schweren Vergehens« oder Verbrechens zu einer mindestens sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt wird. Ferner ist die rechtsextreme Partei für die Abschaffung des automatischen Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch das ius soli (»Recht des Bodens«) für in Frankreich geborene Kinder im Alter von 18. Stattdessen soll allein durch das ius sanguinis (»Recht der Abstammung«) die Staatsbürgerschaft vererbt werden; danach sollen in Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern nur auf eigenen Antrag hin Franzosen werden können – und wenn sie es »verdient« haben, was unter anderem »Unbescholtenheit« voraussetzt. Die aktuellen Vorschläge der französischen Regierung gehen zum Teil darüber hinaus, würde auch hier die zehnjährige »Verwirkungsfrist« nach Erwerb der Staatsbürgerschaft beibehalten.

Im Gespräch ist auch eine zweijährige »Probezeit« für neu eingebürgerte Franzosen, innerhalb derer sie die Staatsangehörigkeit wieder verlieren können – ähnlich wie bei einem Führerschein auf Probe.

Diese Pläne sind angeblich populär, behauptete jedenfalls die konservative Tageszeitung Le Figaro, die sich in Propaganda übt. Die Zeitung gab eine Umfrage in Auftrag, der zufolge eine deutliche Mehrheit der Franzosen all diese Vorschläge unterstützen. 80 Prozent der Befragten seien beispielsweise für einen Staatsbürgerschaftsentzug bei bestimmten Straftaten. Diese Befragung, die mittels Online-Fragebögen durchgeführt wurde, bleibt jedoch methodisch umstritten. So ist strittig, ob in Frankreich während der Sommerpause überhaupt eine »repräsentative« Befragung stattfinden kann. Eine spätere Umfrage des linksnationalistischen Wochenmagazins Marianne kam jedenfalls zu einem anderen Schluss. Demnach überwiegt mit 51 Prozent knapp die Ablehnung einer Entziehung der Staatsbürgerschaft. Diese Umfrage wurde von dem Magazin in seiner Ausgabe vom 14. August veröffentlicht. Die Fragestellung lautete, ob in den Augen des Publikums »Sarkozys Sicherheitspolitik ein Erfolg« sei. Diese Frage hatten 69 Prozent mit einem klaren »Nein« beantwortet.

Was mit den Roma passieren soll, die nicht bereit sind, Frankreich »freiwillig« zu verlassen, ist unklar. In Saint-Étienne, in der Nähe von Lyon, campieren die aus ihrem Zelt- und Barackenlager vertriebenen Roma inzwischen seit Wochen vor dem Rathaus. In Saint-Denis nördlich von Paris hingegen kehrten sie zum Teil an den Ausgangsort, von dem sie vertrieben worden waren, zurück. Dagegen verbesserte sich vorübergehend die Lage für Roma, die südöstlich von Paris aus einem Camp unterhalb der Autobahn A86 vertrieben worden waren: Der Bürgermeister der Pariser Vorstadt Choisy-le-Roi öffnete für sie eine städtische Turnhalle. Wie lange sie dort bleiben können, steht jedoch noch nicht fest.


Aus: "Bon Voyage" Von Bernhard Schmid (Jungle World v. 26. August 2010)
Quelle: http://www.hagalil.com/archiv/2010/09/01/roma-3/ (http://www.hagalil.com/archiv/2010/09/01/roma-3/)

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Quote[...] PARIS taz | "Wir alle sind Roma" war auf einem Schild einer Demonstrantin an der Kundgebung in Paris zu lesen. Andere trugen aus Solidarität ein Dreieck mit der Aufschrift "Roma" oder "Zigeuner" auf der Brust, das wie ein Judenstern an die finstersten Zeiten der Rassenverfolgung erinnern sollte.

Nein, übertrieben oder dramatisierend finde sie diesen Vergleich überhaupt nicht, denn es gelte, den Anfängen zu wehren, sagt Chantal, die außer dem Etikett "Roma" auch mehrere Aufkleber mit Slogans gegen die Abschiebungen und gegen die Repression auf ihrem T-Shirt hat: "In den 30er Jahren haben die Leute nicht geahnt, wie das enden würde!" Unter den Prominenten, die in Paris gegen die Politik der heutigen Staatsführung protestierten, befand sich auch Danielle Mitterrand, die 85-jährige Gattin des früheren sozialistischen Präsidenten. Auch sie meint: "In meinem Alter hat man Perioden der Geschichte miterlebt, die es notwendig erscheinen lassen, wachsam zu sein." Heute sind es die Roma, die von einer repressiven Sicherheitspolitik zum Inbegriff einer angeblichen Gefahr für die Ordnung und damit zu den Sündenböcken einer verängstigten Gesellschaft erklärt werden.
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Neben Danielle Mitterrand marschierte der Philosoph Edgar Morin mit: "Dass dieses seit so vielen Jahren herumirrende und wie die Juden verfolgte Volk der Roma öffentlich zum Feind erklärt wird, fordert mich in ultimativster Weise heraus." Der Schriftsteller Patrick Chamoiseau habe zu Recht von einem "ethischen Kollaps" der jetzigen Staatsführung gesprochen. In 140 Städten in ganz Frankreich folgten am Samstag mehr als hunderttausend Menschen dem Appell von Antirassismus- und Menschenrechtsorganisationen, Linksparteien und Gewerkschaften gegen Nicolas Sarkozys "Politik der Anprangerung". Rund fünfzig Organisationen hatten zu der Aktion aufgerufen.

Sie wollen die laufende Verschärfung der Sicherheitspolitik nicht unwidersprochen lassen, die derzeit in einem Projekt der Aberkennung der Nationalität für eingebürgerte Straftäter und vor allem in Polizeiaktionen gegen Roma-Familien und deren Abschiebung nach Rumänien und Bulgarien gipfelt. "Nein, nein, nein! Nicht in unserem Namen", riefen die Kundgebungsteilnehmer darum immer wieder in Sprechchören.

Der Ausländerfeindlichkeit stellen sie die Grundrechte und die Devise der französischen Republik entgegen: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". In Paris nahmen rund 50.000 an der Demonstration teil.

Bemerkenswert war dabei auch die Präsenz von Organisationen wie Amnesty International oder Médecins du Monde sowie von Schwulen- und Lesbengruppen. Mehrere farbenprächtige Gruppen von Roma und Vertretern anderer Fahrender sorgten mit ihrer Musik dafür, dass der Umzug nicht nur gravierend ernst aussah.

Am Vormittag hatte Jane Birkin, begleitet von anderen Prominenten, vor dem Ministerium für Immigration, Integration und nationale Identität aus Protest gegen die zunehmend ausländerfeindliche Politik das Chanson "Les Petits Papiers" ihres verstorbene Gatten Serge Gainsbourg gesungen.

Der für Sicherheitsfragen zuständige Sprecher der Regierungspartei UMP, Eric Ciotti, verurteilte die Kundgebungen als "sträfliche Sympathie für Leute, die die Gesetze der Republik mit Füßen treten." Unbeeindruckt von Protesten meinte Innenminister Brice Hortefeux, die Beteiligung müsse "eine Enttäuschung sein für die Organisatoren". Er werde jedenfalls seinen "Kampf gegen die Delinquenz" im Rahmen der vom Präsidenten in Grenoble Ende Juli definierten Politik entschlossen fortsetzen.

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Aus: "Franzosen gegen Roma-Abschiebung: Solidarität mit den "Sündenböcken"" VON RUDOLF BALMER (05.09.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/solidaritaet-mit-den-suendenboecken/ (http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/solidaritaet-mit-den-suendenboecken/)

Title: [Sarkozy und Merkel versöhnen sich... (Roma, EU, 2010)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 21, 2010, 01:21:09 PM
Quote[...] Sarkozy und Merkel versöhnen sich nach Streit um Roma-Äusserung (sda/afp) Nach dem Treffen von Sarkozy und Merkel in New York teilte der Elysée-Palast mit, die beiden Staatschefs hätten sich «überrascht» gezeigt von der «polemischen Berichterstattung» zu den Äusserungen des französischen Präsidenten auf dem EU-Gipfel von letzter Woche. Diese sei «lächerlich und haltlos» gewesen.

[...] Der Streit um Sarkozys Äusserungen habe nur «eine Minute» des Gesprächs in Anspruch genommen. «Dann war das erledigt», sagte ein Sprecher Merkels.

Sarkozy hatte vergangene Woche am EU-Gipfel in Brüssel gesagt, Merkel habe ihm «ihre Absicht signalisiert, in den nächsten Wochen (Roma-)Lager räumen zu lassen». Die Bundesregierung dementierte umgehend.


Aus: "Sarkozy und Merkel legen Streit um Roma-Äusserung bei - Versöhnung bei einem Treffen am Rande des Uno-Gipfels in New York" (20. September 2010, NZZ Online)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/international/sarkozy_und_merkel_legen_streit_um_roma-aeusserung_bei_1.7626696.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/international/sarkozy_und_merkel_legen_streit_um_roma-aeusserung_bei_1.7626696.html)

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Quote[...] Rund 10.000 Roma sollen aus der Bundesrepublik in das Kosovo abgeschoben werden. Sie gehören zu den insgesamt 14.000 in Deutschland geduldeten Kosovaren, die in den Balkanstaat zurückkehren sollen. Einige wurden bereits in die von Serbien abgespaltene Republik gebracht, die anderen sollen in den kommenden Jahren folgen.

Grundlage dafür ist ein im April von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinem kosovarischen Kollege Bajram Rexhepi unterzeichnetes Rückführungsabkommen für "ausreisepflichtige Personen". De Maizière betonte: "Deutschland plant keine Massenabschiebungen." Vielmehr solle es eine "schrittweise Rückführung" von jährlich bis zu 2500 Menschen geben.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte an Bund und Länder appelliert, keine ethnischen Minderheiten in das Kosovo abzuschieben. Es gebe dort nach wie vor Gewalt gegen Roma. Das Bundesinnenministerium erklärte dagegen, das Rückführungsabkommen entspreche internationalen Standards, wie sie auch in den von der Europäischen Union mit Drittstaaten geschlossenen Abkommen festgelegt werden. Ausländer, denen im Herkunftsland politische Verfolgung oder Folter drohe, erhielten in Deutschland Asyl oder Flüchtlingsschutz. Die anderen seien ausreisepflichtig.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting hält das Abkommen über die Rückführung von Bürgerkriegsflüchtlingen, für unpraktikabel. "Es besteht die Gefahr, dass Abschiebungen in nicht gesicherte Gebiete erfolgen". Für solche Minderheiten sei eine Einzelfallprüfung nötig. Zwar sind laut dem Bericht seit dem deutsch-kosovarischen Vertrag rund 12.000 Flüchtlinge der Volksgruppe der Roma von einer Abschiebung grundsätzlich bedroht. Im ersten Halbjahr seien bundesweit jedoch lediglich 87 Roma in die Republik Kosovo überstellt worden.

Dass es in Zukunft sehr viel mehr werden, wie Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy vorige Woche behauptete, sei auch nicht zu erwarten: "Massenabschiebung wird es nicht geben", sagt etwa Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger in dessen Bundesland rund 3700 "ausreisepflichtige" Roma leben. "Wir werden unter Ausschöpfung der landesrechtlichen Möglichkeiten darauf achten, dass es zu keinen individuellen oder familiären Härten bei Rückführungen in den Kosovo kommt."
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Im Übrigen, betont Berlins Innensenator Körting, "gehen viele der Bürgerkriegsflüchtlinge hier zur Arbeit, verdienen Geld und ihre Kinder sind hier sozialisiert". Das eigentliche Problem sieht Körting in den aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien nach Deutschland einreisenden Roma. Sie heuern auf Baustellen oder in Restaurants schwarz an, putzen Autoscheiben, musizieren in öffentlichen Verkehrsmitteln oder schicken ihre Kinder zum Betteln. Im Berliner Bezirk Neukölln wurde eigens eine "Task Force" aus Sozialarbeitern, Behörden und Polizei gebildet, um die Konflikte mit und unter den Roma zu schlichten.

dpa/mac


Aus: "Deutschland will 10.000 Roma ins Kosovo abschieben" (18.09.10)
Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article9721993/Deutschland-will-10-000-Roma-ins-Kosovo-abschieben.html (http://www.welt.de/politik/deutschland/article9721993/Deutschland-will-10-000-Roma-ins-Kosovo-abschieben.html)

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Quote[...] Nach Frankreich gerät nun auch Belgien wegen seiner Politik gegenüber den Roma in die internationale Kritik. Die Internationale Föderation der Menschenrechts-Ligen (FIDH) wolle beim Europarat eine Beschwerde über die Behandlung der Minderheit in Belgien einbringen, kündigte die Frankophone Belgische Menschenrechts-Liga (LDH) in der Zeitung "Le Soir" vom Montag an. Der belgische Staat "verletzt klar die Europäische Sozialcharta", sagte LDH-Vizepräsidentin Véronique Van Der Plancke. Die LDH gehört der FIDH an.

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Aus: "Auch Belgien wegen Roma-Politik in der Kritik " (20. September 2010)
Quelle: http://www.stern.de/news2/aktuell/auch-belgien-wegen-roma-politik-in-der-kritik-1605419.html (http://www.stern.de/news2/aktuell/auch-belgien-wegen-roma-politik-in-der-kritik-1605419.html)

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Quote[...] PARIS. Frankreich hat seit Jahresbeginn mehr als 8500 Roma ausgewiesen. Dafür wurde Staatspräsident Sarkozy scharf kritisiert. ,,Wir tun nichts Schlimmeres als unsere europäischen Nachbarländer", ätzt dieser nun zurück. Ganz unrecht hat er dabei nicht.

Auch Deutschland will in den kommenden Jahren mehr als 8500 Roma abschieben. Sie gehören zu den 13.000 in Deutschland geduldeten Kosovaren, die nun in ihre Heimat zurückkehren sollen. Ein entsprechendes Rücknahmeabkommen wurde im April in Berlin mit der kosovarischen Regierung unterzeichnet. ,,Deutschland plant keine Massenabschiebungen", versuchte Innenminister de Maizière zu beschwichtigen. Vielmehr solle es eine ,,schrittweise Rückführung" von jährlich bis zu 2500 Menschen geben.

An vorderster Front bei der Abschiebung von Roma ist auch Italien engagiert. Nach der tödlichen Attacke auf eine 47-jährige Italienerin im Jahr 2007 wurden Dutzende angeblich kriminelle Roma im Eilverfahren abgeschoben. Italiens Regierung musste sich damals – so wie Paris jetzt – den Vorwurf gefallen lassen, die Personenfreizügigkeit in der EU zu missachten. Zugleich ging Italien mit Vehemenz gegen Roma-Siedlungen vor. Erst im September wurden 100 Roma-Unterkünfte in Mailand abgerissen. In Rom will Bürgermeister Alemanno 200 illegale Roma-Siedlungen schleifen lassen. Dort leben etwa 2000 Menschen.

Gegen ungeliebte Roma-Einwanderer machen derzeit auch die als tolerant geltenden skandinavischen Staaten mobil. Schweden hat beispielsweise mit dem Abschieben begonnen. Betteln sei ,,keine ehrliche Weise", sein Leben zu verdienen, begründete Migrationsminister Billström die Maßnahme.

Auch Österreich hat zuletzt vermehrt Roma abgeschoben. Und zwar vor allem Bürger Mazedoniens und Serbiens, die um Asyl angesucht hatten. Laut Innenministerium ist das zulässig, wenn sie zu wenig Geld haben.

In anderen mittel- und osteuropäischen Ländern müssen die Roma buchstäblich um ihr Leben fürchten. So erschütterte im Vorjahr eine Serie gewaltsamer Anschläge die Roma in Ungarn; acht Menschen starben. Hunderte Roma wanderten aus.

In der Slowakei nahmen die Spannungen zuletzt ebenfalls zu. In einem Vorort der ostslowakischen Stadt Michalovce errichteten die Bürger eine 500 Meter lange Mauer zur Abgrenzung von einer Roma-Siedlung. 2004 führte die Kürzung der Sozialhilfe zu wochenlangen Roma-Unruhen.

Den tschechischen Roma geht es ebenfalls nicht gut: Kanada führte jüngst eine Visapflicht für Tschechen ein, weil hunderte tschechische Roma dort Asyl wollten.


Aus: "Nicht nur Frankreich hat ein Roma-Problem" Von Heidi Riepl (21. September 2010)
Quelle: http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/aussenpolitik/art391,467015 (http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/aussenpolitik/art391,467015)

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Quote[...] "Frankreich tut nichts Schlimmeres als seine Nachbarn", schrieb beispielsweise das "Journal du Dimanche". Die deutsche Regierung mache mit der Abschiebung der Roma Teenager zu Heimatlosen, und die EU bleibe als selbstzufriedener Zirkel tatenlos, weil die Roma aus dem Kosovo keine EU-Bürger seien. "Diese Heuchelei hätte ein schönes Thema für Frankreich sein können, wenn die politische Führung nicht aus wahltaktischen Gründen begonnen hätte, die Roma zu schikanieren."

Der deutsch-französische Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sieht gewisse Parallelen. Merkels Regierung begehe mit den Abschiebungen der Roma vielleicht keinen juristischen Fehler, aber einen moralischen, sagte er der Zeitung "Le Parisien". "Unter diesen Roma sind rund 5000 Kinder, von denen 3000 bereits in Deutschland eingeschult sind. Wenn sie diese Kinder in den Kosovo abschieben, ob legal oder nicht, ist das dramatisch."
Als großer Unterschied bleibt, dass die Bundesregierung mit den Abschiebungen keine Politik macht. "Die Mehrheit der Franzosen sorgt sich um das Bild Frankreichs im Ausland", sagte der Politikwissenschaftler und Meinungsforscher Jean-Luc Parodi. Sie sei beunruhigt angesichts der Verallgemeinerungen. Mehrmals hatten Regierungsmitglieder beispielsweise aus Kriminalitätsstatistiken zitiert. Nach denen hat die Zahl der Straftaten, die von Rumänen verübt wurde, im vergangenen Jahr um 138 Prozent zugenommen. Aus diesem Land kommen die meisten Roma in Frankreich, die jetzt zurückgeschickt werden.


Aus: "Deutschland schiebt Roma ins Kosovo ab" (19.09.2010)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/europa/:umstrittenes-vorgehen-deutschland-schiebt-roma-ins-kosovo-ab/50171661.html (http://www.ftd.de/politik/europa/:umstrittenes-vorgehen-deutschland-schiebt-roma-ins-kosovo-ab/50171661.html)

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Quote[...] Heute demonstrierten in Bremen bei strahlendem Sonnenschein 500 - 700 Menschen gegen die geplante Deportation von bis zu 12000 Roma aus Deutschland in den Kosovo.
"1 - 2 - 3 - 4 - Alle Roma bleiben hier!" war wohl die meistgerufene Parole auf der Demonstration, die gegen 14.30 Uhr vom Bremer HBF in Richtung Innenstadt startete. Die Route verlief über das Herdentor, die Knochenhauerstrasse, am Brill, durch die Obernstrasse, über die Domsheide, Violenstrasse und endete auf dem Domshof. Die Demonstration wurde von einem mäßigen Polizeiaufgebot begleitet, die BeamtInnen beschränkten sich aber, nach meinen Beobachtungen, auf Maßnahmen zur Verkehrssicherheit.

Die DemonstrationsteilnehmerInnen kamen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum, von engagierten BürgerInnen, über linksalternativen SzeneanhängerInnen, antifaschistischen und antirassistischen Gruppen und erfreulich vielen MigrantInnen mit ihren Kindern. Der Demonstrationszug bot so ein friedliches, buntes Bild, was zu einer positiven Außenwirkung beitrug. Am Rande der Demonstration wurden viele Flugblätter verteilt und Aufkleber verklebt, sodass die interessierten PassantInnen mit Hintergrundinformationen über den Sinn der Aktion aufgeklärt wurden.

Während der Demonstration kam es zu zwei kleineren Zwischenfällen. So mussten zu Beginn der Auftaktkundgebung zwei provozierende, alkoholisierte und wahrscheinlich "verirrte" Typen, einer trug ein "Eisernes Kreuz" Tattoo, aus der Demonstration gebeten werden. Diese kamen der freundlichen, aber bestimmten, Aufforderung die Kundgebung zu verlassen nach kurzer Diskussion nach. An der Domsheide provozierten dann am Rande der Demonstration drei ebenfalls alkoholisierte Fußballfans mit 'Schland-Rufen und dem Zeigen des Hitlergrußes. Sie verließen den Schauplatz aber mit den Beinen in der Hand, als sich einige junge AntifaschistInnen näherten.

Insgesamt war es heute eine erfolgreiche Demonstration, die bei schönem Wetter mitten in der Innenstadt ihre Wirkung entfalten konnte.

Weitere Informationen zur Thematik finden sich unter:

www.alle-bleiben.info

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QuoteInhalte und Forderungen der Demo
rom 21.08.2010 - 23:46
Ca. 340 akut ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo leben im Land Bremen. Ein großer Teil von ihnen im Bremer Stadtteil Blumenthal.

Seit die Bundesregierung im April ein Rückübernahmeabkommen mit Kosovo geschlossen hat, finden in vielen Bundesländern gewaltsame Abschiebungen von Roma Familien nach Pristina statt. Insbesondere Niedersachsen nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein.

Im Juli stellte eine UNICEF-Studie fest, dass die 5.000 Roma-Kinder, die aus Deutschland ins Kosovo abgeschoben werden sollen, kaum Aussicht auf Schulbildung, medizinische Versorgung und gesellschaftliche Integration haben. Stattdessen drohe den meist in "Nacht-und-Nebel- Aktionen" abgeschobenen Familien "Perspektivlosigkeit, extreme Armut, Heimat und Identitätslosigkeit".
Siehe:  http://www.unicef.de/download.php?f=content_media/presse/Roma-Studie_2010/UNICEF-Studie_Roma_2010neu.pdf

Bremens Innensenator Meurer (SPD) ließ verlauten, man beabsichtige nicht Familien mit minderjährigen Kindern in den Kosovo abzuschieben. Aber die Behördliche Praxis Bremens vermittelt den Betroffenen anderes: Zwar fanden die besagten ,,Nacht und Nebel Aktionen" im Stadtstaat noch nicht statt, auf der Ausländerbehörde werden die Familien aber massiven Druck ausgesetzt, Formulare zu ,,freiwilligen Ausreise" zu unterzeichnen. Die Duldungen werden nur für kurze Zeitdauer verlängert, und in manchen Fällen werden nur noch sogenannte Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt. Das sind Formulare in denen die Betroffenen aufgefordert werden, bis zu einem festgelegten Datum das Bundesgebiet zu verlassen.

Angesichts dieser Behördenpraxis und wegen der Weigerung die Kettenduldungen der Betroffenen Familien in gefestigte Aufenthaltstitel zu überführen, bleiben erhebliche Zweifel, ob Meurers Aussage, die Familien mit minderjährigen Kindern nicht abschieben zu wollen, dauerhaft Bestand haben wird.

Deshalb demonstrieren die betroffenen Roma gemeinsam mit der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, dem Bündnis Roma Solidarität Bremen, dem Bremer Flüchtlingsrat, dem Bremer Friedensforum und vielen weiteren solidarischen Menschen am Samstag durch Bremens Innenstadt.

Die Forderungen der Demo werden ab sofort im Zuge einer Postkartenaktion an den Innensenator Meurer gerichtet.

Folgende Forderungen werden darin gestellt:

- die Ausländerbehörde anzuweisen, Roma-Familien nicht mehr zur "freiwilligen Ausreise" zu drängen
- das "Rückführungsabkommen" zwischen der Bundesregierung und dem Kosovo zu boykottieren
- die Verlängerung der Bleiberechtsregelung (§ 104a u. a.) ohne weitere Bedingungen umzusetzen
- Roma humanitären Aufenthalt zu gewähren
- gesundheitliche Abschiebehindernisse anzuerkennen
- Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien statt Duldungen ein sicheres Bleiberecht zu gewähren
- bereits abgeschobenen Familien und Einzelpersonen ohne bürokratische Hürden zu gestatten nach Deutschland zurückzukehren


QuoteRoma in Freiburg
Kasimir 22.08.2010 - 01:15
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/art4306,493933
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/viele-roma-verlassen-freiburg-wieder--33078917.html


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Vorurteile der Medien gegenüber Roma
Kim 23.08.2010 - 10:41

Fäkalien auf Gemüsefeldern
http://gestern.nordbayern.de/artikel.asp?art=955246&kat=11
Betteln, stehlen, prostituieren: NEWS über das Schicksal der verkauften Roma-Kinder
http://www.news.at/articles/0720/10/173438/betteln-news-schicksal-roma-kinder
Landfahrer sorgen für Ärger
http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1260204521302.shtml
Sinti und Roma campieren am Volkspark
http://www.pnn.de/potsdam/7710/
Schotterparkplätze würden schleichend zu Dauerparkplätzen
http://www.salzburg.com/salzburgerfenster/artikel/l2604.html
Ein Höhenbalken sperrt künftig Roma und Sinti vom Parkplatz aus
http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/salzkammergut/art71,435035
Dritte Welt mitten in Europa
http://www.stern.de/politik/ausland/roma-siedlungen-dritte-welt-mitten-in-europa-522441.html




Aus: "[HB] "Alle Roma bleiben hier!"" captnX  (21.08.2010)
Quelle: http://de.indymedia.org/2010/08/288159.shtml (http://de.indymedia.org/2010/08/288159.shtml)

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Quote[...]  Chronologie der Causa Zogaj

Die Familie Zogaj beschäftigt die Öffentlichkeit seit September 2007, als das Mädchen für zwei Wochen untertauchte, um der Abschiebung zu entgehen.

Mai 2001: Arigonas Vater reist illegal mit Hilfe von Schleppern nach Österreich ein und stellt einen Asylantrag.

Mai 2002: Sein Asylantrag wird abgelehnt.

September 2002: Frau Zogaj und die fünf Kinder reisen illegal ein und stellen Asylerstreckungsanträge.

November 2002: Das Asylverfahren wird für die ganze Familie in zweiter Instanz negativ entschieden. Herr Zogaj stellt einen zweiten Asylantrag.

Februar 2003: Der Asylantrag des Vaters wird abgelehnt, er erhält den Ausweisungsbescheid. Frau Zogaj stellt für sich und die Kinder einen zweiten Asylantrag.

Dezember 2003: Der Verfassungsgerichtshof lehnt eine Asylbeschwerde ab.

Mai 2004: Die Sicherheitsdirektion Oberösterreich bestätigt die Ausweisung. Eine Beschwerde der Familie beim Verwaltungsgerichtshof hat aber aufschiebende Wirkung.

März 2005: Der Verwaltungsgerichtshof lehnt die Beschwerde ab.

April 2005: Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Vöcklabruck fordert die Familie zur Ausreise bis zum 10. Mai 2005 auf.

Mai 2005: Die Familie stellt bei der BH einen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen.

September 2005: Das Innenministerium lehnt den humanitären Aufenthaltstitel ab.

Mai 2007: Das Innenministerium weist auch die Berufung der Familie hinsichtlich einer Niederlassungsbewilligung ab.

Juni 2007: Gemeinde und Schulkollegen von Arigona starten eine Unterschriftenaktion. Der Gemeinderat Frankenburg beschließt einstimmig sich für den Verbleib der Familie einzusetzen.

Juli 2007: Die Zogajs legen beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gegen die Ablehnung der Erstniederlassungsbewilligung ein.

26. September 2007: Die Familie Zogaj wird von der Polizei abgeholt, um abgeschoben zu werden. Die 15-jährige Arigona verschwindet spurlos.

27. September 2007: Arigonas Mutter darf in Österreich bleiben, um nach ihrer Tochter zu suchen. Der Vater und die anderen vier Kinder der Familie werden in den Kosovo geflogen.

30. September 2007: Ein Brief von Arigona taucht auf. Darin schreibt sie, dass sie sich nicht lebend der Polizei stellen werde, wenn ihre Familie nicht nach Österreich zurückkommen darf.

1. Oktober 2007: Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) vereinbart mit Innenminister Günther Platter (V), das Urteil des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Arigona und ihre Mutter dürfen vorerst bleiben.

10. Oktober 2007: Arigonas Aufenthalt bei Pfarrer Josef Friedl wird bekannt.

16. Oktober 2007: Arigona geht wieder in die Schule.

30. Oktober 2007: Der VfGH legt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einen Kriterienkatalog zum Bleiberecht vor.

14. Dezember 2007: Der VfGH weist die Beschwerde der Familie Zogaj gegen die Verweigerung der Erstniederlassungsbewilligung ab - stellt aber klar, dass dies nicht bedeute, dass Arigona und ihre Mutter abgeschoben werden müssen. Der Innenminister erklärt aber postwendend, dass er kein humanitäres Aufenthaltsrecht gewährt. Arigona und ihre Mutter dürften aber bis Schulschluss im Sommer 2008 in Österreich bleiben.

Mai 2008: Mutter Nurie Zogaj unternimmt einen Selbstmordversuch, nachdem sie erfährt, dass sich der Vater der Kinder im Kosovo abgesetzt hat und nicht auffindbar ist.

Juni 2008: Arigona und Nurie Zogaj werde schriftlich dazu aufgefordert, zu Ferienbeginn Anfang Juli das Land zu verlassen. Maria Fekter (V) ist mittlerweile neue Innenministerin.

27. Juni 2008: Der VfGH fordert beim humanitären Bleiberecht ein Antragsrecht für Betroffene und setzt eine Reparaturfrist von neun Monaten.

Juli 2008: Ein psychiatrisches Gutachten attestiert Mutter und Tochter, Behandlung zu benötigen, sie dürfen daher vorerst im Land bleiben.

Oktober 2008: Der Antrag auf Schülervisa für die jüngeren Geschwister Albin und Albona Zogaj wird abgelehnt.

10. Dezember 2008: Fekter legt ihren Entwurf für eine Neuregelung des humanitären Bleiberechts vor.

23. Dezember 2008: Einen Tag vor Weihnachten wird bekannt, dass die vier Geschwister Zogaj versucht haben, aus dem Kosovo nach Österreich illegal einzureisen, aber in Ungarn aufgegriffen wurden. Dort haben sie Asyl beantragt. Nurie und Arigona stellen in Österreich neue Asylanträge. Begründung: Die weiland abgelehnten Anträge seien alle über den Vater gelaufen.

12. Jänner 2009: Drei der vier Geschwister sind illegal nach in Österreich eingereist, der vierte Bruder kommt am Tag danach an.

13. Jänner 2009: Innenministerin Fekter sieht Ungarn zuständig und ist unter Verweis auf das Dublin-Abkommen der Ansicht, dass sämtliche Anträge der Familie dort abgewickelt werden sollten.

22. Jänner 2009: Die Landeshauptleutekonferenz lehnt Fekters Plan, dass in Altfällen die Landeshauptleute darüber entscheiden sollen, ob humanitäres Bleiberecht erteilt wird, ab.

2. Februar 2009: Die beiden ältesten Brüder Zogaj kündigen an, in den Kosovo zurückzukehren.

12. März 2009: Der Nationalrat beschließt mit den Stimmen der Koalitionsparteien das neue humanitäre Bleiberecht, sogenannte Altfälle können nun einen entsprechenden Antrag stellen.

4. April 2009: Die ungarischen Behörden sehen sich für die Zogajs nicht zuständig: Die Verfahren sollten zur Gänze in Österreich abgewickelt werden, teilt man mit.

18. September 2009: Die zwei älteren Brüder Arigonas, Alfred und Alban, kehren freiwillig in den Kosovo zurück, nachdem sie zuvor über Ungarn nach Österreich eingereist und in Schubhaft gekommen waren. Die beiden minderjährigen Geschwister bleiben in Österreich.

21. Oktober 2009: Die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP beschließen im Nationalrat die Verschärfung des Fremdenrechtspakets. Dieses enthält unter anderem eine Ausweitung der Schubhaft-Möglichkeiten.

12. November 2009: Das Innenministerium verhängt aufgrund eines negativen Asylbescheids die Abschiebung von Arigona, ihrer Mutter und ihrer beiden jüngeren Geschwister. Zogaj-Anwalt Herbert Blum kündigt eine Berufung beim Asylgerichtshof an.

13. November 2009: Kardinal Christoph Schönborn hielte ein humanitäres Bleiberecht für angebracht: "Es würde dem Land keinen Schaden zufügen, wenn diese Familie bleiben könnte."

17. November 2009: Das Innenministerium betont: Ministerin Fekter könne im Fall Zogaj keinen humanitären Aufenthalt gewähre. Denn Voraussetzung dafür wäre, dass die Familie mehr als die Hälfte der Zeit rechtsmäßig im Land war.

24. Dezember 2009: Zu Weihnachten wiederholt Schönborn seinen Appell für ein humanitäres Bleiberecht, auch Bundespräsident Heinz Fischer spricht sich dafür aus.

18. März 2010: Der Asylgerichtshof lehnt die Beschwerden gegen den abgelehnten Asylantrag ab; Anwalt Blum kündigt einen Beschwerde beim VfGH an.

9. April 2010: Der VfGH gibt dem Antrag auf aufschiebende Wirkung statt. Die Ausweisung Arigonas, ihrer Mutter und ihrer beiden Geschwister wird bis zum Ende des Verfahrens ausgesetzt.

11. April 2010: Bundespräsident Fischer spricht sich neuerlich für ein humanitäres Bleiberecht aus.

14. Juni 2010: Der VfGH lehnt die Beschwerden ab. Der Ausweisungsentscheid des Asylgerichtshofs sei nicht verfassungswidrig.

22. Juni 2010: Die Zogajs erhalten eine schriftliche Aufforderung der BH, Österreich unverzüglich zu verlassen. Einen Tag später betont der Leiter der BH, dass die Familie aber noch Zeit habe, ihre Angelegenheiten zu regeln. Einige Tage später wird bekannt, dass mit der BH ohne fixes Datum vereinbart wurde, dass die freiwillige Ausreise nach Schulschluss erfolgen wird.

8./9. Juli 2010: Schulschluss für Arigona und ihre Geschwister - sie bekommen ihre Zeugnisse.

15. Juli 2010: Die Familie reist in den Kosovo aus. Um den am Flughafen Wien erwarteten Medienrummel zu umgehen, beginnen die Zogajs ihren Rückflug in Salzburg.


Aus: "Chronologie der Causa Zogaj" (15.07.2010)
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/2107036/causa-zogaj-chronologie.story (http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/2107036/causa-zogaj-chronologie.story)

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Quote[...] Die Lage der Roma in Europa ist weiterhin prekär. Sie werden diskriminiert und stehen wirtschaftlich wie sozial am Rande der Gesellschaft. Um das zu ändern, sollen die Mitgliedsstaaten gezielt Mittel aus dem milliardenschweren Strukturfonds einsetzen, fordert die EU-Kommission in ihrem heute vorgelegten Bericht zur Lage der Roma.

Die Kommission fordert von den EU-Mitgliedsstaaten, die Gelder aus dem europäischen Strukturfonds besser für die Eingliederung der Roma zu nutzen. Noch immer werden die Roma von der Mehrheitsgesellschaft segregiert, also abgetrennt und als Außenstehende behandelt. "Die Roma brauchen keinen eigenen Arbeitsmarkt, sie brauchen keine Schulen, die die Segregation von Roma-Kindern verlängern, und sie wollen keine renovierten Roma-Ghettos", kritisierte László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration.

Noch lebt ein großer Teil der zehn bis zwölf Millionen Roma in Europa "extrem marginalisiert und unter sehr schlechten sozioökonomischen Bedingungen", heißt es in dem Bericht der Kommission. Allein in den neuen Mitgliedstaaten Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien leben insgesamt drei bis vier Millionen Roma.

"Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und Segregation, denen die Roma ausgesetzt sind, verstärken sich gegenseitig. Die Roma verfügen über eingeschränkten Zugang zu hochwertiger Bildung und haben Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren; daraus resultieren ein niedriges Einkommensniveau und ein schlechter Gesundheitszustand, was wiederum eine höhere Sterblichkeit und eine geringere Lebenserwartung im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen zur Folge hat", heißt es weiter in dem Bericht.

Nach Angaben der EU-Agentur für Menschenrechte gehören die Roma zu den am meisten von Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus betroffenen ethnischen Gruppen in Europa.

...


Aus: "EU-Gelder für bessere Integration der Roma" Daniel Tost (Aktuell - Mittwoch 7 April 2010 - Soziales Europa)
Quelle: http://www.euractiv.de/soziales-europa/artikel/eu-gelder-fr-bessere-integration-der-roma-002921 (http://www.euractiv.de/soziales-europa/artikel/eu-gelder-fr-bessere-integration-der-roma-002921)

Title: [Das Muster ist uralt... (Vertreibung der Roma)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 21, 2010, 02:37:56 PM
Quote[...] Europa hat angeblich ein Problem. Es ist nicht die Krise, es sind nicht die fehlenden Arbeitsplätze, es ist nicht die Umweltkatastrophe. Es sind die Angehörigen einer Minderheit.

Zwecks Ablenkung von den desaströsen Folgen des Abzockerkapitalismus rufen Sicherheitspolitiker vieler Länder ­eine neu-alte Gefahr aus: die Roma. Bedrängt durch die Affäre seiner Gönnerin Liliane Bettencourt, die Millionen steuerfrei in der Schweiz versteckte, startete der französische Präsident, Träger des auch unter ungarischen Roma weitverbreiteten Namens Sarkozy, eine Kampagne zur Roma-Vertreibung.

Das Muster ist uralt. Seit Jahrhunderten wird in Zentral- und Westeuropa versucht, diese ZuwanderInnen erst gar nicht einzulassen oder sofort wieder loszuwerden. Roma, Sinti, Gitanos und die Angehörigen all der anderen Stämme, ob fahrend oder sesshaft, unterlagen einer jahrhundertelangen Verfolgung und dienten unter dem Begriff "Zigeuner" sowohl als Objekte romantischer Projektionen als auch als solche des Neids auf die angebliche Freiheit ihres unsicheren Lebens. Die obrigkeitliche Hetzjagd auf diese Menschen gipfelte in der "Endlösung" des "Zigeunerproblems", der Ermordung von 500.000 Roma durch die Nazis.

In einer ersten Phase der Reisefreiheit in Europa, zwischen 1860 und 1914, waren viele Roma in den Westen gezogen, vor allem aus Rumänien, wo sie in den Erzgruben und auf den Landgütern des dortigen Adels als Sklaven geschuftet hatten.

Nur der Berner Polizeiabteilung gelang damals, wovon Sicherheitsapparate anderer europäischer Länder träumten: Durch rigorose Registrierung und Ausweisung, seit dem Ersten Weltkrieg auch durch Familientrennung und Kindswegnahmen, wurde die Schweiz «zigeunerfrei». Im Zweiten Weltkrieg wurden deutsche Sinti, die sich vor dem Holocaust in die Schweiz retten wollten, ins Nazireich zurückgeschafft. Die «Lösung» des verbleibenden «Problems» der einheimischen Fahrenden in der Schweiz, der Jenischen, oblag dann der Stiftung Pro Juventute. An sie delegierten Bund und Kantone zwischen 1926 und 1973 die systematische Zerstörung der jenischen Familien und der jenischen Kultur mittels 600 weiterer Kindswegnahmen.

Die rund acht bis zehn Millionen osteuropäischer Roma hielt von 1945 bis 1989 der Eiserne Vorhang von Westeuro­pa fern. Die über sie verhängten Reiseverbote fielen jedoch nicht gleich 1989. Erst der EU-Beitritt von Ländern wie Ungarn, der Slowakei, Rumänien und Bulgarien sowie die Verträge von Schengen gaben auch den Roma das Recht, überallhin zu reisen. In Osteuropa erzeugten die Jahre seit 1989 zwar eine neue Elite von Superreichen – oft wendige Mitglieder der vorherigen sozialistischen Parteielite. Doch der Verlust garantierter Arbeitsplätze und der Abbau von Sozialleistungen wie Altersrenten und Kinderzulagen warfen neben den Roma auch breite Teile der Mehrheitsbevölkerung in krasse Armut. Und wer waren die Sündenböcke? Die Roma.

Pogrome äscherten Roma-Siedlungen ein, vorher verbotene rassis­tische Ideologien wurden Programme neuer Parteien, die Verfolgungen durch den Mob haben sich ausgeweitet und bleiben meistens unbestraft. Das ist die aktuelle Lage in Ungarn, zuvor brannte es in Rumänien und im Kosovo. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren viele Roma nach Frankreich oder Italien zogen. Geprägt von den osteuropäischen Roma-Ghettos mit rudimentärer Infrastruktur, sahen sie Baracken- und Containersiedlungen am Rand von Städten wie Paris, Rom oder Mailand als bessere Wohnlagen mit besseren Verdienstmöglichkeiten. Diese Siedlungen werden nun mit Baggern geräumt, die BewohnerInnen – wie in Rom – in abgelegene, eingezäunte Lager gesperrt oder – wie in Frankreich – mit 300 Euro Abschiebe­geld ausgeschafft.

Auch in der Schweiz und in Deutschland werden vermehrt Roma in den angeblich für sie so sicheren Kosovo abgeschoben. Roma aus Rumänien oder Bulgarien, als TouristInnen eingereist und mangels Geld unter Brücken, in Autos oder in Obdachlosenasylen nächtigend, werden in der Schweiz immer rigoroser daran gehindert, mit Strassenmusik, Blumenhandel, Betteln oder Prostitution das Geld einzunehmen, das ihren Familien in den Ghettos wieder einige Monate über die Runden helfen würde. Beliebt ist auch in der Schweiz die rassistische Hetze gegen die ganze Gruppe, wenn einzelne Mitglieder in ein übles Licht geraten. Gerne wird vergessen, dass in den letzten Jahrzehnten rund 40 000 Roma einwanderten, hier seither sesshaft leben, in vielen Berufen ihre Arbeit verrichten und ihre Kinder aufziehen, vorsichtigerweise ohne ihre ethnische Zugehörigkeit laut zu verkünden. Viele kamen als Saisonniers und haben inzwischen das Schweizer Bürgerrecht.

Die Schweiz und die EU könnten endlich damit beginnen, die Roma mit ihrer reichen Kultur, ihrem Familiensinn und ihrem Stolz nicht mehr als Bedrohung zu sehen, sondern als Bereicherung zu schätzen. Politische Tricks ältesten Strickmusters von Politikern wie Nicolas Sarkozy verhindern das.

WOZ vom 26.08.2010


Aus: "Vertreibung der Roma - Wohlfeile Sündenböcke" Von Thomas Huonker (26.08.2010)
Quelle: http://www.woz.ch/artikel/2010/nr34/international/19682.html (http://www.woz.ch/artikel/2010/nr34/international/19682.html)

Title: [Ich vertraue darauf... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2010, 02:57:06 PM
Quote[...] Griechenland sieht sich mit der zunehmenden Zahl illegaler Einwanderer aus Afrika überfordert. Athen hat daher Teams des EU-Grenzschutzes Frontex angefordert.

Die EU-Kommission spricht von einer "dramatischen" Situation, auch die Vereinten Nationen sind besorgt: Angesichts des wachsenden Stroms illegaler Flüchtlinge bahnt sich ihrer Ansicht nach eine humanitäre Krise an der griechisch-türkischen Grenze an. Griechenland sieht sich außerstande, der Lage selbst Herr zu werden. Die Regierung in Athen habe daher Eingreifteams der EU-Grenzschutzagentur Frontex angefordert, teilte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Brüssel mit. Es sei das erste Mal, dass ein Mitgliedsland die seit 2007 bestehende Truppe in Anspruch nehme.

Die Grenzschützer sollen Griechenland bei der Überwachung der Landgrenze zur Türkei unterstützen. Im Nordosten des Landes versuchen immer mehr Flüchtlinge – zumeist aus Afrika oder Afghanistan – die Europäische Union zu erreichen. In den ersten acht Monaten des Jahres 2010 stieg die Zahl der illegalen Einwanderer, die an der Landgrenze zur Türkei abgefangen wurden, auf 23.000. Vergangenes Jahr hatte die Zahl im Vergleichszeitraum noch bei 5600 gelegen.

Den Vereinten Nationen zufolge sind die Aufnahmelager für Immigranten und Asylsuchende entlang der griechisch-türkischen Grenze zur Türkei völlig überfüllt. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beschuldigte Griechenland, die Menschenrechte der Flüchtlinge massiv zu verletzen. Diese würden systematisch zurückgewiesen und auf dem Landweg über den Grenzfluss in die Türkei zurückgetrieben, kritisierte Pro Asyl in einem Bericht, der auf gemeinsamen Recherchen mit einer griechischen Anwaltsorganisation für Flüchtlingshilfe beruht. Immer wieder würden Menschen ertrinken, wenn sie schwimmend versuchten, das griechische Ufer des Flusses zu erreichen.

... EU-Kommissarin Malmström ging indirekt auf diesen Vorwurf ein. "Ich vertraue darauf, dass allen Flüchtlingen, die über die Grenze kommen, angemessen geholfen wird und dass die Bitte um internationalen Schutz in voller Übereinstimmung mit internationalen und europäischen Standards berücksichtigt wird", schrieb sie in einer Mitteilung.


... Offenbar hat die EU jene Notlage aber zum Teil selbst zu verantworten: Den Behörden zufolge ist der Andrang an der griechisch-türkischen Grenze die unmittelbare Folge der verstärkten EU-Marinepatrouillen in der Ägäis, die zuvor eine Hauptroute war, um illegale Immigranten in die EU zu schleusen. Dort wurden dieses Jahr nur noch knapp 4000 statt zuvor 15.000 Menschen abgefangen. Inzwischen jedoch kommen der EU-Kommission zufolge 90 Prozent der illegalen Einwanderer über Griechenland.

...


Aus: "Griechenland fordert Hilfe zum Schutz der Grenze an" ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, AFP (25.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-10/griechenland-fluechtlinge-frontex (http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-10/griechenland-fluechtlinge-frontex)

Title: [Neo-Kapitalilstischenr Schutzwall... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2010, 10:41:51 AM
Quote[...] Libyen modernisiert seine Grenzüberwachung. Trotz Kritik des Parlaments schließt die EU mit Präsident Gaddafi eine "Vereinbarung über technische Hilfe und Kooperation". Ein Freihandelsabkommen soll folgen

[...] Seit November 2008 verhandelt die EU über ein generelles Rahmenabkommen zu Außenpolitik und Sicherheitsfragen, einer Freihandelszone und weiteren Schritten in der Migrationsabwehr.

...

Quote26. Oktober 2010 02:17
Die abgebaute DDR-Grenze läuft jetzt um die ganze EU herum
adiosamigos

Nach dem sozialistischen gibt es nun den Neo-Kapitalilstischen
Schutzwall. Und was dann schlussendlich mit den nach Lybien
zurückgeführten Flüchtlingen in der Wüste passiert, will später
niemand gewusst haben.

DR3CKsP4CK



Aus: "Lizenz zum Töten?" Matthias Monroy 26.10.2010
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33538/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33538/1.html)

Title: [Rapid Border Intervention Teams... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 02, 2010, 11:47:21 AM
Quote[...] BERLIN (Eigener Bericht) - Am morgigen Dienstag beginnen EU-Polizeitrupps unter deutscher Beteiligung mit der Jagd auf Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze. Der erste Einsatz der sogenannten Schnellen Grenz-Eingreifgruppen (Rapid Border Intervention Teams, RABITs) wird eingeleitet, nachdem das Asylsystem Griechenlands praktisch kollabiert ist: Die Regularien der EU übertragen die Aufnahme von Flüchtlingen de facto den Staaten an der europäischen Außengrenze; Athen ist damit inzwischen völlig überlastet. Dabei führen die Abschottung des Mittelmeers sowie die italienischen Massenabschiebungen nach Libyen dazu, dass die Zahl der Flüchtlinge, die auf dem Landweg über Griechenland in die EU einzureisen suchen, deutlich zunimmt. Zur weiteren Abschottung errichtet Libyen jetzt an seiner Seegrenze mit EU-Mitteln ein Radarsystem, das selbst kleinste Flüchtlingsboote penibel aufspüren kann. Die Proteste von Menschenrechtsorganisationen gegen die deutsch-europäische Flüchtlingsabwehr dauern an: Berlin und Brüssel handelten nicht nach Erfordernissen des Flüchtlingsschutzes, sondern nach dem Motto "abschotten, abwälzen, abschieben", urteilt etwa Amnesty International. Auch die UNO erhebt Beschwerde.

RABITs
Wie die EU-Flüchtlingsabwehrbehörde Frontex mitteilt, wird sie am morgigen Dienstag mit der Entsendung von "Schnellen Grenz-Eingreifgruppen" (Rapid Border Intervention Teams, RABITs) an die griechisch-türkische Grenze beginnen. Insgesamt werden 175 Grenzkontrollspezialisten im Einsatz sein, um gemeinsam mit dem zuständigen griechischen Personal Flüchtlinge aufzugreifen und sie an der Einreise in die EU zu hindern. Neben dem für das Aufspüren und den Abtransport der Flüchtlinge nötigen Gerät, darunter Busse, Patrouillenfahrzeuge und ein Hubschrauber, sorgt Frontex unter anderem für Experten zur Identifizierung gefälschter Papiere, für Hundeführer und für Interviewspezialisten, die geschult sind, die Herkunftsländer von Flüchtlingen zu überprüfen. Bei dem Einsatz handelt es sich um die erste Entsendung von RABITs überhaupt. Diese wurden schon vor einiger Zeit aufgestellt, um an den Außengrenzen der EU einzugreifen, sobald die nationale Flüchtlingsabwehr nicht die gewünschten Erfolge erzielt. Rein formell unterstehen die entsandten Beamten dem Einsatzland; tatsächlich halten sie aber auch Kontakt zu den jeweiligen nationalen Entsendebehörden. Deutschland beteiligt sich mit Personal und mit Material an der aktuellen Intervention.[1]


...

[1] Frontex to Deploy 175 Specialist Border Personnel to Greece; www.frontex.europa.eu 29.10.2010


Aus: "Abschotten, abwälzen, abschieben" (01.11.2010)
Quelle: http://german-foreign-policy.com/de/fulltext/57935?PHPSESSID=8d0ns02hc83ch8qam4kl3bvrh7 (http://german-foreign-policy.com/de/fulltext/57935?PHPSESSID=8d0ns02hc83ch8qam4kl3bvrh7)


Title: [Eine Nuance ist jedoch hinzuzufügen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 03, 2010, 10:13:17 AM
Quote[...] Jetzt, da der Vorsitzende der Christlich Sozialen Union noch einmal und ein für allemal in Granit gemeißelt hat, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, ist die logische Konsequenz: Sollen doch die anderen schauen, wie sie zurechtkommen. Griechenland ist gemeint, das kürzlich nach Frontex gerufen hat oder Italien, alle die Länder und deren Menschen, die an einer leicht erreichbaren EU-Außengrenze leben; wo der physische Zugang zur Europäischen Union geographisch bedingt schwer kontrollierbar ist.

... Eine Nuance ist jedoch hinzuzufügen: Erst die Restriktion des Asylrechts unter den Ausschlussbegriff der ,,Wirtschaftsflüchtlinge" hat es in den vergangenen Jahrzehnten erlaubt, den erlauchten Kreis derer, die deutschen Boden betreten sollen dürfen, noch enger zu fassen. Die politische Diskussion, die in den 1990ern zur Veränderung im Grundgesetz geführt hat, hat die Wahrnehmung für Menschen, die von außerhalb nach Deutschland kommen wollen, blank und frei auf ihren Nutzwert reduziert: Nur was Deutschland frommt, darf auch herein. An der Qualität dieser Aussage ist seit Seehofers Exploit nicht zu zweifeln. Unter solchen Präjudizien lässt es sich sodann fein gegen ,,Gemüseverkäufer", ,,Kopftuchmädchen" und sogar deren genetische oder religiöse Befindlichkeiten streiten. Das Versprechen einer Großherzigkeit, die eigener Erfahrung geschuldet war, ist so zu seinem Gegenteil pervertiert worden, zur unbarmherzigen Selektion.

... Die Toten im Mittelmeer sind keine Heiligen, sie sind auch keine Märtyrer. Aber es lohnt sich, ihrer zu gedenken, denn sie sind Opfer von Politik, die sich simpelster Wurzeln ihrer eigenen, hoch gelobten Kultur nicht entsinnen will: Pietas et Caritas.

...

Quote
dame.von.welt schrieb am 01.11.2010 um 11:52

Zur Einführung des Artikels 16a sollte auch nicht vergessen werden, was genau dazu führte. Nämlich die Brandanschläge gegen Einwanderer in Mölln und Solingen, gipfelnd in den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen. Zum Nachlesen darüber wie über die hahnebüchene juristische Aufarbeitung 'Das Sonnenblumenhaus'
http://www.christoph-koch.net/2007/10/26/das-sonnenblumen-haus/ (http://www.christoph-koch.net/2007/10/26/das-sonnenblumen-haus/)

und

'Ich war Teil der Meute'
http://www.zeit.de/2002/25/Ich_war_Teil_der_Meute?page=all (http://www.zeit.de/2002/25/Ich_war_Teil_der_Meute?page=all)

Beim Zusammenhang zwischen dem CDU/CSU-Gehetze von 'Das Boot ist voll' und dem nachträglichen Versuch von ebenda, das geänderte Asylgesetz als Maßnahme gegen künftige Pogrome zu verkaufen (vom feigen Einknicken der SPD zu schweigen), kräuseln sich mir bis heute die Magenschleimhäute.



Quote
Querdenker schrieb am 02.11.2010 um 09:36

Nirgends offenbart sich die Verlogenheit einiger Linker hierzulande mehr als im Umgang mit Ausländern. Da wird eine regelrechte Klientelpolitik unter dem Banner der Menschlichkeit betrieben: Politische Flüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, Kriegsflüchtlinge, Importbräute, Kriminelle Banden, Terroristen - Hauptsache, es kommen viele. Hauptsache, das Wohlstands- und Demokratiegefälle bleibt zementiert. Hauptsache, man hat überhaupt noch ein Thema, mit dem man in die Schlagzeilen kommt. Über ein Szenario, in welchem die Grenzen nach Europa tatsächlich offen wären, möchte man lieber nicht nachdenken. Braucht man auch nicht, wenn man keine politische Verantwortung zu tragen hat.


Quote

Fritz Teich schrieb am 03.11.2010 um 01:34

Mal wieder alles zusammengeruehrt was nicht zusammengehoert. Ist es christlich, nach einem Asylgrund zu fragen? Ist es unchristlich, einen Auslaender abzuschieben? ...




Aus: "Recht auf Asyl, die verlorene Unschuld" ed2murrow (31.10.2010)
asylrecht bundesverfassungsgericht zuwanderung ausländerpolitik allerheiligen
Quelle: http://www.freitag.de/community/blogs/ed2murrow/recht-auf-asyl-die-verlorene-unschuld (http://www.freitag.de/community/blogs/ed2murrow/recht-auf-asyl-die-verlorene-unschuld)

Title: [Wegen der politischen Umwälzung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 14, 2011, 05:02:09 PM
Quote[...] Auslöser für den großen Flüchtlingsansturm ist der Sturz des tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali. Wegen der politischen Umwälzung ist der Grenzschutz vernachlässigt worden. Diese Chance haben Tausende von Tunesiern genutzt, um nach Europa zu kommen.

Zwischen Italien und Tunesien herrscht derweil noch kein Konsens, wie man mit der Lage umgehen sollte. Tunesien lehnte den Vorschlag Italiens ab, an der nordafrikanischen Küste italieniche Einsatzkräfte zur Eindämmung der Migrantenbewegung einzusetzen.

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Aus: "Flüchtlingsdrama auf Lampedusa hält an" (14.02.2011)
Quelle: http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Politik/Artikel,-Fluechtlingsdrama-auf-Lampedusa-_arid,2368384_regid,2_puid,2_pageid,4290.html (http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Politik/Artikel,-Fluechtlingsdrama-auf-Lampedusa-_arid,2368384_regid,2_puid,2_pageid,4290.html)

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Quote[...] Die genaue Zahl der Ankömmlinge auf Lampedusa ist umstritten; etwa 5000 sollen es sein, Tendenz steigend. Allein seit Samstagnacht seien es 1600 Menschen gewesen, berichten italienische Zeitungen. Am Montag wurden neue Boote gesichtet. Die Flüchtlinge campierten zunächst auf der Hafenmole, auf Parkplätzen und einem umzäunten Fußballplatz, weil sich die italienische Regierung zunächst weigerte, das Flüchtlingslager wieder zu eröffnen - sie fürchtete einen "erhöhten Anziehungseffekt".

... Nachrichtenagenturen berichten, die Behörden hätten begonnen, die Menschen mit Fähren und Flugzeugen nach Sizilien zu bringen - aus Sorge darüber, dass sich Terroristen oder gewöhnliche Kriminelle unter den Flüchtlingen befinden können. Auf Sizilien befindet sich ein Abschiebelager - den Menschen dort droht die unfreiwillige Rückreise nach Tunesien. Italien habe keine Hemmungen, warnt der Menschenrechtler Karl Kopp vom Flüchtlingsrat: "Sie schicken Flüchtlinge sehenden Auges in die libyschen Haftlager Gaddafis zurück. In dieser Hinsicht ist Italien die Speerspitze der Schändlichkeit."




Aus: "Italien: Flüchtlingswelle auf Lampedusa - Exodus der Revolutionäre" Von Michael König (14.02.2011)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingswelle-auf-lampedusa-exodus-der-revolutionaere-1.1059837 (http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingswelle-auf-lampedusa-exodus-der-revolutionaere-1.1059837)

Title: [Der Frontex-Chef seinerseits... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 01, 2011, 01:43:31 PM
Quote[...] Der Frontex-Chef seinerseits stellt klar, Europa werde keine Abwehrschlacht gegen Menschen in Not führen. "Wenn es in der Mittelmeerregion eine humanitäre Krise geben sollte und die Menschen um ihr Leben fliehen, dann werden wir sie nicht zurückweisen. Das würde gegen internationales Recht verstoßen."

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Aus: "Mission Abschiebung" Von Ulrich Krökel (28.2.2011)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/frontex-fluechtinge-libyen?page=2 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/frontex-fluechtinge-libyen?page=2)

Title: [Im altbekannten Abwehrreflex... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 17, 2011, 10:31:16 AM
Quote[...] Maher hat umgerechnet 1000 Euro an Schlepper bezahlt, ein Vermögen für ihn, er hat in der Kajüte ausgeharrt, im Maschinenraum, an Deck, er hat sein Leben riskiert und versteht die Europäer nicht. »Warum sagt ihr Nein zu uns?« Mit welchem Recht verwehrt ihr uns, die wir einen Diktator verjagt haben, unsere neue Freiheit zu nutzen?

Maher ist 30 Jahre alt, die Boote sind voll mit jungen Männern. Er hat sein bisheriges Leben unter dem Regime von Ben Ali gelebt, er erzählt von Demütigungen durch die Polizei, von Schlägen, Beleidigungen, Einschränkungen. Von seinem Job als Automechaniker in Tunis, für den er über Jahre nicht bezahlt wurde. Maher arbeitete nebenbei als Kunsthandwerker, er beschlug Kupferplatten in seinem Laden drei Kilometer vom Präsidentenpalast entfernt, das brachte 100 Euro im Monat ein. Man kann seine Geschichte nicht überprüfen. Aber man kann Maher verstehen, wenn er sagt, er wolle nicht mehr warten, bis das neue, das richtige Leben für ihn irgendwann beginne. »Ich möchte eine Frau finden, heiraten, Kinder bekommen«, sagt er. Dafür braucht er Geld, das er sich verdienen will. Daheim wartet auf ihn das Chaos der nachrevolutionären Zeit. Maher will jetzt leben. Wie die anderen auch.

Auf die ersten Flüchtlinge aus Tunesien reagierten die Europäer im altbekannten Abwehrreflex. Einen »Massenexodus biblischem Ausmaßes« hatte der italienische Innenminister Roberto Maroni prophezeit, Hunderttausende Flüchtlinge. Maroni forderte Europas Hilfe. Ungewohnt kalt entgegnete ihm sein deutscher Kollege Thomas de Maizière, da noch Innenminister: »Italien ist gefordert, aber nicht überfordert.« Die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex kündigte zwar Unterstützung an für Italien, Beamte, Helikopter, Flugzeuge. Aber die sind noch nicht auf Lampedusa eingetroffen. Weil auch die biblische Flut bislang ausblieb?

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Aus: "Flüchtlinge - Nur das eine Leben" Von Christian Denso (11.3.2011)
Quelle: http://www.zeit.de/2011/11/Italien-Lampedusa-Fluechtlinge (http://www.zeit.de/2011/11/Italien-Lampedusa-Fluechtlinge)

Title: [Schweigen und Passivität... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 09, 2011, 10:14:31 AM
Quote[...] Der Europarat hat angesichts der jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer die europäischen Staaten zu mehr Solidarität aufgerufen. Regierung und Institutionen würden ihrer Verantwortung nicht gerecht, kritisierte der Menschenrechtsbeauftragte der Länderorganisation, Thomas Hammarberg, am Mittwoch in Straßburg. "Ihr Schweigen und ihre Passivität sind schwer zu akzeptieren".

...


Aus: "Europarat ruft Europa zur Hilfe für Flüchtlinge auf" (8. Juni 2011)
Quelle: http://www.stern.de/news2/aktuell/europarat-ruft-europa-zur-hilfe-fuer-fluechtlinge-auf-1693577.html (http://www.stern.de/news2/aktuell/europarat-ruft-europa-zur-hilfe-fuer-fluechtlinge-auf-1693577.html)
Title: [Die Männer an Bord seien gezwungen gewesen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 05, 2011, 12:13:08 PM
Quote[...] Lampedusa (dpa) - Erneute Flüchtlingstragödie mit Dutzenden von Toten im Mittelmeer: Überlebende eines vor der libyschen Küste havarierten Bootes berichten von dem grauenvollen Tod von Frauen und Kindern, die auf See an Hunger, Durst und Entkräftung gestorben seien.

Die Männer an Bord seien gezwungen gewesen, «die Leichen, 100 an der Zahl, während der Fahrt über Bord zu werfen», sagte einer der Geretteten italienischen Beamten auf die Insel Lampedusa.

Das weitere Flüchtlingsdrama könnte diplomatische Folgen haben, wie italienische Medien am Freitag berichteten. Denn italienische Behörden hätten ein Nato-Schiff in der Nähe erfolglos aufgefordert, dem Boot zu helfen. Das römische Außenministerium hat von der Nato eine Erklärung zu dem Vorfall verlangt.

«Wie Säcke ins Meer geworfen, gestorben an Hunger und Durst und von der Sonne verzehrt», beschreibt die Turiner Tageszeitung «La Stampa» am Freitag das Los der afrikanischen Flüchtlinge auf dem Schiff. Die italienische Küstenwache hat mehr als 300 Überlebende des Unglücksbootes aus den libyschen Gewässern zur nahe gelegenen Insel Lampedusa gebracht. Viele von ihnen sollen medizinische Behandlung benötigen. Tagelang hätten sie vergebens auf Hilfe gehofft.

Die Küstenwache erreichte das Flüchtlingsboot etwa 90 Seemeilen (knapp 170 Kilometer) von Lampedusa entfernt auf See. Mit vier Schiffen wurden die Überlebenden dann in Sicherheit gebracht. Über die aussichtslose Lage des manövrierunfähigen Bootes hatte ein zyprischer Schlepper als erstes ein SOS-Signal gegeben. Das Boot war am vergangenen Freitag östlich von Tripolis aufgebrochen, um den anhaltenden Wirren in dem Bürgerkriegsland entkommen zu können.

Erst am vergangenen Montag hatten die Italiener unter Deck eines in Lampedusa angekommenen Bootes aus Libyen 25 Leichen junger Männer gefunden, die dort erstickt waren. Gegen sechs Schleuser wird in der Sache ermittelt. Auf der verzweifelten Überfahrt mit oftmals kaum seetauglichen Booten von nordafrikanischen Küsten nach Europa kommt es immer wieder zu Flüchtlingsdramen.

Im Mai sollen Hunderte von Menschen nach dem Schiffbruch ihres Bootes vor der Küste von Tripolis nicht mehr das Land erreicht haben. Anfang Juni kamen den Berichten zufolge 270 Migranten eines mit 700 Menschen überfüllten Bootes aus Libyen im Mittelmeer um. Seit Beginn des Nato-Einsatzes gegen das Regime von Diktator Muammar al-Gaddafi erreichten mehr als 20 000 Flüchtlinge von dort Italien, die meisten von ihnen über Lampedusa.


Aus: "Flüchtlingsdrama: 100 Leichen über Bord geworfen" (5.8.2011, dpa)
Quelle: http://www.zeit.de/news-082011/5/fluechtlingsdrama100leichenueberbordgeworfen (http://www.zeit.de/news-082011/5/fluechtlingsdrama100leichenueberbordgeworfen)

Title: [Ein tödliches Jahr... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 29, 2011, 11:25:59 PM
Quote[...] Gaddafi wurde für die Flüchtlingsbekämpfung von europäischen Staaten hofiert und aufgerüstet. Europa und auch die Bundesregierung tragen die Mitverantwortung an den Verstößen gegen die Menschenrechtskonventionen.

... Noch vor wenigen Tagen war Diktator Gaddafi der wichtigste Bündnispartner Europas im Kampf gegen Flüchtlinge und Migranten. Er wurde hofiert und umgarnt.

Allein seit Mai 2009 hat die italienische Küstenwache über 2000 Bootsflüchtlinge aus Eritrea, Somalia und anderen Verfolgerstaaten in Haftlager Gaddafis zurückgeschickt. Sie wurden dort misshandelt, gefoltert, Flüchtlingsfrauen vergewaltigt. Europa, und auch die Bundesregierung, tragen Mitverantwortung an diesen Menschenrechtsverletzungen. Sie haben geschwiegen zu den Völkerrechtsbrüchen der Regierung Berlusconi. Anstatt die Regierung in Rom zu sanktionieren, versuchte die EU das ,,italienische Modell" zu kopieren.

Erst am 22. Februar 2011 verkündete die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, dass die Verhandlungen mit Libyen über ein sogenanntes Rahmenabkommen ausgesetzt werden, das eine noch engere Kooperation bei der Flüchtlingsabwehr umfassen sollte. Die Einsicht, dass man mit dem Diktator Gaddafi keine schmutzigen Deals machen kann, kommt viel zu spät. Es war bereits ein menschenrechtlicher Tabubruch, dass diese Verhandlungen seit 2008 mit Hochdruck geführt wurden. Gaddafi wurde von europäischen Staaten wie Italien und der EU – im wahrsten Sinne des Wortes – für die Flüchtlingsbekämpfung aufgerüstet.

Die EU muss den Nachbarstaaten Ägypten und Tunesien jede erdenkliche Hilfe auch im Zusammenhang mit neu ankommenden Flüchtlingen aus Libyen zukommen lassen. Es wird auch zu Fluchtversuchen kommen von Transitflüchtlingen aus Eritrea, Somalia und anderen afrikanischen Staaten, die in Libyen gestrandet sind. Diese waren bereits vor der exzessiven Gewaltanwendung des Regimes gegen die Oppositionsbewegung ,,Freiwild" in Libyen. Eine umfassende Unterstützung – finanzieller und logistischer Art – der Nachbarstaaten ist eine Voraussetzung, dass Fluchtkorridore geöffnet werden.

... Europa kann nur dann Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen zurückgewinnen, wenn die jetzt erhobenen Forderungen nach Regimewechsel und Demokratisierung einhergehen mit einer grundlegenden Revision der europäischen Kooperationspolitik mit diktatorischen Regimes und einer veränderten Flüchtlingspolitik. Der erste Lackmustest wird sein, inwieweit Europa eine menschenwürdige, solidarische Aufnahme von Bootsflüchtlingen gewährleistet.


Aus: "Ein Pakt mit dem Teufel" von Karl Kopp (02.03.2011)
Quelle: http://www.theeuropean.de/karl-kopp/5842-fluechtlingsdrama-im-mittelmeer (http://www.theeuropean.de/karl-kopp/5842-fluechtlingsdrama-im-mittelmeer)

-.-

Quote[...] Insgesamt 2000 tote Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen, keine Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme, Dauerblockade bei der Schaffung gemeinsamer Asylrechtsstandards und populistische Debatten, die selbst die innereuropäische Freizügigkeit infrage stellen - das waren die zentralen Merkmale der EU-Flüchtlingspolitik im Jahr 2011.

2011 war bislang das tödlichste Jahr in der Geschichte der europäischen Flüchtlingspolitik: Die Fluchtroute mit den meisten Toten war der Kanal von Sizilien, wo knapp 1600 Bootsflüchtlinge starben. Die EU-Innenminister tragen Mitverantwortung an diesem Massensterben. Sie verweigerten schnelle Rettungsmaßnahmen für gestrandete Flüchtlinge und sie waren nicht willens, eine effektive Seenotrettung zu organisieren. Wären diese Bootsflüchtlinge Touristen oder EU-Bürger gewesen, die meisten von ihnen wären rechtzeitig gerettet worden. Bei Flüchtlingen schaut Europa zu und lässt sie sterben.

Angesichts einer Politik der unterlassenen Hilfeleistung für Schutzsuchende in Not ist es nur als zynisch zu bewerten, wenn die EU-Kommission im Dezember 2011 das Grenzüberwachungssystem EUROSUR der Öffentlichkeit als Beitrag verkauft, das Sterben an den Außengrenzen zu reduzieren. High-Tech-Überwachung, Drohneneinsatz und der Export von Grenzüberwachungstechnologie in Drittstaaten sind kein Beitrag, um das Leiden vor den Toren Europas zu beenden, sondern eine neue Stufe der Abschottung. EUROSUR sorgt allein dafür, dass sich Menschenrechtsverletzungen und Flücht-lingssterben an anderen Orten abspielen.

Fehlende Solidarität und ein Mangel an Menschlichkeit sind auch die Merkmale bei der Aufnahme von Asylsuchenden im Innern der EU: »Wir sind nicht zuständig für die Asylprüfung«, ist mittlerweile das Schlüsselelement der deutschen Asylpolitik. Schutzsuchende, die es bis nach Deutschland schaffen, werden inhaftiert und zurückverfrachtet in ein anderes europäisches Land, weil sie über dieses nach Europa eingereist sind. Insgesamt 2213 Abschiebungen fanden allein in den ersten neun Monaten 2011 statt - nach Malta, Italien, Polen, Ungarn und anderswohin. Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland mussten bereits im Januar 2011 europaweit gestoppt werden. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hatte in einem Grundsatzurteil Abschiebungen dorthin für menschenrechtswidrig erklärt.

Der europäische Anteil an der Flüchtlingsmisere in Griechenland wird jedoch von der Bundesregierung ausgeblendet. Die unfaire Asylzuständigkeitsregelung lässt dem kleinen Land keine Chance. Griechenland ist aufgrund seiner geografischen Lage für einen großen Anteil der Schutzsuchenden in Europa zuständig. Flüchtlinge aus Afghanistan, aus Irak, Iran, aus Syrien und aus Somalia fliehen über die Türkei nach Griechenland.

Aus Sicht von PRO ASYL zeigt das Kollabieren des griechischen Asylsystems, dass die gesamte europäische Asylpolitik in einer Systemkrise steckt. Europa braucht eine völlig andere Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Schutzsuchenden. Es muss Schluss sein damit, dass Staaten im Innern die maßgebliche Verantwortung für den Flüchtlingsschutz an die Außengrenzstaaten abschieben. Notwendig ist ein humanitärer Verteilungsmechanismus, der die Bedürfnisse und familiären Bindungen der Schutzsuchenden in den Mittelpunkt stellt. Europa braucht ein gemeinsames Asylrecht, das Schutzsuchenden einen gefahrenfreien Zugang eröffnet und faire Asylverfahren europaweit durchsetzt.


Aus: "Ein tödliches Jahr" Von Karl Kopp (30.12.2011)
Karl Kopp ist Sozialwissenschaftler und Europareferent im Frankfurter Zentralbüro von Pro Asyl e.V.; er ist Mitglied in mehreren internationalen Gremien auf NGO-Ebene.
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/214340.ein-toedliches-jahr.html (http://www.neues-deutschland.de/artikel/214340.ein-toedliches-jahr.html)

Title: [Verheerende Zustände... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 10, 2012, 06:14:03 PM
Quote[...] (sda/afp) Der Europarat hat sich entsetzt über die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern geäussert. Praktisch alle Lager seien hoffnungslos überfüllt und die hygienischen Bedingungen verheerend, erklärte das Anti-Folter-Komitee des Rates in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.

Sechs Experten des Komitees hatten im Januar vergangen Jahres zahlreiche Flüchtlingslager, Haftzellen auf Kommissariaten und dem Athener Flughafen sowie Gefängnisse inspiziert. Es war die fünfte Inspektion in Griechenland seit 2005.

Seit 2005 habe sich die Lage der Flüchtlinge und illegalen Einwanderer nicht verbessert, sondern sogar noch weiter verschlechtert, heisst es im Bericht. In zahlreichen Einrichtungen seien die Menschen «wie Käfig-Tiere» untergebracht – viele von ihnen für mehrere Monate.

An einem Posten der Grenzpolizei in der Evros-Region nahe der türkischen Grenze etwa seien zum Zeitpunkt der Visite 146 Männer in einem 110 Quadratmeter grossen Bereich eingepfercht gewesen. Für alle Häftlinge habe es nur eine Dusche und eine Toilette gegeben.

An einem nahegelegenen Grenzposten fanden die Experten des Europarats rund hundert Flüchtlinge vor, die sich einen 35 Quadratmeter grossen, völlig verdreckten Raum teilen mussten. Die Einwanderer klagten gemäss Angaben über Kälte, mangelnde Nahrung, schlechte Belüftung, verdreckte oder verstopfte Toiletten. Da den Flüchtlingen bei ihrer Festnahme die gesamte Habe weggenommen wurde, konnten sie ihre Kleider nicht wechseln.

In einem anderen Lager trafen die Mitglieder des Anti-Folter-Komitees auf 110 Minderjährige, ein Drittel davon Kinder zwischen zwölf und 14 Jahren. Die meisten von ihnen waren laut Bericht ohne Begleitung Erwachsener.

Die drei Toiletten in diesem Lager waren demnach verstopft, der Boden der Schlafsäle überschwemmt, der Gestank «unerträglich». Die meisten der so Inhaftierten hätten nie oder sehr selten Gelegenheit zu einem Hofgang. Die griechischen Behörden verteidigten diese Zustände mit dem Verweis auf fehlendes Aufsichtspersonal und Geldnot.

Vertreter des Anti-Folter-Komitees – Strafvollzugsexperten, Juristen und Ärzte – besuchen in regelmässigen Abständen Gefängnisse und andere Orte, an denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden.

Das Gremium hat die Aufgabe, die Einhaltung des Anti-Folter-Abkommens durch die Europaratsländer zu überwachen. Die Berichte können erst veröffentlicht werden, wenn die betroffene Regierung dem zustimmt.




Aus: "Verheerende Zustände in Griechenland" (10. Januar 2012, 15:26, NZZ Online)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/verheerende_zustaende_in_griechenland_1.14257123.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/verheerende_zustaende_in_griechenland_1.14257123.html)

Title: [Über 1.500 Menschen mussten 2011 sterben... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 13, 2012, 01:33:06 PM
Quote[..] BERLIN afp/dapd | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, mehr zum Schutz von Flüchtlingen zu tun. Mindestens 1500 Männer, Frauen und Kinder seien im vergangenen Jahr auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken, erklärte die Organisation in einem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Bericht zum Flüchtlingsschutz. ,,Etliche dieser Todesfälle wären vermeidbar gewesen", hieß es weiter.

,,Europa muss seiner Verantwortung für Flüchtlinge in Seenot endlich gerecht werden", forderte die Amnesty-Asylpolitikexpertin Franziska Vilmar. Die Mitgliedsstaaten und EU-Institutionen müssten ,,alle nötigen Maßnahmen bei der Seenotrettung" treffen, ,,um dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu bereiten".

Doch bisher sei den Regierungen der Europäischen Union wichtiger, ihre Grenzkontrollen zu verstärken, als Menschenleben zu retten, heißt es in dem Bericht. ,,Heute versagt Europa dabei, die Rechte von Migranten, Asylbewerbern und Flüchtlingen zu fördern und zu respektieren", so die Autoren weiter. ,,Feindseligkeit ist weitverbreitet und Misshandlungen werden nicht gemeldet."

...


Aus: "EU-Flüchtlingspolitik - Etliche vermeidbare Todesfälle"  (13.06.2012)
Quelle: https://www.taz.de/EU-Fluechtlingspolitik/!95251/ (https://www.taz.de/EU-Fluechtlingspolitik/!95251/)

Title: [Für Flüchtlinge gilt das Gegenteil... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 18, 2012, 09:52:16 AM
Quote[...] Man hat sich auch in Deutschland daran gewöhnt, dass Flüchtlinge in Abschiebehaft kommen - auch wenn sie nichts verbrochen, sondern nur Zuflucht gesucht haben. Nun soll man sich hierzulande auch noch daran gewöhnen, dass Flüchtlinge sogleich in Aufnahmehaft kommen, so bald sie hier ankommen. Es wird dann so sein, dass die Aufnahmehaft nahtlos in die Abschiebehaft übergeht. Flüchtlinge, die der Unfreiheit entfliehen wollten, landen auf diese Weise genau dort. Aus ganz Europa soll ein Malta für Flüchtlinge werden. Ankommende Bootsflüchtlinge werden in Malta nämlich schon heute sofort und ohne Ausnahme inhaftiert.

Bis Dezember dieses Jahres soll das gemeinsame Asylsystem für Europa fertig verhandelt sein. Ein Eckstein dieses Asylsystems ist die Aufnahmerichtlinie, über die die nun seit Dezember 2008 beraten wird. Kern der Aufnahmerichtlinie wiederum ist die geplante Inhaftierung von Asylbewerbern in ganz Europa. Gestritten wird zwischen Parlament, Rat und Kommission gar nicht mehr darüber, ob man Flüchtlinge einfach einsperren darf, sondern wie hurtig und wie lang das geschehen darf - ob man dazu einen Richter braucht (das Parlament sagt ja, der Rat sagt nein), und wie lange die Haft dauern darf. Die derzeitigen Formulierungen sagen: solange es notwendig ist.

Diese Formulierung ist so umfassend,  wie es auch die geplanten Haftgründe sind: Flüchtlinge sollen künftig überall in Europa eingesperrt werden dürfen. Zur Überprüfung ihrer Identität, ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Angaben im Asylantrag, aber auch einfach dann, wenn die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung das erfordern. Mit der Genfer Flüchtlingskonvention lässt sich das nicht vereinbaren; dort steht nämlich, dass ein Flüchtling, das liegt in der Natur der Sache, "irregulär" einreisen darf, und dass das kein Grund für eine Bestrafung sein darf. Aber die Flüchtlingskonvention ist ja schon über 60 Jahre alt und Europa hat andere Sorgen als Flüchtlinge. Europa schützt seine Grenzen, aber nicht die Flüchtlinge.


Asylrecht Flüchtlingsgefängnisse statt Asylschutz

18.06.2012, 08:28

Europa ächzt nicht unter der Last der Flüchtlinge. 1992 kamen fast doppelt so viele Asylbewerber in Deutschland an wie heute in allen 27 EU-Ländern zusammen. Aber das deutsche Asylabwehrsystem, das die Politik damals etabliert hat, wurde mittlerweile europäisiert. Kern dieser Europäisierung ist das Dublin-System: Flüchtlinge, die trotz aller Grenzkontrollen noch nach Europa kommen, sehen sich einem technokratischen Asylzuständigkeitssystem ausgeliefert. Zuständig ist immer das EU-Land, das die Flüchtlinge als erstes betreten haben, es sind zumeist die Südstaaten, also Griechenland, Italien, Malta. Asylschutz gibt es dort nicht, dafür Flüchtlingsgefängnisse. Wenn mittels der Fingerabdruck-kartei "Eurodac" festgestellt wird, dass der Flüchtling, der sich irgendwie nach Kerneuropa durchgeschlagen hat, schon in einem europäischen Erstland gewesen ist, wird er ohne Umstände und Prüfung wieder dorthin abgeschoben. Es sei denn, es findet sich ein gnädiger Richter, der das verhindert.

Das deutsche Recht sieht das eigentlich nicht vor. Dort steht ausdrücklich, dass es keine Eilanträge gibt, dass also ein Gericht den Vollzug der Abschiebung nicht aussetzen kann. Nun verlangt zwar das Grundgesetz, dass "jemand", der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen steht. Der Flüchtling aber gilt nicht als Jemand, sondern als Nichts. Darum darf man ihn auch künftig jederzeit einsperren.

Jüngst haben die EU-Länder, angeführt von Deutschland, das Asylproblem in die EU-Randstaaten im Süden exportiert, in dem sie diese für das Gros aller Asylverfahren für zuständig erklärten. Diese Randstaaten wehrten sich dadurch, dass sie Flüchtlinge nicht schützten, sondern einsperrten. Jetzt importieren die EU-Staaten die von diesen Staaten entwickelten rabiaten Einsperr-Methoden. Europa nennt sich selbst "Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit". Für Flüchtlinge gilt das Gegenteil.


Aus: "Flüchtlinge als Verbrecher" Ein Kommentar von Heribert Prantl (18.06.2012)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/asylrecht-der-fluechtling-als-verbrecher-1.1385214 (http://www.sueddeutsche.de/politik/asylrecht-der-fluechtling-als-verbrecher-1.1385214)

Title: [Die Lager liegen in tristen Vorstädten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 21, 2012, 09:42:10 AM
Quote[...] Schon jetzt leben 100.000 Asylbewerber in oft heruntergekommenen Sammellagern ... Knapp tausend solcher Massenquartiere existieren bundesweit. Die Lager liegen in tristen Vorstädten, abgelegenen Industriegebieten, ehemaligen Feriencamps oder verlassenen Kasernen. Dort warten die Menschen darauf, dass die Behörden über ihre Asylanträge entscheiden. Rund 46.000 Menschen beantragten 2011 Asyl – elf Prozent mehr als 2010.

... Die Lebensmittel für die Gemeinschaftsunterkünfte in Bayern liefert die Drei König GmbH aus Schwäbisch Gmünd. Wer einen Blick in Khadems Kühlschrank wirft, dem vergeht der Appetit. Die Wurst besteht aus Separatorenfleisch und Hähnchenhaut. Nachfragen dazu sind unerwünscht. "Wir geben keinerlei Auskunft", erklärt eine Sprecherin des Unternehmens. "Unser Essenslieferant wurde durch Ausschreibung ermittelt, entscheidendes Kriterium für den Zuschlag war der günstigste Preis", teilt die Regierung der Oberpfalz mit.

Nach Berechnungen des Flüchtlingsrats werden in Bayern jährlich 13,6 Millionen Euro für die Unterbringung in Massenquartieren ausgegeben. Das bayerische Sozialministerium bestreitet das und verweist auf eine eigene Berechnung. Aber statt der Zahl der tatsächlichen Bewohner dient die theoretische Kapazität der Unterkünfte als Berechnungsgrundlage. Das Ergebnis: In die Rechnung fließen Asylbewerber ein, die gar nicht existieren; die Pro-Kopf-Ausgaben fallen so deutlich niedriger aus – offiziell sind es zwischen 180 und 330 Euro monatlich.

...

Quote
   Polykanos
   20.06.2012 um 18:51 Uhr

"Wie Ihr den geringsten meiner Brüder habt getan, so habt Ihr mir getan!" sagte der Mann aus Nazareth, auf dessen Religion sich eine bestimmte politische Richtung hierzulande so gern beruft. ...

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=1#cid-2135027


Quote
   keibe
   20.06.2012 um 19:47 Uhr

Man liest es förmlich heraus.
Artikel 1 Grundgesetz
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Ich kenne da auch keinen ergänzenden Artkel, der da lautet: Asylbewerber sind keine Menschen im Sinne von Art. 1 (1) GG.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=17#cid-2135140


Quote
    Schandmaul1987
    20.06.2012 um 21:25 Uhr

"Die Unterbringung soll die "Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern", heißt es dort."

Alles klar.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=33#cid-2135317


Quote
Glaskanne
20.06.2012 um 21:34 Uhr

Duldung

Asylanträge dauern manchmal sehr lange, weil die Asylbewerber keine Papiere mehr besitzen - so kann auch ihr Status nur schwer bestimmt werden. Ich kenne eine Familie, die sitzt seit 7 Jahren im Asylantenheim aus genau diesem Grund. Klar, manchmal ist das nur ein Trick, aber oft eben auch die schiere Angst davor, wieder zurück zu müssen, weil ihnen niemand glaubt, dass sie in der Heimat um ihr Leben fürchten.
Man bekommt dann den Status "geduldet", der quasi bedeutet, dass die Abschiebung aufgeschoben wird. Der Status muss ständig, d.h. mitunter wöchentlich, verlängert werden. Für die Asylbewerber ist also nie klar, ob sie nächste Woche noch hier sind oder schon abgeschoben werden. Jahrelang.
Die beiden ältesten Töchter der Familie haben mittlerweile beide Abitur, sprechend ausgezeichnet Deutsch, leben aber immer noch mit der ganzen Familie in einem kleinen Zimmer und sind extrem verschüchtert, als wollten sie sich verstecken. Ihre Mutter ist krank. Was sie genau hat, weiß niemand. Sie leidet extrem unter der Situation, hat Angst um ihre Kinder, ist depressiv, hat, denke ich, psychosomatische Schmerzen bis zum Klinikaufenthalt und traut sich kaum aus dem Haus. Sie lebt in absoluter Abschottung.
Unabhängig davon, wer Asyl "verdient" hat, man kann den Leuten ein würdigeres Leben bieten, wenigstens einen würdigeren Aufenthalt, der sie nicht nachhaltig schädigt.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=33#cid-2135331


Quote
    Nörgler2015
    21.06.2012 um 1:11 Uhr

Als Einheimischer hat man es auch nicht gerade leicht eine Wohnung zu finden. Das interessiert ja auch niemanden. Warum sollte es Asylbewerbern da besser gehen? Es wird auch nicht mehr lange dauern bis HartzIV-Empfänger Lebensmittelmarken bekommen wie im Krieg, weil sie ja sonst alles versaufen würden. Also wenn wie aktuell in der Diskussion die Situation eines HartzIV-Empfängers, der vielleicht seit Jahrzehnten schon Steuern gezahlt hat der Standard für Asylbewerber werden soll ohne das dort je eine Leistung erbracht wurde müsste man sich ja verschaukelt vorkommen. Vor diesem Hintergründ ist das Verhalten der Behörden durchaus nachvollziehbar.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=57#cid-2135532


Quote
dth
21.06.2012 um 1:18 Uhr

Neid Weil es dem Niedriglöhner schlecht geht, muss es dem Harz 4 Empfänger noch schlechter gehen und dem Asylanten dann richtig beschissen? - Ich glaube nicht, dass uns dieses Gerechtigkeitsprinzip Gesellschaftlich weiter bringt...

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager/seite-2?commentstart=57#cid-2135534



Aus: "Dreck, Krach und Hoffnungslosigkeit" Von Frank Brunner (20.06.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/fluechtlinge-sammellager)

Title: [Die tunesische Küstenwache hatte... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 11, 2012, 12:21:29 PM
Quote[...] 54 afrikanische Flüchtlinge sind auf der Überfahrt von Libyen nach Italien gestorben. Die meisten seien in einem Schlauchboot verdurstet, teilte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) unter Berufung auf den einzigen Überlebenden mit.

Die tunesische Küstenwache hatte den Mann aus Eritrea gerettet. Er trieb extrem dehydriert an die Reste des Schlauchboots geklammert im Meer. Ende Juni war er nach eigenen Angaben zusammen mit 54 weiteren Menschen in Libyen aufgebrochen.

Kurz vor der Küste Italiens sei das Boot wegen starker Winde wieder aufs offene Meer hinausgetrieben, nach einigen Tagen sei Luft entwichen. Da nicht genügend Wasser an Bord gewesen sei, hätten einige Insassen Meerwasser getrunken, was ihren Durst noch verschlimmert habe, berichtete der Überlebende.

Tausende Migranten kamen in den vergangenen Jahren beim Versuch ums Leben, von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Nach Angaben des UNHCR starben in diesem Jahr bislang 170 Menschen, die sich von Libyen aus auf den Weg machten. Etwa 1.300 haben Italien seit Anfang 2012 erreicht, 1.000 schafften es bis nach Malta.

Quote
    Amor Fati
    11.07.2012 um 9:56 Uhr

... 54 Menschen auf der Flucht mit dem Ziel Europa in der Hoffnung auf ein besseres Leben, nur einer kommt an. Eine Tragödie. Und das verdient nicht mehr als eine knappe Seite Berichterstattung?! Ist mir unheimlich.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-07/fluechtlinge-libyen-mittelmeer?commentstart=1#cid-2174890





Aus: "Dutzende Flüchtlinge verdursten vor Italiens Küste" (11.07.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-07/fluechtlinge-libyen-mittelmeer (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-07/fluechtlinge-libyen-mittelmeer)

Title: [Mit der Eskalation der Gewalt in Syrien... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 06, 2012, 10:46:58 AM
Quote[...] Athen - Flüchtlinge, die über das krisengeschüttelte Griechenland nach Europa kommen, werden für die Regierung in Athen zu einem immer größeren Problem. Der griechische Minister für Bürgerschutz, Nikolaos Dendias, hat die unkontrollierte Zuwanderung mit einer Invasion verglichen. "Das Land geht unter. Wir sind mit einer Invasion konfrontiert", sagte der Minister im Fernsehen. Die Sicherheitskräfte würden konsequent ihre seit zwei Tagen begonnene landesweite Aktion gegen die illegale Migration fortsetzen.

Griechenland geht seit Samstagmorgen mit massivem Polizeiaufgebot gegen illegale Einwanderer vor. Rund 1500 Polizisten schwärmten am Wochenende allein in der Hauptstadt Athen aus, um vermeintliche Nicht- EU-Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis zu kontrollieren, wie die Polizei mitteilte. Bis zum Montagmorgen seien mehr als 1100 Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in ein Auffanglager bei Athen gebracht worden.

Nach Medienberichten gab es weitere Einsätze an der türkischen Grenze im Nordosten des Landes. Die Maßnahme werde fortgesetzt und sei nicht vorübergehend, sagte Dendias im Rundfunk. Das Land an der südöstlichen Außengrenze der EU ist seit längerem Anlaufpunkt für Migranten vor allem aus Asien und Afrika. In den vergangenen zehn Jahren haben mehr als eine Million Menschen dort Zuflucht gesucht. Allein 2010 waren es nach griechischen Angaben 128.000.

Zuletzt hatte die griechische Regierung aus Angst vor einer Flüchtlingswelle aus dem umkämpften Syrien die Grenze zur Türkei noch schärfer bewachen lassen. 1800 Grenzpolizisten würden zusätzlich an die Grenze geschickt, sagte Justizminister Nikos Dendias in der vergangenen Woche. Bislang werden lediglich 600 griechische Grenzschützer eingesetzt. Auf dem Grenzfluss Evros würden weitere Patrouillenboote und schwimmende Barrieren eingesetzt. Zuvor hatte Dendias angekündigt, dass sein Land trotz internationaler Kritik am Bau eines knapp elf Kilometer langen Grenzzauns zur Türkei festhalte. Er soll Anfang Oktober fertig sein.

Mit der Eskalation der Gewalt in Syrien rund um die Großstadt Aleppo hatte die Zahl der Flüchtlinge noch einmal drastisch zugenommen. Nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes von vergangener Woche sind bereits rund 200.000 Menschen aus der Wirtschaftsmetropole geflohen - viele zieht es in die Türkei. Schon jetzt leben mehr als 43.000 syrische Flüchtlinge in türkischen Lagern in der Grenzregion.

anr/dpa


Aus: "Griechischer Minister warnt vor "Invasion"" (06.08.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingswelle-griechischer-minister-warnt-vor-invasion-a-848410.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingswelle-griechischer-minister-warnt-vor-invasion-a-848410.html)

Title: [Die mit Stacheldraht eingezäunte Insel... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 04, 2012, 09:10:57 AM
Quote[...] Ein Ansturm auf Grenzzäune ist spektakulär, wenn wie in der Nacht auf Montag fast 200 Flüchtlinge versuchen, die spanischen Grenzanlagen zu den Exklaven Ceuta und Melilla zu überwinden. In den Wäldern um die spanischen Hoheitsgebiete, die von Marokko umschlossen sind, warten zahllose Menschen auf eine Chance, die schwer befestigte Grenze zu überwinden, wie es erneut knapp zehn Schwarzafrikanern am frühen Montag gelungen sein soll. Diese Form der illegalen Einreise nach Spanien wird wieder verstärkt versucht, die schon 2005 Schlagzeilen machte. Damals wurden mehr als ein Dutzend Menschen getötet, die versuchten die Grenzen zu überwinden. Die genaueren Umstände sind bis heute unklar.

Auch der Schwarzafrikaner Alou wartet seit acht Monaten auf seine Chance, nach Melilla zu kommen, das immer mehr Spanier verlassen wollen. Der 20-Jährige hat der spanischen Tageszeitung El País erklärt, er sei aus der Elfenbeinküste geflohen, nachdem seine Eltern im Bürgerkrieg 2005 das Leben verloren hätten. Er hat sich auf einem langen Weg bis zu den ersehnten Grenzzäunen durchgeschlagen. Drei Zäune, sechs Meter hoch, türmen sich zwischen Marokko und den spanischen Exklaven auf. Sie sind mit Natodraht gespickt und werden Tag und Nacht scharf bewacht. "Über diese Grenze zu gehen ist gratis", sagte Alou, warum er es trotz aller Widrigkeiten in Melilla versuchen will. Alle anderen Wege, also per Boot über das Meer oder in einem Container per LKW nach Spanien geschmuggelt zu werden, seien sehr teuer, weil Schlepperbanden viel Geld verlangten.

Doch unter denen, die einen Weg nach Europa suchen, spricht sich nun herum, dass es direkt vor der Küste Marokkos auch Felsbrocken und Inseln gibt, die Spanien als Hoheitsgebiet beansprucht. 81 Flüchtlinge harren schon auf der "Isla de la Tierra" aus, die etwa 100 Kilometer westlich von Melilla liegt. Die mit Stacheldraht eingezäunte Insel ist unbewacht und liegt nur gut 50 Meter entfernt vor der marokkanischen Küste. Sie kann schwimmend leicht erreicht und der Stacheldraht einfach überwunden werden. Vergangene Woche kamen die ersten 19 Flüchtlinge auf die Insel und am Sonntag folgten weitere 68.

Gegen das Interesse Marokkos, das auch die Hoheit über die drei Alhucemas-Inseln fordert, zu der diese Insel zählt, beansprucht Spanien sie weiterhin. Das gilt auch für die Chafrarinas-Inseln oder die Petersilieninsel (Leila). Da nun die Flüchtlinge aber spanisches Hoheitsgebiet betreten haben, fordern sie, auch nach spanischen Gesetzen behandelt und in spanische Auffanglager gebracht zu werden. Tatsächlich wurden drei Frauen aus der ersten Gruppe, eine davon hochschwanger, mit ihren drei Kindern schon nach Melilla überführt.

Spanien will sich um die übrigen Menschen nicht kümmern. Madrid hofft darauf, dass sie den Felsbrocken freiwillig räumen und zurück an Land schwimmen. In einer schriftlichen Erklärung lehnt Madrid jede Verantwortung für "unerwünschte Konsequenzen" ab, die sich aus einem "illegalen Zutritt des Staatsgebiets" ergeben könnten. "Menschenschieberbanden" hätten die Menschen auf die Insel gebracht, die aus deren Not ein Geschäft machten und sie ausbeuten würden. () Doch die spanische Position ist kaum haltbar. Wenn es sich um Staatsgebiet handelt, dann muss das Land auch dort seine minimalen Standards gewährleisten, auch wenn dazu seit Samstag in vielen Regionen keine allgemeine Gesundheitsversorgung mehr gehört.

Tut das Madrid nicht, wird Marokko in seiner Ansicht bestärkt, dass die Inseln ohnehin zum nordafrikanischen Königreich gehören. 2002 führte ein Streit um die ungeklärte Situation der ebenfalls unbewohnten Petersilieninsel fast zu einem militärischen Konflikt zwischen beiden Ländern. Dass die Lage "delikat" ist, weiß auch die spanische Regierung. Innenminister Jorge Fernández Díaz und Außenminister José Manuel García-Margallo haben nun Gespräche über die Lage mit den marokkanischen Amtskollegen begonnen, "um eine dauerhafte Lösung" zu suchen. Marokko soll dazu gedrängt werden, die Flüchtlinge abzufangen, bevor sie die Felsbrocken vor der Küste erreichen. "Gespräche finden auf allen Ebenen statt", erklärte Außenminister Margallo am Montag.

Experten halten die Situation aber für kompliziert, schließlich hat Marokko ein Interesse daran, den Druck in der Frage auf Spanien zu erhöhen und Spanien Zugeständnisse abzuringen. Marokko unterstreicht zudem stets nicht nur den Anspruch auf die Inselgruppen, sondern betont auch immer wieder seinen "historischen Anspruch" auf Ceuta und Melilla. In Rabat wird dabei auch gerne von den "besetzten Gebieten" gesprochen. Die spanische Position ist auch deshalb schwach, weil es diesen Forderungen nicht nachgibt, während es gleichzeitig die Rückgabe von Gibraltar von Großbritannien fordert.

Quote4. September 2012 03:28
Einfach alle reinlassen!
Bill G. der 2.0te (12 Beiträge seit 21.10.09)

Jetzt mal ehrlich. Warum schaffen wir es auf unserem heutigen
Entwicklungs-Level nicht, Konzepte für eine freie Migration zu
schaffen? Wieso benötigen wir noch so etwas Anachronistisches wie
Grenzzäune, wenn unsere Waren schön frei zwischen Nord und Süd
zirkulieren?

Es sollte sich doch inzwischen rumgesprochen haben, dass alle Völker
/ Ethnien / Gruppen die gleichen wirtschaftlichen
Startvoraussetzungen haben, wenn man ihnen die nötige Bildung
zugesteht. Daran soll sich die "Einwanderungspolitik" ausrichten...

Wie wäre es z.B. mit gezielten Bildungspartnerschaften zwischen EU
und Afrika? Nicht diese Kinkerlitzchen, die heute schon bestehen,
sondern ein wirklich großdimensioniertes Programm, z.B. mit dem Ziel
die Bildungsleistungen in 10 Jahren zwischen beiden Weltregionen
vollständig anzupassen, und dabei schrittweise die Grenzen zu öffnen?
Natürlich mit Rücksichtnahme auf kulturelle Gegebenheiten, nicht als
neues Kolonialisierungsprogramm.

Das wäre doch mal ein Projekt, das sich für die Entwicklungshilfe
lohnen würde. Leider sind 70 % aller Menschen im tiefsten Inneren
Rassisten - d.h. sie glauben, dass der Satz, der in diesem Beitrag im
zweiten Absatz steht, falsch ist. Ohne Beweise dafür zu haben. Und
leider nicht nur in Europa.

PS: Ja, ich weiß, ich bin ein weltfremder Spinner. Aber stolz darauf
:)

Quote4. September 2012 07:03
Re: Einfach alle reinlassen!
DLC-4775 (mehr als 1000 Beiträge seit 24.09.03)

> Warum schaffen wir es [...] nicht, Konzepte für eine freie Migration zu
> schaffen?

Weil das ausser den Kulturmarxisten hier keiner will. Immigranten
können gerne kommen. Aber wiso ausgerechnet ökonomisch wenig
profitable und gesellschaftlich schwer integrierbare Immigranten aus
Afrika und dem mittleren Osten? Die Welt ist groß, und es gibt
weitaus angenehmere Zeitgenossen auf dem Planeten, um die man dann
auch gerne aktiv werben und Geld investieren (freie Sprachkurse,
schnelle und kompetente Hilfe bei Ämtern und Wohnungssuche etc.) kann
um sie in unsere Gesellschaft abzuwerben. Europa mag
Einwanderungsland sein. Also muss es sich auch wie ein
Einwanderungsland verhalten. Und dazu gehört auch, sich unerwünschte
Leute vom Hals zu halten, und erwünschte Personen anzulocken, also
eine Auswahl zu treffen.




Aus: "Erneuter Ansturm auf spanische Grenzen" Ralf Streck (04.09.2012)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/152712 (http://www.heise.de/tp/blogs/8/152712)

Title: [EU-Forschungsprojekt Aeroceptor... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 17, 2013, 08:57:03 AM
Quote[...] Die Europaabgeordnete Sabine Lösing und der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von der Partei Die Linke fordern, die Europäische Union solle die von ihr finanzierte Forschung zu "angreifenden Drohnen" stoppen. Gemeint ist das EU-Forschungsprojekt Aeroceptor, in dem die Eignung von Drohnen getestet werden soll, flüchtende Fahrer mit ihrem Fahrzeug zu stoppen.

Nach Ansicht der Linkspolitiker widerspreche eine solche "Zwangsmaßnahme aus der Luft" den allgemeinen Bürgerrechten. Dabei hätten die Forscher wohl vor allem "unerwünschte Migrantinnen und Migranten an den EU-Außengrenzen" im Visier. Die Antwort der EU-Kommission (PDF-Datei: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/309-auskunft-der-kommission-zu-eu-forschungen-fuer-polizeiliche-drohnen-aeroceptor (http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/309-auskunft-der-kommission-zu-eu-forschungen-fuer-polizeiliche-drohnen-aeroceptor)) sei geprägt von einem bedenklichen technischen Machbarkeitswahn, der mögliche Unfälle mit Verletzten und Toten beim Zwangsstopp von oben nicht berücksichtige.

...

QuoteLinkeT, 16. April 2013 16:16

In Der DDR hat man aufs eigene Volk geschoßen, das sind ja nur Ausländer ...


Quoteexil, 16. April 2013 15:19

... Nagelt mich nicht darauf fest, aber war es zur "Einführung" von
Drohnen nicht Duktus, dass die ja nur ganz harmlos beobachten würden?
So wie man am Anfang der Bestandsdatenauskunft nur $BOESE_TERRORISTEN
fangen will und man mittlerweile an der Datenherausgabe bei
Ordnungswidrigkeiten(!) feilt? ....



Aus: "Kritik an Drohnen zum Abfangen von Fahrzeugen" (16.04.2013)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kritik-an-Drohnen-zum-Abfangen-von-Fahrzeugen-1842999.html (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kritik-an-Drohnen-zum-Abfangen-von-Fahrzeugen-1842999.html)

Title: [Amygdaleza ist ein Symbol... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 14, 2013, 09:57:59 AM
Quote[...]  Amygdaleza ist ein grauenhafter Ort. In dem für 800 Menschen konzipierten Lager nahe der griechischen Hauptstadt Athen sind etwa 1700 Flüchtlinge eingepfercht, Unterbringung und Versorgung spotten jeder Beschreibung. Abgeordnete der Grünen Fraktion im EU-Parlament formulierten nach einer Besichtigung im November 2011: ,,Die Substandard-Bedingungen sind inakzeptable für einen EU-Mitgliedsstaat. Nicht allein sind die Zustände inhuman, unsere Gruppe sah auch Minderjährige ohne Begleitung, die dort eingesperrt waren. (...) Als wir mit irregulären Immigranten sprachen, hörten wir Beschwerden über unzureichende Kontaktmöglichkeiten zu Anwälten, unzureichende Einsicht in ihre eigenen Fälle, ungenügender Zugang zu medizinischer Versorgung, Nahrung und Waschgelegenheiten und mangelhafte Kontaktmöglichkeiten zur Familie und der Außenwelt." (1)

In der Nacht von vergangenem Samstag auf Sonntag begannen nun inhaftierte Flüchtlinge zu rebellieren. Unmittelbarer Anlass war offenbar die Verlängerung der möglichen Dauer der Abschiebehaft von 12 auf 18 Monate. Einige der Flüchtlinge zündeten Matratzen und Müll an, gegen die anrückende Polizei verteidigten sie sich mit Steinen und Flaschen.

Aktivisten aus Athen erklärten gegenüber Hintergrund, die Polizei sei mit Tränengas und Schlagstöcken brutal gegen die protestierenden Flüchtlinge vorgegangen, es soll mehrere Verletzte gegeben haben, in welchem Zustand sie sich befinden, ist unklar. Medienberichten zufolge sollen außerdem zehn Polizisten verletzt worden sein. 50 Flüchtlinge sollen nach dem Aufstand von der Polizei in Gewahrsam genommen worden sein. Ihnen wird jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert, vorgeworfen wird ihnen schwere Körperverletzung, Fluchtversuch und Sachbeschädigung. Zehn Menschen befinden sich offenbar auf der Flucht. Acht pakistanische und zwei afghanische Flüchtlinge sind unauffindbar, die Polizei durchsucht den Großraum Athen nach den Flüchtigen.

Indessen fordert die linkssozialistische SYRIZA eine Untersuchung der Unterbringungsbedingungen in Amygdaleza und des Polizeieinsatzes. Kritik kommt außerdem von einer Reihe linker Gruppen und Menschenrechtsorganisationen. Sogar der Chef der Polizeigewerkschaft, Christos Fotopoulos, soll der griechischen Tageszeitung Kathimerini zufolge gesagt haben, die Arbeitsbedingungen für die Wärter seien inakzeptabel: ,,Sie zwingen uns, Menschen zu bewachen, deren Situation sogar noch schlimmer ist als die der Wärter." (2)

Amygdaleza ist ein Symbol für die verfehlte Asylpolitik nicht allein Griechenlands, sondern der gesamten Europäischen Union. Völlig überlastet mit Menschen, die vor Krieg, Hunger und Unterdrückung fliehen, setzt die griechische Regierung auf rassistische Kampagnen und Massenverhaftungen. Im Rahmen der vergangenes Jahr durchgeführten Operation ,,Xenios Zeus" etwa wurden Tausende Flüchtlinge von Polizeieinheiten in einer regelrechten Menschenhatz festgenommen. (3)

Amnesty International und Human Rights Watch weisen seit langem darauf hin, dass ein transparentes und faires Asylverfahren nicht gewährleistet wird. Neben der staatlichen Verfolgung droht Migranten in Griechenland noch die Gefahr von Rechtsaußen. Die neonazistische Partei Chrysi Avgi und Schlägerbanden aus ihrem Umfeld machen Jagd auf Migranten, verletzen sie schwer, auch vor Mord schrecken sie nicht zurück.

Anmerkungen

(1) http://www.gruene-europa.de/amygdaleza-the-five-star-detention-centre-8705.html
(2) http://ekathimerini.com/4dcgi/_w_articles_wsite1_1_12/08/2013_513725
(3) http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/griechenland_gigantische_saeuberungsaktion_gegen_fluechtlinge/


Aus: "Griechenland: Flüchtlingsaufstand in Amygdaleza" THOMAS EIPELDAUER (12. August 2013)
Quelle: http://www.hintergrund.de/201308122754/politik/politik-eu/griechenland-fluechtlingsaufstand-in-amygdaleza.html (http://www.hintergrund.de/201308122754/politik/politik-eu/griechenland-fluechtlingsaufstand-in-amygdaleza.html)
Title: [Vor der italienischen Insel Lampedusa... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 07, 2013, 10:47:54 AM
Quote[...] Die Frage tut weh: "Tragödie am Strand – Etwas Besseres als den Tod bieten wir nicht?" Tatsächlich aber ist es genau eine Frage wie diese, die sich Europa nach dem Tod von fast 200 Flüchtlingen vor Lampedusa stellen muss. Tatsächlich bringt gerade eine solche Frage auf den Punkt, worum es bei der Debatte um Grenzkontrollen, Schlepper und steigende Flüchtlingszahlen eigentlich geht: um Leben und Tod.

Frank Plasberg warf sie in seiner jüngsten Ausgabe von "Hart aber fair" auf. Zu seinen Gästen zählten der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), Buchautorin Khadra Sufi, ARD-Reporter Elias Bierdel, der Sänger der Band BAP, Wolfgang Niedecken, und Roger Köppel, Chefredakteur des Schweizer Magazins "Weltwoche".

Das Problem erkannten alle sofort: Seit 1994 ist die Zahl der Flüchtlinge weltweit nicht mehr so hoch gewesen wie heute. Insgesamt befinden sich aktuell 45 Millionen Menschen auf der Flucht vor Bürgerkriegen, Verfolgung und Hungersnöten. Ziel von vielen ist Europa. Gerade aus Afrika kommen immer wieder überladene Boote an, nicht selten geraten sie in Seenot, schlimmstenfalls sinken sie, und die Flüchtlinge ertrinken. Die Vorschläge, wie sich das Problem lösen ließe, und die Antworten auf die Schuldfrage polarisieren.

...


Aus: ""Hier lässt man Leute bewusst in den Tod fahren"" (8. Okt. 2013)
Quelle: http://www.welt.de/vermischtes/article120712441/Hier-laesst-man-Leute-bewusst-in-den-Tod-fahren.html (http://www.welt.de/vermischtes/article120712441/Hier-laesst-man-Leute-bewusst-in-den-Tod-fahren.html)

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Quote[...] Vor der italienischen Insel Lampedusa haben Rettungskräfte weitere 83 Tote aus dem im Mittelmeer gesunkenen Flüchtlingsschiff geborgen. Die Anzahl der Toten stieg damit auf knapp 200. Die Einsatzkräfte rechnen mit weiteren Toten. An Bord des gekenterten Schiffs sollen 450 bis 500 afrikanische Flüchtlinge gewesen sein.

155 Menschen haben das Unglück überlebt. Gegen sie soll wegen illegaler Einwanderung ermittelt werden. Ihnen drohen Geldstrafen von bis zu 5.000 Euro. Das Schiff war am Donnerstag vor Lampedusa in Flammen aufgegangen und gekentert. Das Wrack liegt in etwa 40 Meter Tiefe.

... Am Wochenende hatten neue Flüchtlingsboote mit Hunderten Menschen an Bord die italienischen Küsten erreicht.

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Aus: "Weitere Tote vor Lampedusa geborgen" (7. Oktober 2013)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/lampedusa-fluechtlingspolitik-eu (http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/lampedusa-fluechtlingspolitik-eu)

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Quote[...] Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte, das Recht auf Freizügigkeit in bestimmten Fällen massiv einzuschränken. "Wir müssen die Möglichkeit schaffen, bei Missbrauch des Freizügigkeitsrechts auszuweisen und die Wiedereinreise von Ausgewiesenen zu verwehren. Die Freizügigkeit umfasst nicht das Recht, Leistungen zu erschleichen," sagte Friedrich der "Welt".

... Beim Treffen der EU-Innenminister am Dienstag in Luxemburg dürfte der richtige Umgang mit dem Recht auf Freizügigkeit zu heftigen Kontroversen führen. Zunächst einmal steht bei den Beratungen aber ein anderes Thema im Vordergrund: Nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Insel Lampedusa mit rund 350 Toten steigt der Druck auf die europäische Zuwanderungspolitik.

Die EU-Innenminister wollen sich auf Antrag von Italien und Frankreich hin ausführlich mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen. "Das Mittelmeer kann kein riesiger Friedhof unter freiem Himmel bleiben", sagte etwa Frankreichs Außenminister Laurent Fabius.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), rief zu einer neuen Haltung gegenüber Flüchtlingen auf. Er forderte zugleich mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten nach Europa: "Wir müssen uns insgesamt offener zeigen und auch mehr auf Humanität setzen", sagte Löning. Europa müsse "Ventile öffnen für eine vernünftige, geregelte Zuwanderung".

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz betonte, die Flüchtlinge müssten in Zukunft gerechter auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. "Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss", sagte Schulz der "Bild"-Zeitung.

Die Bundesregierung wies diese Forderung umgehend zurück. Die Zahl der Asylbewerber steige in Deutschland, sagte Regierungssprecher Stefan Seibert. Es gehe darum, die Lebensverhältnisse der Flüchtlinge in ihren Heimatländern zu verbessern.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, dass etwa Italien im vergangenen Jahr 15.000 Asylbewerber aufgenommen habe, während es in Deutschland 65.000 gewesen seien. "Der Ruf nach einem gerechteren Verteilungsmechanismus" lasse sich mit Blick auf Deutschland nicht begründen.

Kritiker werfen der EU immer wieder vor, sich gegen Flüchtlinge abzuschotten und sie damit in die Hände von kriminellen Schleusern oder gar in den Tod zu treiben. Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Migration starben in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 25.000 Flüchtlinge bei der Überfahrt auf dem Meer, allein 1700 davon im Jahr 2012.

Der Streit über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen schwelt seit Jahren in Brüssel. So wollen Länder wie Deutschland die Schleuserkriminalität stärker bekämpfen. Die EU-Kommission wiederum drängt auf offenere Grenzen im Rahmen von sogenannten Mobilitätspartnerschaften, um legale Zuwanderung zu vereinfachen.

Sie konnte sich damit bisher aber nicht durchsetzen. Eine Änderung der Zuwanderungsbedingungen ist daher auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten – trotz der Tragödie vor Lampedusa. Die EU versucht jetzt aber mit vereinten Kräften die Überwachung von Flüchtlingen auf See durch ein neues System mit dem Namen "Eurosur" zu verbessern, um auch bei Seenot besser helfen zu können.

... Minister Friedrich sagte, das "Freizügigkeitsgesetz gibt nur dem das Recht, zu uns zu kommen, der hier studieren, hier arbeiten und hier Steuern zahlen will". Wer sich "aber nur aus den Sozialkassen bedienen will", könne sich nicht auf das Freizügigkeitsrecht berufen.

"Freizügigkeit heißt nicht, die Freiheit zu haben, nur wegen höherer Sozialleistungen das Land zu wechseln." Die EU-Kommission müsse endlich ernst nehmen, dass "die wachsende Zahl von Freizügigkeitsmissbrauch" immer mehr Städten und Kommunen in Deutschland Probleme bereite. "Wir müssen gegensteuern", sagte der Minister.


Aus: "Friedrich fordert Härte gegen Einwanderer" Von Christoph B. Schiltz (8. Okt. 2013)
Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article120707141/Friedrich-fordert-Haerte-gegen-Einwanderer.html (http://www.welt.de/politik/ausland/article120707141/Friedrich-fordert-Haerte-gegen-Einwanderer.html)

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QuoteZEIT ONLINE: Ist Frontex eine politische Behörde?

Göbel: Wir führen Politik aus. ...

... ZEIT ONLINE: In Italien aber gibt es beispielsweise ja ein Gesetz, dass Fischern verbietet, Flüchtlinge aus dem Wasser zu ziehen und an die italienische Küste zu bringen. Das kann doch nicht im Sinne eines humanitären Umgangs mit Flüchtlingen sein, wie Sie ihn sich wünschen.

Göbel: Das höre ich aus der Presse jetzt zum ersten Mal so referiert. ...

...


Aus: ""Wir können da nichts machen"" (8. Oktober 2013)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/Frontex-Lampedusa-Fluechtlinge (http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/Frontex-Lampedusa-Fluechtlinge)

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Quote[...] Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa haben Flüchtlinge gegen ihre Unterbringung in einem Auffanglager protestiert. Sie warfen Matratzen aus den Gebäuden und versuchten, Busse mit Neuankömmlingen auf dem Weg ins das überfüllte Lager aufzuhalten.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, die Lebensbedingungen in der Einrichtung seien "vollkommen inakzeptabel". Nach einem Brand im Herbst 2011 ist das Auffanglager nur noch auf 250 Menschen ausgelegt, zuletzt waren aber mehr als tausend Insassen dort untergebracht.


Vor der Küste der Insel setzten Taucher die Bergung weiterer Leichen aus dem am Donnerstag gesunkenen Flüchtlingsboot fort. Am Morgen seien 18 Tote an Land gebracht worden, so dass die Zahl der geborgenen Leichen nun bei insgesamt rund 250 liege, teilte die Küstenwache mit. Die Arbeit sei sehr anstrengend und schwierig für die Taucher. Diese ziehen die Leichen mit Hilfe von Seilen und Kabeln an die Wasseroberfläche. Von den rund 500 afrikanischen Flüchtlingen an Bord des Schiffes hatten nur 155 das Unglück überlebt, etwa 100 werden noch vermisst.

...

Quote
   Konrad Adenauer
   08.10.2013 um 16:02 Uhr

Auch nicht gerade altruistisch, oder?

"Sie warfen Matratzen aus den Gebäuden und versuchten, Busse mit Neuankömmlingen auf dem Weg ins das überfüllte Lager aufzuhalten."


Quote
   crazyhabib
   08.10.2013 um 16:14 Uhr

Wie selbstlos wären Sie denn, wenn Sie auf der Flucht sind, in ihrem Heimatland um ihre Haut fürchten mussten und nun in einem MASSIV (!) überfüllten Flüchtlingslager zusehen müssten, wie sie zurecht kommen, während es immer mehr überquillt?!
Altruismus aus dem bequemen Sessel daheim ist leicht zu fordern!
Empathie ist dafür hierzulnde nicht weit verbreitet, wie man bei ihnen sieht.


...


Aus: "Flüchtlinge auf Lampedusa rebellieren gegen Unterbringung" (8. Oktober 2013)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/lampedusa-fluechtlingscamp-bedingungen (http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/lampedusa-fluechtlingscamp-bedingungen)

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Quote[...] Ein Rai-Reporter, der auf Sizilien viel über Schlepperbanden recherchiert hat, sagt vor dem Eingang des Flüchtlingslagers: "90 Prozent von dem, was mir Flüchtlinge in Sizilien so erzählen, darf ich nicht senden." - "Warum denn nicht?" - "Ich bin beim Staatsrundfunk. Die Leute erzählen unglaubliche Sachen über Misshandlungen durch Polizisten. Ich glaub' ihnen, aber das darf nicht über den Sender des staatlichen Rundfunks gehen."

... Auf dem Friedhof von Lampedusa gibt es ein kleines Grab, links hinten, in der letzten Reihe, das kein Kreuz schmückt, auf dessen schlichtem Denkstein aber eine Geschichte steht: Ester Ada stieg im April 2009 auf eines der völlig überladenen Schmugglerboote. Das Schiff havarierte und trieb tagelang im Meer umher, die schwangere Ada starb. Als der türkische Frachter Pinar die 153 Migranten auflas, ließ der Kapitän auch die Tote an Bord holen. Als er dann das nahegelegene Lampedusa ansteuern wollte, kam der Befehl der italienischen Wasserwacht, nach Malta abzudrehen. Dort weigerte man sich ebenfalls, den Frachter einlaufen zu lassen. Es dauerte vier Tage, bis der Kapitän die Erlaubnis erhielt, Lampedusa anzulaufen. Der Text auf dem Grabstein endet mit den Worten: "Hier ruht Ester Ada, 17 Jahre, geboren in Nigeria am 11. Mai 1991."

...


Aus: "Würdige Gräber als Ausnahme" (9. Oktober 2013)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/lampedusa-nach-dem-fluechtlingsdrama-am-ende-von-europa-1.1790273-3 (http://www.sueddeutsche.de/panorama/lampedusa-nach-dem-fluechtlingsdrama-am-ende-von-europa-1.1790273-3)

Title: [Die Realität zur Kenntnis zu nehmen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 14, 2013, 05:14:32 PM
Quote[...] Angesichts der jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz einen Kurswechsel in der europäischen Einwanderungspolitik gefordert. Europa müsse "endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent ist" und brauche daher "dringend eine Reform unserer Einwanderungsgesetze", sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel". Europa brauche "ein legales Einwanderungssystem", wie es alle großen Einwanderungsregionen dieser Erde hätten, etwa die USA, Australien oder Kanada.

Schulz forderte die Einführung eines Verteilungsschlüssels, der die Aufnahme von Einwandern in den EU-Mitgliedstaaten regelt. "Wenn Sie 10.000 Flüchtlinge auf einer Insel wie Lampedusa haben, die 6000 Einwohner zählt, ist das für die Insel eine Katastrophe. Wenn Sie 10.000 Menschen unter 507 Millionen Europäern in 28 Mitgliedstaaten verteilen, ist das machbar", sagte Schulz.

... Mit seinen Forderungen dürfte Schulz bei Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich jedoch nicht auf viel Gegenliebe stoßen. Der CSU-Politiker hatte gesagt, er sehe keinen Grund für eine Änderung der Einwanderungspolitik in Europa. Auch ein stärkeres Engagement Deutschlands, um den Ländern an den EU-Außengrenzen unter die Arme zu greifen, lehnte Friedrich ab. Schulz sieht darin "eine Weigerung, die Realität zur Kenntnis zu nehmen".

... Am 3. Oktober waren bei einer Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa 360 Menschen aus Afrika ums Leben gekommen. Nur 155 der geschätzt rund 550 Bootsinsassen konnten gerettet werden. Seit dem Unglück wird in der EU heftig über die europäische Flüchtlingspolitik diskutiert. Am Freitagabend kenterte ein vor allem mit Syrern besetztes Flüchtlingsboot südlich von Malta und der Lampedusa. Bislang wurden 36 Todesopfer geborgen, italienische und maltesische Schiffe retteten mehr als 200 Passagiere. Wieviele Insassen in dem Boot waren, ist noch unklar - die Zahlen schwanken zwischen 270 und 400.


Aus: "EU-Politiker sehen Realitätsverweigerung" (14. Oktober 2013)
Quelle: http://www.n-tv.de/politik/EU-Politiker-sehen-Realitaetsverweigerung-article11534531.html (http://www.n-tv.de/politik/EU-Politiker-sehen-Realitaetsverweigerung-article11534531.html)

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Quote[...] Die Überlebenden des neuerlichen Bootsunglücks im Mittelmeer sind nach eigenen Worten von libyschen Milizionäre beschossen worden. Nach dem Ablegen von der libyschen Küste seien sie stundenlang von libyschen Milizionären in Booten verfolgt worden, die plötzlich geschossen hätten, berichteten Überlebende am Sonntag. Dabei sei ihr Schlauchboot getroffen worden und allmählich voll Wasser gelaufen. Die Zahl der geborgenen Todesopfer stieg auf 36.

Einer der Überlebenden, Mohammed, berichtete, über vier bis fünf Stunden seien Milizionäre aus Libyen ihrem Boot gefolgt. Plötzlich hätten sie das Feuer eröffnet, zwei Flüchtlinge seien verletzt worden. Die 25-jährige Libanesin Aisha stützte seinen Bericht: "Die Milizionäre haben uns mit ihren Booten über fünf Stunden verfolgt. Dann haben sie auf uns gezielt und unser Geld, unsere Nieren, unsere Lebern gefordert. Als niemand ihnen etwas gab, haben sie auf uns geschossen und zwei von uns verletzt."

... Der libysche Regierungschef Ali Seidan kündigte derweil ein entschlossenes Vorgehen gegen illegale Einwanderer an. "Wir sind fest entschlossen, uns mit diesem Problem auseinander zu setzen", sagte Seidan nach einem Treffen mit Maltas Regierungschef Joseph Muscat in Tripolis. Er habe die EU bereits um Unterstützung gebeten, fügte Seidan hinzu. Neben Ausrüstung und Schulungen wäre auch ein Zugang zu europäischer Satellitentechnik eine "große Hilfe", um die libyschen See- und Landgrenzen besser überwachen zu können.


Aus: "Flüchtlinge: Wir wurden angegriffen" (14. Oktober 2013)
Quelle: http://www.n-tv.de/politik/Fluechtlinge-Wir-wurden-angegriffen-article11534401.html (http://www.n-tv.de/politik/Fluechtlinge-Wir-wurden-angegriffen-article11534401.html)

Title: [Die Daten werden nahezu in Echtzeit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 03, 2013, 03:19:46 PM
Quote[...] Die EU hat für die Einrichtung und Modernisierung der "nationalen Kontrollzentren" sowie bei FRONTEX in Warschau rund 244 Millionen Euro locker gemacht. Die Daten werden nahezu in Echtzeit über ein gesichertes Netzwerk übertragen.

EUROSUR bildet eine Matrix aus bereits vorhandenen Sensoren. Hierzu gehören vor allem die seeseitigen Grenzüberwachungssysteme im Schwarzen Meer, in der Ostsee und im Atlantik. Die Netzwerke bleiben nicht auf EU-Mitgliedstaaten beschränkt: Im unter spanischer Ägide errichteten "Seahorse Atlantic Projekt" kooperieren auch Mauretanien, Marokko, Senegal, Gambia, Guinea Bissau und die Kap Verden.

... Offiziell wird EUROSUR als "Mehrzwecksystem" bezeichnet. Es soll grenzüberschreitende Kriminalität aufdecken, darunter Drogenhandel oder Schmuggel. Wie vom Parlament gefordert sollen auch Schiffbrüchige gerettet werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass EUROSUR die Passagen Schutzsuchender vor allem im Mittelmeer eher riskanter macht: Werden Migranten schon bei der Abfahrt aufgespürt, erreichen sie erst gar nicht internationale Gewässer oder Hoheitsgebiete von EU-Mitgliedstaaten, in denen Asyl beantragt werden kann.

Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass die Mittelmeeranrainer Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und Malta neue Vorschriften zu Rettungsmissionen rundherum ablehnen. Diese waren notwendig geworden, nachdem der Europäische Gerichtshof die 2010 erweiterte FRONTEX-Verordnung aus formalen Gründen für teilweise nichtig erklärte

... Es wird sich zeigen, ob die Vernetzung der "nationalen Kontrollzentren" einen tatsächlichen Mehrwert für die europäische Flüchtlingsabwehr darstellt: Denn bereits jetzt kooperieren Nachbarstaaten in gemeinsamen Operationen oder mit Datentausch. Vielmehr kann angenommen werden, dass die EU-Grenzpolizei - obwohl eigentlich in EU-Verträgen untersagt - faktisch operative Kompetenzen erhält: Denn über EUROSUR wird FRONTEX mit Daten aus der Satellitenaufklärung versorgt. Bislang werden diese vornehmlich für militärische und geheimdienstliche Zwecke verwendet. Zahlreihe Forschungsprojekte haben ihre Nutzung auch für die Flüchtlingsabwehr bereitgestellt. Nun kann FRONTEX die Bilder aus dem All nach eigener Einschätzung an die "nationalen Kontrollzentren" durchreichen.

...


Aus: "Festung Europa jetzt mit Bewegungsmelder" Matthias Monroy (02.12.2013)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/40/40468/1.html (http://www.heise.de/tp/artikel/40/40468/1.html)

Title: [Push backs... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 25, 2014, 01:24:34 PM
Quote[...] Jedes Jahr sterben Tausende Menschen an der europäischen Außengrenze. Dass dieser Satz zum Gemeinplatz verkommen konnte, ist ebenso erschreckend wie die Tatsache, dass die Festung Europa tagtäglich weiter ausgebaut wird ‒ nicht zuletzt auf Drängen der deutschen Regierung.

In der Nacht zum Dienstag reihten sich zwölf weitere Menschen in die endlose Liste der Opfer ein. Vor der griechischen Insel Farmakonisi ertranken drei Frauen und neun Kinder aus Afghanistan und Syrien. Die griechische Küstenwache hatte versucht, das Boot an Land zu schleppen, brachte es damit aber zum Kentern. Athen behauptet, man habe die Flüchtlinge gemäß geltendem Asylrecht nach Griechenland begleiten wollen, der Schiffbruch sei ein tragischer Unfall. Überlebende aber berichten, die Grenzbeamten hätten sie bei stürmischer See im Höchsttempo zurück in die Türkei schleppen wollen und nachgetreten, als das Boot unterzugehen begann.

Es wäre nur eine rechtswidrige Zurückschiebung von vielen. Die Tatsache aber, dass bewiesenermaßen Grenzbeamte anwesend waren, womöglich sogar schuld am Tod zwölf schutzbedürftiger Menschen sind, zeigt in trauriger Deutlichkeit das wahre Gesicht der europäischen Flüchtlingspolitik.

Auf dem Papier ist natürlich alles in bester Ordnung: Internationales und europäisches Recht garantieren ein faires Asylverfahren und weitreichende Einspruchmöglichkeiten. Doch wer kann schon kontrollieren, was nachts mit einem kleinen Schlauchboot vor der griechischen Küste geschieht? Oder an der Landgrenze irgendwo zwischen der Türkei und Griechenland? Ungehindert fangen nationale Grenzbeamte und die europäische Agentur Frontex dort Flüchtlinge ab und hindern sie an der Einreise nach Europa. Push backs werden solche Operationen genannt. Sie verstoßen eindeutig gegen bestehende Vorschriften.

... So groß aber die Betroffenheit auch scheint, die unsere Entscheidungsträger regelmäßig an den Särgen der Opfer zeigen, so vehement blockieren sie jede Reform. Berlin ist da keine Ausnahme, im Gegenteil: Wenige Regierungen setzen sich so sehr für mehr Abschottung ein wie die deutsche.

...


Aus: "Zu Tode gerettet" Barbara Lochbihler (25. Januar 2014)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland (http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland)


Quote
   25.01.2014, Evangelia

Mittelmeer - Todesmeer?

Danke für diesen Artikel.
Wo einst die ältesten Kulturen der Welt erblühten, werden täglich Tragödien verzeichnet. Menschen, die (nicht zuletzt auch aufgrund des Desinteresses des Vereinten Europas) in ihren Ländern jegliche Existenzgrundlage verloren haben, müssen partout diesem Europa fern bleiben, auf "Leben und Tod" setzt man alle Mittel ein, sie nicht nähern zu lassen.
An den Stränden griechischer Inseln findet man täglich aufgeschwemmte Leichen, meist sind es Frauen und Kinder, auf dem Meeresboden liegen zwischen Funden antiker Schiffsladungen Skelette als Zeichen eines neuen Typus Menschen auf diesem Planeten, der das Wort Humanität längst aus seinem Wortschatz gestrichen hat.
Was das neueste Ereignis von Farmakonissi betrifft: Die Überlebenden (nur Männer!) sagen aus, die Küstenwache hätte die Frauen getreten und Kleinkinder, die Mama und Papa schrien, wie Kieselsteine ins Wasser geworfen.
Um nicht mißverstanden zu werden: Es handelt sich hier nicht um griechische Mörder, es ist die Politik Europas, die mordet. Einerseits sollen die europäischen Grenzen vor einer Flüchlingsschwämme geschützt werden, andererseits wird Griechenland mit seiner endlosen Wassergrenze im Stich gelassen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Dänemark und andere Mittel-und Nordeuropäische Länder, die -das ist bekannt- das eigentliche Endziel der Flüchtlinge sind- verschanzen sich nur allzu einfach hinter ihrer natürlichen geografischen Lage .... weit ab vom Schuss.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=1#cid-3322185 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=1#cid-3322185)

Quote
    25.01.2014, Jopa

Aha, aha, so sieht also die Armutsbekämpfung im 3.Jahrtausend aus.
Indem man die Armen ihrem Schicksal überlässt werden sie nach und nach immer weniger und weniger.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=1#cid-3322210 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=1#cid-3322210)

Quote25.01.2014, zapzarap
   
Was zählt ein Menschenleben in der EU?

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, in der Wachstum mit aller Gewalt sein muss. Wir produzieren für die Müllhalte und lassen dafür die Menschen verrecken.

Unser System basiert auf dem Elend und der Ausbeutung von Milliarden Menschen:

- Ein Prozent der Bevölkerung verfügt über fast die Hälfte des weltweiten Reichtums.

- Dieses eine Prozent verfügt über 110 Billionen US-Dollar. Das ist 65-mal so viel, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung hat.

- Diese ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verfügt über genauso viel, wie die reichsten 85 Menschen haben.

- Sieben von zehn Menschen leben in Ländern, in denen die Kluft zwischen Arm und Reich in den vergangenen 30 Jahren gewachsen ist.

"Es ist niederschmetternd, dass im 21. Jahrhundert die Hälfte der Bevölkerung – das sind dreieinhalb Milliarden Menschen – nicht mehr hat als diese Mini-Elite, die gemeinsam locker in einen Doppeldeckerbus passen würde", zitiert der "Guardian" die Oxfam-Geschäftsführerin Winnie Byanyima.

"Statt sich gemeinsam zu entwickeln, werden die Menschen immer mehr durch wirtschaftliche und politische Macht getrennt", heißt es in der Zusammenfassung der Oxfam-Studie. Die Gefahr sozialer Spannungen und gesellschaftlicher Zusammenbrüche würde dadurch zwangsläufig wachsen.

Ein Prozent der Menschheit besitzt Hälfte des weltweiten Reichtums
http://www.nachdenkseiten.de/?p=19985#h01 (http://www.nachdenkseiten.de/?p=19985#h01)

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=9#cid-3322341 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/eu-fluechtlinge-griechenland?commentstart=9#cid-3322341)

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Das griechische Lampedusa
Wassilis Aswestopoulos 23.01.2014
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155728 (http://www.heise.de/tp/blogs/8/155728)

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Flüchtlinge sterben vor griechischer Küste - Mit Absicht zum Kentern gebracht?
Drei Frauen und neun Kinder ertrinken in der Ägäis. Die Flüchtlinge stammen aus Syrien und Afghanistan. Die Überlebenden erheben schwere Vorwürfe. ...
http://www.taz.de/Fluechtlinge-sterben-vor-griechischer-Kueste/!131532/ (http://www.taz.de/Fluechtlinge-sterben-vor-griechischer-Kueste/!131532/)

Title: [Obwohl das Paket... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2014, 09:15:03 AM
Quote[...] Die EU-Kommission versucht, rund um ihre Gesetzesinitiative zur "intelligenten Grenzkontrolle" möglichst rasch Fakten zu schaffen. Obwohl das Paket längst noch nicht vom EU-Parlament und dem Ministerrat verabschiedet wurde, beantragte die EU-Kommission schon im November mündlich eine Machbarkeitsstudie einschließlich eines kostenintensiven Testlaufs der nötigen IT-Systeme. Dies geht aus einem als vertraulich eingestuften Dokument der griechischen Ratspräsidentschaft hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat.

Selbst den Regierungsvertretern, die Überwachungsprojekten oft offen gegenüberstehen, ging dies aber zu schnell. Mehrere Delegationen von Mitgliedsstaaten zeigten sich zwar prinzipiell einverstanden mit dem Plan, betonten aber, dass ein transparentes Vorgehen nötig sei, bei dem der Rat einbezogenund schriftliche Projektskizze eingereicht werden solle.

In dem Dossier zu "Smart Borders" geht es vor allem um ein Ein- und Ausreisesystem nach US-Vorbild, wonach sich Ausländer künftig mit allen zehn Fingerabdrücken an der Grenze registrieren lassen müssten. Ihre Daten sollen auf Vorrat gespeichert werden, um überblicken zu können, ob eine Aufenthaltsgenehmigung überzogen wurde. Zweiter Bestandteil ist ein Vorzugsprogramm für Vielreisende.

Der Ratsspitze zufolge sind sich die EU-Länder mittlerweile weitgehend einig, dass zwischen März und September zunächst eine Studie durchgeführt werden soll. Dabei sei etwa auf die Interoperabilität zwischen den beiden Hauptkomponenten, deren Integrierbarkeit in nationale Systeme, technische Aspekte wie einen möglichen "Security-Token" in Pässen, die Kosten und den Datenschutz zu achten. Prüfen lassen wollen die Mitgliedsstaaten von Beginn an auch "technische Aspekte des Zugangs von Strafverfolgern" zu den gesammelten Informationen. Einen solchen Zugriff hat die Kommission offiziell noch nicht vorgesehen, sie hält dafür allenfalls eine rechtliche Hintertür offen.

Von der Analyse erhofft sich der EU-Rat Einsicht in eine "begrenzte Untermenge der am meisten versprechenden Optionen und Lösungen". Zusammen mit dem Parlament sollen dann Schlüsselaspekte eines Pilotprojekts aufgestellt und das dabei herauskommende Konzept 2015 von der EU-Agentur für großflächige IT-Systeme (EU-LISA) umgesetzt werden. Parallel sei die Gesetzesarbeit fortzuführen über alle Bereiche, die nicht direkt auf die Machbarkeitsuntersuchung angewiesen seien. Eine endgültige Einigung zwischen Abgeordneten und Regierungsvertretern könne in 1. Lesung Mitte 2016 erreicht werden.

EU-Datenschützer haben das gesamte Projekt immer wieder scharf kritisiert. Der Nutzen des "Smart-Borders"-Programms sei nicht erwiesen, schrieb etwa der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx im vergangenen Jahr. Die Kosten für die Datenbank und die Eingriffe in die Privatsphäre seien dagegen hoch. Auch Menschenrechtler haben gegen das Vorhaben mobil gemacht. (Stefan Krempl) / (anw)


Aus: "EU-Kommission prescht bei der elektronischen Grenzüberwachung vor" (24.02.2014)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Kommission-prescht-bei-der-elektronischen-Grenzueberwachung-vor-2122809.html (http://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Kommission-prescht-bei-der-elektronischen-Grenzueberwachung-vor-2122809.html)

Title: [Marokkanische Sicherheitskräfte verhinderten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 04, 2014, 05:10:28 PM
Quote[...] Madrid - Marokkanische Sicherheitskräfte verhinderten den Grenzübertritt von etwa 1.500 Flüchtlingen in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta. Das teilte die spanische Polizei am Dienstag mit. Keinem der Afrikaner sei es gelungen, die Grenzzäune zu überwinden und auf spanisches Hoheitsgebiet zu gelangen. Es war seit Monaten die größte Zahl von Menschen, die einen Übertritt versuchten.

Die spanische Grenzpolizei war in höchste Alarmstufe versetzt worden, musste aber nicht eingreifen. Beim letzten großen Versuch bei Ceuta hatten im Oktober 2013 rund 400 Afrikaner versucht, von Marokko aus in die Stadt an der nordafrikanischen Mittelmeerküste zu gelangen.

Vor einem Monat waren 15 Flüchtlinge bei dem Versuch, Ceuta schwimmend zu erreichen, im Meer ertrunken. Die spanische Polizei hatte zur Abschreckung Gummigeschoße abgefeuert.

Der jüngste Versuch war nach Informationen der Online-Zeitung "elpais.com" seit längerer Zeit von den Flüchtlingen vorbereitet worden. Daran hätten sich fast 90 Prozent der Afrikaner beteiligt, die in der Umgebung von Ceuta auf marokkanischem Gebiet in Lagern leben, hieß es. Ihnen hätten sich auch Flüchtlinge aus der marokkanischen Hafenstadt Tanger angeschlossen. (APA, 4.3.2014)


Aus: "1.500 Flüchtlinge versuchten in spanische Exklave zu gelangen" (4. März 2014)
Quelle: http://derstandard.at/1392687055484/1500-Fluechtlinge-versuchten-in-spanische-Exklave-zu-gelangen (http://derstandard.at/1392687055484/1500-Fluechtlinge-versuchten-in-spanische-Exklave-zu-gelangen)

Title: [Dies könne manchmal hart sein, aber... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 14, 2014, 10:25:46 AM
Quote[...] Sollen Flüchtlinge in Haft genommen werden, die unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland kommen? Wenn sie ihren Namen, ihre Identität nicht preisgeben wollen, geschweige denn ihren Fluchtweg?

Das Bundesinnenministerium ist dafür. Dagegen sträubt sich der Partner SPD. Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz spricht im Tagesspiegel von einer "Wünsch-dir-was-Liste der Unionsfraktion". Im Koalitionsvertrag sei das so nicht vereinbart worden.

"Ich kann das gespielte Entsetzen der Integrationsbeauftragten nicht nachvollziehen", sagt Michael Frieser, der CSU-Innenexperte im Bundestag, im Gespräch mit ZEIT ONLINE dagegen. Sein Parteikollege Stephan Mayer pflichtet ihm bei. Er wisse nicht, warum sich so "echauffiert" werde, sagt Mayer. Schließlich wolle man Asylbewerbern künftig nur schneller mitteilen, ob sie in Deutschland bleiben können. "Es gibt nichts Unmenschlicheres, als den Menschen nicht zu sagen, was ihre Perspektive ist", sagt Frieser. Dies könne manchmal hart sein, aber es sei die Pflicht des Gesetzgebers für Klarheit zu sorgen. Daher das geplante Gesetz. 

Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD in einem Passus zur Flüchtlingspolitik darauf geeinigt, eine "abgestimmte Strategie" zur "konsequenten Rückführung nicht schutzbedürftiger Menschen" zu erarbeiten. Dabei müssten auch neue Regeln gefunden werden, um Abschiebungen "durchsetzbarer" zu machen. Die SPD will darunter aber nicht die Inhaftierung von Asylbewerbern verstanden wissen. Eine abgestimmte Strategie ist also in weiter Ferne.

Der Gesetzentwurf sei ein "ausgewogenes Gesamtpaket", verteidigt sich das Bundesinnenministerium. Die Union spricht von zwei Seiten einer Medaille. So solle es auch Erleichterungen für abgelehnte Asylbewerber geben. Und zwar für solche, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist, die also eine Duldung in Deutschland  haben, die aber sehr gut integriert sind, einen festen Wohnsitz haben und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Sie sollen künftig ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen. Allerdings ist es für Geduldete in Deutschland oft sehr schwer, einen gut bezahlten Job zu finden, von diesen Erleichterungen dürften daher nur sehr wenige Menschen profitieren.

Mit der Gesetzesänderung soll auf der anderen Seite auf die gestiegene Zahl von Flüchtlingen reagiert werden. In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 75,7 Prozent mehr Asylbewerber. Man müsse daher schneller sagen, wen man will und wen man nicht will, sagt CSU-Mann Frieser.

Flüchtlinge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien zum Beispiel will man nicht. Unlängst hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf dazu beschlossen, welches diese Staaten als sichere Herkunftsländer einstuft. Ein Asylantrag hat dadurch kaum Aussicht auf Erfolg. Weil die meisten Asylbewerber aber zurzeit aus den Balkanstaaten kommen, sollen so auch die Zahlen der Asylbewerber eingedämmt werden.

Um die sogenannte Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu vereinfachen, will die Union diese leichter in Haft nehmen können - wegen Fluchtgefahr. Dazu sieht der Gesetzentwurf verschiedene Gründe vor. 

Doch die Gesetzesänderung würde eben auch jene umfassen, die im laufenden Asylverfahren – willentlich oder unwillentlich – ihre Identität nicht preisgeben, keinen Pass vorlegen. Auch solche Flüchtlinge, oft sind sie aus den afrikanischen Staaten zugereist, sollen der Formulierung des Referentenentwurfs zufolge künftig leichter in Haft genommen werden. Ein Haftgrund wäre es auch, wenn Menschen gegenüber den Behörden ihren Fluchtweg nicht lückenlos benennen oder einen Mitgliedsstaat der EU verlassen haben, ohne dass das Asylverfahren dort abgeschlossen wurde.

Würden diese Pläne Wirklichkeit, stünden Flüchtlinge schon bei der Einreise mit einem Bein im Knast, meint die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Nicht jeder Asylbewerber könne den Behörden gleich umfassend Auskunft über seine Herkunft und seine Anreise geben. Der Gesetzentwurf  atme "den Geist der Restriktion", deshalb hoffe die Organisation, dass die geplanten Änderungen gekippt würden – zumal sie rechtsstaatlichen Grundlagen widersprächen. Natürlich seien die Angaben der Flüchtlinge meistens nicht stimmig. Und das sei ganz normal. Wer wisse schon zweifelsfrei durch welches Land er gerade fahre, wenn er von Schleppern in einem Lkw auf der fensterlosen Ladefläche transportiert werde?

Das Bundesinnenministerium beschwichtigt: Mit dem Gesetzentwurf werde nur gelebte Praxis endlich in Gesetzesform gegossen. Auch in Zukunft müsse ein unabhängiger Richter die Haftgründe und somit die vermeintliche Fluchtgefahr prüfen. Eine allgemeine "Aufnahmehaft" werde es nicht geben. "Es wird zu Unrecht behauptet, dass künftig fast jeder Flüchtling, der nach Deutschland kommt, inhaftiert werden darf", sagt ein Ministeriumssprecher.

CSU-Innenexperte Mayer gibt sich daher auch zuversichtlich: "Ich bin mir sicher, dass am Ende des Tages das Gesetz im Grundsatz so verabschiedet wird." Sein SPD-Kollege Michael Hartmann, auch er Innenpolitiker im Bundestag, betonte hingegen in der Berliner Zeitung: In keinem Fall werde der Gesetzentwurf so stehen bleiben.

Wenn die Bundesregierung den Gesetzentwurf endgültig vorlegt, werden Union und SPD im Innenausschuss des Bundestages weiter um ihre Positionen ringen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Fluchtgefahr ausgeschlossen.

Quote
    Nina P.
    gestern 22:05 Uhr

Alleine der Name "Aufnahmehaft" ist schon würdig vorab zum Unwort des Jahres gekürt zu werden. Ich nehme an, die Überfremdungsparanoiker der AfD und reaktionäreren Parteien werden bei diesem Entwurf jubeln. Schon die Aussicht, Menschen, die in der sozialen Hierarchie unter ihnen stehen, in Gefängnisse zu stecken, muss doch für Rechtsradikale verzückend sein.


Quote
    Zombie234
    gestern 22:07 Uhr

Wie bitte??

"Sollen Flüchtlinge in Haft genommen werden, die unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland kommen? Wenn sie ihren Namen, ihre Identität nicht preisgeben wollen, geschweige denn ihren Fluchtweg?"

Sollen? Das ist, unabhängig von Parteipolitik, absolute Pflicht des Staates. Ich wundere mich, dass das überhaupt diskutiert wird und keine Praxis ist. Der Staat verliert immer mehr seine Hoheitsrechte.

Da kann leider keine Rücksicht auf die Einzelschicksale der Flüchtlinge genommen werden. Wer illegal die deutschen bzw. europäischen Grenzen überschreitet, ist ein Eindringling. Es gibt tausend Möglichkeiten, an der Grenze Asyl oder dergleichen zu beantragen. Ich stelle mir gerade vor, ich würde heimlich in die Türkei oder in die USA oder nach Russland einreisen. Zurecht würde man mich sofort in Haft nehmen!

Wer zudem seine Identität und Herkunft nicht preisgeben will, hat von vornherein keinerlei Recht auf irgendwelche Leistungen des Staates oder gar Aufenthalt. Jeder Mensch, der aus einem Staat kommt, in dem er verfolgt wird, bekommt hier Schutz. Wer keine Angaben macht, kommt aus einem sicheren Staat und möchte hier nur ins Sozialsystem einwandern. Das ist ja wohl mal klar!


Quote
    Nina P.
    gestern 23:30 Uhr

Klar, das Kapital aus dem Ausland nehmen wir gerne ...

<<< Wirtschaftsflüchtlinge brauchen wir nicht, wollen wir nicht. Und schon gleich gar nicht solche, die hier in diktatorischer Manier gemeine Plätze besetzen, um uns ihren Willen des uneingeschränkten Bleiberechts aufoktroyieren zu wollen. <<<

..., wir liefern auch gerne an korrupte ausländische Eliten, aber die ganzen Probleme die daraus entstehen die gehen uns dann natürlich nix an. Tja, liebe Hungerleider aus Afrika und Asien, selbst schuld, wer auf dem falschen Kontinent geboren wird! ...


Quote
    Freidenker.
    vor 8 Stunden 22 Minuten

utopische Phantasiewelt

"Wenn sie ihren Namen, ihre Identität nicht preisgeben wollen, geschweige denn ihren Fluchtweg?"

Nach dem Umsturz in Lybien kamen viele ehem. Foltermeister und Geheimdienstler von Gaddafi nach Europa, wenn man also nicht weiß wem man vor sich hat, was also soll man tun?
Was ist wenn die Gasbarone von Assad hierher kommen und sich weigern ihren Namen zu sagen, wer kann und wer will das verantworten?
Was ist wenn Nordkorea irgentwann kollabiert? Jeden aufnehmen selbst wenn er ein KZ-Betreiber war? Sicherlich gibt es auch dafür Befürworter, aber für solche Sachen war und ist das umfassende deutsche Asylrecht nicht gemacht.

SPD und Grüne müssen einsehen das es auf der Welt Diktaturen gibt die von Leute am laufen gehalten werden die mit unmenschlichen Aktionen internationales Recht brechen, das es dort Leute gibt die sich einer gerechten Strafe entziehen wollen und darum mit falscher Identität ausreisen.

Ich kann auch nicht einfach in ein fremdes Land gehen und sagen "Wer ich bin? Sag ich nicht. Wo ich herkomme? wird nicht verraten!" ...


Quote
    JuergenSnood
    vor 38 Minuten

Lesen Sie doch mal das Grundgesetz

"sich als Staat und Gesellschaft an Gesetze zu halten, die im Rahmen des Grundgesetzes verabschiedet wurden"

§ 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar
§ 3.3: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
§ 16a: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht

Die Inhaftierung Unschuldiger ist nicht vom Grundgesetz gedeckt ...


...


Aus: "Die Union und die inhaftierten Asylbewerber" Linda Dietze (13. Mai 2014)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-05/asyl-haft-fluechtlinge (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-05/asyl-haft-fluechtlinge)

Title: [Vor Italien waren erst am Freitag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 08, 2014, 08:15:31 PM
http://de.wikipedia.org/wiki/Boatpeople (http://de.wikipedia.org/wiki/Boatpeople)

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Quote[...] Rom - Bei einer Rettungsaktionen im Mittelmeer sind erneut mehr als tausend afrikanische Flüchtlinge in Sicherheit gebracht worden. Dies teilten italienische und maltesische Behörden mit. Allein vor Lampedusa entdeckte die italienische Küstenwache drei völlig überfüllte Boote mit etwa tausend Menschen an Bord. Ein weiteres Boot mit mehr als hundert Flüchtlingen wurde vor Malta geortet.

Auf den drei Schiffen etwa 75 Kilometer vor Lampedusa befanden sich den italienischen Behörden zufolge 94, 580 und 400 Menschen. Lillo Firetto, Bürgermeister der sizilianischen Hafenstadt Porto Empedocle, in die viele Flüchtlinge gebracht wurden, sprach von einem "humanitären Drama".

"Die Glaubwürdigkeit der europäischen Institutionen gerät ins Wanken", sagte Firetto der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Italien und Malta, aber auch Griechenland und Spanien werfen Brüssel und den anderen EU-Staaten immer wieder vor, sich bei der Flüchtlingsproblematik aus der Verantwortung zu stehlen.

Die maltesische Marine rettete nach eigenen Angaben 103 Flüchtlinge, deren Schlauchboot unterzugehen drohte, darunter 13 Frauen und ein Baby. Die Flüchtlinge seien zunächst auf maltesische Schiffe und dann auf das US-Kriegsschiff "USS Bataan" gebracht worden. Fünf Menschen seien nach Malta in ein Krankenhaus geflogen worden.

Vor Italien waren erst am Freitag etwa 2500 Flüchtlinge von insgesamt 17 Schiffen gerettet worden. Die meisten Asylsuchenden, die in Italien eintreffen, stammen aus Eritrea und Syrien. Sie starten ihre gefährliche Reise über das Mittelmeer in Libyen.

Viele Flüchtlinge kommen auch aus verarmten afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Wegen des guten Wetters ist der Zustrom derzeit besonders groß. Tausende Flüchtlinge kommen jedes Jahr ums Leben, weil ihre Boote nicht seetüchtig oder überladen sind.

Die tunesischen Behörden hielten am Samstag vor der südlichen Küstenstadt Zarzis 67 Flüchtlinge auf, wie das Rote Kreuz mitteilte. Die Menschen aus Ghana, Bangladesch und dem Sudan seien mit einem Fischerboot in Libyen gestartet. Vor Zarzis waren bereits am Freitag etwa 200 Flüchtlinge gestoppt worden.

Am Freitag hatten die italienischen Behörden mitgeteilt, dass der Flüchtlingsstrom seit Jahresbeginn stark zugenommen habe. So seien seit 1. Januar fast 47.000 Menschen von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien gekommen - mehr als im gesamten Jahr 2013.

wit/AFP/dpa


Aus: "Bootsflüchtlinge: "Humanitäres Drama" im Mittelmeer" (07.06.2014)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/italien-und-malta-tausend-bootsfluechtlinge-im-mittelmeer-gerettet-a-974004.html (http://www.spiegel.de/panorama/italien-und-malta-tausend-bootsfluechtlinge-im-mittelmeer-gerettet-a-974004.html)

Title: [Als im letzten Oktober... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 09, 2014, 10:05:16 AM
Quote[...] Als im letzten Oktober vor der Mittelmeerinsel Lampedusa ein Flüchtlingsboot sank und 366 Passagiere in den Tod riss, war die Bestürzung gross und der Ruf nach Massnahmen laut. Zur öffentlichen Beruhigung setzten die EU-Innenminister eine Task-Force ein, die einen unübersichtlichen Strauss von operationellen Massnahmen erarbeitet hat. Doch eine grundsätzliche Debatte über die EU-Migrationspolitik wurde auf den EU-Gipfel von Ende Juni verschoben. Da dieses Treffen von der Ukraine-Krise und der Nomination des Kommissionspräsidenten überschattet wurde, blieb fast unbemerkt, dass die EU-Regierungschefs die migrationspolitisch heiklen Fragen umschifften.

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Aus: "«Mare Nostrum»: Europa bastelt an der Flüchtlingspolitik" Niklaus Nuspliger, Mailand (9. Juli 2014)
Quelle: http://www.nzz.ch/international/europa/europa-bastelt-an-der-fluechtlingspolitik-1.18339434 (http://www.nzz.ch/international/europa/europa-bastelt-an-der-fluechtlingspolitik-1.18339434)

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Quote[...] Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Europäische Union für die Verteilung ihrer Finanzen an den Außengrenzen kritisiert. Zwischen 2007 und 2013 seien fast zwei Milliarden Euro in den Bau von Zäunen, Überwachungssystemen und in Grenzkontrollen geflossen, heißt es in einem neuen Bericht der Organisation unter dem Titel "Festung Europa auf Kosten der Menschlichkeiten" ("The Human Cost of Fortress Europe"), der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Nur 700 Millionen Euro wurden dagegen im gleichen Zeitraum in die Verbesserung von Asylverfahren investiert.

"Es ist makaber, dass die Europäische Union Milliarden in die Abschottung steckt und keinen Cent ausgibt, um gemeinsam Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çaliskan. Sie forderte eine von allen EU-Ländern finanzierte und koordinierte Seenotrettung. Bisher rettet nur Italien mit der Operation "Mare Nostrum" im Alleingang Bootsflüchtlinge in einem Teil des Mittelmeers.

Amnesty kritisiert zudem, dass die EU mit Nachbarstaaten wie der Türkei, Marokko und Libyen kooperiert, um Flüchtlinge daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. "Flüchtlingen droht dort die Verhaftung, in Libyen sogar Folter", so Çaliskan.

Zum Teil würden Flüchtlinge und Migranten zurückgeschickt, die trotz der Abwehrmaßnahmen Europas Grenzen erreichen, ohne die Chance, Schutz zu beantragen - sogenannte "push-backs". Amnesty International habe diese illegale Praxis in Bulgarien und in Griechenland dokumentiert. Auch die spanische Guardia Civil hätte im Februar 2014 mit Gummigeschossen auf rund 250 Migranten und Flüchtlinge geschossen, die aus Marokko zur spanischen Enklave Ceuta schwimmen wollten. Dabei seien 14 Menschen gestorben. 23 Flüchtlinge, die den Strand erreichten, wurden zurück geschickt, ohne Zugang zu einem Asylverfahren zu erhalten.

"Es muss eine radikale Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik geben. Auch Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen", fordert Çaliskan. "Die EU-Mitgliedstaaten müssen endlich gefahrenfreie Fluchtwege nach Europa schaffen, vor allem durch die aktive Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Ausland." Wenn Flüchtlinge, die in der EU leben, schutzbedürftige Familienmitglieder haben, sollten diese möglichst unbürokratisch nachkommen dürfen, fordert Amnesty International.


Aus: "Abgeschottete "Festung Europa"" (9. Juli 2014)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/bericht-von-amnesty-international-die-unmenschliche-abschottung-der-festung-europa-1.2037632 (http://www.sueddeutsche.de/politik/bericht-von-amnesty-international-die-unmenschliche-abschottung-der-festung-europa-1.2037632)

https://de.wikipedia.org/wiki/Mare_Nostrum_%28Marineoperation%29 (https://de.wikipedia.org/wiki/Mare_Nostrum_%28Marineoperation%29)

Title: [Das Ausmaß... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 22, 2014, 10:41:17 AM
Quote[...] Rom - Das Ausmaß der jüngsten Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ist weit größer als bisher angenommen. 181 Menschen, darunter viele Kinder, seien beim Untergang eines Flüchtlingsbootes ums Leben gekommen, berichteten Augenzeugen am Dienstag. Zuvor war von 30 Toten, darunter ein Kind, die Rede gewesen.

An Bord des von der libyschen Küste abgefahrenen Bootes befanden sich laut den Überlebenden 759 Menschen, 568 davon konnten gerettet werden. Es habe sich um Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan, Nigeria und Ghana gehandelt.

Die Augenzeugen berichteten, dass die im Lagerraum gefundenen toten Migranten nicht wie anfangs vermutet erstickt, sondern von anderen Migranten erstochen worden seien, um zu verhindern, dass sie ans völlig überfüllte Deck gelangten. Auf der Internetseite der Tageszeitung "La Repubblica" war eine Videoaufnahme zu sehen mit hunderten verzweifelt um Hilfe rufenden Menschen auf dem Boot, während mehrere Migranten bereits im Wasser um ihr Leben ringen.

Das Flüchtlingsboot mit den im Lagerraum entdeckten Leichen wurde nach Malta geschleppt, während die geretteten Insassen nach Messina auf Sizilien gebracht wurden. Zwei Flüchtlinge in kritischem Zustand wurden am Samstag mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus in Palermo auf Sizilien geflogen.

Die italienische Regierung geht davon aus, dass in wenigen Wochen die Zahl der in Italien seit Jahresbeginn eingetroffenen Migranten auf ein Rekordhoch von 100.000 steigt. Nach jüngsten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Anfang 2014 bis Mitte Juli 67.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind es 84.000. Die Hälfte von ihnen stammt aus Eritrea und Syrien. Im Ranking der Länder, aus denen die meisten Migranten stammen, folgen Somalia, Mali und Gambia. 6.500 Minderjährige trafen unbegleitet in Italien ein.

Diese Zahlen übertreffen jene aus den Vorjahren bei weitem. 2013 zählte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) 42.925 Ankünfte von Flüchtlingen in Italien, 2012 waren es nur 13.200.

Die Auffanglager auf Sizilien sind heillos überfüllt. Daher sollen tausende Migranten in anderen italienischen Regionen untergebracht werden, die meisten davon in der Lombardei, 7,3 Prozent im Friaul. Kasernen und Schulen sollen auf Sizilien zur Verfügung gestellt werden, um die Flüchtlinge unterzubringen. (APA, 22.7.2014)


Aus: "Jüngstes Flüchtlingsdrama vor Lampedusa mit mehr Opfern als vermutet: Laut Augenzeugen starben 181 Menschen" (22. Juli 2014)
Quelle: http://derstandard.at/2000003373124/181-Tote-bei-Fluechtlingsdrama-vor-Lampedusa (http://derstandard.at/2000003373124/181-Tote-bei-Fluechtlingsdrama-vor-Lampedusa)

Title: [Im Mittelmeer sind dieses Jahr... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 30, 2014, 09:24:18 AM
Quote[...]  Im Mittelmeer sind dieses Jahr bereits mehr als 3.000 Flüchtlinge beim Versuch gestorben, nach Europa zu gelangen. Von den in diesem Jahr bislang weltweit offiziell registrierten 4.077 getöteten Flüchtlingen seien 3.072 und damit mehr als drei Viertel auf dem Mittelmeer gestorben, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. Damit sei der bisherige Höchststand von 2011 um mehr als das Doppelte übertroffen worden. Alle Zahlen seien als Minimum zu verstehen, da die Dunkelziffer der getöteten Flüchtlinge weitaus höher liege.

Seit dem Jahr 2000 sind laut einer neuen Erhebung der IOM mehr als 22.000 Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa gestorben, die meisten von ihnen auf dem Mittelmeer. Seit Oktober 2013 waren es demnach 4.000 Tote. Europa sei damit das gefährlichste Ziel für Flüchtlinge. "Unsere Botschaft ist deutlich: Migranten sterben, obwohl sie es nicht müssten", sagte der Generaldirektor der Hilfsorganisation, William Lacy Swing.

Die IOM forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, mehr gegen verbrecherische Menschenschlepper und für Flüchtlinge zu tun. Es sei an der Zeit, mehr zu tun als nur Todesopfer zu zählen.  

...

Quote
    FrankyX
    gestern 16:56 Uhr

Vollständigere Angaben bitte - Mit 3000 Toten 2014 ist die Zahl der Ertrunkenen viermal höher verglichen mit 2013. Wieso wird der Bezug zum Vorjahr nicht erwähnt?
Wieso wird nicht erwähnt, dass Italien mit Mare Nostrum die Mittelmeerüberfahrt erleichtert hat? Anfangs war die italienische Aktion gedacht um Menschenleben zu retten, nun sterben aber deutlich mehr Menschen durch diesen gut gemeinten Aktivismus.



Aus: "2014 schon mehr als 3.000 Flüchtlinge umgekommen" (29. September 2014)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-09/mittelmeer-fluechtlinge-tote-europa (http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-09/mittelmeer-fluechtlinge-tote-europa)

Title: [Heute vor einem Jahr... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 02, 2014, 09:32:54 AM
Quote[...] Heute vor einem Jahr hat die Europäische Union ihr neues Grenzüberwachungssystem EUROSUR angeschaltet. Ziel ist die Bekämpfung unerwünschter Migration, Boote mit Geflüchteten sollen möglichst noch gestoppt werden bevor sie die Gewässer von EU-Mitgliedstaaten erreichen. Anfangs waren in EUROSUR "nationale Kontrollzentren" (NKZ) von 19 Mitgliedstaaten untereinander vernetzt. Ab heute sollen alle übrigen EU-Mitglieder folgen, zuzüglich Island, der Schweiz und Liechtenstein (Dänemark, Irland und Großbritannien machen zunächst nicht mit).

Als Hauptquartier fungiert die EU-Grenzagentur Frontex mit Sitz in Warschau, wo in einer neuen Kommandozentrale jeder Vorfall an einer EU-Außengrenze grafisch angezeigt wird. Die Modernisierung der Kontrollzentren sowie die Einrichtung der Kommandozentrale in Warschau wurde von der EU mit rund 244 Millionen Euro gefördert.

Außer den Alarmmeldungen der Mitgliedsstaaten erhält Frontex aber auch Zugriff auf ein Aufklärungssystem, das auf optischen und Radar-Satelliten basiert. Die anfangs unter dem Namen "Global Monitoring of Environment and Security" (GMES) firmierende Plattform ist mittlerweile in "Copernicus" umbenannt worden. EU-Veröffentlichungen stellen gern den Nutzen des Systems für die Messung von Umweltveränderungen in den Mittelpunkt, während der Sicherheitsaspekt unter den Tisch gekehrt wird.

Die Bilder der EU-Satelliten werden unter anderem vom EU-Satellitenzentrum (EUSC) im spanischen Torrejón ausgewertet, das seit 2002 als EU-Agentur operativ ist und der nach dem Lissabon-Vertrag installierten "Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" untersteht. Daraus aufbereitete Informationen des EUSC werden dann an den Europäischen Rat, den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), das Geheimdienstzentrum SitCen und die EU- Mitgliedstaaten geliefert. Nun gehört auch Frontex zu den Abnehmern.

In Deutschland ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Satellitenaufklärung zuständig. Das DLR betreibt hierfür das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) im bayerischen Oberpfaffenhofen und in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern. Ebenfalls zum DLR gehört das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI).

Etliche EU-Forschungsprogramme haben bereits Funktionalitäten für Polizei- und Grenzbehörden entwickelt. Aus Deutschland gingen viele Mittel an den früheren EADS-Ableger Astrium, der nach der Reorganisation des Unternehmens unter dem Dach der Airbus Space & Defense angesiedelt ist. Viele der Projekte widmeten sich der Frage, ob auch kleine Boote von MigrantInnen aus dem All zu erkennen sind.

Die Forschungen zielten auf die Entwicklung einer Software, die hierzu bestimmte Risikoindikatoren verarbeitet, etwa langsam fahrende Boote, bekannte Migrationsrouten oder das Ablegen von unbesiedeltem Gebiet. Auch Daten aus Schiffsortungssystemen werden eingebunden. Große Schiffe sind zur Mitführung von Transpondern verpflichtet, die stets den aktuellen Standort und Schiffsdaten mitteilen.

Nun meldet die EU-Kommission Erfüllung: Die Kooperation von Frontex mit der EU-Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs und dem EU-Satellitenzentrum sei es im September erstmals gelungen, im Rahmen von EUROSUR ein Schlauchboot mit MigrantInnen aufzuspüren.

Auch das Bundeskriminalamt interessiert sich für die seeseitige Überwachung mittels Satelliten. Die Behörde hatte 2010 vom GMES-Projekt MARItime Security Service (MARISS) "Bilder zu Testzwecken" angefordert. Bei MARISS werden unter anderem Positionsdaten verarbeitet, die von größeren Schiffen gesendet werden. Damit können verdächtige Schiffe leichter entdeckt und polizeilichen Maßnahmen unterzogen werden. Die Bilder wurden dem BKA durch das DLR in Neustrelitz übermittelt. Geprüft werden sollte, ob "Schleusungskriminalität und Rauschgifthandel per Wasserfahrzeug" zukünftig aus dem All aufgespürt werden könnte.

Vor zwei Jahren unterschrieben das Bundesinnenministerium und das DLR eine Kooperationsvereinbarung zur Nutzung von Satellitendaten. Damit sollen die Bundespolizei, aber auch andere Behörden des Innenministeriums Zugriff auf "satellitengestützte Kartenprodukte" erhalten.



"Hauptquartier der EU-Grenzagentur Frontex nimmt Satellitenaufklärung in Betrieb"
von Matthias Monroy am 01. Dezember 2014
https://netzpolitik.org/2014/hauptquartier-der-eu-grenzagentur-frontex-nimmt-satellitenaufklaerung-in-betrieb/ (https://netzpolitik.org/2014/hauptquartier-der-eu-grenzagentur-frontex-nimmt-satellitenaufklaerung-in-betrieb/)

Title: [Die Bedingungen auf See seien... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 10, 2015, 08:42:37 PM
Quote[...] Rom - Mehr als 20 afrikanische Flüchtlinge sind auf einem Boot im Mittelmeer erfroren. Dutzende weitere Menschen, von denen mehrere schwere Unterkühlungen aufwiesen, wurden am Montag von der italienischen Küstenwache zur Insel Lampedusa gebracht, wie ein Arzt sagte. "Es gibt viele Tote, sicher mehr als 20", sagte der Mediziner. Etwa hundert Überlebende seien ins Notfallzentrum auf der Insel gebracht worden. Italienischen Medienberichten zufolge könnte die Zahl der Todesopfer bei bis zu 29 liegen.

Die Küstenwache war Medienberichten zufolge von den Bootsflüchtlingen via Satellitentelefon alarmiert worden. Sie sollen aus Libyen kommen und setzten den Notruf ab, als sie in der Nacht in Seenot gerieten. Die Küstenwache teilte mit, die beiden Schiffe hätten am späten Sonntagabend 105 Migranten aus dem Schlauchboot aufgenommen. Die Flüchtlinge hätten anschließend etwa 18 Stunden an Deck von zwei kleinen Patrouillenbooten verbracht, die sie am Montagnachmittag zu der italienischen Mittelmeerinsel gebracht hätten.

Die Bedingungen auf See seien mit bis zu acht Meter hohen Wellen und Temperaturen nur knapp über null Grad extrem gewesen, das erschwerte die Rettungsarbeiten, wie die Küstenwache mitteilte.

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums kamen allein im Januar mehr als 3500 Flüchtlinge nach Italien. Selbst Winterstürme halten die verzweifelten Menschen nicht von den gefährlichen Überfahrten meist von Libyen aus ab. Tausende sind auf diesem Weg ums Leben gekommen - ertrunken, verdurstet oder an Erschöpfung gestorben. Zwischen dem 1. Januar und 17. Dezember 2014 erreichten insgesamt 167.462 Flüchtlinge Italien über das Meer, teilte das italienische Innenministerium mit. Das sind im Schnitt 477 pro Tag.

mia/dpa/Reuters/AFP



Aus: "Italien: Mehr als 20 Flüchtlinge erfrieren im Mittelmeer" (10.02.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/italien-fluechtlinge-sterben-im-mittelmeer-an-unterkuehlung-a-1017593.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/italien-fluechtlinge-sterben-im-mittelmeer-an-unterkuehlung-a-1017593.html)

Title: [Mare Nostrum war... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 14, 2015, 02:19:45 PM
Quote[...] Mare Nostrum war eine Operation der italienischen Marine und Küstenwache zur Seenotrettung von Flüchtlingen aus meist afrikanischen Ländern, die versuchen, über das Mittelmeer Italien zu erreichen. Gleichzeitig sollten die Schleuser im Hintergrund aufgegriffen werden. ...

Premierminister Matteo Renzi sagte zu Mare Nostrum, es sei eine Pflicht Italiens, Menschenleben im Mittelmeer zu retten. Wir dürfen nicht erlauben, dass das Mittelmeer zu einem Friedhof wird. Die EU darf nicht einfach wegschauen, sagte Renzi.

Die Oppositionspartei Lega Nord hat im April 2014 das Ende des Marine-Einsatzes gefordert. Begründet wird diese Forderung damit, dass eine Aussicht auf Rettung den Flüchtlingsstrom erst ansteigen lasse. Eine weitere Begründung sind die Kosten der Operation.

...


Mare Nostrum war eine Operation der italienischen Marine und Küstenwache zur Seenotrettung von Flüchtlingen
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Mare_Nostrum_%28Marineoperation%29 (http://de.wikipedia.org/wiki/Mare_Nostrum_%28Marineoperation%29)

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Quote[...] Über sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge wird hierzulande gern geredet, als handele es sich um Trickbetrüger, die redliche Menschen um ihr sauer verdientes Geld bringen wollen. Was für ein Zynismus. Schließlich muss man sehr verzweifelt sein, um sich in einem Schlauchboot aufs offene Meer zu wagen. Und in welcher Situation befindet sich wohl eine Familie, die ihr letztes Geld für einen Schlepper zusammenkratzt, wenigstens einen der Ihren auf den Weg zu schicken? Hinter jedem einzelnen Flüchtling steht eine lange Geschichte von Elend und Angst.

Das abfällige Gerede über ,,Wirtschaftsflüchtlinge" ist ein bequemer Weg, um die Einzelschicksale nicht an sich herankommen zu lassen. Sonst müsste man ja Mitleid empfinden. Und dann? Dann wird es richtig schwierig.

Für das grundsätzliche Problem gibt es nämlich keine Lösung, die menschlich vertretbar und zugleich realistisch ist. Gut gemeinte Ratschläge, die auf die Verbesserung der Lage in armen Ländern abzielen, werden niemandem kurzfristig helfen. Und es ist wahr: Europa kann nicht alle Männer, Frauen und Kinder aufnehmen, die in ihrer Heimat keine Chance haben. Das ist schrecklich für die Betroffenen, und gerecht ist die Zufälligkeit des Geburtsorts wahrlich nicht. Aber aus diesem moralischen Dilemma gibt es keinen Ausweg. Jedenfalls ist bisher niemandem einer eingefallen.

Das zu akzeptieren bedeutet jedoch nicht, dass achselzuckend hingenommen werden darf, wenn Flüchtlinge elend verrecken. Es genügt eben nicht, wenn Frontex bei der Sicherung der europäischen Außengrenzen gelegentlich einige Schiffbrüchige unweit der Küste aufnimmt und im Übrigen darauf verweist, in internationalen Gewässern nicht zuständig zu sein. Tausende sind allein letztes Jahr ums Leben gekommen, und die Zahl steigt.

Neun Millionen Euro monatlich kostete die Operation ,,Mare Nostrum" zur Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Italien wollte das nicht mehr allein bezahlen, und der Rest von Europa fand es auch zu teuer. Neun Millionen Euro: So viel kosten viele Bürogebäude in guter Innenstadtlage. Die Prioritäten, die das christliche Abendland setzt, sind eine Schande.

Die Rettung Schiffbrüchiger ist eine der ältesten zivilisatorischen Normen weltweit. Will Europa wirklich hinter diesen Standard zurückfallen?


Aus: "Kommentar Flüchtlingspolitik: Mindeststandard Menschlichkeit" Bettina Gaus (11.02.2015)
Quelle: http://www.taz.de/Kommentar-Fluechtlingspolitik/!154571/ (http://www.taz.de/Kommentar-Fluechtlingspolitik/!154571/)

Title: [In den vergangenen Monaten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 14, 2015, 03:05:35 PM
Quote[...] In den vergangenen Monaten erlebte das Kosovo eine beispiellose Ausreisewelle. Von den 1,8 Millionen Einwohnern sollen rund 50.000 das Land verlassen haben. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) 30 Prozent, die Korruption grassiert.

...


Aus: "Asylverfahren für Kosovaren: Schneller ins ,,sichere Herkunftsland"" Anna Lehmann (13.02.2015)
Quelle: http://www.taz.de/Asylverfahren-fuer-Kosovaren/!154724/ (http://www.taz.de/Asylverfahren-fuer-Kosovaren/!154724/)

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Quote[...] In Baden-Württemberg und drei anderen Bundesländern sollen Asylanträge von Kosovo-Flüchtlingen schneller bearbeitet werden. Die Organisation Pro Asyl hält das für unrealistisch.

... Vier von fünf neu eintreffenden Asylbewerbern in Baden-Württemberg kommen zurzeit aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der Anteil von Flüchtlingen aus den Balkanländern ist seit Jahresbeginn drastisch gestiegen, wie aus Zahlen des Regierungspräsidiums Karlsruhe hervorgeht. Bis auf einzelne Ausnahmen werden die Asylgesuche abgelehnt, weil die Behörden Bürger aus dem Kosovo nicht als politisch Verfolgte ansehen.

... In Deutschland ist daher eine Debatte darum entbrannt, wie der Zuzug aus dem Kosovo gestoppt werde könnte. Am vergangenen Wochenende zitierte die Bild aus einer Mail der deutschen Botschaft in Prishtina. Die Gesandten riefen dazu auf, ,,eine größere Anzahl von Kosovaren medienwirksam per Sammel-Charterflieger" zurückzufliegen.

Am Montag nahm Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Faden auf und appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ,,Verfahrensdauer der Asylverfahren möglichst kurz zu halten." In dem Schreiben dringt Kretschmann auch darauf, das Personal des BAMF deutlich aufzustocken.

...


Aus: "Viele Flüchtlinge vom Balkan - Schnellere Asylverfahren unrealistisch?" (14.02.2015)
Quelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/viele-fluechtlinge-vom-balkan-schnellere-asylverfahren-unrealistisch/-/id=1622/nid=1622/did=15070152/t2gr2i/ (http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/viele-fluechtlinge-vom-balkan-schnellere-asylverfahren-unrealistisch/-/id=1622/nid=1622/did=15070152/t2gr2i/)

Title: [Seit Jahren werden regelmäßig... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 14, 2015, 03:12:16 PM
Quote[...] Seit Jahren werden regelmäßig Flüchtlinge vom EU-Hoheitsgebiet - etwa aus Ungarn oder der Slowakei - ohne Chance auf ein Asylverfahren in die Ukraine zurückgeschoben. Das bestätigte ein Experte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR im Interview mit dem ARD-Magazin Report Mainz und dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Demnach werden die zurückgeschobenen Flüchtlinge in der Ukraine dann bis zu einem Jahr lang inhaftiert - in speziellen Haftanstalten, die von der EU mitfinanziert werden. Zurzeit befinde sich eine weitere solche Haftanstalt für Migranten im ukrainischen Martiniwske kurz vor der Eröffnung.

"Solche Rückführungen sind ein Verstoß gegen internationales Recht", sagte Ilja Todorovic vom Ukraine-Büro des UNHCR gegenüber Report Mainz. Auch die Haftzeiten in den Internierungslagern müssten deutlich niedriger beziehungsweise wenn möglich ganz abgeschafft werden. Die EU verlagere das Flüchtlingsproblem damit nach außen.

... Der UNHCR weist in einer aktuellen Lageeinschätzung vom Januar 2015 darauf hin, dass sich diese Zahl aufgrund des Krieges in der Ukraine noch weiter erhöhen könnte - da die dort festsitzenden Flüchtlinge vermehrt versuchen könnten, aus dem Land in Richtung EU zu fliehen.

Mehrere Flüchtlinge berichteten, wie sie selber mitten in der Nacht von EU-Hoheitsgebiet in die Ukraine zurückverbracht worden seien. Ein somalischer Flüchtling, der inzwischen in Deutschland lebt, hat nach eigenen Aussagen selbst drei solcher sogenannter Pushbacks erlebt und mehrere Jahre in Haftanstalten in der Ukraine verbracht. "Ich verzweifelte", sagte er. Er sei aus der EU einfach in die Ukraine zurückgebracht worden. "Ich hatte keine Hoffnung mehr. Die Ukraine ist ein schrecklicher Ort für Flüchtlinge. Sie können dich foltern, dich schlagen. Es war wirklich schrecklich."

Im Jahr 2012 kam es zu einem Hungerstreik somalischer Häftlinge gegen die mutmaßlich willkürliche Haftpraxis. An der Haftdauer hat sich bislang nichts geändert, obwohl die EU als Geldgeber von dieser Praxis Kenntnis hat.

Die EU hat in den vergangenen Jahren einen höheren zweistelligen Millionenbetrag in den Auf- und Ausbau von derartigen Haftanstalten sowie Schulungen des dortigen Personals und Beratungen der ukrainischen Regierung investiert. Seit dem Jahr 2010 gilt ein Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und der Ukraine. Es erlaubt den Mitgliedsstaaten, Migranten in die Ukraine abzuschieben - ein Asylantrag muss laut Asylverfahrensrichtlinie aber zuvor geprüft werden.

Die EU-Kommission teilt auf Anfrage von Report Mainz mit, dass ihr auf Basis der vorliegenden Informationen "keine Fälle von spezifischen oder umfassenden 'Pushbacks'" bekannt seien. Das finanzielle Engagement in der Ukraine diene der Anpassung der Bedingungen von Flüchtlingen in der Ukraine an europäische Standards.

Auch mehrere Flüchtlinge, die sich noch in der Ukraine aufhalten, berichteten von untragbaren Zuständen. Demnach bekommen Flüchtlinge in der Ukraine Nahrungsmittel im Wert von weniger als einem Euro pro Tag. Mehrere Betroffene beschwerten sich über Hunger und mangelnde medizinische Versorgung. Aus Angst vor "Pushbacks" und Verhaftungen trauten sich viele nicht mehr, die Flucht in die EU zu versuchen.


Aus: "Bericht von Report Mainz Illegale "Pushbacks" an EU-Ostgrenzen?" (13.02.2015)
Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/report-mainz-eu-fluechtlinge-101.html (http://www.tagesschau.de/ausland/report-mainz-eu-fluechtlinge-101.html)

Title: [Was passiert, wenn du zum Flüchtling wirst?... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 04, 2015, 09:55:52 AM
Quote[...] Was passiert, wenn du zum Flüchtling wirst? – Du läufst. Klar: um mit dem Leben davonzukommen – zum Beispiel wenn Bewaffnete dein Dorf angreifen –, wirst du mit dem erstbesten Transportmittel fliehen. Mit dem Familienauto. Mit dem Obstlaster deines Nachbarn. Im Anhänger eines Traktors. Aber dann irgendwann: eine Grenze. Von nun an musst du laufen. Warum? Weil Männer in Uniform deine Papiere sehen wollen. Was, keine Papiere? Es ist gleichgültig. Steigt aus! Stellt euch da drüben hin! Wartet! Jetzt, Papiere oder keine Papiere, beginnt das Leben als Flüchtling wirklich: zu Fuß, in der Haltung des Ohnmächtigen.

Ende September strömten in der Nähe des Grenzübergangs Mürşitpınar in der Türkei zehntausend syrische Flüchtlinge über die brachliegenden Paprikafelder. Es waren Kurden. Sie flohen vor den Kugeln und Klingen des Islamischen Staats. Viele kamen in Autos und wirbelten Wolken feinen, weißen Staubs auf den Feldern auf, die zu den ältesten bestellten Äckern der Welt gehören. Die Türken wollten diese bunt zusammengewürfelte Karawane nicht durchlassen. So entstand an der Grenze ein Parkplatz voller verwaister Fahrzeuge. Eines Tages kamen schwarz gekleidete islamistische Krieger und stahlen die Autos. Die türkischen Soldaten schauten zu. Es war ihnen egal.

So fängt es an. Du machst einen Schritt. Du verlässt ein Leben und trittst in ein neues ein. Du gehst durch einen zerschnittenen Grenzzaun und wirst staatenlos, verwundbar, abhängig, unsichtbar. Du wirst zum Flüchtling.

... In der Türkei leben etwa 1,6 Millionen syrische Kriegsflüchtlinge. Weitere acht Millionen oder mehr sind an andere Orte innerhalb Syriens gezogen oder schlagen sich mehr schlecht als recht im Libanon und in Jordanien durch. Die blutige Spur des Krieges reicht natürlich auch bis in den benachbarten Irak, wo die Fanatiker des Islamischen Staats weitere zwei Millionen Menschen entwurzelt haben. Insgesamt sind im Nahen Osten zurzeit etwa zwölf Millionen heimatlos. Die politischen Konsequenzen in der Region sind unermesslich und werden lange anhalten.

"Es geht hier nicht mehr nur um die Türkei oder um Syrien", sagte mir Selin Ünal, eine Sprecherin des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR, im Lager Kilis. "Dies ist ein Problem, das die gesamte Welt betreffen wird. Hier geschieht etwas Historisches."

Die Vereinten Nationen schätzen, dass bereits Ende 2013 weltweit mehr als 51 Millionen Menschen durch Krieg, Gewalt und Verfolgung aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder. Unter den syrischen Flüchtlingen in der Türkei bewegt sich der Anteil der Frauen und Kinder auf 75 Prozent zu. Die Männer bleiben zurück, um zu kämpfen oder ihr Eigentum zu verteidigen. Die Frauen und Kinder werden zu bettelarmen Nomaden. Syriens Frauen erleiden ihre Kriege allein, schweigend, in der Fremde.

...


Aus: "Aber dann irgendwann: eine Grenze" Paul Salopek (3. März 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/reisen/2015-03/tuerkei-syrien-out-of-eden (http://www.zeit.de/reisen/2015-03/tuerkei-syrien-out-of-eden)

Title: [Auch in Hamburg nicht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 04, 2015, 10:37:19 AM
Quote[...] Niemand hatte damit gerechnet, dass so viele Flüchtlinge in so kurzer Zeit kommen würden, auch in Hamburg nicht. Die Hansestadt hatte vielmehr wie die meisten anderen Kommunen der Republik nach den Asylbewerber-Hochzeiten der neunziger Jahre Unterkünfte geschlossen. Allein zwischen 2001 und 2010 verschwanden 11.000 Plätze. Um viele davon war es nicht schade: überdimensionierte Schiffe auf der Elbe, schäbige Hotelzimmer und enge privat betriebene Unterkünfte. Viel Geld wurde damals verschwendet.

Heute will die Stadt es besser machen. Eine Lenkungsgruppe "mit hoher Staatsratsdichte", zusammengesetzt aus Vertretern aller Bezirke und aus den Behörden für Inneres, Soziales, Schule, Stadtplanung, Wirtschaft und Finanzen berät über Strategien, Prognosen und neue Standorte. Die Genehmigungsverfahren wurden stark vereinfacht. Es gibt nur noch einen einzigen Betreiber für Flüchtlingsunterkünfte, das kommunale Unternehmen "Fördern und Wohnen" (F&W).

Die Firma hat Mindeststandards für ihre 69 Unterkünfte festgelegt. Container und sogenannte Modulhäuser sollen immer so gebaut werden, dass sie Wohnungen mit drei bis vier Zimmern gleichen. Jede dieser Wohnungen soll eine eigene Küche haben, ein Bad, eine Klingel, einen Briefkasten. Jedes Zimmer darin soll mit nicht mehr als zwei Personen belegt werden, oder mit einer Familie mit höchstens sechs Mitgliedern.

Seitdem das so ist, können in Hamburg keine Privatleute mehr mit Flüchtlingen Geschäfte machen wie in anderen Städten. In Berlin vergab beispielsweise das zuständige "Landesamt für Gesundheit und Soziales" in seiner Not die Sanierung, den Bau und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften häufig ohne Ausschreibung, manchmal sogar ohne Verträge an private Unternehmer.Einem Hostelbesitzer zahlte das Landesamt bis zu 50 Euro je Flüchtling, ohne jemals zu kontrollieren, in welchen Zuständen die Flüchtlinge dort lebten.

Seit Monaten wird nun in der Hauptstadt diskutiert, ob einige private Betreiber unrechtmäßig Kasse gemacht haben. Um welche Summen es geht, ist unklar, weil völlig intransparent ist, wer wie viel für welche Leistung bekommen hat. Nicht einmal das Landesparlament hat hier Einblick.

Solche Debatten muss Hamburg nicht fürchten. Ist also alles gut in der Hansestadt? Von wegen. Das sagen sogar die Manager von F&W. Auch Bettina Prott und Christiane Kreipe sind unzufrieden. "Die Stadt muss sich auf den Flüchtlingszustrom nicht nur durch die Schaffung neuer Unterkünfte einstellen, sondern auch bei den Schulen, Kindergärten, Beschäftigungsmöglichkeiten und Sprachkursen", sagt Prott. Und beim Wohnraum.

Denn noch immer hat Hamburg zu wenig bezahlbare Mietwohnungen. Zwar fördert der Senat unter Olaf Scholz wieder stärker den sozialen Wohnungsbau. Doch noch immer fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue hinzukommen. Um die wenigen vorhandenen Wohnungen ist ein Konkurrenzkampf entstanden zwischen jenen 50 Prozent der Hamburger, die Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein haben, und den Flüchtlingen. Letztere haben meist die schlechteren Karten, obwohl sie oft ähnlich viel bezahlen könnten wie beispielsweise Hartz-IV-Empfänger. Doch ihr Aufenthaltsstatus ist häufig unklar. Selten wissen sie, ob sie länger als ein Jahr in Deutschland bleiben zu dürfen. Das gefällt keinem Vermieter. Sogar die Wohnungsbaugenossenschaften haben 2014 nur 73 Familien aufgenommen – von 300, die F&W ihnen vorgeschlagen hatte.

In den Folgeunterkünften der Sozialbehörde harren fast 3.000 Flüchtlinge aus, die eigentlich längst hätten umziehen könnten. Sie besetzen Plätze, die für Neuankommende aus der Erstaufnahme gedacht sind. Deshalb muss Frau Kreipe ständig neue Flächen erschließen und Container errichten.

Das ist teuer. Nichts kostet so viel, wie Notunterkünfte zu bauen. Ursprünglich waren im Haushalt für 2014 und 2015 jeweils 55 Millionen Euro dafür vorgesehen. Doch das reichte schon im vergangenen Jahr nicht aus. Die Bürgerschaft bewilligte deshalb für beide Jahre weitere 70 Millionen. Wie viel davon jedoch noch übrig ist, kann niemand sagen, der Jahresabschluss liegt noch nicht vor. Klar ist aber, dass F&W für jeden Platz in einem schlichten Container oder einem Modulhaus rund 20.000 Euro investieren muss. Für einen Platz in einem Holzpavillon, der einen etwas höheren Standard bietet, sind es sogar bis zu 30.000 Euro.

... Letztlich aber werden alle, Politik, Behörden und F&W, neben den Fragen nach dem Wohnungsbau und der schnellen Unterbringung eine dritte beantworten müssen: Wie schafft man Reserven, damit Flüchtlingslagen wie die gegenwärtige in Zukunft besser bewältigt werden können?  Denn nichts deutet darauf hin, dass die Zahl der Flüchtlinge in Zukunft stark sinken wird. Und selbst wenn: Was geschieht, wenn man sich darauf verlässt, beweist sich gerade eindrücklich.

Quote
    medlay
    vor 2 Stunden 26 Minuten

Woher kommen die Flüchtlinge, speziell in Hamburg, nochmal?
Und was ist die Ursache für ihre Flucht in die Bundesrepublik Deutschland?
Kann man die Ursache umkehren, quasi das Übel an der Wurzel packen?
Liegt es vllt. an Waffenexporten oder Landesverteidigungspoltik des Westens?
Dürfen sie hier arbeiten?
Wie sieht das mit der Krankenversicherung und Rentenzahlung aus?
Wieviel Steuergelder werdne pro Kopf aufgewendet?
Kann man ihr Herkunftsland mit in die Finanzierung einbeziehen?

Nein, es ist natürlich viel interessanter einen zweiseitigen Bericht darüber zu verfassen, wie kreativ anspruchsvoll die Unterkünfte sein müssen.


Quotecicero2015
    vor 2 Stunden 23 Minuten

[...]

Fremdenfeindliche Äußerungen werden hier nicht toleriert. Die Redaktion/fk.


Quote
    frawx
    vor 2 Stunden 4 Minuten

19. Kretivität ist gefragt.

Das betrifft nicht nur Hamburg. Über eine Lösung wurde noch gar nicht nachgedacht: Freiwilllige Aufnahme von Flüchtlingen in Privatwohnungen ermöglichen. Es gibt zahllose Unterstützer der Flüchtlinge, die einen Flüchtling oder eine Familie aufnehmen könnten. Prominente Politker, insbesondere grüne und linke, könnten mit gutem Beispiel vorangehen, denn viele besitzen neben ihrem Haus eine Zweitwohnung in Berlin, in der sie sich vorwiegend aufhalten. Man denke nur an Roth, Hofreiter, Gysi usw. Aber auch Journalisten, die sich so sehr für die Belange der Flüchtlinge einsetzen, sollten überlegen, ob sie nicht ein Zimmer zur Verfügung stellen können. Der Autor und die ZEIT-Redaktion könnten diesbezüglich nicht nur mit Worten ein Vorbild sein. Auch Kirchenleute wie Käßmann und Bischöfe könnten durchaus ein privates Zimmer zur Verfügung stellen und damit ihre gepredigte Moral vorleben (obwohl ich mir hinsichtlich der gelebten Moral nicht sicher bin, denn Käßmann beispielsweise hatte in der Fastenzeit Wasser gepredigt und Wein getrunken).
Schließlich protestieren immer mehr Flüchtlinge gegen Sammelunterkünfte, wie sich nicht nur in Dresden zeigte. Wenn die zahllosen Befürworter einer unbegrenzten Aufnahme von Flüchlingen selbst ein Zimmer zur Verfügung stellen würden, wäre das eine gute kreative Lösung.


Quote
    Demokrat2014
    vor 44 Minuten

War da nicht letztens erst ne Story wo (nach meiner Errinerung) sagenhafte 12, in Worten ZWÖLF Flüchtlinge in einem kleinen Dorf bei Hamburg untergebracht werden sollten, und die Ablehnung der Anwohner war so groß, das da sogar jemand einen Brandsatz reingeworfen hat. Kein Wunder das die Stadt da Probleme hat, die Flüchtlinge unterzubringen. Anderswo in Deutschland dürfte es leider nicht besser aussehen...

Klar, will man Flüchtlingen helfen, nur eben nicht vor der eigenen Haustür: Ko*t mich das an!!!


Quotemusulo
    vor 24 Minuten

Was soll ich sagen?

Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950
https://de.wikipedia.org/wiki/Flucht_und_Vertreibung_Deutscher_aus_Mittel-_und_Osteuropa_1945%E2%80%931950 (https://de.wikipedia.org/wiki/Flucht_und_Vertreibung_Deutscher_aus_Mittel-_und_Osteuropa_1945%E2%80%931950)

Heimatvertriebene
https://de.wikipedia.org/wiki/Heimatvertriebene (https://de.wikipedia.org/wiki/Heimatvertriebene)

http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-im-zweiten-weltkrieg-bloss-weg-hier-die-russen-kommen-1.777286 (http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-im-zweiten-weltkrieg-bloss-weg-hier-die-russen-kommen-1.777286)

"Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg" (15.3.2005)
[In der unmittelbaren Nachkriegszeit war das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den  "Displaced Persons" von Abwehrhaltungen, Vorurteilen, Verachtung, aber auch Neid geprägt: Einerseits wirkte dabei die diskriminierende nationalsozialistische Rede von den "Untermenschen" aus dem Osten weiter. Hinzu kamen verallgemeinerte und Schrecken verbreitende Nachrichten über gewalttätige Ausschreitungen und Plünderungen befreiter Zwangsarbeiter. Andererseits galten "Displaced Persons" weithin als in der Obhut der Alliierten stehende Privilegierte, die der deutschen Polizeihoheit entzogen waren und zudem die Chance zur überseeischen Auswanderung hatten. Diese blieb den Deutschen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, anfangs versagt. Nur selten ist in der deutschen Nachkriegsgesellschaft in den  "Displaced Persons" mehr gesehen worden als ein Besatzungsproblem – ihr Schicksal als Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft wurde weithin verdrängt und verschwiegen. ...]
http://www.bpb.de/themen/CNSEUC,0,0,Zwangswanderungen_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg.html (http://www.bpb.de/themen/CNSEUC,0,0,Zwangswanderungen_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg.html)



Aus: "Betten verzweifelt gesucht"  Karsten Polke-Majewski (4. März 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/hamburg/politik-wirtschaft/2015-02/asyl-fluechtlinge-hamburg-unterkunft (http://www.zeit.de/hamburg/politik-wirtschaft/2015-02/asyl-fluechtlinge-hamburg-unterkunft)

Title: [Nach einem Schiffsunglück... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 15, 2015, 10:02:34 AM
Quote[...] Nach einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste befürchtet die Hilfsorganisation Save the Children, dass etwa 400 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind. Dies gehe aus Schilderungen von Überlebenden hervor, die in der süditalienischen Stadt Reggio Calabria angekommen seien, erklärte die Organisation. Unter den Opfern seien vermutlich auch Kinder.

Die italienische Küstenwache hatte am Montag 144 Flüchtlinge von einem Boot gerettet, das vor der Küste Libyens gekentert war. Neun Leichen konnten geborgen werden. Eine große Rettungsaktion wurde eingeleitet, aber weitere Vermisste nicht gefunden. Die Küstenwache bestätigte die Zahl der Opfer zunächst nicht.

Es wäre eine der schlimmsten Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer, seit im Oktober 2013 mehr als 360 Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa ertranken. Das Unglück hatte damals eine große Diskussion um die Flüchtlingspolitik Europas ausgelöst.

Derzeit kommen Tausende Migranten vor allem aus Afrika südlich der Sahara und aus Syrien in Italien an. Viele Boote starten in Libyen. Seit Freitag hat die Küstenwache etwa 8.500 Menschen gerettet. Viele Auffanglager in Italien sind vollkommen überfüllt. Rom pocht seit langem auf mehr Hilfe aus Europa, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.

Das italienische Rettungsprogramm für Flüchtlinge Mare Nostrum war vergangenes Jahr ausgelaufen und wurde durch die EU-Grenzschutzmission Triton abgelöst. Menschenrechtler und Hilfsorganisationen sehen darin aber mehr eine Abschreckungsmaßnahme als ein Rettungsprogramm für Menschen in Not.


Aus: "Libyen: 400 Flüchtlinge im Mittelmeer vermisst" (14. April 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-mittelmeer-libyen-ertrunken-frontex-italien (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-mittelmeer-libyen-ertrunken-frontex-italien)

Title: [Dass die politische Debatte... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 16, 2015, 11:56:45 AM
Quote[...] Der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen im Mittelmeer sowie die Schüsse von Schleusern auf ein Rettungsboot treiben Italien zunehmend an den Rand einer politischen Krise. Gleichzeitig wird der Streit zwischen den einzelnen Regionen um die Verteilung der Flüchtlinge immer schärfer. Die kalabrische Hafenstadt Corigliano will Flüchtlinge schon gar nicht mehr an Land gehen lassen; die von der rechtsextremen Lega Nord regierten Regionen Venetien und Lombardei haben verkündet, bei ihnen sei ,,null Platz" für die Unterbringung.

Währenddessen ruft der Führer der Lega Nord, Matteo Salvini, zur Besetzung ,,jedes Hotels, jeder Schule oder Kaserne" auf, welche die Regierung in Rom für ,,angebliche Flüchtlinge" einziehen will.

In einem dringenden Rundschreiben hatte das Innenministerium kurz zuvor die Präfekten der einzelnen Regionen aufgefordert, 6500 neue Plätze für die Geretteten aufzutreiben.

Anhänger Silvio Berlusconis wettern gegen die ,,Invasion", an welcher die ,,mörderische" Politik der linken Regierung von Matteo Renzi schuld sei; diese gefährde die Sicherheit nicht nur der Einsatzkräfte im Mittelmeer, sondern der ganzen Gesellschaft. Giovanni Donzelli, ein rechter Bewerber um die Präsidentschaft der Toskana, sagte am Mittwoch, angesichts der Bedrohung Italiens durch Propagandisten des ,,Islamischen Staates" sei ,,Gastfreundschaft gegenüber solchen Leuten der reine Wahnsinn".

Dass die politische Debatte um die Flüchtlinge in Italien derzeit so hochkocht, liegt auch an den bevorstehenden Regionalwahlen, zu denen am 31. Mai die Hälfte der Italiener aufgerufen ist. Lega-Chef Salvini betrachtet sie als große Chance, angesichts der zerfallenen Berlusconi-Partei Forza Italia die Führung im gesamten rechten Lager zu übernehmen. Mit einem rechtsextremen Wahlkampf spricht er die niedersten Instinkte seiner Landsleute an und ist dabei, einen Rassismus zu schaffen, der Italienern bisher weitgehend fremd ist.

Einschließlich der etwa 9000 Flüchtlinge, die in den vergangenen vier Tagen von Schiffen der Küstenwache, der europäischen Grenzschutzorganisation Frontex und mehreren Handelsschiffen gerettet worden sind, zählt Italien 2015 bereits mehr als 20 000 Ankömmlinge. Das sind jetzt schon deutlich mehr als im Rekordjahr 2014, in dem das Land unter der Last von 170 000 Flüchtlingen stöhnte; nach Europa insgesamt gelangten damals 278 000 Personen. Der Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, warnt die Europäer bereits vor einer ,,noch schwierigeren Situation". An Libyens Küsten, so Leggeri, seien ,,je nach Quelle zwischen 500 000 und einer Million Menschen zum Aufbruch bereit".

Allerdings ist nicht absehbar, dass sich an der EU-Flüchtlingspolitik schnell etwas ändert. Ende Mai will der für Migration zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos eine neue Strategie zur Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU vorstellen. Der Migrationsexperte Yves Pascouau vom Brüsseler Thinktank ,,European Policy Centre" geht aber nicht davon aus, dass sich damit die bisherige Linie der EU grundlegend ändern wird. ,,Ein Umschwenken bei den bestehenden Regeln zur legalen Einwanderung ist nicht in Sicht", sagt Pascouau.

Nach den Worten von Pascouau müssen die EU-Staaten aber zur Kenntnis nehmen, dass die Grenze der Belastbarkeit für die Nachbarländer des vom Bürgerkrieg geschundenen Syrien bei der Aufnahme von Flüchtlingen allmählich erreicht sei. Die EU-Staaten nähmen nur drei Prozent der insgesamt vier Millionen Syrien-Flüchtlinge auf, sagt Pascouau. Gleichzeitig befänden sich Staaten wie der Libanon, dessen Bevölkerung wegen des Flüchtlingszustroms in den vergangenen Jahren um 20 Prozent gewachsen sei, ,,am Rande des Zusammenbruchs". Nicht mehr existent ist die staatliche Ordnung nach den Worten von Pascouau in Libyen – deshalb sei es für die EU gegenwärtig aussichtslos, mit dem nordafrikanischen Land eine Vereinbarung über den Umgang mit Flüchtlingen zu schließen. ,,Die EU hat die Verantwortung, die Menschen zu retten, welche die Flucht über das Mittelmeer antreten", sagt Pascouau.

Allerdings verfügt die gegenwärtige EU-Überwachungsoperation im Mittelmeer, die Mission ,,Triton", nur etwa über ein Drittel der finanziellen Ressourcen der Vorgängeraktion ,,Mare Nostrum". Italien hatte bis zum vergangenen Oktober jeden Monat rund neun Millionen Euro für die Mission ,,Mare Nostrum" und damit für die Rettung von Flüchtlingen ausgegeben. Die EU-Mission ,,Triton" unter der Führung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex hat in erster Linie das Ziel, die Außengrenzen der EU zu überwachen. Allerdings gehört auch die Rettung von Flüchtlingen zu den Aufgaben von ,,Triton". Frontex hatte am Dienstag berichtet, dass ihre Operation bei einer Rettungsaktion vor der libyschen Küste von Schmugglern angegriffen wurde, nachdem die EU-Grenzschutzagentur rund 250 in Seenot geratene Migranten gerettet habe.

In Berlin erklärte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter, die Einstellung von ,,Mare Nostrum" sei ,,ein tödlicher Fehler" gewesen. Dagegen sagte ein Sprecher des Innenministeriums, heute würden mehr Flüchtlinge gerettet als während des ,,Mare Nostrum"-Programms. Das Programm war nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa vom Oktober 2013 eingerichtet worden, bei der mehr als 360 Menschen ums Leben kamen. Anschließend wurden mithilfe von ,,Mare Nostrum" rund 130 000 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet.


Aus: "Flüchtlingsdrama im Mittelmeer - Stimmungsmache in Italien" Paul Kreiner und Albrecht Meier (15.04.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingsdrama-im-mittelmeer-stimmungsmache-in-italien/11641432.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingsdrama-im-mittelmeer-stimmungsmache-in-italien/11641432.html)

Title: [Bei einem Schiffsunglück... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 19, 2015, 05:20:02 PM
Quote[...] Bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer sind nach UN-Angaben erneut Hunderte Flüchtlinge ums Leben gekommen. Etwa 700 Menschen würden vermisst, sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dem TV-Sender RAInews24. Es handle sich möglicherweise um "eine der größten Tragödien im Mittelmeer".  Das Schiff kenterte demnach rund 110 Kilometer vor der libyschen Küste, 28 Passagiere wurden von der Besatzung eines Handelsschiffes gerettet.

...


Aus: "Mehr als 700 Menschen ertrinken im Mittelmeer" (19. April 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-lampedusa-unglueck (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-lampedusa-unglueck)
Title: [Die Menschen sind (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 30, 2015, 11:12:35 AM
Quote[...] Die Menschen sind in einem katastrophalen psychischen Zustand", sagt Professor David Isaacs, Kinderarzt aus Sydney. Der Mediziner kehrte jüngst von einem Besuch auf der kleinen Pazifikinsel Nauru zurück, wo Australien jene Asylsuchenden interniert, die es trotz extensiver Überwachung als Bootsflüchtlinge in australische Gewässer geschafft haben und von der Marine aufgegriffen wurden. Er sei schockiert gewesen von Lebensbedingungen, die an ein Gefangenenlager erinnerten. Frauen lebten in Angst vor Übergriffen anderer Inhaftierter und Wärter.

Das Warten auf einen Asylentscheid in Nauru oder einem zweiten Lager in Papua-Neuguinea kann Monate dauern, Jahre. Die Kinder litten am schwersten: "Ich sah ein sechsjähriges Mädchen, das sich mit einer Zeltschnur aufhängen wollte. Es hatte Verbrennungsspuren am Hals." Selbst wer als Flüchtling anerkannt wird - der Großteil der Internierten -, soll nie einen Fuß auf australischen Boden setzen dürfen, sagt Premierminister Tony Abbott.

Die Internierung von Asylsuchenden ist eines von zwei Standbeinen einer Flüchtlingspolitik, die Abbott Europa als Methode vorschlagen will, um die Welle von Flüchtlingen aus Afrika zu stoppen. Das andere ist die kompromisslose Rücksendung von Booten in die Herkunftsländer. "Seit Jänner 2014 gab es kein Boot mehr, keine Toten auf dem Meer", so Außenministerin Julie Bishop. Noch 2013 hätten 300 Boote mit insgesamt 20.000 Menschen an Bord "die gefährliche Reise nach Australien unternommen". 1200 seien im Meer gestorben.

Die offiziellen Zahlen sind zwar beeindruckend, sie sind aber nicht unabhängig überprüfbar. Die konservative Regierung hat den Umgang mit Flüchtlingen der Geheimhaltung unterworfen. Verfehlungen - etwa Äußerungen von Besuchern in Lagern oder Marinesoldaten auf See - werden von Canberra rigoros geahndet. Dazu kommt die geografische Isolation: Journalisten ist es praktisch nicht möglich, die Situation im Meeresgebiet zwischen Indonesien und Australien zu beobachten.

Flüchtlingsorganisationen klagen, Canberra liefere tamilische Flüchtlinge an die Marine Sri Lankas aus. In mindestens einem Fall soll die Rückführung in Folter und Tod eines Betroffenen geendet haben. Die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen meinen, mit der forcierten Rückführung und der Internierung auf unbestimmte Zeit verstoße Australien gegen eine Vielzahl von Abkommen zum Schutz von Asylsuchenden und Kindern.

Harsche Kritik gibt es von den UN auch an der restriktiven Flüchtlingspolitik Japans. 2014 wurde gerade einmal elf Personen Asyl gewährt. Heuer wurde der erste Syrer anerkannt und konnte seine Familie nach Japan nachholen. Seit der Einführung eines Asylsystems in Japan im Jahr 1982 wurden überhaupt erst 622 Menschen aufgenommen. Die Regierung untersucht im Moment, wie die Aufnahmeverfahren verbessert werden können.

Die Japan Association for Refugees (JAR) hilft Asylsuchenden, die nach Japan kommen. Der Generalsekretärin Eri Ishikawa zufolge gibt es zwei Gruppen von Asylsuchenden. Die kleinere Gruppe ist anerkannt. Sie bekommt finanzielle Hilfe von den Behörden, und diese Menschen dürfen auch arbeiten, solange ihr Antrag bearbeitet wird.

Die andere, viel größere Gruppe hat kaum eine Chance, Asyl gewährt zu bekommen, sondern hat bestenfalls Aussicht darauf, geduldet zu werden. Diese Menschen dürfen meist nicht arbeiten, sie haben oft keine Bleibe, und ihre medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. In den drei Asylzentren des Landes gibt es zudem laut japanischen Medien keinen vollzeitbeschäftigten Arzt.

Die JAR ist nahezu die einzige NGO, die die Asylsuchenden unterstützt, lediglich in Nagoya und Osaka gibt es ähnliche Organisationen. So müssen Helfer etwa auf die mehr als 1000 Kilometer entfernte Insel Kyushu fliegen, um dort zu helfen. Mit Kritik an der Regierung hält sich Frau Ishikawa zurück. Das lange Prozedere sei auch einer Bürokratie geschuldet, die langsam arbeitet und keine Rücksicht auf die Schicksale der Menschen nimmt.

Es gibt keine größere Diskussion über das Flüchtlingsproblem in der japanischen Gesellschaft. Als Ende der 1970er-Jahre die Boatpeople aus Vietnam vor dem Krieg auch nach Japan kamen war das anders. Damals wurden 10.000 Flüchtlinge aufgenommen und waren ein Thema, das nicht verschwiegen wurde. (uw, tesk, DER STANDARD, 30.4.2015)


Aus: "Japan und Australien: Abschreckende Flüchtlingspolitik" (30. April 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000015063941/Japan-und-Australien-Abschreckende-Fluechtlingspolitik (http://derstandard.at/2000015063941/Japan-und-Australien-Abschreckende-Fluechtlingspolitik)

Title: [Weltweit sind nach Angaben der UN... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 18, 2015, 04:58:48 PM
Quote[...] Weltweit sind nach Angaben der UN so viele Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Konflikten wie noch nie. Wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in seinem Jahresbericht schreibt, gab es Ende 2014 weltweit 59,5 Millionen Flüchtlinge. Das sei die höchste Zahl, die jemals vom UNHCR verzeichnet wurde. Zum Vorjahreszeitpunkt waren es demnach 51,2 Millionen Menschen. Die Hälfte der Flüchtenden seien Kinder. Die meisten von ihnen kommen nach wie vor aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Somalia.

Fast 20 Millionen Menschen sind laut UN ins Ausland geflüchtet, 1,8 Millionen haben einen Asylantrag gestellt, die meisten Menschen – 38 Millionen – sind in ihrem Heimatland unterwegs auf Schutzsuche. Die meisten Flüchtlinge haben die Türkei, Pakistan, der Libanon, der Iran und Äthiopien aufgenommen.

UN-Flüchtlingskommissar António Guterres bezeichnete die Lage als einen Paradigmenwechsel. "Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen", sagte er. Demnach rechnet das UNHCR am Jahresende mit einem neuen Höchstwert. Es sei erschreckend, "dass einerseits diejenigen, die Konflikte beginnen, mehr und mehr straffrei davonkommen und dass andererseits die internationale Gemeinschaft unfähig scheint, gemeinsam Kriege zu beenden und Frieden zu schaffen".

Das rasante Steigern der Zahlen hatte dem Bericht zufolge 2011 mit dem syrischen Bürgerkrieg begonnen, der noch immer andauert. Im vergangenen Jahr stieg dem UNHCR zufolge auch die Zahl derjenigen Flüchtlinge an, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen: Insgesamt 219.000 Menschen überquerten demnach im vergangenen Jahr das Meer. Tausende starben bei der gefährlichen Überfahrt.


Aus: "Vereinte Nationen: Weltweit so viele Flüchtlinge wie noch nie" (18. Juni 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-06/fluechtlinge-unhcr-jahresbericht (http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-06/fluechtlinge-unhcr-jahresbericht)

Title: [Den zweiten Abend in Folge... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 24, 2015, 11:48:19 AM
Quote[...] Das sächsische Freital kommt nicht zur Ruhe: Am Dienstag kam es den zweiten Abend in Folge zu Protesten gegen die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Polizei musste Gegner und Befürworter des Flüchtlingsheims trennen.  ...

Den zweiten Abend in Folge haben rund 80 Menschen in Freital bei Dresden gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einem ehemaligen Hotel protestiert. Etwa 200 Menschen stellten sich nach Angaben der Polizei am Dienstag dem Protest entgegen und riegelten die Unterkunft ab. Die Polizei trennte beide Gruppen, die sich immer wieder lautstark gegenseitig als ,,Nazis" oder ,,Linksfaschisten" beschimpften. ...


Aus: "Streit um Asylbewerberheim: Erneut Proteste gegen Flüchtlingsheim in Freital" (24.06.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-asylbewerberheim-erneut-proteste-gegen-fluechtlingsheim-in-freital/11960160.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-asylbewerberheim-erneut-proteste-gegen-fluechtlingsheim-in-freital/11960160.html)

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Quote[...] Ungarn hat ein wichtiges EU-Abkommen zur Aufnahme von Flüchtlingen einseitig ausgesetzt und damit Brüssel erbost. Die Rücknahme von Flüchtlingen auf der Grundlage der Dublin-III-Verordnung wurde am Dienstag für unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt, wie die Regierung in Budapest mitteilte. Die EU-Kommission verlangte von Ungarn eine "sofortige Klarstellung" dazu. Nach dem Dublin-Abkommen ist das Land für das Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Boden betreten hat.

"Das Boot ist voll", sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs der österreichischen Zeitung "Die Presse" und dem ungarischen Internetportal "Index". Die rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban müsse "ungarische Interessen und die Bevölkerung schützen", erklärte er zur Begründung. Die Aufnahmezentren im Land seien überfüllt. ...


Aus: "Ungarn: Budapest nimmt keine Flüchtlinge mehr zurück" (26.06.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/ungarn-budapest-nimmt-keine-fluechtlinge-mehr-zurueck/11960376.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/ungarn-budapest-nimmt-keine-fluechtlinge-mehr-zurueck/11960376.html)

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Quote[...] Es war der letzte Versuch eines Dialogs. Am vergangenen Freitag war Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Freital, bei einem von seiner CDU organisierten Bürgerforum zum Thema Asyl. Im Kulturhaus der sächsischen Kleinstadt ging es hoch her. Auch Pegida-Anführer Lutz Bachmann und seine Mitstreiterin Tatjana Festerling saßen im Publikum, vor dem Veranstaltungsgebäude demonstrierten AfD, NPD-Vertreter und "besorgte Bürger" gegen die Asylpolitik der Bundesregierung. Festerling bezichtigte de Maizière anschließend auf Facebook, in der Debatte mit falschen Zahlen zu operieren.

Drei Tage später wurde dann klar, dass der Bundesinnenminister zumindest eines bei seinem Besuch in Freital nicht erreicht hat: Willkommenskultur zu vermitteln. Denn am Montagabend wurde, für viele in der Stadt überraschend, bekannt, dass im ehemaligen Hotel "Leonardo", seit einigen Wochen Unterkunft von Asylbewerbern, bis zu 280 weitere Flüchtlinge unterkommen sollen. Eine "Interimslösung für die Erstaufnahme", wie die zuständige Landesdirektion Sachsen erläuterte.

Und die Politik wurde unmittelbar mit dem Volkszorn konfrontiert. Auf Anti-Asyl-Seiten in Sachsen wurde zu Spontandemonstrationen mobilisiert. Auch Pegida-Chef Bachmann machte sich unmittelbar nach der Kundgebung in Dresden auf nach Freital. Auf Facebook hetzte er gegen die "Überrumpelungsaktion", bei der "unangemeldet 150 Asylanten angekarrt" worden seien. "Das muss ein Ende haben! Auf die Straße! Wehrt Euch!"

Von "Abgründen der Korruption und Geschäftemacherei mit Asylanten" schwadronierte Bachmann, es gehe um "jede Menge Kohle, die sich mit den Glücksrittern aus Afrika machen lässt".

In der Wortwahl höflicher beklagte sich auch der Noch-Oberbürgermeister der Stadt, Klaus Mättig (CDU), über die Pläne des Freistaats. Er verkündete via "Bild"-Zeitung": "Als die Landesdirektion am Freitag anrief, hieß es noch, Freital wird keine Erstaufnahmeeinrichtung. Und jetzt werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt!"

Die Aufrufe zum Protest verfehlten ihre Wirkung nicht. Rund 100 Anwohner demonstrierten gegen die neuen Flüchtlinge. Ihnen gegenüber standen 15 bis 20 Menschen, die Solidarität mit den Flüchtlingen zeigten, von Bachmann wurden sie als "SAntifa-Einsatzstaffel" verunglimpft.

Immer wieder gab es auch Aufrufe zur Gewalt "Lutz, irgendwie bringen friedliche Spaziergänge' nichts", schrieb einer auf der Facebook-Seite von Bachmann. "Müssten nicht langsam mal schwerere Geschütze aufgefahren werden?" Auch auf der Facebook-Seite "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim" entlud sich der Hass. Sie hat schon vor Wochen angekündigt, der sächsischen Stadt die "entscheidende Rolle für ein Ende der Asylwirtschaft" zu geben. Kommentatoren dort schrieben: "Kauft Euch Hunde, bringt Frauen und Kinder in Sicherheit!" Auch zu einem Brandanschlag gegen den Bus mit den Asylsuchenden wurde aufgerufen: "Kann nicht jemand auf den Tank vom Bus schießen?"

Die Bewohner des Flüchtlingsheims wurden aufgefordert, die Fenster zu schließen. Augenzeugen zufolge flogen Böller. Die Polizei reagierte verspätet - und aus Sicht von Flüchtlingsaktivisten auch falsch. Zunächst war sie gar nicht vor Ort. Am frühen Abend erklärte ein Polizeisprecher auf Anfrage von MDR Sachsen: "Wenn wir gebraucht werden, dann sind wir da."

Später war dann zunächst nur ein Einsatzwagen am ehemaligen Hotel. Die Anti-Asyl-Seite "Freital wehrt sich" höhnte, mehr als 100 Bürger würden ihren "Unmut gegen die Verarschung" kundtun. "Ihnen gegenüber stehen 15 Gutmenschen. Dazwischen ein Auto der Polizei." Erst am späten Abend waren dann laut Polizei gut ein Dutzend Polizisten vor Ort. Die Polizeidirektion Dresden versicherte, die Beamten hätten "im Gespräch mit den anwesenden Personen der angespannten Stimmung entgegengewirkt". Zu Auseinandersetzungen sei es nicht gekommen, hieß es weiter. Personalien wurden offenbar durch die Beamten nicht aufgenommen. Die Leitung des Heimes wollte sich am Dienstag nicht zu den Vorfällen äußern. Am Dienstagabend protestierten erneut rund 80 Menschen gegen die Unterbringung von Asylbewerbern. Etwa 200 Menschen stellten sich nach Angaben der Polizei dem Protest entgegen und riegelten die Unterkunft ab. Die Polizei trennte beide Gruppen. Zu Zwischenfällen kam es zunächst nicht.

Das sächsische Innenministerium wollte die Vorgänge in Freital zunächst nicht kommentieren. Am Dienstagnachmittag reagierte Minister Markus Ulbig (CDU) dann doch und erklärte: "Mit der Einquartierung in Freital können Flüchtlinge aus Zelten herausgebracht werden." Er fügte hinzu: "Ausländerfeindliche oder populistische Parolen Einzelner dürfen nicht die Verantwortung unserer Gesellschaft für eine vernünftige und anständige Unterbringung in Frage stellen." Nicht nur in Sachsen, sondern überall in Deutschland gelte Anerkennung denen, die sich für Hilfsbedürftige und politisch Verfolgte engagieren.

Eine Flüchtlingsaktivistin sagte dem Tagesspiegel, in Freital habe eine "gewisse Art von Pogromstimmung" geherrscht. "Die Polizei war nicht in der Lage einzugreifen und die Rassisten wegzuschicken." Als "kreuzgefährlich" beschreibt sie die drohenden Auseinandersetzungen um die Unterkunft: "Vergleiche mit Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sind durchaus angebracht."

Die Internetseite Alternative Dresden News (ADDN) warf die Frage auf, warum so wenig Polizei bei den asylfeindlichen Protesten gewesen sei - und verglich dies mit einem Einsatz kürzlich in Dresden, als die Polizei mit einem "riesigen Aufgebot" einen Aufmarsch von 120 Nazis durchgesetzt habe.

Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im sächsischen Landtag, ist entsetzt. Ihre Fraktion warne schon seit Februar davor, dass die Situation in Freital vollends kippen könne – und sich Szenen wie einst in Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen abspielen könnten, sagte sie dem Tagesspiegel. Die "Nein-zum-Heim-Bewegung" in Freital sei als aggressiv bekannt, hinzu komme eine Art rechtsextremer Bürgerwehr, die Asylsuchende auch offensiv einzuschüchtern versuche. Sie kritisiert Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) scharf: In dieser Situation Öl ins Feuer zu gießen und – weitgehend ohne vorherige Abstimmung und Kommunikation – aus dem als zentrale Unterkunft genutzten Hotel künftig ein Durchgangslager für Erstaufnahmen zu machen, sei "entweder fahrlässig oder dumm – oder es hat Methode". Gleichwohl, betont Zais, könne die Botschaft natürlich auch nicht lauten, dass Asyl-Gegner in ihren Gemeinden nur "genug Rabatz" machen müssten, damit Aufnahme-Einrichtungen woanders hinkämen.

Juliane Nagel, Flüchtlingspolitikerin der Linken-Landtagsfraktion, schätzt die Anti-Asyl-Bewegung in Freital ähnlich ein. Sie sagte dem Tagesspiegel: "Seit Monaten marodieren in Freital Rassisten gegen die Asyl-Unterkunft. Nun riskiert das sächsische Innenministerium wissentlich die Unversehrtheit dieser Menschen, indem dort eine Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet wird. Das ist brandgefährlich und nicht akzeptabel." Seit April habe es mindestens zehn Übergriffe gegen Flüchtlinge gegeben, "das heißt, die Sicherheitsbehörden sind nicht in der Lage oder willens für Schutz zu sorgen".

Der stellvertretende Vorsitzende der der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann, sagte, die Anti-Asyl-Proteste in Freital seien "beängstigend und verstörend". Er warf den Pegida-Organisatoren eine "besonders erschreckende Stimmungsmache" vor. "Manche geistigen Brandstifter unterscheiden sich von militanten Straftätern nur noch durch die Tat. Ich warne vor einer Normalisierung des Rassismus in unserem Land."

Überraschend kommt die Entwicklung in Freital nicht. Zwar war die Stadt mal Hochburg der Arbeiterbewegung. Doch hatte sich schon vor Wochen eine Bürgerwehr gegen Flüchtlinge gegründet, tätliche Angriffe auf Asylsuchende blieben nicht aus. Immer wieder gab es Demonstrationen des Pegida-Ablegers Frigida.

Die CDU als stärkste politische Kraft in Freital lieferte den Asylgegnern regelmäßig Argumente. Der Anfang Juni gewählte neue Freitaler CDU-Oberbürgermeister Uwe Rumberg zweifelte nach seiner Wahl bei der Mehrzahl der Asylsuchenden am Integrationswillen. "Es muss stärker unterschieden werden zwischen wirklich Hilfsbedürftigen und sogenannten Glücksrittern, die nach Deutschland kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu führen."

Schon im Wahlkampf war Rumberg mit markigen Sprüchen aufgefallen. Er forderte "Sanktionen gegen pöbelnde und gewalttätige Asylbewerber". Im März sagte er in einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung": "Die Politik da oben denkt, es ist immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, wenn man Tür an Tür mit fremden Kulturen lebt, dass mit Verständnis und Vertrauen alles geregelt ist. Das dachte ich auch. Aber das ist nicht so. Auch eine Willkommenskultur hat irgendwo ihre Grenzen."

Quoterevaler
   23.06.2015 15:29 Uhr

Deutsche Zustände 2015

Deutschland im Jahr 2015, wo dich der Staat ohne Vorwarnung von einer freien Wiese runterprügelt wenn du versuchst, ein Holzkreuz in die selbige zu hämmern, um derer zu erinnern, die es [nicht] geschafft haben...
Marsch der Entschlossenen - Zentrum für Politische Schönheit #dietotenkommen 21.06.2015 Berlin
https://www.youtube.com/watch?v=36X9aakSbwQ#t=8m55s (https://www.youtube.com/watch?v=36X9aakSbwQ#t=8m55s) (Veröffentlicht am 21.06.2015)

...aber auch, wo du gewaltbereit, böllerwerfernd gegen schutzbedürftige Traumatisierte, die es geschafft haben, einen Mob bilden kannst und von einer nicht mal einen Platzverweis bekommst.


Quotehaarspree, 23.06.2015 21:44 Uhr
... Diese unbelehrbaren, intoleranten Menschen, die in ihrer Spießigkeit alles Fremde ablehnen und vor Veränderung Angst haben und in allem Neuen eine Gefahr sehen sind leider überall nicht nur in allen entfernten entlegenen Teilen Deutschlands, man trifft sie auch im Ballungszentrum, in Dortmund, Düsseldorf, in Berlin, Potsdam, in München, in Mainz, Wiesbaden, Frankfurt und an oft sehr verwunderlichen Positionen, als Beamte, Lehrer, Polizisten, Steuerberater, Bankmanager, Pfarrer, Arzt, etc. und sie sehen sich in ihrer Beschränktheit und dem ihnen eigenen engen Blick auf die Welt im Recht.

Quotekritischer_Beobachter, 24.06.2015

So dreht sich alles im Kreis...
Ihre Beschreibung des "unbelehrbaren, intoleranten Menschen" trifft genauso auf den unbelehrbaren übertoleranten Menschen zu, der sich und seine Weltanschauung für den Nabel der Welt hält. Das einzige was hilft, Zustände und Probleme offen zu benennen und mit der anderen Seite zu reden.
Daran hapert es aber immer mehr, so verhärten sich die Fronten und ich möchte nicht wissen wo das alles hinführt...

DaW, 24.06.2015
Mit Menschen, die sich die Ohren zuhalten und rumbrüllen, dass man ihnen endlich zuhören soll? Nö.

... Sie machen den Fehler Kritiker und Feinde ungezügelter Einwanderung in einen Topf zu werfen.
Damit wird jeder Kritiker in die rechte Ecke geschoben. Genau diese Vorgehensweise lässt jegliche Fronten verhärten.
Denken Sie mal drüber nach, nicht jeder Kritiker rennt Pegida oder der NPD hinterher.
Meinen Sie ernsthaft jeder Kritiker der momentanen Einwanderungspolitik würde Busse oder Asylheime anzünden oder dies unterstützen???
Wäre das selbe, als würde man Ihnen als (angenommener) Kritiker von TTIP unterstellen, linksradikaler Autonomer zu sein.

Genauso wenig wird bei der Diskussion unterschieden, ob da politische oder Wirtschaftsflüchtlinge zu uns kommen.
Das Argument, das politische Flüchtlinge hier willkommen sind, wird dem vermeintlichem Rechtspopulisten nicht abgenommen.
Wer Armutseinwanderung aus Balkanstaaten kritisiert muss deswegen noch lange kein Gegner von syrischen Kriegsflüchtlingen sein.
So das mal als kleine Erklärung, befürchte nur ein Teil der User hier ignoriert das weiterhin.



Quotecertifiedfraudexaminer, 23.06.2015 19:26 Uhr

Hassprediger
Solche Leute wie Lutz Bachmann sind nicht besser, wie andere Hassprediger, gegen die diese Leute doch eigentlich demonstrieren. ...

Ich wünsche mir, dass die Freitaler, so wie dies bereits in anderen Städten passierte, auf die Straße gehen und für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte stehen und gegen Unterdrückung, Diskriminierung und Inhumanität.


QuoteDaW
   23.06.2015 19:08 Uhr

... "Wer sich von den Meinungen der Mainstreammedien vertreten fühlt, kann natürlich nicht nachvollziehen, wie sich die Bürger dort fühlen mögen."

Vielleicht kann sich jemand, der weder auf der Flucht war noch sich je die Mühe gemacht hat, mit einem Flüchtling zu sprechen oder zumindest mal einen Erfahrungsbericht gelesen hat, auch nicht vorstellen, wie sich die Flüchtlinge fühlen.

Oder wie es die heute-show in ihrer gelungenen Pegidioten-Parodie recht gut zusammengefasst hat:

Herumheulender Sachse: "Meine Regierung nimmt mich nicht ernst!"
Geflüchtete Famielie: "Unsere versucht uns umzubringen!"


Quoteboesermensch, 23.06.2015 18:37 Uhr

War doch klar,
das der besorgte Normalbürger Lutz "Adolf" Bachmann, bei diesem Aufmarsch besorgter Bürger zu finden ist.
Der braune Mob ist wieder aktiv-es widert mich an.


...


Aus: "Anti-Asyl-Proteste in Freital: "Vergleiche mit Hoyerswerda sind angebracht"" Matthias Meisner und Lars Radau (23.06.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/anti-asyl-proteste-in-freital-vergleiche-mit-hoyerswerda-sind-angebracht/11955918.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/anti-asyl-proteste-in-freital-vergleiche-mit-hoyerswerda-sind-angebracht/11955918.html)

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Quote[...] DRESDEM/JENA/BERLIN epd | Im sächsischen Freital sind am Wochenende erneut Gegner und Unterstützer einer Flüchtlingsunterkunft auf die Straße gegangen. Bei der bislang größten Solidaritätskundgebung für die Asylbewerber zählte die Polizei am Freitagabend 550 Menschen. Ihnen standen 250 Sympathisanten der rechtsgerichteten Gruppe entgegen, die bereits seit mehreren Tagen Stimmung gegen das Heim macht. Auch am Samstagabend standen sich beide Seiten wieder gegenüber: 80 Flüchtlingsunterstützer und 40 Asylgegner demonstrierten in der Kleinstadt bei Dresden, wie die Polizei in der sächsischen Landeshauptstadt am Sonntag mitteilte.

In dem ehemaligen Hotel sollen bis zu 280 statt bislang 100 Asylbewerber untergebracht werden, weil die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Chemnitz überlastet ist. Unter den Einwohnern, die dagegen protestieren, sind Unterstützer der ,,Pegida"-Bewegung. Einige zeigen sich offen rechtsextrem: Drei Männer wurden nach Angaben der Polizei in den vergangenen Tagen festgehalten, weil sie ,,Sieg Heil" gerufen oder den Hitlergruß gezeigt haben. Aufseiten der Flüchtlingsunterstützer wurde ein Demonstrant durch eine geworfene Dose am Kopf verletzt. Es war nicht das erste Mal, dass Gegendemonstranten Verletzungen davon trugen.

Die Polizei ist derzeit stets in dem Ort präsent. Allein am Freitag waren den Angaben zufolge 170 Polizisten im Einsatz, um Zusammenstöße zwischen beiden Seiten zu vermeiden. Dabei sei es auch zum Einsatz von Pfefferspray gekommen.

Im ebenfalls nicht weit von Dresden entfernten Meißen hat es in der Nacht zu Sonntag in einer für Flüchtlinge vorgesehenen Unterkunft gebrannt. Nach Angaben eines Polizeisprechers ist bei dem Feuer ein Zimmer völlig zerstört worden. Das komplette, derzeit noch unbewohnte Gebäude sei verrußt. Die Brandursache sei noch unklar. Die Polizei sprach daher noch nicht von Brandstiftung. Dennoch erinnert der Fall an Brände im sachsen-anhaltischen Tröglitz und fränkischen Vorra. Dort wurden Asylunterkünfte in Brand gesteckt, unmittelbar bevor Flüchtlinge dort einziehen sollten.

Flüchtlingsunterkünfte wurden am Wochenende auch in Berlin und Jena Ziel von Übergriffen. In der Bundeshauptstadt wurden in der Nacht zu Samstag an ein Heim im Stadtteil Niederschönhausen mehrere Hakenkreuze geschmiert. In der gleichen Nacht sind nach Polizeiangaben vor einer Flüchtlingsunterkunft in Jena drei Fahrzeuge vorgefahren, aus denen die Insassen ,,Ausländer raus" gebrüllt hätten.

In der thüringischen Universitätsstadt wurde für den gleichen Tag eine Demonstration der rechtsextremen ,,Europäischen Aktion Thüringen" angekündigt. Rund 1.800 Menschen stellten sich dem nach Angaben der Polizei entgegen. Aufseiten der Neonazis kamen statt der angekündigten 500 nur rund 100 Teilnehmer. Die Versammlungen verliefen den Angaben zufolge weitgehend störungsfrei. Allerdings erteilte die Polizei gegen rund 50 Neonazis Platzverweise für Pößneck, wo am gleichen Tag der Thüringentag 2015 stattfand. Die Betreffenden hätten angekündigt, dorthin reisen zu wollen, um ,,Stimmung" zu machen.


Aus: "Rassistische Proteste in Sachsen: Sie rufen ,,Sieg Heil"" (28.6.2015)
Quelle: http://www.taz.de/Rassistische-Proteste-in-Sachsen/!5207412/ (http://www.taz.de/Rassistische-Proteste-in-Sachsen/!5207412/)

Title: [Wie aus den Antworten der... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 25, 2015, 10:22:47 AM
Quote[...] Es müssten "größere Anstrengungen unternommen werden, um den wachsenden Zustrom von illegaler Migration zu beschränken", heißt es in dem Gipfelerklärungsentwurf, den die Nichtregierungsorganisation "Statewatch" auf ihrer Website öffentlich gemacht hat und mit dem der Gipfel am Freitag zu Ende gehen soll. Der Start der "Eunavformed"-Mission, die die EU-Staaten in dieser Woche beschlossen haben, sei "dazu ein wichtiger Beitrag". heißt es in dem Text. Die Mission zielt darauf, die Schiffe und Boote von Schlepperorganisationen anzugreifen und möglichst zu zerstören. Da die EU dafür aber weder ein UN-Mandat hat noch die Zustimmung der libyschen Regierung, wurde am Montag dieser Woche lediglich die Beobachtung der Lage beschlossen.

... Der Plan der EU-Kommission, die Flüchtlinge nach einem festen Schlüssel künftig auf alle Mitgliedsländer zu verteilen, wird wohl auf dem Gipfel beerdigt werden: "Das funktioniert nicht", zitierte die Agentur AFP einen hohen EU-Diplomaten. In den letzten Tagen hatten sich bereits mehrere EU-Länder der Aufnahme verweigert; Ungarn baut sogar an einem Grenzzaun gegen Flüchtlinge und erklärte, es werde keine abgeschobenen Flüchtlinge mehr aus Westeuropa aufnehmen. Außenminister Peter Szijjarto relativierte diese Aussage am Mittwoch. Die Bundesregierung hatte den ungarischen Botschafter in Berlin deswegen einbestellt. Schon auf den EU-Fachministertreffen der letzten Tage war klar geworden, dass etwa Großbritannien, Irland und Dänemark eine feste Quote nicht akzeptieren wollten. Auch die Visegrad-Gruppe - Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn - erklärte kurz vor dem Gipfel, das sei für sie "inakzeptabel". Die Osteuropäer nehmen schon bisher kaum Flüchtlinge auf.

Dem Appell zu einem "ausgewogenen und geografisch umfassenden Ansatz in der Migrationspolitik", den Europa brauche und der auf "Solidarität und Verantwortung" gründen müsse, folgt im Dokument denn auch vor allem auf die Auflistung von Abwehrmaßnahmen gegen Flüchtlinge. An den Grenzen der EU wollen die europäischen Regierungen mit Hilfe der Grenzschutzagentur Frontex, von Europol und Experten aus der ganzen Union Grenzposten einrichten, um eine möglichst lückenlose digitale Erfassung der Migranten sicherzustellen - Mängel des Grenzregimes wurde vor allem Italien und Griechenland von den EU-Regierungen immer wieder vorgeworfen. Frontex soll dafür eine stärkere Rolle erhalten. Außerdem bekräftigt das Dokument, dass "alle Mittel mobilisiert werden, um die Rückführung illegaler Migranten in ihre Herkunfts- und Transitländer zu befördern". 

Wie aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, entwickelt sich die EU-Flüchtlingsabwehr dynamisch, auch unter maßgeblicher deutscher Beteiligung. Europas Satellitenzentrum im spanischen Torrejón, das EUSC, konnte seinen Ausstoß an Überwachungsergebnissen ("Analyseprodukte") zwischen 2009 und 2014 mehr als verdoppeln, Abnehmerin war in diesem Jahr erstmals auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit bisher vier Analysen. Frontex ist auch am Ausbau von "Copernicus" beteiligt, einem ursprünglich zivilen europäischen Erdbeobachtungsprogramm. Copernicus soll künftig in der Kontrolle von Grenzen und Schiffsverkehr eingesetzt werden und EU-Außeneinsätze unterstützen.

Der Aufbau der neuen Sicherheitskomponente von Copernicus verlaufe "planmäßig", schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage. Die Kosten für das europäische Datenrelaissystem zur schnelleren Übertragung großer Datenmengen EDRS stiegen demnach von 415 Millionen auf 473 Millionen Euro. Auf alle Fragen zur Einbindung nordafrikanischer Staaten in die EU-Grenzpolitik bleibt die Bundesregierung die Antworten schuldig. "Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor", heißt es in der Antwort aus dem Auswärtigen Amt immer wieder.

"Satellitenaufklärung, Drohnen und Kriegsschiffe gegen Geflüchtete einzusetzen, ist menschenverachtend und geht am Kern des Problems komplett vorbei.", sagte der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, der die Kleine Anfrage gestellt hatte, dem Tagesspiegel. Auch das Signal, das damit ausgesendet werde, sei "fatal und widerspricht einer solidarischen Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union".


Aus: "Flucht und Europa: EU will Weg nach Europa stärker blockieren" (06/2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/flucht-und-europa-eu-will-weg-nach-europa-staerker-blockieren/11965274.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/flucht-und-europa-eu-will-weg-nach-europa-staerker-blockieren/11965274.html)

Title: [Laut des Berichts... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 01, 2015, 09:59:32 AM
Quote[...] Rund 137.000 Menschen sind nach UN-Angaben seit Jahresbeginn über das Mittelmeer nach Europa geflohen. "Europa erlebt eine maritime Flüchtlingskrise von historischem Ausmaß", teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Genf mit. Die Zunahme im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist dramatisch: Die Zahlen stiegen um 83 Prozent.

Laut des Berichts floh der Großteil der Menschen aufgrund von Krieg, Konflikten und Verfolgung. Etwa ein Drittel der Flüchtlinge kommt aus Syrien, die anderen beiden großen Gruppen kommen aus Afghanistan und Eritrea. Die meisten Flüchtlinge erreichen Europa über das östliche Mittelmeer, sie kommen von der Türkei nach Griechenland. Es sind inzwischen mehr Flüchtlinge, die diese Route nehmen als von Nordafrika nach Italien.

Das UNHCR geht davon aus, dass die Zahlen über die Sommermonate weiter steigen. Schon im vergangenen Jahr hätte sich die Zahl der Flüchtlinge in der zweiten Hälfte des Jahres noch einmal nahezu verdoppelt, heißt es in dem Papier.

Auch die Zahl derer, die die Flucht über das Mittelmeer nicht überleben oder immer noch vermisst werden, ist gestiegen. In den ersten drei Monaten des Jahres starben 479 Menschen auf dem Meer oder werden noch vermisst – im Vergleich zu 15 toten und vermissten Flüchtlingen im gleichen Zeitraum 2014. Alleine in diesem April starben oder verschwanden 1.308 Flüchtlinge auf der Überfahrt,  2014 waren es noch 42.

...


Aus: "Mittelmeer: 83 Prozent mehr Flüchtlinge als 2014" (1. Juli 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/un-fluechtlinge-flucht-mittelmeer (http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/un-fluechtlinge-flucht-mittelmeer)

Title: [Zwei Jahrzehnte später... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 01, 2015, 11:58:50 AM
Quote[...] Erinnert sich noch jemand an Dolgenbrodt? In diesem Dörfchen, 50 Kilometer südöstlich von Berlin, idyllisch gelegen zwischen Wäldern und Seen, sollte ein Flüchtlingsheim entstehen. Die Behörden hatten dafür ein ehemaliges DDR-Ferienlager hergerichtet, aber im Ort gab es Proteste. Just in der letzten Nacht, bevor 86 Asylbewerber einziehen sollten, brannte das Heim ab. Der Täter war ein 18-jähriger dorfbekannter Neonazi und wie später herauskam, hatte ihm ein örtlicher Blumenhändler 2.000 DM Honorar gezahlt und dafür sogar bei seinen Nachbarn Geld gesammelt. Das war im November 1992.

Zwei Jahrzehnte später häufen sich nun wieder Brandstiftungen in fast fertigen Flüchtlingsheimen. Zuletzt im sächsischen Meißen und in Lübeck (Schleswig-Holstein), davor unter anderem in Tröglitz (Sachsen-Anhalt), Limburgerhof (Rheinland-Pfalz) oder im bayerischen Vorra. Im ersten Halbjahr 2015 haben die Behörden 150 Angriffe auf Unterkünfte von Asylbewerbern gezählt, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes – ein deutlicher Anstieg, denn im gesamten Vorjahr waren es 190.  

Dabei sind solche Taten nichts Neues, sondern gewissermaßen die Rückkehr zu einer alten Strategie der extremen Rechten, siehe Dolgenbrodt.

Doch einige Dinge sind heute anders. Zum einen, wie die extreme Rechte in den vergangenen Jahren die steigende Zahl von Flüchtlingen und neue Asylbewerberheime nutzte, um neue Anhänger aus der Mitte zu zu mobilisieren: Reihenweise schossen Gruppen aus dem Boden, die sich wie Bürgerinitiativen besorgter Nachbarn geben. Sie heißen "Nein zum Heim in Köpenick" oder "Freital wehrt sich". Sie mobilisieren auf Facebook und Twitter, veranstalten Demonstrationen und sogenannte Mahnwachen. Vielerorts gelang es NPD-Kadern oder örtlichen Neonazi-Kameradschaften auf diese Weise, bis weit in die Mitte der Gesellschaft an rassistische Ressentiments anzuknüpfen und sie zuzuspitzen.

Der Höhepunkt dieser Welle waren die Pegida-Demonstrationen im vergangen Winter. Montag für Montag versammelten sie sich in Dresden, zeitweise stieg die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 25.000. Der sächsische Innenminister und selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel suchten das Gespräch. Bundesweit versuchten sich Pegida-Ableger zu etablieren. Für einen Moment fühlten sich Islamfeinde und Rechtsextreme obenauf – stärker als je zuvor konnten sie das Gefühl haben, sie stünden für eine schweigende Mehrheit und könnten das gesellschaftliche Klima verändern.

Die Zunahme der Anschläge fällt auch zusammen mit einem Niedergang der NPD. Im letzten Jahr flog sie in ihrer Hochburg Sachsen aus dem Landtag; ihre Strategie, über parlamentarische Arbeit und ein eher gemäßigtes Auftreten zu wachsen, ist gescheitert. Zudem zehrt das Verbotsverfahren an ihren Kräften, die Parteikassen sind leer, die Mitglieder laufen ihr davon – weniger in Richtung Pegida oder AfD, sondern zu noch radikaleren Parteien wie "Die Rechte", "Der Dritte Weg" oder auch zu militanten Neonazi-Kameradschaften.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Krise der NPD zu mehr Gewalt von rechtsaußen führt: Nachdem Ende der 1960er Jahre die erste Erfolgswelle der Partei endete, entstanden zahlreiche rechtsterroristische Gruppen. Für Demonstrationen und Pseudo-Bürgerinitiativen braucht man Geduld und Ausdauer. Und so zynisch es klingt: Per Brandstiftung lässt sich ein Flüchtlingsheim mit größerer Sicherheit verhindern. Dafür braucht es keine Organisation und keine Vernetzung, es genügt ein Benzinkanister, ein Feuerzeug und der Wille zur Nachahmungstat.

Die Reaktionen der Neonazi-Szene auf die neuen Anschläge sind auch heute deutlich. In einschlägigen Internetforen gibt es klammheimliche oder gar offene Freude ("So ein Lichtenhagen Reloaded wäre doch richtig geil"). Die Brandstifter werden gelobt ("Ich habe Hochachtung vor diesen mutigen Aktivisten") oder zu Opfern umgedeutet, ihre Taten als "Notwehr" gegen eine angebliche Überfremdung Deutschlands dargestellt ("Irgendwann ist das Maß eben voll").

Doch neu ist auch der Widerstand: In Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen applaudierten Anwohner in den neunziger Jahren noch den Brandstiftern, den rassistischen Pogromen traten lediglich Antifa-Gruppen entgegen. Heute fielen allen Städten außer Dresden die Gegendemonstrationen deutlich größer aus als die Pegida-Aufmärsche. Und auch in Dresden flauten die Proteste ab, heute kommen nicht mehr Tausende, sondern nur noch Hunderte zu den montäglichen Veranstaltungen.

Vor allem aber: Landauf, landab sind in den vergangenen Monaten Bürgerinitiativen für Flüchtlinge entstanden: Nachbarn von Asylbewerberheimen spenden Kleidung und Mobiliar, helfen bei Behördengängen, geben ehrenamtlich Sprachkurse. Im sächsischen Freital stellen sich Nacht für Nacht Bürger schützend vor das Asylbewerberheim.

Doch diese Gegenwehr wird immer erst stark, wenn die Rechten schon da waren. Und längst nicht vor jedem Asylbewerberheim stehen schon so viele schützende Menschen, dass es nicht zum Ziel eines Brandanschlags wird.


Aus: "Flüchtlingsheime: Es wird weiter glühen"  Toralf Staud (1. Juli 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/brandanschlaege-fluechtlingsheime-vergleich-1990er-jahre (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/brandanschlaege-fluechtlingsheime-vergleich-1990er-jahre)

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Quote[...] Tumultartige Szenen und heftige Anfeindungen haben eine Bürgerversammlung zum Thema Asyl im sächsischen Freital überlagert. Die Stadt vor den Toren Dresdens hatte in den vergangenen Wochen mit teils rassistischen Protesten vor einer Flüchtlingsunterkunft in einem ehemaligen Hotel Schlagzeilen gemacht. Bei der Versammlung am Montagabend wurden erneut pauschale Vorurteile und Hetze gegen Asylbewerber laut. Versammlungsteilnehmer, die sich für Flüchtlinge einsetzten, wurden von anderen niedergebrüllt.

Die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates und der künftige Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) forderten ein Ende von Fremdenfeindlichkeit und Hass. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der sich den Fragen der Bürger stellte, zeigte sich von den Störern enttäuscht. Mit denen sei ein Gespräch unmöglich. «Erfolg sieht anders aus, aber wichtig war sie, die Veranstaltung.» Es sei darum gegangen, Sorgen und Themen der Bürger aufzunehmen.

Gleich zu Beginn der Versammlung gab es heftige Proteste, als der Saal wegen Überfüllung geschlossen wurde. Viele Bürger standen noch vor dem Gebäude und verlangten wütend Einlass. Laut Stadtverwaltung waren 380 Versammlungsteilnehmer zugelassen. Erst als noch einige weitere Bürger eingelassen wurden und zugesagt wurde, eine weitere Versammlung abzuhalten, beruhigte sich die Situation leicht.

Ulbig wurde ausgebuht, als er die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung darstellen wollte. Bürger warfen der Politik vor, sie zu belügen. Die Asylbewerber würden den Frieden in dem Wohngebiet stören. «Die verursachen nur Dreck und Müll und schmeißen alles aus dem Fenster», sagte eine Anwohnerin. Eine andere gab an, wegen des Lärms nachts ohne Schlaftabletten kein Auge mehr zuzumachen. Geld würde «für Asylbewerber verschwendet» und fehle beim Kitabau oder für marode Schulen.

Bürger, die sich kritisch mit den Anti-Asyl-Protesten vor dem Heim auseinandersetzen, wurden mit «Halt die Fresse»-Rufen niedergeschrien. Einer Vertreterin der Initiative für Weltoffenheit und Toleranz wurde das Mikrofon weggenommen.

Seit Monaten kommt es in Freital zu Protesten gegen die vom Landkreis genutzte Asylunterkunft in dem früheren Hotel. Als dort vor zwei Wochen eine Erstaufnahmeeinrichtung mit weiteren 280 Plätzen eingerichtet wurde, eskalierte die Lage. Die Anwohner sprachen von einer «Nacht- und Nebelaktion» der Landesregierung. Den Asylgegnern stellten sich teils mehr als hundert Gegendemonstranten entgegen. Mehrfach wurden sie von mutmaßlich Rechten angegriffen. (dpa)


Aus: "Flüchtlinge in Freital: Asyl-Gegner in Freital brüllen Redner nieder" ( 07. Juli 2015)
Quelle: http://www.fr-online.de/politik/fluechtlinge-in-freital-asyl-gegner-in-freital-bruellen-redner-nieder,1472596,31141738.html (http://www.fr-online.de/politik/fluechtlinge-in-freital-asyl-gegner-in-freital-bruellen-redner-nieder,1472596,31141738.html)

Title: [Die Koalition hat im Bundestag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 03, 2015, 08:22:15 AM
Quote[...] Die Koalition hat im Bundestag die umstrittene Reform des Aufenthaltsgesetzes beschlossen. Straffällige Ausländer sowie Flüchtlinge, die falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben, sollen künftig schneller abgeschoben werden.

Auch die Möglichkeiten, einen abgelehnten Asylbewerber in Haft zu nehmen, damit er sich der Abschiebung nicht entzieht, werden erweitert. Wenn der Betroffene im Verdacht steht, dass er sich der Abschiebung entziehen will, kann er bis zu vier Tage lang in Gewahrsam kommen. Auch wer über seine Identität täuscht, Dokumente vernichtet und Geld an Schleuser gezahlt hat, kann in Haft genommen werden. Zudem wird ein neuer Ausreisegewahrsam eingeführt. Für einen ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländer wird für mehrere Jahre eine Wiedereinreisesperre verhängt. Bei Ausländern, die ihre Identität verschleiern, dürfen künftig Computer oder Handys ausgewertet werden.

Auf der anderen Seite erhalten gut integrierte Ausländer leichter als bisher eine Aufenthaltsgenehmigung. Dazu müssen sie seit mindestens acht Jahren ununterbrochen in Deutschland leben. Leben sie mit einem minderjährigen Kind zusammen, reichen sechs Jahre aus. Allerdings müssen sie ihren Unterhalt "überwiegend durch Erwerbstätigkeit" sichern, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und Deutschkenntnisse aufweisen. Rund 30.000 Personen könnten davon profitieren.

Junge Asylbewerber und Ausländer ohne Aufenthaltsstatus müssen zudem während der Zeit einer Ausbildung keine Abschiebung mehr fürchten. Dies entspricht einer Forderung der Wirtschaft.

...


Aus: "Flüchtlinge: Bundestag verschärft Asylrecht" (2. Juli 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/bundestag-reform-bleiberecht-asylbewerber (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/bundestag-reform-bleiberecht-asylbewerber)

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Quote[...] Es ist keine zwei Tage her, da präsentierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière den neuen Verfassungsschutzbericht. Wichtigste Erkenntnis: Flüchtlinge in Deutschland haben es nicht nur schwer, sondern werden immer öfter zu Opfern von gewalttätigen Übergriffen und Brandanschlägen. Die Botschaft: Wir werden an ihrer Seite stehen. Wirklich?

Am Donnerstag legt der Innenminister nun dem Bundestag ein Gesetz zur Abstimmung vor, das vor allem eines ermöglicht: Illegale Flüchtlinge so schnell wie möglich aus dem Land zu kriegen. Das Ministerium argumentiert: Wenn in Deutschland die Akzeptanz für die Aufnahme von Asylsuchenden steigen soll, müssen zunächst einmal alle aus dem Weg, die darauf keinen Anspruch haben. Besser durchsuchen, schnell verhaften – und dann dahin zurück, wo sie hergekommen sind.

Mit ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz wird die schwarz-rote Regierungskoalition heute eine Opferhierarchie manifestieren, die es im Ausländerrecht zwangsläufig gibt: Wen nehmen wir auf, wen schicken wir fort? Angesichts Zehntausender ArmutsmigrantInnen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, wird diese Frage immer brisanter.

Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb unter Armen, der – immerhin dies – von der Bundesregierung auch mehr oder weniger deutlich als solcher gekennzeichnet wird. Kongolesen, die über das Mittelmeer kamen? Nein, danke. Sinti und Roma vom Balkan? Adieu.

Bleiben dürfen zwei Gruppen von Menschen: So richtig politisch Verfolgte, die per Flugzeug nach Deutschland kamen und mit ihren Füßen keinen europäischen Dublin-Staat berührt haben, in den sie sonst abgeschoben werden könnten. Und, dank der Neuentdeckung durch die Demografieforschung und die Industrie- und Handelskammer: erstklassig integrierte Flüchtlinge, die es bereits vor Jahren nach Deutschland geschafft haben und die bereit sind, hier auf das Grundgesetz zu schwören.

Es ist nun einerseits einfach, diese Kategorisierung von Leidensgeschichten als inhuman zu kennzeichnen. Gleichzeitig markieren die offen rassistisch auftretenden Neonazis und selbsternannten ,,besorgten Bürger" auch die Notwendigkeit, einen gesellschaftlichen Streit über die Integrationsfähigkeit Deutschlands in aller Offenheit zu führen. Die Bundesregierung muss darauf allerdings eine andere Antwort geben als in den 90er Jahren. Damals folgte auf die rechtsextreme und rechtspopulistische Stimmung im Land eine Asylrechtsverschärfung.

Das jetzt zur Abstimmung stehende Abschiebegesetz ist dabei eine ähnliche Kapitulationserklärung: Während die Geflüchteten mit ihren unsicheren Aufenthaltsperspektiven gerade in diesen Tagen Halt und Zuspruch benötigen, signalisiert ihnen der Staat: Vor uns seid ihr nicht sicher.

QuoteDer Sizilianer
gestern, 14:25

Flüchtlinge kriminalisieren und einsperren?
... Ich bin sehr gespannt, wie die, die in Sonntagsreden immer und immer wieder die "historische Verantwortung Deutschlands" betonen und wie ach so viel man "aus der Geschichte gelernt" habe, über diesen ekelhaften Irrsinn abstimmen werden ...



Aus: "Kommentar Asylrecht und Abschiebung: Vor uns seid ihr nicht sicher" Kommentar von Martin Kaul (02.07.2015)
Quelle: http://www.taz.de/!5208142/ (http://www.taz.de/!5208142/)

Title: [Die Presse... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 07, 2015, 10:56:13 AM
QuoteEesti Päevaleht - Estland | Montag, 6. Juli 2015
Estlands Regierung hat Angst vor Flüchtlingsthema
Wegen einer Protestfahrt von rund 360 Motorradfahrern gegen den Ausbau eines Flüchtlingsheims im nordestnischen Dorf Vao am Samstag hat die Stadt das Heim evakuiert. Die liberale Tageszeitung Eesti Päevaleht findet das symbolisch für die Asylpolitik der Regierung

Die Presse - Österreich | Donnerstag, 25. Juni 2015
Europa verrät seine Prinzipien in der Krise
Vor dem EU-Gipfel am heutigen Donnerstag in Brüssel hat Ungarns Regierung mit der Aussetzung des Dublin-Abkommens zur Rückführung von Flüchtlingen in ihre Ankunftsländer gedroht. Französische Polizisten hindern Migranten an der Einreise von Italien nach Frankreich. Die konservative Tageszeitung Die Presse warnt vor einem Ende der Kernprojekte der Europäischen Union

Gazeta Wyborcza - Polen | Dienstag, 23. Juni 2015
Grandiose Solidarität mit Flüchtlingen in Polen
Die polnische Bischofskonferenz hat sich am Freitag in einer Erklärung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Polen eingesetzt und zwar unabhängig von deren Konfession. Die TV-Journalistin Katarzyna Kolenda-Zaleska ist in einem Gastbeitrag in der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza voll des Lobes

Tages-Anzeiger - Schweiz | Montag, 22. Juni 2015
Schweiz darf Flüchtlinge nicht aussperren
Seit Frankreich die Grenze für Flüchtlinge aus Italien geschlossen hat, versuchen immer mehr Migranten, über die Schweiz weiter nach Norden zu reisen. Der Regierungspräsident des Kantons Tessin fordert jetzt, die Grenzen ebenfalls zu schließen. Der linksliberale Tages-Anzeiger spricht sich dagegen aus

Magyar Hírlap - Ungarn | Sonntag, 21. Juni 2015
Zsolt Bayer über das Flüchtlingsdrama als Heilmittel für den Westen
Das Elend der Flüchtlinge könnte den Westen endlich zur Einsicht kommen lassen, dass sein dekadenter Lebenswandel in den Untergang führt, meint der rechte Kolumnist Zsolt Bayer in der konservativen Tageszeitung Magyar Hírlap

Il Sole 24 Ore - Italien | Freitag, 19. Juni 2015
Europa selbst schuld an Flüchtlingsdrama
60 Millionen Menschen, so viele wie noch nie, sind weltweit auf der Flucht. Das berichtet das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in seinem aktuellen Jahresbericht. Die meisten Menschen fliehen vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Angesichts dieser Zahlen ärgert sich die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore über Europa

idnes.cz - Tschechien | Donnerstag, 18. Juni 2015
Keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen
Die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa ist falsch und gefährlich, meint der Direktor des Prager Václav-Klaus-Instituts, Jiří Weigl, in einem Gastbeitrag beim Nachrichtenportal idnes.cz

Pravda - Slowakei | Donnerstag, 18. Juni 2015
Europa muss seine Außengrenze schützen
Der Schengenraum kann nur funktionieren, wenn seine Außengrenze geschützt ist, kommentiert die linke Tageszeitung Pravda die ungarischen Pläne, sich mit einem Grenzzaun gegen Flüchtlinge aus Serbien abzuschotten

Le Soir - Belgien | Dienstag, 16. Juni 2015
Endlich nationale Egoismen überwinden
Die EU-Staaten müssen endlich ihre nationalen Egoismen überwinden, fordert die liberale Tageszeitung Le Soir mit Blick auf die Debatte um die Flüchtlingsquote

La Repubblica - Italien | Mittwoch, 17. Juni 2015
Europa verkauft Waffen und seine Seele
Grenzen sind nur für Waffen durchlässig, nicht für Menschen, wettert die linksliberale Tageszeitung La Repubblica

El Periódico de Catalunya - Spanien | Dienstag, 16. Juni 2015
Am Flüchtlingsstreit droht EU zu zerbrechen
Französische Polizisten haben in den vergangenen Tagen Flüchtlinge an der Einreise von Italien nach Frankreich gehindert. Die Flüchtlingsproblematik entzweit die EU, warnt die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya


Aus: "Ausbau der Festung Europa?" (Stand 07.07.2015)
Quelle: http://www.eurotopics.net/de/home/debatten/links-2015-06-europas-festung/ (http://www.eurotopics.net/de/home/debatten/links-2015-06-europas-festung/)

Title: [Ich habe gesehen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 07, 2015, 11:07:05 AM
Quote[...]  Skopje/Belgrad – "Ich habe gesehen, wie sie Männer geschlagen haben. Sie haben meinen 13-jährigen Sohn geschlagen. Sie haben mich auch geschlagen, als ich mein Gesicht waschen wollte", erzählte ein Afghane der NGO Amnesty International (AI) über die Misshandlungen durch mazedonische Polizisten. AI führt in einem aktuellen Bericht die Vergehen von Behörden in Serbien und Mazedonien gegen Flüchtlinge an, die die Balkanroute gewählt haben, um in die EU zu kommen.

Viele werden wieder über die Grenze nach Griechenland zurückgeschickt oder grundlos inhaftiert, manche werden auch erpresst – nur wenn sie Schmiergeld bezahlen, dürfen sie weiter. Die mazedonischen Behörden verweisen darauf, dass sie legal aufgrund der Rückführungsabkommen mit Griechenland agieren. AI berichtet sogar von einem syrischen Flüchtling, der behauptet, dass die mazedonische Polizei Schusswaffen einsetzt.

"Nachdem wir Griechenland verlassen hatten, gingen wir in die Wälder in Mazedonien, 150 Leute in einer Gruppe. Die mazedonische Polizei schoss auf uns, sie traf das Bein eines Mannes – ich habe ihn fallen gesehen", erzählte der Mann. "Die haben mehr als eine Stunde geschossen. Für mich war das so ähnlich wie das, was in Syrien vor sich geht."

Ähnliche Vorwürfe erhob auch eine syrische Frau, die mit ihren Kindern im Dezember 2014 durch Mazedonien reiste. Sie sagt, dass die mazedonische Polizei über ihre Köpfe geschossen habe. Auch eine lokale NGO in Skopje berichtete von Schüssen auf Flüchtlinge. Mazedonien unter Premier Nikola Gruevski wird autokratisch regiert, in der Polizei und Justiz werden demokratische und Menschenrechtsstandards nicht respektiert. Die Sicherheitsapparate in Mazedonien und Serbien wurden seit den 1990ern nicht reformiert. Bereits vor einigen Wochen berichtete Human Rights Watch von misshandelten Flüchtlingen in Serbien.

Aber nicht nur die Vertreter von Behörden können eine Gefahr darstellen, auch der Fluchtweg ist gefährlich. Viele Flüchtlinge versuchen, auf Güterzügen durch den Balkan zu reisen. Sie springen auf die Züge auf und verstecken sich darauf. Immer mehr Flüchtlinge werden in solchen Zügen, etwa in Kohlewaggons, gefunden. Mitunter führt diese Reise jedoch zu entsetzlichen Unfällen. Einige Flüchtlinge wurden bereits von Zügen in Mazedonien getötet, weil sie auf den Bahngeleisen gingen. Die Züge fahren bereits sehr langsam, doch die Zugführer stehen unter Druck, nicht zu langsam zu fahren, weil dann die Flüchtlinge aufspringen.

Heuer kamen zehntausende Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Somalia und Eritrea über die Westbalkanroute. In Mazedonien und in Serbien wird ihnen oft verweigert, überhaupt einen Asylantrag zu stellen. 2014 wurde nur zehn Flüchtlingen in Mazedonien und einem in Serbien Asyl gewährt.

Die beiden Staaten, die noch ärmer und strukturschwacher sind als Griechenland, wollen die Flüchtlinge möglichst wieder loswerden. Weil sie nicht in der EU sind, haben sie wenig Zugang zu Hilfsfonds. Serbien hat zudem selbst noch viele Flüchtlinge aus Kriegszeiten. Seit vergangener Woche haben Serbien und sogar Ungarn Beamte an die mazedonische Grenze entsandt, um die Flüchtlinge zurückzuschicken. (Adelheid Wölfl, 7.7.2015)


Aus: "Flüchtlinge: Misshandlung und Gefahr auf der Balkanroute" Adelheid Wölfl (7. Juli 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000018664111/Fluechtlinge-Misshandlung-und-Gefahr-auf-der-Balkanroute (http://derstandard.at/2000018664111/Fluechtlinge-Misshandlung-und-Gefahr-auf-der-Balkanroute)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 11, 2015, 10:09:09 PM
17 Flüchtlingsleichen sind in Stoff- und Plastiksäcken in einer Kühlkammer des sizilianischen Krankenhauses "Ospedale e Muscatello Augusta" achtlos aufeinander gestapelt. Die zugeknoteten Stoffsäcke sind verschmiert. Die marode Kühlkammer ist undicht, auf der linken Seite leckt eine schwarze Flüssigkeit hinaus, die augenscheinlich von den Leichen stammt. ... (18 Jun 2015)
www.metronaut.de/2015/06/skandalbilder-so-lagert-europa-tote-mittelmeer-fluechtlinge/ (http://www.metronaut.de/2015/06/skandalbilder-so-lagert-europa-tote-mittelmeer-fluechtlinge/)

Quote[...] Anfang Juni reiste ein Mitarbeiter des Zentrums für politische Schönheit nach Sizilien. Der Student wollte Recherchen anstellen für die nächste Aktion der Künstler. Ein Bestatter führte ihn in die Leichenkammer des kommunalen Muscatello-Krankenhauses von Augusta, erzählt er. Der Mann wollte, dass er begreift, wie dramatisch die Lage an der Südflanke Europas ist.
Er sah dort einen Raum, in der Ecke ein kleiner Gebetsschrein, zwei Kerzen, zwei Blumenstöcke. Dahinter ein Kühlschrank, groß wie drei Telefonzellen, gefüllt mit den Leichen von 17 Afrikanern, eingewickelt in Leinentücher und Müllsäcke, aufeinander geworfen wie Schlachtabfälle. Ihr Blut ist an der Seite des Kühlschranks auf den Boden geflossen und zu einer großen, schwarzen Lache getrocknet.
Das Foto, das der Künstler davon gemacht hat, ähnelt einem Kippbild: Je nachdem, wie man darauf schaut, präsentiert es andere Einsichten.
Geht man nahe heran, scheint zwischen den Müllsäcken, dem Blut und den Schädelumrissen die Gewissheit auf, dass Tote mit weißer Hautfarbe in Europa niemals so behandelt würden.
Wenn man die Verantwortlichen damit konfrontiert, zeigt das Foto auch die Nachlässigkeit eines Staates, in dem viel improvisiert und wenig hinterfragt wird.
Und im Strom all der Bilder von Mittelmeer-Toten verweist es auf eine kleine Stadt, alleingelassen mit den Folgen der Abschottungspolitik. Es stellt ein Europa bloß, das die hässlichen Folgen seiner Verantwortungslosigkeit ignoriert. ...


Aus: "Flüchtlingstragödie an EU-Außengrenzen: Was wir sehen müssen" Christian Jakob (21.06.2015)
Quelle: www.taz.de/!5205181/]www.taz.de/!5205181/]www.taz.de/!5205181/ (http://www.taz.de/!5205181/)
Title: [Das ist die Konfliktlinie... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 17, 2015, 08:23:41 AM
Freital ist eine Große Kreisstadt in der Mitte des Freistaates Sachsen, etwa neun Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Dresden. Sie ist nach der Einwohnerzahl die größte Stadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und nach der Landeshauptstadt die zweitgrößte Stadt im Ballungsraum Dresden. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Freital (https://de.wikipedia.org/wiki/Freital)

Quote[...] In der War-auch-schon-da-Galerie des Kulturhauses Freital hängt ein Bild von Olaf Böhme, und der Montagabend gibt Anlass, sich mal wieder an dessen größten Erfolg zu erinnern. Der Kabarettist Böhme hat den "betrunkenen Sachsen" erfunden, eine vom Volk geliebte Bühnenfigur. Böhmes Sachse zählt zu jener Art Trinker, die mit jedem Pils sedierter werden, infantiler. Die peinlich sind, aber auch liebenswürdig. Es gibt noch eine zweite Art Trinker: pöbelnde Schaummünder, randalierend, nicht immer nur verbal. Sie haben am Montag ihren Auftritt, zu Dutzenden. ...

Sachsens nervöser Innenminister Markus Ulbig (CDU) ist gekommen, ein fähiger Moderator von der Landeszentrale für politische Bildung, entscheidende Leute von Polizei und Stadt. Ihnen sitzen gegenüber: Bürger Freitals, darunter die betrunkenen Sachsen. Zwei Stunden trifft Politik auf Wirklichkeit, hart und oft unfair. Es ist ein lauter, ein hässlicher, ein überhitzter Abend. ...

Das ist die Konfliktlinie, in Freital wie anderswo: Es gibt eine sehr laute Seite, die die Herausforderungen durch Zuwanderung gerne mit Spielregeln des Mittelalters in Angriff nehmen würde. Und es gibt eine leisere, konstruktive Seite, die den Ton mäßigen und sich in der Sache bemühen möchte. Viele haben sich auch in Freital noch nicht sichtbar entschieden, welcher der beiden Seiten sie angehören möchten. Wie fern sich beide Seiten inzwischen sind, zeigt sich auf verstörende Weise noch einmal am Ende des Abends. Nachdem Polizisten, Politiker, Verwalter sich zwei Stunden lang haben zubrüllen lassen, fragt der Moderator das Publikum, ob es Interesse an Folgeveranstaltungen gebe und ob die Herren vor der Bühne denn wiederkommen dürften, "denn das entscheiden Sie!" Nur zaghafter Applaus. ...


Aus: "Freital Auftritt der pöbelnden Schaummünder" Reportage von Cornelius Pollmer, Freital (7. Juli 2015)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/freital-ausdauernd-aufgeheizt-1.2554805 (http://www.sueddeutsche.de/politik/freital-ausdauernd-aufgeheizt-1.2554805)

Quote[...] Die Resonanz war überwältigend. Nachdem Freital nach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Bürgerversammlung am Montag vergangener Woche erneut bundesweit in den Schlagzeilen war, riefen mehr als 300.000 Menschen binnen einer Woche den Tumblr-Blog auf, weitere Verbreitung erfuhr das Projekt via Facebook und den Kurznachrichtendienst Twitter. Bis der Administrator der Seite selbst die Notbremse zog. Es hatte konkrete Drohungen gegeben, ihn zu enttarnen, dazu Nachrichten, die sehr detailliert Konsequenzen für ihn und seine Angehörigen ankündigten. Die Seite ging vom Netz. Auch viele Tweets wurden "in einer Kurzschlussreaktion" gelöscht, wie es rückblickend heißt. Die Begründung blieb zunächst knapp: "Drohungen wurden sehr konkret und Aufwand der Moderation auf Facebook zu hoch. Das ist es nicht wert..."

Seit Sonntag aber sind die "Perlen aus Freital" wieder da, gemanagt nun von anderen, wiederum anonymen Aktivisten, die nach eigenen Worten die "absolute Erfolgsgeschichte" fortschreiben wollen. Am Grundprinzip haben sie nichts verändert: Die Namen in den Posts und die jeweilige Quelle werden genannt, verpixelt werden lediglich die Gesichter. Im Blick haben die "Perlen aus Freital" dabei Anti-Asyl-Seiten aus Sachsen, die Namen tragen wie "Freital wehrt sich - Nein zum Hotelheim", "Frigida" oder "Bürgerwehr FTL/360". Oft sind sie aus Freital, inzwischen werden aber auch Posts aus anderen Städten und Gemeinden veröffentlicht. Fortgeschrieben wird damit die Aktivität von anderen Flüchtlingsaktivisten wie "Freital.Watch", die auf ihrer Facebook-Seite schon seit Wochen rassistische Posts dokumentiert haben.

...


Aus: "Morddrohung gegen Flüchtlingsaktivisten" Matthias Meisner (14.07.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/blog-perlen-aus-freital-morddrohung-gegen-fluechtlingsaktivisten/12048210.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/blog-perlen-aus-freital-morddrohung-gegen-fluechtlingsaktivisten/12048210.html)

http://perlen-aus-freital.tumblr.com/ (http://perlen-aus-freital.tumblr.com/)

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Quote[...] Freital ist ein Ort, den ich mit meiner Kindheit verbinde. Ich bin nur 30 Kilometer entfernt geboren. In den Wäldern um Freital sammelten wir Pilze und Heidelbeeren. Es sind angenehme Erinnerungen.

Unangenehm berührt bin ich, wenn ich heute von Freital höre. Nicht von dem Ort als solchen, der kann ja nichts für seine Bewohner. Aber wenn bestimmte Menschen aus Freital und Umgebung vor der Kamera ihre Meinung zu Flüchtlingen kundtun, überkommt mich eine stille Wut.

Sächsisch ist ein Idiom, das so vertraut klingt in meinen Ohren. Meine Großeltern haben so gesprochen, meine noch immer in Sachsen lebende Verwandtschaft spricht so, auch meine Eltern konnten es in Baden-Württemberg nicht ablegen, wo sie seit über 30 Jahren wohnen.

Wenn sie etwas sagen, hörte und höre ich gerne zu. Es klingt vertraut und gutmütig. Wenn die interviewten Sachsen im Fernsehen den Mund aufmachen, fängt man an, diesen Dialekt zu verteufeln. "Solche Schmarotzer", pöbelte eine Frau, die in einem Drei-Minuten-Clip des NDR-Fernsehens zu Wort kommt. "Das sind welche, die sich hier ausruhen. Die machen hier Urlaub", sagte eine andere. "Ich weiß nicht, was für Terroristen mit hier rüberkommen", faselte ein Mann. Diese Menschen diskreditieren mit ihren Aussagen, mit ihrem Weltbild, mit ihrem Hass einen gesamten Landstrich. Sie diskreditieren vor allem ihre Mitmenschen, die nicht so denken.

Was geht in den Flüchtlingsheim-Gegnern vor, die in Wahrheit Rassisten erster Güte sind? Offenbar beziehen sie ihre Informationen lediglich aus dem Musikantenstadl, fahren in den Urlaub maximal an den Wolfgangsee und zimmern sich ihre Wirklichkeit nicht aus dem, was ist, sondern aus dem, was in ihrer klitzekleinen Welt Platz hat. Also höchstens Bratwurst, Bier und "Bauer sucht Frau".

Sie interessieren sich nicht für das, was außerhalb Freitals stattfindet - und selbst wenn, haben sie ganz offensichtlich nicht den Intellekt, zu verarbeiten, was um sie herum passiert. Immer wieder wird behauptet, das liege an ihrer DDR-Sozialisation. Wenn man keine anderen Einflüsse kannte, kann man auch nicht mit ihnen umgehen, so das Argument. Früher gehörte es dazu, über "die da oben" im Politbüro zu motzen, heute sind eben andere "da oben", gegen die man stänkern muss. Stänkern ist das Lebenselixier.

Doch in den letzten 25 Jahren wäre genügend Zeit und Gelegenheit gewesen, sich für die Welt zu interessieren. Es war Platz dafür, Informationen aufzunehmen, abzuwägen, zu differenzieren. Viele haben das genutzt - es gibt sie ja, die Engagierten, die Künstler, die Weltoffenen. Doch die protestierenden Leute aus Freital und anderswo sind einfach stehen geblieben - ja haben sich offenbar zurückentwickelt. Sie prägen nun das gängige Bild vom tumben Sachsen. Sie wirken wie Erwachsene, die plötzlich wieder zum Kind werden und Messer und Gabel nicht voneinander unterscheiden kann. Kinder dürfen das, sie sind friedlich und keine Choleriker mit Minderwertigkeitskomplexen.

Die Wende, die Wiedervereinigung, die Freiheit - man wünschte, den Hetzern von Pegida und aus Freital wäre dieses Privileg nie zuteilgeworden. In den letzten Jahren habe ich die Ostler immer wieder gegen Lästereien und Kritik verteidigt. Habe versucht, zu argumentieren, es seien nicht alle so, es gebe so viele Fortschritte und viel Positives.

Ich höre jetzt auf damit. Ich schäme mich nur noch.


Aus: "Proteste gegen Flüchtlinge in Freital: Ich schäme mich" Ein Kommentar von Janko Tietz (17.07.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-hass-gegen-fluechtlinge-in-freital-kommentar-a-1044057.html (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-hass-gegen-fluechtlinge-in-freital-kommentar-a-1044057.html)

Title: [Bereits am Freitagmittag hatte... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 27, 2015, 11:22:52 AM
Quote[...] Bei einer NPD-Demonstration gegen Asylbewerber in Dresden ist es zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Verletzten gekommen. Rechtsextreme griffen am Freitagabend Gegendemonstranten an. Knallkörper explodierten, es flogen Wurfgeschosse. Drei Menschen wurden verletzt, darunter eine junge Frau, die stark blutend von Sanitätern versorgt werden musste.

Bereits am Freitagmittag hatte der NPD-Kreisverband Dresden zu der Demo gegen ein Notaufnahmelager aufgerufen. Das Pegida-Bündnis um Lutz Bachmann appellierte an seine Anhänger via Facebook, der NPD-Kundgebung fernzubleiben.

Etwa 200 Asylgegner aus dem rechten Lager standen 350 Asylbefürwortern gegenüber. Die Gegendemonstration wurde vom Linken-Politiker Mirko Schultze angemeldet. Er und seine Mitstreiter wollten nach Angaben der "Sächsischen Zeitung" die Flüchtlinge willkommen heißen. Sie sprachen von einer "gewollten Provokation" der NPD. Zwischenzeitlich rannten beide Lager aufeinander zu. Polizisten gingen dazwischen.

In der sächsischen Landeshauptstadt wurden am Abend etwa 500 Flüchtlinge aus Syrien erwartet. Insgesamt sollen an diesem Wochenende 800 Asylbewerber kommen, wie die Landesdirektion Sachsen am Nachmittag bekannt gab. Um sie unterbringen zu können, wurde eine Zeltstadt auf einem ungenutzten Industriegelände in der Dresdner Friedrichstadt mit einer Kapazität für bis zu 1100 Asylsuchende errichtet. Binnen 24 Stunden waren die Zelte aufgebaut.

Betreiber des Lagers ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Nach den Worten von DRK-Chef Rüdiger Unger waren Mitarbeiter der Hilfsorganisation schon am Donnerstagabend von Schaulustigen daran gehindert worden, Vorbereitungen für das Lager zu treffen. In einem Fall sei jemand sogar mit einem Auto auf einen DRK-Helfer zugefahren. "Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagte Unger. Allen müsse klar sein, dass man hier humanitäre Nothilfe leiste.

Sachsens Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) zeigte sich beschämt über die Vorfälle. Auch Mitarbeiter des Innenministeriums seien attackiert worden, als sie Informationsmaterial in die Briefkästen des Viertels warfen: "So etwas ist einfach nicht hinnehmbar." Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks hätten aus Angst vor Steinewerfern Helme mitgebracht.

Um die Sicherheit der Flüchtlinge zu garantieren, will das Innenministerium mehrere Züge der Polizei und der Bereitschaftspolizei in die Friedrichstadt verlegen. "Polizei wird vor Ort sein. Das ist klar. Denn wir rechnen mit Demonstranten." Wilhelm richtete einen eindringlichen Appell an die Asylgegner: "Lasst die Leute in Ruhe, die haben so viel durchgemacht."

Innenstaatssekretär Wilhelm sprach zugleich von einer enormen Hilfsbereitschaft, die zu spüren gewesen sei. Viele hätten Spielzeug und Geld spenden oder bei der Betreuung der Asylsuchenden helfen wollen. Dies seien ermutigende Zeichen.


Aus: "Krawalle bei NPD-Demonstration: Dresdner Rechtsextreme attackieren Asylbefürworter" (24.07.2015)
Quelle: www.spiegel.de/politik/deutschland/dresden-ausschreitungen-bei-npd-demonstration-a-1045307.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/dresden-ausschreitungen-bei-npd-demonstration-a-1045307.html)

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/dresden-fluechtlinge-zeltstadt-demonstration (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/dresden-fluechtlinge-zeltstadt-demonstration)

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/troeglitz-anschlag-kein-einzelfall-uebersicht (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/troeglitz-anschlag-kein-einzelfall-uebersicht)

http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-01/fluechtlinge-rassismus-angriffe-sachsen (http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-01/fluechtlinge-rassismus-angriffe-sachsen)

Title: [Nach Angaben... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 27, 2015, 03:00:57 PM
Quote[...] Bei einem mutmaßlichen Sprengstoffanschlag ist das Auto eines Kommunalpolitikers der Linken in Freital in Sachsen beschädigt worden. "Es hat eine Explosion gegeben, dabei wurde ein parkendes Fahrzeug beschädigt", sagte eine Polizeisprecherin. Es werde wegen des Verdachts eines Anschlags ermittelt. Verletzt wurde niemand.

Nach Angaben seiner Partei wurde der Politiker Michael Richter gegen 0.45 Uhr von einem Knall vor seinem Haus geweckt und entdeckte eine Rauchwolke über seinem geparkten Wagen. Richter ist Fraktionsvorsitzender im Stadtrat in Freital. Die Polizei bestätigte, die Explosion im Inneren eines Autos, das Fahrzeug sei stark beschädigt worden. Auch ein nebenstehender Wagen wurde demnach in Mitleidenschaft gezogen. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen aufgenommen und das Auto sichergestellt.

Der Politiker hatte seinen Wagen vor dem Haus geparkt. Laut Polizei wurden Verglasung und Karosserie stark beschädigt. Wie ein Sprecher der Geschäftsstelle der Linken berichtete, werde bereits seit Wochen gegen Richter gehetzt, der sich in Freital für Flüchtlinge einsetzt. Auch Drohungen habe es schon gegeben. "Das lässt einen rechtsextremen Hintergrund vermuten", hieß es.

Nach Angaben der Linken hatte sich Richter neben seinem lokalpolitischen Engagement als Stadtrat und örtlicher Fraktionschef seiner Partei auch an der Organisation von Veranstaltungen der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beteiligt. Schon als Kandidat für die Bürgermeisterwahl in Freital früher in diesem Jahr sei Richter zum "Ziel einschlägiger Drohungen" geworden, teilte die Partei mit.

Der Linke-Fraktionschef im Landtag, Rico Gebhardt, sprach ebenfalls von einer politisch motivierten Gewalttat. Die Polizei teilte mit, dass in alle Richtungen wegen "Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" ermittelt werde.

In der sächsischen Kleinstadt machen Rechtsextreme und selbsternannte Bürgerwehren in aggressiver Weise seit Monaten Stimmung gegen eine Asylbewerberunterkunft und Flüchtlinge. Es gab bereits Angriffe auf Demonstranten, die sich für die Flüchtlinge einsetzten, während einer Bürgerversammlung kam es zu handgreiflichen Tumulten. Das Rassismusproblem in Sachsen sei längst zu einem Sicherheitsproblem geworden, sagte Gebhardt.

Auf ihrer Facebook-Seite verurteilte die Linke der Region Freital "diese hinterhältige Tat". Landesgeschäftsführerin Antje Feiks sprach von zunehmenden rechten Gewalttaten gegen Andersdenkende und Asylsuchende. "Eine solche Welle des Rassismus und der Menschenfeindlichkeit hat man bisher mit Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda in den 90ern assoziiert." Der unverblümte Hass sei zurück auf der Straße und kenne offenbar keine Hemmschwelle mehr.

Auch anderswo in Deutschland hat es in den vergangenen Monaten mehrfach Brandanschläge und andere Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Wiederholt wurden außerdem örtliche Amtsträger und Politiker von Rechtsextremen angefeindet und bedroht.


Aus: "Freital: Auto von Linken-Stadtrat explodiert" (27. Juli 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/achsen-sprengstoff-anschlag-auto-michael-richter (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/achsen-sprengstoff-anschlag-auto-michael-richter)

Title: [Auf der griechischen Insel Kos... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 11, 2015, 05:27:44 PM
 Kos ist nach Rhodos und Karpathos die drittgrößte Dodekanes-Insel. Im Jahr 2011 hatte die Insel 33.388 Einwohner. Hauptort ist die gleichnamige, über 19.000 Einwohner zählende Stadt Kos, die das touristische und kulturelle Zentrum der Insel bildet. ... (08/2015)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kos

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Quote[...] Auf der griechischen Insel Kos ist es zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und der Polizei gekommen. Mehrere Polizisten setzten Schlagstöcke gegen Migranten ein, während andere Polizisten versuchten, die Menge mit einem Feuerlöscher am Verlassen eines Fußballstadions zu hindern.

Nach Angaben der Polizei kam es zu den Ausschreitungen, nachdem einige Flüchtlinge bei der Registrierung in dem Stadion eine Beschleunigung des Vorgangs gefordert hatten. Daraufhin sei es zu Schiebereien gekommen, die nach einer Reaktion der Polizei in Ausschreitungen mündeten. In dem Stadion sind derzeit bis zu 1.500 Flüchtlinge untergebracht. Zuvor hatten zahlreiche Migranten im Stadion einen Sitzstreik begonnen und die Behörden lautstark aufgefordert, sie mit Nahrung zu versorgen.

Kos ist eines der Zentren der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Täglich kommen Hunderte Menschen von der nur wenige Seemeilen entfernten türkischen Küste auf der Insel an. Hilfsorganisationen, der Staat und die Bevölkerung sind von der Situation überfordert. Ähnlich ist die Situation auf zahlreichen anderen Inseln im Osten der Ägäis.

Der Bürgermeister der Hauptstadt, Giorgos Kiritsis, brachte seine Verzweiflung in einem am Dienstag in griechischen Medien veröffentlichten Brief an die Regierung in Athen zum Ausdruck. "Die Gefahr eines Blutvergießens ist real", schreibt Kyritsis. Die Situation sei außer Kontrolle. Zuletzt seien mehr als 7.000 Flüchtlinge auf Kos angekommen. Man könne mit dem Problem nicht mehr alleine fertig werden.

"Für die Flüchtlinge ist die Unterbringung auf Kos gerade die Hölle auf Erden", sagte auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), die sich derzeit auf Kos ein Bild von der Lage macht. "Hier herrscht Chaos. Und die Spannungen werden immer größer." In dem Stadion, das als zentrale Auffangstelle dient, sei es barbarisch heiß. Es gebe nur zwei Toiletten für Hunderte Flüchtlinge. "Das ist unmenschlich. Ich habe so etwas noch nie gesehen", sagte Roth.

Roth beklagte, dass es für die Flüchtlinge auf Kos keine ausreichende Versorgung gebe. "Es fehlt an allem", sagte Roth. Den Flüchtlingen werde praktisch die Erste Hilfe verweigert. Die Menschen bräuchten dringend Essen, Kleidung, Unterkünfte und medizinische Versorgung. Zwar seien verschiedene Behörden involviert, die Verantwortung aber werde hin- und hergeschoben, während die Hilfsorganisationen und ehrenamtlichen Helfer allmählich am Ende ihrer Kräfte seien.

Roth appellierte an die Regierung in Athen, sich endlich um eine Versorgung der Schutz suchenden Menschen zu kümmern. "Die Tragik ist, dass zwei Krisen zusammenkommen", sagte die Grünen-Politikerin. Die griechische Regierung müsse aber trotz der Finanzkrise dringend handeln. Auch Europa müsse helfen.


Aus: "Griechenland: Zusammenstöße auf Kos zwischen Polizei und Flüchtlingen" (11. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/fluechtlinge-insel-kos-claudia-roth (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/fluechtlinge-insel-kos-claudia-roth)
Title: [Vor einer Woche hatte es... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 11, 2015, 05:35:19 PM
Quote[...] Die Liste wird wohl immer länger: Vor Wochen hat es Brandanschläge gegen vor der Fertigstellung stehende Asylunterkünfte unter anderem im sachsen-anhaltischen Tröglitz und im sächsischen Meißen gegeben. In der Nacht zum Dienstag brannte es nun in einem Haus in Haldensleben, in dem laut MDR Sachsen-Anhalt viele Deutsche, aber auch dezentral untergebrachte Asylbewerber leben. 30 Menschen, darunter auch Kinder, wurden von Balkonen gerettet. Qualm und Flammen breiteten sich im Hausflur aus. Keiner der Anwohner wurde nach Informationen des Senders verletzt. Die Löscharbeiten waren gegen 6:45 Uhr beendet.

Der Wehrleiter der Feuerwehr Haldensleben, Frank Juhl, sagte MDR Sachsen-Anhalt, man könne Brandstiftung nicht ausschließen. In dem Keller habe Müll gebrannt, davor sei ein Sofa platziert gewesen. Schon vor zehn Jahren habe es in dem Stadtteil immer wieder Brände gegeben. Die Polizei habe aber keine Täter ermitteln können, sagte Juhl.

Die Polizei teilte mit, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob es sich um Brandstiftung handelt. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Bislang gebe es keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Vermutlich seien unter den Bewohnern Menschen ausländischer Herkunft oder so genannte Russlanddeutsche, ergänzte ein Polizeisprecher im Laufe des Vormittags. Es handele sich aber nicht um eine Gemeinschaftsunterkunft.

Vor einer Woche hatte es in dem Neubaublock schon einmal gebrannt, auch damals war wegen Brandstiftung ermittelt worden. Ob es einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen gibt, ist noch nicht klar.

Im brandenburgischen Königs Wusterhausen brannte in der Nacht eine Sportgaststätte in kurzer Distanz zu einem Gebäude, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird. Die Polizei schloss zunächst aus, dass es sich um einen Anschlag auf das geplante Asylheim gehandelt haben könnte. "Mutmaßliche Täter würden das eine nicht mit dem anderen verwechseln", sagte ein Sprecher der Polizei.

Auch die Sprecherin des Landkreises Dahme-Spreewald, Heidrun Schaaf, sagte dem Tagesspiegel, das Gebäude mit der Sportgaststätte werde nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt. Es sei 50 mit 70 Meter von dem Haus entfernt, in dem Asylsuchende unterkommen sollten. Der Journalist Sören Kohlhuber berichtete im Widerspruch dazu unter Berufung auf Ortskundige, das ausgebrannte Objekt sei als Küche für die Flüchtlinge geplant gewesen, auch 30 Betten hätten dort Platz finden sollen. Der Landkreis bleibt dabei, dass die Unterkunft wie geplant am 1. September bezogen werden kann.

Der Tagesspiegel-Reporter Claus Steyer berichtete von vor Ort, dass es sich bei dem auf die Grundmauern niedergebrannten Gebäude um eine Sportgaststätte mit Kegelbahn handele. Dort seien keine intakte Stromleitungen mehr vorhanden, weswegen die Polizei einen technischen Defekt ausschließt. Zahlreiche leere Flaschen deuteten daraufhin, dass es sich bei dem ehemaligen Gelände, auf dem sich die ausgebrannte Kegelbahn und die zukünftige Unterkunft befinden, um einen beliebten Party-Treffpunkt handele. Früher sei im seit Jahren stillgelegten Sportzentrum Uckley unter anderem der BFC Dynamo im Trainingslager gewesen.

Das ehemalige Internatsgebäude, das derzeit für den Einzug von Flüchtlingen vorbereitet wird, sei frei zugänglich. Das gesamte Gelände ist sehr abgelegen, was die Ermittlungen der Polizei erschwere.

In dieser extrem aufgeheizten Stimmung besuchte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittag eine Registrierstelle für Flüchtlinge im bayerischen Deggendorf. Hier werden vor allem Asylbewerber registriert, die an der Grenze zu Österreich auf der Balkanroute aufgegriffen werden. Er sagte dort, dass in diesem Jahr in Deutschland deutlich mehr Flüchtlinge als die zuletzt prognostizierten 450.000 erwartet werden. Die Bevölkerung müsse sich darauf einstellen, dass die neue Prognose "erheblich höher als bisher geschätzt" ausfallen werde. Die Zahlen forderten heraus, aber "wir bekommen das hin".

In Deggendorf werden seit Anfang August jeden Tag rund 250 Flüchtlinge registriert, bevor sie auf Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt werden. Dafür sind täglich 300 Beamte in zwei Schichten im Einsatz. Derzeit
werden nach Angaben der Bundespolizei am Tag an die 500 Asylbewerber rund um Passau aufgegriffen, die meist über die Balkanroute nach Deutschland geschleust werden. (mit dpa/epd/KNA)


Aus: "Haldensleben und Königs Wusterhausen: In Deutschland brennen Flüchtlingsunterkünfte"
Matthias Meisner und Martin Pfaffenzeller (11.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/haldensleben-und-koenigs-wusterhausen-in-deutschland-brennen-fluechtlingsunterkuenfte/12172006.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/haldensleben-und-koenigs-wusterhausen-in-deutschland-brennen-fluechtlingsunterkuenfte/12172006.html)

Title: [Ich hätte nicht gedacht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 12, 2015, 12:22:39 PM
QuoteZwei Mediziner sind entsetzt über die Zustände, die sie in der Dresdner Zeltstadt vorgefunden haben. In dem Flüchtlingscamp spiele sich eine humanitäre Katastrophe ab. Interview: Anant Agarwala, Dresden

ZEIT ONLINE: Herr Loewenbrück, Herr Ehniger, Sie haben als Ärzte freiwillig im Flüchtlingscamp in Dresden gearbeitet. Wie sieht es da aus?

Kai Loewenbrück: Ich hätte nicht gedacht, dass Zustände wie in der Zeltstadt in einem Land wie Deutschland möglich wären. Medizinische und hygienische Mindeststandards werden nicht eingehalten. In einer Stadt wie Dresden, mit einer hervorragenden medizinischen Infrastruktur. Ich habe schon als Medizinstudent in Townships in Südafrika gearbeitet: selbst unter den dortigen Bedingungen wurde mehr dafür getan, den Menschen zu helfen.

ZEIT ONLINE: Wie sieht es im Camp konkret aus, was sind die Probleme?

Gerhard Ehninger: Bei der Unterbringung wurden nicht einmal die Mindeststandards der WHO für Flüchtlingscamps eingehalten, an die man sich normalerweise selbst im Krieg halten müsste. Im Ambulanzcontainer herrscht eine Temperatur von 35 Grad. Medikamente können nicht vernünftig gelagert werden, teils stammt das Material aus im Jahr 2007 abgelaufenen Verbandskästen. Es gibt keine Möglichkeit, Männer und Frauen getrennt voneinander zu untersuchen. Das führt dazu, dass man viele Insassen – denn so muss man die Flüchtlinge angesichts ihrer Unterbringung bezeichnen – gar nicht untersuchen kann. Es gibt zu wenige Toiletten, zunächst waren diese sogar ohne fließend Wasser. Die hygienischen Bedingungen sind sehr schlecht. So konnten sich virale Durchfallerkrankungen und die Krätze ausbreiten. Es fehlte an einfachsten Utensilien: Untersuchungsliegen, Blutdruckmessgeräten, Stethoskopen und sogar an Desinfektionsmitteln.

Loewenbrück: Und man muss dazu sagen, dass das meiste, was da ist, von den freiwilligen Ärzten aus ihren Krankenhäusern mitgebracht wurde. Im Camp wird unser Grundgesetz nicht eingehalten: das Menschenrecht auf Gesundheit. Das Recht auf Privatsphäre. Die Würde des Menschen. Auch das Kindeswohl ist im Camp aus ärztlicher Sicht in Gefahr. Man muss es so deutlich sagen: es geht um das Leben von Menschen. Viele Flüchtlinge sind erst im Camp krank geworden. Dort spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab, während ein paar hundert Meter weiter die Leute am Elbufer liegen.

ZEIT ONLINE: Glaubt man Staatssekretärin Andrea Fischer, ist die Lage vor Ort im Griff.

Ehninger:  Staatssekretärin Fischer vermittelt den Eindruck, alles sei in Ordnung und die Ehrenamtlichen würden es schon richten. Das entspricht aber nicht dem Informationsstand, den sie zum Zeitpunkt ihrer Aussagen in Wirklichkeit hatte: dass es sich um einen medizinischen Notstand handelt. Deshalb versucht man auch, den Ärzten den Kontakt mit der Presse zu untersagen. Wer aus Sorge um die Menschen über das Camp spricht, wird rausgeworfen. Das droht nun vermutlich auch uns.

ZEIT ONLINE: Was sind das für Leute, die sich um die medizinische Versorgung kümmern?

Loewenbrück: Vor allem junge und unerfahrene Kollegen, manche mit zwei Monaten Berufserfahrung, die selbst in einem bestens ausgestatteten Krankenhaus die Hilfe von Oberärzten brauchen. Das sind die, die dort freiwillig nach ihren Schichten im Krankenhaus noch arbeiten. Und die Ehrenamtlichen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), die zwölf Stunden und mehr in einer Affenhitze schuften.

ZEIT ONLINE: Wer ist schuld an der Situation?

Loewenbrück: Es geht nicht darum, die Leute vor Ort zu kritisieren. Die Mitarbeiter des DRK und aus den Kliniken versuchen alles, um den Menschen zu helfen. Aber die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen sorgen nicht für gesetzlich geregelte Mindeststandards, die für alle Menschen in Deutschland gelten.

Ehninger: Die Landesdirektion Sachsen versagt. Ob aus Unfähigkeit oder Absicht. Geflüchtete leben in engen Zelten bei 35 Grad, werden sanitär nicht ausreichend versorgt und bekommen teilweise zu wenig Essen. Es treibt einem die Tränen in die Augen. Es kann nicht alles durch Ehrenamtliche aufgefangen werden wie bisher.

ZEIT ONLINE: Welche Rolle spielt Ministerpräsident Stanislaw Tillich?

Loewenbrück: Es ist unerträglich: Am selben Abend, an dem sich engagierte Mediziner, Professoren, die Leiter vom DRK und anderen Institutionen zu einer Krisensitzung treffen, um über Sofortmaßnahmen zur Verbesserung zu sprechen, gibt Tillich eine Erklärung heraus, Abschiebecamps eröffnen zu wollen. Es ist beschämend. Er sollte vielleicht erst mal dafür sorgen, internationale Mindeststandards einzuhalten.

ZEIT ONLINE: Was erwarten Sie von der Politik?

Ehninger: Endlich eine Abstimmung zwischen den verschiedenen Verantwortlichen. Dresden hat leerstehende, voll funktionsfähige Arztpraxen. Sogar eine nicht ganztags belegte Ambulanz der kassenärztlichen Vereinigung. All das könnte die medizinische Versorgung der Flüchtlinge sofort verbessern. Das wurde den zuständigen Behörden und Ministerien schon längst mitgeteilt, aber es ist nichts passiert.

ZEIT ONLINE: Was macht Ihnen Hoffnung?

Loewenbrück: Das Engagement so vieler Leute in der Stadt. Die vielen Freiwilligen. Wir senden ein Signal: Dresden und Sachsen stehen bereit, gesamtgesellschaftliche Probleme mit anzupacken. Die Politik muss endlich nachziehen.


Aus: "Zeltstadt Dresden: "Im Camp wird unser Grundgesetz nicht eingehalten"" (6. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/dresden-zeltstadt-fluechtlinge-medizinische-versorgung/ (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/dresden-zeltstadt-fluechtlinge-medizinische-versorgung/)

Title: [Mitten in der Nacht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 20, 2015, 10:39:44 AM
Quote[...] Mitten in der Nacht kamen die Angreifer. Sie brachen ins Erdgeschoss einer Villa in Niederstedem ein. Dort wohnten vier Ägypter, die aber glücklicherweise nicht zu Hause waren – denn die Täter legten Feuer. Eine Funkstreife bemerkte die Flammen um halb zwei. Die Möbel im Erdgeschoss verbrannten, das Haus wurde beschädigt.

Die Polizei ist sich inzwischen sicher: Es war Brandstiftung. Jemand hatte versucht, das Haus in dem rheinland-pfälzischen Ort Niederstedem niederzubrennen. Junge Männer lebten dort, und das Feuer wurde mit großer Wahrscheinlichkeit gelegt, weil diese Männer Flüchtlinge waren.

Niederstedem ist alles andere als ein Einzelfall. In diesem Jahr brennt es in ganz Deutschland: im sächsischen Tröglitz und in Meißen, in Königs Wusterhausen in Brandenburg, aber auch in Waldaschaff, Reichertshofen, Vorra und Eichstätt, allesamt in Bayern gelegen, auch in Remchingen in Baden-Württemberg und in Lübeck an der Ostsee zündeten Fremdenfeinde Häuser an, die Asylbewerbern Zuflucht geben sollten.

Flüchtlinge werden in Deutschland, so sieht es aus, nicht mit offenen Armen, sondern mit Flammen empfangen. Ist das überall so? Ist es immer so? Nein, es gibt Beispiele, die zeigen, dass da auch hilfsbereite Bürger sind, die Fremde willkommen heißen. Das Tauziehen zwischen den Zündlern und den Zivilisierten hat begonnen.

Die Retter sind nur nicht so gut sichtbar wie die Schreihälse. Um die helfenden Hände zu finden, muss man sich auf den Weg machen: nach Kamen in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, an den Stadtrand Berlins oder ins bayrische Gersthofen. Dort finden sich Sozialarbeiter, Bürgermeister und engagierte Menschen, die nicht länger abwarten, sondern etwas tun.

Zum Beispiel Max Engels und Michel Wegmann aus Kamen. Die beiden Sozialarbeiter wohnen in einem verwinkelten Haus am Rande der Innenstadt. ,,Viva la evolución" steht unter einem affenköpfigen Che Guevara auf Wegmanns Shirt. Die beiden sehen sich als ,,verkappte Idealisten". Ihre Haltung ist klar: Seit den 1980ern würden Menschen in riesige Heime gepfercht – um abzuschrecken. Für sie Ergebnis von 30 Jahren gewollt-verfehlter Asylpolitik. Aber beide engagieren sich – in vier dezentralen Asylunterkünften in Kamen. Die Wohnungen sind in der 44.000-Einwohner-Stadt verteilt. In diesen kommunalen Wohnungen helfen ausschließlich Ehrenamtliche. Max Engels und Michel Wegmann besuchen mehrmals in der Woche Flüchtlingsfamilien. Sie setzen sich mit ihnen an einen Tisch und reden. Sie helfen bei Anträgen für Sozialamt, Jobcenter und Konsulat. ,,Viele Hausbewohner freuen sich schon, wenn man ihren Namen noch weiß", sagt Engels.

Aber der Platz reicht längst nicht. Auch in Kamen gibt es seit ein paar Tagen eine neue Unterkunft. Wie überall in der Republik sprießen Container, Zeltlager und Erstaufnahmestellen aus dem Boden. Kanzlerin Angela Merkel bereitet das Land auf 750.000 Flüchtlinge im Jahr 2015 vor. Im Normalmodus sei das nicht zu bewältigen. In NRW zum Beispiel kommen 1.000 neue Flüchtlinge an – täglich. Die großen Heime sind restlos überfüllt.

Das alte Schild am Eingang der neuen Sammelunterkunft hat noch niemand abgenommen. ,,Polizeiautobahnstation Kamen" steht auf der weißen Holzplatte. Ein schwerer Eisenzaun umfasst das Gelände. Jenseits des Zauns reihen sich üppig begrünte Einfamilienhäuser aneinander. Eine angrenzende Kleingartenanlage trägt den verheißungsvollen Namen ,,Schöner Fleck". Letzte Woche sind die ersten Flüchtlinge in die alte Polizeikaserne eingezogen. Das Heim ist eine Auffangstation, es soll Entlastung für die vollkommen überlaufenen Erstaufnahmeeinrichtungen in Dortmund und Unna-Massen bringen. Unweit des Kamener Kreuzes, wo sich A1 und A2 kreuzen, treffen nun Flüchtlinge, Anwohner und Helfer aufeinander. Trotz Zaun und Kasernierung versucht das Rote Kreuz die Unterbringung angenehm zu gestalten. Täglich wird ein Flohmarkt veranstaltet, auf dem sich die Asylsuchenden mit Kleidung und Alltagsgegenständen eindecken können. Familien werden vorzugsweise zusammen untergebracht, auch wenn dafür mal ein Bett frei bleiben muss.

Aber auch die andere Seite macht mobil. Seit einigen Wochen schieben sich immer wieder Neonazis in borussiagelben T-Shirts durch die U-Bahnen, Aufschrift: ,,Die Rechte – Stadtschutz Dortmund". Anfang Februar zogen sie mit Fackeln vor das Asylbewerberheim in Eving. In der Bezirksregierung spricht man von ,,Einzelfällen". Verglichen mit den Übergriffen von Wutbürgern betont der Sprecher aber die ,,Welle der Hilfsbereitschaft".

Die Arnsberger Bezirksregierung setzt auf erfahrene Institutionen wie das Rote Kreuz, die Johanniter oder das Kolpingwerk. Diese Hilfsorganisationen sind so etwas wie die vororganisierte Zivilgesellschaft. Sie übernehmen für den Staat die Verwaltung größerer Einrichtungen. Sie seien ,,bestens strukturiert", sagt der Sprecher der Regierung erleichtert. Längst aber tun sich auch die empathischen Teile der Gesellschaft von sich aus zusammen.

Ortswechsel von Nordrhein-Westfalen nach Bayrisch-Schwaben, nach Gersthofen. Herwig Puschner trifft beim Einkaufen einen Schützling, einen jungen Mann aus Eritrea. ,,Kommst du nach den Ferien wieder zum Deutschkurs?", will der pensionierte Lehrer Puschner wissen. ,,Ja, klar", gibt der Junge zurück. ,,Wie sieht's mit Arbeit aus?" – ,,Schlecht, ich habe noch keine gefunden."

Immerhin, in Gersthofen gibt es für Flüchtlinge immer wieder Ein-Euro-Jobs. Im Bauhof etwa. Der parteilose Bürgermeister Gersthofens heißt Michael Wörle, er findet solche Jobs wichtig. ,,Das sind einfache Aufgaben", sagt Wörle, ,,für die man nicht viele Worte braucht, bei denen man aber lernt, wie ein Arbeitstag in Deutschland abläuft, was in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten wichtig ist."

Die 22.000-Einwohner-Stadt Gersthofen ist eine der bayrischen Boomtowns. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Der Stadtrat taxiert die Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr auf 18 Millionen Euro. Vor einigen Jahren kam die Kommune bundesweit in den Schlagzeilen. Aus ihrem Haushaltsüberschuss hatte sie 100 Mark an jeden Bürger zurückbezahlt. Heute wird das Geld anders eingesetzt – für Flüchtlinge. Die Kommune zahlt die Lehrbücher, mit denen ehrenamtliche Helfer den Asylsuchenden Deutsch beibringen.

Auf die anderen Gemeinden im Landkreis ist Wörle nicht gut zu sprechen. Um die Erstunterbringung der Geflüchteten hätten sich die meisten viel zu spät gekümmert. Flüchtlinge müssen dort auf Matratzen in der Schulturnhalle übersommern. Michael Wörle denkt an die Zukunft. ,,Diejenigen, die sich langfristig hier niederlassen können, werden Wohnraum brauchen." Bis Jahresende wird sich in Gersthofen die Zahl der Flüchtlinge von 100 auf 200 verdoppelt haben, mindestens.

Die Hälfte derer, die schon da sind, leben über die Kleinstadt verteilt in Wohnungen. Die anderen 50 wurden in einer Unterkunft am Rande des weitläufigen Gewerbegebiets untergebracht. Treten sie vor die Tür, dann haben sie den Grund für Gersthofens Reichtum direkt vor Augen. Ein Unternehmen reiht sich an das nächste, der Parkplatz vor dem riesigen Supermarkt gegenüber ist am Wochenende brechend voll. Noch größer als der Supermarkt ist die Ikea-Filiale gleich um die Ecke, direkt dahinter beginnt Bayerns drittgrößte Stadt, Augsburg.

Die Gegend hier regieren schmucklose Gebäude und viel Teer. Aber dieser Tage blitzt hinter dem grauen Zaun ein ganz neues Fertighaus in der Sonne. Ein Holzhaus, das gar nicht wie eine Notunterkunft für Asylbewerber anmutet. Aber genau das ist es: das neue Haus für Flüchtlinge. Sieht aus wie ein schickes teures Fertighaus. Aufgestellt hat es eine Stiftung, vier weitere werden folgen, um Flüchtlinge unterzubringen. Die Stiftung vermietet die Häuser für zehn Jahre an den zuständigen Landkreis, der händeringend nach Asylunterkünften sucht. So erwirtschaftet sie in Zeiten von Niedrigzinsen Erträge – und kann damit ihren eigentlichen Stiftungszweck erfüllen, die Unterstützung erwachsener Menschen mit Behinderung. Das ist zwar kein Altruismus, sondern philantropischer Pragmatismus. Aber dass am sinnvollsten ist, was allen hilft, ist gerade in Bayern eine weithin akzeptierte Devise.

Die Meinung, dass Flüchtlinge eher schaden als helfen, findet allerdings auch in Gersthofen Anhänger. Ein Anwohner aus der Nachbarschaft der Unterkunft warf im Frühling Unterschriftenlisten in die Briefkästen, um gegen die ,,Konzentration von Flüchtlingsunterkünften" zu protestieren. Durch ,,Ghettoisierung" drohten angeblich Wertverluste für Grundstückseigentümer. Über 100 Unterschriften landeten bei Bürgermeister Wörle auf dem Tisch.

Wörle lehnte eine öffentliche Diskussionsveranstaltung freilich ab. ,,Rechtsextreme Schreihälse bekommen hier kein Forum", sagt er. Stattdessen wandte sich der Ortsvorsteher an alle besorgten Bürger – und lud sie zu Einzelgesprächen ein. Zwei Dutzend Anwohner kamen ins Rathaus. Er habe die Situation erklärt, sagt Wörle, den man auf gut bayrisch ein ,,g'standenes Mannsbild" nennen würde. Es gebe keine Grundlage für die Furcht vor steigender Kriminalität. ,,Seitdem ist Ruhe."

So einfach geht Flüchtlingspolitik allerdings nicht immer. In Berlin eskalierte kürzlich die Lage vor einer Erstaufnahmeeinrichtung. Hunderte Flüchtlinge warteten vor dem Gebäude des zuständigen Landesamtes auf die Formalien ihrer Erstaufnahme. In sengender Hitze saßen Hunderte Menschen herum, manchmal campierten sie auf dem Boden. Eine hygienische und humanitäre Notlage drohte. Bis sich die Hauptstädter über Twitter informierten und eine Wasser-, Eis-und-Hilfsgüterwelle über die Flüchtlinge schwappte.

Nun rollt 25 Kilometer weiter ein weißer Reisebus vor. Wir sind in Karlshorst, am anderen Ende der Millionenmetropole. Auf den Bussen steht groß VIP, ungefähr 40 Männer steigen aus. Viel Gepäck hat keiner von ihnen dabei. Ein schwarz gekleideter Sicherheitsmann weist mit umständlichen Gesten auf Bierbänke. Seit ein paar Tagen fahren regelmäßig Busse vor. Auch Karlshorst ist ein Notnagel. Die Stadt hat das Gelände zur Verfügung gestellt, wie in Kamen hat das Deutsche Rote Kreuz den Betrieb übernommen.

Das Besondere in Karlshorst ist, dass es nicht nur Notunterkunft ist. Auch das klassische Asylverfahren kann hier eingeleitet werden. Das entlastet das überforderte Landesamt. Irgendwie geht hier alles reibungsloser als bei der staatlichen Bürokratie. Hinter einem Schlagbaum sitzen die DRK-Helfer an vier Tischen. Nach und nach treten die Asylbewerber heran. Ruhig werden Personalien notiert und Zimmer zugewiesen. Es sind Dolmetscher da, auch sie freiwillige Helfer.

Auf dem Gelände spielen Kinder aus verschiedenen Nationen miteinander, einige malen mit Kreide auf dem Fußweg. Familien sitzen auf dem Bordstein und beobachten die Szenerie. Bald soll die Not- in eine reguläre Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden. ,,Jetzt geht es aber erst mal darum, Leuten, die auf Wiesen campiert haben, ein Dach über dem Kopf zu geben", sagt der DRK-Sprecher. ,,Sie brauchen etwas zu essen, eine Schlafmöglichkeit und sollen zur Ruhe kommen."

Das DRK hat die Unterkunft im Eiltempo hergerichtet. Dafür waren bis zu 168 Helfer im Einsatz. Auch aus der Bevölkerung kommt viel Unterstützung. Es hat sich inzwischen ein Helferkreis von 50 Leuten aus der Umgebung gefunden. Sie sortieren die vielen Kleiderspenden und geben Essen aus. Die meisten kommen nach Dienstschluss vorbei. Sie organisieren sich online in Gruppen auf Facebook. Ein Anwohner sah die vielen Familien. Er sprach die Helfer des Roten Kreuzes an und erkundigte sich, wie viele Kleinkinder derzeit in der Notunterkunft seien. Wenige Stunden später kam er mit mehreren Kinderwägen zurück.

Andere Nachbarn sind skeptisch. Ein älteres Pärchen steht mit verschränkten Armen und finsterem Blick vor dem Objekt. Die Leute vom Roten Kreuz laden sie ein, sich das Haus von innen anzuschauen. Was sie sehen: Die Zimmer sind spartanisch, außer Betten ist da nichts. Die Hilflosen teilen sich zu dritt, sechst oder acht ein Zimmer. Zur Begrüßung wird ein Starter-Kit mit Kissen, Bettwäsche, einem Handtuch und Zahnpasta überreicht.

Etwa 200 Flüchtlinge wurden am vergangenen Freitag noch erwartet. Das neue Heim, das die katastrophalen Zustände der Berliner Erstaufnahme beheben half, wird dann komplett ausgelastet sein. Eine Woche nach seiner Eröffnung. Dann sind 997 Menschen aus Syrien, Afghanistan, Marokko, Ägypten, Vietnam und dem Balkan in Karlshorst untergebracht.

Wo sollen die Menschen nur alle hin? Die öffentliche Debatte torkelt. Ein Busfahrer aus Erlangen avanciert zum nationalen Helden, weil er auf Englisch ,,Willkommen in Deutschland" sagt. Goslars Bürgermeister will mehr Flüchtlinge in seiner aussterbenden Stadt haben. Derweil möchte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an Balkanflüchtlinge nur noch Gutscheine ausgeben. Zwischen Hilfsbereitschaft und Hassparolen ist alles zu haben. Manchmal hilft selbst Wut – auf paradoxe Weise.

In Gersthofen wollten im Jahr 2013 Nazis eine Kundgebung abhalten. Schnell verabredete sich die Stadt zur Gegenwehr. Es gründete sich der Verein ,,Gersthofen ist bunt". Der Platz war voll von Gegendemonstranten, die Handvoll Nazis zog bald wieder ab. Geblieben ist der Verein, mit Bürgermeister Michael Wörle als Vorsitzendem. Bei der Gegendemonstration verkündete die örtliche Rektorin der Mittelschule Gersthofen, dass man ,,Toleranz im Kleinen anbahnen" müsse. Was Sigrid Puschner damals sagte, ist inzwischen Wirklichkeit geworden. Der Kern der im ,,Helferkreis Asyl" organisierten Bürger stammt aus ,,Gersthofen ist bunt".

Sie begleiten Flüchtlinge bei Behördengängen, besorgen Fahrräder, helfen bei der Eröffnung eines Bankkontos, ein Ex-Profi trainiert in Gersthofens kleinem Stadion eine Fußballmannschaft. Einige geben Deutschunterricht wie Herwig Puschner, der Mann der Rektorin. Seit Ostern lehrt er mit zwei anderen Freiwilligen eine Gruppe von 15 Flüchtlingen die deutsche Sprache.

Wenn man mit ihm darüber spricht, dann macht er keine großen Worte, sondern sagt das, was wohl die meisten der vielen Menschen in ganz Deutschland sagen würden, für die Flüchtlingsarbeit mittlerweile Alltag geworden ist: Dass die Menschen sich aus völlig nachvollziehbaren Gründen hier in Sicherheit gebracht haben, dass der dringlichste Wunsch der meisten sei, hier eine Arbeit zu finden und dass sie dafür eben Sprachkenntnisse bräuchten.

Kurz vor den Sommerferien haben die Mittelschüler in Gersthofen Spenden gesammelt, für syrische Flüchtlingskinder in den Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes und für die Verbesserung der Situation von Jugendlichen in Südosteuropa. Die Schüler spielten Theater, verteilten selbstgemachten Kuchen und wuschen Autos. ,,Sie waren stolz auf die 2.500 Euro am Ende, aber zugleich ziemlich aufgewühlt wegen mancher Kommentare", sagt die Rektorin. Kommentare wie: ,,Die sind doch eh schon alle hier, warum sammelt ihr für die denn Geld."

Längst ist der Funke auch auf die Wirtschaft übergesprungen. Im September sollen 30 junge Flüchtlinge im Großraum Augsburg eine Ausbildung beginnen. Als der Bundestag Anfang Juli ein Abschiebungsmoratorium für Flüchtlinge mit Ausbildungsvertrag verabschiedete, da war das dem Geschäftsführer der hiesigen Industrie- und Handelskammer nicht genug. Peter Saalfrank sagte, die Azubi-Flüchtlinge bräuchten mindestens zwei Jahre über das Ende ihrer Ausbildung hinaus Rechtssicherheit. Er nennt es das 3+2-Modell, es würde fünf Jahre Bleiberecht bedeuten. Ein Riesenschritt für die Geflohenen – und im Interesse der Wirtschaft.

Sicher ist indessen nicht nur im Landkreis Augsburg vor allem eines: dass immer mehr Flüchtlinge ankommen. 1.329 waren es laut aktuellster veröffentlichter Zahl Ende Juni, von weiteren 1.000 von jetzt bis Jahresende ist die Rede. In Gersthofen sind mittlerweile die ersten Flüchtlinge von der Gemeinschaftsunterkunft in das neue Holzhaus umgezogen.


Aus: "Die Stunde des Bürgers" Juliane Kipper, Simon Schaffhöfer, Sebastian Drexel (20.08.2015)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-stunde-des-buergers (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-stunde-des-buergers)
Title: [Ziel sei es zwar... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2015, 10:18:52 AM
Quote[...]  Nach der Grenzöffnung zwischen Griechenland und Mazedonien sind allein in der Nacht zu Sonntag erneut mehr als 7000 Flüchtlinge von Mazedonien nach Serbien gelangt. Hunderte Menschen warteten noch an der Grenze, mit weiterem Andrang sei zu rechnen, teilte das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR in Genf mit. Mazedonien habe zugesichert, seine Grenzen für die Flüchtlinge geöffnet zu lassen.

Das UNHCR forderte die mazedonischen Behörden auf, mehr Personal an den Grenzübergängen einzusetzen, um Empfang und Weiterreise der Flüchtlinge besser organisieren zu können. Die UN-Organisation erklärte sich zugleich zur Unterstützung bereit. In Serbien verteilten UN-Hilfsorganisationen bereits Nahrungsmittel an die Migranten. Auf Bitte der serbischen Regierung wurde auch die Lieferung von Matratzen und Zelten geprüft.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) rief zu einer besseren Zusammenarbeit und gemeinsamen Anstrengungen bei der Flüchtlingshilfe auf. In den kommenden Tagen sei mit einem "dramatischen Anstieg" von den griechischen Inseln auf das europäische Festland drängender Flüchtlinge zu rechnen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) denkt angesichts des Streits um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge darüber nach, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Herrmann sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagausgabe) laut Vorabbericht: "Wer jetzt nicht handelt, setzt die Reisefreiheit in Europa aufs Spiel und hat es mit zu verantworten, wenn Deutschland sich gezwungen sähe, Grenzkontrollen wieder einzuführen."

Ziel sei es zwar, Freizügigkeit und Reisefreiheit in Europa zu erhalten. Dies sei aber nur möglich, wenn sich alle Mitgliedstaaten an die gemeinsamen Regeln hielten, so der CSU-Politiker. "Wenn abertausende Menschen mit dem Hauptziel Deutschland völlig unkontrolliert und ungesteuert über die griechische oder die italienische Grenze nach Europa strömen, funktioniert das System nicht mehr und verliert seine Akzeptanz."

Deutschland und Frankreich kündigten im Vorfeld eines Treffens in Berlin an, sich für eine gemeinsame europäische Linie einsetzen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande wollten bei dem Treffen am Montag "neue Impulse" für eine gemeinsame europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise geben, hieß es aus dem Elysée-Palast. Die bislang gefällten Entscheidungen der EU seien nicht ausreichend, die Krise werde sich nicht "von selbst" beenden.

Als vorrangig betrachten Berlin und Paris dabei den Angaben zufolge auch einheitliche Haltungen dazu, welche Staaten als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden. Bislang legt dies jedes EU-Mitglied selber fest, besonders mit Blick auf die Balkanländer gibt es sehr unterschiedliche Regelungen.

Beschleunigen wollen Merkel und Hollande auch die Einrichtung von Aufnahmezentren und die Identifizierung von berechtigten Asylbewerbern und illegalen Migranten bereits in Italien und Griechenland, wo derzeit die meisten Flüchtlinge eintreffen. Es sei nötig, "an allen Fronten gleichzeitig" voranzukommen, hieß es in Paris.

Seit Jahresanfang sind allein an den italienischen Küsten mehr als 100.000 Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten und Südasien angekommen. Deutschland stellt sich auf bis zu 800.000 Asylbewerber in diesem Jahr ein.




Aus: "Mazedonien: Tausende Flüchtlinge überqueren Grenze nach Serbien" (24. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-08/einwanderung-mazedonien-grenze-europa (http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-08/einwanderung-mazedonien-grenze-europa)
Title: [Ausgeschlossen werden könne derzeit nichts... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2015, 10:22:08 AM
Quote[...] Auf Kommando stürmen sie auf die Bundesstraße. Sie zünden Böller, werfen Steine und Flaschen gezielt auf Polizisten. Mehr als hundert Gewalttäter grölen ,,Wir sind das Volk!" und ,,Ausländer raus!" und ,,Nationaler Widerstand!" Es ist Sonnabend um 22.45 Uhr. Wieder eskaliert die Gewalt vor dem kurzfristig als Flüchtlingsunterkunft eingerichteten ehemaligen Praktiker-Baumarkt in Heidenau.

Es sind die gleichen Szenen wie schon in der Nacht zuvor. Es gibt kein Halten. Vermummte in Hooligan-Staffage zerschlagen Steine auf der Straße und schleudern die faustgroßen Brocken auf Polizisten. Einziger Unterschied zum Vorabend: Inzwischen sind mehr als 200 Männer, Frauen und Kinder in der Unterkunft eingetroffen.

Die letzten beiden Busse aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz haben erst am Abend den früheren Baumarkt gleich gegenüber vom Real-Markt erreicht. Während dort noch viele ihren Wochenendeinkauf erledigten, sammelten sich gegenüber auf dem Parkplatz des Hammer-Marktes Menschen, die von der Polizei offiziell ,,Asylkritiker" genannt werden. Das Gelände grenzt an das Flüchtlingsnotlager, das mit einem Bauzaun notdürftig geschützt ist. Weiße Folie soll die Sicht darauf verdecken. Davor steht die Polizei mit einem Großaufgebot.

... Bilanz dieser Nacht: Zwei verletzte Beamte, 65 Platzverweise, eine Festnahme. Die Polizei ermittelt wegen Sieg-Heil-Rufen und Hitlergrüßen, die immer unverhohlener gezeigt werden. Ob die Gewalttaten mit aller Härte verfolgt werden können? Allen Beteuerungen der Politik zum Trotz: Zur Strafverfolgung wegen schweren Landfriedensbruchs etwa kam die Polizei in dieser Nacht offensichtlich nicht. Man darf gespannt sein, ob es den Beamten gelingt, einzelne Täter aus der Masse zu zerren. Viele werden unerkannt davonkommen.

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Aus: ",,Bombe um den Hals und bumm"" (23.08.2015)
Quelle: http://www.sz-online.de/sachsen/bombe-um-den-hals-und-bumm-3180726.html (http://www.sz-online.de/sachsen/bombe-um-den-hals-und-bumm-3180726.html)

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Quote[...] Im baden-württembergischen Weissach ist ein Gebäude abgebrannt, das für die Unterbringung von Asylbewerbern vorgesehen war. Verletzt wurde niemand.

Über die Brandursache könne noch nichts gesagt werden, sagte ein Polizeisprecher. Ausgeschlossen werden könne derzeit nichts. Auch ein Brandanschlag als Ursache sei möglich.

Der dreistöckige Altbau stand voll in Flammen, als die Rettungskräfte kurz nach 5.00 Uhr eintrafen. Die Feuerwehr hatte den Brand nach rund einer Stunde unter Kontrolle. Das Gebäude sollte in Kürze renoviert werden. Es sei nun definitiv unbewohnbar, hieß es. Der Schaden sei noch nicht zu beziffern.

In den vergangenen Monaten hat es immer wieder Brandanschläge auf Unterkünfte für Asylbewerber gegeben, meist bevor diese bezogen wurden. Mitte August brannte in der Eifel ein von vier Asylbewerbern bewohntes Haus. In Böhlen bei Leipzig wurde im Juli ein Flüchtlingsheim beschossen. Wegen einer Brandstiftung im Februar in Escheburg bei Hamburg wurde inzwischen ein Nachbar zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Vor anderthalb Wochen zündeten Unbekannte zudem die Scheune auf dem Hof des Ehepaars Lohmeyer aus Jamel an. Das Ehepaar kämpft seit Jahren gegen Rechtsextremismus in dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern.  

Quote
   FrauHuber, 24.08.2015

Die Brandstifter sind wieder da!
Was fuer eine Absurditaet. Die selbsternannten Retter des Abendlandes treten die Werte, die sie zu retten vorgeben mit Fuessen.




Aus: "Baden-Württemberg: Brand in geplanter Flüchtlingsunterkunft" (24. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/baden-wuerttemberg-feuer-asylunterkunft (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/baden-wuerttemberg-feuer-asylunterkunft)

Title: [In der dritten Nacht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2015, 10:41:28 AM
Quote[...] In der dritten Nacht seit Beginn der rechtsextremen Krawalle vor dem Asylbewerberheim im sächsischen Heidenau hat die Polizei die Lage durch massive Präsenz erstmals weitgehend beruhigt. Die Situation sei "entspannt", sagte der Sprecher der Polizeidirektion Dresden, Marko Laske, in der Nacht der Nachrichtenagentur AFP. Die eingerichtete Sicherheitszone hat sich bewährt, die Polizei zeigte massive Präsenz konnte die Gruppen rechter Demonstranten zerstreuen. Nur am Rande kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken. Letztere waren nach Heidenau gereist, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen zu bekunden.

... Zwei Tage lang hatte sich der braune Mob in Heidenau vor einer Flüchtlingsunterkunft ausgetobt. Und die Polizei war nie Herr der Lage. Das sollte sich am Sonntagabend unbedingt ändern nach all dem Druck durch Beobachter, Medien und schließlich auch Politiker.

Aus Dresden trafen am späten Sonntagabend rund 300 vermummte linke Demonstranten der Antifa vor der Notunterkunft der Flüchtlinge in Heidenau ein, um gegen die Rechten zu protestieren. Es flogen einige Böller, doch die Linken hielten sich weitgehend zurück und beschränkten sich auf verbalen Protest und das Zeigen von Transparenten. Anders als an den beiden Tagen zuvor, als der rechte Mob die Oberhand behielt, zeigte die Polizei nun massiv und konsequent Präsenz - sowohl gegen die Rechten als auch gegen die Linken, die bald darauf wieder zum Bahnhof gedrängt wurden.

Auf dem Weg dorthin kam es laut Polizei an einer Tankstelle zu einem Zwischenfall zwischen Linken und Rechten. Die Polizei setzte nach DPA-Angaben dpa Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die beiden Gruppen zu trennen. Es gab bei den kurzen Auseinandersetzungen Verletzte.

... Die Rechten hielten sich unterdessen auch in der Nacht zu Montag noch in kleinen Gruppen im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft auf. Die Polizei hat einen Wasserwerfer in Stellung gebracht, der zwischenzeitlich auch in Richtung der Linken zielte, aber nicht zum Einsatz kam.

Vor dem blau-weißen Gebäude des ehemaligen Praktiker-Baumarkts standen am frühen Sonntagabend rund zwei Dutzend Polizeiautos. Journalisten und ein paar Leute von Pro-Asyl redeten mit Flüchtlingen, die immer in kleinen Gruppen aus dem durch einen zwei Meter hohen Zaun abgeschirmten Gelände kamen. "Wir haben Angst, dass es heute Abend wieder knallt", sagte ein 18-Jähriger aus Afghanistan. Etwa 300 Menschen seien bereits in dem Gebäude, erzählte er: "Alle im selben Raum, Männer, Frauen, Kinder, die meisten aus Syrien, aber auch aus Pakistan und dem Irak. Sie haben alle Angst vor den bösen Menschen."

Die "bösen Menschen" haben sich auf der anderen Seite der Bundesstraße, die von Heidenau nach Dresden führt, versammelt. Dort ist der Real-Markt, der am Sonntag geschlossen hat, was die Polizei als gutes Zeichen wertet. "Heute müssen die sich den Alkohol-Nachschub von der Tankstelle holen", sagte ein Beamter. Außerdem habe man einen Kontrollbereich eingerichtet. "Von denen kommt keiner mehr auf diese Seite."

Am Sonntagabend - zwei Tage nach Beginn der Ausschreitungen - kontrollierte die Polizei nun systematisch das Gebiet rund um die Einrichtung. Menschen wurden am Sonntagabend angesprochen und mussten sich teils ausweisen. In die Nähe des Gebäudes - einem früheren Baumarkt - wurden lediglich Unterstützer von Flüchtlingen gelassen.

Im Umfeld der Unterkunft hätten sich immer wieder auch Schaulustige und erkennbar rechte Gegner versammelt, sagte Polizeisprecher Marko Laske. Diese seien von den Beamten persönlich angesprochen worden. ,,Potenzielle Gewalttäter werden so in die Öffentlichkeit gezogen, weil ihre Personalien aufgenommen werden", erklärte Laske. Dies habe auch eine abschreckende Wirkung.

In Heidenau gilt seit Sonntagabend ein Kontrollbereich. Dieser ermöglicht der Polizei etwa eine anlasslose Feststellung von Personalien. Außerdem können leichter Platzverweise ausgesprochen werden. Zudem sind laut Polizei mehr Beamte vor Ort als an den beiden Vorabenden. Angaben zur genauen Anzahl machte die Behörde nicht. Erstmals standen auch zwei Wasserwerfer bereit.

Am Nachmittag hatte endlich auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Heidenau besucht. Etwa eine Stunde war er im Heim, dann trat er vor die draußen wartenden Journalisten. "Grenzen seien da überschritten worden", sagte er: "Vor allem in der letzten Nacht". Er erwarte von allen Sachsen, dass sie den Menschen, die aus anderen Teilen der Welt kämen, nicht mit Fremdenhass sondern mit Achtung begegneten. "Das ist unsere humanitäre Pflicht", sagte Tillich: "Gegen solche Gewalttäter gibt es hier Null Toleranz." ,,Denn es kann nicht sein, dass Asylbewerber, Hilfskräfte oder Polizisten angegriffen werden aus blindem Hass. Das ist nicht tolerabel".

Kritische Fragen zur Vorgehensweise der Polizei, wies er zurück. "Wir werden das Gewaltmonopol des Staates hier durchsetzen", sagte er: "Dafür hat die Polizei die Voraussetzungen, die sie braucht."

Tillich bedankte sich auch beim Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz (CDU), an dessen Haus der braune Mob am Wochenende vorbeigetobt war. "Volksverräter" hatten die Neonazis gerufen, aber Opitz zeigte sich davon unbeeindruckt. "Es gibt auch viele andere Menschen in Heidenau", sagte er. Am Montag wolle er mit "Multiplikatoren" reden und einen Anlaufpunkt für die vielen Heidenauer schaffen, die den Flüchtlingen helfen wollten. Aber zuvor müsse man wieder eine Nacht überstehen, sagtte Opitz. Er habe wenig Hoffnung, dass es ruhig bleibe.

Am Sonntagnachmittag war nichts mehr davon zu sehen, dass der Fremdenhass in der Nacht zuvor ein weiteres Mal in Heidenau gewütet hat. Den "Praktiker"-Baumarkt im Gewerbegebiet am Ortsrand umgibt ein etwa zwei Meter hoher provisorischer Zaun, Sichtschutzplanen verdecken jede Sicht auf die Notunkterkunft Flüchtlinge. Am Eingang stehen Sicherheitsleute und Polizei, außer einer Handvoll Leute aus Heidenau und ein paar Flüchtlingen ist niemand zu sehen. Die Straße ist leer, weder Scherben noch Schutt liegen auf dem Boden.

Laut "Sächsischer Zeitung" wurde dort ein besonderer Sicherheitsbereich eingerichtet. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte. ,,Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Einrichtung eines Kontrollbereiches in Heidenau, um potenzielle Gewalttäter frühzeitig zu identifizieren." Personenkontrollen ohne Anlass sind dort nun möglich, Platzverweise und Aufenthaltsverbote können ausgesprochen werden. Unbedingt soll eine dritte Nacht der Nazi-Randale verhindert werden. Um 18 Uhr am Sonntagabend trat der Sicherheitsbereich in Kraft.

Am Abend und in der Nacht zuvor war das anders gewesen. Erneut hatten Rechtsextreme gegen die Flüchtlinge randaliert, sie warfen am späten Samstagabend Bierflaschen und Böller sowie Baustellenmaterialien auf Polizisten. "Es waren ähnliche Szenen wie in der Nacht zuvor", sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. Die Polizei ging mit Schutzschilden gegen die teils betrunkenen Bürger vor und räumte die Straße. Ein MDR-Reporter berichtete, die Situation sei wie aus dem Nichts eskaliert. Die Polizei sei aber besser vorbereitet gewesen als Freitagnacht und konnte den Mob zurückdrängen, meldete der Sender. Aber auch danach habe es Jagdszenen zwischen Beamten und Rechten gegeben.

Die inzwischen mehr als 300 Flüchtlinge haben den Lärm der Straßenschlacht aus dem Baumarkt heraus mitgehört. Ein 37-jähriger Syrer ist jetzt mit seinen zwei Söhnen, 18 und 15 Jahre alt, vor das Tor getreten und erzählt, dass die Familie jetzt seit einer Woche in Deutschland sei. Abdul Rahman ist Ingenieur, seine beiden Söhne möchten wie der Vater ebenfalls gerne studieren. Jetzt allerdings habe sie Angst. "In Syrien war Krieg, und hier ist auch Krieg", sagt einer der beiden Jungen. Ein Reporter des MDR hat mit einem afghanischen Flüchtling gesprochen, der sagt auch, er habe Angst. Er habe die Demonstrationen mitbekommen und verstehe die Situation nicht. In Afghanistan sei die Situation schon wirklich schlimm, aber hier fühle er sich jetzt auch nicht wohl.

Im Polizeibericht zur der Eskalation der zweiten Nacht werden die am Samstagabend randalierenden Rechtsextremisten als "Gruppe mit zeitweise rund 250 Personen, die sich asylkritisch äußerten", beschrieben. Es sei aus "aus der Personengruppe der Asylkritiker heraus zu einem organisierten Angriff auf die eingesetzten Polizeibeamten" gekommen. Zwei Beamte seien verletzt worden. Die Polizei hat nach eigenen Angaben Ermittlungen unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs aufgenommen. Eine Person wurde demnach vorläufig festgenommen. Darüber hinaus seien 65 Platzverweise ausgesprochen und zudem die Identität von 23 Personen festgestellt worden.

Bereits am Freitagabend hatte ein dpa-Reporter beobachtet, wie Flüchtlinge als "Schweine" und "Viehzeug" beschimpft wurden, wie in der Kleinstadt Heidenau völlig aus der Luft gegriffene Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt werden. "Eure Frauen werden alle vergewaltigt, ihr könnt sie nicht mehr schützen", rief beispielsweise eine Frau mittleren Alters beschwörend einer Gruppe junger Männer zu. Jugendliche wiederum sangen leise vor sich hin: "Die Reihen fest geschlossen" - eine Verszeile des verbotenen Horst-Wessel-Liedes der Nazis.

Anwesende Landespolitiker zeigten sich erschüttert. Der Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen, Jürgen Kasek, twitterte: "Eine beispiellose Ohnmachtserklärung des Staates. In Heidenau triumphiert heute Nacht der rassistische Mob. Wir schreiben das Jahr 2015." Valentin Lippmann, Innenpolitiker der Grünen im Dresdner Landtag, schrieb am späten Samstagabend auf Twitter: "Heidenau abrupt verlassen, weil Sicherheit nur noch bedingt gewährleistet werden kann. Das ist das Endspiel um Gewaltmonopol des Staates."

Der sächsische Linken-Landesvorsitzende Rico Gebhardt erklärte: "Ich erwarte, dass der Staat nicht wie in Rostock 1992 vor den Nazis und Rassisten unter dem Beifall ,besorgter Bürger' kapituliert."

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann, schrieb in dem Kurznachrichtendienst: "Es darf keine 3. Nacht der Gewalt in Heidenau geben. Rassistische Ausschreitungen stoppen. Hartes Durchgreifen der Polizei notwendig."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verurteilte in scharfen Worten die Angriffe gegen Flüchtlinge in Heidenau: "Diejenigen, die gegenüber Flüchtlingen, egal aus welchen Gründen sie nach Deutschland gekommen sind, Hass und Angst schüren und die Polizeibeamte angreifen und verletzen, stellen sich außerhalb unserer Wertegemeinschaft", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. "Die Vorgänge sind beschämend für unser Land und absolut inakzeptabel. Jeder Flüchtling der zu uns kommt, egal aus welchen Motiven, hat ein Recht darauf, sicher und vernünftig untergebracht zu werden."

De Mazière sagte weiter: "Jeder der das in Frage stellt, sollte sich nur für einen Moment in die Situation der Flüchtlinge versetzen. Jeder, der die Flüchtlinge beleidigt oder gar tätlich angreift, wird die volle Konsequenz des Rechtsstaats zu spüren bekommen. Wir werden uns das nicht gefallen lassen."

Am Sonntag, zwei Tage nach Beginn der Krawalle, nahm erstmals auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Stellung zu den Ausschreitungen in Heidenau. Er sagte dem Tagesspiegel: "Mich erschüttern die Ereignisse zutiefst. Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen. Wir lassen uns das nicht bieten, wir werden mit aller Macht dagegen vorgehen. Das ist nicht unser Sachsen. Hier verstößt eine Minderheit brutal gegen Werte und Gesetze Deutschlands."

Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) besucht am Montag die Flüchtlingsunterkunft. Das teilte sein Sprecher Tobias Dünow am Sonntag in Berlin mit. Der SPD-Chef folgt einer Einladung von Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU).

Gabriel will in Heidenau auch mit dem sächsischen Vizeministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) zusammentreffen. Der Bundeswirtschaftsminister wollte am Montag ohnehin im Rahmen seiner Sommerreise Unternehmen im nahegelegenen Dresden besuchen. Dieses Programm wurde nun laut Wirtschaftsministerium geändert.

In den Abendstunden des Samstags hatten sich zunächst rechte und linke Demonstranten in Heidenau gegenüberstanden, etwa 250 Unterstützer der Flüchtlinge waren unter anderem aus Dresden angereist. Die Lager waren durch eine Straße voneinander getrennt. Die Atmosphäre in der kleinen Stadt südöstlich von Dresden sei angespannt gewesen, heißt es.

Bis zum Samstagabend trafen etwa 120 neue Flüchtlinge in der Notunterkunft ein. Die vier Busse fuhren ungehindert vor das Gebäude. In der Nacht zuvor hatten Hunderte Menschen die Zufahrt blockiert. Sie pöbelten gegen die hilfesuchenden Menschen, warfen Müll auf die Straße und gingen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Polizei los. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) erklärte die Ausschreitungen vom Freitagabend im MDR-Fernsehen mit den Worten: "Es hat Alkohol 'ne Rolle gespielt, Menschen haben sich hochgeschaukelt." Das habe nichts mit Protest zu tun, "wir werden uns das nicht gefallen lassen". Aus den Reihen der Opposition im Landtag gibt es seit Wochen Rücktrittsforderungen gegen den Minister.

Veronika und Cornelius H. kommen selbst aus Heidenau und sind am Sonntagnachmittag zusammen mit ihren Kindern zum Baumarkt an der Bundesstraße 172 geradelt. Die Berichte über die Ausschreitungen der Rechtsextremisten haben sie schwer erschüttert. Jetzt würden sie gerne ein Zeichen setzen. Die Mutter hat Muffins gebacken, die sie gerne an die Flüchtlinge weitergeben würde. Normalerweise ist so etwas nicht erlaubt, aber diesmal machen die Sicherheitsleute eine Ausnahme. Jedenfalls nehmen sie das Gebäck in Empfang. (mit AFP/dpa)




Aus: "Polizei greift durch, dritte Nacht weitgehend ruhig" Matthias Meisner und Sandra Dassler (24.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/heidenau-randale-gegen-fluechtlinge-polizei-greift-durch-dritte-nacht-weitgehend-ruhig/12222388.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/heidenau-randale-gegen-fluechtlinge-polizei-greift-durch-dritte-nacht-weitgehend-ruhig/12222388.html)

Title: [Zwischen denen und uns gibt es keine Schnittstellen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2015, 11:12:56 AM
Quote[...] Täglich höre ich davon, dass Menschen gegen die Unterbringung von Asylbewerbern auf die Straße gehen. Mir kommt das vor, wie der Ausbruch des Bösen in uns allen in einem mittelmäßigen Stephen-King-Roman: Es macht mir Angst. Es macht mich wütend. Es beschämt mich. Dagegen zu wettern, hilft ein bisschen, weil es zur Selbstvergewisserung beiträgt. Aber es klärt nichts, im Gegenteil, es verschärft die Lage. Ich will verstehen, warum passiert, was passiert, damit ich dazu beitragen kann, dass es aufhört. Denn was vor den Flüchtlingsunterkünften in Meißen, Freital oder Heidenau passiert ist falsch, dessen darf man sich sicher sein.

In den Nachrichten zu sehen, wie Böller über Zäune geworfen werden, hilft mir dabei nicht. In Zeitungen zu lesen, wie viele Demonstranten und Gegendemonstranten es gab, hilft auch nicht. Einschätzungen von Politikern – obwohl sie rar sind – helfen nicht. Was hilft – auch wenn man dabei in Abgründe sehen muss, die einen schwindelig werden lassen – ist das Lesen von Facebook-Kommentaren. Was mir hilft ist das unkommentierte Videomaterial von Euronews und RT. Was mir hilft, sind O-Töne auf YouTube. Dort lerne ich:

Meinungen kann man nicht verbieten. Meinungen muss man bilden.

Mit Hass gegen Hass wird das nicht gelingen. Mit Spott und Häme auch nicht. Es braucht Aufklärung und Geduld. Es braucht Bildung und Gespräche. Das wird Jahre dauern.

Ich kann es nicht leugnen, so gern ich es auch wüde: Ich halte Fremdenfeindlichkeit für dumm, geradezu idiotisch. Wer gegen Flüchtlinge auf die Straße geht muss geizig, egoistisch, aggressiv und unbarmherzig sein. Diese Haltung ist aber wenig hilfreich. Sie erhöht mich zum intelligenten kosmopolitischen Gutmenschen und erniedrigt die fremdenfeindlichen Demonstranten zu einem braunen Mob, auf dem ich verächtlich herabblicke. Ich liege richtig, die liegen falsch.

Die sehen das naturgemäß anders. Zwischen denen und uns gibt es keine Schnittstellen. Keine Diskussionen. Keine Begegnung. Wir vergewissern uns der Richtigkeit unserer Meinung in unserem Umfeld und die machen es genauso. Allerdings in ihrem.

Die medialen Veränderungen der letzten Jahre begünstigen die Verkrustung dieser Strukturen. Private Meinungen (wie diese) werden nicht mehr an Stammtischen geäußert sondern im Internet. Gleichgesinnte zu finden ist dadurch einfach, so realitätsfern die eigene Meinung auch sein mag. Gleichgesinnte schaukeln einander hoch, sie verabreden sich, sie organisieren Demos, die eskalieren. Die etablierten Medien werden durch widersprüchliche Informationen aus alternativen Quellen nicht mehr als objektiv wahrgenommen. Es entstehen Milieus, die die arrivierte Presse nicht mehr erreicht. Es entstehen parallele Öffentlichkeiten ohne jedes Korrektiv. Dazwischen entstehen Gräben.

Wie man dem beikommen kann? Indem man Filterblasen zum Platzen bringt. Indem man Brüche schafft. Indem man Verfechter der einen Wirklichkeit mit Vertretern der anderen Konfrontiert. Und mit Fakten.

Ja, es geht um Bildung. Wer die Kosten, die Asylbewerber verursachen ins Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung setzt, wird einsehen, dass wir das leicht stemmen können. Wer die durch Asylbewerber begangenen Straftaten ins Verhältnis zur Gesamtzahl der in Deutschland begangenen Straftaten setzt, wird einsehen, dass wir hier kein nennenswertes Problem haben. Wer eine Ahnung davon hat, was in Syrien, in Eritrea, selbst auf dem vermeintlich sicheren Westbalkan los ist, wird gegen niemanden auf die Straße gehen, der aus diesen Gebieten flüchtet. Viele Demonstranten, so scheint es, können aber nicht einmal zwischen Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern unterscheiden.

Und es geht um Herzensbildung. In Deutschland geboren zu sein ist kein Verdienst sondern ein sehr seltenes Glück. Dementsprechend bringt es neben vielen selbstverständlich scheinenden Annehmlichkeiten vor allem Verpflichtungen mit sich. Wer, das im Hinterkopf behaltend, einen Perspektivwechsel wagt und sich vorstellt, zufällig in Albanien, Serbien oder dem Irak geboren worden zu sein, wird nicht mit Böllern sondern mit Hilfspaketen zur Flüchtlingsunterkunft in seiner Nähe fahren.

Wahr ist aber auch: Ängste sind ernst zu nehmen. Man traut sich das kaum noch zu schreiben: Sorgen, Ängste, Bürger, Bevölkerung. Zu oft verbirgt sich dahinter in den letzten Wochen nichts anderes als hohler Hass. Aber neben den Ängsten, die sich leicht durch Fakten entkräften lassen, gibt es auch kulturell geprägte, die besprochen werden müssen. Wie gehen wir nach 100 Jahren Frauenbewegung um mit der Vollverschleierung muslimischer Frauen? Welche Angebote machen wir an Asylbewerber, die monatelang auf die Entscheidung ihrer Anträge warten müssen? Arbeitsgenehmigungen? Deutschkurse? Nur noch Sachleistungen? Welche Voraussetzungen müssen Einwanderer für ihre Einbürgerung erfüllen? Müssen sie Deutsch können? Müssen sie eine geregelte Beschäftigung nachweisen können? Ist es okay, wenn sich Einwanderer einer bestimmten Nationalität in einem bestimmten Stadtviertel zusammenfinden, dort Geschäfte eröffnen und Restaurants und Kulturvereine, und schließlich prägend für das Viertel werden? Ist das eine Bereicherung? Ist das ein Verlust?

Das sind heikle Themen, ich weiß das, gerade in Deutschland. Aber wenn wir solche Diskussionen nicht in den arrivierten Medien führen und nicht in der etablierten Politik, werden sie anderswo geführt. Und wenn sich Menschen mit kontroversen Meinungen im bürgerlichen Debattenkanon nicht gehört oder gar verspottet fühlen, wenden sie sich ab und sprechen anderswo. Die Entstehung von Pegida & Co., die Entstehung aller PRO-Bewegungen ist so gesehen zwangsläufig. Aber sie vertieft die Kluft, die es zu überwinden gilt. Sie verfestigt die Erzählung von Uns und Denen, obwohl gerade jetzt ein Wir so dringend nötig wäre.

Wenn das stimmt, gibt es zwei Dinge, die jeder Einzelne tun kann. Erstens: Argumentieren. Diffuser Xenophobie konkrete Argumente entgegensetzen. Im Kollegenkreis. Im Sportverein. Im Netz. Und zweitens: Handeln. Wer, wie ich, unzufrieden mit dem Deutschland ist, dass sich Menschen in Not zurzeit zeigt, kann versuchen, ein anderes Deutschland zu verkörpern. Am einfachsten, in dem er zur Flüchtlingsunterkunft in seiner Nähe fährt und fragt, wie er helfen kann.


Aus: "Wir müssen reden. Auch mit Idioten." Ein Blog-Beitrag von dem Freitag-Community-Mitglied kopfkompass [Wannabe alternative mainstream critic. Artist. Photographer. Videographer. Queer. Pre-Buddhist. Post-Genderist. Banker. Nerd. Dog-Daddy. Green. Vegan.] (Leipzig, 08/2015)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/kopfkompass/wir-muessen-reden-auch-mit-idioten (https://www.freitag.de/autoren/kopfkompass/wir-muessen-reden-auch-mit-idioten)

Title: [Eine Untersuchungskommission... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2015, 11:36:00 AM
Quote[...] Dass sich ein reiches Land wie Österreich von Amnesty International (AI) vorhalten lassen muss, es verletze "fast alle menschenrechtlichen Konventionen", das kommt nicht alle Tage vor. Und es ist auch selten, dass dem Österreich-Generalsekretär von AI, Heinz Patzelt, bei einer Pressekonferenz die Stimme versagt. Aber als die Organisation am Freitagmorgen in Wien ihren Bericht über das Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge im niederösterreichischen Traiskirchen vorlegt, ist die Empörung mit Händen zu greifen.

Eine Untersuchungskommission von Amnesty hatte das Lager, das seit Monaten aus allen Nähten platzt, vor einigen Tagen besucht und eine schier endlose Liste an Missständen entdeckt: Für 1800 Menschen ausgelegt, hätten sich dort Ende Juli 4500 Flüchtlinge aufgehalten, zeitweilig hätten bis zu 1500 Menschen im Freien schlafen müssen. Es gebe nicht genug sanitäre Anlagen, für Frauen sei das Duschen in den gemischten Bädern eine "Peepshow". Es gebe zu wenig ärztliche Versorgung; die Menschen müssten in der Hitze stundenlang nach Essen anstehen, unbegleitete Minderjährige seien schutz- und obdachlos. Betreuung und Administration seien miserabel organisiert.

"Die Mängel in der Versorgung resultieren in einer unmenschlichen und menschenunwürdigen Situation für viele Asylwerber und Asylbewerberinnen", folgert Patzelt. "Ich habe so etwas in Österreich nicht für möglich gehalten." Er frage sich, ob die Flüchtlinge erst im großen Marmorsaal der Bundesregierung hausen müssten, bis etwas geschehe.

Dabei ist allen Beteiligten - und vor allem den politisch Verantwortlichen - seit Monaten klar, dass etwas geschehen muss. Traiskirchen war schon früh im Jahr komplett überbelegt; hier wurden alle Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, zuerst registriert und dann auf die Bundesländer und Kommunen verteilt. Da aber nicht alle Bundesländer die ihnen zugewiesene Zahl von Asylbewerbern aufnehmen und viele Kommunen sich nach wie vor schlicht weigern, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, tobt ein heftiger Streit über Quoten und Zuweisungen, über mangelnde Durchgriffsrechte des Bundes und unzureichende Entlastungsversuche.

Diskutiert wurden kurzfristige Lösungen - seien es die Öffnung von Kasernen oder dezentrale Zeltlager, weitere Aufnahmezentren in den Ländern und ein Bearbeitungsstopp für Asylanträge. Geschehen ist bisher konkret eher wenig: Zwar sind in zahlreichen Städten Zeltstädte entstanden, aber eine politische Lösung für das Unterbringungsproblem liegt nach wie vor in weiter Ferne. Der Vorstoß, ein neues Gesetz zu verabschieden, das dem Bund ermöglichen soll, in Ländern und Gemeinden in bundeseigenen Einrichtungen auch gegen deren Willen Flüchtlinge unterzubringen, ist gerade erst auf den Herbst verschoben worden.

Den Flüchtlingen in Traiskirchen hilft die Dauerdebatte bisher nicht, die Kritiker als gewollte Abschreckungsmaßnahme, andere als pure Unfähigkeit der Verwaltung und der Innenministerin geißeln. Der Augenschein in Traiskirchen entspricht dem, was Amnesty International berichtet. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern schlafen im Park vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf dem Boden, auf Isomatten, unter Zeltplanen. Auf einem angrenzenden Gelände wurden Busse für jene aufgestellt, die aufgrund eines aktuellen Aufnahmestopps nicht mehr ins Lager dürfen; für sie sind sanitäre Anlagen und Nahrungsmittel noch schwerer zu erreichen, in den Bussen ist es glühend heiß.

Am Tor der Erstaufnahmestelle drängen sich Dutzende: Manche haben schon Papiere und dürfen hinein, andere haben keine und werden an die Busse verwiesen, viele sind neu und wissen nicht wohin, einige suchen einen Arzt. In der Pforte: zwei überforderte Mitarbeiter, die kaum eine Fremdsprache können und den Hilfesuchenden oft nicht klarmachen können, dass sie hier nicht durchgehen dürfen. Wohin dann? Heillose Verwirrung ist die Folge. Am Tor wirbt ein Plakat für die "freiwillige Ausreisehilfe". Davor haben sich missionierende Christen aufgestellt und halten den meist muslimischen Flüchtlingen Flyer entgegen, auf denen sie erfahren können, was die Bibel zu bieten hat.

Entlang der Einfriedung des riesigen Geländes reichen Helfer Zelte über den Zaun. "Die Leute brauchen alles, was Urlauber für einen Outdoor-Urlaub brauchen", sagt Patricia Laude aus Korneuburg bitter, die mit 170 Freiwilligen jeden Tag Hilfslieferungen zusammenstellt und ausliefert. Überall stehen Menschen und reichen aus ihren Kofferräumen Windeln und Kleider über den hohen Zaun, einige Frauen schauen gemeinsam mit Flüchtlingskindern, die hinter den Metallstreben auf Mauerabsätzen kauern, bunte Bilderbücher an. Irgendjemand hat Schuhe gebracht und sie vor der Mauer auf dem Boden ausgelegt, nun hocken Flüchtlinge in dem Schuhberg und suchen zusammengehörende Paare. Manchmal kommt es zu bizarren Szenen: Helfer bieten sich gegenseitig Wasser oder Windeln für die Kinder an, weil sie einander für Flüchtlinge halten.

Einen der schärfsten Kritikpunkte im Bericht von Amnesty International hatte die Leiterin der AI-Untersuchungskommission, Daniela Pichler, formuliert: Die Organisation sei mangelhaft, viele Missstände könnten durch besseres Management und durch Hilfe von außen behoben werden; die Behörden lehnten das aber ab. So hätten Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen angeboten, die Asylbewerber medizinisch zu betreuen, das sei nicht zugelassen worden.

Die Caritas hat einen Bus am Straßenrand stehen; an die Metallwand ist ein Schild geklebt: "Mittwochs Schuhe, Donnerstags Frauen, Freitags Männer". Hier werden Pakete mit Deo und Zahnpasta, Tampons und Rasierern verteilt; aufs Gelände dürfen "Unbefugte" aber nicht, selbst wenn sie nur helfen wollen. Das macht eine Verordnung klar: "U-Boote", die sich ohne Genehmigung auf dem Gelände aufhielten, würden hart bestraft.

Derzeit ist es in Traiskirchen heiß und trocken, das Gras ist verdorrt. Das Lagern und Schlafen im Freien ist hart, aber möglich. Nur: Was wird aus den Obdachlosen im Erstaufnahmelager Traiskirchen, wenn am Montag auch in Österreich der angesagte Regen kommt?


Aus: "Flüchtlingsdrama in Traiskirchen: "Ich habe so etwas in Österreich nicht für möglich gehalten"" Cathrin Kahlweit, Traiskirchen  (14. August 2015)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsdrama-in-traiskirchen-ich-habe-so-etwas-in-oesterreich-nicht-fuer-moeglich-gehalten-1.2608562 (http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsdrama-in-traiskirchen-ich-habe-so-etwas-in-oesterreich-nicht-fuer-moeglich-gehalten-1.2608562)
Title: [Wäre die Geschichte fiktiv... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2015, 09:42:32 AM
Quote[....] Wer dieser Tag vordem Heidenauer Real-Markt eine Bratwurst essen geht, der kann sie hören, die berechtigten Sorgen. Erzählungen von Leuten, die nahezu alles verloren haben. Geschichten über politisches Versagen und persönliche Schicksalsschläge. Geschichten wie die von Ahmad, um den sich schnell eine kleine Gaffergruppe aus Frau mit Kinderwagen, Glatzkopf und zwei Rentnerpärchen bildet. In drei Wochen müsste sein Kind auf die Welt kommen, erzählt der End-20er aus Syrien. "Aber ich weiß nicht einmal, ob meine Frau noch lebt", sagt er und fragt, ob es nicht doch einen Weg gebe, seine Frau zu ihm zu holen.

"Zu ihm", das liegt eine Bundesstraßenbreite, eine Reihe aus Bauzäunen mit Sichtschutzplanen und drei weiteren Gaffergruppen entfernt. "Lager" nennen es die Flüchtlinge einfach. "Unser Baumarkt" ist es für jenen Teil der Heidenauer Bevölkerung, die seit Tagen die Neuankömmlinge in ihrer Stadt mit Böllern, Steinen und Flaschen begrüßen. Zumindest an diesem Montagvormittag bleibt es ruhig hier im Gewerbegebiet zwischen Baustelle, Unterführung, Tankstelle, Supermarkt, nochmal Tankstelle und Parkplatz.

Wäre die Geschichte fiktiv, man müsste das, was in den letzten Tagen vor der Heidenauer Flüchtlingsunterkunft passierte, in dieser Geballtheit von Stereotypen als zu unrealistisch abtun. Da wüten zwei Tage lang hunderte Neonazis vor einer Flüchtlingsunterkunft. Der Polizei gelingt es tagelang nicht, die Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Trotz 33 Verletzten in ihren eigenen Reihen wird nicht ein einziger Randalierer festgenommen. Stattdessen ein Journalist. Als dann schließlich doch die Wasserwerfer auffahren, gelten diese linken Gegendemonstranten. Und das alles auf den Tag genau 23 Jahre nach Rostock Lichtenhagen.

Es ist schwer in Heidenau jene Menschen zu finden, die man braucht, um schreiben zu können, dass nicht alle Heidenauer so sein. Gegenüber dem Baumarkt, auf dem kleinen grünen Hügel zum Märchenpfad, stehen auch keine von ihnen. "Nee geen Gommendoar", sagt die jüngste in der 5er-Gruppe und gibt ihn dann doch ab. In kurz: Nichts gegen Flüchtlinge... Aber wir Deutschen... Warum gerade bei uns... Wir kriegen doch auch nichts... Wer weiß, was die hier anstellen, die Flüchtlinge...

Unten auf dem kleinen Presse-Parkplatz trifft Vize-Kanzler Sigmar Gabriel mit seinem Tross an Hauptstadtjournalisten ein. Vor dem Baumarkt, in dem 300 Menschen auf enggestellten Pritschen in einem einzigen Schlafsaal leben, sagt er Dinge wie: "Wir sind ein ganz mitfühlendes Land." Ein bisschen klingt das, als würde Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die Tatenlosigkeit der Polizei in Heidenau als "gesamte Härte des Rechtsstaates" kommentieren.

Auch Gabriel wird sich auf die Suche machen nach jener vermeintlichen Mehrheit guter Deutscher, die Flüchtlinge willkommen heißen. "Pack" und "undeutsch" heißen die anderen bei ihm. "Das sind Leute aus dem Rand der Gesellschaft ... Das ist Pack, das sich hier herumtreibt." Dem gegenüber: Leute wie Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz, der "keinen Millimeter zurückgewichen" sei.

"Guter Deutscher, schlechter Deutscher" ist das Erklärungsmuster, das sich wie der rettende letzte Strohhalm durch die Debatte zieht in einem Land, das jeden Morgen von einer neuen brennenden Flüchtlingsunterkunft aufgeweckt wird.

Einer dieser guten Deutschen könnte Mesbah sein, wäre er nicht Iraner. Ein paar Stunden nach dem Gabriel wieder verschwunden ist und längst wieder die "Besorgten" hinter den Real-Büschen ihre Parolen brüllen, kommt der Aktivist am Baumarkt an. Mesbah ist selbst Flüchtling. Mit seiner Frau war er am Freitag einer der ersten Gegendemonstranten, die sich bis zu 1000 Nazis entgegenstellten. Ob er so etwas schon einmal erlebt habe? "Nein, auch nicht im Iran."

Die Polizei habe ganz klar gesagt, dass sie ihn und die nur rund ein Dutzend linker Aktivisten nicht beschützen könnten. "Ich denke, sie wollten es auch nicht", sagt er und hört nicht mehr auf zu erzählen. Von Zeltstadt und Chemnitz, von Polizeigewalt gegen linke Demonstranten und Pegida. Von den Flüchtlingen, die sich in diesem Moment in Leipzig weigern, nach Heidenau gebracht zu werden. Von dem Bundesland, das sich - wie viele andere Bundesländer - chronisch weigert, sich auf höhere Flüchtlingszahlen einzustellen. Um sich dann nach Turnhallen, Zeltlagern und Naziprotesten als chronisch überfordert zu geben. Er erzählt von der der Normalität von Flüchtlingen in Sachsen.

Die Normalität sitzt sechs Treppenstufen über Mesbah. Flasche Bier in der Hand und wohl schon einige im Bauch. Ausgewaschene Klamotten. Sächsischer Dialekt bis zur Unverständlichkeit. Es ist nicht einfach, Heidenauer wie ihn zu beschreiben, ohne das typische Klischee von rassistischem Provinz-Ossi zu bestätigen. Sobald der Mann den Mund aufmacht, tut er es ohnehin selbst. "Der Baumarkt wird nicht mehr lange stehen, das ist klar", sagt er und grinst in sich hinein.

Ja, er habe etwas gegen Flüchtlinge. "Weil die nicht arbeiten und wir Deutschen haben nichts." Oder: "Weil die uns die Arbeit wegnehmen und wir Deutschen haben nichts." Wie lang er hier noch sitzen bleiben wolle? "Bis die Ausländer weg sind." Aber da kommt schon einer seiner Kammeraden von der anderen Straßenseite herübergerannt. "Mache das scheiß Ding aus", ruft der in Richtung der filmenden Journalisten und kann sich nicht entscheiden, welche Kamera er zuerst wegschlagen soll. Es dauert fünf Minuten, bis die zehn Meter entfernt stehenden Polizeibeamten sich entscheiden können, ihn abzuführen.

Viel an diesem überwiegend ruhigen Montag in Heidenau wirkt eher skurril als bedrohlich. Die Kamerateams von RTL und MDR, die vor dem Baumarkt um die wenigen Flüchtlinge diesseits der Sitzschutzplane konkurrieren. Die unermüdlich plärrende Gruppe "Besorgter" jenseits der Büsche vom Real-Parkplatz. Die Polizisten, die so viel im Umfeld des Baumarktes patrouillieren, als versuchten sie, das Versagen der letzten Tage gegenüber gewalttätigen Nazis durch Ausweiskontrollen bei Passanten wieder gut zu machen. Wie gesagt, fast wirkt es so, wären da nicht doch wieder die echten Sorgen.

"Als wir mit Bus am Samstag hier ankamen, hab ich nur gebetet, bitte lass uns nicht hier anhalten", erzählt Mahmud von dem Tag als er von Deggendorf nach Heidenau gebracht wurde. Ob man ihm gesagt habe, warum? "Nein." Erklärt, was in Heidenau auf ihn wartet? "Nein, nichts." Vor zwei Monaten flüchtete er aus der syrischen Stadt Aleppo. "Ich dachte, der Krieg sei vorbei", ist einer der Sätze, die aus dem Mund eines Kriegsflüchtlings dann doch erst einmal wieder surreal wirken, bis sie die ganze dramatische Realität von Flüchtlingen in Deutschland offenbaren.

Am Nachmittag besucht Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Linken der Linken den Baumarkt. Es mag dem Umstand geschuldet sein, dass ihr Wahlkreis kaum 15 Kilometer von hier entfernt liegt, aber auch sie hat sich schon kritischer über sächsische und deutsche Flüchtlingspolitik geäußert. Auch wenn sie es anders als andere Politiker schafft, mit ihrem Lob von "Ehrenamtlichen, die den Großteil der Arbeit hier machen und dafür auch noch nach der Arbeit angepöbelt werden", den Rassismus der Übrigen nicht zu relativieren.

Einige, die auch nicht zu den Übrigen gehören, sich stattdessen solidarisch mit den Flüchtlingen zeigen wollen, haben sich zu dieser Zeit zu einem ökumenischen Gottesdienst getroffen. Nicht vor dem Baumarkt. Auch nicht in der Nähe. Anderthalb Kilometer von den Flüchtlingen entfernt in einer kleinen Kirche, dort wo Heidenauer zum Wohnen und nicht nur zum Tanken hinfahren. In dem Aufruf, den die Kirche vorab herumgeschickt hat, steht: "Wir bitten Sie, sich von Gewalt mit Worten oder Taten zu distanzieren", und es ist die Rede von "verständlichen Befürchtungen um Ruhe, Ordnung und Sicherheit." Für die Sicherheit vor der Flüchtlingsunterkunft sorgen in dieser Zeit zwei Dutzend Polizisten und ungefähr ebenso viele angereiste Aktivisten.

Es ist spät am Abend, als Heidenaus Oberbürgermeister Jürgen Opitz aus dem Friedensgebet zu seinem täglichen Besuch vor die Flüchtlingsunterkunft kommt. Opitz hat sich - das ist für den OB eines so kleinen Ortes nicht selbstverständlich - schnell gegen jenen Teil seiner Bevölkerung gestellt, die für ihn "nicht mein Heidenau" sind. Aber auch vor jenen, den er weiter vehement als eigentlich mitmenschliche, schlimmstenfalls schweigende Mehrheitsbevölkerung darstellt. Opitz ist einer, der in seinen Endlosantworten die Gewalt nicht aus Berechnung relativiert, sondern aus der Unfähigkeit, sich klar auszudrücken. Heidenau sei anders als die jüngsten Bilder vermittelt hätten, sagt er im Interview. Neonazis gebe es schließlich "in jedem Ort".

Nur in Heidenau stehen sie nun schon den fünften Tag in Folge vor einer Flüchtlingsunterkunft. Dort leuchtet an diesem Abend ein Peace-Zeichen aus Teelichtern. Eine Gruppe afghanischer Flüchtlinge hat es da hingestellt.

Und schließlich passiert es doch noch: Ein Heidenauer Pärchen setzt sich zwischen die Gruppe aus Aktivisten, Flüchtlingen und Journalisten und verteilt ein Sixpack alkoholfreies Bier. Aus einem vorbeifahrenden VW Polo ruft jemand: "Wer Heidenau nicht liebt, soll Heidenau verlassen" und "Deutschland den Deutschen". Sami aus Aleppo erzählt von seinen Sorgen. "In der Türkei, im Libanon, im Irak haben uns die Menschen willkommen geheißen. Warum könnt ihr Deutschen das nicht?"

Quotemarasek, 25. August 2015 15:50

Man hat den Deutschen jegliche Solidarität aberzogen

"Wettbewerbsfähigkeit" und "Leistung muss sich wieder lohnen", das
waren die Gebote der Stunde. Gegen die Abgehängten hat man gehetzt.
So kam es aus dem Munde der Politiker, so stand es in den
Schlagzeilen, so wurde es in wohlfeilen Artikeln verklausuliert
geschrieben, so wurde es in Talkshows wieder und wieder und wieder
durchgekaut, und so wurde Politik gemacht. Es wurde nach Bedarf gegen
Linke, Gewerkschafter, Aktivisten, Arbeitslose gehetzt.

Es wurde auch gegen das Fremde gehetzt, wenn es opportun war, gegen
die Russen, die Griechen, die Moslems.

Und nun erwartet man, dass die Leute den roten Teppich für
Flüchtlinge ausrollen, ohne dass man selbst Konzepte anböte.

Das ist weltfremd.

http://www.heise.de/tp/foren/S-Man-hat-den-Deutschen-jegliche-Solidaritaet-aberzogen/forum-295601/msg-26901471/read/

QuoteWalther Döring 26. August 2015 07:40
Wir alle entstammen Völkerwanderungen! => Anpacken, nicht jammern!

Das Rhein-Main-Gebiet ist DAS Einwaderungsparadies bis heute. Meine
Vorfahren kamen zum Beispiel aus Nord-Ost-Frankreich in den 1890ern.
Das Ruhrgebiet ist voller Schimanskies, Katzmirschaks oder
Stachoviaks. Später kamen dann die Italiener und dann natürlich die
Türken. Deutschland ist attraktiv. Wem kann man es verdenken, dass er
kommen will.

Ich möchte die Sachsen nicht angreifen aber auch sie sind da nicht
wie die Pilze aus dem Boden geschossen, sondern eingewandert. Warum
sollte diese Einwanderung besser oder gerechter sein als die Heutige?
Wer wurde dafür vertrieben? Waren die Landstriche immer menschenleer?
Die Menschheitsgeschichte ist die Geschichte der Verbreitung durch
Wanderung. Nach dem Krieg (1945) waren wir rund 65 Mio Menschen in
Deutschland und haben bis 1955 rund 14 Mio Flüchtlinge aufgenommen.
Deutschland war zerstört. Dann kam das Wirtschaftswunder. ...

http://www.heise.de/tp/foren/S-Wir-alle-entstammen-Voelkerwanderungen-Anpacken-nicht-jammern/forum-295601/msg-26902609/read/

...


Aus: "Gastfreundschaft in Heidenau" Fabian Köhler (25.08.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45794/1.html (http://www.heise.de/tp/artikel/45/45794/1.html)
Title: [In einem überfüllten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2015, 03:03:11 PM
Quote[...] In einem überfüllten ungarischen Flüchtlingslager ist es zu Ausschreitungen gekommen. 200 Flüchtlinge widersetzten sich der Registrierung. Zuvor hatten sich die Menschen über die extrem beengten Zustände im Lager beschwert.

Die Polizei setzte Tränengas ein. Die Lage beruhigte sich schnell wieder, nachdem ein Sprecher der Flüchtlinge auf die Menschen einwirkte. In dem Lager halten sich nach Schätzungen zwischen 1.000 und 2.000 Menschen auf, die teilweise in Zelten untergebracht sind.

Der Andrang von Flüchtlingen an der ungarisch-serbischen Grenze nimmt wenige Tage vor der Fertigstellung des Grenzzauns  immer weiter zu. Nach Angaben der Behörden erreichten allein am Dienstag 2.533 Menschen die Grenze, so viele, wie nie zuvor an einem Tag. Insgesamt kamen in den vergangenen Tagen etwa 7.000 Flüchtlingen an. Viele hatten zuvor an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien festgesessen.

Ungarn will die Grenzkontrollen aufgrund des anhaltenden Andrangs weiter verschärfen. Die Behörden kündigten an, 2.100 weitere Polizisten an die Grenze zu Serbien zu entsenden. Auch der Einsatz des Militärs wird erwogen. Darüber müsse aber in der kommenden Woche zunächst das Parlament beraten, sagte ein Regierungssprecher.

Ungarn versucht Flüchtlinge mittels eines 3,5 Meter hohen Zauns abzuhalten, der seit Anfang August auf einer Strecke von 175 Kilometern an der Grenze errichtet wird. Seit Baubeginn hat sich der Andrang allerdings massiv verstärkt. Viele Flüchtlinge versuchen, noch vor der Fertigstellung über die Grenze zu gelangen. Die Zahl der Neuankömmlinge pro Tag stieg von durchschnittlich 150 in der ersten Jahreshälfte auf mehr als 2.000 im August.   

Die Grenzanlage ist extrem umstritten. Die ungarische Regierung verteidigt sie aber immer wieder als einzige Möglichkeit, dem Andrang Herr zu werden. Sozialminister Zoltán Balog sagte dem Deutschlandfunk, man habe monatelang "die Alarmglocke in Brüssel geschlagen". Eine Antwort habe es nicht gegeben. "Nun sind wir gezwungen, einseitige Dinge zu machen, die Aufsehen erregen." Er hoffe, dass die Entscheidungsträger damit zu "einer schnelleren Reaktion" gezwungen würden. Bisher fehlten auf europäischer Ebene die Antworten auf die Herausforderungen der Flüchtlingskrise.

Insgesamt kamen in Ungarn in diesem Jahr bereits 100.000 Flüchtlinge an, was im Vorjahresvergleich eine Verdoppelung bedeutet. Nach ihrer Registrierung und dem Stellen eines Asylantrags kommen die Flüchtlinge in eines der ungarischen Aufnahmelager. Die meisten verlassen diese aber schnell wieder, um in andere EU-Staaten wie Deutschland und Schweden weiterzureisen.


Aus: "Ungarn: Polizei geht mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor" (26. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/ungarn-fluechtlinge-grenze-polizei-traenengas (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/ungarn-fluechtlinge-grenze-polizei-traenengas)

Title: [Nach wie vor ist unklar... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2015, 01:19:40 PM
Reinickendorf ist ein Ortsteil im gleichnamigen Bezirk Reinickendorf von Berlin, der aus dem Angerdorf Alt-Reinickendorf hervorgegangen ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Reinickendorf (https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Reinickendorf)

Quote[...] Nach wie vor ist unklar, warum am Mittwochmittag die Sporthalle auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervernklinik niederbrannte. Eine Polizeisprecherin sagte am Donnerstagmorgen, die Ermittlungen am Brandort könnten frühestens im Laufe des Vormittags beginnen. Zum einen sei die Brandstelle immer noch heiß, desweiteren sei unklar, ob womöglich beim Brand Schadstoffe ausgetreten sind. Statiker müssten prüfen, ob die frühere Turnhalle betreten werden könne.

Die erste Meldung ging um 15.42 Uhr bei der Feuerwehr ein. Eine Sporthalle auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf stehe in Flammen, hieß es. Die Feuerwehr rückte mit vier Löschstaffeln aus, sagte ein Sprecher: Mehr als 100 Leute waren im Einsatz, da die Halle in ganzer Ausdehnung brannte. Menschen waren nach Feuerwehrangaben nicht in Gefahr.

Die Einsatzkräfte ließen die Halle kontrolliert niederbrennen. Am Abend waren immer noch Nachlöscharbeiten erforderlich. Wie die Polizei mitteilte, werde das zerstörte Gebäude voraussichtlich am Donnerstag freigegeben. Dann würden sich Spezialisten umgehend auf die Suche nach der Brandursache begeben.

Nach Angaben von Einsatzkräften vor Ort sei die Halle abgeschlossen gewesen. Sie berichteten von einem rasanten Brandverlauf, allerdings auch durch den Wind angefacht. Die Halle sei nicht mehr zu retten gewesen. Die Bewohner einer nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft mussten sicherheitshalber zeitweise ihre Wohnungen verlassen, die Anwohner wurden aufgefordert, die Fenster zu schließen, damit sie nicht durch asbesthaltige oder andere Stoffe gefährdet würden.

Von einer Wiese aus beobachteten die Flüchtlinge die Löscharbeiten. Dragan Stanojevic war gerade mit seiner Freundin im Zimmer, als eine Frau hereinstürzte. "Das Heim brennt, alle schnell raus hier", habe sie gerufen, erzählte er, seine drei Kinder um ihn herum. "Draußen haben wir dann sofort die Rauchsäule gesehen." Die Brandanschläge der letzten Tage habe er mit Erschrecken zur Kenntnis genommen. Hoffentlich gebe es diesmal eine andere Ursache.

Auch die Polizei eilte am Nachmittag zum Brandort, weil sich auf dem Gelände der Klinik bereits mehrere Flüchtlingsunterkünfte befinden und zunächst Gerüchte kursierten, wonach die brennende Halle als weitere Flüchtlingsunterkunft im Gespräch gewesen sein soll. Eine Sprecherin des Krankenhauskonzerns Vivantes, dem das Gelände der ehemaligen Bonhoeffer-Nervenklinik gehört, bestätigte dies aber nicht. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verneinte ebenfalls, dass die brennende Sporthalle zur Unterbringung von Flüchtlingen geplant sei.

Die Sporthalle, die von der Betriebssportgruppe von Vivantes genutzt wurde, befindet sich am Rande des Geländes und rund 200 Meter von einer größeren Flüchtlingsunterkunft entfernt. Insgesamt leben auf dem gesamten Gelände in vier Häusern rund 900 Flüchtlinge. Es sei nicht vorgesehen, weitere Flüchtlinge auf dem Gelände unterzubringen, teilte die Sozialverwaltung weiter mit. Geplant sei aber, in der bereits bestehenden Unterkunft zukünftig auch eine Erstregistrierung durch mobile Teams des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) vorzunehmen.

Zur Brandursache könne in den nächsten Stunden keinerlei Angaben gemacht werden, sagte ein Polizeisprecher. "Noch können unsere Brandexperten nicht mit den Ermittlungen beginnen, wir beschränken uns darauf, das Gelände abzusperren." Allerdings ermittle wie immer in solchen Fällen auch der Staatsschutz, da eine politisch motivierte Straftat nicht auszuschließen sei. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hält zwar einen technischen Defekt für wahrscheinlicher, kann aber auch eine andere Ursache nicht ausschließen. Am Abend gab es immer noch kleine Glutnester, Teile der Halle brachen ein.

Viele Berliner Politiker veröffentlichten unmittelbar nach Bekanntwerden des Brandes Statements oder eilten zum Brandort wie Innensenator Frank Henkel (CDU), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD).Völlig fassungslos stand Hakan Tas vor der brennenden Halle auf dem Klinikgelände. Der Innenpolitiker der Berliner Linksfraktion engagiert sich seit Jahren für Flüchtlinge in seinem Wahlkreis Reinickendorf. Weil die Flüchtlingskinder ihn gebeten hatten, für sie einen Ort zu suchen, wo sie im Winter Fußball spielen könnten, hatte er einen Nutzungsvertrag mit Vivantes über die Halle abgeschlossen. "Ab September hätten wir dort spielen können", sagt er: "Ich hoffe immer noch, dass es keine Brandstiftung war."

...

Quoterobie1986
   26.08.2015 18:01 Uhr

Titel*
Danke lieber Pegida Demonstranten und besorgte Bürger, dass Ihr den Nährboden für genau das hier gelegt habt.

Und sagt nicht, ihr habt es nicht gewusst, denn wir haben euch das von Anfang an gesagt. Ihr seit die, die bei den rechten Idioten das Gefühl erzeugt haben in der Mehrheit zu sein, "das Volk" zu sein, und dass eine Mehrheit es gut findet, was sie denken. Ihr habt denen eine gefühlte Input-Legitimation gegeben und an euren Händen klebt das Blut, bzw. zur Zeit noch die Asche.

Und daran ist nicht "die Politik" oder "die Medien" schuld, nein ihr seit schuld, genau ihr Typen, die "nichts rechts sind, aber...".

Aber wir sind die Mehrheit und das zeigen wir bei jeder Wahl und wir stellen hier die Regeln auf und verteidigen unsere Grundwerte, die im Grundgesetz niedergeschrieben sind, auch gegen euch.



Aus: "Abgebrannte Sporthalle: Ermittlungen noch nicht begonnen"  Sandra Dassler, Ingo Salmen, Nandor Hulverscheidt (27.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/200-meter-neben-fluechtlingsheim-abgebrannte-sporthalle-ermittlungen-noch-nicht-begonnen/12238016.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/200-meter-neben-fluechtlingsheim-abgebrannte-sporthalle-ermittlungen-noch-nicht-begonnen/12238016.html)

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Quote[...] Der Fall der abgebrannten Turnhalle in Wittenau ist offenbar aufgeklärt, verkündete das Polizeipräsidium am Samstagnachmittag nach intensiven Ermittlungen. Demnach haben mehrere Kinder zugegeben, in die Sporthalle eingebrochen zu sein und dort gezündelt zu haben. Es sind laut Polizei Flüchtlingskinder aus dem Heim auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Klinik.

Wie berichtet, war die Sporthalle bei dem Brand vollständig zerstört worden. Das Feuer war so stark, dass die Bewohner des 200 Meter entfernt liegenden Flüchtlingsheimes das Grundstück verlassen mussten. Angesichts der jüngsten rechtsextremistisch motivierten Taten war auch der für politische Delikte zuständige Staatsschutz der Polizei eingeschaltet worden. Erst einen Tag zuvor war im brandenburgischen Nauen eine Sporthalle angezündet worden, in die Asylbewerber einziehen sollten. Politiker aller Parteien hatten sich nach dem Brand im Bezirk Reinickendorf entsetzt gezeigt, Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) hatte ,,mehr Sicherheit" für Flüchtlinge gefordert, andere hatten auf eine ,,aktive NPD" in Reinickendorf hingewiesen.

Doch Zeugenaussagen brachten die Beamten schnell auf die Spur eines achtjährigen Kindes, das im Heim nebenan lebt. Im Beisein der Eltern wurde es von Beamten angehört. Dabei gab der Junge an, dass er mit weiteren Kindern am Nachmittag in die Turnhalle eingedrungen sei und dort gekokelt habe. Die anderen Jungen konnten anschließend ermittelt werden; sie wurden ebenfalls angehört. Zwei von ihnen haben die Tat ebenso zugegeben. Alle Beteiligten sind strafunmündig und wurden bei ihren Eltern belassen. Woher die Kinder stammen, wollte die Polizei nicht sagen.

Eigentlich war geplant gewesen, dass die Flüchtlingskinder ab September die Halle nutzen dürfen. Bislang trainierten Angestellte des Klinikkonzerns Vivantes in der Halle. In dem Heim auf dem Krankenhausgelände sind etwa 900 Flüchtlinge aus vielen Ländern untergebracht. Innensenator Frank Henkel (CDU) lobte am Sonnabend die Polizei, die ,,ohne Vorfestlegungen" ermitteln konnte.

Auch das schlimmste Feuer der letzten Jahrzehnte in Berlin war durch ein Kind ausgelöst worden, das im eigenen Haus gekokelt hatte. Bei dem Brand in der Moabiter Ufnaustraße starben 2005 neun Menschen. Sie stammten aus arabischen Ländern und dem Kosovo.


Aus: "Berlin-Reinickendorf Zündelnde Kinder verursachten Brand in Turnhalle" (29.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-reinickendorf-zuendelnde-kinder-verursachten-brand-in-turnhalle/12251922.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-reinickendorf-zuendelnde-kinder-verursachten-brand-in-turnhalle/12251922.html)

Title: [Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2015, 01:26:28 PM
Quote[...] Die österreichische Polizei hat in einem Schlepperfahrzeug die Leichen von mehreren Flüchtlingen gefunden. Das Fahrzeug sei auf der Autobahn A4 südlich von Wien unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit.

Die "Kronenzeitung" berichtet von bis zu 50 toten Flüchtlingen, die in dem Lastwagen entdeckt worden seien - möglichweise seien die Menschen in dem Anhänger erstickt.

Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet von mindestens 30 Toten. Die Leichen seien in einem Lastwagen auf einem Pannenstreifen in der Nähe von Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) gefunden worden.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will sich in Kürze zu dem Vorfall äußern.

Laut "Kronenzeitung" hatte die Polizei erst am Vormittag einen anderen Vorfall bekannt gegeben. Bei Bruck an der Leitha seien drei Schlepper gefasst worden. Einer von ihnen hatte demnach in einem Kastenwagen 34 Flüchtlinge, darunter Kinder, über die Grenze nach Österreich gebracht. Die Flüchtlinge sagten dem Bericht zufolge gegenüber der Polizei, dass sie in dem Fahrzeug "kaum Luft zum Atmen" bekommen hätten, der Fahrer aber trotz mehrfacher Bitten anzuhalten von der serbischen Grenze bis nach Österreich durchgefahren sei.

Zehntausende Flüchtlinge kommen über die Balkanroute nach Mittel-und Nordeuropa und durchqueren dabei auch Serbien, Ungarn und Österreich. Viele von ihnen sind Syrer, Iraker und Afghanen.

anr/dpa/Reuters


Aus: "Österreich: Polizei findet mehrere tote Flüchtlinge in Lastwagen an Autobahn" (27.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreich-tote-fluechtlinge-in-laster-gefunden-a-1050120.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreich-tote-fluechtlinge-in-laster-gefunden-a-1050120.html)

Title: [Dort erkennt man das altbekannte Muster... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2015, 02:23:25 PM
Quote[...] "Vergiss nicht, dass dein Satz eine Tat ist", hat der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einmal geschrieben. Ein Satz, der in Zeiten von offener Hetze und blankem Hass in sozialen Medien und Internetforen keine Gültigkeit zu haben scheint.

...


Aus: "Drohungen im Internet: Jeder Satz eine Tat - auch online" Hasnain Kazim (27.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hetze-gegen-fluechtlinge-im-internet-jeder-satz-eine-tat-kommentar-a-1049894.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hetze-gegen-fluechtlinge-im-internet-jeder-satz-eine-tat-kommentar-a-1049894.html)

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Quote[...] Die Bombendrohung gegen die SPD-Zentrale nach Sigmar Gabriels klaren Worten über den rassistischen Mob von Heidenau hat eine sinnvolle Folge: Jetzt ist jedem, der es wissen will, die rechtsterroristische Dimension des Hasses klar. Wer es nicht wissen will, wird auch dann noch nicht überzeugt sein, wenn Tote zu beklagen sind.

Und es werden Menschen sterben, das ist die bittere, die eklige Wahrheit. Jeden Tag brennt irgendwo ein fast bezugsfertiges Flüchtlingsheim, und es wirkt nicht so, als würden sich die Täter vorher in der Katasterabteilung des Bundesamts für Migration erkundigen, ob die Gebäude nicht doch schon bewohnt sind.

In der Nacht zu Mittwoch sind zwei mit einem Messer bewaffnete Männer in Parchim in ein Flüchtlingsheim eingedrungen, die Bewohner konnten sich retten und den Sicherheitsdienst verständigen. Diese Absurdität! Im Juni 2015 kam fast die Hälfte der Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak oder Eritrea. Sie sind der nackten Kriegsgewalt entkommen, nur um in Deutschland von rassistischem Terror bedroht zu werden.

Genau jetzt findet in Deutschland ein Defining Moment statt, eine der Situationen, die eine Generation prägen können. Aus einem diffusen und rassistischen Mob, aus Leuten, die hauptberuflich deutsch sind und sonst nichts, gerinnt eine terroristische Bewegung. Und das Internet, die sozialen Medien spielen dabei eine wichtige, vielleicht entscheidende Rolle.

Der Extremismusforscher Andreas Zick beschrieb im Deutschlandfunk einen essenziellen Zusammenhang: In Heidenau seien die Krawalle nicht von einem spontan agierenden Mob ausgegangen, sondern von einer Gruppe, die sich seit Monaten organisiert. Seiner Einschätzung nach ist die Bewegung unter anderem im Phänomen Pegida verwurzelt. Man muss dazu wissen, dass zwischen Heidenau und dem Pegida-Versammlungsort am Neumarkt in Dresden nur zehn Kilometer Luftlinie liegen. Im bittersten Sinn nur einen Steinwurf entfernt.

Im Netz kursiert ein detaillierter Leitfaden der Neonazipartei "Der Dritte Weg" mit dem Titel "Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! Wie be- beziehungsweise verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft". Darin wird die Gründung einer Facebook-Gruppe und die Vernetzung mit anderen Anti-Asyl-Initiativen empfohlen.

Die Professionalität der Broschüre überrascht ebenso wie die Paragrafensicherheit im Text und die umfangreichen Musterformulare. Aber insbesondere durch den zwischen den Zeilen herausquellenden, blanken Hass liest sich das Papier wie eine Anleitung für genau die Communitys, in denen gewalttätige Aktionen wie in Heidenau organisiert werden.

Der Rechtsextremismus-Experte von "tagesschau.de", Patrick Gensing, erklärt im Artikel "Vom Netz auf die Straße", dass sich aus den teilweise über Jahre organisierten Netzgruppen Gewalttäter herausbilden. Es ist eine Netzsaat des Hasses, die dort aufgeht, in Flammen aufgeht. Gensing schließt mit den Worten: "Und aus den Schlagworten sind wieder Brandsätze geworden."

Der Defining Moment Deutschlands zieht herauf, eine neue, netzbasierte, dezentrale Terrorbewegung bildet sich. Die Zivilgesellschaft ist live dabei, kann im Netz zuschauen, wie sich Ängste, Schwächen, Unwissen durch gezielte, organisierte, rechtsradikale Propaganda verwandeln. Und zwar in eine aggressive, über soziale Medien verbreitete Hassstimmung, die den Nährboden für Gewalt bereitet. Es ist auch diese Stimmung, in der Neonazis in der S-Bahn "Heil Hitler" rufen und auf ein fünfjähriges Kind urinieren. Das ist wirklich passiert, im August 2015, in Deutschland.

In gewisser Weise ist der Fluch der sozialen Medien, dass Hasskommentare für manche Leute als Anlass und Antrieb für Gewalttaten funktionieren. Hier spielt Facebook eine unselige Rolle. Immer wieder werden Beschwerden laut, dass eindeutige Hassreden und Gewaltaufrufe nicht gelöscht würden, weil sie nicht gegen die "Community-Standards" verstoßen würden. Eine Facebook-Sprecherin erklärte, es handele sich um Einzelfälle, aber das dahinterstehende Problem geht tiefer und ist sehr viel komplexer.

Die gemeldeten, aber ungelöschten Hasskommentare sind nur die sichtbare Spitze des Problemeisbergs: Es geht um Entstehung, Organisation und Befeuerung von Hassgemeinschaften in sozialen Medien. Für diese Probleme gibt es - wie für die meisten Probleme der digitalen Gesellschaft - keine simple, technische Lösung. Trotzdem kann und muss man von einem Unternehmen mit einem Jahresgewinn um die drei Milliarden Dollar erwarten, mehr gegen das Hatespeech-Problem zu tun. Erst recht, wenn dadurch ein völkischer Terrorismus begünstigt wird.

Doch dem Internet-Blick nach Kalifornien muss der Blick in den deutschen Spiegel vorausgehen. Dort erkennt man das altbekannte Muster der Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Samt einer gefährlichen wie bizarren Schuldumkehr.

Wenn zum Beispiel der Thüringer SPD-Chef Flüchtlingskinder nicht einschulen will, um, Zitat: ein "weiteres Heidenau" zu verhindern - dann sagt er damit implizit, dass die bloße Präsenz von nicht-deutschen Kindern für rassistischen Terror mitverantwortlich ist. Es ist dieses Denken, das als Grundlage fungiert für die herbeiimaginierte Bedrohung durch Flüchtlinge, auf die Gewalttäter glauben, reagieren zu müssen: "Freital wehrt sich."

Verbunden mit einer verharmlosenden Perspektive auf Nazigewalt: Noch immer spricht die sächsische Polizei in offiziellen Mitteilungen über die Einsätze in Heidenau ernsthaft von "Asylkritikern", wo über Tage hinweg "Heil Hitler"-Rufe aus dem rechtsradikalen Mob zu hören waren. Offensichtlich geht die sächsische Polizei bei den Gegendemonstrationen entschiedener, schneller und härter vor als gegen gewalttätige Neonazis. Videos tauchen auf, in denen Nazis Polizisten jagen, an zwei Tagen werden in Heidenau Dutzende Polizisten verletzt. Wie viele Festnahmen es am zweiten Tag gab? Eine. Es war ein Pressefotograf. [https://www.freelens.com/news/pressefreiheit-a-la-sachsen/ (https://www.freelens.com/news/pressefreiheit-a-la-sachsen/)]

Eine verstörende Parallele ergibt sich zum Versagen des Verfassungsschutzes beim NSU: der dringende Verdacht, dass Teile der Behörden gewalttätige, organisierte, terroristisch agierende Nazis nicht als Problem betrachten. Sich in den Apparaten vielleicht sogar heimliche wie unheimliche Sympathien entwickelt haben.

Mit der Bombendrohung gegen die Parteizentrale des Vizekanzlers der Bundesrepublik bekommt die Situation eine neue Färbung. Niemand kann mehr erklären, dass es hier nur um rassistische Angriffe vorgeblich "besorgter Asylkritiker" geht. Es geht um eine dezentral organisierte Naziterrorbewegung, eine Art NSU 2.0 mit dem Ziel einer rassistischen Gesellschaftsordnung. Der Defining Moment unserer Generation wird sein, wie wir damit umgehen. [http://www.spreeblick.com/blog/2015/08/25/entscheide-dich-endlich-deutschland/ (http://www.spreeblick.com/blog/2015/08/25/entscheide-dich-endlich-deutschland/)]

Quote26.08.2015, 17:59 von AllesnureinWitz

Lobo gehört zu den wenigen, die schonungslos und ohne zu relativieren über die Nazis berichten. Ich bin mir auch sicher, dass es demnächst Tote geben wird, wie z.B. einst in Lichtenhagen. Dann sind wieder alle "empört und betroffen", haben es einfach nicht kommen sehen und man wird wieder 2 bis 3 Tage über Vorratsdatenspeicherung oder ein Killerspielverbot diskutieren.
Man wird wie immer vor den Nazis kuschen, politisch korrekt von "Asylkritikern" sprechen, ihr Handeln entschuldigen. Bloß keine Debatte über den in unserer Gesellschaft inhärenten Rassismus, lieber ein wenig über Ossis ablästern, den Rest betrifft das ja bestimmt eh nicht...
Auch das von Lobo angesprochene Problem, dass die Polizei bei Rechtsextremen regelmäßig die Samthandschuhe auspackt, gehört in die Debatte.
http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/organisierte-nazis-wie-im-netz-der-hass-gesaet-wird-thread-344835-3.html#postbit_33857076

Quote26.08.2015, 18:23 von dirtybob

Geteilter Meinung

Ich stimme vielem zu, aber einiges finde ich auch zu einfach gedacht. Facebook für das Hatespeech Problem anprangern ist leicht. Aber die Konsequenz wäre doch, wenn Facebook diesen Dingen konsequent nachgeht, dass es zu einem starken Eingriff der Meinungsfreiheit ausartet - sprich Zensur. Das wäre dann wieder die nächste Steilvorlage für einen kritischen Artikel. Ich sehe nicht so sehr Facebook in der Pflicht, sondern uns als Bevölkerung. Und ich sehe als Ziel auch nicht die Errichtung einer rassistischen Gesellschaftsordnung. Ich finde die Hintergründe komplexer, auch im Hinblick auf die EU und die Griechenlandkrise. Und ich finde es gut, dass der scheinbar verharmlosende Ausdruck "Asylkritiker" verwendet wird, weil es in meinen Augen schon Unterschiede gibt. Die rechte Haltung eines Klischee-Nazis ist ziemlich extrem und gewaltbereit. Hier wird jedoch eine Bevölkerungsgruppe angesprochen, die in ihren Denkweisen zwar klar rechts sind, aber nicht so gewaltbereit, sondern in meinen Augen eher moderat einzustufen sind. Diese Gruppen werden nun durch eine Ausnahmesituation aktiviert und angestachelt. In einem Stimme ich aber voll überein - gerade weil hier eine breitere Masse betroffen ist, kann dies gut und gerne als Gradmesser für die Geisteshaltung unserer Nation genommen werden.


Quote26.08.2015, 18:30 von fab64

Mit Pegida fing es an

Ich gebe H. Lobo recht, seit Pegida habe auch ich das Gefühl das sich in den Diskussionen über Flüchtlingsfragen in den sozielen Medien einiges geändert hat: Es wird überwiegend schawrz -weiß argumentiert. Es war ein großer Fehler, die Pegida Anhänger alle über einen Kamm zu scheren und als braunen Mob zu brandmarken. Ja, das sind sicher einige Nazis dabei, aber man hätte mit der Bewegung sprechen müssen. So hätten diese Farbe bekennen müssen, was sie eigentlich wollen. Das hätte sicherlich hier und da die Spreu vom Weizen getrennt. Jetzt aber hat man eine undurchsichtige Masse an Nazis, VT'lern, USA Bashern, aber auch Leuten, die nur mit der aktuellen Flüchtlingspolitik (und/ oder Politik gesamt) unzufrieden sind, die sich im Internet aber dennoch alle einer Gruppe zugehörig fühlen bzw. auch weiterhin als solche von anderen eingordnet werden: Die "besorgten Bürger". Diese Gruppe hat aber keine publizierten Maßstäbe, an der sie sich selbst messen und regeln kann. Weil man halt all diese verschiedenen Meinung nicht herauskristallisiert hat sondern nur als einzige Meinung brandmarkt und unter den Teppich kehrt. Ich halte das für gefährlich.


Quote26.08.2015, 18:36 von Bronco_Buster

Angst

Die Menschen, Hr. Lobo haben Angst. Panische Angst. Und zwar nicht davor, dass ihnen die Flüchtlinge irgend etwas wegnehmen, sie angreifen oder vergewaltigen, wie ihnen das immer wieder gerne unterstellt wird. Sie haben Angst davor, wie dieses Land, das auch ihr Land ist, 50 Jahre nach der millionenfachen Zuwanderung von Menschen muslimischen Glaubens aussieht. Eine Angst, die einem Kinderlosen wie Ihnen reichlich abstrakt erscheinen muss. Eine Angst, die von den übrigen Europäern augenscheinlich mehrheitlich geteilt wird. Wieso sonst sperrt sich eine breite Mehrheit der EU-Staaten rigoros gegen die Aufnahme von Flüchtlingen?


Quote26.08.2015, 18:36 von robert.c.jesse
Die Macht der Worte...

Das Meiste in diesem Beitrag ist richtig und Danke Lobo. Was mir aber schon bei der Aufarbeitung der Deutschen Vergangenheit nicht gefällt ist die Schuldzuweisung an die sogenannten "Nazis". Und das war doch nur einen Minderheit und alle Anderen haben nichts gewußt, mußten Befehle ausführen und waren von der allgemeinen Begeisterung verführt. Das läßt dann vermuten, dass es nur Wenige waren welche diesen Wahn des Nationalismus gefolgt sind. Das stimmt eben nicht. 75% der Deutschen ware begeisterte Anhänger des Führers und haben seine Ideen gebilligt und exekutiert. Nun spricht man wieder von "Nazis" die aber im weitesten Sinne keine sind. Man gibt diesen verwirrten Volkstümmlern mehr Kraft und Anerkennung die diese Narren vereint und stärkt. Es wäre vernünftig Sie als Kriminelle oder gar als psychisch erkrankt Menschen zu bezeichnen. Das Problem ist die Politik, die auch solche "Nazis" braucht um von ihren eigenen Handeln ablenkt und sie auch zum Werkzeug der "totalen" Kontolle hernimmt. Die Sicherheit geht vor Freiheit. Denn Bürger auf diesen Weg in ein Netz von Überwachung und "Kontrollgesetzen" einsperrt. Auch der Begriff "Pack" und Abschaum verhindern jeden Dialog und Möglichkeit dieses Problem des "Neuzeitrassismus" zu lösen. Solange muslimische Staaten wie Saudi Arabien an der Spitze keine "Freiheit des Glaubens" und den Respekt der Menschenwürde zuläßt, sie aber mit Waffen versorgt, wird es keine Lösung geben...



Quote26.08.2015, 19:03 von Landkaertchen
Die Frage des Wieso stellt sich immer...

... und keiner will sie beantworten. Es handelt sich hier um ein Massenphänomen, wie ich seit Monaten vor Ort mitbekommen kann. Nicht um kleinere Gruppen! Denn es sind die auch die Kollegen, die zwar nicht zur Demonstration gehen (oder das nicht erzählen), aber sich hin und wieder inhaltlich äußern. Wenn sie dann Pfeffer für ihre Meinung bekommen, sind sie halt Still. Was nicht heißt, dass sich ihre rechte Meinung geändert hat. --- Jedoch ist es auch nicht verwunderlich, dass es hier bei uns in Sachsen so viele Mitläufer und Mitdenker dieses "Packs" gibt. Und das, obwohl denen schon bewußt ist, dass sie 1990 in die BRD aufgenommen wurden und im Prinzip damit Wirtschafts"überläufer" sind. Nicht mal ehemalige Verfolgte. Auch keine, die vorm Krieg ausgerissen sind. -- Aber wieso reagieren diese Menschen so feindlich? Kann es am Lernprozess liegen, den diese ostdeutsche Gesellschaft mit der Wende vollzogen hat? Dass wir (insbesondere die unteren Einkommensgruppen mit ihren begrenzten Chancen am Arbeitsmarkt und ihrer nun mal begrenzten Intelligenz) letztlich nur als "Markt" und "Masse" wahrgenommen wurden und werden? (Das gilt inhaltlich für die gesamte Bundesrepublick. Nur wurde es vor Ort über viele Jahre als Kulturschock wahrgenommen, der sich noch immer nicht aufgelöst hat.) Ist es vielleicht eine entscheidende Ursache, dass das einzelne Individuum seit Jahren vom Politiker als Arbeitsmarkt und Kaufkraft und Rentenbezieher und ALG sonstwas-Bezieher und manchmal auch als Sozialschmarotzer verallgemeinert wird? Könnte es sein, dass sich die Intelligenz Deutschlands, auch die Medien, nicht direkt, aber indirekt immer wieder öffentlich herablassend zu diesen "Markterscheinungen" der Gesellschaft bekennen? -- Vielleicht, es ist eine Vermutung... Vielleicht ist diese Volkswirtschafts- und Marktbetrachtung und die damit einhergehende Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsschichten als reiner "Markt" oder irgend was Fiktives aber nie als Sammlung von Individuen das, was den Individuen dieser Gruppen seit Jahren deren innere Agression gegenüber Politik, Medien, Konzerne, Chefs, Besserwissern... steigern lässt? Und sich das jetzt entlädt? -- Und es hilft uns ganz bestimmt nicht, wenn man nun für diese Bevölkerungsschicht einen neuen Martbegriff, den des "Packs" erfindet! Das ist kontraproduktiv und dumm. Die Stimmung damit weiter anzuheizen ist Herrn Gabriel fortrefflich gelungen. Wenn die Feuerwehr wie Politiker reagieren würde, würde sie Brandbeschleuniger ins Feuer werfen, damit der Brandherd schneller abbrennt. Gesellschaftliche Brandherde brennen aber mindestens immer eine Generation lang! Wie kann man nur derart dumm sein? Kein Wunder, wenn es hier weiter eskaliert.


Quote26.08.2015, 18:37 von MephistoX
Danke Sascha, wie so oft eine zutiefst fundierte, ins Mark treffende Analyse höchst beschämender "deutscher Befindlichkeiten".

Völlig richtig: Den braunen Mob schon rein sprachlich als "Asylkritiker" zu verharmlosen, geht gar nicht - diese Verfassungsfeinde sind u.U. bereit, im Sinne ihrer kruden, menschenverachtenden Gesinnung über Leichen zu gehen.

Politik darf sich durch solche, von Ihnen als "hauptberuflich Deutsche" Bezeichnete in der Tat nicht einschüchtern oder gar lenken lassen und die Zivilgesellschaft muss - so gut es geht - dagegen halten. ...

Quote26.08.2015, 19:20 von bergi18
Hass und Gewalt ist keine Lößung..

Ich finde man sollte die ganze Angelegenheit nicht immer nur auf Deutschland beziehen. Das Aktuelle Problem ist ein gesamteuropäisches Problem, und desshalb ist es eine Wahre Tragödie,dass es uns Europäern nicht gelingt, eine Gewaltlose Lösung zu finden. Irgendwie sieht die gesamte europäische Politik über die Köpfe der europäischen Bürger hinweg, welche Ängste und Probleme die Menschen in Europa durch diese unüberschaubare Völkerwanderung überhaupt sehen kommen. Es ist nicht nur Deutschland die Angst um Ihre eigene Kultur und Sicherheit haben, nein, ganz Europa hat Angst. Es ist die "ANGST" der Menschen in Europa um Ihre Kultur die sie bekunden, und nicht der Hass auf Flüchtlinge, die in Europa das Paradies auf Erden suchen, dass es auch bei uns nicht gibt. Warum waren wir Europäer nicht im stande diesen Menschen in Ihren Herkunftsländern zu helfen? Wenn unsere Europäischen Politiker glauben, das die aktuelle Lage die bessere und günstigere Lößung ist, dann glaube ich, wir Väter und Mütter werden unseren Kindern mehr über Gewalt und Kriege erzählen müssen. Man kann nicht alle Kulturen auf einen Haufen vereinigen in keinem Land, das wird immer ein Wunschdenken der Politik bleiben, wird aber in der Realität niemals gelingen. Es ist einzig allein eine Frage der Zeit, wann dieses Wunschdenken explodieren wird. Die Zeit ist jetzt schon reif "ANGST" zu haben. Ich glaube, da steckt viel..viel..mehr dahinter als wir Europäer überhaupt mitbekommen, worum es mit der unüberschaubaren Völkerwanderung überhaupt geht.


Quote26.08.2015, 19:55 von MünchenerKommentar
Falsche Schwerpunkte

Soziale Medien als Problem wahrzunehmen, ist der falsche Ansatz. Soziale Medien verstärken eventuell nur einen Effekt, der auch ohne soziale Medien schon da ist, im positiven Sinne (z.B. im arabischen Frühling) oder im negativen Sinne (wie bei den hier angesprochenen Minderbemittelten). Man kann das eine nicht ohne das andere haben, und dann ist mir eine freie Meinungsäußerung wichtiger, vor allem da ja z.B. Volksverhetzung durchaus verfolgt werden könnte, wenn sich jemand die Mühe machen würde.

Das Problem dürfte vielmehr der unterschwellige Beifall der staaatlichen Organisationen (insbesondere der Polizei) zu den Vorfällen sein, wie ja im Artikel sehr schön beschrieben wird. Man möge sich nur mal vorstellen, wie die bayerische Polizei gegen eine Gruppe linker Jugendlicher vorgehen würde, die es wagen würden, beim G7-Gipfel (auf harmlose Art) zu demonstrieren und dies dann mit dem Vorgehen der Polizei in Sachsen vergleichen. Das ist ja auch kein Wunder, da sich eine in der Bevölkerung latent vorhandene rechte Meinung generell durch die Berufswahl "Polizei" weiter verstärkt (Welcher linke oder liberale Mensch geht heute noch freiwillig zur Polizei?).

Die Probleme ließen sich also wohl am ehesten durch den Einsatz nicht-ortsansäßiger Polizei lösen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Einsatz von Bundestruppen in Little Rock 1957.


Quote26.08.2015, 20:18 von hubertrudnick1
Hass schüren

Hass schüren und Brände legen ist doch die widerlichste Art wie man unsere Demokratie schädigen kann.
Es gibt kaum noch ein Tag, wo nicht irgendwo in Deutschland Gebäude abbrennen, bevor man sie für die vielen Flüchtligen vorbereiten kann.
Der Hass hat viele Ursprünge, aber so viel die Politik auch an ihren Aufgaben hat falsch gemacht, oder versäumt hat, es gibt keinem das Recht die Demokratie hier zu zerstören.
Es sind schon nicht nur Einzeltäter, sie formieren sich in den Netzwerken und werden auch von dort aufgestachelt und tun, was sie selbst nicht überschauen können.
Glaubt ihr den wirklich, dass ihr mit eueren Hasstiraden die Flüchtlingswelle, sowie die Ursachen dafür verändern könnt?
Wer Hass streut, der ist einfach zu bequem über all das nachzudenken, er fällt auf andere herein, so wie das deutsche Volk es schon mal getan hat, hinterher kommt dann das Katzenjammer und keiner will es gewesen sein.
Man kann mit vielen was die Politik tut nicht einverstanden sein, aber das was zur Zeit einige betreiben hilft nur nichts zu verändern, es schadet uns allen.

Quote26.08.2015, 20:31 von knuka
Peace!

Linker Hass gegen Rechts,
Rechter Hass gegen Links,
Hass der Altbewohner gegen Neuankömmlinge.
Wut der Kinder der Neuankömmlinge,
hier nicht gleich zu sein ...
... mit den Kindern der Einheimischen.
All das ist das Gebräu das über Jahrtausende stets den Krieg gebar.

Nun müssen alle an sich halten, sich erst einmal beruhigen, friedlich bleiben, Perspektiven der anderen verstehen, von ihrem jeweils eigenen hohen Ross herunter kommen und den Frieden zwischen ALLEN diesen Parteien, vor dem Hintergrund eingetretener Änderungen neu verhandeln. Das gilt auch für die, die Nazis hassen.

Wenn nun selbst der Bundespräsident das erste Wort unserer Nationalhymne Lügen straft und das Land, mit den nur ihm möglichen Machtworten, in Hell und Dunkel spaltet, dann wird auch mir ANGST.

Sachliche und nüchterne Bestandsaufnahme tut in solchen Krisen gut und eine unemotionale Suche (mit "kühlem Kopf") nach einer Lösung, die den größten gemeinsamen Nenner zwischen den unterschiedlichen Interessen aller bildet.

http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/organisierte-nazis-wie-im-netz-der-hass-gesaet-wird-thread-344835-10.html (http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/organisierte-nazis-wie-im-netz-der-hass-gesaet-wird-thread-344835-10.html)

...


Aus: "Organisierte Nazis: Hass im Netz" Eine Kolumne von Sascha Lobo (26.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/wie-der-hass-gegen-fluechtlinge-im-internet-gesaet-wird-kolumne-a-1049883.html#ref=meinunghp (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/wie-der-hass-gegen-fluechtlinge-im-internet-gesaet-wird-kolumne-a-1049883.html#ref=meinunghp)

Title: [Die griechische Insel Lesbos... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 31, 2015, 10:06:29 AM
Quote[...] Die griechische Insel Lesbos liegt gegenüber der türkischen Küste. Die Ankunft mit der Fähre von Ayvalik (Türkei) im Hafen von Mytilini, der Hauptstadt der Ägäis-Insel Lesbos, ist die Ankunft in ein Drama.

Die kleine Fähre mit einigen Touristen und Inselbewohnern, die zum Einkauf auf dem türkischen Festland waren, hält neben einer riesigen Fähre nach Athen. Auf dem hinteren Deck drängen sich ca. 400 Flüchtlinge, die sich ein Ticket ergattern konnten - nach einer tagelangen Odyssee durch die Insel - unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Einen ersten Eindruck, was uns auf der Insel erwartet, bekommen wir schon am Hafen von Mytilini: Rechts von Zoll- und Passkontrollengebäude warten hunderte Flüchtlinge am Kai hinter einem Maschendrahtzaun, rechts ein Berg zerstörter Schlauchboote.

Die Weiterfahrt nach Skala Sikamineas führt vorbei an dem heillos überfüllten Flüchtlingslager von Mytilini. 5.000 Menschen warten dort auf ihre Registrierung und ein Ticket nach Athen. Immer wieder begegnen wir Gruppen von Menschen mit kleinen Kindern, die auf der gefährlich kurvenreichen Straße zu Fuß Richtung Mytilini unterwegs sind. In Buchten am Strassenrand lodern Lagerfeuer - die Waldbrandgefahr ist groß.

Skala Sikamineas ist ca. 50 km von Mytilini entfernt und liegt im Nordosten der Insel. In Serpentinen schlängelt sich die Strasse vom kleinen Hafen hoch zur Hauptstrasse nach Mytilini. An der Kreuzung ist ein Sammelpunkt der Flüchtlinge. Müll säumt die Strassen, es stinkt nach Kot und Urin, weil die Menschen ihre Notdurft in jeder kleinen Nische, im Gebüsch verrichten müssen.

Auf einem Plateau in einer Kurve der Serpentinenstrasse türmen sich aufgeschlitzte Schlauchboote, Schwimmwesten, Rettungsdecken, zurückgelassene Kleidung - es stinkt erbärmlich nach Gummi, keiner weiß, wohin mit dem ganzen Abfall. Die Dorfbewohner haben Angst, dass sich über den Müll und die Fäkalien Krankheiten übertragen könnten, dass die Erde in den Feldern, Wegen und Vorgärten kontaminiert werden und das Grundwasser verseucht werden könnte.

In einer Müllsammelaktion hatte die Dorfbevölkerung versucht, den Weg vom Hafen bis zur Kreuzung zu säubern - ein hoffnungsloses Unterfangen, denn ständig kommen neue Boote mit 50-80 Menschen an Bord, die sich angesichts der Hitze allen unnötigen Ballasts entledigen. Dorfbewohner haben am Strand Müllsäcke und Schilder in Arabisch und Farsi mit Piktogrammen aufgestellt, damit der Müll gleich dort entsorgt wird, doch sie werden von den Flüchtlingen kaum wahrgenommen.

Auch hier, wie auf der Insel Kos kommen die Einheimischen, um sich die Motoren oder anderes Brauchbares zu holen. Aber es gibt die Regel, dass derjenige, der sich Dinge einpackt, auch das Schlauchboot auf die Sammelstelle entsorgen muss. Das funktioniert scheinbar (noch) ganz gut, denn im Dorf ist das Gesprächsthema - wer war vor Ort und wer hat was mitgenommen.

An der Kreuzung drängen sich hunderte von Menschen im kargen Schatten am Strassenrand, darunter viele erschöpfte Kleinkinder. Die Bevölkerung und freiwillige Helfer der Initiative ,Help for refugees in Molyvos' versorgen die Menschen mit Wasser, Keksen und Sandwiches für den Marsch nach Moria, einem Dorf bei Mytilini, wo das zentrale Aufnahme- und Registrierungszentrum ist. Busse, die die Flüchtlinge aufsammeln können, kommen hier selten vorbei. UNHCR und ,Ärzte ohne Grenzen' haben zwar Busse gechartert, aber die kommen meist an anderen Anlandestellen zum Einsatz.

Die meisten Flüchtlinge, die im Moment anlanden sind Syrer aus Damaskus und Aleppo, aber auch Afghanen, Iraker und Pakistani sind darunter. Schon der Weg durch die Türkei ist beschwerlich, wer das Geld besitzt, fährt mit dem Überlandbus nach Istanbul, der Rest macht sich zu Fuß auf den Weg.

Von Istanbul aus werden sie von Schleppern, die ihren Sitz in Istanbul haben, für 1500-2000 Euro mit Bussen von Istanbul incl. Überfahrt zum Ablegeort der Schlauchboote nahe Assos gebracht. Schon dort herrschen unvorstellbare Zustände: es gibt keine Toiletten, kein Wasser, keine Versorgungsmöglichkeiten für die Menschen, die in der glühenden Hitze auf das Schlauchboot warten - manchmal tagelang.

Die türkischen Behörden fühlen sich nicht zuständig. Ein Mädchen aus Damaskus berichtet an der Kreuzung nach Mytilini, dass sie von der türkischen Polizei geschlagen wurden. Voller Hoffnung erzählen die Kinder, dass sie nun in Sicherheit seien und weiter nach Deutschland möchten.

Das möchte auch der kurdische Syrer aus der Umgebung von Kobane, der vor dem IS geflohen ist und alles verloren hat - der IS hat sein ganzes Dorf zerstört. Diesen Nachmittag kommen noch 7 weitere Boote mit ca. 60 Insassen an, überwiegend ärmere Syrer und ein paar Afghanen.

Mittlerweile versuchen die Flüchtlinge im Dorf in die Gärten zu gelangen, um ihre Notdurft zu verrichten oder sich mit reifen Früchten zu versorgen.

Viele Häuser im Dorf stehen leer, weil die Besitzer auf dem Festland oder in Europa arbeiten. Das Dorf zählt mittlerweile nur noch ca. 250 Einwohner, die Zahl der Flüchtlinge übersteigt die Einwohnerzahl bei weitem.

Ein freiwilliger Helfer aus Molyvos ist vor Ort an der Kreuzung und berichtet, dass ein Bus von ,Ärzte ohne Grenzen' für ca. 50 Menschen kommen wird, wann, weiß keiner. Der Rest der aktuell 300 Menschen wird die Nacht auf der Straße verbringen müssen. Allein an diesem Tag sollen 1.000 Menschen an 3 verschiedenen Stellen auf der Insel gelandet sein, berichtet der Helfer. Das Camp bei Mytilini sei aber voll, deshalb gibt es erstmal keine weiteren Busse. Sobald die nächste Fähre zur Überfahrt nach Athen kommt, wird es wieder ein paar hundert Plätze darauf geben.

Wir sitzen in einem Innenhof im Dorf und diskutieren über die unkoordinierte Hilfe von Staat und Hilfsorganisationen, als es klopft und eine syrische Frau mit zwei kleinen Kindern darum bittet, die Toilette benutzen zu dürfen. Die Toilette der benachbarten Schule, gestern noch vereinzelt benutzt, dient heute den Massen als Toilette und Dusche, der Schulhof als Schlafplatz für die Nacht. Schnell ist die Toilette verstopft und nicht mehr benutzbar. Am nächsten Tag ist der Schulhof mit einem dicken Vorhängeschloss versehen, der Zaun um die Schule um weitere Gitter in die Höhe ergänzt, damit niemand mehr darüber klettern kann.

Die Dorfbewohner kapitulieren: "Was sollen wir machen? Es sind zu viele." Unmut über die Politiker wird laut: "Die Politiker hier machen nichts, weil sie Angst haben, wenn sie etwas an der Situation der Flüchtlinge verbessern, kommen noch mehr." In vielen Gesprächen hört man: "Welches Spiel spielt Europa, warum helfen sie uns nicht?"

Schnell werden die USA und Europa als die Hauptschuldigen ausgemacht. In der Tat übernimmt die Bevölkerung die Hauptversorgung der Flüchtlinge, UNHCR, Ärzte ohne Grenzen und lokale Hilfsprojekte sind jedoch auf die kaum vorhandene Logistik der Insel angewiesen. Die lokalen Behörden müssten Logistik wie Busse und fahrbare Toiletten zur Verfügung stellen, es müsste mehr Registrierungsstellen geben.

Der Transport nach Athen oder Thessaloniki müsste schneller gehen, die Weiterreise in die Nachbarländer müsste organisiert werden. Denn auch die Zustände in Athen sind anscheinend ähnlich schlimm. Auch von der für die Belange der Asylsuchenden zuständige Ministerin Tasia Christodoulopoulou hört man die gleiche Antwort wie von den Dorfbewohnern: "Aber was soll ich denn tun?".

An der griechisch-mazedonischen Grenze ist die Situation, wie bekannt, bereits dramatisch, dabei sind noch tausende auf dem Weg dorthin. Allein im Camp von Mytilini auf Lesbos warten 5.000 Menschen auf die Überfahrt aufs Festland und täglich landen neue Flüchtlinge. Ähnliches wird von den Inseln Samos, Kos oder Chios gemeldet.

Entspannung ist aber noch lange nicht in Sicht. Auch aus einem ganz anderen Grund, der noch nicht in den Fokus der westlichen Medien gerückt ist: angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Osttürkei ist auch von dort - aus den kurdischen Flüchtlingslagern - mit noch mehr Flüchtlingen zu rechnen.

Angesichts der Bombardierungen des türkischen Militärs und des Polizeiterrors gegen die Bevölkerung in der Osttürkei werden sich die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak dort nicht mehr sicher fühlen. Niemand wird aber ernsthaft erwägen, sich in Nordsyrien in einer von Erdogan angestrebten ,Sicherheitszone' unter der Kontrolle der islamistischen Al Nusra - Front niederzulassen.

Die Angriffe der türkischen Armee auf die kurdischen Gebiete dürften weitere Hunderttausende in die Flucht treiben: nach Istanbul, auf die griechischen Inseln, in der Hoffnung auf ein sichereres Leben in Europa. Die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland existiert faktisch nicht mehr. Wer das Geld hat, riskiert die gefährliche Überfahrt mit Schleppern, zerreisst seinen Pass oder die UNHCR-Registrierungspapiere und reist ohne Papiere gen Europa. Diese Situation würde es natürlich auch IS-Terroristen sehr leicht machen, sich unter die Flüchtlinge zu mischen und so völlig unauffällig nach Europa einzusickern.

Allein am Freitag, den 28. August, Tag kamen in Skala über 2000 Flüchtlinge an. Während hier die Bevölkerung und freiwilligen Helfer versuchen, den Flüchtlingsstrom an die Kreuzung zur Straße nach Mytilini zu organisieren, spielen sich auf der türkischen Seite Dramen ab, über die in der Presse nicht berichtet wird, weil sich kaum ein Journalist dort hinwagt.

Am Strand "Sokakağzı" nahe dem Dorf "Sivrice koyu", westlich von Behramkale (Assos), dem Startpunkt der Schlauchboote, regiertmittlerweile die Schlepper-Mafia.

Ein kanadischer Journalist berichtet mir, die Mafia würde in die Sommerhäuser der Istanbuler eindringen und diese als Stützpunkt verwenden. Sie laufen mit Maschinenpistolen herum, "von der türkischen Polizei keine Spur".

Die Flüchtlinge, die nicht das gesamte Paket der Schlepper aus Istanbul buchen konnten, leben in wilden Camps, ohne Schatten, ohne Wasser, ohne jegliche Versorgung. Hier harren die Ärmsten der Armen der Dinge, in der Hoffnung doch noch einen erschwinglichen Platz für eine Überfahrt zu ergattern.

Auch hier herrscht die Klassengesellschaft: Während die meisten syrischen Flüchtlinge über die finanziellen Mittel für eine Überfahrt in den vergleichsweise "komfortablen" großen, hochseefähigen Schlauchbooten verfügen, setzen die Afghanen, Iraker, Pakistani oder Somalier in völlig überladenen, kleinen Schlauchbooten über, die bei hohem Seegang manövrierunfähig sind - oder sie versuchen zu schwimmen: Fischer von Skala Sikamineas retteten am Freitag drei Personen aus dem Meer, die offensichtlich versucht hatten, die ca. 10 km schwimmend zu überqueren. Möglich ist auch, dass ihr Boot kurz nach dem Ablegen von der türkischen Küste gekentert ist.

Als Journalist kann man dort nicht arbeiten, berichtet der kanadische Journalist, weil die Schlepper die Journalisten bedrohen. Zuviel Aufmerksamkeit ist geschäftsschädigend. "Dort drüben existiert kein Staat mehr, es ist unfassbar, was sich dort abspielt", berichtete der Kanadier mit sichtlichem Entsetzen im Gesicht. Er war vor einer Woche auf der türkischen Seite.

...


Aus: "Lesbos: Station auf der Flüchtlingsroute nach Mitteleuropa" Elke Dangeleit (30.08.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45843/1.html (http://www.heise.de/tp/artikel/45/45843/1.html)
Title: [Wir prüfen alles... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 31, 2015, 11:25:15 AM
Quote[...] In Koalitionskreisen wird damit gerechnet, dass Berlin dieses Jahr bis zu 70 000 Flüchtlinge aufnehmen muss. Sollte sich das bestätigen, stünde die Hauptstadt im Herbst und Winter vor äußerst schwierigen Problemen bei der Unterbringung – und die Kosten für Unterbringung, Versorgung, Kitabetreuung und Schule könnten auf 700 Millionen Euro für 2015 steigen. Noch geht die Senatssozialverwaltung offiziell von rund 40 000 Menschen aus, die in Berlin Zuflucht suchen. Aber bundesweit werden jetzt schon eine Million Asylbewerber in Deutschland erwartet, entsprechend erhöhen sich auch die Zahlen in den einzelnen Ländern.

Und im letzten Quartal jedes Jahres kommen erfahrungsgemäß besonders viele Asylsuchende. Den Ernst der Lage dokumentiert ein Aufruf der fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. ,,Vor den Herausforderungen, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge verbunden sind, stehen wir gemeinsam, dies ist eine staatliche und auch zivilgesellschaftliche Aufgabe", erklärten die Landeschefs der Parteien. Sie bitten alle Berlinerinnen und Berliner, ,,sich jetzt für die Flüchtlinge einzusetzen, zu helfen und Hilfsangebote mit Spenden zu unterstützen". Jede Tat, jede Geste zähle.

In den ersten acht Monaten 2015 wurden knapp 20 000 Flüchtlinge untergebracht, nun könnten es mehr als doppelt so viele in der Hälfte der Zeit werden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 waren es 12 227. ,,Wir prüfen alles, um Obdachlosigkeit zu vermeiden, Gebäude in Landesbesitz und solche, die uns privat angeboten werden – und vorrangig Gebäude für viele Menschen", sagte am Sonntag die Pressereferentin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Monika Hebbinghaus. Auch das Flughafengebäude in Tempelhof und das asbestbelastete ICC ,,werden ernsthaft geprüft". Bei diesen Objekten ergäben sich aber enorme Herausforderungen bei Brandschutz und Sicherheit, da tausende Menschen wie in einer Art Dorf zusammenleben müssten. Zeltdörfer seien nicht auszuschließen, sollten aber so lange wie möglich vermieden werden, heißt es in der Sozialverwaltung. Man hoffe auf ,,noch mehr Synergien" dank der neuen Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement. Bisher war das Verfahren zur Identifizierung freier Immobilien sehr bürokratisch.

Derzeit buchen nach Tagesspiegel-Informationen viele Flüchtlinge Bus-Transportunternehmen aus Bayern und lassen sich nahe dem Lageso an der Turmstraße absetzen. 300 bis 800 Asylsuchende kommen jeden Tag neu an, zudem stellen sich weitere rund 1200 bis 1700 Menschen in die Schlange, weil sie auf einen Termin warten. Viele von ihnen vertrauen nicht auf die behördliche Zusage, dass ein ambulanter Sachbearbeiter zu ihnen in die Notunterkunft kommt.

Die Wartezeit für den ersten Termin beim Sachbearbeiter im Lageso beträgt drei bis fünf Tage. Der sagt, nach elektronischem Abgleich, ob der Wartende in Berlin oder in einem anderen Bundesland einen Leistungsantrag stellen kann. Bis Ende Juli wurden Berlin nach Angaben des Bundesamts für Migration 14 475 Antragsteller zugeteilt. Der Termin für einen Erstantrag nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt mangels Personal erst rund fünf Wochen später. Während der Wartezeit wird pro Person zur Überbrückung ein Abschlag pro Tag in Höhe von rund sechs Euro im Schnitt ausgezahlt.

Wie viele abgelehnte Asylbewerber in die Heimat zurückreisen, war am Sonntag nicht zu klären. Laut Sozialverwaltung wird im Lageso in Kürze auch an den Wochenenden im Schichtbetrieb gearbeitet. Die 220 freiwilligen Mitarbeiter anderer Verwaltungen würden geschult. Die Caritas, die das Platzmanagement am Lageso regelt, regt eine Abendöffnung und eine Überdachung der Wartezone an. Es werde ein Infomobil und Kinderbetreuung geben.

Senator Czaja fordert, der Bund müsse die Erstaufnahme übernehmen. Die Berliner Stadtmission regt an, der Bund solle verlassenen Gemeinden in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern finanzielle Anreize bieten, damit sie dank der oft sehr gut qualifizierten Syrer die Region wiederbeleben. Berlin müsse flexibler bei Arbeitserlaubnissen werden, die Flüchtlinge kämen hoch motiviert an und würden zur Passivität gezwungen. Man solle auch prüfen, ob Berliner beispielsweise Laubenkolonien als Unterkunft anbieten wollen und dies flexibel ermöglichen. Die Stadtmission fordert einen ,,Berliner Gipfel" für innovative Asylpolitik.

Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John sagte, es müsse statt einer Asyl- eine neue Flüchtlingspolitik geben. Europa müsse dringend die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern vor Ort in Absprache mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen verbessern, damit weniger Flüchtlinge den Weg nach Europa suchen. Anträge müssten die Menschen in den Herkunftsländern selbst stellen können – vor allem Frauen, Alte und Kranke.


Aus: "Prognosen für Berlin: Bis zu 70.000 Flüchtlinge in diesem Jahr"
Annette Kögel, Ulrich Zawatka-Gerlach und André Görke (30.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/prognosen-fuer-berlin-bis-zu-70-000-fluechtlinge-in-diesem-jahr/12254278.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/prognosen-fuer-berlin-bis-zu-70-000-fluechtlinge-in-diesem-jahr/12254278.html)
Title: [In Oberösterreich... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 31, 2015, 11:58:21 AM
Quote[...] Jüngste Polizeimeldungen hatten befürchten lassen, dass sich eine Flüchtlingskatastrophe wie auf der Ostautobahn bei Parndorf mit 71 Toten jederzeit wiederholen könnte. Immer wieder stoppte die Polizei Schlepperfahrzeuge mit dutzenden Flüchtlingen im Laderaum.

In Oberösterreich dürften drei syrische Kinder nur knapp vor dem Verdursten gerettet worden sein. In einem Kleintransporter, der in der Nähe von Braunau angehalten worden war, befanden sich außer den Kindern 17 Erwachsene. "Sie waren ohne Wasser und Nahrung mehr als 20 Stunden unterwegs und bereits benommen und stark dehydriert", sagte Polizeisprecher David Furtner. Am Sonntag konnten die Flüchtlinge das Spital verlassen.

... Angesichts der Flüchtlingskrise geht auch die deutsche Polizei verstärkt gegen Schlepperbanden vor. Zwischen Jahresbeginn und Ende Juli wurden bei Kontrollen im grenznahen Bereich und in Zügen insgesamt 1.785 mutmaßliche Schlepper festgenommen, berichtete die "Bild"-Zeitung am Montag. Dies seien rund 83 Prozent der im Gesamtjahr 2014 Festgenommenen. Im vergangenen Jahr hatte die deutsche Polizei dem Bericht zufolge insgesamt 2.149 Schlepper gefasst.

Bei den Ermittlungen zu den 71 erstickten Flüchtlingen wurden inzwischen fünf Verdächtige in Ungarn festgenommen. Es handelt sich um vier bulgarische und einen afghanischen Staatsbürger. Zwei der vier Männer sind offenbar amtsbekannt. Sie sollen bereits vor dem Fall im Burgenland wegen des Verdachts auf Schlepperei in das Visier der Polizei geraten sein, schreibt das Internetportal "Nol.hu" am Montag.

Sie befinden sich in der südungarischen Stadt Kecskemét, wo der Schlepper-Lkw zugelassen wurde, in Untersuchungshaft. Diese ist jedoch noch nicht rechtskräftig, da die Verdächtigen Berufung einlegten.

Laut dem ungarischen Nachrichtenportal wird gegen die fünf Verdächtigen nicht wegen Mordverdachts, sondern wegen organisierten Menschenschmuggel ermittelt. Dafür könnte in Ungarn eine Strafe von zwei bis 16 Jahren verhängt werden. Zwar gebe es noch keinen diesbezüglichen Beschluss, doch würden die Behörden die in Ungarn verhafteten Verdächtigten mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern, schrieb "Nol.hu". Wie die Nachrichtenagentur BTA berichtete, ermittelt auch die bulgarische Sicherheitsbehörde SANS in diesem Fall.

Das Internetportal Index.hu berichtete am Sonntag, dass ein ungarischer Lkw-Fahrer am Mittwochvormittag beobachtet habe, wie die Schlepper den Tod der Flüchtlinge entdeckt hätten und panisch in einem Begleitfahrzeug davongefahren seien.

Die gerichtsmedizinische Obduktion der Leichen wird im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital durchgeführt und soll bis Mittwoch abgeschlossen sein.  ...

In Österreich muss jedenfalls geklärt werden, wie das Polizeifoto von den Toten im Lkw in die "Kronen Zeitung" kam. Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ermittelt, ob möglicherweise Amtsmissbrauch vorliegt. Die Veröffentlichung selbst hat für zahlreiche Beschwerden beim Presserat gesorgt.

Nach der Tragödie in Österreich und erneut 200 Toten im Mittelmeer hat Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Flüchtlingsgipfel in New York am 30. September einberufen. Auf EU-Ebene findet am 14. September ein Sondertreffen der europäischen Innenminister statt, um über die Flüchtlingskrise zu beraten.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache will nach dem Vorbild Ungarns Grenzzäune errichten. "Natürlich ist es auch abseits von Grenzübergängen notwendig, das Land mit Zäunen zu schützen", sagte Strache in einem Interview für die Montagsausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten". Den Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Flüchtlingen einen legalen Fluchtweg nach Europa zu ermöglichen, lehnt der FPÖ-Chef ab. "Wir können nicht sagen, die Völkerwanderung wird legalisiert." (gma, simo, wei, APA, 31.8.2015)



Aus: "Fünf Festnahmen bei Aktion scharf gegen Schlepper an Grenzübergängen" (31.8.2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000021484785/Mikl-Leitner-startet-Aktion-scharf-an-Grenzuebergaengen (http://derstandard.at/2000021484785/Mikl-Leitner-startet-Aktion-scharf-an-Grenzuebergaengen)

Title: [Mit trauerumflortem Blick... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 31, 2015, 09:25:39 PM
Quote[...]   Auffallend ist, dass in diesem Jahr von 359 Übergriffen auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte, welche Pro Asyl und die Amadeo-AntonioStiftung zählten, sich 215 im Osten ereigneten. ... Warum sich in Teilen des Ostens ein deutschnational-rassistisches Milieu ausgebildet hat, ist jedoch nicht mit ein oder zwei Gründen zu erklären. ,,Hier kommen mehrere Faktoren zusammen", sagt Funke. Einen sieht er in Defiziten bei Politik, Polizei und vor allem Verfassungsschutz, der bisweilen mehr an Unterwanderung der Szene interessiert war als an deren Bekämpfung. Empfänglichkeit für rechtes Gedankengut zeigte sich schon in den Umbruchjahren nach 1989. Das Abtreten einer ,,entmachteten Elterngeneration" (Funke) führte zu einem sozialen Vakuum, das Rechtsextremen als Chance erschien, ihren gesamtdeutschen Einfluss über Erfolge im Osten auszubauen.

Eine Rolle spielt auch die Atmosphäre in der niedergehenden DDR. Deren Führung gab sich internationalistisch, im Innern aber wurde in einem Klima der Abschottung laut Funke eine ,,kleinbürgerliche, fremdenfeindliche Mentalität" gefördert, zu der eine von der SED-Propaganda betriebene antiwestliche Einstellung gehörte – kein Wunder, dass zum Bild des ostdeutschen Rechtsextremismus heute das Schwenken russischer Fahnen gehört.

Die DDR schottete sich jedoch auch zu den Nachbarn im sozialistischen Lager ab, gegenüber den Tschechen schon während des Prager Frühlings, zu Polen hin massiv in der Solidarnosc-Ära. Die Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik oder Kuba wurden kaum in die deutsche Bevölkerung integriert, die sowjetische Besatzungsarmee hielt sich ohnehin separat. Kontakte zu Fremden waren für viele DDR-Bürger tatsächlich etwas Fremdes, erst recht wohl in den ohnehin abgehängten und vernachlässigten Rand- und Grenzregionen, in denen nach 1990 auch die Abwanderung stark war. Der Politologe Jochen Staadt spricht von einem ,,deutschnationalen Eigendünkel im SED-Staat".

QuoteKeytos
   01.09.2015 07:31 Uhr

Die Mauer und die DDR Grenze zur Bundesrepublik wurde von DDR Seite, unter Kenntniss der eigenen Bevölkerung, "Antifaschistischer Schutzwall genannt". ...


Quotekatzen
   31.08.2015 21:51 Uhr

Rechte Gewalt im Osten ist doch nichts Neues. Schon vor Jahren wurde bekannt, dass Gemeinden im Harz auf dem rechten Auge blind sind. Bewohner trauten sich nicht, gegen "Rechte" Anzeige zu erstatten, weil selbst die Polizei auf diesem Auge blind war....! Das hat sich ganz einfach bis heute nicht geändert.


QuoteAndi_Baerlin
   31.08.2015 21:54 Uhr

Das ist kein Ossi Problem, sondern ein Problem des schwachen Staates. Als die DDR zerfiel, zerfiel die ansässige Industrie, die Jugendstrukturen, alles. Man hat die Leute mit Sozialhilfe allein auf dem Dorf gelassen. Die, die was konnten, zogen dorthin, wo es Jobs gab, zurück blieben die Zurückgebliebenen, sozial Schwachen. Gefüllt hat dieses Vakuum dann die NPD, die Jugendclubs betreibt, die Menschen dort abholt, wo sie sind, die einzigen, die sich vor Ort kümmern. Da sind die Nazis dem IS gleich. Sie sorgen dort, wo staatliche Strukturen versagen, für soziale Sicherheit und sichern sich so Rückhalt in der Bevölkerung.
Auch der Islamische Staat baut Schulen, kümmert sich um die Armen. Die NPD baut Jugendclubs und sorgt dafür, dass dort überhaupt was los.
Viele Regionen im Osten wurden komplett vom Staat vernachlässigt. Man hat die Menschen dort allein gelassen und die NPD ist eingesprungen.
Gleichzeitig wurde, vor allem in Sachsen, die Linke Gegenszene, die einzigen, die was gegen die Nazis gemacht haben, kriminalisiert während man die Rechten finanziell durch V-Leute gepäppelt hat.
In Strukturschwachen Regionen im Westen ist es doch genauso. Die Neonazis sind überall dort Stark, wo der Staat sich zurückgezogen hat. Wieso sollte man auch kommunale Jugendclubs in strukturschwachen Regionen eröffnen, die bringen kein Geld ...


Quotejanemoebius
   31.08.2015 20:45 Uhr

Wen wunderts?
Da kann man noch so lange auf den Osten meckern, besser wirds von solchen Artikeln jedenfalls nicht. Ist aber schön bequem. Bißchen Ossi-Bashing, um den Abend zu versüßen.

Leider erlebe ich den Fremdenhass in der eigenen Familie- die angegebenen Gründe sind unter anderem:
- die Annahme, dass sie die Zustände im eigenen Land denen der Herkunftsländer angleichen werden
- Angst vor Gewerbesteuererhöhungen und sonstigen staatlichen Abgaben
- die Befürchtung von Gewalt ethnischen Konflikten unter den Flüchtlingen, die hier im Lande ausgetragen werden

Ich finde gerade diese Argumente nicht unbedingt aus der Luft gegriffen, man muss sich aber in der Gesellschaft und der Politik mit diesen auseinandersetzen. ...


Quotefortschritt63
   31.08.2015 20:26 Uhr

Die MInderheiten

Vor 25 Jahren ist die "Diktatur des Proletariats" beendet worden und die "freiheitlich demokratische Grundordnung" galt für ganz Deutschland. In der ex. DDR wurden natürlich auch alte Kriegsgeschichten von Eltern und Großeltern erzählt, die Zeitzeugen waren und manch wirres Zeugs um Hitler, der nie so "gegenständlich" war wie heute, im neuen Deutschland, wo bis zu "Hitlers Stuhlgang", bald jede Schei..e, um den Diktator, Geld bringt, auf Trödelmärkten und im Internet, selbst noch Uniformknöpfe der Wehrmacht sind gut zu vermarkten, höher Wertiges um so besser. "Goldstaub"!
Es stimmt, Ausländer waren in der DDR abgeschottet, die Russen nicht sehr beliebt, man hatte mit sich selbst zu tun! Fast alle hatten Arbeit und die Zeit zwischen 1933 und 1945 stand gewissermaßen auf dem Index!
Ausländerhass und Nazikult, bis auf wenige Ausnahmen, kaum virulent! Wenn, war der ABV (Abschnittsbevollmächtigte der VP.) die Volkspolizei VP. und schlußendlich die STASI zur Stelle zum "Verarzten"! Die DDR hat sich die Last der Vergangenheit nicht aufgeladen und für Ausländer aus dem KA. (kapitalistischen Ausland) war der Osten nicht interessant. Eine künstliche Solidarität galt für alle Völker, außer den westlichen!
Für militärische Interessen, auch Kampfspiele, war in der NVA der Wehrpflicht gesorgt und wer wollte der konnte länger. Manche brauchten das, wie heute auch, nur ist das Militante kaum noch gefragt!
Jene aber die um 1990 geboren, konnten sich dann an der alten Bundesrepublik orientieren und wer was für den "braunen Trend" benötigte, wurde stets bedient! Im Gespräch die "Wehrsportgruppe Hoffmann" z.B. Literatur vom Schützengraben, bis zur Reichskanzlei kein Thema! Wer den Landser las, war über den Deutschen Soldaten bestens informiert. Die "Infektion der neun Bräune" lief von West nach Ost!
Das ging schnell, besonders für die männliche Jugend, die sich als neue "Aufräumer" formierten, wo viele noch nicht einmal geboren waren, als sich die DDR verabschiedete!


Quoterobocop_marvin
   31.08.2015 19:09 Uhr

Im Osten dreht man sich im Kreis!
Ich habe in Ostdeutschland jahrelang an einer Hochschule Seminare zum Thema Soziale Ungleichheit durchgeführt. Dabei habe ich von Woche zu Woche immer unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gegenübergestellt (Frauen/Männer, Arme/Reiche, Arbeitende/Arbeitslose, Ossis/Wessis, Inländer/Ausländer usw.).

Insbesondere beim Thema Ossis/Wessis wirkten die Studierenden meist desinteressiert. Und auf die Frage, ob sie das Thema langweilen würde, antworteten sie regelmäßig: Das ist nicht mehr unser Problem, das ist doch ein Thema für unsere Eltern.

Na gut, habe ich mir gedacht. Aber auch bei den anderen Themen war das Interesse selten größer, nur beim Thema Inländer/Ausländer tobte das Seminar meist so, dass kaum noch eine sachliche Diskussion möglich und die Zeit viel zur kurz war, um alle Vorurteile und Ressentiments, die geäußert wurden, zu widerlegen.

Na gut, habe ich mir gedacht. Dann gehst du exemplarisch vor und behandelst das Thema Inländer/Ausländer ein ganzes Semester lang.

Das war naiv, denn nun hatte ich nicht nur gegen die vielen rechten Stimmen im Seminar anzukämpfen, nein, jetzt wurde von der Hochschule über die Lokal- bis in die Landespolitik Stimmung auf eine Weise gegen mich gemacht, die man so in etwa auch aus der rechtspopulistischen Ecke kennt: einseitig, unwichtig, politisierend, stigmatisierend, dramatisierend, unwissenschaftlich, imageschädlich, deutschenfeindlich, links usw.

Heute arbeite ich nicht mehr an dieser Hochschule und in diesem Bundesland. Über die Ursachen des massiven Rassismus im Osten grübele ich aber immer noch.

Und besonders ärgert mich dabei, dass die Beschäftigung mit Rassismus und Rechtsextremismus im Osten seit Jahren gerade von denjenigen unterbunden wird, die diesbezüglich einerseits immer auf die DDR verweisen und andererseits immer die gesamtdeutsche Dimension betonen.

Und so zeigen denn in puncto Rassismus im Osten noch heute fast alle mit dem Finger immer nur auf andere!

QuotePerry25
   01.09.2015 07:27 Uhr

Antwort auf robocop_marvin vom 31.08.2015 19:09 Uhr
Danke für Ihren Bericht
Ich war lange in der Erwachsenenbildung unterwegs. Und kann dies gut nachfühlen. Ich bin im Westen aufgewachsen nach dem Krieg. Und wir hatten in den 60ern einen hervorragenden Geschichtsunterricht und da wurde über das Dritte reich nichts unter den Teppich gekehrt. Und es war gut so. damals sassen noch viele alte Nazis in den Institutionen, ganz Prominente wie Filbinger und Kiesinger!

Ich weiss nicht wie es heute ist, aber die Stimmung im Osten ist durchaus der Zeit in den 70ern in Westdeutschland vergleichbar. Es ist auch wichtig, dass gute Aufklärung über die Stasi etc. weiter geschieht!

Ich denke auch, dass 65 Jahre verschiedener Diktaturen - was ja die Menschen in Ostdeutschland erleben mussten, eine permanente Schere im Kopf erzeugt. Und die raus zu bekommen, braucht Zeit. Jedenfalls weiss ich heute, dass alles verschweigen - wie in Spanien heute über die Franco Zeit - den Bewusstwerdungsprozess unnötig verlängert. In Japan ist es ähnlich!



QuoteLanarkon
   31.08.2015 18:38 Uhr
Zu Viele sind nicht willens und/oder in der Lage das Verhalten der Asylantengegner zu analysieren und Lehren daraus zu ziehen. Diese Leute rekrutieren sich zum Großteil aus gescheiterten Existenzen von geringem Bildungsniveau, was ihre Stellung in der Gesellschaft prägt. Viele sind nicht in der Situation für den eigenen Unterhalt zu sorge, leben von Transfergeldern. Um diesem Elend zu entfliehen wird die Realität oftmals durch Alkohol betäubt. Die Flüchtlinge werden als Konkurrente klassifiziert, das erzeugt Existenzängste. Wer sich über diese Randgruppe unserer Gesellschaft nur mokiert und verbal auf sie eindrischt muss sich fragen lassen wie ausgeprägt sein Intellekt denn eigentlich ist. Selbstverständlich sind Aktionen mit Straftatbestand nicht akzeptabel.





Aus: "Örtlich empfänglich" Albert Funk (31.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus-im-osten-oertlich-empfaenglich/12259336.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus-im-osten-oertlich-empfaenglich/12259336.html)

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Quote[...]  Dresden. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gewalttätigen Rassisten und allen, die sie gewährenlassen, vorgeworfen, den gesellschaftlichen Frieden zu bedrohen. Mit den Krawallen und Protesten vor den Flüchtlingsunterkünften in Freital und Heidenau habe ein enthemmte Minderheit das Land ,,besudelt und beschämt", sagte er am Dienstag in einer Sondersitzung des Landtags. ,,Dagegen muss es einen Aufstand aller in unserem Land geben".

Der Regierungschef kündigte einen Dialog zur Stärkung der Demokratie an. Dabei wolle er auch mit Lehrern reden. Ziel müsse es sein, ,,dass alle Schüler überzeugte sächsische Staats- und Weltbürger werden".

Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt hat im Laufe der Sondersitzung der Staatsregierung eine Zusammenarbeit bei einem ,,Neustart für Sachsen" angeboten. Es brauche einen Asylgipfel der Zivilgesellschaft, um die Herausforderungen durch steigende Flüchtlingszahlen zu meistern, sagte er. Es gebe kein fertiges Konzept. ,,Wir müssen ausprobieren. Und wir werden Erfolge und Misserfolge haben". Beim Kampf gegen Rechtsextremismus sollten Parteigrenzen überschritten werden. Auch in der CDU müsse man einsehen, dass die Krawalle von Heidenau ein sächsisches Problem seien. ,,Nicht nur, aber eben auch", sagte er. ...


Aus: "Minderheit ,,besudelt und beschämt" unser Land" (01.09.2015)
Quelle: http://www.sz-online.de/sachsen/minderheit-besudelt-und-beschaemt-unser-land-3187318.html (http://www.sz-online.de/sachsen/minderheit-besudelt-und-beschaemt-unser-land-3187318.html)

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Kontrastgedanken via https://klausbaum.wordpress.com/2015/08/30/historie/ (https://klausbaum.wordpress.com/2015/08/30/historie/) ...

Quote[...] DER SPIEGEL 43/1989 -- "Fettleibig mit Dauerwelle" - Westdeutsche Linke, von grünen Alternativen bis hin zu sozialdemokratischen Ideologen, haben ein neues Feindbild - DDR-Flüchtlinge.

Mit trauerumflortem Blick bedauerte Egon Krenz, kurz nach seiner Ernennung zum neuen DDR-Machthaber, den Verlust Zehntausender von Mitbürgern: Die Republikflucht sei, gestand der neue SED-Generalsekretär am Mittwoch abend im DDR-Fernsehen, ein "großer Aderlaß". Politik paradox: Was den Sozialisten in Deutschland-Ost als gravierende Einbuße erscheint, wird von vielen Genossen in Deutschland-West keineswegs als Gewinn bewertet.

Links von der Mitte des politischen Spektrums der Bundesrepublik machen sich seit Wochen Aversionen gegen die Zuzügler breit. Die Front der Flüchtlingsfeinde reicht von kommunistischen Sektierern über alternative Abgeordnete bis hin zu strammen SPD-Linken.

Am feindseligsten gebärden sich Radikale, etwa aus dem Kommunistischen Bund (KB). DDR-Übersiedler, heißt es im KB-Sprachrohr Arbeiterkampf, seien "Spießerschrott", dem es nur um die schnelle Westmark gehe. Den "Zoni-Zombies" wurden zur Abschreckung Schläge angedroht: "Euch hätten wir gleich auf dem Bahnsteig gern die Fresse poliert."

Die Übersiedler "verdienen keinen Respekt", befindet auch die Marxistische Gruppe in einem Flugblatt, das sie bundesweit verteilen ließ. Die Zuwanderer hätten für ihre Flucht Gründe, "daß es einer Sau graust": Dem einen seien "die langen Lieferfristen fürs Auto auf den Geist gegangen, der anderen die fehlenden Schminktöpfe, dem dritten die unzugänglichen Fernreiseziele aufs Gemüt geschlagen".

Doch nicht nur kommunistischen Hardlinern sind die DDR-Flüchtlinge als deutschtümelnde Biedermänner und als potentielle Rechtswähler suspekt. Auch im Kreise von Grünen und SPD-Linken könne er es "heute nur sehr verschämt wagen", seine "DDR-Vergangenheit zu offenbaren", sagt der Mainzer Amnesty-Mitarbeiter Brauckmann: "Das Räuspern und die peinliche Stille danach ist unausbleiblich."

Die Ressentiments gegen Übersiedler erhalten beinahe täglich Nahrung durch neue Reizbilder in den Medien. Wenn die Ankömmlinge im Westfernsehen aufgekratzt Deutschland-Fähnchen schwenken, ihre DDR-Kennzeichen am Wartburg bis aufs bloße "D" durchstreichen und die neuerworbenen Bundespässe voller Nationalstolz in die Kamera halten, graust es vielen Grünen, die sich auf ihre internationalistische Gesinnung viel zugute halten. "Die Zonis küssen ja den BRD-Boden wie der Papst", beobachtete entgeistert ein Mitglied der Hamburger Grün-Alternativen Liste.

Weil Zehntausende von DDR-Bürgern ganz offensichtlich das kapitalistische System einem sozialistischen vorziehen, flüchten sich viele Westlinke in Sarkasmus. So feierte die alternative Tageszeitung die Mauer kürzlich als "Berlins nützlichstes Bauwerk"; schließlich bewahre sie "die BRD und Westberlin vor Horden naturtrüber, säuerlich sächselnder DDRler mit Hang zu Billig-Antikommunismus und Rep-Wählen".

Selbst der sonst so verständnisinnige Psychoanalytiker und Bestsellerautor Horst-Eberhard Richter ("Flüchten oder Standhalten") mokiert sich nun über die Flucht der "armen Entrechteten aus dem Land des Schlimmen" in "unsere Oase der Seligkeit".

Der Spott verdeckt nur mäßig die Orientierungslosigkeit, die sich, ausgelöst durch die Ausreisewelle und die Massenproteste in der DDR, unter Westdeutschlands Linken breitgemacht hat. Die andere Republik habe in der Szene lange Zeit als "eine Art Laborversuch" gegolten, sagt die Schriftstellerin Monika Maron, die 1988 ausreiste; die Linke habe an der DDR manches akzeptiert, was sie sich "hier keinen Tag lang hätte gefallen lassen".

Orthodoxe Kommunisten versuchen die Verhältnisse in der DDR noch immer zu beschönigen. Herbert Mies, 68, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), erklärte Anfang dieses Monats ungerührt, die DDR habe gezeigt, "daß der Sozialismus auch auf deutschem Boden lebens- und entwicklungsfähig ist".

Inzwischen mehren sich allerdings selbst in der DKP kritische Stimmen, die den Gesundbeter-Kurs der Betonriege um Mies nicht länger mittragen wollen. Der aufmüpfige Hamburger DKP-Bezirk solidarisierte sich demonstrativ mit allen oppositionellen Gruppen in der DDR und erklärte die Abkehr von "einem historisch offensichtlich erschöpften und überholten Sozialismus-Modell".

Schwierigkeiten im Umgang mit den SED-Flüchtlingen haben westdeutsche Linke auch deshalb, weil der Massenansturm Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot weiter verschärft. Heimische Zukurzgekommene fühlen sich durch die Neubürger zusätzlich benachteiligt.

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Hermann Heinemann (SPD) sah sich letzte Woche genötigt, vor einer "Verhätschelung" der DDR-Übersiedler zu warnen: Hiesige Arbeitslose müßten "mit Bitterkeit" registrieren, daß den Zuwanderern Arbeitsplätze "auf dem goldenen Tablett" serviert würden.

Vielen Gewerkschaftern sind die DDR-Übersiedler zudem als Streber mißliebig, die im Verdacht stehen, jede Arbeit anzunehmen, zu fast jedem Preis. In Berliner Szene-Kneipen wird schon über die "neuen Arschkriecher" gewettert, in Hamburg besprühten Unbekannte Hauswände mit der Parole: "Kritische Mitbürger aus der DDR willkommen, Anpasser und Lohndrücker Nein Danke". Daß nach einer Umfrage über 60 Prozent der Zuwanderer CDU wählen würden, paßt vielen Linken ins Bild.

In West-Berlin, wo das Gerangel um Arbeitsplätze und Wohnungen besonders heftig ist (siehe Seite 53), haben grüne Politiker bereits eine Zuzugsbegrenzung für DDR-Übersiedler ins Gespräch gebracht. Peter Lohauß, 40, Mitglied des Parteivorstands der Alternativen Liste (AL), forderte Bonn auf, die deutsche "Zweistaatlichkeit" als Kriegsfolge zu akzeptieren, mithin die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen und DDR-Bürger wie andere Ausländer auch zu behandeln.

Die Ost-Flüchtlinge müßten, meint der AL-Politiker, künftig Asylanträge stellen und politische Verfolgung geltend machen. "Für diejenigen, die endlich mal keinen Trabi mehr fahren wollen, sondern ein schöneres Auto, hätte das zur Folge, daß sie nicht mehr übersiedeln könnten", erklärte Lohauß.

Das "Ventil der Ausreisemöglichkeit", fügte er hinzu, schwäche im übrigen die DDR-Opposition, die ihm "besonders am Herzen" liege. Auch das spreche für einen Verzicht auf eine Einbürgerungsgarantie für alle Zuzügler.

Bei ehemaligen DDR-Bürgern traf die Alternativ-Losung "Bleibt drüben" den Nerv. "Mit großer Freude", so höhnten zwei Übersiedlerinnen aus Halle in einem Leserbrief, hätten sie von der Bereitschaft der AL gehört, "die DDR im aktiven Kampf zu retten", und boten den Alternativen an, "unsern schmählich verlassenen Platz dort einzunehmen". Die Regisseurin Freya Klier, seit letztem Jahr im Westen, bezichtigte die AL "übelster Apartheid, bei der sie selbst den Part der Buren übernimmt".

Die Berliner AL-Fraktion ging, ebenso wie die Bundes-Grünen, eilig auf Distanz zu ihrem Landesvorstand und versuchte den Verdacht zu zerstreuen, "unser Einsatz gegen die weitverbreitete Fremdenfeindlichkeit sei ausgerechnet bei Aus- und Übersiedlern geringer".

Für Verstimmung hatte vor allem die Lohauß-Anregung gesorgt, künftig sorgsam zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und politisch Verfolgten zu differenzieren - eine Unterscheidung, gegen die sich die Grünen in der Diskussion um die Asylgesetzgebung immer gewehrt hatten. Um die unerquickliche Debatte abzubrechen, gab die Bonner Parteizentrale als offizielle Linie die Forderung "Bleiberecht für alle" aus.

Obwohl eine Abschottung gegen den Strom der DDR-Übersiedler verfassungsrechtlich gar nicht durchsetzbar ist - an der Basis kommen solche Gedanken an: Viele Linke befürchten, daß bei weiterem Ost-Exodus womöglich Flüchtlinge aus anderen Krisenregionen der Welt auf der Strecke bleiben, und die erwecken allemal mehr Sympathie, zumal dann, wenn sie rechten Folterdiktaturen entkommen sind.

"Rührung auf lateinamerikanischen Solidaritätsfesten" sei stets erwünscht, klagt der Frankfurter Sponti Reinhard Mohr über die Gefühlslage etlicher linker Genossen, hingegen Rührung "auf ostbayerischen Bahnhöfen - nein". Viele westdeutsche "Pantoffelrevolutionäre" neigten dazu, Flüchtlinge erst dann willkommen zu heißen, wenn sie "den Nachweis politisch-ideologischer Reife erbracht" hätten.

Verglichen mit dem Leid von Asylbewerbern aus der südlichen Hemisphäre, scheinen die Schikanen im SED-Regime vielen Linken eher läppisch. So höhnte das linksorthodoxe Hamburger Monatsblatt Konkret über "die Erhebung des Wunschs nach schicken Pullis in den Rang eines Menschenrechts", und die Tageszeitung machte süffisant die "Foltermerkmale der ostdeutschen Diktatur" aus: "Fettleibigkeit und Dauerwelle".

Einzelnen SPD-Politikern kommt die Massenflucht mittlerweile ebenfalls ungelegen. Mit Hinweis darauf, daß die DDR nicht ausbluten dürfe, forderte der West-Berliner Abgeordnete Ehrhart Körting, die Übersiedlung per Gesetz zu erschweren, etwa durch eine Abschaffung der Rentenberechtigung. Wer die DDR verändern wolle, müsse sicherstellen, argumentiert Körting, daß die kritischen Bürger auch dortblieben.

Doch ob linke Sozialdemokraten weitreichende Reformen im Osten wirklich ernsthaft wünschen, scheint zweifelhaft. So warnte SPD-Ideologe Peter von Oertzen, 65, Mitglied der Programmkommission seiner Partei, vor einer übertriebenen Aufgabe "sozialistischer Errungenschaften".

Wenn Gorbatschow es mit Glasnost zu weit treibe, gruselt sich von Oertzen, "könnte es sein, daß wir als Linke plötzlich mit dem Rücken an der Wand stehen". Linke Sozis würden in der Öffentlichkeit dann plötzlich als das erscheinen, was sie in den Augen von Christdemokraten und Liberalen längst seien: "trottelige Ideologen".




Aus: "Fettleibig mit Dauerwelle" (23.10.1989)
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13498768.html (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13498768.html)

Title: [Nun ist es in der Tat... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 01, 2015, 12:11:05 PM
Quote[...] Der "häßliche Deutsche" ist ein altes Klischee, vor dem ersten Weltkrieg in England zwecks Feind-Propaganda erfunden, von Hitler und seinen Horden dann auf schreckliche Weise verifiziert, seitdem von Hollywood als Mythos verewigt – und immer wieder gern bemüht, wenn sich Deutschland mal wieder daneben benimmt. Wie zuletzt Wolfgang "Gollum" Schäuble, als er  Griechenlands Widerstand gegen die Klauen der Finanzdiktatur gnadenlos überrollte. Und wie  jetzt die "besorgten Bürger", die mit der Selbstbezichtigung "Wir sind das Pack" demonstrieren.

Nun ist es in der Tat häßlich, widerwärtig und brutal, was da in Heidenau und anderswo  geschieht – aber  Rassismus und gewalttätige Fremdenfeindlichkeit sind keine speziell deutsche Eigenart. "Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift als letztes Mittel auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein," wußte schon Arthur Schopenhauer – und weil die erbämlichen Tröpfe überall auf der Welt nicht weniger geworden sind, gibt es Rassismus, Nationalismus, Patriotismus  bis heute. Anders als in Deutschland hängen diesen Ideologien in vielen Ländern sogar noch große Mehrheiten an, hier ist es mittlerweile nur noch eine kleine Minderheit. Und verglichen mit den anderen europäischen Ländern, die die Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen,  verhält sich die große Mehrheit der Deutschen fast schon vorbildlich.

Dass der Solidargedanke in Europa kaum weiter als bis zum eigenen Portemonaie reicht, wurde im Zuge der Griechenland-Krise zwar schon hinreichend klar, mit der Flüchtlings-Krise steht aber nun ein echter Test an, wie weit es mit der Solidarität in Europa reicht. Die Globalisierung ruft nicht mehr, sie kommt. Und sie kommt in Massen. Nicht freiwillig, sondern als Ergebnis der Kriege und der Politik, die Europa und die USA im Nahen Osten und auf dem Balkan angerichtet haben.
Ein Land allein kann die mittel,-und langfristig in Massen von Flüchtlingen enstehenden  "Kollateralschäden" nicht auffangen, hier ist zur Bekämpfung der akuten humanitären Katastrophe die EU gefordert. Und es wäre zu wünschen, dass Deutschland  da genauso unachgiebig auftritt wie im Zusammenhang mit Griechenlands Schulden. Eine gerechte Verteilungsquote der Flüchtlinge ist da nur der der erste Schritt. Der zweite wäre die Erkenntnis,  dass Verschärfung der Grenzkontrollen und schnellere Asyl,- bzw. Abschiebeverfahren, wie sie einige Politiker lautstark fordern, keine Lösung ist, sondern allenfalls ein Herumdoktoren an Symptomen. Denn die Ursachen für die neuen Völkerwanderungen würden nicht beseitigt, selbst wenn Europa sich komplett einmauern könnte. Notwendig ist eine komplette Neuausrichtung der Militär-, Bündnis- Entwicklungs- und Einwanderungspolitik. Wer weiter nach Gusto Länder bombardiert, entstaatlicht und Chaos produziert, wie das US-Imperium und seine europäische Gehilfen das seit Jahrzehnten tun, muss sich über Flüchtlingsströme nicht wundern. Vielleicht müssen sie noch größer werden – mindestens 2 Millionen UkrainerInnen würden ja zB auch gerne kommen – bis diese Neuausrichtung endlich beginnt.


Aus: "Die Globalisierung ruft nicht mehr, sie kommt..." (30 Aug, 2015)
Quelle: http://www.broeckers.com/2015/08/30/die-globalisierung-ruft-nicht-mehr-sie-kommt/ (http://www.broeckers.com/2015/08/30/die-globalisierung-ruft-nicht-mehr-sie-kommt/)

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Quote[...] Wir hätten uns die Flüchtlingsströme durch die Einmischung in fremde Länder selbst eingebrockt, heißt es. In Wahrheit sind die Migrationswellen aber eine Folge des kopflosen westlichen Rückzugs.

Der Ansturm der Flüchtlinge nach Europa lässt den Kontinent in moralischer Schockstarre und politischer Ratlosigkeit verharren. Umso schneller sind hierzulande viele dabei, Schuldige für die albtraumhafte Misere auszumachen. Die häufigste, weil gewohnheitsmäßige und daher reflexhaft abzurufende Erklärung ist dabei, der Westen habe es sich selbst zuzuschreiben, wenn er von einer "neuen Völkerwanderung" überrollt werde.

Dabei spielt die klassische "Dritte Welt"-Theorie, derzufolge der Westen nun den Preis für seine "neokolonialistische" Ausbeutung nicht weißer Völker zu zahlen habe, in der aktuellen Diskussion noch die geringste Rolle. Häufiger lässt sich – in verschiedenen Versionen von ganz rechts bis ganz links – vernehmen, der Westen habe durch seine aggressive Einmischung namentlich im Nahen Osten erst das blutige Chaos geschaffen, vor dem die Menschen nun millionenfach flüchten.

Der Bestsellerautor Jürgen Todenhöfer, der seinen militanten Ekel vor der liberalen Moderne hinter einem weinerlich-kitschigen Gestus pseudohumanistischer Sentimentalität zu verbergen pflegt, hat dafür gar eine veritable Verschwörungstheorie parat, die er auf den Kanälen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verbreiten darf.

Ihm zufolge ist die Ursache für den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung im Nahen Osten ein zentraler Plan der USA, die arabische Staatlichkeit zu zerstören. Todenhöfers Logik ist simpel: Da in seiner Sicht der Islam eine durchweg edle und friedfertige Religion und Kultur ist, müssen islamische Gewalttäter von bösen Mächten westlicher Zersetzung zu ihren Schandtaten angestiftet worden sein – oder sie machen damit nur ihrer Verbitterung darüber Luft, wie unmenschlich sie und ihre Glaubensbrüder von den teuflischen Drahtziehern in Washington behandelt werden.

Kürzlich konnte Todenhöfer bei "Maischberger" wieder unwidersprochen behaupten, die USA hätten im Irak 1,6 Millionen Menschen umgebracht. Wie immer er auf diese fantastische Zahl kommt – wahr ist indes, dass die allergrößte Zahl der Opfer seit dem US-Einmarsch in den Irak auf das Konto islamistischer und sektiererischer Terroristen geht, die damit einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten provozieren wollten.

Wieso der Terror seit dem US-Abzug aus dem Irak schlimmer denn je wieder aufbrandete, erklärt Todenhöfer nicht. Er und andere deutsche "Experten" beharren stattdessen darauf, auch der IS sei ein Produkt der US-Intervention. Tatsächlich aber war es den USA seit 2007 gelungen, den Terror im Irak merklich einzudämmen und – mithilfe sunnitischer Clanchefs, die dafür großzügig bezahlt wurden – al-Qaida aus dem Land zu vertreiben. Doch der überstürzte US-Abzug 2011 gab dem Terrorismus erneut das Feld frei, der bald mit dem in Syrien verschmolz.

Erst in diesem Kontext und weil niemand den Syrern gegen Assads Mordfeldzug beistand, konnte der IS aufsteigen. Ein ähnlicher Absturz wie dem Irak und Syrien droht jetzt Afghanistan nach dem Rückzug der internationalen Truppen. Und nicht die Intervention des Westens gegen Gaddafi, der im Begriff war, Libyen in ein Schlachthaus zu verwandeln, wie es Syrien wurde, hat zur jetzigen Instabilität geführt.

Sondern, dass der Westen sich abwandte, als es galt, dort minimale staatliche Strukturen aufzubauen. Nicht das Eingreifen des Westens, sondern sein kopfloser Rückzug hat die Region explodieren lassen. In diesem Sinne trägt der Westen also doch Mitschuld daran, dass die Lage in der Region außer Kontrolle geriet.

Allerdings nicht, weil er zu wenig Entwicklungshilfe an arme Länder zahlte oder ihnen ein ungerechtes Wirtschaftssystem aufzwang. Sondern weil sich in der westlichen Öffentlichkeit die trügerische Vorstellung durchgesetzt hat, wir könnten von den Schrecken der Welt verschont bleiben, hielten wir uns nur so weit wie möglich aus ihnen heraus.

Was immer westliche Politik wo auch immer an verheerenden Fehlern gemacht haben mag: Dafür, dass sich die meisten arabischen (und generell islamisch geprägten) Gesellschaften als unfähig erweisen, moderne rechtliche, politische und wirtschaftliche Strukturen zu entwickeln, trägt er in letzter Instanz so wenig die Verantwortung wie dafür, dass in Afrika mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Entkolonisierung raffgierige Eliten ihre Länder zu plündern pflegen, statt ihnen zu einigermaßen gerechten Regierungsstrukturen zu verhelfen.

Dass sie ihre eigene Verantwortung nicht annehmen und stets den Westen als Sündenbock für alle von ihnen verursachten Desaster vorschieben – das ist der Kern der Dauermisere in weiten Teilen dieses Kontinents.

Es stimmt zwar: Der Westen kann nicht das Elend der ganzen Welt lösen und überall zur Stelle sein, wo Menschenrechte grob verletzt werden. Er ist auch weder verpflichtet noch dazu in der Lage, seine Tore bedingungslos für Flüchtlinge aus aller Welt zu öffnen – auch wenn eine Unzahl bigotter Moralapostel, die sich um realpolitische Zusammenhänge nicht scheren, derzeit massiv die Gelegenheit nutzen, sich als gute Hirten aller Mühsamen und Beladenen zu produzieren.

Dass wir nicht die ganze Welt retten und zu Frieden und Wohlstand führen können, bedeutet jedoch nicht, dass wir Gewaltwellen rund um den Globus wie schicksalhafte Naturereignisse hinnehmen müssten. Die vor Jahren erhobene Forderung an die internationale Gemeinschaft, in Syrien eine Sicherheitszone vor Assads Terror zu errichten, wurde von verantwortlichen Politikern damit abgebügelt, es müsse jede Ausweitung des Konflikts und eine indirekte Stärkung dschihadistischer Kräfte vermieden werden. Beides ist nunmehr in apokalyptischem Maß eingetreten – gerade weil der Westen untätig blieb.

Wenn Europa schon nicht bereit war, sich dort zu engagieren, hätte es sich auf die Kanalisierung des zu erwartenden Flüchtlingsstroms vorbereiten müssen. Der nächste ist im Übrigen schon abzusehen, sollte Europa der russischen Aggression in der Ukraine nicht endlich entschiedener entgegentreten.

Auch wenn dies unter dem Geschrei rechter Fremdenfeinde und verlogener linker "Antifaschisten" nicht populär klingt: Die aktuelle Krise mahnt den Westen, und namentlich Europa, nicht zu weniger, sondern zu deutlich mehr globalem Interventionismus – mit dem Ziel des Aufbaus von Dämmen gegen Exzesse der Unmenschlichkeit.

QuoteNachkriegsordnung • vor 16 Stunden

Zur Politik:
natürlich ist die Politik des Westens Schuld an diesem Desaster...zu all den angezettelten Kriegen war man noch nicht einmal gewillt, eine Nachkriegsordnung aufzustellen. Das ist ein Versagen auf ganzer Linie. Es macht einfach keinen Sinn, hier Schönschrift zu üben.

Jetzt rollen die Züge und Merkel versprach, keinen Syrer Asyl zu verweigern....Ungarn nahm das als Einladung auf. An den Bahnhöfen brauchen erschöpfte Menschen Nahrung, ärztliche Hilfe, Ansprechpartner...und die Unterkunftsfrage muß kurzfristig geklärt werden. Zelte gehen höchstens noch 6 Wochen...dann ist hier der Herbst schon sehr kühl.


QuoteTechnik Nerd • vor 16 Stunden

Die Linksgrünen Morlisten leben davon den Menschen Schuldgefühle einzureden um diese dann über die empfundene Schuld und Scham in eine gewisse Richtung lenken zu können, ideologisch. Der Kolonialismus ist seit 70 Jahren vorbei, es ist nicht unsere Verantwortung wenn die Regierungen der Entwicklungsländer korrupt sind und ihr Volk und Land an die Konzerne verkaufen. Wobei es ja oft die westlichen Konzerne sind die dabei helfen Stromnetz, Straßennetz, Mobilfunk usw aufzubauen da die heimische Wirtschaft dort das Know How dazu oftmals nicht hat. Klar ist das Profitorientiert, nur ohne solche Investitionen würde ja gar nix laufen. Ohne westliches Kapital würde es in den Ländern noch weniger Arbeit, Industrie und Infrastruktur geben die Bedingungen wären noch jämmerlicher. Und was die Waffenlieferungen angeht. Endweder wir liefern Waffen an Länder wie Nigeria oder diese Länder werden dann von irgendwelchen Buschmilizen ala Boko Haram usw überrannt. Ist vielleicht nicht schön, aber es ist immer noch die beste Option wenn die afirkanischen Regierungsarmeen gut genug bewaffnet sind um mit so ner Terrormiliz fertig zu werden. Die Alternative dazu wäre noch schlimmer, bei allen exzessen und Menschenrechtsverletzungen dieser Länder. Man muss da realistisch bleiben. Insofern, ich lasse mir da keine Schuldgefühle einreden. Der Westen hat die Macht die Welt mit zu gestalten, das sollten wir auch tun denn wirtschaftliche Entwicklung und verbesserung der Umstände gibts nur wenn stabilität und Frieden herrscht und das gibts oft eben nur durch westliche Interventionen oder Androhung von Sanktionen/Militärschlägen. Die Welt ist eben nich Teletubbieland.


Quotepaul • vor 16 Stunden

Nie wieder Krieg vom deutschen Boden - skandieren die einen. Noch mehr Intervention - brüllen die anderen ...


QuoteIvy • vor einer Stunde

Ich persönlich sehe es auch als sehr großes Problem an, dass viele Menschen im Westen der Meinung sind, dass wir Schuld sind und das unser Wohlstand ungerechtfertigter Weise entstanden ist. Dazu muss man sagen, basiert Wohlstand in erster Linie zunächst erst einmal auf Frieden und Sicherheit. Das sind eigentlich die Punkte, die am aller wichtigsten sind. Selbstverwirklichung, oder andere Dinge sind erst danach möglich, wenn diese unteren Stufen der Bedürfnispyramide gedeckt sind. Unsere Einstellung, unsere sich im Laufe unserer Historie entwickelten Wert- und Moralvorstellungen, welche durch die Aufklärung hervorgebracht wurden, haben uns diesen Wohlstand erst überhaupt ermöglicht. Der Umgang miteinander, mehrheitlich Achten des Rechtssystems (bis auf einige Kriminelle die wir auch haben), all diese Dinge sind Essenz einer friedlichen Gesellschaftsordnung. Und das ist in Jahrhunderten hart erarbeitet, hierfür wurde von unseren Vorfahren hart gekämpft, viele haben für diese heutige Gesellschaftsordnung ihr Leben gelassen. Der Wunsch danach kam von innen heraus, aus der Mitte der Gesellschaft. Im Orient oder in Afrika wurde nun zwangsweise versucht das ganze von Außen überzustülpen und das ist das Problem. Anscheinend sind viele dieser Gesellschaften von sich aus noch gar nicht so weit zu verstehen, dass das die Basis von Wohlstand ist. Nur die eigene Einsicht hilft aber diese Dinge fest zu verankern im eigenen Handeln und Denken.
Viele Menschen in Deutschland sind sich dessen ja nicht einmal selbst bewusst. Für sie hat jeder Mensch die gleichen Wertvorstellungen, träumt gleichermaßen von einem freien, friedlichen Miteinander. Da bin ich mir aber nicht so sicher, dass dem wirklich so ist. Schließlich ist es uns in Europa auch nicht innerhalb von 2,3 Jahren gelungen solch ein Gesellschaftssystem wie wir es haben zu implementieren, sondern es war ein langer Kampf über Generationen hinweg. Kann man wirklich glauben, dass Menschen die gänzlich anders sozialisiert sind, dazu noch weit über 20, teilweise über 30 Jahre alt sind, ihre Wertvorstellungen von einem zum anderen Tag ändern zu können?



Aus: "Das falsche Gerede von der Schuld des Westens" Richard Herzinger (31.08.15)
Quelle: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article145797348/Das-falsche-Gerede-von-der-Schuld-des-Westens.html (http://www.welt.de/debatte/kommentare/article145797348/Das-falsche-Gerede-von-der-Schuld-des-Westens.html)

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Kategorie Politics, Zitate, die man sich merken sollte:
,,Wir wissen nicht genau, ob die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, bis hin zu Propaganda in Albanien und Kosovo: ,Bitte kommt nicht' & ,Ihr werdet sowieso zurückgeschickt'! sich auf die Zahlen auswirken..." (Thomas de Maiziére (CDU) Innenminister)
Quelle: https://www.burks.de/burksblog/2015/09/01/unter-propagandisten (https://www.burks.de/burksblog/2015/09/01/unter-propagandisten)

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Quote[...] Das Asylrecht der Bundesrepublik kann nur historisch verstanden werden. Was politische Verfolgung ist, das wussten die Väter und Mütter des Grundgesetzes ziemlich genau, schon weil viele Deutsche während der NS-Zeit Schutz in anderen Ländern Europas oder in Übersee gesucht haben.

... Wirtschaftliche Erwägungen spielten hier keine Rolle. Ein Flüchtling aus dem Osten mag seine ökonomischen Bedingungen mit der Flucht nach Westen zumeist verbessert haben, aber seine Herkunft machte ihn zu einem politischen Flüchtling. Vor diesem Hintergrund muss man den heute zumeist pejorativen Gebrauch des Begriffs ,,Wirtschaftsflüchtling" verstehen. Der Begriff meint: Es sind ja schlicht subjektive, nachgerade egoistische Gründe, die jemanden aus wirtschaftlichen Gründen flüchten lassen, während politische Gründe eine objektive Ordnung spiegeln, die durchaus positiv zu wenden sind: Wer aus politischen Gründen zu uns kommt, bestätigt unsere zivilisatorische Überlegenheit, wer aus wirtschaftlichen Erwägungen kommt, wird ein Konkurrent, auch noch einer, der staatliche Zuwendungen für Wohnung, Nahrung und Telekommunikation erhält, während wir uns dies selbst erarbeiten müssen.

... Die Würde des Arbeiters bestand einmal darin, dass er der Entfremdung seiner Tätigkeit trotzte, dass er sie trotzdem gemacht hat und damit die Hauptbedeutung darin lag, dem produzierten Mehrwert so viel abzutrotzen, dass gutes Leben möglich war. Wie in den bürgerlichen Schichten Selbstbewusstsein und Selbsterzeugung durch die Narrationsfähigkeit des eigenen Lebens ermöglicht wurde, war es in den arbeitenden Schichten der Zusammenhang von harter Arbeit und Ertrag. Nur wer arbeitet, soll auch essen - dieses Credo hat sich tief in dieses Selbstverständnis eingebrannt und macht auch in sozialdemokratischen Milieus so etwas wie bedingungsloses Grundeinkommen eher unplausibel. Dass umverteilt werden muss, ist hier selbstverständlich, aber dann soll dies fast ausschließlich nach Algorithmen geschehen, die ihren Takt aus der Stellung des Anspruchsberechtigten zur Erwerbsarbeit gewinnen.

Vor diesem Hintergrund ist der Flüchtling eine nachgerade extreme Bedrohung: Er kommt nach Deutschland, unvorhergesehen, und wird, so lange er nicht im Schatten der Illegalität verschwindet, völlig unabhängig von Arbeit versorgt. Nicht dass er wirklich gut versorgt würde, aber es erscheint dem Ressentiment als exakt das: Hilfen, die ansonsten nur an Arbeit orientiert sind, werden entkoppelt von jeglicher Leistung gewährt. Es erscheint dann wie eine Privilegierung von Unterprivilegierten, die Ansprüche haben und nicht erworben haben müssen. Aus diesem Holz sind die O-Töne geschnitzt, die das Ressentiment weniger auf die geflüchteten Personen selbst als auf die Logik der eigenen Anspruchsberechtigungen richten. Typische Sätze lauten: Die bekommen dies und jenes (Kleidung, Wohnung, Lebensmittel, Schulgeld), ohne etwas dafür getan zu haben. Der Hass sieht aus wie ein Hass darauf, wie mühsam Subsistenz dann doch erscheint - besonders im Vergleich zu jener Art von Arbeit, die man auch noch wollen soll.

Vielleicht ist der Hass auf Flüchtlinge nur die andere Seite des Ressentiments gegen ,,die da oben", die auch als Privilegierte erscheinen. Der Ruf, den man auf den Demonstrationen stets zu hören bekommt, es seien alles Illegale, meint eigentlich, es seien alles Illegitime; so illegitim wie ,,die da oben", die mit Privilegien ausgestattet werden, die nicht leistungsadäquat sind. Bis in die Papiere von Pegida und die AfD kann man kaum etwas gegen die ,,wirklich Verfolgten" sagen, dafür umso mehr über die Wirtschaftsflüchtlinge, die den klassischen Mechanismus der Inklusion in die Gesellschaft außer Kraft setzen: Arbeit als Subsistenzmittel.

Es ist nicht leicht, so zu argumentieren. Denn wer wollte in Zweifel ziehen, dass ökonomische Werte in erster Linie durch produktive Arbeit erzeugt werden, und wer wollte in Zweifel ziehen, dass nur das verteilt werden kann, was zuvor erarbeitet wurde? Diese Suggestivfragen mögen naiv erscheinen, denn gerade kritische Geister interessieren sich eher für Distributionsfragen als für die Wertschöpfung und ihre Bedingungen. Aber der Flüchtling ist ein Symbol für eine Existenz, die Subsistenz schon symbolisch von Arbeit trennt.

Eine dynamische, schnelle, pluralistische, nicht zentral gesteuerte Gesellschaft ist darauf angewiesen, Menschen weitgehend unterbestimmt zu lassen und so für vielfältige Rekombinationen zu sorgen. Dass dies zu kulturellen Konflikten führt, darf nicht verwundern. So dürften diejenigen Kulturen politisch, ökonomisch, wohl auch wissenschaftlich und rechtlich ins Hintertreffen geraten, denen es nicht gelingt, sich auf die Unterbestimmung des Menschen und damit die Pluralisierung seiner Möglichkeiten einzulassen. An der Varianz oder der Enge etwa religiöser oder traditioneller Vorgaben für gelungenes Leben lässt sich dies deutlich messen.

Als Normalfall moderner Vergesellschaftung erschien seit dem neunzehnten Jahrhundert die Zugehörigkeit zum Nationalstaat, weswegen man auch so etwas wie kollektive Gruppenexistenzen imaginieren konnte, die die lose Koppelung zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen fast unsichtbar machen konnten. Jedenfalls war die Zugehörigkeit zu Nationalstaaten alternativlos. Der Status der Staatenlosigkeit war schwerer zu ertragen als Arbeitslosigkeit, Rechtlosigkeit, religiöse Heimatlosigkeit, Bildungslosigkeit und Unwissenheit oder Familienlosigkeit. In dieser Gemengelage ist der klassische Migrant der Moderne vor allem jemand, der von einem nationalstaatlich organisierten Rahmen in einen anderen zieht. Das gilt auch für den Flüchtling. Ein Flüchtling wechselt den politischen Bestimmungsraum, was dann politische Gründe zu paradigmatischen Fluchtgründen macht oder besser: zu legitimierbaren. Deshalb gibt es ein Recht auf politisches Asyl, vielleicht noch auf ein religiöses, wenn es dem Herkunftsstaat nicht gelingt, Religionsfreiheit zu garantieren. Es gibt aber kein Bildungs- und Wissensasyl, auch kein Familienasyl. Und schon gar kein Recht auf ökonomisches Asyl.

Zerfallene oder autoritäre Staaten korrelieren oft mit ökonomischer Impotenz und ökonomischer Zukunftslosigkeit, mit maroden Rechtssystemen und der Unfähigkeit, die eigene Bevölkerung zu versorgen. Wer vor den religiös codierten Konflikten im Nahen Osten flieht oder vor den Folgen des Staatszerfalls des ehemaligen Jugoslawien geflohen ist, hat immer auch wirtschaftliche Gründe. Die Flucht aus afrikanischen Staaten ohne angemessene Infrastruktur hat in den allermeisten Fällen auch eine ökonomische Dimension. Die Flucht aus Afghanistan und aus dem Irak ist selbstverständlich auch ökonomisch motiviert, nicht nur politisch oder religiös.

...


Aus: "Der Hass auf den ,,Wirtschaftsflüchtling"" Armin Nassehi (31.08.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/hass-auf-wirtschaftsfluechtlinge-in-deutschland-13776696.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/hass-auf-wirtschaftsfluechtlinge-in-deutschland-13776696.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2)

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Quote[...] Klar, die rechtsextremen Gewalttäter und ihre brav-biederen Unterstützer sind eine Schande für dieses Land. Die eigentliche Schande aber ist die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Eine Flüchtlingspolitik, die die Ursachen für die Flucht von Millionen Menschen nicht bekämpft, sondern sie immer wieder aufs Neue schafft.

Zum Beispiel im Kosovo, wo auch diese Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen hat, dem Land nach dem Krieg wieder auf die Beine zu helfen und stattdessen ein hochkorruptes Regime unterstützt, das die Menschen in die Flucht treibt.

Zum Beispiel in Syrien, wo diese Bundesregierung die Politik eines türkischen Präsidenten unterstützt, der islamistische Mörderbanden mit Waffen versorgt. Mörderbanden, vor denen Hunderttausende nach Europa fliehen.

Oder Afrika, wo der deutsche Außenminister einen Pakt mit den schlimmsten Despoten des Kontinents schließen will. Einen Pakt, der verhindern soll, dass politisch Verfolgte ihr Land verlassen können und sie stattdessen ihren Verfolgern ausliefert.

Diese Politik ist eine Schande für dieses Land. Daran müsste etwas geändert werden. ...

Quote
Am 26. August 2015 um 00:02 von Gnom
Vielen Dank, Herr Restle!

Sie haben nicht nur, zu Recht, die europäische Flüchtlingspolitik kritisiert, sondern auch Fluchtursachen "angerissen". Derartige, klare Stellungsnahmen der Medien hat man bisher zu lange vergeblich gesucht.


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Am 26. August 2015 um 00:05 von Franz.Graumann
der Kommentar hat gute Ansätze

und man könnte ihn noch um einige Hinweise und Forderungen erweitern, das Hinterherrennen einer von den USA vorgegebenen Außenpolitik trifft uns wie ein Bummerang wenn auch mit einigen Jahren Verspätung..............wozu haben wir denn die EU wenn wir nicht in der Lage sind Entscheidungen zum Wohle der europäischen Bevölkerung zu treffen auch wenn diese nicht mit US amerikanischen Vorstellungen übereinstimmen, all die Kriege der letzten 20 Jahre, angefangen vom Jugoslavienkrieg über Afghanistan, Irak, Libyen + die Destabilisierung von Syrien und der Ukraine, alles völlig unnötig und es ist kein Ende abzusehen, und ich beobachte mit Genugtuung wie unsere "heile Welt" überrannt wird von dem Elend was wir geschaffen haben......................


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Am 26. August 2015 um 00:08 von michaelgaertner
Totale Begeisterung

und Zustimmung für diesen Kommentar. Ich dachte schon, dass deutsche Medien zu solch einer Aussage nicht mehr fähig sind oder fähig sein wollen. Dieser Kommentar gehört in Großbuchstaben auf die Titelseite aller deutschen Zeitungen ...


Quote
Am 26. August 2015 um 00:24 von Rush
Fakten

Ein Ex-Kollege von mir, gebürtig aus dem Senegal, sagte mir damals, er wolle schnellstmöglich aus seinem Stadtteil wegziehen, weil durch den massiven Zustrom von Armutsflüchtlingen aus der Balkan-Region in seinem Viertel das einsetzte, was man immer als 'Abwärtsspirale" bezeichnet. Er sagte wörtlich: "Ich will nicht, dass meine Tochter hier aufwachsen soll."
Wow! Ein Schwarzafrikaner zieht weg wegen der "Ausländer" ...


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Am 26. August 2015 um 00:38 von joregy57
Was sie schreiben ist das

Was sie schreiben ist das wahre Problem.
100% Zustimmung dieses Mal!
"Die eigentliche Schande aber ist die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Eine Flüchtlingspolitik, die die Ursachen für die Flucht von Millionen Menschen nicht bekämpft, sondern sie immer wieder aufs Neue schafft"
Das ist Fakt. Und das zeigt die "Stärke" dieser Regierung!


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Am 26. August 2015 um 00:48 von joregy57
ein besonderer Kommentar,

ein besonderer Kommentar, mit dem man hier nicht gerechnet hat.
Alle Achtung.
Achtung vor Allen die das Leid der Flüchtlinge sehen wollen.
Aber das Grund - Problem ist ungelöst. ...


Quote
Am 26. August 2015 um 01:09 von paddi
Herr Restle,sie machen es sich schlicht zu einfach

Die Situation in Syrien, Irak und Afrika ist nicht einfach mal so durch eine andere Politik der Bundesregierung zu lösen. Sie tun so als hätte Deutschland und Europa einen großen Einfluß in diesen Regionen der Welt. Am IS ist sicher nicht Erdogans Politik schuld. Der US Krieg im Irak wurde von der deutschen Regierung nicht unterstützt. Der deutsche Außenminister hat den Bombenkrieg in Libyen nicht unterstützt und sich bei der entsprechenden UN Resolution unterhalten. Im Kososvo, in Afrika und der Ukraine müssen sie mit den Kräften arbeiten, die sie dort vorfinden.

Die US Politik in der Region, vor allem der Krieg 2003 sind ebenso wie die Kolonialpolitik Ursachen für die Probleme. Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ist bereits 1400 Jahre alt. Der arabische Frühling hat die Region weiter destabilisiert, alle Hoffnungen auf Demokratie sind enttäuscht. Der Kommentar von Herrn Restle entbehrt jeder Sachkenntnis und gauckelt populistisch einfache Lösungen vor, die es nicht gibt.


Quote
Am 26. August 2015 um 01:21 von logo1
Versagen der Regierungen

Endlich mal einer, der die wahren Gründe nennt.

Es fehlen nur noch weitere Ursachen in seinem Kommentar:
-initierte sowie unterstützte und mitfinanzierte Kriege in Afghanistan bzw. Irak oder Ukraine
-Waffenexporte in Entwicklungs- oder Schwellenländer in Mrd. €
-verfehlte Entwicklungshilfe
-ruinöse Preispolitik der EU oder USA in Afrika mit ihren Absatzprodukte
-das Hinterherrennen der EU an einer von den USA vorgegebenen Außenpolitik

Und verantwortlich sind nur die Eliten bzw. die Regierungen der führenden Industrieländer!


Quote
Am 26. August 2015 um 02:57 von Klaus V.
Stoppt den Wahnsinn der globalen Wirtschafts-Kriege!

Die Flüchtlings-Welle ist nicht mit moralischen Appellen an die Rechtsextremen zu stoppen. Europa muss endlich außenpolitisch erwachen und die verbündeten USA zwingen, ihre willkürlich angezettelten globalen Wirtschafts-Kriege zu beenden. Sonst fällt die Welt in ein finsteres Mittelalter zurück. Krieg ist kein Schicksal. Er wird von Menschen gemacht. Er muss von Menschen verhindert werden.
Die Regierungen sind nicht dazu da, gefühlsduselige Symbol-Aktionen zu zelebrieren: Sie müssen endlich außenpolitisch erwachen und die vom Westen angezettelte Zerstörung in den Krisen-Gebieten stoppen. Niemand wird freiwillig ein Flüchtling. Es gibt ein Menschenrecht auf friedliches Leben in der eigenen Heimat.
Kriege werden von Menschen angezettelt und geführt. Kriege sind die Ursache für Flucht und Vertreibung.
Menschen werden zu Flüchtlingen, wenn Krieg ihr Heimatland zerstört.
Die Verantwortlichen für die Kriege der Welt sitzen nicht in einem galaktischen Raumschiff, sondern in den Regierungen


Quote
Am 26. August 2015 um 03:42 von edding
Bravo Herr Restle!

Bravo!

Diesen Worten ist nichts mehr hinzuzufügen!
Vor diesem Hintergrund erkennt man, wie heuchlerisch der Flüchtlings-Besuchstourismus einiger bestimmter Politiker eigentlich ist.
Ich bedanke mich für Ihre scharfsinnigen, aufklärenden und couragierten Worte – das gibt Hoffnung auf eine Abkehr von der katastrophalen Politik der letzten Jahre, Herr Restle.


Quote
Am 26. August 2015 um 08:16 von Randbemerkung
Dieser Kommentar war überfällig, aber in einem Punkt stimme ich nicht ganz überein. Nicht die Politik, sondern die Gesinnung mancher Bürger ist eine Schande für unser Land.
Aber natürlich ist auch richtig, dass die EU kläglich versagt hat. Es gibt keine Solidarität oder ethische Grundwerte, nur nationalen Egoismus und kleinkariertes Denken.
Was sollen wir machen? Den europäischen Gedanken aufgeben und resignieren oder darum kämpfen? Im Moment bin ich unschlüssig und tendiere eher zu der Erkenntnis, dass Europa gescheitert ist.


...


Aus: "Der Kommentar von Georg Restle", WDR (tagesthemen 22:15 Uhr, 25.08.2015)
Quelle: https://www.tagesschau.de/kommentar/restle-fluechtlinge-101.html (https://www.tagesschau.de/kommentar/restle-fluechtlinge-101.html)

Title: [Seit Beginn der... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 01, 2015, 01:30:36 PM
Quote[...] Am Ende muss die Bild ran. Das Boulevard-Blatt, zu dessen Markenkern seit vielen Jahren Rassismus, die lustvolle Zurschaustellung von ,,Ausländerkriminalität" und die Hetze gegen ,,Wirtschaftsflüchtlinge" gehören, hat einhundert ,,Stimmen gegen Flüchtlingshass" gesammelt. Es sind Gestalten wie Sigmar ,,SPD-Siggi" Gabriel, CSU-Chef Horst Seehofer (der sogar bei dieser Gelegenheit noch gegen ,,Asylmissbrauch" wettern darf), Bundesinnenminister Thomas de Maizère und sogar [ ] Ursula von der Leyen.

Seit Beginn der neuesten Welle des rassistisch motivierten Rechtsterrorismus ist ein Narrativ allgegenwärtig, befeuert von konservativen bis ,,linksliberalen" Schreiberlingen und Politdarstellern: Es ist allein der ,,dumme", ,,stumpfe", ,,armselige" Mob in Heidenau, Freital und all den anderen Elendsgegenden, der Flüchtlingen das Leben schwer macht.

Exakt zur der Zeit, als die fleißigen Bild-RedakteurInnen an ihrer Image-Kampagne für Deutschland bastelten, ging eine andere Meldung online: Beamte der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX haben auf einem Flüchtlingsboot, das von der Türkei nach Griechenland übersetzen wollte, einen 17-jährigen Refugee erschossen.

Zwei Tage bevor die fleißigen Bild-RedakteurInnen die hübschen Profilbilder der versammelten FlüchtlingsfreundInnen ins Netz wuchteten, war es eine andere Meldung: 71 Flüchtlinge sind in einem LKW beim Überqueren der Grenze von Ungarn nach Österreich erstickt. Einen Tag nach dieser eine andere Nachricht: Vor der libyschen Küste ertrinken 200 Menschen, als ein Flüchtlingsboot sinkt.

Man mag seinen Hass auf die Schlepper richten. Aber die einfache Gleichung ist: Seit vielen, vielen Jahren arbeiten exakt die Menschen, deren Gesichter nun in der Bild gegen den ,,Flüchtlingshass" einstehen, samt ihren ParteifreundInnen aus CDU, CSU und SPD an der möglichst dichten Abschottung Europas gegen diejenigen, die aus ihren – nicht selten vom ,,Westen" und seiner geopolitischen und ökonomischen Agenda verheerten – Heimatländern gen Europa fliehen. Die Fluchtrouten werden dadurch immer gefährlicher, die Menschen müssen aber fliehen, denn zuhause warten Elend und Tod. Das Resultat ist unschwer vorherzusehen: Menschen sterben beim Versuch, die ,,Festung Europa" zu betreten.

Ohne den Lynchmob zu verharmlosen: Es sind nicht die StammtischrassistInnen aus Heidenau und Freital, die Milliarden in die militärische Abriegelung Europas investieren. Es sind auch nicht die StammtischrassistInnen, die vor zwei Monaten eine erneute Verschärfung des Bleiberechts beschlossen haben, die KritikerInnen als ,,Inhaftierungsprogramm" beschreiben. Und es sind nicht die StammtischrassistInnen, die Refugees vor der Erstaufnahmesstelle in Berlin unter inhumanen Bedingungen wochenlang ohne jede Betreuung auf Papiere warten lassen, sie in räudige Massenunterkünfte pferchen und diejenigen, die nicht erwünscht sind, in die Notlage ihrer Heimat rückführen.

Wer sich jetzt lautstark und PR-wirksam über die marodierenden Faschos aufregt, aber zu all dem nichts zu sagen hat, der wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass es gar nicht um Flüchtlinge geht, sondern um etwas ganz anderes. Ehrlich spricht Allianz-Chef Oliver Bäte in der Bild aus, worum es in der PR-Kampagne geht: Die Flüchtlingshatz ,,schadet Deutschland in der Welt".

Darüber, wie sehr Deutschland und seine BündnispartnerInnen der Welt schadet, will er lieber nicht reden. Dabei könnte er es unschwer herausfinden, würde er aus seinem Luxustower in Frankfurt herabsteigen, um mit denen zu reden, die hier nach langer, beschwerlicher Reise ankommen. Die Flüchtlingsorganisationen Karawane und The Voice haben die einfache Wahrheit einmal zu einem Slogan einer Kampagne gemacht: ,,Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört." Wenn sich jetzt DGB-Chef Reiner Hoffmann, dessen Organisation nicht nur Flüchtlinge polizeilich aus einem Gewerkschaftshaus in Berlin räumen ließ, sondern auch mit der Bundeswehr kuschelt, hinstellt und Tränen vergießt, ist das nicht mehr und nicht weniger als zum Kotzen.

Oder nehmen wir den grauenhaftesten SPD-Politiker seit dem ArbeiterInnenmörder Noske: Sigmar Gabriel. Er ist zuständig für die Genehmigung deutscher Waffenexporte. Versprochen hatte der würdelose Knilch deren Reduktion. Durchgesetzt hat er, dass sie

sich auf Rekordniveau befinden. Und wohin? Ja, genau, nach Nordafrika und in arabische Staaten. Auch in den Terrorstaat Saudi-Arabien, der nicht nur mit Vorliebe ,,Hexer" und Oppositionelle köpft und den Krieg in Syrien befeuert, sondern derzeit auch einen Angriffskrieg gegen den Jemen führt, durch den bereits hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Jetzt schwafelt der ,,SPD-Sonderbeauftragte für Schwachsinn und Gelaber" (Volker Pispers) in der Bild: ,,Hunderttausende Menschen riskieren ihr Leben, um vor Terror und Krieg zu uns zu fliehen. Sie haben ein Recht darauf, ohne Angst ein menschenwürdiges Leben bei uns zu führen." Es sind die Waffen, die SPD-Siggi ausführen lässt, die den ,,Terror und Krieg" erst ermöglichen, vor denen ,,Hunderttausende Menchen" dann fliehen müssen, um der Sozialdemokröte eine Unterlage für seinen PR-Scheiss abzugeben.

Der ,,Aufstand der Anständigen" will nur eines: Ruhe. Nicht die Möglichkeit einer Lösung des Problems, die aus der Überwindung der Logik von Kapital und bürgerlichem Staat entstehen würde, sondern die Ruhe eines Friedhofs, der möglichst weit weg ist. Es war immer eine der Strategien der Sicherung der Metropolen des Kapitalismus gegen die Habenichtse der Peripherie diversen Regimen in Nordafrika und im Nahen Osten Geld anzubieten, damit diese dafür sorgen, dass niemand bis an die eigenen Grenzen kommt.

Wenige Stunden vor der Bild-Kampagne kam auch diese Meldung: ,,EU will für Rücknahme von Flüchtlingen aus Afrika zahlen." Man will korrupten Regimes Kohle geben, damit diese Leute ,,aufnehmen", die gar nicht dort sein wollen, wo man sie ,,aufzunehmen" gedenkt. Und eine andere Meldung: ,,Bis zu einer Million Flüchtlinge warten in Libyen auf ein Boot über das Mittelmeer. Die Europäische Union sucht deshalb neue Verbündete für ihre Grenzsicherung. Das Vorbild heißt Muammar al-Gaddafi." Dem wurde nämlich, ebenfalls im Austausch gegen ,,Hilfsgelder", auch abverlangt, die Flüchtenden daran zu hindern, dahin zu kommen, wo man sie sehen und hören kann.

Das Sterben im Mittelmeer, die Ausschreitungen des Lynchmobs, die brennenden Asylbewerberunterkünfte: Sie verursachen Aufmerksamkeit und ,,schaden dem Ansehen Deutschlands" (Frank-Walter ,,sedierter Uhu" Steinmeier, SPD). Die medienwirksame Inszenierung der Regierungsparteien ist – wie immer das subjektive Selbstverständnis der nun ihre ,,Stimme" erhebenden Charaktermasken sei – nichts anderes als der Ruf: Flüchtling, stirb leise!

... Lasst uns unsere Kritik nicht auf falschen Prämissen aufbauen und den Rassismus in diesem Land auf ein Unterschichtenphänomen des ,,dummen", ,,nichtsnutzigen" ,,Ostprolls" reduzieren, wie das die Architekten der Festung Europa gerne hätten. Lasst uns handeln, rasch und entschlossen. Aber lasst uns nicht kopflos handeln. Ansonsten werden wir zu einer Art ,,Aufstand der Anständigen" in schwarzer Funktionskleidung werden – und den braucht wirklich kein Mensch.



Aus: "Stirb leise!" Peter Schaber (30. August 2015)
Quelle: http://lowerclassmag.com/2015/08/stirb-leise/ (http://lowerclassmag.com/2015/08/stirb-leise/)

Title: [Seit ungefähr zwei Monaten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 01, 2015, 01:37:42 PM
Quote[...] Am 29. August 2015 versammelten sich etwa 200 AntirassistInnen, BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Hennigsdorf und anderen Geflüchtete, zu einer antirassistische Demonstration durch Hennigsdorf.

Grund für die Demontration war ein rassistischer Angriff gegen zwei Geflüchtete, in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2015 in Hennigsdorf. Die beiden Männer, ein Kameruner und ein Somalier, überlebten nur knapp diesen Angriff. Schwer verletzt durch den Schlag mit einer abgebrochene Flasche, wurde ihr Leben nur durch die RettungssanitäterInnen gerettet. Sie mussten mehrere Tage zur Behandlung im Krankenhaus bleiben.

Darüber hinaus wollten Die demonstrantInnen aber auch den strukturellen Rassismus thematisieren, den Geflüchtete anhand vielfacher illegaler Abschiebungen erleben. Hinzu kommt hier noch der brutale physische Rassismus der Nazis und anderer unorganisierter RassistInnen hinzu.

Die DemonstrantInnen wollten mit der Demonstration lautstark NEIN sagen ZU ABSCHIEBUNGEN, NEIN ZU DISKRIMINIERUNG, NEIN ZU RASSISMUS in all seinen Formen.

Nach einer kurzen und emotionalen Eröffnungskundgebung ging es kraftvoll laut und bunt quer durch Hennigsdorf.

Die Stimmung auf der Demonstration war durchweg gut. Es gab viel gute Musik, viele Sprechchöre, wie zum Beispiel: "No Border No Nation Stop Deportation!" oder "Kein Mensch ist illegal", sowie Redebeiträge in Englich, Französisch und Deutsch. Darin machten die DemonstartionsteilnehmerInnen auf die Situation von Geflüchteten aufmerksam. Am Rande der Demonstration wurden verschiedene Fluglätter* verteilt.

... Die Demonstrationsroute verlief vom Autokreisel Stolpe Süd, ganz in der nähe des Flüchtlingslagers Hennigsdorf, durch die Berliner Straße, Marwitzer Straße, Fontanestraße, Staufenbergstraße, Rathenaustraße, in die Nähe des Bahnhofs Hennigsdorf und des Postplatzes. Dieser war Schauplatz des rassistischen Verbrechens. Direkt auf den Postplatz konnte die Demonstration nicht ziehen, weil dort ein mehrtägiges Fest stattfand.

In der Rathenaustraße fand dann, nach etwa zwei Stunden, eine Abschlusskundgebung statt. Nach dem Ende der Kundgebung wurden alle TeilnehmerInnen ermahnt, auf sich aufzupassen und in Gruppen abzureisen.

... Seit ungefähr zwei Monaten engagiert sich die hiesige Polizei für die Verfolgung von Gelflüchteten, die so genannte Dublinverfahren anhängig haben, mit dem Ziel, diese konsequent in das Schengenland abzuschieben, in dem sie auf ihrer Flucht zuerst angekommen sind.

Wegen dieser ständigen Abschiebungen leben die Geflüchteten im Stress und mit dauerhafter Angst. Sie sind in sich selbst verschlossen und versuchen, Kontakte mit den Behörden möglichst zu vermeiden; es zu vermeiden, ins Krankenhaus zu gehen, wenn sie krank sind. Jeder Besuch bei der Ausländerbehörde, um Dokumente zu erneuem, wird zur Mutprobe, die Angst ist groß, jederzeit abgeschoben zu werden.

Die Lebensbedingungen und die hygienischen Zustände im Heim sind prekär und miserabel. Außerdem sind häufig drei oder vier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität in einem Zimmer, was das Zusammenleben sehr schwierig macht.
Wir wollen sagen: Hört auf uns so anders zu behandeln. Wir sind alle Menschen!
Wir wollen Bürgerinnen sein mit vollen Rechten, mit dem Recht auf Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe.

...


Aus: "Antirassistische Demonstration in Henningsdorf" Bolk (30.08.15)
Quelle: http://www.ostblog.de/2015/08/antirassistische_demontration.php (http://www.ostblog.de/2015/08/antirassistische_demontration.php)
Title: [In der Entscheidung geht es um... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2015, 10:25:04 AM
Quote[...] Das Urteil kommt zur rechten Zeit: Flüchtlinge haben ein Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde, auch wenn sehr viele in sehr kurzer Zeit ankommen und das Ankunftsland darauf sehr schlecht vorbereitet ist. Das ist die Quintessenz des heutigen Lampedusa-Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die ,,Krisen-" und ,,Notstands"-Argumente, mit denen der Aufnahmestaat sich verteidigt, mögen noch so berechtigt sein – gegen die Menschenwürde richten sie nichts aus.

In der Entscheidung geht es um die Zustände auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa im Jahr 2011. Dort waren nach der Revolution in Tunesien mehr als 50.000 Flüchtlinge gelandet. Die örtlichen Behörden waren rettungslos überfordert: Die Erstaufnahmeeinrichtung war völlig überfüllt, die sanitären Verhältnisse entsetzlich, und die Insassen konnten keinen Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen. Am 20. September 2011 brach in dem Lager ein regelrechter Aufstand aus, während dessen das Lager teilweise abbrannte. Die drei Kläger des heutigen Urteils wurden nach diesem Aufstand mit vielen anderen zusammen verhaftet und nach Palermo geflogen, wo sie auf Schiffen im Hafen untergebracht und nach einigen Tagen zurück nach Tunesien abgeschoben wurden.

Zunächst: die Flüchtlinge einzusperren, von der Außenwelt abzuschneiden und ihnen weder zu erklären, was mit ihnen passiert, noch die Chance auf Rechtsschutz zu geben – das geht für den EGMR mit dem Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) nicht zusammen. Aber damit nicht genug: Eine Mehrheit der Kammermitglieder sieht durch die Zustände in dem Lager auf Lampedusa auch das Verbot unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) verletzt.

Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zum einen kann man mit den beiden Dissentern Sajó und Vučinić fragen, ob überfüllte Zellen und stinkende Toiletten auch dann die Schwelle zur Unmenschlichkeit überschreiten, wenn man sich nur wenige Tage in ihnen aufhalten muss. Es wird aus den Urteilsgründen nicht so richtig klar, aber mir scheint, für die Kammermehrheit hat hier am Ende die besondere Situation der Betroffene den Ausschlag gegeben: Es handelt sich immerhin um Bootsflüchtlinge, die gerade der Gefahr entronnen sind, ihr Leben im Mittelmeer zu verlieren. Die kann man nicht behandeln wie jeden anderen robusten Menschen auch.

Zum anderen scheint mir die Kammermehrheit von dem Drang getrieben, Art. 3 auch und gerade in Krisensituationen zur Achtung zu verhelfen. Die Richter_innen würdigen zwar die Not, in der sich die italienischen Behörden 2011 angesichts des Flüchtlingsandrangs aus Nordafrika befanden, sehr ausführlich. Aber nichts davon, weder die zugespitzte Situation noch die Bürde der Seerettung noch die Verpflichtung, auf der kleinen Insel für Ruhe und Ordnung zu sorgen, seien Grund genug, sich von der Pflicht befreit zu fühlen, die Menschenwürde der Flüchtlinge zu wahren. Das Verbot unmenschlicher Behandlung gilt absolut und nach Art. 15 EMRK weder durch Krieg noch durch sonst irgendeinen Notstand begrenzt.

Auch die Art, wie Italien die tunesischen Flüchtlinge wieder losgeworden ist, trägt ihr jetzt eine Verurteilung durch den Straßburger Gerichtshof ein. Die Flüchtlinge waren zwar individuell registriert worden, aber die Abschiebeverfügung erschien dem Gerichtshof zu pauschal. Gruppendeportationen sind nach Art. 4 Prot. 4 EMRK verboten, und eine solche sieht die Kammermehrheit (wiederum gegen den Dissent von Sajó und Vučinić) hier gegeben.


Aus: "Straßburg zu Lampedusa: Menschenwürde muss krisenfest sein" Maximilian Steinbeis (Di 1 Sep 2015)
Quelle: http://www.verfassungsblog.de/strassburg-zu-lampedusa-menschenwuerde-muss-krisenfest-sein/#.VeawMZegopo (http://www.verfassungsblog.de/strassburg-zu-lampedusa-menschenwuerde-muss-krisenfest-sein/#.VeawMZegopo)

AFFAIRE KHLAIFIA ET AUTRES c. ITALIE (2015)
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-156517 (http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-156517)


Title: [In diesen Tagen gerät da allerdings eine Menge in Bewegung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2015, 10:43:31 AM
Quote[...] Der politische Feind: mein gesamtes Erwachsenenleben hat bisher die Kontinuität durchzogen, dass man unter uns aufgeklärten, vernünftigen Linksliberalen über so etwas allenfalls verächtlich lächelt. Der reaktionäre Antikommunismus unserer Großeltern, der revolutionäre Antikapitalismus unserer Eltern, die ,,bleierne Zeit" der RAF-Ära, die Islamistenangst der Gegenwart – mein Impuls war stets, mich von solch hoch polarisierten und aufgeladenen Konstellationen mitsamt der damit einhergehenden wohligen Erregung fern zu halten und aus der Gemeinschaft der im Kampf gegen einen Feind Verschworenen in eine ironische Beobachterposition zu flüchten, die zu beiden Seiten, wenn schon nicht gleich viel, so doch jedenfalls Abstand hält. Und damit fühlte ich mich im Regelfall völlig d'accord mit dem Mainstream meines professionellen, kulturellen und generationellen Milieus.

In diesen Tagen gerät da allerdings eine Menge in Bewegung. Gemeinsam mit vielen anderen, mit Staatsoberhäuptern und Vizekanzlern, mit Filmstars und Fernsehkaspern und unzähligen weiteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland verspüre ich den Drang nach einer radikalen Positionsbestimmung: Wir sind hier. Und ihr seid dort. Und nichts, kein Argument, kein Wert, keine Tradition, kein Interesse, keine Em- oder gar Sympathie, nichts, überhaupt gar nichts verbindet uns. Wir und ihr, das kann nicht koexistieren. Wir können nicht Wir sein, solange ihr Ihr sein könnt. Wir sind Feinde.

Warum diese massenhafte, die ganze Gesellschaft durchlaufende Positionsbestimmung jetzt passiert und nicht schon vor 25 Jahren, als die ersten Schwarzen mit Baseballschlägern durch ostdeutsche Innenstädte gejagt wurden und die ersten türkischen Familien in ihren in Brand gesteckten Häusern ums Leben kamen, darüber kann man sicher noch viele interessante Betrachtungen anstellen. Mich interessieren hier zwei andere Aspekte.

Zum einen: wenn eine solche Positionsbestimmung nicht nur dazu da sein soll, sich selbst ein gutes Gefühl zu verschaffen, dann muss sie die Frage beantworten, was mit den Grundrechten der Feinde passieren soll. Grundrechte und Feindschaft, das verträgt sich schlecht. Grundrechte sind so etwas wie ein Friedensvertrag einer ausdifferenzierten Gesellschaft mit sich selbst: Wir binden uns damit, euch frei eure Meinung sagen, euch frei euch versammeln, euch Ihr sein zu lassen, um wen immer es sich bei ,,euch" gerade handelt. Genau das wollen wir die Nazis in Freital und Heidenau und sonstwo aber nicht lassen. Wir wollen die Vollpfosten auf Facebook nicht frei ihre rassistische, hasserfüllte Meinung sagen lassen. Wir wollen Hassparolen grölenden Rechtsradikalen vor Unterkünften voller traumatisierter Bürgerkriegsopfer nicht von ihrer Versammungsfreiheit Gebrauch machen lassen.

Der zweite Punkt: Feindschaft ist immer reflexiv. Das ,,Pack" aus Freital und Heidenau hasst uns kosmopolitische, urbane, selbstbewusste, artikulierte, wohlhabende Aktivbürgerschaftsmischpoke kein bisschen weniger als wir sie, mitsamt unseren Politikern, unseren Juristen und unserer Lügenpresse. Wir brauchen uns nicht einbilden, mit unseren Feindschaftsbekundungen bei ihnen irgendetwas zu bewirken außer die Bestätigung des ohnehin bestehenden und völlig zutreffenden Eindrucks, dass sie von uns nichts Gutes zu erwarten haben. Das sind Leute, die ernsthaft glauben, dass den ,,Deutschen" (also ihnen) durch Zuwanderung von Fremden ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie den Indianern in den USA im 19. Jahrhundert. Eine Kriegserklärung durch kosmopolitische East Coast Liberals passt da voll ins Weltbild.

In der deutschen Gesellschaft insgesamt ist Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit, wenn man den Soziologen glauben darf, seit Jahren rückläufig. Die Bild-Zeitung macht keine offene Asylanten-Hetze mehr. Die NPD verliert eine Wahl nach der anderen. Die Rechtsextremen verlieren ihren gesellschaftlichen Rückhalt. Das ist natürlich erst einmal eine einschränkungslos gute Nachricht. Aber das heißt nicht, dass die Rechtsextremen, die es noch gibt, verschwinden werden.

Wo gehen die hin? Auf Youtube gab es gestern ein Video vom Besuch der Kanzlerin in Heidenau, auf dem nicht viel zu sehen, dafür aber eine junge Frau sehr deutlich zu hören ist, und was sie mit überschnappender Stimme von sich gibt, ist einigermaßen erschütternd. Die Kommentatoren lachen sich überwiegend schlapp. Ich frage mich: Wozu ist die wohl noch alles fähig?

Ich wäre nicht überrascht, wenn wir das Gröbste nicht hinter uns, sondern vor uns haben. Ich rechne mit rechtsterroristischen Anschlägen. Und zwar nicht allein auf Flüchtlingsunterkünfte. Sondern auf Kreuzberger Cafés und Friedrichshainer Clubs. Auf ICE-Waggons zwischen Berlin und Hamburg. Auf uns.

Quoteurheber      Fr 28 Aug 2015 um 11:30   

Sehr geehrter Herr Steinbeis,

ein wahrlich ,,linksliberaler" und sehr lesenswerter Beitrag.
Tatsächlich fühle ich mich in meiner westlichen, säkularen und individualistischen Lebensweise durch einen vitalen, expansiven und dezidiert politischen Islam weitaus stärker bedroht. Einstweilen neide ich Ihnen ganz ohne Ironie, dass Sie für Ihren Beitrag niemals Beifall von einer falschen Seite fürchten müssen.

MfG...


QuoteJessica Lourdes Pearson      Fr 28 Aug 2015 um 12:17   

Sehr geehrter ,,urheber",

seien Sie meiner Verachtung versichert für Ihren Kommentar an dieser Stelle, der trotz gehobener Formulierung seine Herkunft nicht verleugnen kann.

Mit freundlichen Grüßen


QuoteLiberal?      Fr 28 Aug 2015 um 13:19   

Immer schön zu beobachten, wenn links"liberale" auf einmal klingen wie Carl Schmitt...


QuoteFr 28 Aug 2015 um 15:27   

@ Jessica Lourdes Pearson

...darum werde ich Herrn Steinbeis wohl kaum in einem Kreuzberger Cafe treffen. Diese sehr deutsche Melange aus Selbstverachtung und Verachtung Anderer wird dort besonders heiß serviert.
Ihre Reaktion erreicht mich in der jährlichen Vorfreude auf Tel Aviv, eher erwartet als verärgert...

MfG...


QuoteDavid      Fr 28 Aug 2015 um 18:50   

Richtig muß es heißen: Der Feind im Land sitzt links. Seit Jahrzehnten. Und er holt neue Feinde ins Land, je mehr, desto besser, desto mehr applaudiert er – wenn er nur seinem Ziel, dieses Land abzuschaffen, näher kommt.

Wie einer meiner Vorschreiber: Auch von meiner Seite seien Sie der herzlichsten Verachtung versichert!


QuoteVJS      Fr 28 Aug 2015 um 19:13   

@David:

Eine Interpretationshilfe: Die Verachtung Ihrer Vorschreiberin richtete sich mitnichten gegen Herrn Steinbeis oder gar ,,die Linken", sondern gegen ,,urheber", dessen Weltsicht anscheinend wiederum ganz der Ihrigen entspricht.

Im Übrigen ist Ihr Troll-Kommentar kein Replik wert.


...


Aus: "Der Feind in Heidenau und Freital" Maximilian Steinbeis    (Do 27 Aug 2015)
Quelle: http://www.verfassungsblog.de/der-feind-in-heidenau-und-freital/#.VeawLZegopo (http://www.verfassungsblog.de/der-feind-in-heidenau-und-freital/#.VeawLZegopo)

Title: [Und ehe sich Rashid versah... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2015, 11:34:16 AM
Quote[...] Hunderte Freiwillige helfen am Münchner Hauptbahnhof mit, die ankommenden Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Sie sammeln Spenden, organisieren Übersetzer oder sortieren Hygiene-Artikel. ... Vaniessa Rashid gehört zu der kleinen Gruppe aus fünf bis zehn Leuten, die sich als erstes am Münchner Hauptbahnhof versammelt hat, um Flüchtlingen zu helfen. Weil die Polizei ihnen nichts verraten wollte, hat sich die kleine Gruppe spontan zusammengefunden, um erste Hilfsgüter heranzuschaffen. Über Facebook und die Seite ,,Hilfe für Flüchtlinge in München" und die Aktion ,,München ist bunt" hat sich das schnell verbreitet. Und ehe sich Rashid versah, war sie zwei Tage lang kaum zuhause. Mal brauchte es eine Übersetzerin fürs Kurdische, mal musste etwas anderes organisiert werden. Was am Anfang leichter ging, als erhofft, nämlich das Spendensammeln von Geschäften im Bahnhof, ist durch die immense Spendenbereitschaft der Münchner, der Gastronomen, Händler und Großmärkte nun fast zum Problem geworden. Nahrungsmittel werden nun wirklich nicht mehr gebraucht, das provisorische Lager, dass die Flüchtlingshelfer in einem anliegenden Museum beziehen konnten, ist überfüllt. Auch ein Lager, das der Lebensmittelhändler Rewe zur Verfügung gestellt hat, ist schon voll. Mit den Großmärkten und der Tafel verhandelt Rashid daher gerade, ob sie dort noch Lebensmittel loswerden, bevor das Obst und die Backwaren schlecht werden.
Die Lokalpolitikerin zeigt sich aber überwältigt von der Hilfe - von allen Seiten. Ein saudi-arabischer Scheich habe ihr im Bahnhof einen 100-Euro-Schein in die Hand gedrückt, Passanten hätten gespendet und unzählige Menschen Hilfsgüter vorbeigebracht. Am Bahnhof ist mehr als genug vorhanden, die Polizei hat sogar untersagt, dass weitere Spenden dort abgegeben werden. ,,Jetzt müssen wir es schaffen, dass die Hilfe nicht dort aufhört", sagt Rashid. Nun würden Helfer in den Unterkünften gebraucht, Freiwillige, die Nachhilfe geben oder Flüchtlinge zu Ämtern begleiten. Die Flüchtlingshilfe-Bewegung in München hat einen bemerkenswerten Schub bekommen, doch ausgestanden ist die Krise noch lange nicht.

...


Aus: "Die Helfer von München: Diesen Menschen vertrauen die Flüchtlinge"  Jonas Jansen, München (02.09.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/so-sehen-die-fluechtlingshelfer-von-muenchen-aus-13780902.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/so-sehen-die-fluechtlingshelfer-von-muenchen-aus-13780902.html)

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fluechtlinge-in-muenchen-ein-freundliches-froehliches-durcheinander-13780063.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fluechtlinge-in-muenchen-ein-freundliches-froehliches-durcheinander-13780063.html)

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Quote[...] Salih Shekhan lehnt am weißen Gartenzaun. Er sieht das reetgedeckte Backsteinhaus vor sich, Butterblumen im Gras. Nebenan mäht jemand den Rasen, ein paar Möwen kreisen über ihm am blauen Himmel. Keitum auf Sylt, ein friedlicher Ort. In Salih Shekhans Kopf herrscht Krieg.

Der sportliche Mann ist Mitte 20, genau weiß er es nicht, in seiner Heimat wurden seine Geburtstage nicht gefeiert. Vor acht Jahren floh er vor den Taliban aus Afghanistan. "Ich hatte Angst um mein Leben", sagt er. Zu Fuß, mit Bussen, in Lkw versteckt und per Schiff schaffte er es nach Deutschland. Von Bielefeld schickten ihn die Behörden nach Neumünster, dann nach Niebüll, schließlich nach Sylt.

Mehr als 100 Asylbewerber leben bereits hier, zunächst nicht gerade zur Begeisterung von Villenbesitzern und Luxus-Urlaubern. Das Geld sitzt locker auf Deutschlands teuerster Ferieninsel, nicht nur in Strandrestaurants wie der Sansibar, wo Gäste beim Champagner den Sonnenuntergang genießen. Hunger, Armut, Unterdrückung waren weit weg - bis die Flüchtlinge kamen.

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Aus: "Flüchtlinge unterm Reetdach: Ausgerechnet Sylt" Von Anne Klesse, Sylt (02.09.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-auf-sylt-das-neue-leben-des-salih-shekhan-a-1050752.html (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-auf-sylt-das-neue-leben-des-salih-shekhan-a-1050752.html)

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Quote[...] Ein Mann hat in einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg Reizgas versprüht. Bei dem Angriff in Halber Gewerbegebiet Massow (Dahme-Spreewald) wurden am Dienstagabend 35 Bewohner verletzt. Unter den Betroffenen seien auch Kinder gewesen. Das teilte die Polizei in Cottbus mit. Die Motive des Täters seinen bislang unklar, es werde intensiv ermittelt.

...


Aus: "Brandenburg: Mann versprüht Reizgas in Flüchtlingsunterkunft" (02.09.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brandenburg-mann-versprueht-reizgas-in-fluechtlingsunterkunft-a-1051037.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brandenburg-mann-versprueht-reizgas-in-fluechtlingsunterkunft-a-1051037.html)

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Quote[...]  taz: Was denken Sie, was Ihnen mehr Medienanfragen beschert: dass Sie zwei Flüchtlinge bei sich wohnen lassen oder dass Sie dafür Hass-Mails und Morddrohungen bekommen?

Martin Patzelt: Ich denke mal, dass ein Politiker Fremde in seinem privaten Haus wohnen lässt und ihnen dort auch WG-artig Anschluss ans Familienleben gewährt, war die große Geschichte. Durch die Hassmails ist es dann noch mal zusätzlich aufgeflammt.

Haben Sie sich von Anfang an auf solche Reaktionen eingestellt?

Martin Patzelt: Na ja, wie soll ich mich auf so was einstellen? Ich bin seit der Wende in der Politik, kenne politische Bewegungen von rechts und links. Ich überbewerte so etwas nicht. Wenn ich Zeit hätte, würde ich auf alle E-Mails antworten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mehr bringt, mit Menschen zu reden, anstatt sie in rechts oder links, schwarz oder weiß, und so weiter zu sortieren.

Wissen Sie, woher die Mails kommen? Von besorgten Bewohnern aus Ihrem Wohnort?

Martin Patzelt: Nein, die Menschen in Briesen oder meinem Wahlkreis sagen mir ihre Meinung über mich meistens persönlich. Vor mehreren Monaten habe ich da auch so was gehört wie: ,,Wir werden Sie nie wieder wählen." Mittlerweile hat sich einiges verändert. Das stärkt meinen Optimismus, dass es etwas bringt, Flüchtlinge aus der Anonymität der großen Gruppe herauszuholen und ihnen Namen und Gesichter zu geben. Ansonsten kann ich nicht nachverfolgen, woher die E-Mails kommen. Ein paar schreiben aber ihre Adresse dazu, was mir Sorgen macht, weil das zeigt, dass sie sich mit ihrer Meinung immer sicherer fühlen.

Haben Sie denn Angst und irgendwas unternommen?

Martin Patzelt: Nein. Angst habe ich nur davor, dass die allgemeine Stimmung im Land wirklich kippen könnte.

Wer sind die beiden Flüchtlinge, die jetzt in Ihrem Haus wohnen?

Martin Patzelt: Die beiden jungen Männer, der 19-jährige Haben und der 24-jährige Awet, kommen aus Eritrea. Kennengelernt haben wir sie schon vor Monaten in unserer Kirche. Seit etwa eineinhalb Monaten wohnen sie jetzt mit unserem ältesten Sohn und unserem Neffen in einer WG über uns. Es ist weniger spektakulär, als man denkt. Ich muss und will mich ja auch nicht dauernd um sie kümmern – das sind erwachsene Menschen, die arbeiten gehen, Deutschunterricht nehmen, Bekanntschaften schließen. Ich habe ihnen nur ein paar Wege gebaut, auf denen sie jetzt gehen können.

Und wie gehen Haben und Awet damit um, dass Sie Hass- und Drohmails bekommen?

Martin Patzelt: Ich habe ihnen nichts davon erzählt, weil es mir das einfach nicht wert ist. Aber die beiden haben selbst im Internet darüber gelesen. Awet hat mich gefragt, ob es stimmt, dass ich bedroht werde. Ich habe ihn gefragt, ob er Angst hat, und ihm versichert, dass er keine haben muss. Awet hat aber geantwortet: ,,Ich habe Angst wegen dir! Dass dir was passiert." Das hat mich schon berührt. Es zeigt ja auch, dass da eine Beziehung gewachsen ist.

Wie stark hat Ihnen Ihr Status als Bundestagsabgeordneter bei der Suche nach Praktikumsstellen für Awet und Haben geholfen?

Martin Patzelt: Schon viel, glaube ich. Aber das ist in meinen Augen das Wichtigste: Nur durch eine Arbeit kriegt man sie vom Heimalltag weg. Wir hören ja immer nur von der einen Schlägerei oder Messerstecherei und dann wird gesagt: ,,So sind die!" Ich würde mal gerne sehen, wie wir Deutsche unter solchen Bedingungen zurechtkämen – ohne zu wissen, was die Zukunft bringt, mit Fremden zusammen, mit denen man sanitäre Einrichtungen und Küche teilen muss. Das ist doch nachvollziehbar, dass das schwer ist. Deshalb bin ich gegen Gemeinschaftsunterkünfte und für privaten Wohnraum für Flüchtlinge.

Nur wenige Menschen können Flüchtlingen Praktika verschaffen. Was ist bei der Hilfe für Flüchtlinge aus Ihrer Sicht das Wichtigste?

Martin Patzelt: Den Blick auf die Menschen zu richten und zu sehen, dass sie in Not sind. Das nimmt man zum einen durch die Medien wahr, zum anderen kann man aber auch mal in seiner Nähe gucken. Wenn man sich bewusst ansieht, wie Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leben, drängt sich von selbst die Frage auf, warum wir andere Menschen so leben lassen. Das ist schon Anlass genug, um wenigstens mal hinzugehen und ,,Hallo" zu sagen. Bis zur Aufnahme im eigenen Haus ist es dann noch ein weiter Weg. Dazwischen findet jeder das Richtige für sich.

QuoteKarlheinz, 2.9.2015

Hut ab vor Herrn Patzelt, der wohl wissen konnte, dass er sich damit nicht nur Freunde macht. Eigentlich hat er aber ja gar nix gemacht, außer ein Wohnung an eine WG zu vermieten. Schade, dass das so was besonderes ist.



Aus: "CDU-MdB Patzelt über Flüchtlinge: ,,Anlass genug, um Hallo zu sagen"" (2.9.2015)
Quelle: https://www.taz.de/CDU-MdB-Patzelt-ueber-Fluechtlinge/!5224316/ (https://www.taz.de/CDU-MdB-Patzelt-ueber-Fluechtlinge/!5224316/)
Title: [Bis zum Ende des Tages... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2015, 09:38:04 AM
Quote[...] Die unerwartet stark gestiegene Zahl der Flüchtlinge in München bringt Einsatzkräfte und Helfer unter Druck. "Es wird eng", sagte der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, mit Blick auf die vorhandenen Plätze, an denen die Menschen versorgt und vorübergehend untergebracht werden können. Die Behörden zeigten sich am Sonntagabend überrascht von der hohen Zahl der anreisenden Flüchtlinge. Bis zum Ende des Tages dürften insgesamt rund 11.000 Menschen in München eintreffen, sagte Hillenbrand, der Einsatzkräfte und Helfer vor Ort koordiniert. Ursprünglich waren etwa 7.000 – genau so viele wie am Samstag – erwartet worden. Übers Wochenende kamen knapp 18.000 Flüchtlinge in München an.

In den Messehallen sei die Zahl der Betten von zuletzt 2.300 um weitere 1.000 aufgestockt worden, sagte Hillenbrand. Dort gebe es außerdem Sitzplätze. Zudem seien im leerstehenden Verwaltungsgebäude eines Autohauses 500 zusätzliche Plätze zum Übernachten eingerichtet worden. Die Bahn prüfe, ob Flüchtlinge in einem Zug am Bahnhof schlafen könnten. "Wir haben sicher noch Möglichkeiten, weitere Quartiere im Tausenderbereich zu akquirieren."

In München sollen die Flüchtlinge erst betreut und in andere Bundesländer weiter geschickt werden. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) forderte nun mehr Unterstützung von anderen Bundesländern. "Was wir jetzt brauchen, ist eine uneingeschränkte Solidarität", sagte er. Die Verteilung der Menschen sei noch nicht ausreichend koordiniert.   

Bereits am Samstagabend trafen im thüringischen Saalfeld 569 Flüchtlinge ein. Ebenfalls am Samstagabend erreichte ein Zug mit etwa 1.000 Menschen Dortmund. 175 Flüchtlinge wurden nach Angaben des NDR in Hamburg aufgenommen.

Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist vielerorts ungebrochen. In München wurden die Neuankömmlinge mit Applaus, Lebensmitteln und kleinen Geschenken begrüßt. In Saalfeld kam Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) persönlich zum Bahnhof, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen. In Dortmund hingegen demonstrierten nach Angaben der Polizei rund 30 Rechtsextreme am Bahnhof gegen die Ankunft von Flüchtlingen. Bei Auseinandersetzungen mit mehreren Hundert Linksextremisten, die gegen den Aufmarsch der Rechten protestierten, wurden fünf Menschen verletzt.   

In Berlin werden laut Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Sonntagabend sieben Busse mit insgesamt 350 Menschen erwartet. Über die Verteilung der Flüchtlinge auf andere Bundesländern gibt es noch keine bestätigten Zahlen. Ausschlaggebend dafür ist der sogenannte Königssteiner Schlüssel. Dieser berücksichtigt die Steuereinnahmen und die Bevölkerungszahl der jeweiligen Länder. Baden-Württemberg kündigte an, mindestens 1.300 neuer Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Hessen rechnet mit bis zu 700 Neuankömmlingen.

Im Vergleich zu den Vortagen wollten am Sonntagabend deutlich weniger Menschen über Ungarn einreisen, teilten die ÖBB mit. Die Sonderzüge zum Transport der Migranten sollen daher eingestellt werden. Nach Angaben einer Sprecherin der ÖBB werden am Sonntag nur noch rund 3.000 Migranten Österreich durchqueren. Daher plane man, zum normalen Zugverkehr zurückzukehren.

Quote
    unländer
    gestern 17:44 Uhr

26. Merkel bewundernswert

Merkel: ,,Wer vor Not, vor Krieg, vor Verfolgung, politischer Verfolgung flieht, da haben wir die Verpflichtung auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention, auf der Grundlage unseres Asylrechts und des Artikels 1 unserer Grundgesetzes, Hilfe zu leisten. Ob es uns passt oder nicht." (4.9. in Köln).

Auch wenn man der bisherigen Politik Merkels nicht viel abgewinnen konnte, so kommt man heute nicht umhin, ihr uneingeschränktes Lob zu zollen. Trotz der gewaltigen Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage, trotz der Widerstände in der Bevölkerung (nicht nur von kläffenden Braunen und Minderbraunen), in ihrer Union und ihrer europäischen Kollegenschaft, setzt sie sich für den Fortbestand der zivilisatorischen Werte ein. Und das nicht zögerlich, sondern volles Risiko gehend.

Merkel gibt einerseits damit den Flüchtlingen wieder ihre Würde zurück und andrerseits zeigt Deutschland damit ein Verhalten, welches ihm wieder einen anerkennenswerten und noblen Platz in der Weltgemeinschaft zuweist.


Quote
    SouthernStar
    gestern 18:10 Uhr

85. Langer Atem

auch wenn ich den ungebremsten Ansturm der Migranten aus aller Welt mit wachsender Sorge für den Standort Deutschland betrachte, finde ich das gegenwärtige Engagement der ehrenamtlich Tätigen bewundernswert. Ich hoffe jedoch sehr, dass diese Helfer einen sehr langen Atem haben, denn dieser wird vonnöten sein. Ich bin seit Langem sozial im südlichen Afrika engagiert, um Menschen VOR ORT eine Perspektive zu geben, was zu sehr guten Ergebnissen geführt hat. Über all die Jahre habe ich jedoch feststellen müssen, dass auch bei sehr motivierten Mitstreitern die Anfangseuphorie wich, sobald der normale Alltag mit den ihm eigenen Problemen sie wieder einfing. Zu erwarten ist auch bei uns, dass die Migranten sich bald in einer kühlen Verwaltungsumgebung wiederfinden, wo Willkommensjubel eher gedämpft ausfallen.


...


Aus: "München fordert mehr Unterstützung" (6. September 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-09/muenchen-fluechtlinge-unterstuetzung-verteilung (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-09/muenchen-fluechtlinge-unterstuetzung-verteilung)

Title: [Sobald ich Ihnen sage... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2015, 12:55:03 PM
Quote[...] dann steht man in Weimar im frisch renovierten Wohnhaus Friedrich Schillers und sieht direkt vor der Treppe, auf der es emporgeht zu den ehemaligen Lebensräumen und auch dem Sterbebett des großen Geistes, diesen Satz an der Wandtafel: ,,Sobald ich Ihnen sage, ich bin auf der Flucht, sobald habe ich mein ganzes Schicksal geschildert."

... Welches Schicksal erwartet nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die bröckelnde Festung Europa – ein Begriff übrigens aus dem Zweiten Weltkrieg, auf beiden Seiten des von den Deutschen errichteten ,,Atlantikwalls" gebraucht. So findet sich in einem Essay des Freiburger Soziologen Albert Scherr ein Zitat aus der Preußischen Ausländerverordnung von 1932: ,,Jeder Ausländer ist zum Aufenthalt im preußischen Staatsgebiet zugelassen, solange er die in diesem Gebiet geltenden Gesetze und Verwaltungsvorschriften befolgt." Jeder Ausländer. Freilich gab es damals keine Ansprüche auf soziale Leistungen und keinen Wohlfahrtsstaat. Freizügigkeit, daran ist nur zu erinnern, existierte in Europa bis zu den beiden Weltkriegen in ziemlich hohem Maße, sie ist keine Erfindung von Schengen.

Doch zielen die Perspektiven des ,,Kursbuchs" schon in die nähere Zukunft. Dabei gibt's keine praktischen Patentrezepte, etwa für die hunderttausendfache schnelle Integration. Es wird hier auch nicht behauptet, dass Fremde immer gleich Freunde seien. Im Eingangsaufsatz des in Tanger lebenden Journalisten und Nordafrika- und Nahostexperten Alfred Hackensberger steht vielmehr: ,,Der überwiegende Teil der Flüchtlinge sind keine akut Notleidenden. Sie nehmen sich einfach ihr Recht. Koste es, was es wolle." Daher die relativ hohen Summen für die kriminellen Schlepper und der bewusste Einsatz des eigenen Lebens beim Besteigen der überfüllten Seelenverkäufer.

Der provokante Satz über das Maß der Not, die Menschen für ein künftiges Glück in die lebensgefährliche Flucht treibt, mag bestreitbar sein, sei hier aber mal dahingestellt. Das Interessante der im neuen ,,Kursbuch" versammelten Überlegungen ist tatsächlich: Sie nehmen sich ihr Recht.

So werden Flüchtlinge in einem anderen Aufsatz bereits als ,,Vorhut einer neuen Ordnung" begriffen. Dies nicht aus Blauäugigkeit, sondern wegen der realistischen Erkenntnis: Zwischen politischer Verfolgung durch einen gewalthandlungsfähigen Staat (der in Krisengebieten oft nicht mehr existiert) und anderen, mit Armut und sozialer Entrechtung zusammenhängenden Fluchtgründen können Behörden und Gerichte schon ,,empirisch in vielen Fällen nicht mehr unterscheiden" (so der Münchner Soziologe Armin Nassehi).

Hiermit wankt dann die Unterscheidung zwischen klassischem politischen Asyl nach dem Grundgesetz und dem oft gewährten ,,kleinen Asyl" nach dem einfachen Aufenthaltsgesetz.

Dahinter aber steht die ethische, nicht nur für Verfassungsjuristen in Zeiten der Globalisierung immer schwerer negierbare Einsicht, dass sich aus den allgemeinen Menschenrechten, wenn schon nicht ein ,,pursuit of happiness", so doch ein Recht auf gleiche Lebenschancen ableiten lässt. Auf dieses Recht hatte sich zum Beispiel das Mädchen Reem gegenüber der Kanzlerin berufen, als diese ihr eben noch sagte, nicht alle Menschen seien vor den Ausländergesetzen (Europas) gleich. Übrigens: Als Schiller in seiner berühmten Antrittsrede als Historiker an der Universität Jena 1789 fragte: ,,Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?", da hatte er schon die Globalisierung im Blick. Dies wenige Wochen vor der Französischen Revolution und ihrem Motto ,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", auf das sich auch die Flüchtlinge von heute berufen.


Aus: "Flüchtlingskrise: Sie nehmen sich ihr Recht" Peter von Becker" (06.09.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingskrise-sie-nehmen-sich-ihr-recht/12284520.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingskrise-sie-nehmen-sich-ihr-recht/12284520.html)

Title: [Das geht aus einem Maßnahmenpaket hervor... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2015, 01:08:02 PM
Quote[...] Chancellor Angela Merkel has said the "breathtaking" flow of migrants into Germany will "occupy and change" the country in the coming years. ... Mrs Merkel has become a hero to many migrants for allowing large numbers to cross into the country from Hungary - but many of her conservative allies say her actions send a "totally wrong signal".


Aus: "Migrant crisis: Influx will change Germany, says Merkel" (07.09.2015)
Quelle: http://www.bbc.com/news/world-europe-34173720 (http://www.bbc.com/news/world-europe-34173720)

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Quote[...] Berlin/München/Wien – Die deutsche Regierung stellt angesichts der Flüchtlingskrise mehr Geld zur Verfügung, verschärft aber die Regeln für Asylwerber teils deutlich. Die Koalitionsparteien aus Union und SPD verständigten sich in der Nacht auf Montag darauf, die Hilfe 2016 auf insgesamt sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Die Liste der sogenannten "sicheren Herkunftsstaaten" soll um die Balkanstaaten Kosovo, Albanien und Montenegro erweitert werden, wobei eine gemeinsame Liste auf EU-Ebene angestrebt wird.

Das geht aus einem Maßnahmenpaket hervor, das nach mehrstündigen Beratungen der Koalitionsspitzen veröffentlicht wurde. Gefordert werden darin auch mehr europäische Solidarität und die stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen. Für 2015 hat der Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt.

Für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen wollen Union (CDU/CSU) und SPD im Haushalt 2016 drei Milliarden Euro einplanen, die Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollen. Über die Details der Verwendung wollen sich Bund und Länder bei einem Spitzentreffen am 24. September einigen. An dem Treffen im Kanzleramt unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD sowie mehrere Fachminister teil.

Die Unterstützung für Asylwerber in Erstaufnahmeeinrichtungen wollen die Koalitionspartner von Geldzahlungen auf Sachleistungen umstellen. Damit will die Koalition "Fehlanreize beseitigen".

Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen in Deutschland grundsätzlich in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, wo mit Unterstützung des Bundes 150.000 Plätze eingerichtet werden sollen. Die Höchstverweildauer für Flüchtlinge dort soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Solange soll auch wieder eine Residenzpflicht gelten. Umgekehrt soll die Integration von Flüchtlingen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wird, verbessert werden. Auch soll es legale Einwanderungsmöglichkeiten für Menschen aus dem westlichen Balkan geben.

Bei der Bundespolizei wollen Union und SPD zusätzlich 3.000 Stellen schaffen. Ein Beschleunigungsgesetz soll etwa den Bau von Flüchtlingsunterkünften vorantreiben, auch unter Verzicht auf bisher geltende Standards. Wegen des steigenden Bedarfs an Wohnraum will die Koalition zudem sozialen Wohnungsbau verstärkt fördern.

Die Neuregelungen für Flüchtlinge sollen noch im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Im Bundesrat ist allerdings auch die Zustimmung der Grünen erforderlich. Diese sehen die Ausweitung sowohl der Liste sicherer Herkunftsländer wie auch der Residenzpflicht kritisch. Die Grünen fordern laut einem Bericht der Zeitung "Die Welt" (Montagsausgabe) zudem bereits 2015 einen Nachtragshaushalt.

Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel haben die EU-Partner in der Flüchtlingsfrage zu einem solidarischen Vorgehen aufgerufen. Sie halte nichts davon, andere Länder an den Pranger zu stellen, sagte Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem SPD-Vorsitzenden am Montag in Berlin. Aber einzelne EU-Staaten könnten nicht sagen, sie hätten mit dem Thema nichts zu tun. "Das wird auf Dauer nicht tragen. Dann werden andere Gedanken Überhand gewinnen", sagte sie auf die Frage, ob EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten, Sanktionen drohen. Sie hoffe auf Einsicht nach der Rede des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker am Mittwoch. Aus Brüsseler Diplomatenkreisen verlautete am Montag, dass Deutschland rund 31.000 Flüchtlinge aufnehmen soll.

Ausdrücklich forderte Merkel ein einheitliches EU-Asylrecht, das die Bundesregierung vorantreiben werde. Hintergrund ist der Widerstand der osteuropäischen EU-Staaten in vielen der diesbezüglichen Fragen, etwa gegen eine verbindliche Quotenverteilung der Flüchtlinge auf die Staaten.

Gabriel warnte, falls etwa die Osteuropäer nicht einlenkten, drohten zwei Konsequenzen. "Der große wirtschaftliche Vorteil der Osteuropäer besteht in offenen Grenzen. Wir wollen diese erhalten", sagte er. Aber jeder müsse wissen, dass dies auf Dauer nicht möglich sei, wenn nur Deutschland, Österreich und Schweden die Hauptlast bei der Aufnahme von Flüchtlingen trügen. Außerdem verwies er auf die Forderungen des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann, notfalls EU-Zahlungen zu kürzen.

Am Münchner Hauptbahnhof sind am Wochenende deutlich mehr Flüchtlinge aus Ungarn via Österreich angekommen als erwartet. Man gehe allein für den Sonntag von 13.000 aus, sagte Simone Hilgers, Sprecherin der Bezirksregierung von Oberbayern, am späten Sonntagabend in München. Zusammen mit den 6.900 am Samstag gekommenen Flüchtlingen bedeutet das die Ankunft von fast 20.000 Menschen binnen 48 Stunden.

Zunächst waren die Behörden von maximal 14.000 Menschen ausgegangen, dann aber waren weitere Züge eingetroffen. Die Schutzsuchenden wurden zum Teil in München und Bayern untergebracht, zum Teil auch in andere Bundesländer weitergeleitet. "Unsere Kapazitäten schwinden. Wir kommen an unsere Grenzen, und zwar sehr deutlich", sagte Hilgers zur Organisation der Unterbringung.

Für den heutigen Montag rechnet die Regierung von Oberbayern mit bis zu 11.000 neuen Flüchtlingen. Allein am Vormittag und Mittag seien drei Sonderzüge aus Österreich mit 2.100 Menschen geplant, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand am Montag in der Früh auf dem Münchner Hauptbahnhof. Er hoffe, dass einige Züge an München vorbei direkt in andere deutsche Bundesländer geleitet werden. Nötig seien auch bessere, grenzüberschreitende Informationen. Etwa zwei Drittel der in den vergangenen Tagen angekommenen Flüchtlinge seien bisher in Bayern untergebracht, sagte Hillenbrand.

Bei einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Rottenburg sind in der Nacht auf Montag indessen mehrere Bewohner verletzt worden, vier von ihnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Aus noch ungeklärter Ursache brannten dutzende Container nieder, wie die Polizei mitteilte, alle 80 Flüchtlinge mussten verlegt werden.

Ein Sprecher der Polizei Reutlingen sagte, zwei Bewohner, die aus Angst vor dem Feuer aus dem Fenster gesprungen seien, hätten Beinverletzungen erlitten. Drei weitere Bewohner hätten sich offenbar eine leichte Rauchgasvergiftung zugezogen. Vier der fünf Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht.

In dem Wohncontainerdorf hatten dem Polizeisprecher zufolge rund 80 Asylbewerber gewohnt. Etwa die Hälfte der 56 Wohncontainer geriet in Brand, auch die übrigen waren infolge des Feuers unbewohnbar. Die Flüchtlinge wurden mit Bussen in die Festhalle von Rottenburg gebracht, wo das Deutsche Rote Kreuz die Menschen versorgte. Die Kriminalpolizei richtete eine Ermittlungsgruppe ein, die Brandursache sei noch völlig unklar.

Im thüringischen Ebeleben brannten indes die Dachstühle von drei Wohnblocks nieder, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Das Feuer in der künftigen Asylbewerberunterkunft in Ebeleben (Kyffhäuserkreis) war laut Polizei ein politisch motivierter Brandanschlag.

Ein technischer Defekt könne ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin in Nordhausen. Am Montagmorgen waren gegen 3.30 Uhr im Ortsteil Rockensußra die Dachstühle von drei Wohnblöcken in Flammen aufgegangen. Die Gebäude am Sportplatz wurden gerade saniert, um dort Asylsuchende unterzubringen. Die Dachstühle brannten nieder, es habe keine Verletzten gegeben, sagte ein Sprecher der Einsatzzentrale.

In den vergangenen Wochen waren in verschiedenen Teilen Deutschlands immer wieder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt worden.

Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) trifft am Montag seine tschechischen und slowakischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka und Robert Fico in Bratislava zu einem Gespräch über die Flüchtlingskrise. Das Treffen findet um 15.00 Uhr statt. Tschechien und die Slowakei nehmen nur wenige Flüchtlinge auf und wehren sich auch gegen EU-weite Verteilungsquoten. Österreich drängt dagegen auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat indessen Österreich in einem Telefonat mit Faymann am späten Sonntagabend "für das menschliche Verhalten in der aktuellen Flüchtlingssituation" gedankt und seine Anerkennung dafür zum Ausdruck gebracht. Das teilte das Bundeskanzleramt der APA am Montag mit. Für die von Österreich gezeigte Solidarität gebe es volle Unterstützung der UNO.

Der Bundeskanzler seinerseits bedankte sich demnach für die "wichtige Rolle des Flüchtlingshochkommissariats der UNO" (UNHCR), das in der Bewältigung der weiteren Herausforderungen ein wichtiger Akteur sein werde. "Wir schaffen das nur gemeinsam", sagte Faymann. (APA, Reuters, 7.9.2015)


Aus: "Deutschland erhöht Flüchtlingshilfe auf sechs Milliarden Euro und pocht auf EU-weite Quoten" (7. September 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000021807741/Deutschland-Mehr-Geld-fuer-Fluechtlinge-aber-schaerfere-Regeln (http://derstandard.at/2000021807741/Deutschland-Mehr-Geld-fuer-Fluechtlinge-aber-schaerfere-Regeln)

Title: [Da kann man nichts machen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2015, 03:02:10 PM
Quote[...] ,,Da kann man nichts machen, die Sache ist kompliziert, wir können ja nicht alle aufnehmen." Wie oft wurde in den letzten Jahren die allgemeine Passivität gegenüber den Problemen in Syrien, Diktaturen insgesamt und der ,,Festung Europa" als gesunder Menschenverstand verkauft!

Offenheit war keine Option, Helfen galt als unprofessionell, und Interventionen waren indiskutabel. Jeder blieb sich selbst am nächsten. Und nun passiert das Unvorstellbare: Tatkräftige Solidarität breitet sich aus – und sie ist ansteckend. Niemand in Europa kann Nichtstun noch als Weitblick verkaufen und Engagement für Menschen in Not als klebrige Gefühligkeit abkanzeln.

Auch ziviler Ungehorsam wird vermehrt ins Handlungsrepertoire aufgenommen. Der Autokonvoi, der von Wien nach Ungarn aufbrach, um Vertriebenen eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland anzubieten, ist dafür nur ein Beispiel. Aber es ist ein sehr schönes.

Auch in das Drama, das sich täglich etwa vor der kollabierten Erstaufnahmestelle in Berlin abspielt, schmuggelt sich eine Hilfsbereitschaft, die Hoffnung macht. Das bislang geltende Ordnungsprinzip, das Asylsuchende von der Normalbevölkerung isolierte, um sie leichter abschieben zu können, wird so aufgeweicht. Das ist wichtig, denn es rettet Leben. Und so sorgen Leute am Abend auf dem Gehsteig vor der Behörde ohne viel Aufhebens für ein warmes Abendessen für alle, die noch keinen Schlafplatz gefunden haben.

Andere gehen mit den erschöpften Neuankömmlingen auf die Polizeiwachen, lassen sie dort registrieren und bieten ihnen für ein paar Tage eine private Unterkunft an. Damit sie Luft schnappen können, bevor sie sich dem Asylprozedere aussetzen. Die Entschiedenheit, mit der viele der hier Ansässigen Richtiges tun, ist beeindruckend.

Und doch fehlt etwas. Zumal in der Medienberichterstattung. Es fehlen die Einschätzungen der Vertriebenen selbst, ja in der Regel fehlen ihre Stimmen in Gänze. Das Bild vom dankbaren, aber stummen Vertriebenen entsteht. Was für ein Versäumnis!

Das Engagement darf nicht länger dafür benutzt werden, die politische Dimension der Katastrophe in der Öffentlichkeit zu marginalisieren. Einzelpersonen können nicht ewig das Staatsversagen ausgleichen. Es braucht neue Strukturen und neue Konzepte fürs Inland wie fürs Ausland, dazu gehört auch eine Diskussion über die Fluchtursachen.

Nur so können neue Strategien zur Befriedung entwickelt werden. Sonst werden noch mehr Menschen sterben oder verelenden, und die wenigen, die es nach Deutschland schaffen, schon bald wieder einer Bürokratie ausgeliefert sein, die eine Menschenverachtung pflegt, die sich die meisten Biodeutschen erst vorstellen können, nachdem sie einmal einen Asylsuchenden dorthin begleitet haben.

Die Vertriebenen geben uns Unversehrten die Chance, unsere Gesellschaft besser kennenzulernen und gleichzeitig ein komplexeres Weltbild zu entwickeln. Sie sind eine riesige Wissensressource. Ein Grund für die tödliche Ignoranz, die hierzulande dem Krieg in Syrien entgegengebracht wird, ist ja die kümmerliche Kenntnis von der syrischen Gesellschaft.

Auch die irrige Idee, Diktaturen seien das kleinere Übel und global gesehen Garanten der Stabilität, lässt sich mithilfe der Erfahrungen der Vertriebenen überwinden. Also her mit den politischen Einschätzungen der Vertriebenen! Her mit der Diskussion über Lösungsvorschläge, so wie sie in ihren Herkunftsländern diskutiert werden. Das ist unsere Chance, nicht nur individuell, sondern auch außenpolitisch die Sackgasse zu verlassen.

Das ist utopisch? Noch vor wenigen Monaten mieden liberale oder linke PolitikerInnen das Flüchtlingsthema, weil klar war, damit gewinnen nur die Rechten Stimmen. Das ist heute anders.

Auch fürs Inland springt etwas dabei heraus. Denn die Vertriebenen verleihen der Frage neue Brisanz: Warum ist die politische Elite so unvorbereitet? Warum arbeiten die Behörden und die Polizei so schlecht? Kurzum: Warum verschleudern Staatsdiener so unverdrossen die Ressourcen der Zivilgesellschaft?

Treten wir jetzt in einen Dialog ein, dann bekommt auch die Kungelei mit den Rechten einen politischen Preis. Dann werden die Maizières, Seehofers und Tillichs überlegen, ob sie nicht doch Konzepte zur Einwanderung entwickeln und die Polizei anhalten, gegen rechts vorzugehen. Das wäre ein riesiger Schritt in Richtung Demokratie. Dank der Neuankömmlinge ist er jetzt möglich.


Aus: "Kommentar: Vorteile der Flüchtlingskrise - Eine riesige Wissensressource" Ines Kappert, Gunda-Werner-Institut (07.09.2015)
Quelle: https://www.taz.de/Kommentar-Vorteile-der-Fluechtlingskrise/!5226909/ (https://www.taz.de/Kommentar-Vorteile-der-Fluechtlingskrise/!5226909/)

Title: [Es ist das beherrschende... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2015, 09:37:20 AM
Quote[...] Es ist das beherrschende innenpolitische Thema dieser Tage. Die Ankunft tausender Flüchtlinge in Deutschland. Journalisten, die für Hörfunk, Fernsehen oder Blogs im Internet arbeiten, sehen sich zahlreichen massiven Behinderungen ihrer Arbeit ausgesetzt. Sie bekommen von den zuständigen Behörden oft keine Erlaubnis, aus den überfüllten Flüchtlingsheimen zu berichten, müssen sich mit Handyvideos aus zweiter Hand behelfen. Sie werden vom rechten Mob beschimpft und attackiert und sogar von dubiosen Anwälten bei der Berichterstattung vor den Flüchtlingsunterkünften behindert.

Presse-Fotografen geraten immer wieder mit der Polizei aneinander, ihre Aufnahmen werden mit Taschenlampen gestört oder die Polizei versucht sogar, an das Foto-Material zu kommen. Sogar die Flüchtlinge selbst gehen manchmal in einer aufgeheizten Situation auf Kameraleute los, werden aber auch von anderen Flüchtlingen in ihrem Furor gebremst. Die umfassende Berichterstattung rund um die Flüchtlingskrise ist alles andere als einfach - aber dringend notwendig.


Aus: "Probleme bei der Berichterstattung über Flüchtlinge" (02.09.2015)
Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Probleme-bei-der-Berichterstattung-ueber-Fluechtlinge,fluechtlingsberichterstattung100.html (https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Probleme-bei-der-Berichterstattung-ueber-Fluechtlinge,fluechtlingsberichterstattung100.html)

Title: [Unternehmen wie... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2015, 09:47:12 AM
Quote[...] Stuttgart - Unternehmen setzen verstärkt auf das Potenzial von Flüchtlingen, die in diesen Wochen in die Region kommen. Oft hapert es noch an bürokratischen Hürden – doch es gibt auch Ansätze für die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt.

Daimler-Chef Dieter Zetsche kündigte an, in Flüchtlingszentren gezielt nach Arbeitskräften zu suchen. ,,Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Genau solche Leute suchen wir", sagte Zetsche in einem Zeitungsinterview. Auch beim Autobauer Porsche sind Flüchtlinge momentan ein großes Thema. ,,Hilfe ist aus unserer Sicht dringend geboten", sagt Porsche-Chef Matthias Müller. ,,Wir wünschen jedem Menschen auf dieser Welt, dass er einmal am Tag warm essen und ruhig schlafen kann." Konkret prüfe Porsche derzeit die Möglichkeiten, Flüchtlinge auszubilden oder zu beschäftigen. Müller fordert insgesamt mehr Engagement für Flüchtlinge von deutschen Arbeitgebern.

Unternehmen wie Daimler, Porsche oder auch Bosch sind Vorreiter im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen – auch weil sie bereits jetzt von der Internationalität der Mitarbeiter leben. Rund 20 000 Mitarbeiter – also knapp zwölf Prozent – der Beschäftigten bei Daimler in Deutschland haben einen ausländischen Pass, sie kommen aus 140 verschiedenen Ländern. ,,Bei Daimler sind wir überzeugt, dass mehr Vielfalt zu besseren Ergebnissen führt. Als global agierendes Unternehmen ist es für uns eine Verpflichtung, Vielfalt zu fördern und zu fordern", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Ganz ähnlich ist die Situation bei Porsche: In den deutschen Werken arbeiten Menschen aus 50 Nationen. ,,Gelebte Integration", sagt Müller.

Der Esslinger Autozulieferer Eberspächer beteiligt sich zusammen mit 14 weiteren Unternehmen am Modellprojekt ,,Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung". Die Initiative von Industrie- und Handelskammer (IHK) Esslingen-Nürtingen und Partnern läuft seit diesem Juni. Derzeit werden 20 Flüchtlinge fit für eine Berufsausbildung gemacht. ,,Der erste Schritt ist die Einstiegsqualifizierung, bei der die jungen Menschen bereits die Berufsschule besuchen und neben der Sprache auch das Berufsbild und das Unternehmen von innen kennenlernen", sagt Heinrich Baumann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Eberspächer. ,,Einen ersten Vertrag zu einer solchen Einstiegsqualifizierung konnten wir bereits abschließen, zwei weitere sind in Planung."

Andere Unternehmen in der Region ziehen erst allmählich nach: Man prüfe, ob eine Beschäftigung von Flüchtlingen sinnvoll sei und wie diese aussehen könne, heißt es vom Maschinen- und Anlagenbauer Dürr. Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) lotet verschiedene Möglichkeiten zur Integration von Flüchtlingen aus – obwohl es im Bankensektor derzeit keinen nennenswerten Bedarf an neuen Arbeitskräften gebe, wie ein Sprecher sagt.

In vielen Fällen scheitert eine schnelle Integration von qualifizierten Flüchtlingen in die Arbeitswelt vor allem an langen Anerkennungsprozessen – und somit an einer fehlenden Arbeitserlaubnis. Der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf fordert deshalb von der Politik schnellere Anerkennungsverfahren und Verbesserungen bei der Prüfung von Asylanträgen.

Auch bei der Ausbildung junger Geflüchteter sieht die Wirtschaft noch Handlungsbedarf. Die Bereitschaft der Betriebe zur Integration sei grundsätzlich enorm, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Für den Arbeitsmarkt oder die duale Ausbildung fehlten aber in der Regel die Sprachkenntnisse. Ohne vorbereitende Kurse seien die meisten Flüchtlinge nicht ausbildungsfähig. ,,Bund und Länder müssen solche Berufsvorbereitungskurse intensiv fördern." Bei der Wüstenrot&Württembergische-Gruppe sieht man dies ähnlich: ,,Eine gezielte Förderung der Erlangung deutscher Sprachkenntnisse durch die Politik würde erleichternd wirken", sagt die Generalbevollmächtigte Personal, Susanne Pauser.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag kritisierte das im Juli beschlossene neue Bleiberecht. ,,Eine wichtige Chance zugunsten junger Flüchtlinge und ihrer ausbildenden Betriebe wurde vertan", so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Nach den neuen Regeln könne die Ausbildung einen ,,dringenden persönlichen Grund" für eine Duldung darstellen – aber nur für Zuwanderer bis zum 21. Lebensjahr. Zudem könne die Duldung zunächst nur für ein Jahr erteilt werden und jeweils für ein Jahr bis zum Ausbildungsende verlängert werden.

Unternehmen wie Daimler, aber auch die Verbände fordern stattdessen: Wer eine dreijährige Ausbildung absolviert, soll in dieser Zeit nicht abgeschoben werden. Nach der Lehre sollten die jungen Fachkräfte dann zudem für mindestens zwei Jahre weiter beschäftigt werden dürfen.

Wirtschaftslenker im Südwesten sprechen sich für mehr Engagement von Unternehmen in der Flüchtlingskrise aus. Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt: Sie sehen in der Lage große Chancen.

...


Aus: "Was macht die Wirtschaft mit Flüchtlingen?" Stefanie Köhler und Hanna Spanhel (08.09.2015)
Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umfrage-unter-suedwest-betrieben-was-macht-die-wirtschaft-mit-fluechtlingen.d6b67b62-528f-4597-93d9-73e2f11fdde1.html (http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umfrage-unter-suedwest-betrieben-was-macht-die-wirtschaft-mit-fluechtlingen.d6b67b62-528f-4597-93d9-73e2f11fdde1.html)

Title: [In Griechenland kamen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2015, 10:14:49 AM
Quote[...] Der für Einwanderung zuständige Minister Giannis Mousalas warnte am Montag, Lesbos sei "einer Explosion nahe". Inzwischen seien mehr als 15.000 Flüchtlinge auf der Insel mit einer Bevölkerung von 85.000 Menschen. Die örtlichen Behörden könnten dies kaum noch bewältigen.

Zur Entlastung der Inselhauptstadt Mytilini sollten die Menschen in Kürze von einem zweiten Hafen im Ort Sigri aus zum griechischen Festland gebracht werden, sagte Mousalas weiter. "Wir hoffen, dass die Einwohner und die Flüchtlinge in den kommenden fünf Tagen Zeichen der Besserung sehen können."

In Griechenland kamen dieses Jahr bereits mehr als 230.000 Flüchtlinge an. Nach Lesbos kommen besonders viele Menschen von der nahen türkischen Küste. Schon in den vergangenen Tagen gab es auf der Agäisinsel gewaltsame Zusammenstöße zwischen der Polizei und Flüchtlingen sowie zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen. Am Sonntag wurden zwei 17-jährige Inselbewohner unter dem Verdacht festgenommen, in einem Park in Mytilini zwei Brandflaschen auf schlafende syrische Familien geworfen zu haben.

Der Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND), die sich bei den bevorstehenden Parlamentswahlen in Griechenland Chancen auf einen Sieg ausrechnen kann, hat sich angesichts der Flüchtlingskrise für striktere Grenzkontrollen ausgesprochen. Maimarakis sprach sich zudem für eine klare Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten aus, die der Armut in ihrer Heimat entgehen wollen. (APA, 8.9.2015)


Aus: "Lesbos: Ausschreitungen zwischen Flüchtlingen und Polizei" (8. September 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000021858732/Ausschreitungen-zwischen-Fluechtlingen-und-Polizei-auf-Lesbos (http://derstandard.at/2000021858732/Ausschreitungen-zwischen-Fluechtlingen-und-Polizei-auf-Lesbos)

Title: [Die Politik reagierte mit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2015, 10:47:31 AM
Quote[...] Jonas Seufert hat internationale Beziehungen in Dresden und Izmir studiert. Er schreibt vornehmlich zu Fragen der deutschen und europäischen Geflüchtetenpolitik.

Steigende Asylzahlen, überfüllte Notunterkünfte, Hassparolen, Brandanschläge. Was wie eine Zusammenfassung der letzten Monate klingt, beschreibt ebenso die Asyldebatte vor knapp 25 Jahren. 440.000 neue Asylanträge registrierte das BAMF im Jahr 1992, eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Die Folge: Rassistische Demonstrationen und Ausschreitungen, deren Gipfel die Attacken von Hoyerswerda (September 1991) und die Brandanschläge von Rostock-Lichtenhagen (August 1992) und Mölln (November 1992) waren.

Die Politik reagierte mit dem so genannten Asylkompromiss. Artikel 16a des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten ein umfassendes Asylrecht zusprach, wurde mit allerlei Einschränkungen versehen. Eine Liste sicherer Herkunftsstaaten wurde eingeführt, ebenso das Prinzip der sicheren Drittstaaten, nach der ein Asylsuchender, der zuvor ein anderes EU-Land passiert hat, in Deutschland keinen Anspruch auf Asyl hat. Die Anträge von Asylsuchenden, die per Flugzeug einreisen, können seitdem in einem Schnellverfahren direkt am Flughafen überprüft werden. Zusätzlich sollte die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes Asylsuchenden den Aufenthalt in Deutschland so unangenehm wie möglich machen: Leistungen unterhalb des damaligen Sozialhilfeniveaus, Unterbringung in Sammelunterkünften, Essenspakete. Menschenrechtsorganisationen sprechen seit den Reformen Ende 1993 von der ,,de-facto-Abschaffung des Asylrechts".

Vorausgegangen war den Gesetzesänderungen eine Debatte, die vor allem konservative Parteien nutzten, um ihr rechtes Profil zu schärfen. Dazu zählt die ,,das Boot ist voll" – Rhetorik der CDU genauso wie die Forderung des damaligen Staatssekretärs Erich Riedl (CSU) nach einer ,,asylantenfreien Zone" in München. Das Schlagwort ,,Asylmissbrauch" nahmen alle Parteien in den Mund, die für die Grundgesetzänderung stimmten: Union, FDP und SPD.

Und heute? Die Zahlen steigen wieder, dieses Jahr wohl auf etwa 800.000. Mit der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung, spätestens jedoch mit den rassistischen Ausschreitungen in Heidenau und Freital und den Brandanschlägen auf zukünftige Gemeinschaftsunterkünfte in der ganzen Republik formiert sich ähnlich wie Anfang der 90er ein zunehmend gewaltbereiter rechter Mob. Allein im August gab es fast jeden Tag einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft und eine flüchtlingsfeindliche Demonstration. Ganz zu schweigen von den rassistischen Shitstorms in den sozialen Netzwerken.

ugegeben, die Reaktionen der regierenden Parteien sind diverser als vor knapp 25 Jahren. Trotzdem will die CDU/CSU-Fraktion in ihrem am Mittwoch vorgestellten 12-Punkte-Plan weiterhin ,,Asylmissbrauch bekämpfen,,. Im gestrigen Koalitionsausschuss hat sie sich mit ihrem Forderungen weitestgehend durchsetzen können. Einige Ausschnitte: Ausweitung der ,,sicheren Herkunftsländer" auf den Kosovo, Albanien und Montenegro, Anheben der Residenzpflicht auf sechs Monate, Abwicklung der Verfahren überwiegend in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Versorgung mit Sachleistungen statt Geld in dieser Zeit. Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf die Menschenwürde bereits für grundsätzlich verfassungswidrig erklärt. Eine Verschärfung des Asylrechts also, an dem auch die sechs Milliarden Euro zur Entlastung der Kommunen und dem Ausbau der Erstaufnahmeeinrichtungen nichts ändern.

Und dann ist da noch die Flüchtlingshilfe, zu der sich alle Parteien bekennen. Diese Hilfe ist in der momentanen Situation absolut notwendig und wichtig. Nur ist sie ein Akt der akuten Soforthilfe, das humanitäre Gebot der Stunde und hat nichts mit dem Bekenntnis zur langfristigen Aufnahme von Geflüchteten zu tun. Auf den Punkt bringt das Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bei ihrem Besuch im neu eröffneten Abschiebezentrum für Balkanflüchtlinge in Ingolstadt: Einen Asylsuchenden fragt sie: ,,Sie sind gut untergebracht?" (= Wir kümmern uns um Ihre humanitäre Notlage). Als sie darauf eine positive Antwort erhält entgegnet sie: ,,Sie wissen aber, dass Sie zurück müssen?" (= das heißt nicht, dass Sie hier bleiben dürfen). Auch die Aufnahme von Tausenden Geflüchteten aus Ungarn ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Sie ,,soll eine Ausnahme bleiben", sagt die Bundesregierung, war aber aus humanitären Gründen notwendig.

Sicherlich wird die Asyldebatte des Jahres 2015 nicht so unverhohlen rassistisch geführt wie noch Anfang der 90er Jahre. Wesentliche Merkmale bleiben aber erhalten. Das Traurige an der Sache ist die Botschaft an die Rechtpopulisten und gewaltbereiten Rassisten: Auch wenn die politischen Entscheidungsträger ihre Taten offiziell verurteilen, setzen sie ihre Forderungen letztlich gesetzlich um. Die Lehre: Rassistische Gewalt führt am Ende (genauso wie vor 25 Jahren) zum Erfolg. In der vergangenen Nacht haben erneut zwei Flüchtlingsheime gebrannt...


Aus: "Erneut setzt Politik Forderungen von Asylgegnern um" Jonas Seufert (8. September 2015)
Quelle: http://www.migazin.de/2015/09/08/wie-jahren-politik-pack-forderungen/ (http://www.migazin.de/2015/09/08/wie-jahren-politik-pack-forderungen/)

Title: [Eine verstörende Richtung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2015, 11:26:28 AM
Quote[...] In der Flüchtlingskrise hat Europa unter dem Druck seiner Ausländerfeinde und seiner eigenen Selbstzweifel seinen Werten den Rücken gekehrt. Oder hat es diese Werte gar völlig vergessen? Ein kritischer Debattenbeitrag des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy

... Die Einwanderungsdebatte in Europa hat eine verstörende Richtung eingeschlagen. Diese begann mit dem Entstehen der (juristisch monströsen) Allerweltsbegriffe "Migrant" oder "Flüchtling", die den rechtlich zentralen Unterschied zwischen wirtschaftlicher und politischer Einwanderung, zwischen Armutsflüchtlingen und Kriegsflüchtlingen verschleiern. Im Gegensatz zu Wirtschaftsflüchtlingen haben diejenigen, die vor Unterdrückung, Terror und Massakern fliehen, ein unumstößliches Recht auf Asyl, was die internationale Gemeinschaft zwingend verpflichtet, sie aufzunehmen.

Selbst wenn der Unterschied anerkannt wird, geschieht dies oft im Zusammenhang mit einem weiteren Taschenspielertrick: dem Versuch, leichtgläubige Gemüter davon zu überzeugen, die Männer, Frauen und Kinder, die Tausende von Dollar für eine Überfahrt auf einem der klapprigen Boote nach Lampedusa oder Kos bezahlt haben, seien Wirtschaftsflüchtlinge. In Wirklichkeit sind 80 Prozent dieser Menschen auf der Flucht vor Gewaltherrschaft, Terror und religiösem Extremismus in Ländern wie Syrien, Eritrea und Afghanistan. Dies ist der Grund, warum die Asylbewerbungen laut internationalem Recht nicht gruppenweise, sondern individuell geprüft werden müssen.

Und selbst, wenn dies akzeptiert wird, und wenn die schiere Masse der Menschen auf dem Weg zu europäischen Ufern die Leugnung der barbarischen Zustände, vor denen sie fliehen, unmöglich macht, wird ein dritter Nebelschleier geworfen. Einige, wie der russische Außenminister Sergei Lawrow, behaupten, diese Konflikte, denen die Menschen entkommen wollen, gebe es nur in arabischen Ländern, die vom Westen bombardiert werden.

Aber auch hier lügen die Zahlen nicht. Die Hauptquelle der Auswanderung ist Syrien, wo die internationale Gemeinschaft sich geweigert hat, die durch die "Schutzverantwortung" vorgeschriebenen Militäroperationen durchzuführen – obwohl Interventionen gegen einen verrückten Despoten, der mit dem Mord an 240.000 seiner Leute versucht, sein Land zu entvölkern, durch internationales Recht vorgeschrieben sind. Auch Eritrea, eine weitere Hauptflüchtlingsquelle, wird nicht vom Westen bombardiert.

... die "Festung Europa" werde durch Horden von Barbaren angegriffen. Dies scheint durch schockierende Bilder von Flüchtlingen belegt zu werden, die durch Grenzzäune brechen oder in Calais auf Züge aufspringen. Aber dieser Mythos ist gleich auf zweierlei Weise falsch.

Erstens ist Europa weit entfernt davon, das Hauptziel der Migranten zu sein. Fast zwei Millionen der syrischen Auswanderer sind in die Türkei gegangen. Eine Million flohen gar in den Libanon, wo nur 3,5 Millionen Menschen leben. Jordanien mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern hat fast 700.000 Flüchtlinge aufgenommen. Und die Staaten Europas haben in der Zwischenzeit ihren gemeinsamen Egoismus dadurch zur Schau gestellt, dass sie einen Plan zur Umsiedlung von nur 40.000 Asylbewerbern aus ihren Zielstädten in Italien und Griechenland abgelehnt haben.

Zweitens sind die Minderheiten, die sich für Deutschland, Frankreich, Skandinavien, Großbritannien oder Ungarn entscheiden, keine Feinde, die uns zerstören oder auch nur die europäischen Steuerzahler aussaugen wollen. Sie sind Bewerber für die Freiheit und lieben unser gelobtes Land, unser Sozialmodell und unsere Werte. Es sind Menschen, die "Europa! Europa!" rufen, ebenso wie die Millionen von Europäern, die vor einem Jahrhundert auf Ellis Island eintrafen, "America the Beautiful" sangen.

Und dann gibt es das hässliche Gerücht, dieser eingebildete Überfall sei durch die Strategen eines "großen Austauschs" in Verborgenen geplant worden. Demzufolge sollen die Europäer durch Ausländer ersetzt werden, oder, schlimmer noch, durch Agenten des internationalen Dschihad, im Rahmen dessen die heutigen Migranten morgen die Hochgeschwindigkeitszüge in die Luft sprengen. Dass dies Unsinn ist, versteht sich hoffentlich von selbst.

Gemeinsam haben diese Verzerrungen und Verblendungen ernste Folgen. Zunächst einmal wurde das Mittelmeer völlig den Menschenschmugglern überlassen. Das Mare Nostrum wird immer mehr zu dem riesigen, wässrigen Massengrab, das einst von einem Dichter beschrieben wurde. Bereits in diesem Jahr sind dort etwa 2.350 Menschen ertrunken.

Aber für die meisten Europäer sind diese Menschen kaum mehr als eine Statistik, ebenso wie die Männer und Frauen, die die Reise überlebt haben, unbestimmt und ununterscheidbar bleiben, eine drohende anonyme Masse. Unsere Aufmerksamkeitsgesellschaft, die normalerweise schnell bei der Hand ist, kurzlebige Prominente als "Gesichter" der Krise des Tages zu produzieren (von der Schweinepest bis hin zum Bahnstreik), hat an keinem einzigen der Migrantenschicksale wirkliches Interesse.

Diese Individuen – deren Reise hin zu unserem Kontinent an diejenige der phönizischen Prinzessin Europa erinnert, die vor vielen Jahrtausenden auf dem Rücken des Zeus von Tyros kam – werden komplett abgelehnt. In der Tat werden sogar Mauern errichtet, um sie draußen zu halten. Das Ergebnis ist eine weitere Gruppe von Menschen, denen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Wie Hannah Arendt einst beobachtete, werden solche Menschen den Weg in eine Welt, in der die Menschen Recht und Gerechtigkeit genießen, letztlich nur finden, indem sie ein Verbrechen begehen.

Europa hat unter dem Druck seiner Ausländerfeinde und seiner eigenen Selbstzweifel seinen Werten den Rücken gekehrt. Oder hat es diese Werte gar völlig vergessen? Nicht nur die Flüchtlinge sind in Gefahr, sondern auch ein Europa, dessen humanistisches Erbe vor unseren eigenen Augen zerbröckelt.

Bernard-Henri Lévy


Aus: "Der Preis der europäischen Indifferenz" (07.09.2015)
Quelle: http://de.qantara.de/inhalt/fluechtlingskrise-in-europa-der-preis-der-europaeischen-indifferenz (http://de.qantara.de/inhalt/fluechtlingskrise-in-europa-der-preis-der-europaeischen-indifferenz)

Title: [Die Städte in Nordrhein-Westfalen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2015, 01:23:50 PM
Quote[...] Die Städte in Nordrhein-Westfalen schlagen Alarm. Sie wissen kaum noch, wie sie zusätzliche Unterkünfte für die Flüchtlinge beschaffen können. "Die Zahlen machen einen ganz schwindelig. Der Punkt ist erreicht, an dem wir sagen müssen: Bald geht es nicht mehr", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds NRW, Bernd-Jürgen Schneider, unserer Redaktion. Entweder die Europäische Union einige sich ganz schnell auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge, oder aber es müssten wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Schneider: "Der unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen kann so nicht weitergehen."

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will jetzt offenbar an die Kommunen unter 40.000 Einwohner herantreten, Unterkünfte für die Erstaufnahme von Asylbewerbern bereitzustellen. Dies ist nach Ansicht des Städte- und Gemeindebunds aber keine dauerhafte Lösung, sondern schiebe das Problem nur für kurze Zeit hinaus.

Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW bezeichnet die Unterbringungssituation als katastrophal. In der Vergangenheit sei versäumt worden, ausreichend Unterkünfte zu schaffen. Menschen für längere Zeit in Turnhallen einzuquartieren, sei nicht akzeptabel. Deswegen müssten Bund, Länder und Kommunen jetzt noch einmal genau prüfen, ob weitere Gebäude zur Verfügung gestellt werden können. Auch die Kirchen müssten solche Anstrengungen unternehmen. Vor allem wegen des bevorstehenden Winters kämen Zelte nur als allerletztes Mittel infrage.

Etwa 1200 Flüchtlinge vom Westbalkan sollen nach den Vorstellungen der rot-grünen Landesregierung demnächst in einigen wenigen Landeseinrichtungen untergebracht werden. Der Grund: Da die Asylbewerber aus dieser Region (vor allem Albanien, Serbien und Kosovo) so gut wie keine Chance haben, anerkannt zu werden, sollen sie gar nicht erst an die Kommunen weitergeleitet werden, sondern so lange in den Landeseinrichtungen bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden worden ist.

Nach Angaben der Grünen-Politikerin Monika Düker geht es um die vier Standorte Bonn, Borgentreich, Bad Driburg und Neuss. In jeder dieser Einrichtungen, die alle eine Aufnahmekapazität von rund 600 Menschen hätten, sollten jeweils 300 Plätze mit Balkan-Flüchtlingen besetzt werden. Voraussetzung sei allerdings, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesen vier Schwerpunkt-Einrichtungen die Anträge der Balkan-Flüchtlinge zügig bearbeite. Vorgesehen sei ein Zeitraum von bis zu drei Monaten.

Bisher werden auch die Menschen vom Balkan während der Dauer des Asylerfahrens auf die Städte verteilt. Die Kinder, die dann schulpflichtig werden, sprechen zumeist kein Wort Deutsch, so dass für sie wie für andere Flüchtlingskinder besondere Klassen gebildet werden müssen. Wenn nach monatelangem Verfahren – wie in über 99 Prozent der Fälle – die Asylanträge der Balkan-Flüchtlinge abgelehnt werden, müssen sie das Land verlassen, auch wenn dies mit menschlichen Härten verbunden ist. Durch die forcierte Bearbeitung ihrer Anträge soll die Aufenthaltsdauer erheblich verkürzt werden.

Dies entspricht auch einer dringenden Forderung der kommunalen Spitzenverbände. Vertreter des Städte- und Gemeindebunds NRW sowie des Städtetags treffen am Freitag mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zusammen, um über die Flüchtlingsproblematik und mögliche weitere Hilfestellungen zu reden. Kraft hat das in Aussicht gestellte Maßnahmenpaket des Bundes (drei Milliarden Euro für Länder und Kommunen) als unzureichend kritisiert und angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen gesagt: "Ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen sollen." Innenminister Ralf Jäger will jedoch nicht von einem "Katastrophenfall" reden: "Dass Menschen zu uns kommen, ist keine Katastrophe." Allerdings arbeiteten alle beteiligten Behörden im Krisenmodus. Jäger: "Wir sind eigentlich mit nichts anderem mehr beschäftigt."


Aus: "Flüchtlingsunterbringung in NRW: Städte ächzen: "Bald geht es nicht mehr"" (10. September 2015)
Quelle: http://www.rp-online.de/nrw/panorama/fluechtlinge-in-nrw-staedte-schlagen-wegen-unterbringung-alarm-aid-1.5380968 (http://www.rp-online.de/nrw/panorama/fluechtlinge-in-nrw-staedte-schlagen-wegen-unterbringung-alarm-aid-1.5380968)

Title: [Ich hoffe... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2015, 02:02:51 PM
QuoteDeutschland gebe sich im Moment als "Hippie-Staat, der nur von Gefühlen geleitet wird". Statt nur mit dem Herz, müsse man auch mit dem Hirn handeln, forderte der Politologe - so wie es auch der britische Premierminister David Cameron gefordert hatte.


Aus: "Deutschland und die Flüchtlinge: "Wie ein Hippie-Staat von Gefühlen geleitet""
Anthony Glees im Gespräch mit Tobias Armbrüster (08.09.2015)
Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/deutschland-und-die-fluechtlinge-wie-ein-hippie-staat-von.694.de.html?dram:article_id=330441 (http://www.deutschlandfunk.de/deutschland-und-die-fluechtlinge-wie-ein-hippie-staat-von.694.de.html?dram:article_id=330441)

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Quote[...] Die großartige Carolin Emcke schreibt in der SZ [http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-macht-1.2634521#refugeeswelcome (http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-macht-1.2634521#refugeeswelcome)], dass die Flüchtlinge den Mut des Aufbruchs mitbringen und den Glauben an ein gerechtes, freies Europa, das selbst erst wieder lernen muss, wie und wer es sein kann. Ich hoffe, dieser Lernprozess wird jetzt in ganz Europa einsetzen und fortschreiten und das Zeitalter eines neuen Aufbruchs einläuten.

QuoteM. Boettcher, 08.09.2015

Diejenigen, die die Flüchtlinge geradezu frenetisch willkommen heissen, sind überwiegend die gleichen, die sich seit Jahren gut fühlen, weil sie sich in den Tafeln engagieren. Jetzt faseln sie mit der gleichen Motivation eben von ,,Willkommenskultur". Das ist Quatsch! So wie die Tafeln die Sozialapolitik nicht zum Besseren ändern, ändert ein von den Medien hochgejazzter Begriff nicht die Mentalität der Deutschen. In meiner Jugend nannte man Ausländer meist ,,Kanaken", ,,Spaghettifresser" und Schlimmeres, wenn man sich ,,gewählter" ausdrücken wollte ,,Fremdarbeiter". Die, die so schon verbal ausgegrenzt und herabgesetzt wurden, waren immerhin Menschen, die wir faktisch gerufen hatten, hierher ins ,,Wirtschaftswunderland". Von den Verhältnissen, unter denen die Gastarbeiter hier teils leben mussten, will ich gar nicht reden. Gäste behandelt man aber m. E. anders. Und das schlechte Gewissen, in irgend einer Weise mit Schuld zu sein am Elend der anderen, will mit der ,,Willkommenskultur" auch nicht wirklich weichen.
Heute kommen Menschen, die vor den Folgen westlicher Politik und den von uns gelieferten Waffen fliehen, bzw. ihr Heimatland verlassen, weil die EU und den andere wirtschaftlich starke Staaten ihre regionale Wirtschaft kaputt gemacht haben und viele Menschen dort daher keine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen. Das hat uns trotz aller ,,Willkommenskultur" nicht gestört, wir haben dabei zugesehen, gelegentlich, vor allem um Weihnachten, die Börse gezückt und für die Armen gespendet, die ja glücklicher Weise meist dort blieben. Die letzten Unterkünfte der Flüchtlingen haben übrigens nicht vor 20 Jahren gebrannt, sondern gestern. Wobei die Mordbrenner sich Sympathien bis hinauf in hohe Politikkreise sicher sein können. Man lausche nur einmal den Äußerungen bayrischer Politiker. Willkommen geht irgendwie anders!
Die Wirtschaft, die sich ja nun massiv einbringen will, erkennt nicht nur die angeblich so gut Ausgebildeten unter den Flüchtlingen, die hierher kommen, – woher diese unsinnige und von den Medien hundertfach multiplizierte Überzeugung kommt, bleibt unklar, – sie stellt auch flugs ihre Forderungen. Z. B. keinen Mindestlohn zahlen zu müssen, wenn sie den Ankömmlingen Jobs geben. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Wo ist eigentlich der Einsatz der Wirtschaft, wenn es gilt die Arbeitslosigkeit im Land zu beseitigen? Ach nee, ich vergaß, die taugen ja alles nichts, diese Hartzer. Man will sogar weitgehend auf Deutschkenntnisse verzichten! Bei jedem Jahrgang von Schulabgängern werden seit zig Jahren mangelnde Kenntnisse in Deutsch und Mathematik bemängelt. Jetzt kommt es darauf nicht mehr an?
Die Standards für Wohnhäuser sollen gesenkt werden, weil jetzt ganz schnell Wohnraum benötigt wird. Hier wird es ja immer so kalt. In Hamburg gibt es noch genügend Häuser aus den 1950-1970er Jahren, in denen man die Ergebnisse von Baupfusch und der ,,Stadtplanung" zur Verwüstung ganzer Stadtteile bewundern kann. Der Boden, auf dem das Camp für die Erstaufnahme errichtet werden soll, ist eine ehemalige, nicht sanierte Müllkippe? Egal, um des Profits willen: für die Flüchtlinge wird es sicher reichen. Beim Versuch die Zufahrt zum eigenen Grundstück um 5 cm. zu verbreitern werden dem Bürger deutlich mehr Steine in den Weg gelegt. Und wer eine Wohnung sucht, kann sich Zeit lassen. Es sei denn, er ist bereit horrende Mieten zu zahlen.
Im Libanon, so ist zu lesen, kommen auf 6 Mio. Einwohner 1,5 Mio Flüchtlinge aus den Nachbarländern. Man stelle sich vor, aus den ca. 1 Mio. Menschen, die dieses Jahr hierher kommen, würden binnen weniger Jahre 20 Mio. Nicht nur, dass die Behörden es nicht packen werden, wir alle werden schon deutlich weniger nicht stemmen können und vermutlich auch nicht wollen. Nächstes Jahr kommen ja vermutlich nicht weniger, übernächstes Jahr auch nicht. Der Druck der Strasse und der hier zu kurz gekommenen wird immer stärker werden und die BLÖD-Zeitung zu alter Form und Hetze zurück finden. Irgendwann werden die Politiker dann wohl jedes Land der Welt als sicher einstufen müssen, auch Syrien, und die Grenzen faktisch dicht machen. Die wollen nämlich wieder gewählt werden, womöglich schon 2017.


QuoteArne Rathjen RA, 08.09.2015

Dunkle Zeiten. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass in den östlichen Bundesländern die Bevölkerung auf 9 Millionen Einwohner bis 2060 zurück geht. Zur Erinnerung: 1990 waren es noch 16,4 Millionen. Wenn jetzt etwa Kriegsflüchtlinge aus Syrien , verfolgt von Giftgas-Assad, Al Kaida und IS, hier ankommen , werden sie von politischer Seite damit begrüßt, dass ihnen die Geldleistungen gestrichen werden. Nicht zu reden von Brüllern, die befürchten, dass ihnen Arbeitsplätze weggenommen werden, die es sowieso nicht gibt.
Immerhin: das Wirtschaftswunder in Griechenland, Spanien und Portugal hat zu einer Einwandererflut geführt, die man jetzt in Form einer schwarzen Null bewundern kann. Denn die Leute zahlen Steuern und Sozialversicherungsabgaben. Davon werden dann Brüller bezahlt, die ihre Anwesenheit bejammern. In diesen Zeiten des Wirtschaftswunders und der Völkerwanderung wirkt es dann ermutigend, wenn die Ankömmlinge auf dem Münchner Hauptbahnhof zur Begrüßung belegte Brote überreicht bekommen.


QuoteS. Weidenbaum, 08.009.2015

Bisher bin ich Ihre stille Leserin gewesen. Nun veranlasst mich die Willkommenskultur der Deutschen, einen Kommentar zu Ihrem Beitrag zu verfassen.

Ich bin Ausländerin, verheiratet mit einem Deutschen, beherrsche die deutsche Sprache und schulde dem deutschen Staat keinen Cent. Gesetze habe ich auch nicht gebrochen. Also, gehöre ich zu den guten Ausländern. Dennoch habe ich in all den Jahren nie das Gefühl gehabt, dass ich hier willkommen wäre. Eigentlich ist das für mich irrelevant.

Ich ärgere mich in manchen Situationen nur über die Unfreundlichkeit der Deutschen, den Ausländer gegenüber. Zum Beispiel am Telefon. Egal wo ich anrufe ich werde fast jedes Mal ob mäßig, oder extrem unfreundlich behandelt. Auch an Opernhauskassen, also in gut bürgerlichen Milieus. Meinem Akzente geschuldet merkt man mir an, dass ich Ausländerin bin. Neulich war ein Techniker bei meinem Hoster nicht nur unfreundlich, sondern er wollte mir auch keine Hilfestellung geben.

Das ist aber halb so schlimm. Wenn ich höre, was andere ausländische Mitbürger erlebt haben, stehen mir die Haare zu Berge. Eine Bekannte von mir ist hier geboren und als Selbstständige ist sie gesellschaftlich voll integriert. Nicht selten geriet sie bei der Wohnungssuche, nur wegen ihres ausländischen Nachnamens, in Schwierigkeiten. Sie lebt nicht in Sachsen, sondern in einer wohlhabenden Stadt in BW. Manche Vermieter sagten ehrlich, dass sie keine Ausländer als Mieter haben wollen. In der Regel werden dunkelhäutige Ausländer noch schlechtere behandelt als hellhäutige wie ich es bin. Wegen eines defekten Fahrkartenautomaten musste ein dunkelhäutiger, hier geborener junger Mann in meinem Wohnort nun schon zum zweiten Mal Strafgeld zahlen. Keiner wollte ihm glauben, dass der Automat außer Betrieb war. Er scheint, an unfairen Behandlungen gewöhnt zu sein. Es ist traurig und beschämend, dass diese Leute in ihrer eigenen Heimat, als Fremde leben müssen. Eine vollständige Integration kann nur dann erfolgen, wenn sie sich als Deutsche fühlen.

Nun sind die Deutschen mit einem Schlag Ausländerfreundlich geworden? Die Flüchtlinge, die dem Staat enorme Kosten verursachen, bzw. soziale Probleme potenzieren, wurden herzlich empfangen. Man begrüßte sie sogar mit Applaus und werfenden Bonbons. So etwas erlebt man im Schlussapplaus am Theater. Aber nur dann, wenn die Darsteller bestimmte Leistungen erbracht haben. Sollten solche Aktionen dem Zweck dienen, gegen Nazis ein Zeichen zu setzen, dann ist das in meinen Augen ein Flop. Weil es scheinbar maßlos übertrieben ist. Infolgedessen fehlt es an jeglicher Glaubwürdigkeit. Notleidenden zu helfen ohne kuriosen Szenen, bzw. Euphorie wären viel effektiver und plausibler.

Um Missverständnisse zu vermeiden betone ich hiermit, dass ich in keinster Weise die meisten Deutschen als ausländerfeindlich bezeichne, sondern nur, dass die übertriebenen willkommens Gesten gegenüber Flüchtlingen nicht der Realität entsprechen. Was humanitäre Bereitschaft der Deutschen anbelangt, bewundere ich sie. In meiner Heimat herrscht ein striktes Auslandgesetzt. Nur wer eine Arbeitsgenehmigung hat, kann einreisen. Dass mein Land, das zu den hochwickeltesten Industrie Länder zählt, nicht bereit ist, einen Teil der Flüchtlinge auf zu nehmen, ist für mich unverständlich. Ich bin für die Aufnahme von Flüchtlingen, weil ich nicht gut schlafen kann, wenn Notleidende Menschen nicht gerettet werden. Das ist unsere Pflicht als Mensch. Aber bitte nicht Millionen reinlassen. Deutschland allein kann die Welt nicht retten. Darüber hinaus befinden sich hierzulande auch einheimische Notleidende.


QuoteRolfSchaelike, 09.09.2015

@Weidenbaum Ich kann Ihnen nur zustimmen.

Obwohl meine beide Eltern Berliner sind, erlebe ich Ähnliches wie Sie. Das liegt daran, dass ich in Moskau geboren bin, was in meinem Ausweis steht, und auch mit einen gewissen östlichen Akzent spreche.

Bei der Autovermietung Sixt, z.B. wollte der Angestellte erst seinen Chef fragen, ob mir ein Wagen mieten darf. Das geschah, nachdem er im Personalausweis sah, dass ich in Moskau geboren bin. Die Polizei reagiert bei Kontrollen nicht selten ähnlich

Die Rechtsanwälte Dominik Höch und Prof. Dr. Christian Schertz schrieben z.B. in ihren Schriftsätzen, ich solle mich nicht wundern, dass gegen mich entschieden wird, wenn ich mich nicht an die mitteleuropäische Contenance halte. Keiner der Juristen in Robe (Anwälte wie Richter) sah darin eine nationalistische Äußerung. Auch die meisten Leser dieses Blogs werden sicherlich das nicht verstehen.


QuoteArne Rathjen RA, 09.09.2015

Das Risiko, umgebracht oder von der Polizei verprügelt zu werden, ist für Schwarze in den USA wesentlich größer als in Deutschland. Oder das Risiko, wegen einiger Joints lebenslänglich eingesperrt zu werden. Oder das Risiko, vom Ku Klux Klan aufgeknüpft zu werden. In Deutschland hingegen heißen jetzt Negerküsse Super Dickmanns. Da sieht man, wie hervorragend die politische Umerziehung funktioniert hat. Und: mittlerweile soll Deutschland das Land mit der höchsten Quote an Einwanderern sein. Weltweit. Wegen der im 19. Jahrhundert durchgeführten Industrialisierung und der damit verbundenen Einwanderung sind im Übrigen etwa ein Viertel der Deutschen polnischen Ursprungs. Ein Albtraum für die Rassenhygieniker im politischen Establishment.


QuoteBrainBug2, 09.09.2015

@S. Weidenbaum: ,,Aber bitte nicht Millionen reinlassen. Deutschland allein kann die Welt nicht retten. Darüber hinaus befinden sich hierzulande auch einheimische Notleidende."

Hä? Wieso denn nicht? Es ist ohne weiteres mit ca. 800T Flüchtlingen / Jahr zu rechnen, die es an die Grenzen der BRD schaffen werden. Da sich die Flüchtlingsdramen nicht nur auf dieses Jahr beschränken werden, sondern man davon ausgehen muss, dass dies die nächsten 10 Jahre so gehen muss, müssen wir uns eben darauf einstellen, dass wir die nächsten 10 Jahre ca. 8 Millionen Flüchtlinge aufnehmen und irgendwie integrieren müssen. Dies ist halt ein Faktum, das auch Folge der bisherigen Wirtschaftspolitik der westlichen Welt ist. Die Millionen werden einfach kommen, ob man das wünscht oder verflucht. Es bleibt nur sich darauf so gut es geht vorzubereiten, also einen Solidarzuschlag für Asylsuchende einzuführen (Ich schlage 1% des über der Pfändungsfreigrenze liegenden Jahreseinkommen oder noch besser eine Vermögenssteuer hierzu vor) und dieses Geld in die medizinische Versorgung und die Bildung (einschließlich der Vermittlung rechtlicher Grundlagen unserer Gemeinschaft) zu stecken. Die Industrie freut sich jetzt schon auf die vielen billigen Arbeitskräfte und wir könnten mit dem Aufwand Flüchtlingshilfe (d.h. Geld in noch mehr medizinische Versodgungn, noch mehr Infrastruktur, noch mehr soziale Dienstleistungen usw.) investieren, was vielleicht einen neuen Industriezweig gründet und uns wirtschaftlich über Wasser hält.
Rein wirtschaftspolitisch sollte dies sinnvoller sein als die Alternative Grenzen dicht und ein paar Zollsoldaten mehr.

Und mehr als diese beiden Alternativen (1. Reinlassen und integerieren; 2. Grenzen dicht) gibt es nicht. Die Millionen Flüchtlinge werden einfach kommen.


...


Aus: "Kaltland adé?" (06.09.2015)
Quelle: http://www.internet-law.de/2015/09/kaltland-ade.html (http://www.internet-law.de/2015/09/kaltland-ade.html)

Title: [Die österreichische Bahn hat... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2015, 04:40:06 PM
Quote[...] Die österreichische Bahn hat den Zugverkehr nach Ungarn vorübergehend eingestellt. Auf ihrer Webseite begründeten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) diese Entscheidung am Donnerstag mit der ,,massiven Überlastung" der aus Ungarn kommenden Züge. Eingestellt wurden den Angaben nach die Railjet/EuroNight- und die Eurocity-Verbindung auf der Strecke Wien-Budapest sowie grenzüberschreitende Regionalzüge. ,,Bis auf weiteres werden keine Tickets für Fahrziele in Ungarn verkauft", erklärten die ÖBB. Für Pendler und Schüler aus dem Grenzgebiet Neusiedl/See und Bruck/Leitha werde ein Schienenersatzverkehr mit Bussen organisiert.

Freiwillige und Busunternehmer sollten keine Flüchtlinge mehr an die Bahnhöfe bringen. ,,Eine geordnete Abwicklung der aktuellen Situation kann sonst nicht mehr gewährleistet werden. Der ohnehin schon starke Zustrom in Kombination mit der großen Zahl der schon jetzt an den Bahnhöfen auf die Weiterfahrt wartenden Menschen übersteigt die vorhandene Zugkapazität bereits seit den Morgenstunden", hieß es.

Ähnlich hatte am Mittwoch Dänemark reagiert: Um Flüchtlinge an der Einreise nach Dänemark und der Weiterreise nach Schweden zu hindern, wurde der Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark zunächst auf unbestimmte Zeit eingestellt. Seit dem Morgen verkehren die Regionalzüge unter strengen Kontrollen wieder nach Kopenhagen; die Fernverbindung ist aber offenbar noch immer unterbrochen.

Der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen äußerte sich überrascht darüber, dass nicht mehr Flüchtlinge in Dänemark bleiben wollen. ,,Ich kann die Menschen nicht dazu zwingen, Asyl in Dänemark zu suchen. Aber man kann vielleicht eine gewisse Verwunderung darüber ausdrücken, dass sie es nicht tun", sagte Løkke Rasmussen am Donnerstag nach einem Krisentreffen mit den anderen Parteivorsitzenden seines Landes. ,,Wenn man vor Krieg und Auseinandersetzung geflohen ist und nach Dänemark kommt, glaubt man doch, dass man hier ein Land findet, das sicher und ein gutes Land zum Leben ist." Von den rund 3200 Personen, die seit Sonntag in Dänemark angekommen seien, hätten nur rund 670 Asyl in Dänemark beantragt, sagte der Ministerpräsident. Die meisten wollten weiter nach Schweden, weil sie dort auf bessere Bedingungen für Asylbewerber hoffen. Weil sie sich in Dänemark nicht registrieren lassen wollten, hatten sich viele tagelang geweigert, aus den Zügen auszusteigen, mit denen sie aus Deutschland gekommen waren. Dänemark versucht mit einer harten Ausländerpolitik, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren.

...


Aus: "Österreich stoppt Zugverkehr nach Ungarn" (10.09.2015)
Aus: http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/oesterreich-stoppt-zugverkehr-nach-ungarn-13795033-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/oesterreich-stoppt-zugverkehr-nach-ungarn-13795033-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2)


Title: [Vor 20 Tagen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 14, 2015, 12:21:02 PM
Quote[...] Vor 20 Tagen erst ist ein Flüchtlingslager mit Wohncontainern im Athener Vorort Elaionas eingeweiht worden – bereits kurz darauf erwies es sich als ungenügend, vor allem, weil die Kapazität viel zu klein ist. Noch immer kommen jeden Tag im Hafen von Piräus Hunderte von Menschen von den ägäischen Inseln an.

Dort wurde unterdessen das Registrierungsverfahren intensiviert wurde und es werden mehr Fährschiffe eingesetzt. Parallel dazu entwickelt sich in den letzten Tagen in Athen der zentrale Viktoria-Platz zu einem regelrechten Zeltlager. Dort campieren derzeit zwischen 1.000 und 3.000 Flüchtlinge, die meist auf ihre Weiterreise nach Zentraleuropa warten. Es kam zu zahlreichen Beschwerden von Anwohnern. Das griechische Rote Kreuz verteilt Lebensmittel und Wasser. Nach Angaben der lokalen Behörden sollen vor Ort tragische Gesundheitszustände herrschen.
Die unter der bisherigen Regierung für Migrationsfragen zuständige stellvertretende Ministerin Tassia Christodopoulou hat sich in einem Fernsehinterview zur Flüchtlingsfrage geäußert und betont, dass die Grenzen in Europa geöffnet werden müssten. Europa sei schließlich ,,keine Festung". Die griechische Presse zitierte Christodopoulou außerdem mit den Worten, dass die griechischen Inseln durch den Ansturm der Flüchtlinge reicher geworden seien. Vor allem ,,wohlhabende Syrer" würden dort ,,in Hotels wohnen, in den Geschäften einkaufen und Geld ausgeben".

(Griechenland Zeitung / mp)


Aus: "Flüchtlingsproblem verschärft sich in der griechischen Hauptstadt" (Mittwoch, 09 September 2015)
Quelle: https://griechenland.net/nachrichten/chronik/18999-fl%C3%BCchtlingsproblem-versch%C3%A4rft-sich-in-der-griechischen-hauptstadt (https://griechenland.net/nachrichten/chronik/18999-fl%C3%BCchtlingsproblem-versch%C3%A4rft-sich-in-der-griechischen-hauptstadt)

Title: [Seit heute gelten die... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 16, 2015, 10:15:54 AM
Quote[...] Seit heute gelten die Notgesetze in Ungarn. Der 4 Meter hohe, mit Nato-Draht bestückte Grenzzaun nach Serbien ist geschlossen, um die nächste Ausweichmöglichkeit zu schließen, soll nun auch ein Flüchtlingsabwehrzaun an der rumänischen Grenze errichtet werden. Das Zeitalter der Gated Nations bricht an, die Hersteller von Sicherheitsanlagen haben Konjunktur. Bei dem Gipfel der Innenminister gestern wurden wichtige Entscheidungen vertagt, sicher ist nur, dass die Außengrenzen weiter aufgerüstet werden sollen. Merkel und ihr österreichischer Kollege Faymann rufen nach einem Sondergipfel, während die ersten Konflikte mit Flüchtlingen nun entstehen. Es werden weitere Folgen.

Flüchtlinge an der Grenze zu Ungarn schlagen gegen den Grenzzaun und fordern die Öffnung, berichtet Pester Lloyd, Hunderte sollen in einen Hungerstreik getreten sein, auf serbischer Seite stauen sich die Flüchtlinge an den Grenzübertrittstellen, in der Regel Container im Zaun, Straßenübergänge werden durch Polizeiketten gesichert, in zwei Grenzkomitaten wurde der "Masseneinwanderungsnotstand" ausgerufen. Heute wurden schon 60 Menschen wegen der Beschädigung der Grenzanlagen verhaftet. Es kam an vielen Stellen bereits zu Durchbrüchen des Grenzzauns. Serbische Medien sprechen von Tausenden von Flüchtlingen an der Grenze.

Für die UNHCR wird nun Serbien zum Problemland, wo sich die Flüchtlinge auf der Balkanroute stauen und nach Alternativrouten Ausschau halten werden. Spannungen zwischen Serbien und Ungarn sind zu erwarten. Ungarn will Flüchtlinge wieder nach Serbien abschieben, Serbien ist nicht bereit, aus Ungarn Flüchtlinge aufzunehmen. Regierungschef Ivica Dacic machte klar, dass Serbien aus Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen wird, während weiter Tausende aus Griechenland und Mazedonien ins Land kommen. Serbien sei kein "kollektives Lager, wir wollen Teil der Lösung sein und kein Kollateralschaden", so Dacic. Serbien sieht sich zwischen Teilen der EU festsitzen, "die nicht kooperieren und unterschiedliche Politiken verfolgen". Die Regierung will Militär an die Grenze senden, um die Abschiebung von Flüchtlingen aus Ungarn zu verhindern. Serbien fordert, dass Ungarn die Flüchtlinge zurück nach Griechenland schicken müsse.

Offenbar werden schon neue Routen über Rumänien und Kroatien gesucht. An der Grenze zwischen Kroatien und Ungarn gibt es allerdings noch Tausende von Landminen aus den 1990er Jahren. Es wird vermutlich bald unschöne Bilder vom "wehrhaften" Europa geben, das an den Grenzen gegen Flüchtlinge vorgeht, während gleichzeitig im Syrien und im Irak Krieg geführt wird und die Hilfsorganisationen nicht genug Geld haben, die 12 Millionen Flüchtlinge in Syrien und in den Nachbarländern ausreichend mit Lebensmitteln und Unterkünften zu versorgen.

Vor dem drohenden Winter ist die Lage für die Flüchtlinge, die teils schon seit Jahren ausharren, aussichtslos. Viele leben in Armut, das UN-Welternährungsprogramm (WFP) musste aufgrund fehlender Finanzierung im September 229.000 Flüchtlingen von 520.000 in Jordanien ihre Nahrungsmittelhilfe streichen. Bis zum Ende des Jahres fehlen 46 Millionen US-Dollar. In den irakischen Kurdengebieten mussten die Hilfen auch gekürzt werden. Für syrische Flüchtlinge fehlen alleine für den Oktober noch 163 Millionen US-Dollar. Auch wenn die EU nun schnell die Hilfen für die Nachbarländer Syrien aufstocken sollte, könnte die Finanzierung der Hilfe in anderen Gebieten dafür sinken.

In Ungarn ist seit heute der ungenehmigte Grenzübertritt eine Straftat, die mit bis zu 4 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Auch steht im Prinzip jede Hilfeleistung für nicht ordnungsgemäß registrierte Flüchtlinge unter Strafandrohung. Allerdings ist die Frage, wie die ungarische Regierung diese neuen "Vergehen" bestrafen will, da die Gefängnisse bereits überfüllt sind. Tausende Polizisten und Soldaten sichern die Außengrenze in Europa, auch gepanzerte Fahrzeuge und Maschinengewehre wurden gesichtet. Muss man befürchten, dass es nicht nur zu Gewaltanwendungen und Prügeleien kommt, sondern auch zum Einsatz von Schusswaffen, um die Festung gegen die zu verteidigen, die vor Gewalt geflohen oder mit Gewaltanwendung vertrieben wurden?

Insgeheim werden vor allem die Regierungen in Österreich und Deutschland aufatmen und den neuen Mauerbau begrüßen, weil sie dadurch Entlastung finden. Das ist auch schon eingetreten, es kamen deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland.  ...



Aus: "Notstand nach Schließung der ungarischen Grenze" Florian Rötzer (15.09.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45994/1.html (http://www.heise.de/tp/artikel/45/45994/1.html)

Title: [Mit dem gezielten Einsatz... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 16, 2015, 12:15:09 PM
Quote[...] Nach Dänemark und Deutschland hat jetzt auch Österreich vorübergehend Grenzkontrollen eingeführt. Nach Angaben des Innenministeriums wird vorerst nur die Grenze zu Ungarn kontrolliert; bei Bedarf könnten die Kontrollen aber auf die Grenzen zu Italien, Slowenien und die Slowakei ausgedehnt werden. ...


Aus: "Österreich führt Grenzkontrollen ein" (16. September 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-09/oesterreich-startet-grenzkontrollen-fluechtlinge (http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-09/oesterreich-startet-grenzkontrollen-fluechtlinge)

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Quote[...] Das Bundeskabinett hat die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen Schleuser im Mittelmeer beschlossen. Bis zu 950 Soldaten sollen künftig Schiffe von Schleusern stoppen, beschlagnahmen und auch zerstören dürfen. Das sieht eine entsprechende Vorlage vor, die die Minister billigten. Der Bundestag muss der Beteiligung noch zustimmen.

Mit dem gezielten Einsatz gegen Schlepper geht die EU-Militäroperation Eunavfor in die zweite Phase. Sie richtet sich gegen Schleuser, die Flüchtlinge aus Nordafrika unter oft lebensgefährlichen Umständen auf Booten nach Europa bringen.  

Die Bundeswehr ist im Rahmen des Eunavfor-Einsatzes bereits seit Mai mit zwei Schiffen und rund 300 Soldaten im Seegebiet zwischen Libyen und Italien aktiv. Bislang kümmerten sich die Soldaten allerdings ausschließlich um die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge und das Sammeln von Informationen. Mehr als 7.200 Menschen konnten die Soldaten bisher nach Italien bringen.

Am Montag hatten die EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel den Beginn der zweiten Phase beschlossen. Das Vorgehen gegen die Schleuser und ihre Boote soll Flüchtlinge von der gefährlichen Überfahrt aus Libyen über das Mittelmeer abhalten.

QuoteTourm
#1  —  vor 7 Minuten

Das ist doch politische Idiotie.

Auf der einen Seite wird die "Willkommenskultur" wie ein Gottesdienst am Altar der eigenen Selbstgefälligkeit zelebriert und auf der anderen Seite zerschiesst man den "Flüchtlingen" die Boote.



...


Aus: "Flüchtlinge: Kabinett beschließt bewaffneten Einsatz gegen Schleuser" (16. September 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/2015-09/bundeskabinett-einsatz-bundeswehr-soldaten-bewaffnet (http://www.zeit.de/politik/2015-09/bundeskabinett-einsatz-bundeswehr-soldaten-bewaffnet)

Title: [Insgesamt waren... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 16, 2015, 03:10:23 PM
Quote[...] Die Flüchtlingskrise an der Ägäis nimmt kein Ende. Auf den griechischen Inseln kamen wieder Tausende Menschen an, Hunderte wurden von der Küstenwache aus den Fluten gerettet. Griechenland sichert derweil seine Landesgrenze zur Türkei. ...


Aus: "Griechenland verstärkt Sicherheitsmaßnahmen am Evros" (16.09.2015)
Quelle: http://www.fnp.de/nachrichten/politik/tagesthema/Griechenland-verstaerkt-Sicherheitsmassnahmen-am-Evros;art46567,1592583 (http://www.fnp.de/nachrichten/politik/tagesthema/Griechenland-verstaerkt-Sicherheitsmassnahmen-am-Evros;art46567,1592583)

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Quote[...] Frankfurt. Fast alle Betten belegt! So könnte man die Situation in den Flüchtlings-Unterkünften in Frankfurt derzeit beschreiben. Die Notquartiere in der Turnhalle der Franz-Böhm-Schule sind mit 125 Menschen voll belegt, die Fabriksporthalle mit 350 Betten, in der Halle der Sport-Universität sind von den 225 Betten nur noch wenige frei, die Sporthalle in Kalbach wird mit 350 Personen belegt. Für die Möblierung der Fabriksporthalle hat der Flughafenbetreiber Fraport mit Betten ausgeholfen, ein benachbarter Lebensmittelgroßhändler öffnete am Sonntag, damit die Flüchtlinge versorgt werden konnten.

Die hilfswillige Bevölkerung wurde gebeten, keine Lebensmittel vorbeizubringen, da diese nicht an die Flüchtlinge verteilt werden könnten. In den nächsten drei Monaten muss die Stadt weitere 2500 Menschen unterbringen, das ist aber eine alte Prognose, die bereits überholt sein dürfte, so dass es deutlich mehr werden dürften. Diese Zahlen und Fakten nannte gestern Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU). ...

Um den plötzlichen Ansturm am Wochenende zu bewältigen, wurde erstmals ,,auf Ressourcen des Katastrophenschutzes zurückgegriffen", wie Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) erklärte. Mit der Aktion hat die Stadt kurzfristig dem Land aus der Patsche geholfen. Denn eigentlich müssten die Flüchtlinge zunächst in eine der hessischen Erstaufnahmestellen, von denen sie dann auf die Kommunen verteilt werden. Die am Wochenende in Frankfurt Aufgenommenen werden in den nächsten Tagen in Erstaufnahmelager, beispielsweise nach Gießen verlegt, sobald dort wieder Kapazitäten frei sind. Im Sozialamt sitzen laut Birkenfeld derzeit 80 bis 100 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die gestern angekommen sind. Für diesen Personenkreis ist Frankfurt Erstaufnahmestelle, ehe die Jugendlichen auf hessische Gemeinden verteilt werden.

Insgesamt waren 350 ehrenamtliche Helfer von Arbeiter-Samariter Bund, Johannitern, Maltesern, Rotem Kreuz, und den Freiwilligen Feuerwehren im Einsatz. Diese seien nach drei Tagen Dauereinsatz am Ende ihrer Kräfte, sagte der Ordnungsdezernent. Dank der Maßnahmen der Bundesregierung wie Grenzkontrollen und die Unterbrechung des Zugverkehrs aus Österreich erwartet Frank eine Verschnaufpause, aber: ,,Es warten noch 60 000 Flüchtlinge in Ungarn mit dem Ziel Deutschland."

Besonders schwierig sei am Samstag das unklare Lagebild gewesen. Zwar habe der Krisenstab die Zahl der abreisenden Zugpassagiere erfahren, viele seien aber unterwegs ausgestiegen.

Ziel des Magistrat sei es, die Turnhallen ,,mittelfristig frei zu bekommen", sagte Frank. Auf Zelte zur Unterbringung von Flüchtlingen will Sozialdezernentin Birkenfeld dennoch verzichten. Nach der IAA stünde eine Messehalle zur Verfügung, auch eine Containeranlage sei auf dem Messearel möglich, Container seien bestellt.

Die städtischen Mitarbeiter zur Flüchtlingsbetreuung in den Sporthallen sollen mit einem Rundschreiben auf freiwilliger Basis innerhalb des Dienstbetriebes angeworben werden.

So hat es der gestern eingerichtete Verwaltungsstab mit den Amtsleitern beschlossen. In jeder Sporthalle kommen 20 Bedienstete im Zweischicht-Betrieb zum Einsatz, die Nachtschicht übernehmen private Sicherheitsdienste.


Aus: "Flüchtlings-Unterkünfte in Frankfurt sind voll" THOMAS REMLEIN (15.09.2015)
Quelle: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Fluechtlings-Unterkuenfte-in-Frankfurt-sind-voll;art675,1589693 (http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Fluechtlings-Unterkuenfte-in-Frankfurt-sind-voll;art675,1589693)

Title: [Diese widerstreitenden Reaktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 12:21:49 PM
Quote[...] Der Fremde weckt ambivalente Gefühle. Kommt er in freundlicher oder feindlicher Absicht? Ist er ein Dieb, oder bringt er Geschenke? Diese widerstreitenden Reaktionen kann man schon bei Kindern beobachten, wenn ein Unbekannter zur Türe hereinkommt. Vielleicht verstecken sie sich zuerst, aber neugierig sind sie doch. Die Fremden ähneln darin dem anderen Geschlecht, das ebenso fasziniert wie irritiert. Allerdings hält man Ambivalenz schwer aus. Man bevorzugt Eindeutigkeit. Also erklärt man die Unbekannten entweder zu Freunden oder zu Feinden. Am besten sieht man diesen Hang zum Extremen bei den denkbar fremdesten Fremden, die es zudem gar nicht gibt – den Aliens. Fast immer stellt man sich die Ausserirdischen entweder als Zerstörer oder als Heilbringer vor. Auch die Immigranten teilt man gerne in eindeutige Kategorien ein. Man vereinfacht die verwirrenden Begegnungen mit ihnen, indem man manche – zum Beispiel Albaner, Nigerianer, Muslime – zu Bösen ernennt und andere – zum Beispiel Tibeter, Ungarn oder Syrer – zu Guten. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass man die Gefühle gewissermassen staffelt. Man schimpft zuerst über eine Gruppe – etwa Italiener, Tamilen, Deutsche –, und einige Jahre später schliesst man sie ins Herz.

Beinahe alle haben eine Meinung zur Migration, und meist eine dezidierte. Es ist schwierig, Polarisierungen zu entgehen. Selten trifft man jemanden, der sagt: «Ich weiss nicht, was ich von den Flüchtlingen halten soll, ich habe noch nie mit einem gesprochen.» Bei der beliebten Frage, ob die Anwesenheit all der Immigranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden gut oder schlecht sei, ist es fast unmöglich, jenseits von Schwarz-Weiss etwa zu antworten: «Ich weiss es nicht» oder «Kommt darauf an» oder «Ich brauchte mehr Erfahrungen und Wissen».

In den letzten Wochen konnte man vor allem in Deutschland einen erstaunlichen Stimmungsumschwung beobachten. Während noch vor kurzem die Pegida-Demonstrationen und Brandanschläge auf Asylheime die Schlagzeilen beherrschten, ist auf einmal das Stichwort von der «Willkommenskultur» in aller Munde. Genau besehen handelt es sich allerdings nicht um einen Umschwung. Es ist kaum anzunehmen, dass die Ausländerhasser, die in Heidenau randalierten, nun plötzlich zum Bahnhof geeilt sind, um den Syrien-Flüchtlingen Wasser zu bringen. Vielmehr sind es andere Teile der Bevölkerung, die im Moment den Ton angeben. Weil fremdenfeindliche Menschen das Konforme lieben, bewegen sie sich gerne in einer Masse und beanspruchen für sich, das Volk zu repräsentieren. Es ist auffällig, wie kleinlaut sie plötzlich werden, sobald der Wind in der Politik und den Medien dreht.

Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die gegenwärtige Solidaritätswelle nicht allzu lange anhalten wird. Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die viel durchgemacht haben, sind nicht per se bessere Menschen. Auch unter ihnen gibt es selbstverständlich Kriminelle, Fanatiker oder Faulpelze, wie überall. Vielleicht kippt das Mitleid plötzlich in Ablehnung, wenn sich die Flüchtlinge der ihnen entgegengebrachten Idealisierung nicht würdig erweisen. Rasch könnten sie dann als undankbar gelten. Sowohl die Fremdenangst als auch die überbordende Aufnahmebereitschaft haben ja meist wenig mit den realen Ankommenden zu tun, sondern vor allem mit Vorstellungen und Projektionen. Dafür spricht auch, dass die Ablehnung und die Angst vor «Überfremdung» oft dort am stärksten sind, wo es in Wirklichkeit nur wenige Ausländer gibt.

Möglicherweise kommt es jedoch auch einfach zu einer Gewöhnung. Wer erinnert sich noch daran, wie exotisch die Italiener in den sechziger Jahren wirkten, als sie in die Schweiz kamen? Heute kann man über die damaligen Bedenken nur noch lachen. Dasselbe passierte mit den Tamilen. Als «Heroin-Tamilen in Lederjacken» wurden sie tituliert. Heute gelten sie als arbeitsam und unauffällig. Das allgemeine Bild der «Jugos» durchläuft eine ähnliche Normalisierung. In der jüngsten Vergangenheit nahmen sich die professionellen Schürer der Fremdenangst die Deutschen vor. Daran sieht man auch, wie irrelevant in diesem Zusammenhang die Realität ist. Bei den im Allgemeinen hochqualifizierten Deutschen konnte man weiss Gott nicht von einem fremden Kulturkreis sprechen. Jedes andere Land hätte sich angesichts solcher Ideal-Immigranten die Finger geleckt. Aber wer will, findet immer ein Problem. Auch der Umgang mit Eritreern und Syrern pendelt sich wohl einst in einem nüchternen Graubereich ein, jenseits von Xenophobie und Xenophilie. Die gegenwärtige Immigrationswelle wird nicht zum Untergang des Abendlandes führen. Aber sie ist auch nicht nur eine «kulturelle Bereicherung». Und das Problem der Überalterung lässt sich mit Immigration allein kaum lösen. Ob es in unserer postindustriellen Gesellschaft genug Arbeitsplätze für wenig qualifizierte Einwanderer gibt, ist ebenfalls fraglich.

... Vielleicht lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die psychischen Mechanismen der Fremdenangst zu werfen. Ist Fremdenangst gleichbedeutend mit Rassismus? Nicht unbedingt. Heute hat der Begriff der Kultur denjenigen der Rasse abgelöst. Der «aufgeklärte» Rassist spricht von «anderen Kulturkreisen». Allerdings wird Kultur dann oft als etwas Statisches, Homogenes, quasi Biologisches verstanden, so wie früher die Rasse. Das gilt auch für die eigene Kultur. Das Bild, das Xenophobe von ihrer Heimat haben, ist meist ebenso klischeehaft wie dasjenige, das sie von fremden Ländern zeichnen. Dass Deutschland oder die Schweiz auch ohne Ausländer Gebilde mit einer höchst heterogenen Bevölkerung wären, blenden sie aus.

Was bringt gewisse Leute dazu, auf die Anderen reflexartig mit Aggression zu reagieren, im Extremfall so wie der Mann, der vor einigen Wochen in der Berliner S-Bahn auf ein ausländisches Kind urinierte? Man würde annehmen, dass man angesichts von Flüchtlingselend natürlicherweise Empathie oder Mitleid empfindet. Offenbar erleben jedoch manche stattdessen eine Aufwallung von Verachtung und Hass, und zwar nicht nur angesichts von Immigranten, sondern auch gegenüber Armen, Sozialhilfeempfängern, Bettlern, Drogensüchtigen oder Behinderten. Zugespitzt könnte man sagen: Linksextreme dämonisieren die Macht, Rechtsextreme die Ohnmacht. Ist ihnen die Vorstellung, einmal selbst schwach und hilflos zu sein, so unerträglich, dass sie abgewürgt werden muss?

In die aggressive Ablehnung mischen sich oft Angst und Neid. Ausgerechnet der Ohnmächtige wird insgeheim als übermächtig erlebt. Gerne verdächtigt man gerade finanziell Schwache, Fürsorgeabhängige oder Asylsuchende, auf dem Buckel der Steuerzahler ein Dolce Vita zu führen. Gelegentlich dehnt sich dieser Verdacht so weit aus, dass man dem Zugewanderten ganz generell ein Mehr an Leben, an Intensität, an Genuss unterstellt, das man ihm missgönnt. Auch eine gewisse Sexualisierung der Fremden gehört zum beliebten Projektions-Repertoire. Das ist auch deshalb paradox, weil man sich ja kaum ein langweiligeres, eingeschränkteres Leben als dasjenige in einem Asylheim vorstellen kann. Aber der Fremdenfeind nimmt an, dass es hinter dieser betrügerischen Fassade hoch zu und her geht. Das nährt das Gefühl, er sei ohnehin zu kurz gekommen. Eigentlich hasst er vor allem sich selber und sein Leben, aber durch Ressentiment und zwanghaftes Interesse ist er auf den Ausländer fixiert, dessen Anderssein er überschätzt. Fast wünschte man sich etwas mehr Gleichgültigkeit den Immigranten gegenüber.

Migrationsbewegungen und Kulturkontakte trugen im Laufe der Geschichte zu Fortschritt, Wandel und Handel bei, führten aber auch zu unzähligen Konflikten. Die Berührung mit dem Fremden ist eine ambivalente Angelegenheit. Jenseits von Idealisierung oder Dämonisierung ist dem realen Ausländer mit einer möglichst «normalen» Aufnahme am besten gedient, bei der er weder diskriminiert noch privilegiert und nicht ständig auf sein «Anderssein» behaftet wird. Das ist langweiliger als Willkommens-Umarmungen und Molotowcocktails, nützt aber auf lange Sicht auch dem Inländer.


Aus: "Reaktionen auf die Flüchtlingskrise: Liebe Fremde, böse Fremde" David Signer (17.9.2015)
Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/liebe-fremde-boese-fremde-1.18614447 (http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/liebe-fremde-boese-fremde-1.18614447)

Title: [Die Lage sei nach wie vor... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 01:28:35 PM
Quote[...] Erstattet das Land den Städten wirklich nur 30 Prozent der Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge? Auf diese Frage reagiert NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) unwirsch. Er halte es für "unseriös, mit falschen Zahlen Stimmung zu machen", sagt er. Die Kosten pro Flüchtling im Jahr beliefen sich auf 10.000 bis 12.000 Euro; davon übernehme das Land 7500 Euro. Allerdings werde derzeit mit den kommunalen Spitzenverbänden errechnet, welche Kosten genau entstünden.

Jäger begrüßt, dass sich der Bund nun erstmals auch selbst an der Erstunterbringung beteiligen will, auch wenn es sich dabei nur um 40.000 Menschen handle. Zu möglichen Gebäuden und Standorten will sich Jäger nicht äußern. Dies sei Sache des Bundes, sagt er. Infrage kämen aber auch Kasernen, wenn sie nicht zu lange leergestanden hätten. Andernfalls sei es sehr aufwendig, sie wieder bewohnbar zu machen.

Die Lage sei nach wie vor angespannt; von einer Atempause könne keine Rede sein. Das Wichtigste sei, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit hätten, bekräftigt der Minister, aber fügt auch hinzu: "Es geht nicht mehr lange so weiter in Deutschland und in NRW." Es müsse eine gerechte europaweite Verteilung geben.

Bereits 145.000 Flüchtlinge hat NRW in diesem Jahr untergebracht, darunter Menschen, die nach wenigen Tagen auf andere Bundesländer umverteilt wurden. Derweil wird es in den Kommunen immer schwieriger, Unterkünfte bereitzustellen. In Mönchengladbach und anderen Städten wurden Wohncontainer und Zelte aufgestellt. In zahlreichen Kommunen werden Turnhallen oder öffentliche Gebäude genutzt, wie etwa in Solingen das alte Finanzamt und eine ehemalige Grundschule; in Nettetal ist es eine ehemalige Hauptschule. In Grevenbroich wurden auch leerstehende Privathäuser und in Langenfeld ein Klinikgebäude von Flüchtlingen bezogen. Städte beklagen zunehmend, dass Balkan-Flüchtlinge die Plätze für jene Menschen blockieren, die aus Kriegsgebieten kommen.

Vor allem in Duisburg gibt es immer wieder Auseinandersetzungen mit Roma. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) ist offenbar frustriert. "Ich hätte gern das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte", sagte er bei einer Zusammenkunft mit SPD-Chef Sigmar Gabriel in Berlin. Laut "Mitteldeutscher Zeitung" habe Gabriel für einen Augenblick erschrocken geguckt. Links Äußerung, für die er sich gestern Abend entschuldigte, sei "menschenverachtend", sagt die integrationspolitische Sprecherin der CDU, Serap Güler.

Hannelore Kraft müsse sich als SPD-Landesvorsitzende klar distanzieren. "Noch in der letzten Sitzung des Landtages hatte sie gesagt, es gehe nicht, Flüchtlinge in solche erster und zweiter Klasse zu unterteilen. Genau das hat Link getan."


Aus: "Flüchtlinge in NRW - Innenminister Jäger: Es geht nicht mehr lange so weiter" (17. September 2015)
Quelle: http://www.rp-online.de/nrw/panorama/ralf-jaeger-zu-fluechtlingen-es-geht-nicht-mehr-lange-so-weiter-aid-1.5400422 (http://www.rp-online.de/nrw/panorama/ralf-jaeger-zu-fluechtlingen-es-geht-nicht-mehr-lange-so-weiter-aid-1.5400422)

Title: [Das Interesse ist gigantisch... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 01:45:11 PM
Quote[...] Warum bist du geflohen, anstatt für dein Land zu kämpfen? Du bist doch nur scharf auf die Sozialhilfe. Ihr seid doch alle kriminell. Fragen und offene Anschuldigungen wie diese liest man sehr häufig unter Facebook-Einträgen, die sich mit Flüchtlingen beschäftigen. Jetzt antwortet ein Flüchtling. Er ist 18 Jahre alt, stammt aus Syrien und lebt seit neun Monaten in Deutschland.

Auf der Plattform Reddit hat er ein AMA (Ask me anything, Frag mich alles) gestartet. Das Interesse ist gigantisch, knapp zehn Millionen Menschen haben das Frage-Antwort-Spiel verfolgt, das es zwischenzeitlich auf die Startseite des Portals geschafft hatte. Wohl vor allem, weil die Antworten des jungen Mannes, der seinen Namen nicht verrät, so nüchtern und entwaffnend sind.

"Bedenke, es ist ein Bürgerkrieg, es ist keine Invasion eines anderen Landes", antwortet er auf die Frage, warum er geflohen sei, statt zu kämpfen. "Gegen wen hätte ich gekämpft? Im Zweifel gegen einen Mann wie mich auf der anderen Seite der Schlacht. Einer von uns hätte den anderen getötet, ohne dass sich etwas geändert hätte und ohne dass das den Krieg beendet hätte." Aber Syrien hätte einen Mann verloren, der viel Besseres für die Zukunft des Landes tun könnte als eine Waffe zu halten. "Am traurigsten macht mich, dass die Menschen, die mich fragen, warum ich nicht gekämpft habe, nichts über die Situation in Syrien wissen und niemals erlebt haben, wie grausam Krieg sein kann."

Und die Sache mit den Kriminellen? "Ja, es kommen sehr viele Menschen, aber wir kommen nicht, um Verbrechen zu begehen", schreibt er. In Syrien seien Regierung und Justiz korrupt, Armut sei weit verbreitet und trotzdem habe sich die Kriminalität in Grenzen gehalten. "Warum sollten die Menschen in einem sicheren Land, das sie willkommen heißt, jetzt kriminell werden?"

Er beantworte all diese Fragen, weil er seinen Lesern helfen wolle, die Situation der Flüchtlinge in Europa aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Dabei räumt er mit Vorurteilen auf, vertuscht aber keine Probleme: Gibt es IS-Terroristen unter den Flüchtlingen? "Ja, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit."

Kritisch beurteilt er, dass viele Flüchtlinge nicht in Ungarn, Griechenland oder Bulgarien bleiben, sondern unbedingt nach Deutschland wollen. Wer Ungarn verlasse, um nach Deutschland zu gehen, beleidige das ungarische Volk. Allerdings fürchte er, dass die ärmeren Länder Europas nicht in der Lage seien, die Flüchtlinge zu versorgen. Deshalb rate er den reichen Ländern, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, um diese Last von den Schultern ihrer Nachbarn zu nehmen.

Ein Fragesteller will wissen, warum einige Flüchtlinge Essen und Wasser, das sie von Helfern bekommen hatten, einfach weggeschmissen hätten. "Weil sie Arschlöcher sind?", antwortet der Syrer schonungslos. Er sei sich allerdings sicher, nur eine kleine Minderheit würde ein solches Verhalten zeigen. Niemand in Syrien habe etwas bekommen, ohne dafür zu arbeiten. "Bitte habt Geduld und schaut euch um, dann werdet ihr sehen, dass die Mehrheit dankbar und nett ist."

Gerrit Dorn

Quote17.09.2015
12:53
Syrischer Flüchtling antwortet besorgten Bürgern bei Reddit
von Paule03 | #4

Herr Dorn, ich frage mich, was Ihr Artikel bezwecken soll?


Quote
17.09.2015
12:28
Es wird nie differenziert
von hanspeters75 | #3

Sehr gute Idee von Ihm. Es wird immer nur über "Flüchtlinge" gesprochen - ob schlecht oder gut.
Es wird nie wirklich differenziert. Selbst die Syrer bestehen aus mindestens 3 religiösen & politischen Parteien und weder Linke noch Rechte sollte nicht alle in einen Topf werfen. ...


...


Aus: "Flüchtlinge: Syrischer Flüchtling antwortet besorgten Bürgern bei Reddit" (15.09.2015)
Quelle: https://www.derwesten.de/thema/fluechtlinge/syrischer-fluechtling-raeumt-bei-reddit-mit-vorurteilen-auf-id11094661.html (https://www.derwesten.de/thema/fluechtlinge/syrischer-fluechtling-raeumt-bei-reddit-mit-vorurteilen-auf-id11094661.html)

Title: [Seit Wochen kreisen mir diese Gedanken... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 01:58:38 PM
Quote[...] Vor einigen Stunden erst telefonierte ich mit einer Freundin, die gerade an einem super interessanten Artikel schreibt, in dem sie ihre Bedenken zum Retter-Selbstimage Deutschlands äußert.

Seit Wochen kreisen mir diese Gedanken durch den Kopf, doch sobald ich Kritik an diesen Sachen äußerte, wurde mit ,,Zynismus" hier, ,,Deutschenfeindlichkeit" da reagiert. Man zweifelt an sich selbst, fängt an sich zu fragen ,,Bin ich zu einer Person geworden, die keine Hoffnung mehr verspüren kann?".

In diesen Momenten bin ich umso dankbarer, dass ich doch nicht so allein stehe mit diesen Befürchtungen. Was hier ganz klar differenziert werden sollte ist die berechtigte Kritik an der Darstellung der Geflüchteten, als unmündige, hilfsbedürftige ,Opfer' (das passiert leider sehr oft auch unterbewusst), und die häufig bei dieser Kritik unterstellte Ablehnung des humanitären Einsatzes.

Diese Unterstellung pathologisiert jegliche Kritik an den schimmernden Helfer*lein. Niemals würde ich auf die Idee kommen, mich gegen humanitären Einsatz zu positionieren, aber was viele von einem erwarten ist die Ignoranz für strukturelle Probleme oder dem Fehlverhalten gegenüber geflüchteter Menschen.

Der Grund weshalb diese kurzsichtige Perspektive mich und so viele andere Menschen so sehr wurmt ist, dass wir Erfahrungen mit solchen Phänomenen machen mussten. Ohne zu sehr in Details zu gehen kann ich sagen, dass ich bei all den Bildern die sich gerade in Deutschland abspielen auf taufrische Rückblenden von ,kollektivem Zusammenhalt' und der Mobilisierung für eine ,gemeinsame Sache' zurückgreifen kann.

Ich kann gut nachempfinden, wie sich diese kollektive ,Hilfewelle' anfühlt, aber ich kann auch das ziemlich schmerzliche Erwachen danach noch sehr gut bis auf die Knochen spüren. Dann nämlich, wenn es zu heikleren politischen Fragen kommt, dann, wenn sich inmitten des kollektiven Helfens ganz individuelle und widersprüchliche Erwartungen manifestieren. Ein Teil einer so unerwarteten, großen Mobilisierung zu sein, verblendet nicht selten für Probleme. ...

QuoteHerbstlaune says:   
10. September 2015 at 17:53

Vielen vielen Dank für den Artikel! Ich finde mich sehr in deinen Zeilen wieder. Ich kriege von dem Paternalismus der weißen Helfer_innen, die teilweise meine Freund_innen sind, gerade so das Kotzen. Deshalb tut es gut, von dir zu lesen :-)



Aus: ""Es ist immer leichter, die Kritik zu kritisieren." Deutschland und seine ewigen Neuankömmlinge." diasporareflektionen (09.09.2015)
Quelle: https://diasporareflektionen.wordpress.com/2015/09/09/es-ist-immer-leichter-die-kritik-zu-kritisieren-deutschland-und-seine-ewigen-neuankommlinge/ (https://diasporareflektionen.wordpress.com/2015/09/09/es-ist-immer-leichter-die-kritik-zu-kritisieren-deutschland-und-seine-ewigen-neuankommlinge/)

Title: [Ein Vierteljahrhundert später... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 04:58:47 PM
Quote[...] Wöchentlich steigende Flüchtlingszahlen; Notquartiere in Turnhallen, Kasernen, Gemeindehäusern; Brandanschläge auf Übergangsheime; zerstörte Willkommensplakate (,,Offene Grenzen – offene Herzen"); Schlägereien in völlig überfüllten Flüchtlingsunterkünften; genervte Anwohner, überforderte Behörden, die von ,,unglaublicher Naivität" der Neuankömmlinge berichten, die über das Leben im Westen völlig falsch informiert seien. Deutschland im Spätsommer 2015? Nein. So wurde im Januar 1990 über die Lage in Westdeutschland nach dem Fall der Mauer geschrieben.

Ein Vierteljahrhundert später ist ganz Deutschland mit einer ähnlichen Lage konfrontiert, nur dass die Ostdeutschen heute auf der ,,anderen" Seite stehen und mit den Asylbewerbern quasi auf ein Spiegelbild ihrer selbst treffen. Umso unverständlicher sind Bilder wie aus Tröglitz, Freital, Heidenau. Fremdenhass gebe es nicht nur in ihren Ländern, beteuern die Ost-Ministerpräsidenten, doch im ,,Septembermärchen" (Katrin Göring-Eckardt) müssen die Ostdeutschen die Rolle der Bösewichte übernehmen. ,,Wir im Westen", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) diesen Bösewichten, seien schließlich mit Migration groß geworden. ,,Wir" hätten Migranten zumeist als Bereicherung wahrgenommen.

Abgesehen davon, dass die Gastarbeiter recht lange warten mussten, bis sie zu diesem westdeutschen ,,Wir" gehören durften, müssen sich auch die Ostdeutschen durch solche Äußerungen wie Fremde im eigenen Land behandelt fühlen. Ihnen wird eine quasi genetische Anfälligkeit für Rechtsextremismus unterstellt. Die Jahre der DDR, so kann man in westdeutschen Zeitungen noch immer lesen, hätten hässliche Spuren in mancher ,,ostdeutschen DNA" hinterlassen. Die Desoxyribonukleinsäure der Täter, die Anschläge auf Asylbewerber im Westen verüben, scheint dagegen kein deutsches Wässerchen zu trüben.

Für Ministerpräsidenten westdeutscher Länder ist der Hinweis auf die Häufigkeit rechtsextremistischer Gewalt im Osten eine willkommene Ablenkung von eigenen Schwierigkeiten. Über die Brandanschläge in dem Bundesland, in dem Minister Lewentz für Sicherheit sorgen soll, hielten sich die Berichte in Grenzen – schließlich passen sie nicht in die politische Vererbungslehre. Welchen Gendefekt sollten denn auch siebzig Jahre Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft bei Menschen hinterlassen, dass sie dazu animieren könnten, Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden?

Zugegeben: Es ist billig, solcherart einander diese Schandtaten vorzurechnen. Hat der Osten ein Problem mit Fremdenhass? Ja, das hat er. Hat der Westen kein Problem damit? Nein, das hat er nicht. Ganz Deutschland hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Oder stammen Hasskommentare im Internet, auch unter den Texten dieser Zeitung, stammen Beleidigungen und Hetze gegenüber Redakteuren, Moderatoren und Politikern, stammen hasserfüllte E-Mails und Anrufe in der SPD-Zentrale nach Sigmar Gabriels Heidenau-Besuch allesamt oder auch nur überwiegend aus dem Osten?

,,Wir sind ein Land. Wir sind 25 Jahre ein Land", antwortete Angela Merkel, als sie auf das Thema angesprochen wurde. Zweifellos äußert sich der Rechtsextremismus im Osten des Landes sichtbarer und unverhohlener, während im Westen, siehe Hamburg oder Stuttgart, schon mal saubere Rechtsanwälte eingeschaltet werden, um Flüchtlingsheime vor der eigenen Haustür zu verhindern. Warum die einen so, die anderen so sind, lässt sich vielleicht mit der DDR und mit der Bundesrepublik erklären. Es sollte aber nicht dazu dienen, den Westen pauschal zu entlasten und Ostdeutschland so pauschal zu verklagen wie sonst nur die Staaten Osteuropas.

Die Schläger von Heidenau waren zum Großteil junge Männer, die nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Heute sitzen diese Männer vielfach ohne Perspektive in Ost-Kleinstädten oder auf dem Land unter ihresgleichen. Wer gut ausgebildet und mobil ist – und das sind die meisten –, zieht fort oder pendelt; vier Millionen Menschen haben die neuen Länder seit 1990 verlassen.

Zurück bleiben die Alten, die manchmal noch ganz jung sind, aber keine Stelle und keine Lebensperspektive mehr finden, die auch nicht von Kirchen, Vereinen, Parteien, wie man das im Westen gewohnt ist, aufgefangen werden. Asylbewerber sind in dieser Welt die Eindringlinge, denen mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit geschenkt wird als den Ostdeutschen, die Angst vor weiterem Abstieg und Wut auf Politiker wecken. Das greift die NPD gerne auf.

Politik und Behörden schauten zudem speziell in Sachsen der Ausbreitung rechtsextremer Strukturen zu lange zu. Konsequente Strafverfolgung fand nicht statt. Erfolg haben die Rechtsextremen auch, nicht obwohl, sondern gerade weil es im Osten kaum Ausländer gibt. Nur so lassen sich Ängste schüren. In Orten, wo seit einer Weile Asylbewerber wohnen, klappt das Zusammenleben in der Regel gut. Nicht alles aber lässt sich systembedingt oder durch politische Geographie erklären. Charakterschwäche und menschliche Abgründe gibt es überall. Sie zeigt sich nur anders.


Aus: "Rechtsextremismus Wer sind die hässlichen Deutschen?" Stefan Locke, Dresden (17.09.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rechtsextremismus/kommentar-zu-rechtsextremismus-nicht-nur-im-osten-13807239.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rechtsextremismus/kommentar-zu-rechtsextremismus-nicht-nur-im-osten-13807239.html)

Title: [Dem Entwurf zufolge... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2015, 05:04:33 PM
Quote[...] Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant Leistungskürzungen und strengere Regeln für Asylbewerber. Das geht aus einem Entwurf des Bundesinnenministeriums für ein Artikelgesetz hervor, das durch Änderungen und Einfügungen in mehreren bestehenden Gesetzen die Flüchtlingspolitik in Deutschland neu gestalten soll.

Dem Entwurf zufolge, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, sollen Flüchtlinge, die über andere EU-Staaten eingereist sind und für deren Asylverfahren daher aufgrund der Dublin-Verordnung der EU eigentlich ein anderer Mitgliedsstaat zuständig ist, künftig keine Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr haben. Sie sollen demnach lediglich eine Reisebeihilfe in Form einer Fahrkarte und Reiseproviant erhalten.

Einschneidende Verschärfungen sieht der Gesetzentwurf auch im Aufenthaltsrecht vor. So sollen Flüchtlinge, die aufgrund selbst verursachter Abschiebehindernisse nicht ausgewiesen werden können, die also keine Pässe haben und keine Angaben über ihre Herkunft machen, Arbeitsverbote erhalten und ebenfalls den Anspruch auf Sozialleistungen verlieren. Staatsangehörigen sogenannter sicherer Drittstaaten soll neben der Aufnahme von Arbeit auch die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen verboten werden.

Die Höchstdauer für den Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen soll darüber hinaus von drei auf auf sechs Monate verlängert werden. Auch die Residenzpflicht soll in diesen Fällen auf sechs Monate verdoppelt werden. Dort sollen Asylbewerber statt Bargeld in der Regel nur noch Sachleistungen erhalten. Die Balkan-Staaten Albanien, Kosovo und Montenegro sollen wie angekündigt zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Abgelehnten Asylbewerbern, deren Abschiebung bevorsteht, sollen außerdem die Geldleistungen gekürzt werden.

Nach einem Bericht des ARD-Magazins ,,Monitor" befindet sich der auf vergangenen Montag datierte Gesetzentwurf derzeit in der Ressortabstimmung. ,,Es handelt sich um ein ganzes Paket von Maßnahmen, die insgesamt eine Entlastung bringen könnten", sagte der Vorsitzende der Konferenz der Unions-Fraktionsvorsitzenden in Bund und Ländern und thüringische CDU-Vorsitzende Mike Mohring gegenüber FAZ.NET. In der Sitzung am Montag war außerdem vorgeschlagen worden, keine Asylfolgeanträge mehr zuzulassen. ,,Der Drehtüreffekt würde dadurch vermindert", sagte Mohring. Bisher können ablehnende Bescheide neu verhandelt werden, wenn sich neue Tatsachen oder Beweise für eine Verfolgung im Herkunftsland ergeben. Die Folgeanträge machen rund zehn Prozent der offenen Asylverfahren aus.

,,Das Asylrecht darf nicht zum Abschieberecht werden", forderte dagegen die Innenpolitikerin der Linkspartei Ulla Jelpke in Berlin. Sie warf de Maizière ,,Ausgrenzung statt Integration" vor. Auch die Organisation Pro Asyl forderte Bund und Länder auf, das Vorhaben des Bundesinnenministers zu stoppen. Pro Asyl wirbt für eine pauschale Aufenthaltserlaubnis für alle ,,Altfälle", also die Asylbewerber, die schon länger als ein Jahr auf ihren Bescheid warten, um den Stau unbearbeiteter Anträge abzubauen. Dies hieße jedoch, die Prinzipien des des Asylgesetzes vorübergehend außer Kraft zu setzen. ,,Ich glaube, von der Politik wird gerade jetzt erwartet, diese Regeln einzuhalten", sagte Mohring dazu gegenüber FAZ.NET.


Aus: "Gesetzentwurf: De Maizière will Leistungen für Flüchtlinge stark kürzen" (17.09.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/gesetzentwurf-de-maiziere-will-leistungen-fuer-fluechtlinge-stark-kuerzen-13808455.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/gesetzentwurf-de-maiziere-will-leistungen-fuer-fluechtlinge-stark-kuerzen-13808455.html)
Title: [Die nach Berlin... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2015, 10:17:07 AM
Quote[...] Die nach Berlin kommenden Flüchtlinge können kaum noch untergebracht werden, die beteiligten Akteure arbeiten nach wie vor nicht so reibungslos zusammen wie gehofft und die Zahl der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter, die dem zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) helfen sollen, reicht bei weiten nicht aus.

An diesem Dienstag soll nun der ehemalige Polizeipräsident Dieter Glietsch aus dem Ruhestand geholt werden, um als neu eingesetzter Staatssekretär im Krisenstab zu Flüchtlingsfragen zu helfen. Dem Vernehmen nach haben sich darauf der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der für die Asylbewerberunterkünfte zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) geeinigt. Glietsch, 68 Jahre, war bis 2011 Polizeipräsident und würde den Krisenstab mit Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) leiten. Ob das die Lage verbessert?

Allein in der Nacht zu Dienstag sollten 250 neue Flüchtlinge von der sogenannten Balkanroute in Bussen aus Bayern nach Berlin kommen. Inzwischen dürften in diesem Jahr 30.000 Flüchtlinge in Berlin gelandet sein. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Tausende unregistriert aus Ungarn über Bayern nach Berlin kamen.

Dazu kommen Asylbewerber der vergangenen Jahre, insgesamt könnten folglich mehr als 57.000 Flüchtlinge mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus in der Stadt leben – in Heimen, Zelten, Wohnungen, Hostels, bei Verwandten.

Ebenfalls an diesem Dienstag könnte ein anderer ranghoher Ex-Polizist reaktiviert werden: In der Turnussitzung des Senats wird womöglich auch verbindlich beschlossen, Klaus Keese zum Tempelhof-Beauftragten zu machen. Keese wollte einst Polizeipräsident werden, er kennt sich mit Großlagen aus und war als Leiter der Polizeidirektion 1 für 2000 Beamte und 600 000 Anwohner zuständig.

Im Ex-Flughafen hätten bis zu 1500 Flüchtlinge Platz. Der Senat arbeitet derzeit eine Liste mit 700 möglichen Wohnobjekten durch. Bei vielen Adressen aber müsste umgebaut werden.

Am Montagabend hatten zudem Vertreter des Lageso und des landeseigenen Berliner Immobilienmanagements (BIM) das SEZ an der Landsberger Allee besucht. Im einstigen Sport- und Erholungszentrum sollen ebenfalls Asylbewerber untergebracht werden. Lageso und BIM sprachen am Montagabend mit dem Eigentümer, ein Mietvertrag soll folgen.

Auch Schulsporthallen sind, wie berichtet, zur Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmt worden. In einer Halle in Weißensee und einer in Prenzlauer Berg findet kein Sport mehr statt. Rund 250 Plätze für Flüchtlinge stehen in diesen Hallen zur Verfügung. Bisher hatte der Regierende Bürgermeister Müller erklärt, das Lageso wolle, wenn möglich, auf Schulturnhallen verzichten. Allerdings hatte er hinzugefügt, diese Linie könne sich ändern.

Was passiert nun mit dem Sportunterricht? Gut möglich, dass weitere Hallen beschlagnahmt werden. ,,Die zuständige Schulaufsicht und der Schulträger, der Bezirk also, werden den Schulen, wenn möglich, Ausweichmöglichkeiten anbieten", sagte eine Sprecherin der Bildungssenatorin. ,,Das heißt Verdichtung der Sporthallenkapazitäten, was aber in Anbetracht der humanitären Lage alternativlos ist." Diverse Bezirke reagieren empfindlich. Katrin Schultze-Berndt (CDU) etwa, Schul-Stadträtin von Reinickendorf, erklärt: ,,Wir als Bezirk haben dem Land eine Schulturnhalle als möglichen Standort für Flüchtlinge angegeben, aber zugleich klar mitgeteilt, dass es aus unserer Sicht sehr ungünstig wäre, wenn die Halle nicht mehr zur Verfügung stünde."

Schultze-Berndt hat Sorgen, dass die Stimmung kippen könnte, wenn Unterricht wegen der Flüchtlinge ausfällen müsste. Jutta Kaddatz (CDU), Schul-Stadträtin von Tempelhof-Schöneberg, sagt: ,,Da der Bezirk eine dramatische Unterdeckung von gedeckten Sportflächen aufweist, kann keine Schule und kein Sportverein auf die Hallen verzichten." Zur Verfügung stünden derzeit ohnehin nur zwei Hallen. Und die auch nur, weil dort wegen Bodenschäden kein Sport stattfinden kann. Marzahn-Hellersdorf hat vier Objekte als potenzielle Unterkünfte genannt, allerdings keine Sporthalle. ,,Wir möchten die Unterbringung in Sporthallen möglichst lange vermeiden", sagt Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD).

Als Unterkunft für Flüchtlinge ist zudem noch ,,Riehmers Hofgarten" im Gespräch, ein Kreuzberger Areal mit 20 Wohnhäusern und 200 Wohnungen. Viele stehen seit Jahren leer. Wie viele, konnte Bezirkssprecher Sascha Langenbach nicht sagen. ,,Wir führen da keine Statistik." Die Rede ist von einem Drittel. Auch wer derzeit Eigentümer des Areals sei, konnte Langenbach nicht sagen. Dazu müsse er ins Grundbuch schauen. Dort war im Juli 2013, letzte verlässliche Information, ein Investor aufgeführt. Eigentümer sollen aber laut Langenbach ,,mehrere Investoren" sein.

Die Bezirksverordnetenversammlung in Kreuzberg will am Mittwoch über einen Antrag der Grünen abstimmen. Sie verlangen, dass leere Wohnungen beschlagnahmt werden. Juristische Basis ist das Gesetz zur Abwendung von Gefahren. ,,Erst muss geprüft werden, ob der Bezirk wirklich alles Mögliche getan hat, um bezirkseigene Unterkünfte zur Gefahrenabwehr bereitzustellen", sagt Langenbach. ,,Dazu gehören Büroräume und Turnhallen." Erst dann ,,kann man das scharfe Schwert Beschlagnahme prüfen. Da ist es aber noch nicht angefasst." Und selbst wenn die Wohnungen beschlagnahmt würden, erhielten die Eigentümer eine Entschädigung als Miete.



Aus: "Flüchtlingspolitik: Wie Berlin die Krise in den Griff bekommen will" Frank Bachner und Hannes Heine (22.09.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/fluechtlingspolitik-wie-berlin-die-krise-in-den-griff-bekommen-will/12350458.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/fluechtlingspolitik-wie-berlin-die-krise-in-den-griff-bekommen-will/12350458.html)

Title: [Die Hauptkritik richtet sich an die... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 29, 2015, 12:23:26 PM
Quote[...] Die arabische Sicht auf die europäische Flüchtlingskrise: Lächerliches Gezerre

Auf Unverständnis stoßen [ ] Argumente, dass "das europäische Boot voll" sei – tragen doch die Nachbarländer Syriens mit derzeit vier Millionen registrierten Flüchtlinge in dieser Krise eine Bürde, die jenseits der europäischen Vorstellungskraft liegt.

Im kleinen Libanon ist derzeit mindestens jeder vierte Bewohner ein syrischer Flüchtling. Das wären auf Deutschland umgerechnet 20 Millionen, in Österreich zwei Millionen Flüchtlinge. In der Türkei leben zwei Millionen Syrer. Und auch das kleine Jordanien hat rund 630.000 aufgenommen. Vor diesem Hintergrund nimmt sich die europäische Flüchtlingskrise für diese Staaten als Mini-Krise aus. ...

... Von der Region des Nahen Ostens aus betrachtet, ist das europäische Flüchtlingsproblem als relativ zu erachten. Und trotzdem führen die Bilder von der Hilfsbereitschaft in Deutschland und Österreich auch dazu, dass man sich kritisch dem Eigenen zuwendet.

Seit einer Woche kursiert auf arabischen Facebook-Seiten eine Fotomontage: ein an einen Strand geschwemmtes syrisches Flüchtlingskind liegt auf dem Konferenztisch der Arabischen Liga, meist mit dem Kommentar versehen: ,,Und was macht Ihr?!"

Die Hauptkritik richtet sich an die ölreichen Golfstaaten, die das Syrienproblem zwar mitverursacht haben, aber sich aus der Flüchtlingskrise nun fein raushalten und die überforderten Nachbarstaaten Syriens nicht unterstützen. Auch kursiert in den sozialen Medien im arabischen Raum ein angebliches Merkel-Zitat: "Morgen werden wir unseren Kindern erzählen, dass die syrischen Flüchtlinge zu uns gekommen sind – obwohl Mekka, das Herz des Islams, doch viel näher liegt."

Merkel hat das zwar nie gesagt, doch die neuen sozialen Medien reflektieren auch in der arabischen Welt nicht nur die Wirklichkeit, sondern sie schaffen sie auch selbst. So wurde dort jüngst auch eine Diskussion losgetreten worden, warum die Golfstaaten zwar Höhenrekorde beim Bau von glitzernden Wolkenkratzern vollbringen, jedoch nicht dazu in der Lage sind, Lager für Flüchtlinge aufzubauen.

Es bedurfte für die arabische Öffentlichkeit nicht nur der Berichte von Syriens überforderten Nachbarstaaten, sondern der Bilder von vielen helfenden Händen Europas, um die Golfstaaten jetzt mit einer "Schämt-Euch-Kampagne" zu überziehen. Noch nie standen die Golfstaaten dermaßen in der innerarabischen Kritik wie jetzt.

Und das Fazit der Außenansicht auf die europäische Flüchtlingskrise? In der EU muss man sich bewusst sein, dass man dort trotz voller Bahnhöfe und Toter am Rande einer Autobahn nur einen relativ kleinen Teil des Flüchtlingsproblems schultert. Und ja, vor allem die arabischen Golfstaaten, könnten mehr tun, um die Nachbarländer Syriens zu entlasten. Dabei geht es keinesfalls um ein "Entweder Europa oder die Golfstaaten": Diese Flüchtlingskrise ist zu groß, als dass irgendjemand sich herausnehmen könnte, nicht mit anzupacken.

Karim El-Gawhary


Aus: "Die arabische Sicht auf die europäische Flüchtlingskrise: Lächerliches Gezerre" (18.09.2015)
Quelle: https://de.qantara.de/inhalt/die-arabische-sicht-auf-die-europaeische-fluechtlingskrise-laecherliches-gezerre (https://de.qantara.de/inhalt/die-arabische-sicht-auf-die-europaeische-fluechtlingskrise-laecherliches-gezerre)

Title: [In einem der Schreiben wird... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 30, 2015, 09:30:13 AM
Quote[...]  Der hessische Landrat Erich Pipa von der SPD sieht sich wegen seines Engagements für Flüchtlinge Morddrohungen von Rechtsextremisten ausgesetzt. Sie gehen von der «Initiative Heimatschutz Kinzigtal» aus, wie der Verwaltungschef des Main-Kinzig-Kreises bei einer Pressekonferenz sagte, in der er am Freitag in Gelnhausen den Vorgang öffentlich machte.

In einem der Schreiben wird Pipa gedroht, dass ihn jemand aus dem Weg räumen könnte. Darin wird mit diesem Sonntag (13. September) auch gleich ein Tag genannt, an dem die Gelegenheit günstig sei. An dem Tag ist die Teilnahme des Landrates an der Freizeit- und Breitensportveranstaltung «Kinzig total» geplant. Dabei werden alljährlich Straßen für den normalen Verkehr gesperrt und für den Ausflugsverkehr mit dem Fahrrad freigegeben.

Pipa erhielt bislang ein Schreiben im Juli und eins datiert auf den 8. September. Darin wird er als «Kanaken-Landrat» und «stinkende Ratte» beschimpft. Mit einer Tötung drohen die Absender zwar nicht wörtlich. Das Landratsamt wertete die Texte aber als Morddrohung. (dpa/lhe)


Aus: "Todesdrohung gegen Landrat wegen Hilfe für Flüchtlinge" Gelnhausen (11.09.2015)
Quelle: http://www.fr-online.de/rhein-main/todesdrohung-gegen-landrat-wegen-hilfe-fuer-fluechtlinge,1472796,31784752,view,asTicker.html (http://www.fr-online.de/rhein-main/todesdrohung-gegen-landrat-wegen-hilfe-fuer-fluechtlinge,1472796,31784752,view,asTicker.html)

Title: [Laut der Internationalen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 05, 2015, 04:33:10 PM
Quote[...] An Stränden der griechischen Ferieninsel Kos entdeckte die Küstenwache innerhalb von 48 Stunden die Leichen zweier Kleinkinder sowie einer Frau und eines Mannes - vermutlich alles Flüchtlinge. Zwei von ihnen hätten Schwimmwesten getragen, alle Leichname seien stark verwest, teilte die griechische Küstenwache am Montag mit.

Zuvor waren bereits an der libyschen Küste die Leichen von mindestens 95 Migranten angespült worden. Laut einem Sprecher des libyschen Roten Halbmonds wurden 85 Leichen in der Nähe der libyschen Hauptstadt Tripolis gefunden, weitere zehn in der Nähe von Sabrata. Die Stadt ist einer der Hauptausgangspunkte für Schmugglerboote nach Europa.

Laut der Internationalen Organisation für Migration sind im laufenden Jahr bereits mehr als 2600 Menschen bei der Flucht von Libyen aus über das Mittelmeer ums Leben gekommen.


Aus: "Flüchtlinge: Dutzende Leichen an Mittelmeerstränden angeschwemmt" (05.10.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-dutzende-leichen-an-mittelmeerstraenden-angeschwemmt-a-1056203.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-dutzende-leichen-an-mittelmeerstraenden-angeschwemmt-a-1056203.html)

Title: [In zwei... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 07, 2015, 09:50:23 AM
Quote[...]  In zwei Flüchtlingsunterkünften ist es zu Massenschlägereien gekommen. In einem Erstaufnahmelager in Hamburg kam es laut Polizei zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Albanern und Afghanen. Etwa 60 Flüchtlinge seien in dem Lager im Stadtteil Wilhelmsburg aufeinander losgegangen. Einige seien mit Eisenstangen bewaffnet gewesen, zudem hätten Zeugen ausgesagt, dass ein Flüchtling auch eine Schusswaffe gehabt habe, sagte ein Polizeisprecher.

In den oft überfüllten Flüchtlingslagern ist es in Deutschland schon wiederholt zu Gewaltausbrüchen gekommen, so im hessischen Calden oder auf dem Leipziger Messegelände.

Fünf Flüchtlinge seien bei der Schlägerei am Dienstagabend verletzt worden, einer habe einen Stich in den Arm bekommen und sei ins Krankenhaus gebracht worden. Ob es sich um einen Messerstich handelte, war zunächst unklar. Die Polizei sei mit einem Großaufgebot vor Ort gewesen, um die streitenden Afghanen und Albaner zu trennen, sagte der Sprecher. Drei Männer wurden in Gewahrsam genommen. Schusswaffen oder Messer seien zunächst nicht gefunden worden.

Nachdem es der Polizei gelungen war, die Schlägerei zu beenden, habe kurz darauf noch ein Zelt gebrannt, sagte der Sprecher. Zwei Personen seien dabei durch Rauch verletzt worden. Ob es einen Zusammenhang mit der Schlägerei zuvor gab, war zunächst unklar. Es habe dort nach Drogen gerochen, sagte der Polizeisprecher. Vorausgegangen war offenbar ein erster Streit am Nachmittag, wie der Polizeisprecher sagte. Die Polizei sei auch da bereits eingeschritten. Am Abend sei der Streit dann wieder aufgeflammt. Worum es genau ging, war laut Polizei zunächst unklar. Am späteren Abend habe sich die Lage dann beruhigt, Polizei sei jedoch weiter vor Ort.

In der Landesaufnahmebehörde des Landes Niedersachsen in Braunschweig ist es ebenfalls zu einer Auseinandersetzung gekommen. Etwa 300 bis 400 Flüchtlinge zweier Nationalitäten waren nach Polizeiangaben beteiligt. Der Streit brach demnach zwischen Algeriern und Syrern wegen gestohlener Gegenstände aus. Verletzte gab es keine. Nach anderthalb Stunden konnte die Polizei mit rund 60 Beamten die Situation beruhigen. Ein Mann wurde festgenommen, der am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden soll.



Aus: "Flüchtlinge: Massenschlägereien in Erstaufnahmelager" (6. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-hamburg-massenschlaegerei (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-hamburg-massenschlaegerei)

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-hamburg-massenschlaegerei#comments (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-hamburg-massenschlaegerei#comments)
Title: [Das erste Zitat stammt übrigens von... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 07, 2015, 01:32:54 PM
Quote[...] Nach Ansicht von Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo-Instituts, ist die Flüchtlingskrise nur durch radikale Sozialreformen in Deutschland zu bewältigen. "Wir sollten den Flüchtlingsstrom zum Anlass für eine neue Agenda 2010 nehmen", sagte Sinn der ZEIT. Konkret fordert er, den Mindestlohn abzuschaffen, weil nur so genug Jobs für Flüchtlinge entstünden, die zu einem großen Teil nur über eine niedrige Qualifikation verfügten. ...

Quoteältere leseratte
#6  —  vor 5 Minuten 2

Wie wäre es, einmal über ganz anderes nachzudenken?
Über die Begrenzung von 'Höchstlöhnen', vor allem bei vergleichsweise leistungslosem Einkommen? ...


...


Aus: "Flüchtlingskrise: Sinn will Mindestlohn abschaffen" (7. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-10/fluechtlingskrise-hans-werner-sinn-mindestlohn-sozialreform (http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-10/fluechtlingskrise-hans-werner-sinn-mindestlohn-sozialreform)

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Quote[...] Am Montag übernahm es CDU-Generalsekretär Peter Tauber, die abwesende Kanzlerin zu verteidigen. ,,Unser Kurs ist klar: Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, EU-Außengrenzen sichern und diejenigen zügig abschieben, die keinen Anspruch auf Asyl haben", sagte Tauber der taz. Das mache die CDU, damit sie denen helfen könne, die wirklich Schutz bräuchten. Er fügte hinzu: ,,Ich bin überzeugt, dass dieser Kurs auch von CSU und SPD mitgetragen wird."

Taubers Satz darf man getrost als Ordnungsruf in Merkels Auftrag interpretieren. Während CSU-Chef Horst Seehofer schon länger fordert, die Zuwanderung hart zu begrenzen, äußerten am Wochenende erstmals führende Sozialdemokraten Zweifel. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, man nähere sich rasant ,,den Grenzen unserer Möglichkeiten", andere Spitzengenossen assistierten. Merkel steht also plötzlich ganz links in der Regierung. Und sie steckt in der Klemme.

Denn die Situation wird sich zuspitzen, davon muss man im Moment ausgehen: Die Zuwandererzahlen werden hoch bleiben, auch wenn die 1,5 Millionen Menschen, die die Bild-Zeitung unter Berufung auf ominöse Geheimakten für das Jahr 2015 vorhersagte, wohl zu hoch gegriffen sind. Die CSU wird ihre Rhetorik radikalisieren, wissend, dass die Skepsis längst auch in Merkels CDU regiert. Und die Sozialdemokraten sind offenbar fest entschlossen, Ängste in der Bevölkerung ebenfalls aufzugreifen.

Allerdings ist Merkel in dieser Gemengelage nicht allein. Hinter ihr stehen zwei wichtige Verbündete, und damit sind nicht Getreue wie Fraktionschef Volker Kauder, Kanzleramtschef Peter Altmaier oder Generalsekretär Tauber gemeint. Nein, der erste Verbündete ist das Grundgesetz. Die Kanzlerin bezieht sich in ihren Interviews auf Artikel 16a der Verfassung, in dem festgeschrieben ist, dass politisch Verfolgte Asyl genießen. Jenes Grundrecht wurde unter Helmut Kohl 1993 eingeschränkt, wer aus einem EU-Land oder einem sicheren Drittstaat einreist, kann sich seitdem nicht mehr darauf berufen. Merkels Union will jetzt gemeinsam mit der SPD und den Grünen das Asylrecht weiter verschärfen.

Merkels Haltung wirkt angesichts des dumpfen CSU-Populismus progressiv, sie ist es aber nicht wirklich. Die Kanzlerin hält nur den Mindeststandard hoch, den der Staat Verfolgten sowieso gewähren muss. Bei Armutsflüchtlingen aus dem Westbalkan oder von anderswoher kennt sie kein Pardon. Bisher hat kein Spitzenpolitiker vorgeschlagen, dieses Grundrecht auf Asyl ernsthaft anzutasten – wenn man vom CSU-Dampfplauderer Markus Söder mal absieht. Denn die rechtlichen und politischen Hürden wären enorm. Spitzenleute von CSU und SPD setzen sich also rhetorisch von Merkel ab, aber der Dissens ist kleiner, als es scheint.

Merkels zweite Verbündete ist sie selbst, oder präziser: ihre Alternativlosigkeit. Viel spricht dafür, dass sie 2017 wieder als CDU-Spitzenkandidatin antreten wird. Ebenso viel spricht dafür, dass sie erneut Kanzlerin wird, zumindest ist kein aussichtsreicher SPD-Gegner in Sicht. Das ist allen in der Union klar, auch dem CSU-Chef. Die Machtlogik aber schlägt in der Union traditionell inhaltliche Bedenken. Merkel ist also durch das Flüchtlingsthema nicht so geschwächt, wie es scheint.


Aus: "Merkels Flüchtlingspolitik: Um die Kanzlerin wird es einsam" Ulrich Schulte (05.10.2015)
Quelle: https://www.taz.de/Merkels-Fluechtlingspolitik/!5237417/ (https://www.taz.de/Merkels-Fluechtlingspolitik/!5237417/)

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Quote[...] ,,Würdelos" nennt ein Flüchtling die Stadt, in der er untergekommen ist: Sie sei ein ,,Schauhaus des Easygoing". Und ein anderer schreibt: ,,Wo ich bin, ist Afghanistan. Ich trage meine afghanische Kultur in mir." Man darf sich nichts vormachen: Solche Äußerungen sprechen nicht für den Willen zur Integration, sondern deuten auf künftige Probleme hin, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen einhergehen.

Das erste Zitat stammt übrigens von Bertolt Brecht, dem es in seinem Exil in Hollywood in Kalifornien nicht gefiel, das zweite ist leicht abgewandelt und vom Schriftsteller Thomas Mann. Der hatte seine Heimatliebe selbstverständlich nicht mit einem Bekenntnis zu dem weit entfernten und ihm unbekannten Afghanistan, sondern zu Deutschland ausgedrückt.

Niemand hat daraus seinerzeit den Schluss gezogen, er habe das Recht auf Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime verwirkt. Und das, obwohl er sich Taxifahrten leisten konnte und – so weit bekannt – sogar eigenmächtig über seinen Speiseplan entschied. Der konnte sich was rausnehmen! Und es gibt die USA trotzdem immer noch.

Genug des Sarkasmus. Es ist verführerisch, sich über die platten, populistischen Argumente von Unionspolitikern lustig zu machen, mit denen derzeit Stimmung gegen Flüchtlinge – und somit auch gegen die allzu lange unangreifbar scheinende Parteifeindin Angela Merkel – gemacht wird. Verführerisch ja, aber es führt nicht recht weiter.

Denn nichts von alledem, was in diesen Tagen geschieht und was gesagt wird, ist überraschend. Es war abzusehen, dass die Tage der Kuscheltiere zu Ende gehen würden, es war abzusehen, dass es bald die ersten Probleme geben würde. Ist irgend jemand wirklich überrascht, wenn Schlägereien unter frustrierten jungen Männern ausbrechen, die auf engstem Raum zusammengepfercht sind? Nein, niemand ist davon überrascht. ...

Bei der Flüchtlingsdebatte geht es längst nicht mehr um die Flüchtlinge. Es geht, unter anderem, um Diadochenkämpfe innerhalb der Union: Wer bringt sich für die Nachfolge der Kanzlerin am besten in Stellung? Und es geht um eine verzweifelte SPD, die – wieder einmal – nicht weiß, wie sie ihre politischen Grundsätze möglichst geschmeidig an die jeweilige Stimmung anpassen kann und darf. Und es geht, wie immer, auch um Medien.

Die Medien können dieselbe Geschichte stets nur über einen begrenzt langen Zeitraum hinweg erzählen. Dann muss etwas Neues kommen. Wenn dann lange genug Freude verbreitet wurde, dann muss irgendwann Schrecken verbreitet werden. So ist halt das Geschäft. ...

QuoteVelofisch
Montag, 17:59

Die Flüchtlinge hier werden nicht nur mit dem gerade nötigsten versorgt, quälen sich durch Ämter, die völlig überfordert von der Anzahl der Menschen sind, werden schikaniert durch Maßnahmen, die eingeführt wurden um Flüchtlinge abzuschrecken.
Nein, selbst wenn hier alles optimal ablaufen würde, sind die Flüchtlinge einer anderen Kultur, einer anderen Sprache und einem anderen Klima ausgesetzt. Das sind Menschen, denen meistens "Heimat" und "Familie" mehr bedeutet als den meisten Deutschen und die neben der Traumatisierung durch Krieg und Verfolgung zusätzlich durch das Exil - dem Verlust ihrer Heimat - entwurzelt sind.
Ein Flüchtling, der gerettet wird, ist sicher dankbar. Ein Flüchtling, der jedoch monate- oder gar jahrelang in überfüllten Massenunterkünften leben muss, entwickelt andere Gefühle.


QuoteUrmel
Montag, 10:28

Zum letzten Absatz Ihres Artikels möchte ich jedoch anmerken, dass diese Haltung der Bevölkerung nicht durch eklante Fehler der deutschen Regierung unterminiert werden sollte. Und da hat Frau Merkel vor vier Wochen ein besonders erschreckendes Beispiel abgeliefert:

Unter Mißachtung der derzeit geltenden europäischen und deutschen Rechtslage und zudem offensichtlich ohne jegliche Abstimmung mit den Regierungen der anderen EU-Staaten hat sie bei Flüchtlingen aus aller Welt die Botschaft vermittelt, dass Deutschland eine Aufnahme zahlenmäßig unbegrenzt zusagen könne. Später hat sie diese Aussage zwar minimal revidiert, aber "der Geist war aus der Flasche".

Das besonders Verwerfenswerte an dieser Vorgenhensweise habe ich in den letzten Wochen in mehreren Debatten in Frankreich demonstriert bekommen: Heftig kritisiert wurde dort nicht Merkels Entscheidung an sich, sondern der Fakt, dass sie diese ohne die Konsultation anderer Regierungen getroffen. Angesichts dieser Ausgangslage wurde die nun von der deutschen Regierung von anderen Staaten eingeforderte Solidarität schlichtweg als "Dreisigkeit" tituliert.

So bekam ich zum Beispiel zu hören, dass es im Deutschen ja den schönen Satz gäbe: "Wer bestellt, bezahlt". "Bestellt" hat eindeutig nur Frau Merkel. Falls sie jemals Wert auf die Solidarität aller Europäer Wert gelegt haben sollte: Damit hat sie diesem Unterfangen einen wahren Bärendienst erwiesen.


Quotemecker-rv
Montag, 12:57

Die deutsche Bundesregierung war unsolidarisch, als sie Dublin durchgesetzt hat - um zu verhindern, dass Flüchtlinge über die "Grenzstaaten" am Mittelmeer hinaus gelangen kann. Sinn des Dublin-Abkommens war einzig und allein, Deutschland und einige weitere "EU-Binnenstaaten" davor zu schützen, Solidarität zu üben und die "Frontstaaten" durch Übernahme einiger Flüchtlingskontingente zu entlasten.
Da Dublin aber in erster Linie deutschen Interessen diente, spricht nichts dagegen, wenn Deutschland es auch wieder aufkündigt. Etwas Vorwarnzeit wäre natürlich hübsch gewesen, aber angesichts des Chaos in der deutschen Flüchtlingspolitik zwischen teurer Abschreckung, abgebauten Kapazitäten und hilfsbereiter Bevölkerung kaum realistisch...


...


Aus: "Kommentar Asyldebatte: Flüchtlinge in der Nebenrolle" Bettina Gaus (05.10.2015)
Quelle: https://www.taz.de/Kommentar-Asyldebatte/!5234992/ (https://www.taz.de/Kommentar-Asyldebatte/!5234992/)
Title: [Das Gesetzespaket sieht an vielen Stellen eine... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 16, 2015, 12:01:01 PM
Quote[...] Von Flüchtlingsorganisationen wurden die Vereinbarungen zur Verschärfung des Asylrechts, die Bund und Länder in der letzten Woche auf einem gemeinsamen Gipfel beschlossen, scharf kritisiert – dem Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) gehen sie offenbar nicht weit genug: Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Justizverwaltung schon im Vorfeld dieses Gipfels einen eigenen, 20-seitigen Maßnahmenkatalog erarbeitet, dessen Vorschläge zum Teil weit über das hinausgehen, was auf dem Gipfel verabredet wurde. Der Katalog, der der taz in Auszügen vorliegt, war Teil einer Stellungnahme, die die Senatskanzlei im Vorfeld der Länderkonferenz von den Verwaltungen eingefordert hatte.

Dieser ,,Maßnahmenkatalog für vereinfachtes Asylverfahrensrecht" soll laut Justizverwaltung ,,praktische Probleme lösen sowie deutlich machen, dass Deutschland bedrohte Flüchtlinge nicht nur aufnimmt, sondern gut behandelt und gleichzeitig Menschen ohne berechtigte Asyl-Gründe schnell, aber fair zurückweist". Vorgeschlagen wird unter anderem, das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten auf alle Abschiebehinderungsgründe auszuweiten, also etwa pauschal festzulegen, ob in einem bestimmten Staat eine ausreichende gesundheitliche Versorgung gewährleistet ist. Einzelfallentscheidungen darüber, ob einem Asylbewerber mit gesundheitlichen Problemen die Abschiebung in sein Heimatland zuzumuten ist, gäbe es dann nicht mehr.

Die Senatsverwaltung schlägt außerdem vor, dass Rechtsstreitigkeiten über Asylfragen von der Abschiebung bis zum Asylbewerberleistungsgesetz künftig immer vor den Verwaltungsgerichten geklärt werden sollen statt wie bisher von verschiedenen Gerichten.

Besonders brisant ist der Vorschlag, dass abgelehnte Asylbewerber, die ,,vollziehbar ausreisepflichtig" sind, keinerlei Leistungen mehr erhalten sollen – der Bund-Länder-Gipfel hatte hier eine Kürzung beschlossen. ,,Vorsichtshalber könnte man das mit einer Grundgesetz-Ergänzung absichern", steht als Vermerk zu diesem Vorschlag in dem Maßnahmenkatalog. Abschließend fordert die Verwaltung die ,,zentrale Unterbringung von Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten, am sinnvollsten in großen Bundeswehrstandorten".

Was genau nun nach dem Gipfel mit den Vorschlägen passiert, ist laut Senatssprecherin Daniela Augenstein bisher noch nicht klar. ,,Grundsätzlich geht die Diskussion natürlich auch nach der Ministerpräsidentenkonferenz weiter", sagte sie am Montag. Gleichwohl müssten aber alle Vorschläge mit allen Senatsverwaltungen abgestimmt werden – insbesondere die Einschätzung der für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständige Senatsverwaltung für Soziales sei hier wichtig. Für eine kurzfristige Stellungnahme war diese am Montag jedoch nicht zu erreichen.


Aus: "Flüchtlingspolitik: Heilmann gibt den Harten" Malene Gürgen (28.09.2015)
Quelle: http://www.taz.de/!5233206/ (http://www.taz.de/!5233206/)

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Quote[...]  Das Gesetzespaket sieht an vielen Stellen eine Verschärfung des Asylrechts vor. Albanien, das Kosovo und Montenegro sollen als weitere "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden, um Asylbewerber von dort schneller abzuweisen. Für bestimmte Flüchtlingsgruppen sind deutliche Verschärfungen vorgesehen, für andere dagegen bessere Integrationsangebote. Die Kanzlerin betonte, so wichtig die geplanten Änderungen auch seien, zur Lösung der Flüchtlingskrise reichten die Schritte nicht aus. "Dafür braucht es mehr." Weitere Gesetzesänderungen müssten folgen.

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warf der Bundesregierung "eklatantes Staatsversagen" in der Flüchtlingskrise vor. Nicht erst seit der hohen Zahl von Flüchtlingen fehle es an Wohnraum und an Lehrern in Deutschland, sagte Wagenknecht. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief die Union auf, die Flüchtlingskrise beherzter anzugehen. Es wundere sie, dass die Union ausgerechnet jetzt "in eine Identitätskrise gerät". SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lehnte die von der Union geforderten Transitzonen für Asylbewerber direkt an den Landesgrenzen ab. "Wir wollen auch bessere Kontrollen an der Grenze", sagte Oppermann. "Aber Grenzhaftlager für Tausende von Flüchtlingen, das wird mit uns nicht zu machen sein."

Im bayerischen Landtag hatte CSU-Chef Horst Seehofer zur gleichen Zeit eine Regierungserklärung zum Thema abgegeben. Der bayerische Ministerpräsident mahnte, die derzeitige Krise sei nur mit einer Begrenzung der Zuwanderung zu meistern. "Sonst werden wir hier in Europa grandios scheitern", sagte Seehofer. Wenn die Politik keine Grenze setze, "dann werden uns die Bürger die Grenzen setzen, mit dem Entzug ihres Vertrauens", mahnte Seehofer.

Landräte in Bayern fragten sich, ob es noch Sinn mache, sich in diesem System zu beteiligen, sagte Seehofer. "Sie können sehr genau vorrechnen, wie viele Turnhallen sie noch haben." Die Kapazitäten seien endlich – und bereits im Laufe dieses Jahres erschöpft.

Die Alarmsignale der Kommunalpolitiker müssten in Berlin endlich gehört werden, sagte Seehofer. In der derzeitigen Flüchtlingskrise gelte "kein Vertrag, kein Gesetz". Dennoch: Die Kommunen würden weitermachen, zum Wohle der Menschen und deren Gesundheit.

Von Merkel verlangte er ein klares Stopp-Signal und eine Rückkehr zu den Dublin-Regeln. Flüchtlinge, die aus einem anderen EU-Land einreisen, dürften demnach eigentlich an den Grenzen abgewiesen und wieder dorthin zurückgeschickt werden. Das wird derzeit nicht gemacht. Die Dublin-Regelung sei notwendig und sinnvoll, sagte Seehofer und forderte, zur Ordnung zurückzukehren.


Aus: "Flüchtlinge: Bundestag verschärft Asylrecht" (15. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/angela-merkel-fluechtlinge-horst-seehofer-regierungserklaerung (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/angela-merkel-fluechtlinge-horst-seehofer-regierungserklaerung)

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/angela-merkel-fluechtlinge-horst-seehofer-regierungserklaerung#comments (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/angela-merkel-fluechtlinge-horst-seehofer-regierungserklaerung#comments)

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Quote[...]  Warum stimmen Grüne den Asylverschärfungen zu? Schleswig-Holsteins Vizeregierungschef spricht über veraltete Parteibeschlüsse und humanen Pragmatismus. Interview: Lisa Caspari

ZEIT ONLINE: Herr Habeck, hat die Flüchtlingskrise die Grünen verändert?

Robert Habeck: Sie hat alle Parteien verändert. Auch uns. Die Realität zwingt alle handelnden Parteien permanent, ihre Beschlüsse zu überprüfen. Ich habe früher oft genug gefordert, keine Flüchtlinge in Zelten unterzubringen. Die schiere Not zwingt uns längst dazu. Wir haben immer gesagt, dass wir Flüchtlinge dezentral unterbringen wollen, nicht in großen Sammelunterkünften. Auch das ist längst von der Wirklichkeit überholt, weil wir in kürzester Zeit Wohnraum für viele Tausend Menschen schaffen müssen. Wir erleben also eine Situation, in der Realität und Grundüberzeugungen mitunter heftig aufeinanderprallen, erst recht, wenn man in Regierungsverantwortung steht und sich nicht rauswinden kann. Im Privaten erlebe ich ebenfalls, wie kulturelle Barrieren auch die eigene Toleranz auf die Probe stellen ...

ZEIT ONLINE: Welche kulturellen Barrieren stellen Sie fest?

Habeck: Ein Beispiel: Ich habe eine syrische Frau kennengelernt, die schwere Schnittverletzungen am Bein hatte, weil sie mit ihrem Baby auf dem Arm in den ungarischen Stacheldrahtzaun gefallen war. Es war Freitagnacht, und ich wollte einen befreundeten Arzt anrufen. Aber sie wollte und durfte sich nicht von einem Mann untersuchen lassen. Ich fand das falsch, ja, ich habe gemerkt, dass ich irgendwie gekränkt war, dass meine Hilfsbereitschaft zurückgewiesen wurde. Solche Barrieren meine ich. Sie macht es so, wie sie es richtig findet, und wir so, wie wir es richtig finden. Und das klappt nicht auf Anhieb. Es gibt einen Freiraum, der nicht von Gesetzen geregelt ist, sondern von Menschen.

ZEIT ONLINE: Bundespräsident Joachim Gauck formuliert es so: "Es soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte." Wer muss denn auf wen zugehen?

Habeck: Weder ist Multi-Kulti eine sich selbst erfüllende Prophezeiung noch ist Deutschland ein idyllischer Ponyhof. Alle, auch die Flüchtlinge, müssen lernen, mit Enttäuschungen klarzukommen. Der Satz des Bundespräsidenten ist irgendwie richtig, sagt aber im Grunde nichts aus. Jeden Tag, jede Stunde geht es um ganz praktische Probleme. Wie schaffen wir Wohnraum? Wer darf Deutschkurse geben? Alle oder nur Fremdsprachenlehrer? Und wenn Sport so gut für die Integration ist, wie kriegen wir die Turnhallen wieder frei? In meinem Heimatort Flensburg, wo jeden Tag 1.000 Flüchtlinge nach Schweden durchreisen, lautet die Frage: Wer macht die Toiletten am Bahnhof sauber?

ZEIT ONLINE:  Und wer macht es?

Habeck: Erst haben es die Freiwilligen gemacht, dann wurde mit der Bahn gesprochen und nach langem Hin und Her hat es die Stadt übernommen. Das ist geradezu paradigmatisch. Nicht nur die Grünen sehen sich in ihren Grundüberzeugungen herausgefordert. Die Polizei, Zugbegleiter, die Helfer des Roten Kreuzes ... Kaum einer macht mehr Dienst nach Vorschrift. Das ist einerseits großartig, andererseits führt es uns alle eben immer wieder ans Limit.

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ejosch
#16  —  vor 3 Stunden
7

Ich hab die Aussage von Frau Roth noch im Ohr: "Nicht alle Flüchtlinge sind verwertbar" und "Wir brauchen die Flüchtlinge, damit wir UNSEREN Lebensstandard halten können."

Wenn ich es mal zynisch formulieren darf:
Früher sind die Sklavenhändler wenigstens noch nach Afrika gefahren und haben die Menschen abgeholt und in die Sklaverei verschleppt. Die Länder blieben heil und die, die nicht gefangen wurden konnten weiter leben.
Heute werden die Länder zuerst bombardiert, alles wird zerstört, Chaos angerichtet. Dann wird den Ländern Hilfe verwehrt, die die Flüchtlinge als erstes Aufnehmen (von Pakistan bis Italien). Die Menschen werden gezwungen weiter zu ziehen, auf Wegen, die oft zur Todesfälle werden.
Und zu guter Letzt müssen sie unsere Probleme lösen und dabei frieren und hungern.

Nach den, von Grünen mit beschlossenen Kriegseinsetzen, sind sie für mich unwählbar geworden und jetzt ekele ich mich vor dieser Partei.


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Srinivasa Aiyangar
#17  —  vor 3 Stunden
9

Zu meiner Zeit nannte man das, was die Grünen gerade erleben, "Die normative Kraft des Faktischen".


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Gucken und Staunen
#29  —  vor 2 Stunden
2

"Die Flüchtlingskrise hat die Grünen verändert"

Nicht erst seit der Flüchtlingskrise ist diese Partei "verändert". Ich bezeichne es eher als verwirrt.
Schon das Kriegsgeflüster in der Ukrainekrise hat mich als ehemaligen Wähler dieser Partei abgeschreckt. Wenn man dann noch schaut, wer von den Damen und Herren in der Atlantikbrücke sitzen, verliert man gänzlich die Lust an "grünen" Ideen. ...


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Coolgarden
#39  —  vor 1 Stunde

Grundrechte, Kriege und jetzt auch Flüchtlinge. Wenn es Ernst wird, ist immer immer Verlass auf die Grüne Prinzipienteue.


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Aus: "Robert Habeck: "Die Flüchtlingskrise hat die Grünen verändert"" (16. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/gruene-robert-habeck-fluechtlinge-asylpaket (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/gruene-robert-habeck-fluechtlinge-asylpaket)

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Quote[...] Boris Palmer, · 16. Oktober um 07:29 ·
Wir schaffen das nicht - Über eine Million Flüchtlinge in einem Jahr kann man noch reden. Das wirft auch schon nahezu jede Planung um und produziert Notlösungen von Tag zu Tag. Über 10.000 Flüchtlinge pro Tag kann man nicht mehr reden. Wenn das anhielte, kämen in den nächsten zwölf Monaten 3,65 Mio Menschen nach Deutschland. Es tut mir leid das schaffen wir nicht. Die Politik muss handeln, sonst implodiert unser Aufnahmesystem und der soziale Frieden im Land.


'Kein Mensch ist illegal' war lange ein Grünen-Leitspruch, man will sich gegen die Abschottungspolitik stellen und Wärme demonstrieren bei all der kalten Ablehnung. Der Palmer-Post wirkt vor diesem Hintergrund ungefähr so fehl am Platz, als würden die Grünen eine Pflicht auf Genfood-Konsum fordern.

Allerdings ist Palmer, der seit fast neun Jahren die Universitätsstadt in Baden-Württemberg regiert, überzeugt, dass viele grüne Grundüberzeugungen längst von der Realität überholt wurden.

Eine Million Flüchtlinge aufnehmen, sei "extrem ambitioniert", aber machbar, sagt Palmer SPIEGEL ONLINE. "Wenn aber weiterhin jeden Tag 10.000 Flüchtlinge zu uns kommen, reicht das gerade verabschiedete Asylpaket hinten und vorne nicht aus. Dieses Versäumnis wird die Kommunen in zwölf bis 18 Monaten mit voller Wucht treffen."

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Aus: "Flüchtlingspolitik: Grüner Palmer auf Linie - mit der CSU" Annett Meiritz (21.10.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-boris-palmer-will-fluechtlingszahlen-begrenzen-a-1058657.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-boris-palmer-will-fluechtlingszahlen-begrenzen-a-1058657.html)

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Quote

Von: Sven-Christian Kindler MdB
Gesendet: Donnerstag, 15. Oktober 2015 14:39
An: Sven-Christian Kindler MdB
Betreff: Warum wir das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz abgelehnt haben



Im Bundestag habe ich heute, gemeinsam mit Volker Beck, Peter Meiwald, Monika Lazar, Julia Verlinden, Jürgen Trittin, Corinna Rüffer und Stephan Kühn gegen das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz gestimmt (Drucksache 18/6185 - http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/061/1806185.pdf). Wir erklären zur Abstimmung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages:

[PDF: http://www.sven-kindler.de/sites/default/files/151015_pe_asylverfahrensbeschleunigungsgesetz_0.pdf ]

Immer mehr Menschen verlassen weltweit aus größter Not ihre Heimat und flüchten. Sie fliehen vor Gewalt, Terror, Krieg und Verfolgung. Den Menschen, die nach Europa und Deutschland fliehen, wollen wir mit offenen Armen begegnen. Sie haben ein Recht auf Schutz und ein menschenwürdiges Leben.

Wir sind einerseits erschüttert über die gewalttätigen Übergriffe auf Geflüchtete in Deutschland. Immer wieder brennen geplante oder bereits bewohnte Flüchtlingsunterkünfte. Bereits jetzt gab es dieses Jahr über 500 Angriffe auf Unterkünfte. Andererseits freuen wir uns über die große Willkommenskultur, die wir auf Bahnhöfen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Städten und Gemeinden erleben. Viele zehntausend Menschen leisten tagtäglich ehrenamtlich unglaublich viel für eine gelebte Willkommenskultur in Deutschland. Sie zeigen immer und immer wieder aufs Neue ihre Solidarität mit den Geflüchteten. Diesen Menschen gilt unser Dank und unsere Anerkennung. Es wäre jetzt Aufgabe der Bundesregierung sich dieser Hilfsbereitschaft mit deutlichen Verbesserungen im Asylrecht anzuschließen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält notwendige finanzielle Zusagen des Bundes, der sich künftig dauerhaft, strukturell und dynamisch an den Kosten der Flüchtlingsaufnahme beteiligt und darüber hinaus weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Vernünftig ist auch, dass der Bau von Unterkünften für Flüchtlinge durch Änderung der baurechtlichen Standards flexibilisiert wird, auch wenn sich diese Standardsenkung nicht verstetigen, und auf andere Bereiche ausgeweitet werden darf. Wir erkennen auch an, dass Staatsangehörige der Westbalkanstaaten unter engen Voraussetzungen einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten können. Dies ist allerdings mit seinen Einschränkungen alles andere als ein Einstieg in ein Einwanderungsgesetz ist, sondern eine geringfügige, allenfalls symbolische Teilliberalisierung des bestehenden Systems, die zudem nur bis 2020 befristet ist.

Dem stehen die härtesten Asylrechtsverschärfungen seit 20 Jahren gegenüber. Diese Verschärfungen lehnen wir ab. Wir wollen sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht durch Beschluss dem Bundesrat zur Annahme vorlegen. Wir hatten auf ihren Inhalt im parlamentarischen Verfahren keinerlei Einfluss. Die Verantwortung für diese zum Teil verfassungs- und europarechtswidrigen Verschärfungen des Flüchtlingsrechts trägt allein die Koalitionsmehrheit, die sie zum Preis für die dringend notwendige Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme erklärt hat. Der Gesetzesentwurf geht bei den Verschärfungen sogar über die Vereinbarungen der Ministerpräsidentenkonferenz hinaus.

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist eine Mogelpackung. Es enthält zahlreiche Abschreckungs- und Ausgrenzungsvorschriften, aber nicht eine einzige Maßnahme, die geeignet wäre, Asylverfahren tatsächlich zu beschleunigen. Die Koalition hat sich geweigert, eine Regelung zu pauschalen Anerkennung von Flüchtlingen aus Syrien, Eritrea, Irak und Somalia vorzuschlagen. Sie hat keine Altfallregelung für langandauernde Verfahren entworfen. Und sie hat die Grüne Forderung nach einer Aufhebung der obligatorischen Widerrufsprüfung gemäß § 73 Absatz 2a AsylVfG zurückgewiesen.

Stattdessen werden nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten aufgenommen. Die Bestimmung von Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Senegal und Ghana zu sicheren Herkunftsstaaten wird bestätigt, obwohl Roma, LGBTTI* und Journalist*innen in den Staaten des Westbalkans weiterhin Verfolgung droht und einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen im Senegal und Ghana immer noch unter Strafe stehen. Auch die allgemeine Sicherheitslage in den Westbalkanstaaten gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Der Bundestag hat erst im Sommer 2015 den KFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo verlängert, weil das Land noch immer instabil ist.

Für die Geflüchteten aus diesen Staaten ist dieses Gesetz ein schwerer Angriff auf das Prinzip der Einzelfallprüfung, einem Grundpfeiler des Asylrechts. Die Anträge der Geflüchteten werden zwar formal noch einzeln geprüft, doch drängt sich eine ablehnende Entscheidung faktisch auf. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang unmissverständlich festgestellt, dass ein Staat nicht zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden kann, solange dort auch nur Angehörige einer einzigen Gruppe verfolgt werden (2 BvR 1507 und 1508/93). Der UNHCR, die EKD und die Deutsche Bischofskonferenz haben in ihren Stellungnahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung gerügt, dieser missachte insoweit die Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie).

Neben die bisherigen Beschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten treten mit diesem Gesetzentwurf nun weitere massive Einschränkungen ihrer sozialen und wirtschaftlichen Rechte: Sie werden dauerhaft und unbegrenzt verpflichtet, in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben. Mit der daraus folgenden Ausweitung der Residenzpflicht, des absoluten Arbeitsverbotes und der Sachleistungsprinzips werden flüchtlingspolitische Erfolge des letzten Jahres zurückgedreht. In mehreren Bundesländern dürfte für Kinder und Jugendliche in diesen Einrichtungen die Schulpflicht entfallen.

Wir halten auch die Verpflichtung zum Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen bis zu 6 Monaten integrations- und flüchtlingspolitisch für kontraproduktiv. Der Druck der Kommunen auf die Landesregierungen, die Höchstdauer auszuschöpfen, wird allein schon aus finanziellen Erwägungen enorm sein. Geflüchteten wird selbst dann der Auszug aus den Erstaufnahmeeinrichtungen verboten, wenn sie selbst privaten Wohnraum zu günstigeren Kosten oder gar eine kostenlose Unterkunft bei Freunden oder Verwandten finden. Betroffen sind davon auch Flüchtlinge mit sogenannter "guter Bleibeperspektive".

Mit der Verpflichtung zum Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen geht die Residenzpflicht, ein absolutes Arbeitsverbot und in etlichen Bundesländern auch der Ausschluss von der Schulpflicht einher. Das Sachleistungsprinzip wird zwingend für den notwendigen Bedarf, einschließlich Ernährung und Kleidung, und als Soll-Bestimmung für den notwendigen persönlichen Bedarf, wie z.B. Zigaretten oder Fahrkarten (so dass der Staat immer weiß, wer sich wo befindet). Diese Regelung produziert sozialen Sprengstoff, Konflikte und Verelendung in den Erstaufnahmeeinrichtungen, was Gewalt und Kriminalität befördern wird. Damit schafft man keine Akzeptanz in der Bevölkerung – im Gegenteil.

Wir haben uns immer für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes eingesetzt. Mit dem vorliegenden Gesetzespaket wird das Asylbewerberleistungsgesetz massiv verschärft. Verfassungswidrig ist die Herabsenkung von Leistungen unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums durch die pauschale Leistungsanspruchseinschränkung für bestimmte Gruppen. Das kann mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang gebracht werden. Aus der Menschenwürde folgt nämlich, dass das einheitliche, das physische und soziokulturelle Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit zu gewährleisten ist. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar.

Eine bundesweite Gesundheitskarte wird es durch diesen Gesetzentwurf auch künftig nicht geben. Wie bisher dürfen die Länder sie ausstellen, sie muss aber fortan den Vermerk enthalten, dass sie nur zu Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz berechtigt. Damit wird das erfolgreiche Modell von Bremen, Hamburg und NRW in Frage gestellt. Geflüchtete bleiben Patienten zweiter Klasse, die sich mit einer Notversorgung zu begnügen haben.

Völlig unverhältnismäßig und kontraproduktiv sind das Verbot der Ankündigung von Abschiebungen, die Beschränkung der Befassung der Härtefallkommissionen auf Fälle, in denen kein Rückführungstermin feststeht und die Verschärfung der Schleuserstrafbarkeit, statt die illegale Einreise zu entkriminalisieren und dadurch die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten. Diese Regelungen werden den Erfolg bestehender freiwilliger Rückführungsprogramme torpedieren und einen enormen Kosten- und Personalaufwand verursachen. Bei den Winterabschiebungsstopps wird der Handlungsspielraum der Landesregierungen bei Abschiebungsstopps ohne Not eingeschränkt. Die vorübergehende Ermächtigung zur Ausübung der Heilkunde durch Asylsuchende ohne ärztliche Approbation, die allerdings für ihre Tätigkeit nicht vergütet werden dürfen, sehen wir genauso kritisch wie die Bundesärztekammer. Darin liegt ein doppelter Gleichheitsverstoß: Manche ausländischen Ärzte dürfen dann – anders als Deutsche – ohne Approbation ihren Beruf ausüben, allerdings nur bestimmte ausländische Patienten behandeln, denen dadurch faktisch der Zugang zu dem Regelsystem der Gesundheitsversorgung droht verwehrt zu werden.

Die Verbesserungen beim Zugang zu den Integrationskursen sind weitestgehend folgenlos, weil der Kreis der Berechtigten restriktiv und teilweise vage formuliert ist und lediglich ein nachrangiger Zugang statt eines Teilnahmeanspruchs geschaffen wird. Letztlich wird diese angebliche Verbesserung an den schon jetzt fehlenden Kursplätzen scheitern oder daran, dass die Kurszulassung nach den Regelungen der Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz auf drei Monate befristet wird, was faktisch eine Kursteilnahme vereitelt.

Als mindestens problematisch bewerten wir auch die Ermöglichung der Ernennung von Beamten als Richter auf Zeit bei den Verwaltungsgerichten sowie Betrauung von Richtern auf Probe als Einzelrichter mit Asylangelegenheiten, trotz fortbestehender Beschränkungen bei der Zulassung von Rechtsmitteln. Rechtssicherheit kann nicht durch die Beschränkung von Rechtschutzmöglichkeiten hergestellt werden. Solange die Berufung in Asylsachen so selten zugelassen wird, solange wird sich auch eine einheitliche Rechtsprechung, die dringend notwendig wäre, nicht herausbilden können.

Selbst wenn die geringen Spielräume, die den Ländern noch bleiben, von Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung genutzt werden: In Ländern wie Bayern und Sachsen wird keine Regelung zu Gunsten der Geflüchteten ausgelegt.

Trotz der lange überfälligen finanziellen Zusagen für Länder und Kommunen können wir in der Summe angesichts dieser massiven Verschlechterungen und Asylrechtseinschränkungen für Geflüchtete nur zu dem Schluss kommen dieses Gesetz abzulehnen.

Berlin, 15.10.15

Volker Beck MdB, Sven-Christian Kindler MdB, Peter Meiwald MdB, Monika Lazar MdB, Julia Verlinden MdB, Jürgen Trittin MdB, Corinna Rüffer MdB & Stephan Kühn MdB.


Quelle: http://www.asyl.org/mailman/listinfo/liste (http://www.asyl.org/mailman/listinfo/liste)

Title: [Mit seinem Inkrafttreten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 18, 2015, 10:37:24 AM
Quote16.10.2015 - Anstatt Willkommen für alle Flüchtlinge: Asylbeschleunigung, Abschiebung und selektive Integration

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein ist mit Blick auf das sogenannte Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes sehr besorgt. Wider besseres Wissen hat der Bundesrat am 16.10.2015 das Gesetz abgenickt. Mit seinem Inkrafttreten, geplant am 1.11.2015, gehen eine ganze Reihe von Restriktionen einher, die sowohl verfassungsrechtlich bedenklich sind, als auch die die Ziele des schleswig-holsteinischen Flüchtlingspaktes aus Mai 2015 erheblich desavouieren.

Das von Migrations- und Integrationsexperten, Verbänden, der Wirtschaft sowie MigrantInnen- und Menschenrechtsorganisationen als untauglich abgelehnte Gesetz ist allerdings in großer Bund-Länder-Einigkeit beschlossen worden. Das Opens external link in new windowGesetz setzt auf ein Potpouri aus Asylbeschleunigung, sozialem Aushungern, Abschiebung und selektiver Integration für Wenige.

    So wird die maximale Unterbringungsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen – einhergend mit einem Arbeitsverbot – von drei auf sechs Monate verlängert.
    Flüchtlinge vom Balkan – unter ihnen mehrheitlich von regelmäßiger ordnungsbehördlicher Gewalt und  schwerer Diskriminierung betroffene Angehörige ethnischer Minderheiten – und aus anderen als "sicher" dekretierten Herkunftsländern sollen die Erstaufnahmeeinrichtungen, die ihnen damit zu Ausreisezentren werden, gar nicht mehr verlassen dürfen.
    Abschiebungen sollen zukünftig grundsätzlich für die Betroffenen überraschend vollstreckt werden - Abschiebungstermine sollen den Flüchtlingen nicht mehr mitgeteilt werden.
    Flüchtlinge, die in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften untergebracht sind, können wieder mit Sachleistungen abgespeist werden. Anders als bisher dürfen die Behörden den Asylsuchenden dabei auch jegliches Bargeld (das "Taschengeld") für ihren persönlichen und soziokulturellen Bedarf (Telefon, Fahrgeld, Anwalt usw.) vollständig und dauerhaft entziehen. Verpflichtend ist dies für die Mehrheit der Flüchtlinge mit Duldung, aber auch für solche, die bereits in anderen EU-Staaten anerkannt worden sind. Dieser Eingriff in die Sozialleistungen ist verfassungswidrig: Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klargestellt, dass das die Menschenwürde unteilbar ist: das soziokulturelle, menschenwürdige Existenzminimum gilt für alle und muss daher bar ausbezahlt werden.
    Zugang zu Sprachkursen und arbeitsmarktlicher Integrationsförderung für alle Flüchtlinge ist nach dem Gesetz ausgeschlossen. Nur eine kleine Auswahl von Asylsuchenden - bis dato werden die Staaten Syrien, Eritrea, Iran und Irak benannt - sollen sprachliche und andere Integrationsförderangebote erhalten, weil ihnen pauschal eine ,,gute Bleibeperspektive" zugeschrieben wird.

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz trägt nicht zur Lösung der aktuellen Probleme bzgl. Flüchtlingszuwanderung, Aufnahme, Verfahrensablauf oder fehlendem burdon sharing bei. Stattdessen setzt es einseitig auf Abschreckung, betreibt mittelbar die Förderung von Flüchtlingsfeindlichkeit, zielt auf gruppenspezifische Asylverweigerung und verstößt sowohl mit Blick auf das geplante Aushungern der Betroffenen wie auch auf die pauschale herkunftsbezogene Sicherheitsbehauptung gegen das Grundgesetz.

Darüber hinaus konterkariert das Gesetz die seit Jahren bundesweit erfolgreich und auch in Schleswig-Holstein im Zuge heterogener Bleiberechts- und Integrationsnetzwerke etablierte Förderstruktur.

Auch ist zu befürchten, dass den Migrationssozialberatungsstellen hierzulande und anderen Migrationsfachdiensten sowie den Sprachkursträgern im Zuge dieses Gesetzes die Selektion und Abweisung der künftig wohl nicht mehr Förderungswürdigen mit unterstellter ,,schlechter Bleibeperspektive" zugeschoben und anverantwortet wird.

Alles in allem bedeuten bisher bekannt gewordene Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels in Tateinheit mit dem am Freitag im Bundesrat beschlossenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz den flüchtlingspolitischen roll back in überwunden gehoffte Zeiten, in denen sich Flüchtlingspolitik und -verwaltung vor allem in Abschreckung, Ausgrenzung und Abschiebung genügt hat. Neu - doch nicht minder problematisch - ist das Momement selektiver Chancenvergabe auf Grundlage unterstellter "guter Bleibeperspektive" für Wenige.

Mit Besorgnis beobachtet der Flüchtlingsrat darüber hinaus, wie mittels pauschaler Hetze gegen Flüchtlinge – von einigen Bundesministern, Landeschefs, Abgeordneten und Medien schon fast kampagnenhaft und quasi als populistische Begleitmusik zur flüchtlingspolitischen Faktensetzung betrieben – die Verunglimpfung von Motivation und Glaubwürdigkeit der hierzulande Asyl und Schutz suchenden Menschen inszeniert wird. Vor diesem Hintergrund überraschen der jüngste Brandanschlag auf ein für die Unterbringung von Flüchtlingen vorgesehenes Gebäude in Flensburg und bundesweit seit Jahresbeginn über 500 flüchtlingsfeindliche Gewalttaten kaum.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. ist enttäuscht, dass die Kieler Landesregierung nicht dem guten Beispiel Niedersachsens gefolgt ist, das sich bei der Abstimmung über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz im Bundesrat enthalten hat.


Aus: "Asylbeschleunigung, Abschiebung und selektive Integration" (16.10.2015)
Quelle: http://www.frsh.de/artikel/asylbeschleunigung-abschiebung-und-selektive-integration/ (http://www.frsh.de/artikel/asylbeschleunigung-abschiebung-und-selektive-integration/)

Title: [Wenn er von zurückliegenden... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2015, 12:03:11 AM
Quote[...]  Es ist noch dunkel. In den frühen Morgenstunden des 1. Oktober versammelt sich eine Handvoll Polizisten unter dem Kommando des Kreuzberger Kommissars Ahmet Karakas auf dem Hof der Polizeidirektion V.

Was sie jetzt vorhaben, soll möglichst schnell, leise und korrekt über die Bühne gehen: Die Menschen, die auf Karakas' langer Liste stehen, müssen Deutschland verlassen. Sofort. Sie sind, wie es im sperrigen Deutsch des Asylrechts heißt, "vollziehbar ausreisepflichtig". 162 Männer, Frauen und Kinder sollen bis 11.30 Uhr gefunden, identifiziert, in Mannschaftswagen gebracht und durchsucht werden, um schließlich rechtzeitig am Berliner Flughafen Schönefeld in einer Chartermaschine zu sitzen, die sie nach Belgrad, Prishtinë und Sarajewo bringt.

Karakas trägt verwaschene Jeans, Gel im Haar und ein freundliches Lächeln. Dazu eine schusssichere Weste, Handschellen, Pfefferspray und eine geladene Pistole. "Wir können lieb", sagt er ruhig, "aber wir können auch anders. Für mich ist das Entscheidende, dass meine Kollegen und ich da heil rauskommen aus dem Einsatz."

Wenn er von zurückliegenden Abschiebungen erzählt, erinnert er sich vor allem an die dramatischen Selbstverletzungen der Flüchtlinge. Ein Albaner, den er vor ein paar Monaten aus dem Bett klingelte, griff sich blitzschnell eine Flasche vom Nachttisch, schlug sie an der Wand auf und rammte sie sich in den Hals. Ein anderer Mann, ein junger Pakistaner, wollte sich aus dem Fenster stürzen. Karakas und ein Kollege konnten ihn gerade noch an den Füßen festhalten, und da standen sie dann, minutenlang, bis Hilfe kam. Eine Frau trank Shampoo, als sie zurück in den Senegal sollte.

Einmal erlaubte Karakas einem Serben, sein Handy mit ins Flugzeug zu nehmen. Die Bundespolizei, die ab dem Flughafen die Abschiebung übernimmt, berichtete Karakas später von der Rasierklinge, die der Mann anstelle einer SIM-Karte im Handy versteckt hatte. Kurz vor der Landung nahm er sie aus dem Telefon, um sich die Pulsadern aufzuschneiden. Jetzt, beim ersten Einsatz an diesem Oktobermorgen, befürchtet Karakas nichts dergleichen. Eine bosnische Familie – Vater, Mutter und drei Kinder – soll abgeschoben werden. "In so einer Situation tun sich die Eltern nichts an, schon der Kinder wegen", sagt Karakas. "Für die wollen sie ja stark sein, denen wollen sie ein Halt sein, kein Häufchen Elend. Bei Einzelpersonen muss man vorsichtig sein. Da haben wir immer einen Arzt dabei."

Der Van mit den dunklen Scheiben, in dem der Kommissar und seine Kollegen unterwegs sind, hält vor einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber im Süden der Stadt. Weder der Nachtpförtner noch der Betreiber der Einrichtung wussten, dass die Polizei an diesem Morgen kommen würde. Auch die bosnische Familie wusste nur, dass, jedoch nicht, wann man sie abholen würde. Aber die fünf schreien nicht, sie protestieren nicht, sie weinen nicht. Sie sagen gar nichts. Sie sitzen auf gepackten Koffern. Als sie den Satz hören "Wir kommen, um Sie nach Hause zu bringen", werfen sie sich die Anoraks über und folgen den Beamten schweigend in den Mannschaftswagen.

In der Flüchtlingskrise ist Abschiebung zu einem Schlüsselbegriff geworden. So groß ist die Zahl und die Not derer, die vor Bürgerkriegen und Diktaturen nach Deutschland geflohen sind, dass immer weniger Verständnis für jene da ist, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Viele von ihnen stammen aus dem Westbalkan und sind gekommen, weil sie ein besseres Leben suchen. Freiwillig verlassen nicht viele Ausreisepflichtige Deutschland. Und zwangsweise gehen auch nicht viele.

Von 190.000 Ausreisepflichtigen wurden in diesem Jahr bis zum Sommer nur 8.200 abgeschoben – also nicht einmal fünf Prozent. In den meisten Bundesländern ändert sich das jetzt; doch in einigen wie dem rot-rot-grün regierten Thüringen ging die Zahl der Abschiebungen 2015 sogar zurück. Dabei ist für dieses Jahr bundesweit mit etwa 100.000 neuen chancenlosen Anträgen zu rechnen, vor allem aus Osteuropa.

Solange die Zahlen der Asylbewerber niedrig waren, hat diese laxe Praxis niemanden gestört – im Gegenteil. "Wir waren nie Abschiebe-Weltmeister, und das wollen wir auch gar nicht sein", sagt ein Beamter aus einem Bundesland, dessen Abschiebequote notorisch niedrig ist. "Wir wollen menschlich bleiben." Härtefall-Kommissionen, Kirchenasyl, ein Winter-Abschiebestopp wie in Thüringen und Schleswig-Holstein oder ein "Sensibilisierungserlass" wie in Nordrhein-Westfalen, der die Behörden auffordert, Abschiebungen in das Kosovo auf besondere Härten zu überprüfen – all das ist Ausdruck eines höchst ambivalenten Verhältnisses zum Abschiebegesetz. Ein Nein sollte kein Nein sein, höchstens ein "Neinchen". Wie weit dieses zwiespältige Gefühl selbst die Exekutive erfasst, zeigt ein Video der Bundespolizei, das sich an Menschen im Westbalkan richtet, also an jene, deren Chancen auf Asyl gleich null sind. Die Bilder sollen eigentlich abschrecken, sie sollen vor einer Abschiebung warnen. Doch das Video zeigt die Abschiebung am Flughafen so sanft und die Polizeibeamten so hilfreich und mitfühlend, dass der Film eher eine Werbung für die Bundesrepublik ist. Deutschland führe sich wie ein "Hippie-Staat" auf, hatte der britische Politologe Anthony Glees kürzlich in einem anderen Zusammenhang gelästert.

Zwar neigten traditionell eher rot-grün regierte Bundesländer zur Zurückhaltung bei Abschiebungen. Aber auch CDU-Innenminister waren nicht scharf auf die Fotos, auf die schlechte Presse und den öffentlichen Aufschrei, die mit Abschiebungen einhergingen.

An diesem Oktobermorgen zeigt sich, woran Abschiebungen auch sonst noch oft scheitern. Als der Polizeitrupp zur zweiten Adresse auf der Liste fährt und an der Tür klingelt, ist keiner da. Ein Beamter klopft, aber niemand öffnet. Vielleicht ist wirklich keiner im Zimmer, der Heimleiter weiß es nicht und darf es auch nicht überprüfen. Es reicht, einfach nicht aufzumachen. Die Beamten haben kein Recht, die Tür gewaltsam zu öffnen.

Es gibt noch weitere Gründe für die Erfolglosigkeit von Abschiebungen: 73 Prozent der Flüchtlinge geben zum Beispiel an, keine Dokumente zu haben, keinen Pass, keinen Ausweis, keinen Führerschein. Diese Menschen kann man nicht abschieben, weil man nicht weiß, wohin. Etliche haben sich die Fingerkuppen verätzt und können deshalb nicht in der Fingerabdruck-Datei identifiziert werden. Manche machen auch Krankheiten geltend, die eine Abschiebung verhindern. Es ist schwer, nachzuweisen, dass ein Flüchtling nicht unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Und natürlich fehlt es überall an Personal – an Beamten, Polizisten, Ärzten. Einige Bundesländer haben in den vergangenen Jahren sogar Stellen abgebaut.

Ahmet Karakas arbeitet in einer Sondereinheit der Berliner Polizei, die sich mit Integrationsfragen befasst, Kontakte zu Moscheen und Selbsthilfeorganisationen hält. Viele der Beamten haben einen Migrationshintergrund. Die Truppe, die sich AGIM nennt, ist selbst Ausdruck des deutschen Unbehagens über die Härten des Asylrechts. Wenn man schon abschieben muss, so die Überlegung, dann sollten das ruhig Leute mit ausländischen Wurzeln machen. Die hätten vielleicht kein so schlechtes Gewissen.

Und so ist es tatsächlich. "Manche, die abgeschoben werden sollen, fangen an, von Rassismus herumzuschreien, das zieht halt bei mir nicht", sagt Karakas, ein Sohn türkischer Einwanderer. In der AGIM arbeiten auch Beamte mit afghanischen oder arabischen Wurzeln und Stipo Vrdoljak, dessen Eltern Serben sind.

In der kalten Morgensonne macht die Polizeitruppe eine Kaffeepause vor einer Einrichtung für Asylbewerber in Berlin-Steglitz. "Natürlich bin ich nicht stolz drauf, eine Familie aus Bosnien aus dem Bett zu holen und zum Flughafen zu bringen, das sind ja keine Verbrecher", sagt Vrdoljak. "Aber oft sind auch Leute darunter, die hier mehrfach straffällig geworden sind. Da macht es mir dann gar nichts aus."

Karakas wie Vrdoljak wundern sich über Männer, die ihre Familien im Kriegsgebiet zurücklassen und es erst mal allein in Deutschland versuchen. "Das verstehe ich nicht", sagt Karakas. "Ich würde sagen: Entweder wir sterben hier alle zusammen, oder wir fliehen zusammen." Die Männer seien doch nicht tougher, nicht zäher als die Frauen. "Wie oft haben wir die heulend im Polizeiwagen sitzen." Karakas ist überzeugt, der richtige Mann am richtigen Platz im deutschen Rechtssystem zu sein. Aber er sagt auch: "Wenn ich nach Dienstschluss vor die Tür trete, dann bin ich für die Leute einer von den Ausländern." Einer von den Fremden.

Die Bilanz der Abschiebeaktion an diesem 1. Oktober: Von 162 Abzuschiebenden wurden 52 der Bundespolizei am Flughafen Schönefeld übergeben. Der Rest war nicht da. Die Kosten trägt das Land Berlin.


Aus: "Abschiebung: Für alle eine Qual" Mariam Lau (18. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/2015/42/abschiebung-fluechtlinge-berlin (http://www.zeit.de/2015/42/abschiebung-fluechtlinge-berlin)

Title: [Sollten Historiker in Zukunft einmal ergründen wollen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2015, 04:31:39 PM
Quote[...] Die ,,Flüchtlingskrise" ist vor allem eine Krise der Worte. Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr nach Deutschland kommen und wie viele hier bleiben werden. Aber dass Angela Merkel das offen zugibt und mit der Aufnahme der Flüchtlinge aus Ungarn ein Zeichen der Großzügigkeit setzte, hat sie für konservative Leitartikler und Feuilletonisten zum Feindbild gemacht.

Sollten Historiker in Zukunft einmal ergründen wollen, wie die Stimmung in Deutschland in der Flüchtlingsfrage so schnell kippen und Merkel so unter Druck geraten konnte, werden sie nicht umhinkommen, sich die Rolle der meinungsbildenden Medien anzuschauen. Und dabei dürften sie zu dem Schluss kommen, dass diese den Stimmungsumschwung kräftig herbeigeschrieben haben.

Noch bevor der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Teile ihrer eigenen Partei offen Front gegen Merkel machten, setzten die Leitmedien den skeptischen Ton. ,,Weiß sie, was sie tut?", fragte die Zeit und unterstellte ihr damit quasi Unzurechnungsfähigkeit. Und der Spiegel porträtierte sie auf dem Titel als barmherzige Mutter Teresa, raunte von ,,Abenteuer" und warf ihr vor, Europa zu spalten – (wohlgemerkt Merkel und nicht der ungarische Staatschef Victor Orbán, der die Fraktion jener osteuropäischen Länder anführt, die am liebsten überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen möchten).

Ein begriffliches Gegensatzpaar hat sich seitdem in der Flüchtlingsdebatte fest etabliert: ,,Gefühl" gegen ,,Verstand" – ganz so, als ob ausgerechnet Angela Merkel jemals gefühlsgesteuert agierte und ausgerechnet Victor Orbán noch bei Verstand sei.

Man hätte ja auch stolz sein können darauf, dass die Kanzlerin mit ihrer humanitären Geste eine Debatte angestoßen, eine Führungsrolle übernommen und andere Regierungen in Europa unter Druck gesetzt hat, selbst mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Das wäre angesichts der globalen Verantwortung für die Flüchtlinge eigentlich nur konsequent. In Polen oder Großbritannien hat sich seither der Ton der Debatte geändert, linke, liberale und kirchliche Kräfte in diesen Ländern sahen sich durch Merkel ermutigt.

Konservative Kommentatoren und Intellektuelle in Deutschland selbst sehen das aber negativ. Der Historiker Heinrich August Winkler deutete den Kurs der Bundeskanzlerin als Ausdruck einer ,,moralischen Selbstüberhöhung" und meinte, einen ,,fast nationalistischen Pathos" zu erkennen.

Und der Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer warnte vor einem ,,deutschen Sonderweg" in der Flüchtlingsfrage und sah ,,Chauvinismus" und einen ,,Imperialismus des Herzens" am Werk. Beide befinden sich damit auf einer Wellenlänge mit Ungarns Staatschef Victor Orbán, der den Deutschen ,,moralischem Imperialismus" vorwarf. So wenig Nationalstolz war unter deutschen Konservativen selten, so viel deutscher Selbsthass noch nie.

Auch die Angstbilder aus den Islamdebatten der letzten Jahre tauchen in der Flüchtlingsdebatte wieder auf. Die Angst vor einer ,,Islamisierung", vor der auch viele Intellektuelle nicht frei sind, paart sich jetzt mit der Furcht vor dem Kontrollverlust. Der Fernsehphilosoph Rüdiger Safranski, 70, wirft der Kanzlerin vor, Deutschland zu ,,fluten", und meint daran erinnern zu müssen, dass die Verfassung über dem Koran stehe.

Auch die Schriftstellerin Monika Maron, 74, sieht ,,vorwiegend junge, muslimische Männer", die ,,unkontrolliert nach Deutschland" strömten, und erschaudert.

Heinz Buschkowsky, 67, fantasiert mittlerweile von zehn Millionen Flüchtlingen, deren ,,muslimische Weltsicht" mit ,,dem demokratisch-westlichen Wertekanon nicht kompatibel" sei. Der Muslimfresser Thilo Sarrazin durfte in der Zeit bereits im Geiste ,,Schiffe versenken" spielen. Und der Dorfdichter Botho Strauss, 70, warnt vor einer ,,Flutung des Landes mit Fremden" und die angeblich drohende ,,Auslöschung" der Deutschen durch Muslime. Andere Stimmen raunen von ,,Völkerwanderung", ,,Bevölkerungsaustausch" oder gar ,,Invasion".

Als Scharfmacher geriert sich auch der Historiker und Osteuropa-Experte Jörg Baberowski, 54. In der Neue Zürcher Zeitung beklagte er, die Kanzlerin breche europäisches Recht, forciere eine ,,unkontrollierte Masseneinwanderung" und führe Deutschland in eine ,,Katastrophe", das Land werde sich ,,bis zur Unkenntlichkeit verändern". Sein Fazit: Merkel müsse zurücktreten.

Das finden auch Roland Tichy, 60, Exchefredakteur der Wirtschaftswoche und häufiger Talkshowgast, sowie der Welt-Kolumnist Henryk Broder, 69, der Merkel jüngst ,,Untreue im Amt" vorwarf, habe sie doch einen Eid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, und nun tue sie das Gegenteil. Von da ist es nicht mehr weit zum Ruf ,,Volksverräterin" und dem Pegida-Galgen für Merkel.

Man könnte das als einen Aufstand gekränkter Bürger abtun, die unter Altersradikalismus leiden, aber die Promipublizisten dienen als Stichwortgeber für rechte bis rechtsextreme Kreise. Manchmal ganz direkt: Baberowski wurde Anfang Oktober zu einem CSU-Kongress in Erding geladen, seine Thesen werden aber auch von der NPD geteilt. Und Thilo Sarrazin trat kürzlich vor der rechtspopulistischen FPÖ auf, wo er sich mit deren Parteichef, dem Exburschenschaftler Heinz-Christian Strache einig war, dass Europa seine Grenzen schließen müsse.

Die Parolen finden aber auch auf der Straße ihren Widerhall. ,,Merkel muss weg", skandierten Tausende AfD-Demonstranten in den vergangenen Wochen in Erfurt und Magdeburg. Und Götz Kubischek, ein Vordenker der neuen Rechten, rief bei Pegida in Dresden die Deutschen zum Widerstand gegen eine angeblich drohende ,,Auflösung unseres Volkes" auf.

Zu viele nehmen das wörtlich. Rund 500 Übergriffe auf Flüchtlingsheime haben die Polizeibehörden allein in diesem Jahr bereits gezählt. Die Messerattacke von Köln fügt sich in diese Logik der Eskalation.

Dass solche Täter glauben können, sie agierten als Vertreter eines heimlichen Volkswillens, liegt auch an der Radikalisierung in manchen Feuilletons.

Quotezwergnase
vor 1 Std, 11 Min

Ich glaube, Herr Bax, Sie machen sich da was vor. Schon vor der zitierten Berichterstattung hatte die Mehrheit der Bürger Zweifel daran, dass Migration nach Deutschland eine weltweite Lösung für Bürgerkriege und ökonomische Krisen sein kann. Irgendwann müssen Medien, die nicht ganz so eine meinungsmäßig einheitliche Leserschaft haben reagieren. Sie sollten sich lieber sachlich dem Diskurs stellen, anstatt diese Kolumnisten nun als geistige Brandstifter zu diffamieren. Das ist billig.


QuoteTheo Schley
vor 1 Std, 32 Min

Danke für diese präzise Presseschau. Gut erkant ...


QuoteUrmel
heute, 14:01

Alles korrekt. Aber nicht alles analysiert, was es den Kritikern Merkels so extrem einfach macht.

Die Bundeskanzlerin hat in den letzten Wochen keineswegs einen klaren Kurs vorgegeben, sondern permanent das Ruder mal in die eine, mal in die andere Richtung bewegt. Angesichts ihrer Verhandlungen mit Erdogan kann man inzwischen nur von einer 180 Grad Kehrtwende reden.

Im Ergebnis werden massenhaft Flüchtlinge in die Türkei zurück geschickt, um dort in Lagern hausen zu dürfen, die bestimmt nicht besser sind als in den hier diskutierten Transitlagern auf deutschem Boden. Diese Aussicht erweckt doch sehr den Eindruck, dass Merkel inzwischen primär nach der Devise "aus den Augen, aus dem Sinn" agiert.

Insofern scheint klar, dass das Herbstmärchen einer ,,für Humanität kämpfenden Kanzlerin" schon wieder Vergangenheit ist. Jetzt haben wir wieder die seit Jahren uns bekannte kalt berechnende Taktikerin, für die auch das Schicksal der Flüchtlinge bestenfalls eine Randerscheinung ist.



Aus: "Flüchtlingskrise im Feuilleton: Im Geiste ,,Schiffe versenken"" Daniel Bax (Gesellschaft, Debatte | 19. 10. 2015)
Quelle: https://www.taz.de/Fluechtlingskrise-im-Feuilleton/!5239531/ (https://www.taz.de/Fluechtlingskrise-im-Feuilleton/!5239531/)

Title: [Das Haus im Kölner Stadtteil Nippes... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 23, 2015, 10:57:04 AM
Quote[...] Das Haus im Kölner Stadtteil Nippes ist ein schöner Altbau aus der Gründerzeit. Helle Fassade, Holzfenster, neben der Eingangstür prangt das Landeswappen Nordrhein-Westfalens: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Hier lebte bislang in einer kleinen Wohnung der Mann, der am Samstagmorgen die künftige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messerstich in den Hals schwer verletzt hat. Frank S. habe aus "fremdenfeindlichen Motiven" gehandelt, sagen Ermittler. Der 44-Jährige habe die Kölner Sozialdezernentin und Lokalpolitikerin für Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik verantwortlich gemacht. "Ich tue es für eure Kinder", soll er den Umstehenden zugerufen haben, als er der wehrlosen Frau sein Buschmesser in den Hals rammte. In einem Bericht der Polizei ist von einem "fanatisierten Einzeltäter" die Rede, der sich selbst radikalisiert habe. ...


Aus: "Mutmaßlicher Attentäter von Köln: Der einsame Hass des Frank S." Jörg Diehl, Köln (21.10.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/henriette-reker-koeln-attentaeter-frank-s-war-vorbestraft-a-1058854.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/henriette-reker-koeln-attentaeter-frank-s-war-vorbestraft-a-1058854.html)

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Quote[...] Mit der immer größeren Belastung droht die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen. Und während die Regierung verzweifelt nach Lösungen sucht, steht eine geplante Unterkunft für Asylbewerber nach der nächsten in Flammen. Auch das kennt man aus Deutschland.

...  Einige Städte wie Malmö – Anlaufstelle Nummer eins für Neuankömmlinge in Südschweden – sagen inzwischen nicht mehr, wo sie die Asylbewerber unterbringen wollen. Damit nicht noch mehr geplante Unterkünfte in Flammen aufgehen.


Aus: "Schweden schafft es bald nicht mehr" (22.10.2015)
Quelle: http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article206320675/Schweden-schafft-es-bald-nicht-mehr.html (http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article206320675/Schweden-schafft-es-bald-nicht-mehr.html)

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Quote[...] Trollhättan (dpa) - Der tödliche Schwertangriff an einer schwedischen Schule war den Ermittlern zufolge ein rassistisches Verbrechen. «Es gibt drei klare Hinweise darauf», sagt ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur.

«Erstens haben wir einige Dinge in der Wohnung des Täters gefunden. Außerdem hat er seine Opfer in der Schule bewusst ausgesucht.»

Bei der Attacke im westschwedischen Trollhättan hatte der 21-Jährige am Donnerstag einen Lehrer und einen Schüler getötet sowie einen weiteren Lehrer und einen Schüler verletzt. Die Polizei hatte ihn anschließend erschossen. ...


Aus: "Schwertangriff in Schweden: Täter tötete aus Fremdenhass" (10/2015)
Quelle: http://www.wz-net.de/wz_21_110985029-1-_Schwertangriff-in-Schweden-Taeter-toetete-aus-Fremdenhass.html (http://www.wz-net.de/wz_21_110985029-1-_Schwertangriff-in-Schweden-Taeter-toetete-aus-Fremdenhass.html)

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Quote[...] Wer Hass und Hetze auf Facebook verbreitet, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das Amtsgericht Kitzingen hat nun einen 31 Jahre alten Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Von April bis November 2014 habe er auf Facebook Hass-Parolen veröffentlicht und zu Gewalt und Mord aufgerufen, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg am Donnerstag mit. Unter anderem habe er geschrieben, man solle Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Helfer ,,an die Wand stellen und standrechtlich erschießen wegen Verrat am deutschen Volk". Außerdem habe er in einem Post formuliert, Menschen sollten ,,in Auschwitz in den Ofen". Insgesamt habe er zehn Texten mit volksverhetzendem Inhalt oder Aufrufen zu Straftaten veröffentlicht - und zwar nicht anonym, sondern unter seinem eigenen Namen.

Der 31-Jährige Angeklagte aus Iphofen im Landkreis Würzburg war der Staatsanwaltschaft Würzburg zufolge bereits erheblich vorbestraft. zu den Delikten zählen "Fahren unter Alkoholeinfluss, unerlaubter Waffenbesitz, Sachbeschädigung, das Tragen eines Hakenkreuzringes", berichtete die "Süddeutsche Zeitung". "Außer Vermögensdelikten hat er eigentlich alles gemacht. Das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Volljährigkeit", zitierte die Zeitung den Gerichtssprecher.

Auch ein Geständnis konnte den Unterfranken nun nicht vor der Freiheitsstrafe bewahren, die mit zwei Jahren und drei Monaten über der Grenze liegt, bis zu der eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 1 Ls 701 Js 20195/14).

...


Aus: "Hass und Hetze im Netz: Facebook-Hetzer muss ins Gefängnis" (21.10.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/medien/hass-und-hetze-im-netz-facebook-hetzer-muss-ins-gefaengnis/12481176.html (http://www.tagesspiegel.de/medien/hass-und-hetze-im-netz-facebook-hetzer-muss-ins-gefaengnis/12481176.html)
Title: [Bei solchen Ergebnissen sei... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2015, 12:10:15 PM
Quote[....] ,,Grüne Kritik an dem Paket sei kaum hörbar gewesen ...", schreibt der Spiegel zu Recht [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-asylpaket-in-bundestag-und-bundesrat-gruene-unentschlossen-a-1057744.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-asylpaket-in-bundestag-und-bundesrat-gruene-unentschlossen-a-1057744.html)]. Stattdessen habe man ,,grundlegende Positionierungen in der Asylpolitik gegen Bundesmilliarden für die Länder eingetauscht". Bei solchen Ergebnissen sei ,,absolut nicht mehr klar, wofür Grüne überhaupt stehen." ...


Aus: "Zum Unterzeichnen: Nicht in unserem Namen!" (10/2015)
Quelle: http://gruenelisten.de/cms/zum-unterzeichnen-nicht-in-unserem-namen/ (http://gruenelisten.de/cms/zum-unterzeichnen-nicht-in-unserem-namen/)
Title: [Wie würden.. ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2015, 11:32:43 AM
Quote[....] Es geht Schlag auf Schlag. Vergangenes Wochenende sticht ein Flüchtlingsfeind die Kölner CDU-Politikerin Henriette Reker nieder, am Mittwoch nimmt die Polizei in Franken eine Gruppe Rechtsextremisten fest, die mit hochexplosiven Böllern eine Unterkunft für Asylbewerber angreifen wollte. Seit Monaten vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Gebäude brennt, in das Flüchtlinge einziehen sollen oder in dem schon Menschen leben.

Anfang Oktober zündelte ausgerechnet ein Feuerwehrmann im sauerländischen Altena auf dem Dachboden eines Hauses, in dem sieben syrische Flüchtlinge einquartiert waren, darunter eine schwangere Frau. Der Hass auf Asylbewerber oder Migranten insgesamt mündet offenkundig in rechten Terror. In Ost und West, in Dörfern und Städten. Als seien rassistische Anschläge eine Art Volkssport.

Da hilft kein Verdrängen und kein Relativieren: Die Bundesrepublik wird mit ,,homegrown terror" konfrontiert. Der Begriff ist in den Sicherheitsbehörden für militante einheimische Islamisten reserviert, doch diese Exklusivität ist überholt. Wie auch der juristische Terrorbegriff. Das Strafgesetzbuch kennt nur ,,terroristische Vereinigungen", für die es mindestens drei Tatverdächtige braucht. Nach dieser Logik sind der Messerstecher von Köln und der Brandstifter von Altena keine Terroristen. Das wirkt weltfremd.

Die Bundesanwaltschaft konnte den Fall Köln denn auch nur wegen der ,,Schwere der Tat und der mit ihr vom Beschuldigten angestrebten Signalwirkung" übernehmen. Beim geständigen Täter von Altena hingegen sah der Staatsanwalt nicht einmal ein politisches Motiv, sondern nur eine ,,persönliche Überzeugung". Der Brandstifter und sein Komplize kamen frei. Wenigstens wird gegen die bayerischen Neonazis, die lebensgefährliche Böllerbomben auf Flüchtlinge werfen wollten, wegen des Verdachts der Bildung einer ,,kriminellen Vereinigung" ermittelt.

Der Mangel an Klarheit in Wahrnehmung und Sprache von Staat und Politik hat leider Tradition. In den meisten Bundesländern wird die Zahl rechter Morde kleingerechnet. Nur ein Beispiel: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen wertet bis heute den Angriff eines Ex-Söldners, der 2003 in Overath einen Anwalt, dessen Frau und die Tochter erschoss, nicht als rechtes Tötungsverbrechen. Obwohl das Landgericht Köln dem Täter eine nationalsozialistische Motivation bescheinigte.

Wie würden das Verbrechen von Overath und jetzt die Messerattacke in Köln sowie die Anschläge auf Flüchtlingsheime genannt, wären Islamisten die Täter? Da gäbe es in Staat und Politik keine Zweifel: Das ist Terror.

Doch bei geplanter, zielgerichtet lebensgefährdender Gewalt von rechts wird oft gedruckst. Obwohl nach dem NSU-Schock, der die Republik vor vier Jahren erschütterte, Staat und Politik deutlich mehr Sensibilität versprachen. Es gab auch Reformen, doch sie reichen offenbar nicht weit genug für die Erkenntnis: Deutschland wird mit einem Rechtsterrorismus neuen Typs konfrontiert. Er ist weniger organisatorisch strukturiert als informell über das Internet und doch brandgefährlich. Sind uns Terroristen mal wieder einen Schritt voraus?


Aus: "Gewalt gegen Flüchtlinge und Politiker: Bei Terror von rechts wird oft gedruckst" Frank Jansen (26.10.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/gewalt-gegen-fluechtlinge-und-politiker-bei-terror-von-rechts-wird-oft-gedruckst/12495436.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/gewalt-gegen-fluechtlinge-und-politiker-bei-terror-von-rechts-wird-oft-gedruckst/12495436.html)
Title: [Befindlichkeiten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2015, 05:28:09 PM
Quote[...]  Nach dem ersten Begeisterungsschock herrscht eine merkwürdige Angespanntheit in Deutschland. Das hat einen Grund: Die Flüchtlinge sind immer noch da.  ...

Für viele scheint aktuell eine narzisstische Kränkung darin zu liegen, dass die Flüchtlinge nun, nach den ersten großen und glücklichen Aufnahmewellen, immer noch da sind. Als Sehnsuchtsfigur, die gekommen ist, um ein für die Helfenden kathartisches Moment herbeizuführen, dient der Flüchtling auf diese Weise nicht mehr, dazu hätte er nach dem Höhepunkt der Hilfe einfach verschwinden müssen.

Er ist aber immer noch da. Und beginnt, hier zu leben. Von dieser Verwunderung zeugt Innenminister de Maizières harsche Kritik an den Flüchtlingen, die, statt dankbar in ihren Unterkünften auszuharren, anfingen, sich zu prügeln, Essen zu verweigern und in Taxis herumzufahren. Eine schlichte Entrüstung kommt auf, darüber, dass der Flüchtling nun zu einem Akteur wird und Facetten zeigt, die dem hellen Deutschland zu dunkel werden könnten. Darüber, dass Hilfe eben nicht Kontrolle bedeutet und dass es nach dem reinigenden Mitleidsexzess nun doch weitergeht und man einen Alltag finden muss. Einen Alltag, der nicht geprägt ist von Flashmob-artigen Hilfsaktionen, bei denen man nach zwei Stunden Kleidersortieren wieder gemütlich nach Hause gehen kann. Als von der Zivilgesellschaft organisierter Event inmitten einer Ausnahmesituation kann die Hilfsbereitschaft nicht von Dauer sein, jeder, der sich das wünscht, macht es sich zu leicht.

Ob die Stimmung im Land kippt, liegt nicht zuletzt daran, ob die Deutschen irgendwann einmal aufhören können, nur spontan zu helfen, und Institutionen die Arbeit machen lassen. Die Aufgabe der Bevölkerung wäre es dann, sich darauf einzulassen, dass vom diesjährigen Gefühlsausbruch nicht nur ein emotionaler Kater bleibt, sondern Millionen Menschen vor der eigenen Tür.

QuoteBPecuchet, #71  —  vor 1 Stunde

Ich würde mich freuen, wenn die Zeit zukünftig mal wieder mehr über die Realität und weniger über Befindlichkeiten berichten würde.

Ich habe keine Ahnung was der Durchschnittsdeutsche zum Thema Flüchtling denkt, ich vermute, es ist ihm genauso egal, wie vieles andere ihm vorher auch schon und es nachher immer noch sein werden. Es mag auch sein, dass mancher Helfer, der seine Freizeit damit zubringt, Dinge zu tun, die andere Stellen, z.B. Behörden einfach mal nicht tun, jetzt frustriert ist. Und es mag sein, dass es Nazis in Dreden gibt, die erst recht frustriert sind, weil immer noch Flüchtlinge kommen. Und wiederum andere sind frustriert, weil es in der Gegend um Dresden herum so verdammt viele fucking Nazis gibt.

Das alles ist sicher bedenkenswert, sagt aber am Ende nichts aus. Die Zahl derjenigen, die sich z.B. in Syrien oder Afghanistan auf eine lamge Flucht begeben, hängt nicht davon auf, ob wir bereit sind, sie aufzunehmen. Wer Angst um sein Leben hat, der fragt nicht erst lange nach der Erlaubnis, abzuhauen, sondern der tut es einfach. Das Einzige, was wir jetzt tun können, ist pragmatisch zu überlegen, wie wir die Situation meistern können. Ob wir uns dabei gut fühlen, ist erst einmal scheissegal.


QuoteWeimikira
#66  —  vor 6 Stunden 6

Die Ursache dieses neurotischen Verhaltens scheint mir, dass die meisten nicht begreifen, dass das Leben eben KEIN Hollywoodfilm ist mit garantiertem HappyEnd...


...


Aus: "Flüchtlinge: Ich und mein Syrer" Nina Pauer (22. Oktober 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/2015/41/fluechtlinge-hilfe-deutschland-integration (http://www.zeit.de/2015/41/fluechtlinge-hilfe-deutschland-integration)

Title: [Wir wurden als... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 28, 2015, 11:16:37 AM
Quote[...] Wir wurden als Russen beschimpft und bespuckt", erzählt Jurk. ... Jurk kam vor 14 Jahren aus Kasachstan nach Deutschland, als Spätaussiedlerin. Sie kam nach Freital bei Dresden. Heute leitet die Russlanddeutsche dort den Verein ,,Zusammenleben". Er soll Migranten die Integration erleichtern. In jener Stadt, die in diesem Sommer in die Schlagzeilen geriet aufgrund massiver Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte. Seither steht Freital für Fremdenfeindlichkeit.

Neu ist diese Haltung hier allerdings nicht, was nun aber nicht heißt, dass in Freital jeder fremdenfeindlich ist. Jurk bleibt, wenn die Politiker wieder weg sind und die Medien auch. Wenn der laute Mob wieder weg ist und der leise noch da. Sie bleibt und arbeitet und hofft darauf, dass der Mob nicht wieder lauter wird oder gewalttätig.

... 1989 lebten rund 60 000 Vietnamesen in der DDR. Sie bildeten die größte Gruppe unter den Ausländern im Arbeiter- und Bauernstaat, die gerade mal ein Prozent der Bevölkerung ausmachten.

Aber mit den Fremden zusammengelebt haben die Freitaler lange nicht. Nicht nur in der Bundesrepublik hätten völkische Kategorien das staatliche Selbstverständnis geprägt, schreiben die Migrationsexpertinnen Irmhild Schrader und Anna Joskowski in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. Integration war nicht die Absicht der DDR-Führung.

,,Die Vietnamesen lebten auf Inseln", sagt Ines Kummer. Die Grünen-Stadträtin arbeitet heute im ,,Willkommensbündnis" dafür, dass Flüchtlinge in Freital zurechtkommen. Sie ging auch schon in den 80er Jahren in das Haus für Vertragsarbeiter. ,,Aber das war von staatlicher Seite überhaupt nicht erwünscht", sagt sie. ,,Es gab sogar Repressalien, man wurde zum Gespräch gebeten." Das zwang die Vertragsarbeiter in die Isolation. Und die Ideologiehoheit der SED, so sagt es Kummer, hielt Rechtsextremismus unter Verschluss.

Viele Vertragsarbeiter mussten das Land später wieder verlassen. Etliche sind nach dem Ende der DDR geblieben. In Freital leben heute noch 80 Vietnamesen. ,,Das sind ganz nette Leute, die haben sich super integriert", heißt es heute in der Stadt. Die Kinder der früheren Vertragsarbeiter sind - das zählt hier als Argument - besonders gut in der Schule.

Von den Vietnamesen selbst ist kaum etwas darüber zu erfahren, wie ihnen die Freitaler heute begegnen. Haben sie Angst nach den Ausschreitungen dieses Jahres? ,,Nein. Warum Angst? Alle sehr nett hier in Freital", sagt etwa eine Frau, die einst als Vertragsarbeiterin kam, zuerst nach Dresden, dann nach Freital. Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich genannt sehen.

Im Gespräch blickt sie zu Boden, nur auf den Boden. ,,Bitte nicht", lautet ihre Antwort auf weitere Fragen. ,,Bitte nicht." Eine andere vietnamesische Einwanderin legt auf, als das Telefongespräch auf das Thema Fremdenfeindlichkeit kommt. Die Frauen wollen sich schützen. Jurk sagt, sie selbst oder andere Spätaussiedler erführen heute keine Fremdenfeindlichkeit mehr, Vietnamesen auch nicht. Die Integration der Asylsuchenden von heute wird gelingen, meint sie. ,,Das soll funktionieren, das wird funktionieren, wie mit uns damals."

Früher, so erzählt Jurk, hatten viele Vietnamesen keine Namensschilder an der Türklingel. Sie wollten nicht, dass vietnamesische Mafiosi sie finden - oder deutsche Rechtsextremisten.

Es war im September 1991, ein Jahr vor den Brandanschlägen in Rostock-Lichtenhagen. Etwa 60 Skinheads griffen damals in Freital rund 30 Vietnamesen mit Eisenstangen und Ketten an. Danach wurden bei einer Attacke gegen ein nahes Ausländerwohnheim zwei Menschen verletzt. In der Woche zuvor war eine schwangere Vietnamesin von Rechtsextremisten schwer misshandelt worden.

Im Jahr 2015 ziehen wieder Rechtsextremisten durch die Stadt. ,,Als diese schwarz gekleidete, aggressive Masse durch Freital lief, da habe ich auch Angst gehabt, und nicht bloß ich", sagt Jurk. Es gab mehrere Angriffe auf das Flüchtlingsheim. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) konnte schließlich nicht anders, als sich in Freital zu zeigen, kurz. Spät nannte er Rassismus eine ,,Schande". Zu spät, sagen viele. Im Juli explodierte in Freital das Auto eines Linken-Politikers. Später trafen Böller sein Büro und eine Flüchtlingswohnung. Unterstützer der neu ankommenden Flüchtlinge, Politiker und Freiwillige, berichten, dass sie Drohungen erhalten.

Die Bevölkerung von Freital schrumpft, rund 38 000 Einwohner zählt die Stadt. An einem Samstagvormittag ist kaum jemand unterwegs auf der Dresdner Straße. Viele leere Geschäfte säumen die einzig große Achse der Stadt. Ein paar Rentnerinnen schauen in die Ladenfenster.

Nur noch etwa halb so viele Menschen zwischen 20 und 25 leben hier wie 1990. Die Zahl der 60- bis 65-Jährigen ist hingegen um fast 60 Prozent gestiegen. Der Anteil der ausländischen Bürger aber ist größer geworden in den Jahren nach der Vereinigung von Ost und West. Im Wendejahr waren eineinhalb Prozent der Freitaler Ausländer, im vergangenen Jahr waren es 2,6 Prozent, das waren 982 Menschen. Ohne sie wäre Freital heute leerer als ohnehin schon.

,,Die Leute werden sich langsam daran gewöhnen. An Leute mit anderer Farbe, mit anderen Augen", sagt Tatjana Jurk, die vor 14 Jahren selbst fremd hier war, aber nicht fremd aussah.

Auf der Straße aber sprechen manche Freitaler ganz anders über Fremde. ,,Ich fühle mich beschissen von der Frau Kanzlerin." Laut sagt diesen Satz eine Frau in einem Laden, wenige hundert Meter von Jurks Büro entfernt. ,,Ich habe nichts gegen Ausländer, aber...", sagt sie. Dieser Satz ist eine Formel, häufig benutzt, nicht nur auf den islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Kundgebungen in Dresden.

Die Frau in dem Laden in Freital sagt vieles nach dem ,,Aber". Zum Beispiel dieses: ,,Es wurden schon so viele Kriege geführt auf dieser Welt. Es hat noch nie jemand so ein Drama drum gemacht." Das ist ihr Kommentar zur Fluchtbewegung aus Syrien.

Jurk arbeitet weiter daran, dass Menschen mehr erfahren über andere Kulturen, über Religionen und Migration. Mittlerweile ist sie Chefin des Integrationsnetzwerks Sachsen und Vize des Beirats für Integration und Migration des Sozialministeriums. Sie leistet wie viele Ehrenamtliche ihre Arbeit dort, wo Merkels ,,Wir schaffen das" umgesetzt werden muss. An der Wand in ihrem Büro hängt ein orangefarbenes T-Shirt. Es ist ein Werbe-Shirt vom Bundesfreiwilligendienst. Sie hat es von der Kanzlerin bekommen.


Aus: "Der Rassismus ist nicht neu" Sophie Rohrmeier, dpa (28.10.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/einwanderer-in-freital-der-rassismus-ist-nicht-neu/12507200.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/einwanderer-in-freital-der-rassismus-ist-nicht-neu/12507200.html)

Title: [Vorletzte Woche... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 28, 2015, 12:23:44 PM
Quote[...] Vorletzte Woche bin ich bei den Grünen ausgetreten. Der Auslöser dafür war, dass die Grünen sich im Bundestag mehrheitlich zu den letzten Asylrechtsverschärfungen enthalten und im Bundesrat mehrheitlich zugestimmt haben. Die NGO Pro Asyl hält den Gesetzesentwurf für verfassungswidrig, unter anderem weil er einigen Flüchtlingen das soziokulturelle Existenzminimum vorenthält. Der Generalsekretär der CDU scheint sein Glück, dass die Grünen da mitmachen, nicht so recht fassen zu können. Als sich abzeichnete, dass sie mit dabei sind, sagte Peter Tauber der Saarbrückener Zeitung: ,,Wir haben die größten Verschärfungen im Asylrecht seit 20 Jahren auf den Weg gebracht. Schnellere Abschiebungen, weniger Fehlanreize, mehr sichere Herkunftsländer—es wäre zu Jahresanfang noch undenkbar gewesen, dass SPD und Grüne da mitmachen. Darauf sind wir als CDU stolz." Mittlerweile hat Pro Asyl Angekündigt, Asylbewerber, die gegen diese Asylrechtsverschärfungen klagen wollen, finanziell dabei zu unterstützen. Früher oder später wird das Gesetzespaket vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Bis es soweit ist, bringt es viel Übel mit sich, dass mir jedes Verständnis dafür fehlt, warum die Grünen dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt haben. Dies sind die drei massivsten Verschärfungen in dem Gesetzespaket:

Kosovo, Albanien und Montenegro wurden zu sogenannten ,,sicheren Herkunftsstaaten" erklärt. Bei Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wird ein Asylantrag in aller Regel als ,,offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Das bedeutet in der Praxis: Der Einzelfall wird nicht mehr würdig geprüft—was man bei allgemeinen Menschenrechten erwarten können sollte—, sondern es wird einfach pauschal angenommen, dass es für alle Menschen aus diesen ,,sicheren Herkunftsstaaten" in eben diesen Staaten sicher ist. Das ganze Konzept der ,,sicheren Herkunftsstaaten" ist also schon strukturell menschenrechtsfeindlich. Umso mehr gilt das für die Einstufung von Kosovo, Albanien und Montenegro als ,,sicher". Die Amnesty-International-Länderberichte für Albanien und Montenegro zu lesen, ist gruselig. Gründe zu fliehen, haben etwa unabhängige Journalisten oder Roma. Beim Kosovo besteht international nicht einmal Einigkeit darüber, ob es sich um einen Staat handelt—aber für sicher erklärt wurde der De­Facto-­Staat dennoch. In den Kosovo werden vor allem Roma abgeschoben—wegen des neuen Gesetzes jetzt noch schneller.

Durch das neue Gesetz sollen Asylbewerber nun bis zu sechs (vorher drei) Monate in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. Arbeit ist für Asylbewerber aber generell verboten, solange man in Erstaufnahmeeinrichtungen lebt. Außerdem finanziert der Bund in Zukunft einen Teil der Kosten dieser Erstaufnahmeeinrichtungen, sodass die Länder einen finanziellen Anreiz haben, Asylbewerber länger dort zu lassen. Asylbewerber aus ,,sicheren Herkunftsstaaten" bleiben mit dem neuen Gesetz auch nach diesen sechs Monaten auf unbestimmte Zeit in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen—also auch ohne Arbeit. Wenn man den Artikel 23 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte liest, kriegt man bei derartigen Regelungen chronisches Kopfschütteln.

Flüchtlinge, die abgeschoben werden—zum Beispiel, weil sie aus einem ,,sicheren Herkunftsland" kommen—, sind in Deutschland gezwungen, bei ihrer eigenen Abschiebung mitzuwirken. Das neue Asylrecht kürzt denjenigen Flüchtlingen, die dies nicht machen, die Leistungen auf das ,,physische Existenzminimum". Das sind 219 Euro im Monat. Für diese Kürzung kann es schon reichen, wenn man im Herkunftsstaat keinen Anwalt selbst bezahlen will, der im Herkunftsstaat die Passerteilung erwirkt—denn ohne Pass kann nicht abgeschoben werden. Doch selbst wenn die Leistungen nicht gekürzt werden, haben viele Flüchtlinge nach der Asylrechtsverschärfung weniger in der Tasche: Die Länder dürfen wieder auf das Sachleistungsprinzip setzen—also mit einem hohen Verwaltungsaufwand Dinge einkaufen und diese dann an die Flüchtlinge verteilen. Die Flüchtlinge verfügen so weniger selbst darüber, was sie mit ihrem Existenzminimum machen wollen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen sogar Fahrkarten als Sachleistung erbracht werden.

Aber diese Punkte sind nur die traurigen Höhepunkte des Paketes. Unterm Strich kann man sagen: Flüchtlinge werden schneller und zahlreicher abgeschoben und die, die (noch) dableiben, werden drangsaliert, entrechtet, einer häufig nicht funktionierenden Bürokratie ausgesetzt und ganz bewusst verarmt—oftmals zusammengepfercht auf engstem Raum, in vielen Fällen droht Obdachlosigkeit. Ich wollte nicht Mitglied in einer Partei sein, die das alles mitträgt. Also hab ich die Mails verschickt, die man dann so verschicken muss und eine Erklärung auf meinen Blog gestellt.
http://alexander-nabert.de/2015/mein-austritt-aus-der-partei-buendnis-90die-gruenen/

Heute wurde die Asylrechtsverschärfung im Bundesrat beschlossen. Ich bin bei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten. — Alexander Nabert (@Nabertronic) 16. Oktober 2015

Wie es für einen öffentlichen Parteiaustritt so üblich ist, gab es diverse Reaktionen. Dabei bilden sich schnell vier Typen heraus, die wohl jeder mehr oder weniger kennt, der einen Parteiaustritt hinter sich hat.

Die ,,Komm in meine Partei!"-­Fraktion

Die mit Abstand schnellste Reaktion kommt von denjenigen, die dich direkt für eine andere Partei werben wollen. Dabei scheint es vollkommen egal zu sein, wie man den Parteiaustritt begründet: Es findet sich immer jemand, der dich werben will. In meinem Fall hat es ganze 10 Minuten gedauert, bis mich jemand für die CDU—also die Partei, die an vorderster Front für die Asylrechtsverschärfung steht — werben wollte. Das war sogar noch schneller als die ersten Anwerbeversuche für die Linkspartei, die kamen nämlich zwei Minuten später. 

... Andere fragten eher scherzhaft, ob ich nicht zu irgendwelchen gescheiterten Parteiprojekten gehen wollte ... Ich wurde andersrum am Abend meines Parteiaustritts aber auch panisch gefragt: ,,Aber du trittst jetzt hoffentlich nicht in meine Partei ein, oder?" Und wieder andere spekulierten gar, ob ich eine Partei gründen würde ... Wenn man aus einer Partei austritt, gibt es viele Leute — und ich schätze, bei den Grünen sind es besonders viele—, die sagen, dass sie es schon immer wussten. Meist begnügt sich das auf ,,Besser spät als nie"-­Kommentare. Andere fragen, warum man denn überhaupt eingetreten ist ... Wieder andere nennen viele Gründe, warum man schon vorher hätte ausgetreten sein müssen — beziehungsweise nie eingetreten ... Die Bertholt-Brecht-Fraktion

Berthold Brecht hat mal gesagt: ,,Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Und genau mit der Argumentation gibt es viele – meistens sind sie Parteimitglieder der Partei, aus der man ausgetreten ist – die sagen, dass ein Parteiaustritt gar nichts ändert und nur der Kampf innerhalb der Partei etwas ändern könne.

Die ,,Ich kann es ja so gut verstehen"-Fraktion

Viele ehemalige Parteifreunde, die die konkrete Entscheidung, weshalb man ausgetreten ist, inhaltlich teilen, schreiben bei einem Parteiaustritt dann, dass sie die Entscheidung gut verstehen können, aber trotzdem (siehe Bertholt-Brecht-Fraktion) noch Mitglied bleiben. Manchmal sagen diese Leute auch, dass ein Austritt ein richtiges Signal (an die eigene Partei) sein kann ...

Der Rest - Die meisten Reaktionen sind jedoch auf der einen Seite schlichte Gratulationen, Glückwünsche und Respekt­-Bekundungen und auf der anderen Seite Bedauern und Verabschiedungen. Selbstverständlich gibt es auch Reaktionen, die sich nicht in eine Kategorie stopfen lassen. Da wäre zum Beispiel mein Vater, der öffentlich kommentiert: ,,Na toll, und mit welchem politisch engagierten Sohn, der sein Leben ganz in den Dienst einer besseren Welt stellt, soll ich gezz angeben? Denkst Du auch nur EINmal an mich? Hm?" Oder auch Tilo Jung, der auf einmal mein Facebook-­Freund sein will—obwohl er mich auf Twitter blockt, weil ich nicht sein allergrößter Fan bin. Es gibt auch vereinzelte Parteimitglieder, die mich fragen, wie so ein Parteiaustritt funktioniert.

Was man jedoch wenig liest — und das ärgert mich wirklich —, sind politische Reaktionen auf meinen Austritt. Also solche, die sich damit auseinandersetzen, warum ich bei den Grünen ausgetreten bin. Ich habe einen politischen Austrittstext geschrieben und darauf hingewiesen, warum ich bei den Grünen ausgetreten bin — gerade jetzt. Ich wollte auf die Asylrechtsverschärfung und das damit verbundene Elend aufmerksam machen. Hunderttausenden Menschen wird es durch die massivste Asylrechtseinschränkung seit 1993 schlechter gehen. Vor so einem Hintergrund ist vollkommen trivial, ob ich jetzt Mitglied in einer, keiner oder fünf Parteien bin. Geflüchtete werden in Deutschland wie Dreck behandelt. Schon vorher war das so. Und es wird schlimmer, weil die Grünen es möglich gemacht haben. Doch bei einem Parteiaustritt wird wenig über das Warum gesprochen. Vergesst mich. Vergesst meinen Parteiaustritt. Und lest stattdessen, was da beschlossen wurde. Und dann überlegt euch, was ihr dagegen tun könnt.

...


Aus: "Was für Reaktionen ich auf meinen Austritt bei den Grünen bekommen habe" Alexander Nabert (Oktober 26, 2015)
Themen: Grüne, Politik, Deutschland, Flüchtlinge, Asylrecht, Views My Own, Alexander Nabert
Quelle: https://www.vice.com/de/read/was-fuer-reaktionen-ich-auf-meinen-austritt-bei-den-grnen-bekommen-habe-und-was-ich-lieber-gelesen-haette-741 (https://www.vice.com/de/read/was-fuer-reaktionen-ich-auf-meinen-austritt-bei-den-grnen-bekommen-habe-und-was-ich-lieber-gelesen-haette-741)
Title: [Die Küstenwache teilte am Donnerstag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 29, 2015, 12:26:55 PM
Quote[...] Rettungskräfte haben vor der griechischen Insel Lesbos nach einem erneuten Schiffsunglück inzwischen elf Leichen geborgen. Die Küstenwache geht davon aus, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigen wird. Bis zu 40 Flüchtlinge werden vermisst.

Die Küstenwache und Fischer hatten in einer dramatischen Rettungsaktion 242 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Der Einsatz vor Lesbos habe die ganze Nacht angedauert, berichtete das griechische Staatsradio (ERT). Viele der geretteten Kinder und Frauen mussten wegen Unterkühlung in den kleinen Krankenhäusern der Insel behandelt werden. Es gebe unterschiedliche Angaben der Überlebenden über die genaue Zahl der Menschen, die an Bord waren.

Der für die Küstenwache zuständige Minister Theodoros Dritsas zeigte sich nach dem neuen Unglück erschüttert. Die Einsätze der griechischen Hafenpolizei würden leider immer mehr ein "beängstigendes Einsammeln von ertrunkenen Flüchtlingen", sagte der Politiker. Europa müsse diese Menschen aufnehmen und die "nationalen Egoismen" beiseitelassen.

Die Küstenwache teilte am Donnerstag mit, in den vergangenen 24 Stunden seien insgesamt mehr als 900 Menschen aus den Fluten der Ägäis gerettet worden. In Piräus kamen am Morgen an Bord von drei Fähren knapp 5000 Migranten von den Ägäisinseln an. Die meisten wollen nach Westeuropa weiterreisen.

Offiziere der Küstenwache befürchten, dass es in den kommenden Tagen zu weiteren Unglücken kommen könnte. In der Ägäis ist die Wetterlage derzeit sehr gefährlich für kleine Boote. Am Donnerstag tobten vielerorts Winde der Stärke sieben. Seit Jahresanfang sind bislang rund 300.000 Flüchtlinge über das Meer nach Lesbos gelangt.


Aus: "Gekentertes Flüchtlingsboot: Küstenwache fürchtet Dutzende Tote nach Unglück vor Lesbos" (29.10.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegaeis-dutzende-tote-nach-unglueck-vor-lesbos-befuerchtet-a-1060143.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegaeis-dutzende-tote-nach-unglueck-vor-lesbos-befuerchtet-a-1060143.html)

Title: [Probleme eines weltweiten Systems... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 04, 2015, 01:04:13 PM
Quote[...] Alcinda Honwana erklärt, warum die Generation "Waithood" darauf beharrt, dass ihre Probleme durch den Westen mitverursacht sind

STANDARD: Sie nennen die Generation, die jetzt in Afrika aufwächst, "Waithood-Generation": Junge, die mangels Arbeitsmöglichkeiten nicht in das Erwachsenenleben eintreten können. Was genau kennzeichnet diese Generation?

Honwana: Diese Generation lebt in einer Art Zwischenwelt. Sie sind keine Kinder mehr, haben aber nicht die Möglichkeit, in das Erwachsenenleben einzutreten. Sie sind nicht unabhängig, haben keine Jobs, keine eigenen Wohnungen, keine Familien. Sie warten auf all das. In Europa hat die Wirtschaftskrise die Jobmöglichkeiten reduziert, viele Leute mit guter Ausbildung sind arbeitslos oder müssen einer Arbeit nachgehen, für die sie überqualifiziert sind. So leben sie noch bei ihren Eltern im Kinderzimmer und lassen sich von ihnen durchfüttern. Das ist in Afrika schwieriger: Die Mehrheit ist arm und kann sich nicht um die erwachsenen Kinder kümmern. So halten sich die jungen Leute mit kleinen Jobs über Wasser und verdingen sich als Straßenhändler, als Schuhputzer, auch wenn sie gut ausgebildet sind. Und sie kommen unweigerlich auch mit Kriminalität in Kontakt.

STANDARD: Wie unterscheidet sich ihre Situation von der ihrer Eltern?

Honwana: Am Beispiel Mosambik: Ein Großteil der jungen Männer waren frühen Arbeiter in den Goldminen Südafrikas. Ein klassischer Lebenslauf sah so aus: Mit 18 Jahren gingen sie mit einem 18-Monate-Vertrag nach Südafrika und arbeiteten in den Minen. Sie kamen zurück und konnten ein Ehegeld bezahlen, sie heirateten, gingen wieder nach Südafrika mit dem nächsten Vertrag. Nach der neuerlichen Rückkehr wurde ein Haus gebaut, nach der nächsten Rückkehr kamen die Kinder. Man konnte sich an einem System orientieren, das existiert heute nicht mehr.

STANDARD: Aus welchen Gründen?

Honwana: Es ist eine Kombination aus schlechter Regierungsführung, schlechtem Management, sozialen und ethnischen Spannungen und daraus resultierenden Krisen und den globalen Strukturen des Kapitalismus. In Mosambik wurde beispielsweise durch den langen Bürgerkrieg (1977 bis 1992, Anm.) sehr viel soziale Infrastruktur zerstört. In Südafrika gerieten die Minen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die meisten afrikanischen Länder sind abhängig von Hilfe der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, die wiederum strikte Einschränkungen und Regeln haben, die den schwachen Märkten in Afrika aufgezwungen werden.

STANDARD: Jüngst war bei Studentendemos gegen hohe Studiengebühren in Südafrika auf einem Plakat zu lesen: "New democracy, same old shit" und "Sorry for the inconvenience. We're trying to change the world." Die Generationen davor waren politisch, weil sie zum Beispiel gegen den Kolonialismus auftraten. Und die aktuellen?

Honwana: Junge Afrikaner nehmen wahr, dass ihre Probleme nicht rein afrikanische Probleme sind, sondern Probleme eines weltweiten Systems. Natürlich mitverursacht durch schwache Regierungen, die unfähig waren, die Wirtschaft vor multinationaler Ausbeutung zu schützen. Wenn junge Afrikaner jetzt nach Europa auswandern, sagen sie damit auch: "Unser Problem ist auch euer Problem, denn euer System hat das Ganze erst möglich gemacht." Viele multinationale Konzerne aus Europa und den USA, mittlerweile auch aus China, machen gutes Geld in Afrika, das dort niemandem nützt.

STANDARD: Die vergangenen Jahre zeigen einige Beispiele von Protesten – getragen vor allem von der jungen Generation –, die zu Rücktritten von Regierungen geführt haben. Hat sich denn die Situation der Menschen verändert?

Honwana: Die Umstürze im Arabischen Frühling zeigten, dass Proteste Veränderungen bringen können. Ob diese immer gut sind, kann man nicht vorhersehen. Was alle diese Umsturzbewegungen aber gemeinsam haben, ist, dass sich die Menschen hinstellen und sagen: "So geht's nicht mehr." Natürlich haben die Regierungen die Mittel, den Jungen das Aufbegehren abzugewöhnen. Sie schicken Polizei, Tränengas, Militär. Viele Protestbewegungen wurden im Keim erstickt und die Menschen derart eingeschüchtert, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Die Reihe der Proteste ist trotzdem erstaunlich lang, und Jugendproteste sind eine Konstante in Afrika. Aber Veränderungsprozesse brauchen Zeit. Nehmen wir die Begehrlichkeiten einiger afrikanischer Präsidenten, sich durch Verfassungsänderungen dritte Amtszeiten zu erzwingen. Im Senegal konnte das verhindert werden, ebenso in Burkina Faso. In Burundi, im Kongo ist das leider nicht gelungen, aber die ganze Welt wurde aufmerksam auf die Situation. In Zukunft werden es die Präsidenten nicht mehr so leicht haben.

STANDARD: Wie groß ist die Gefahr für junge Menschen, einer radikalen Gruppe anheimzufallen?

Honwana: Groß. Die radikalen Gruppen haben teilweise leichtes Spiel bei jungen Männern, die keine Perspektive haben und gegen eine kapitalistische Lebenseinstellung Position beziehen wollen. Noch mehr als ideologische Orientierung und Sinnstiftung bieten Gruppen wie Boko Haram, Al-Shabaab, Al-Kaida und die Salafisten aber finanzielle Absicherung für die Jungen und deren Familien.

STANDARD: Wird die junge Generation – auch von den Eliten – instrumentalisiert, was ethnische und religiöse Konflikte betrifft?

Honwana: Teilweise ja. Aber man muss auch sehen, dass diese Generation auf mehr Wissen und Information zurückgreifen kann als je eine Generation davor. Jeder Jugendliche im kleinsten afrikanischen Dorf kann sich darüber informieren, was in der Welt vor sich geht. Die Kehrseite dieser globalen Informationsvernetzung ist natürlich auch, dass man seine eigene Situation in Vergleich setzen kann zu Biografien anderswo. Und man sieht die Ungerechtigkeiten live und kommt darauf: "Wow, das ist eine Welt da draußen, an der ich nie teilhaben werde." Es reicht nicht mehr, eine gute Ausbildung zu haben, um ein gutes Leben zu bekommen. Auch gut Ausgebildete sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Die jungen Afrikaner erwarten viel mehr vom Leben als die Generationen davor und bekommen viel weniger.

STANDARD: Immer mehr junge Afrikaner wollen ihr Glück in Europa versuchen und riskieren dabei teilweise ihr Leben. Die Antwort Europas auf die Sehnsüchte der Menschen könnte deutlicher nicht sein.

Honwana: Wenn Europa die verstärkte Migration als Konsequenz seines eigenen Handelns sehen würde, würden die Reaktionen vielleicht anders aussehen. Wie lange will man noch eine Festung sein, wie lange Zäune aufbauen? Wenn wenige viel haben und viele nichts, wie lange kann das gutgehen? Es sollte doch so sein, dass die Menschen woanders hingehen, weil sie die Qualifikationen haben, die dort gerade gebraucht werden. Und zwar ohne Einschränkungen. Derzeit haben wir es aber mit einer massiven und verzweifelten Migration zu tun, die klarmacht, dass insgesamt etwas falsch läuft.

...

QuoteMeine Wortspende vor 15 Stunden


"Junge, die mangels Arbeitsmöglichkeiten nicht in das Erwachsenenleben eintreten können"

Willkommen in Europa.


QuoteHumanitatis vor 13 Stunden


Viele hier meinen, das hohe Bevölkerungswachstum sei der Hauptgrund für die afrikanische Misere. Warum es so hoch ist, fragt sich aber offenbar keiner.


QuoteCewis vor 13 Stunden


Ich würde sagen, dass ist primär eine kulturelle Sache. Bis vor einigen Jahrzehnten war die Kindersterblichkeit extrem hoch, da brauchte es viele Geburten, und es zahlte sich nicht aus, in Kinder zu investieren (Bildung). Mittlerweile hat sich das geändert, aber die Einstellung nicht. Und kaum ein Staat hat was dafür getan, die Kinderzahl zu verringern. Und die Rolle der Religionen ist da auch nicht sehr ruhmreich.


Quote52678 vor 13 Stunden


Wahrscheinlich weil es relativ offensichtlich ist - arme Leute ohne soziale Absicherung wollen im Alter nicht verhungern und hoffen dass sich die vielen Kinder dann um sie kümmern.


Quotegebdensenfdazu vor 14 Stunden

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84thiopien

Nachdem ein User hier heute was von Äthopien gepostet hat, musste ich mal nachgoogeln, 90 mio EW und 2050 165 mio EW.
Noch in den 60ern gab es noch 37% der ursprünglichen Wäldern, heute sind es nur noch 3%!
Bei 165 mio EW werden die 3% zwangsläufig auch nocht verschwinden, ernähren kann sich die Bevölkerung dieses Landes ohnehin seit den 70ern nicht mehr selbst. Früher gab es Ernteausfälle alle 25-30 Jahre heute alle 5 Jahre, der Boden erodiert wegen dem Waldverlust und es wächst immer weniger Nahrung, aber die Bevölkerungszunahme ist noch immer am "eskalieren".

Was soll das für eine Zukunft werden?


QuoteBodo Steinbrech vor 14 Stunden

Mal zum Nachdenken:
Wennsich die Bevölkerung in Österreich ähnlich entwickelt hätte wie in Afrika, Arabien und Teilen Asiens, dann hätte Österreich heute 80.000.000 Einwohner - bei nur geringfügig höherer Wirtschaftsleistung als jetzt.

Wie würde Österreich unterdiesen Umständen heute aussehen?
Slums, medizinische Versorgung nur für die wenigen Reichen, Sozialleistungen? Was is das?, Massenarbeitslosigkeit, Armut, Hunger, ...


QuoteMagnetische Banane vor 15 Stunden

Es geht nicht um AFRIKA vs. EUROPA

es geht um ARM gegen REICH ... und das weltweit. die Billa-Kassiererin in Ö und der Minen-Arbeiter in Afrika sind Opfer des gleichen Systems. Bist du Teil der 99% oder der 1%? Das ist die einzige Frage um die es geht ....


QuoteMiliTant vor 15 Stunden

Es geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortun, um Anteil an einer Situation. Und den haben wir hier alle (nicht als einzelpersonen, sondern als teil einer gesellschaft, die auf kosten der anderen (besser) lebt). die verantwortung haben wir unabhängug dessen ob wir groß was tun. Wenn wir in einem wirtschaftssystem leben, das von anderen auf deren kosten profitiert, haben wir als teil dieser auch einen teil der verantwortung, ... ich versuch eine kultur zu leben, die einander unetrstützt.


QuoteXXLtraurig vor 16 Stunden

Stimmt, die Welt hat eine Verantwortung, aber auch die Regierungen Afrikas!

Von einem User wurde an anderer Stelle ein Link eingestellt mit einem Video, dass ich hier zeigen möchte.

Es ist einfach unglaublich, wie Konzerne und Staaten auf Kosten der Menschen viel Geld verdienen:

Nestlé: Eine Plastikflasche reines Leben - Spekulation mit Trinkwasser in Südafrika
Sie leben ganz nah an der Quelle - und sitzen doch auf dem Trockenen: Die Menschen im südafrikanischen Ort Doornkloof. Viele arbeiten in der dortigen Nestlé-Wasserfabrik, in der das kostbare Gut in Flaschen abgefüllt wird. Sie selbst haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.
https://www.youtube.com/watch?v=pvRRXn5CCQI

Nicht immer nur dem Westen die Schuld umhängen, auch die Regierungen in Afrika sind gefordert!


Quoterotes gfries vor 17 Stunden

warum spricht weder frau honwana, aber vor allem auch nicht frau honsig-erlenburg DAS afrikanische hauptproblem an? das hauptproblem, welches den ganzen kontinent in den abgrund treiben wird? welches auf lange sicht auch europa zebrechen lassen wird?

gerade von der "zeitung für leser" könnte man kritisches hinterfragen erwarten. oder?

unter den 10 staaten, die weltweit das höchste bevölkerungswachstum haben liegen 6 in afrika. alleine die bevölkerung nigerias wächst jährlich 5 millionen menschen, die bevölkerung äthiopiens um 2,5 millionen menschen, ägypten um 1,5 millionen.

2050 wird nach einer UNICEF-studie afrika von 2 milliarden menschen bewohnt.


Quoterotes gfries vor 16 Stunden

guter mann - dazu eine kleine geschichte. in meiner studienzeit war ich mit meiner damaligen freundin - hat ernährungswissenschaften studiert - für ein paar wochen bei einem eintwicklungshilfeprojekt in kenia zugegen.

brunnen bohren und installieren. einfachste gerätschaften mitgebracht, damit jeder halbwegs geschickte mechaniker einen defekt selbst reparieren kann. einfache pflege. hie und da pumplager und dichtung kontrollieren. die frauen waren durchwegs - im gegensatz zu vielen männern - äusserst interessiert. nach drei jahren evaluation. pumpe kaputt. wasserleitungen alle weg.

"warumhabt ihr die dichtungen nicht getauscht?"
"war keiner da, der es tauschen konnte!"
"warum habt ihr uns nicht angerufen?"
"hat keiner gesagt, dass wir anrufen sollen!"

das hat mich und noch mehr meine damalige freundin ordentlich auf den boden runter geholt. stimmung a la "ihr habt uns hunderte jahre ausgebeutet, jetzt ist es eure pflicht uns zu versorgen!"


QuoteUn veistu vor 15 Stunden

Genau diese Wurschtigkeit, Verantwortungslosigkeit und mangelnde Initiative habe ich auch erlebt: z.B. ehem. Missionsschule, schön, aber heruntergekommen, nicht gepflegt. Alle Glasfenster kaputt, auch das Glas der KLassentüren: aber das kaputte Glas, die Reste der Scheiben, steckt noch immer im Rahmen! Kinder könnten sich verletzen! Wurscht. Meine Frage: Warum das kaputte Glas nicht entfernt wurde, beantwortete man, es sei kein Geld für neue Scheiben da.
Oder: engl. Kanalsystem, in Sri Lanka funktionierts und wird noch ausgebaut. In Lagos wirds zur Müllentsorgung missbraucht und einfach zugeschüttet, also ruiniert. Oder: Beamte müssen von NGOs bestochen werden, um sinnvolle Maßnahmen zuzulassen!  ...


Quote52678 vor 17 Stunden

Bis zum Jahr 2100 soll allein Nigeria 900 Millionen Einwohner haben (zur Zeit 170 Millionen und vor 50 Jahren 40 Millionen). Welchen Plan hat die nigerianische Regierung in Bezug auf diesen erwarteten Bevölkerungszuwachs? Ich denke keinen - weder einen wirtschaftlichen Plan noch einen Plan dieses Bevölkerungswachstum zu verringern. Wie heisst es so schön: "If you fail to plan, you plan to fail."


QuotePeter78 vor 17 Stunden

Die Verpflichtung die irgendwer glaubt zu haben sind den Flüchtlingen ganz egal. Und natürlich hat die Autorin recht. Wir haben alle dazu beigetragen.
Und es war vorherzusehen, keineswegs überraschend.


Quotebassin vor 18 Stunden

1960 das Jahr der afrikanischen Freiheit. Seit durchschnittlich 55 Jahren ist Afrika entkolonialisiert. Und immer noch soll Europa schuld sein. Bestes Beispiel Angola. Zwar erst seit 1975 frei. Schwimmt in Öl, betreibt einen Flugzeugträger (den sich Spanien nicht mehr leisten konnte). Aber sonst bitterarm.


QuotePhoenix25 vor 18 Stunden

Verstehen Sie mich nicht falsch aber wer hat die französische Revolution ausgelöst? Ein paar amerikanische Tomahawk Marschflugkörper? Große Veränderungen passieren dann, wenn sich das Volk erhebt und gewillt ist das Land zu ändern. Aber heute, so scheint es, ist es einfacher, einfach zu Tausenden loszumarschieren, anstatt sich zu (Tausenden zu) organisieren und etwas im Sinne des Volkes zu ändern.


Quote*Fussballgott vor 19 Stunden

Kronen Zeitung heute - Migration als Waffe
In Libyen erinnerten sich jetzt die Machthaber des Landesteils rund um Tripolis, dass diese Art von Erpressung bereits einmal geklappt hat: Es war der 2011 getötete Langzeit- Diktator Gadafi, der vor zehn Jahren Europa mit "Tausenden Flüchtlingen" gedroht hatte. Seine Worte damals: "I'll turn Europe black" (Ich werde Europa schwarz färben). Gadafi erhielt daraufhin die gewünschten EU- Milliarden aus Brüssel.
Zehn Jahre später spielt der "General National Congress", eine der beiden großen Bürgerkriegsparteien in Libyen, diese Karte wieder aus. So betonte Regierungssprecher Jamal Zubia: "Wir können jederzeit Tausende Flüchtlinge, die jetzt bei uns in Libyen aufgefangen worden sind und versorgt werden, in Boote setzen und nach Europa schicken.


QuoteKarl Amen vor 19 Stunden

ein interview über die ursachen der migration am beispiel afrikas OHNE auch nur in einem nebensatz auf die bevölkerungsexplosion einzugehen ?
wow, das muss man erstmal zusammenbringen. alles in allem aber trotzdem kein uninteresting interview.


Quotegreenling vor 19 Stunden

Wer nicht einmal eingestehen kann, dass Europa/USA und auch die aufsteigenden Ostländer Mitschuld haben, braucht hier gar nicht erst mitreden.
Die eigenen korrupten Eliten loswerden? Das schaffen ja nicht mal wir und bei uns ginge das viel leichter - vermutlich bald auch nicht mehr, aber momentan könnten wir noch sagen: Das System muss sich ändern!
Im Endeffekt sind wir alle gefangen im System des Kapitalismus, das einige wenige reich beschenkt und dessen Großkonzerne die Weltpolitik diktieren.


QuoteBerto Bertini vor 19 Stunden

Sie haben eine interessante Diskussionskultur.
Wer nicht meiner Meinung ist, braucht garnicht mitreden.


QuoteE Sprit vor 18 Stunden

Und sie haben es nicht verstanden und wollen es nicht verstehen. Europa macht nach wie vor prächtige Geschäfte in dem man afrikanische Staaten ausnimmt. Fischereirechte, landwirtschaftliche Produkte, etc. Es gibt Ansätze dies zu verbessern, aber dort wo sich die Europäer zurückziehen fallen die Chinesen und Inder ein. Für die Einwohner verbessert sich absolut nichts. Fahrens mal hin, aber nicht in diese Urlauberghettos ...


QuoteB JK vor 19 Stunden

Erwachsene Kinder - "Das ist in Afrika schwieriger: Die Mehrheit ist arm und kann sich nicht um die erwachsenen Kinder kümmern."

Bei allem gebührenden Respekt, aber das liegt auch daran, dass es viel mehr erwachsene Kinder gibt. Auch hier könnte sich kaum eine Familie leisten, bis zu 10 erwachsene Kinder zu erhalten. Nicht einmal 10 nicht-erwachsene Kinder.

Natürlich trägt auch dafür der Westen eine Mitverantwortung, wenn der Papst herumreist und gegen Verhütung predigt. Aber vor allem liegt es daran, dass der Westen Medizin und Hygiene gebracht hat, was die Kindersterblichkeit senkte. Ich bin aber nicht bereit, dass als irgendeine Art von Schuld zu interpretieren.

Die Geburtenrate muss rasch zurück gehen!


QuotePerry Rhodan #1 vor 18 Stunden

bildung von maedchen loest fast alle probleme - die geburtenrate geht am schnellsten zurueck, wenn maedchen und frauen besseren zugang zu bildung und ausbildung haben. bessere ausbildung fuer maedchen = spaeteres erstes kind = weniger "youth bulge" = stabileres land = weniger fluechtlinge
Wenn also die welt effektive Hilfe leisten will, dann soll MASSIV in die bildung afrikanischer und westasiatischer maedchen investiert warden. zum teil wird das wegen traditioneller strukturen schwierig sein, aber wenn man nicht aufgibt werden letztendlich gerade diese strukturen dadurch aufgebrochen.


Quote§83SPG, vor 19 Stunden

Sie haben hundert Prozent recht, wenn sie das ständige Fehlen der Bevölkerungsexplosion monieren. Es muss irgendeinen ideologischen Grund haben, dass dieses Problem in den Systemmedien und Problemanalysen konsequent weggelassen und negiert wird. Vermutlich weil dann die Menschen auch bei uns drauf kommen würden, dass immer mehr und hauptsache jüngere Menschen auch keine Lösung ist, ja sogar Risiken inkludiert.

Afrika kann seine Probleme nur selbst lösen. Die wollen gar keinen Rat und keine Hilfe von uns, was ich gut verstehen kann. Europa kann da nichts bewegen oder gar "zum Guten" ändern. Alternativen sind eine Festung zu errichten oder Massen von Afrikanern Heimat bieten.


QuotejcMaxwell vor 19 Stunden

... fangen wir mal mit einer fairen bezahlung für rohstoffe aus afrika an!


QuoteBerto Bertini vor 19 Stunden

Wenn wir für nigerianischen Öl gleichviel bezahlen wie für norwegisches Öl, beuten wir Nigeria aus?


Quote-lt- vor 19 Stunden

Schön langsam nutzt sich die afrikanische Wehleidigkeit ein bisschen ab....man zerlegt in jahrzehntelangen Bürgerkriegen die Infrastruktur der Länder (die oft ohnehin oft noch aus der Kolonialzeit stammen), aber der böse Westen mit seinen Konzernen ist schuld und er soll doch bitte nicht auf Festung machen.


Quotemarotoma vor 20 Stunden

"Unser Problem ist auch euer Problem, denn euer System hat das Ganze erst möglich gemacht."

Die Hälfte davon stimmt schon, der Rest ist ein alter Hut sozialromantischer Träumer. Man könnte natürlich jetzt auch über die korrupten Eliten (die häufig im West studiert haben) in vielen afrikanischen Ländern sprechen und wer sie an die Macht gebracht hat. Aber die Schuld für das eigene Chaos bei anderen zu suchen ist schon recht billig. Und die tendenziösen Fragen der Interviewerin machen das Ganze nicht besser.


Quotepodwolf vor 20 Stunden

Es hat zwar eh keinen Sinn wenn ich hier schreibe, aber nach reichlicher Lektüre ( es gibt seit den 80er Jahren viele interessante Bücher zu Thema Kolonialismus und Neokolonialismus, insbesondere zu Thema Afrika, ist für mich klar, dass der schwarze Kontinent systematisch ausgebeutet und die Bevölkerung durch Regierungen von Gnade der Konzerne oft aufs grausamste unterdrückt wurde. Sicher nicht überall gleich, aber im großen und ganzen stimmt schon die Richtung. Eine Jugend die keinerlei Perspektive hat, versucht ihr Glück in Europa, wobei sie vom Regen in die Traufe kommen. Denn in Europa werden diese jungen Menschen nirgends gut gelitten sein ( bis auf seltene Ausnahmen ) da der Rassismus in Europa unüberwindbar ist.


QuoteSchnapphahn vor 20 Stunden

Die wirklichen Probleme, die ich in Afrika sehe:

-Die unkontrollierte Bevölkerungsexplosion, auch mit Hilfe der katholischen Kirche
-Die Umweltverschmutzung durch Konzerne
-Die Korruption der herrschenden Eliten
-Der mangelnde Wille vieler Einheimischer etwas an den Zuständen zu verbessern. Wenn ich darauf warte, dass sich was ändert, dann wird sich nie was ändern. Ganz besonders die Männer fallen da unangenehm auf.
-Die katastrophale Unfähigkeit der Regierungen

Egal was für Hilfsprojekte man in Afrika bisher durchgeführt hat. Ein Jahr nachdem man die Menschen selber machen lässt ist alles wieder beim alten.

Wenn es doch mal jemanden gibt, der sich twas aufbaut, dann kommt gleich die ganze Verwandtschaft und will Geld.
Aber Schuld sind, wie immer die anderen.


QuoteHans Müller1 vor 20 Stunden

Habe mal den Sohn des "Informationsministers" des damaligen Taylor-Regimes kennengelernt, der hat uns allen Ernstes erklärt dass Japan nur deshalb besser dastehe weil es die USA so wollen, und Afrika halt von den USA unterdrückt wird.

Da ist die konstruktive Geisteshaltung mit der man sehr viele Probleme lösen wird!


Quotexavi vor einem Tag

Gutes Interview. Danke. Aber es streift natürlich nur die vielen Probleme dieser Welt. Und Afrikas ....


...


Aus: "Soziologin: "Junge Afrikaner erwarten mehr und bekommen weniger"" Interview Manuela Honsig-Erlenburg (3. November 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000024941463/Junge-Afrikaner-erwarten-mehr-und-bekommen-weniger (http://derstandard.at/2000024941463/Junge-Afrikaner-erwarten-mehr-und-bekommen-weniger)
Title: [Am gleichen Tag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 04, 2015, 01:20:34 PM
Quote[...]  Erstaunlich. Da schlägt ein AfD-Politiker am Wochenende vor, dass man gegen Flüchtlinge an der Grenze Schusswaffen gebrauchen dürfe – und nichts geschieht. Keine Diskussionen, keine Analysen, keine Kommentare in unserer ansonsten so kommentarreichen Zeitungslandschaft. Und weil wahrscheinlich nichts geschah, meldet sich keine 24 Stunden später der nächste AfD-Politiker, dieses Mal Alexander Gauland, und wiederholt die Forderung.

Markus Pretzell, Landesgruppenchef der AfD aus Nordrhein-Westfalen, wird von der Nachrichtenagentur dpa am Wochenende mit den Worten zitiert: Die Verteidigung der deutschen Grenze als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit.

Und weiter: Wenn man den ersten Schuss in die Luft gibt, wird deutlich, dass wir entschlossen sind. So weit werde es aber sicher nicht kommen, ergänzt Pretzell, denn: Die Menschen sind doch vernunftbegabt.

Da die Alternative für Deutschland eine Partei ist, die in fünf Landtagen und im Europaparlament sitzt, ist sie aktiv an deutscher und europäischer Gesetzgebung beteiligt. Allein aus diesem Grund ist es notwendig, dass man sich mit dem Vorschlag ernsthaft beschäftigt.

Am gleichen Tag, als Pretzell Schießbefehle als politisches Mittel an der deutschen Grenze zu legitimieren versuchte, starb Günter Schabowski. Viele kennen den SED-Funktionär als jenen Mann, der aus Versehen die Grenze öffnete. Dadurch wurde er eine Art The Big Schabowski. Schabowski war in der DDR für die Grenzsicherung zuständig und wurde nach der Wende für den Bau der Mauer und die daraus resultierenden Mauertoten für verantwortlich erklärt und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Über die Mauertoten erklärte er sich bei diesem Prozess mit den Worten:

"Als einstiger Anhänger und Protagonist dieser Weltanschauung empfinde ich Schuld und Schmach bei dem Gedanken an die an der Mauer Getöteten. Ich bitte die Angehörigen der Opfer um Verzeihung."

Hier sprach also einer, der sich mit Grenzen und Mauertoten lange auseinandersetzte, und von der politisch komplizierten Theorie der DDR zu der moralisch sehr simplen Erkenntnis gelang, dass man dereinst Tote an einer Grenze aus Gründen einer "Weltanschauung" in Kauf nahm und sich, ob gewollt oder nicht, mit diesen Worten nicht nur für die Toten entschuldigte, sondern auch die Anschauung dahinter. Sie lautet: "Verteidigung der Grenze mit allen Mitteln".

Hier liegt die Verbindung zwischen Schabowski und Pretzell. Es trennt sie nur 26 Jahre. Eine Generation. Das ist verdammt wenig. Und nun soll die Verteidigung der Außengrenze eines deutschen Staates mit Waffengewalt laut Pretzell erneut eine Selbstverständlichkeit sein? Wenn dem so ist, weshalb sitzt er im Europaparlament, dessen oberstes Ziel die Aufhebung nationaler Grenzen ist?

Dass eine Grenze gesichert und kontrolliert werden muss, wird als Selbstverständlichkeit definiert. De facto haben wir in Deutschland aber seit dem 1995 in Kraft getretenem Schengener Abkommen keine gesicherte Grenze. Also Deutschland zurück zu den Grenzen nach 1989 und vor 1995?

Was genau ist eigentlich eine Ultima Ratio? Die deutsche Übersetzung aus dem Lateinischen heißt "letzte Möglichkeit" oder "letztes Mittel". Pretzell meint also, das letzte Mittel gegen Flüchtlinge sei Schusswaffengebrauch an der Grenze. Ist das tatsächlich so? Darf man sich gegen einen Grenzübertritt eines Flüchtlings mit Waffen wehren? Gibt es einen Notwehrparagrafen gegen Flüchtlinge im Gesetz?

Ist nicht ganz im Gegenteil der Grenzübertritt seitens eines Flüchtlings angesichts der Genfer Flüchtlingskonvention, die Deutschland unterzeichnet hat, und angesichts Artikel 16a des Grundgesetzes, "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", nicht legitim? Ist das, was als illegitimer Grenzübertritt gehandelt wird, nicht vielmehr eine Einreise auf Rechtsgrundlage? Kritiker des "ungeordneten Flüchtlingsstroms", wie Innenminister de Maizière und andere ihn bemängeln, vergessen, dass unsere Gesetzeslage von "politisch Verfolgten" spricht und nicht von "in einem sicheren Drittstaat erstregistrierte politisch Verfolgte".

Bevor der Begriff des Ultima-Ratio-Prinzips im Strafrecht als letztes Mittel zur Sicherstellung des Rechtsfriedens Einzug nahm, ließ im Dreißigjährigen Krieg der Kirchen- und Staatsmann Kardinal Richelieu auf die Kanonen ultima ratio regum prägen.

Das letzte Mittel der Könige stand da also, bevor der letzte Gruß aus der Kanone abgefeuert wurde. Das letzte Mittel gesteht indirekt auch eine Notlage ein. Doch worauf begründet sich eigentlich der Notfall? Worauf begründet sich für die in Deutschland lebenden Bürger eigentlich die Gefahr von ein paar Hunderttausend Flüchtlingen? Worin besteht die Gefahr für Leib und Leben der Deutschen? Wo genau sind wir bedroht? Wohnraum? Gesundheit? Nahrung? Bildung? Man kann es drehen und wenden wie man will. Mangel an Wohnraum, Gesundheit, Nahrung und Bildung erleiden die Flüchtlinge. Nicht wir.

Flüchtling sein beschreibt eine Bewegung. Weg von der Gefahr, hin zur Sicherheit. So betrachtet ist eine Flucht dann zu Ende, wenn der Flüchtling sicheren Boden betritt. Im Europäischen Recht ist der Flüchtling aber auch ein rechtlicher Status. Das heißt, die Fluchtbewegung ist beendet, der Status jedoch bleibt. Oft für viele Jahre. Nehmen wir an, wir würden alle Flüchtlinge, sobald sie sicheren Boden betreten, nicht mehr Flüchtlinge nennen, sondern sie zu freien Menschen erklären, die in europäische Länder ein- und ausreisen dürfen, wie würden wir die Bewegung dieser Menschen dann nennen?

Würden Markus Pretzell und andere, die mit dem Gedanken der Grenzsicherung durch Waffengewalt sympathisieren, immer noch das Gefühl des Notfalls erleiden, wenn man Flüchtlinge zu freien Menschen "umdeklariert"? Würde dann das Gefühl aufhören, dass uns die Flüchtlinge "gehören" und "wir" mit "ihnen" machen dürfen, was wir wollen? Reinlassen, rauslassen, Geld gewähren, Geld kürzen, in Transitzonen stecken, in Hotspots, Registrierungslager, Internierungslager, Auffanglager, irgendwelche anderen Lager oder gleich erschießen und so weiter, weil doch, wie immer behauptet wird, eine Notlage herrsche?

Was wäre, wenn wir aus Flüchtlingen, sobald sie europäischen Boden betreten, "Europäer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis" machen, die sich dieses Recht durch Heimatverlust erwirkt haben? Sie wären die Ersten der Europäische Union, die probeweise einen europäischen Pass mit Arbeitserlaubnis bekämen. Was wie ein ultrahippiehafter Gedanke klingt, ist eine uralte Idee.

Der Chefintellektuelle und Vorzeigehippie der aufgeklärten deutschen Wertegemeinschaft, Alexander von Humboldt, erreichte im Jahr 1857, dass König Friedrich Wilhelm IV. ein Gesetz unterschrieb, in dem es hieß: "Sklaven werden von dem Augenblicke an, wo sie Preußisches Gebiet betreten, frei." Humboldts einleuchtende Idee bestand darin, dass alle Menschen "gleichmäßig zur Freiheit bestimmt" sind. Hier wurde also keine nationale Grenze gesichert, sondern der rechtliche Status durch eine politische Maßnahme geändert. Eine Ultima Ratio, wenn man so will.

Pretzells weitere Aussage, dass der erste Schuss in die Luft "Entschlossenheit" signalisieren solle, lässt keinen Gedankenspielraum für die Frage, wohin der zweite Schuss zielt. Jede weitere Ergänzung eines solchen Satzes wäre eine Relativierung. Und was im Folgenden wie eine Relativierung klingt, ist in Wirklichkeit eine Steigerung.

Pretzell versucht zu beschwichtigen, indem er anmerkt,  dass es zum weiteren Schuss nicht kommen müsse, denn die Menschen seien schließlich "vernunftbegabt". Damit meint er nicht den deutschen Grenzschützer. Vernunft setzt er bei den Flüchtlingen voraus. Wer vernunftbegabt ist, wird stehen bleiben. Nur Unvernünftige lassen sich erschießen, wäre wohl die Schlussfolgerung.

Menschen, die vor Krieg fliehen, haben oft eine lange Reise hinter sich, in der sie manchmal Dinge tun, die auf den ersten Blick unvernünftig erscheinen. Mitten in der Nacht ein wackeliges und überfülltes Boot ohne Rettungsweste und Trinkwasser auf rauer See besteigen, ist nur ein Beispiel von vielen. Aus einer lebensbedrohlichen Maßnahme wurde im Nachhinein ein lebensrettendes Mittel. Das ist die Ultima Ratio eines Flüchtlings.

In der DDR nannte man die Mauertoten übrigens konsequent "Gesetzesbrecher". Der DDR-Journalist Karl Eduard von Schnitzler legitimierte die Toten einst mit der Feststellung: "Soll man von unserer Staatsgrenze wegbleiben – dann kann man sich Blut, Tränen und Geschrei sparen." Da ist sie ja wieder, die alte neue Strategie, ein Verbrechen als Notwehr umzudeuten, in deren Namen angeblich nicht der Mensch, sondern die Vernunft zum Opfer fiel.

Quoteyurina
#3  —  vor 1 Stunde 54

Danke. Und noch ein Voschlag für Zeit online: Hört auf (und nicht nur Ihr) das ganze Flüchtlingskrise zu nennen. Sie kommen. Und wir helfen, so gut es geht. Und es sind Menschen mit Menschenrechten. Keine Manövriermasse. Schöne Grüsse vom Gutmenschen, da bin ich stolz drauf.


Quote
Lampyridae
#6  —  vor 1 Stunde 22

Natürlich herrscht Krieg. Aus Sicht der besonders "besorgten Bürger" befindet sich D bereits in einem Bürgerkrieg - "Linksgrünversiffte Gutmenschen" in Koaltion mit den "Moslem-Invasoren", gegen das "Volk". Man schaue nur mal in deren politische Heimstätten, wie PI, oder höre sich Reden deren "Intellektueller" wie Pirincci an:Deutschland wird angegriffen. Das deutsche Volk kämpft ums nackte überleben. Die Deutschen, als von einem Genozid(!), bzw. einer Neuauflage der NS-Euthanasie(!) bedrohte Spezies. Kein Wunder, dass dann täglich Flüchtlingsheime angesteckt oder dunkelhäutige Menschen niedergeschlagen werden, man muss sich ja "wehren"...


Quotepentagram
#8  —  vor 1 Stunde 14

Die Forderung der AFD zeigt wessens Geistes Kinder Sie sind. Eine Forderung die in eine Autoritäer Diktatur passen würde. ...


QuoteBluto Blutarski
#18  —  vor 1 Stunde 10

Also ich weiß nicht: Die Idee einer robust gesicherten Grenzbefestigungsanlage rund um die am lautesten schreienden Bundesländer herum ist zwar nicht neu, gewinnt aber in meinen Augen von Tag zu Tag mehr an Attraktivität!

Quote
Runkelstoss
#18.1  —  vor 1 Stunde 6

[Die Idee einer robust gesicherten Grenzbefestigungsanlage rund um die am lautesten schreienden Bundesländer herum ist zwar nicht neu, gewinnt aber in meinen Augen von Tag zu Tag mehr an Attraktivität!]

Aber vorher versuchen wir es noch einmal mit Integrationskursen.



...


Aus: "Kiyaks Deutschstunde / Flüchtlingspolitik: Ist Krieg oder was?" Eine Kolumne von Mely Kiyak (4. November 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2015-11/afd-fluechtlinge-kiyak-deutschstunde (http://www.zeit.de/kultur/2015-11/afd-fluechtlinge-kiyak-deutschstunde)

Title: [Mitten in der... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 23, 2016, 02:28:23 PM
Quote[...] Mitten in der Flüchtlingskatastrophe glauben wir noch immer, es könnte weitergehen wie bisher. Ein großer Irrtum. Was wir jetzt brauchen, ist ein globaler Realismus.  ... Aus globaler Perspektive handelt es sich beim deutschen Kulturkampf zwischen Pegida und AfD auf der einen und den Anhängern der "christdemokratischen Neoliberalen und ihren sozialdemokratischen Gehilfen" (noch einmal Avanessian) auf der anderen um nicht viel mehr als einen Zickenkrieg zwischen Bürgern der Wohlstandszone, die alle gleichermaßen profitieren von der Zerstörung staatlicher Strukturen in Afrika oder dem Nahen Osten. Für einen Kongolesen oder Iraker ist das im bürgerlichen Feuilleton zum Stilmittel gewordene Pegida-Bashing in etwa so hilfreich, wie es in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Streitigkeiten zwischen Wehrmacht und SS um die moralisch korrekte Besatzungspolitik waren.

... Die Wahrheit Europas liegt jenseits von Berlin, Paris und Budapest, jenseits des Mittelmeers und jener Politik des Mitleids, mit der wir uns aktuell vom Elend der Welt freikaufen.

Hören wir also auf, ein weiteres Jahr der kapitalistischen Fabel zu glauben, dass es immer so weitergehen kann – nur irgendwie weniger tödlich für die Verlierer des Systems, irgendwie weniger peinlich für die Gewinner, irgendwie sauberer für den Planeten. Entwickeln wir, nachdem wir uns der imperialen Innenpolitik gewidmet haben, einen wahrhaft globalen Realismus. Einen Realismus, der nicht nur die Menschen sichtbar macht, die es bis an die Gestade Griechenlands und Italiens geschafft haben. Sondern auch jene, die außerhalb des Fokus der europäischen Mitleidindustrie leben: jene Rechtlosen und Unsichtbaren, die, um ein schreckliches Wort von Hegel aufzunehmen, "keine Geschichte haben".

Denn wenn die gefühlte Apokalypse des vergangenen Jahres etwas gebracht hat, dann Folgendes: Sie hat auch dem Letzten unter uns die Wahrheit über das System enthüllt, in dem wir leben. Und nichts anderes heißt ja "Katastrophe": Enthüllung.

Quoteleon_mz
#5  —  vor 1 Stunde 2

Auflösung von Grenzen/Begrenzungen

1989 hat die Auflösung der Ost/Westgrenze zur erweiterten Globalisierung und
des kulturellen und wirtschaftlichen Austausches und installation der Demokratie
in viel Ostblockländern Einzug gehalten. Das Kollektiv der Menschheit entwickelt sich im
Moment weiter in Richtung Einheit der Völker. Dazu ist es notwendig das
ungerechte Nord/Südgefälle aufzulösen. Genau das erleben wir jetzt durch die Religionskonflikte und Wertekonflikte in vorderen Orient und Nordafrika der aber
nach Europa reigetragen wird. Kein Land auf der Welt kann mehr ein Inseldasein führen, alles ist in Wirklichkeit schon eins.

Quote
Areo Pagita #5.6  —  vor 1 Minute

Das mit der wachsenden ,,Einheit der Völker" ist ein typisches linkes Hirngespinst und eine vollkommene Verzerrung der Realitäten. Solche Phantasien gab es immer wieder. Vor ein paar Jahrzehnten träumte ein gewisser Francis Fukuyama, amerikanischer Politologe, vom ,,Ende der Geschichte" in Form einer überall sich entwickelnden Demokratie. Er ist inzwischen zurückgerudert. Aber in vielen Köpfen der politischen und medialen Klasse weltweit herrschten ähnliche Gedanken, die sich im Falle des ,,arabischen Frühlings" als fürchterliche Irrtümer herausgestellt haben. Aus den erhofften Demokratien wurden flugs neue Diktaturen oder failed States. Demokratie Pustekuchen.

Carl Schmitt schrieb schon 1932: ,,Wer Menschheit sagt, will betrügen."


Quote
zeitgenössisch
#6  —  vor 1 Stunde


Realismus? Dann bitte konsequent.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich die Weltbevölkerung vervierfacht.
Heute hungern gemäß UN mehr Menschen auf der Welt, als damals überhaupt insgesamt in der sog. dritten Welt lebten. Die Entwicklungspolitik kommt mit diesem riesigen Bevölkerungswachstum, den alle Hilfsmaßnahmen zB zur Reduzierung von Kindersterblichkeit und besserer Gesundheitsversorgung und Ernährung indirekt mit verursacht haben, nicht hinterher.

Das ist ein Problem, welches ratlos macht. Wir wollen ja auch keinen Sozialdarwinismus. Wir wollen auch keine faschistoiden Maßnahmen wie Zwangssterilisierungen. Wir wollen auch niemand verhungern lassen oder Kinder an vermeidbaren Krankheiten versterben sehen. Wir wollen nicht, dass unsere globale Biosphäre an der Kombination aus wachsender Weltbevölkerung und wachsendem Wohlstands- und Konsumhunger dieser wachsenden Weltbevölkerung kaputt geht.

Wir wollen sehr vieles, wir wollen Dinge, die mit kalter Objektivität betrachtet nicht miteinander vereinbar sind.

Wie, außer mit Ratlosigkeit, können wir also wirklich reagieren? Es gibt keine Lösung. Schon gar keine einfache.

Das einmal anzuerkennen würde zum einzig richtigen Modus führen. Nämlich eine Priorisierung, wie sie zB in der Medizin in Krisensituationen - und unsere Welt ist eine einziges Krisengebiet - essentiell ist, umso viele Leben wie möglich zu retten.

Genau das machen wir aber nicht. Wir nehmen nur die Stärksten auf, die sich hierher durchschlagen konnten.


Quote
MitInteresse
#11  —  vor 1 Stunde

"Es ist dies ein Humanismus, der nicht mehr universal, sondern bloß noch für klar definierte imperiale Räume gilt; eine Art aristokratische Seelenzucht, quasi eine moralische Innenpolitik Europas."

Sehr treffend. Letztendlich war das doch immer so. Was kümmern uns die Menschen, die im "fernen" Afrika verhungert sind und weiter verhungern. Moralische Entrüstung setzt erst dann ein, wenn sich das Elend vor unserer Haustür abspielt.

Die Bürgerseele wird aber schon wieder Ruhe geben, wenn wir es schaffen, die Türen fest zu verrammeln und die Rolladen herunterzulassen. Unser ruhiger Schlaf ist gesichert, wenn Länder wie die Türkei oder Marokko sich die Hände schmutzig machen. Gegen Bezahlung versteht sich. Schleuser im umgekehrten Sinne.



Quote
Labordelfin
#19  —  vor 1 Stunde

Was für eine paternalistische Weltsicht.

Die islamische Welt, die afrikanischen Staaten haben also keinerlei Einfluss auf die Lebensqualität in ihren Ländern?
Machtgeilen Klerus, korrupte Eliten gibt es dort nicht?
Alle, denen es dort schlecht geht, leiden wegen Europa und dem Westen allein ?
Jeder soll kommen dürfen und unsere westlichen Länder in Elendsgebiete, vergleichbar mit den Herkunftsländern, verwandeln?


Quote
Antigone dreht am Rad
#23  —  vor 55 Minuten
1

Den Abgesang für den Universalismus liest man dieser Tage öfter. Wenn auch nur als leere unbestimmte Drohung am metaphysischen Horizont.
Es stimmt: der Bogen der Herzen war und ist zu weit gespannt, da hilft auch kein neuer Realismus. Im Gegenteil: die Realität selbst will von allzu hehren, allzu raumgreifenden Zielen nichts mehr wissen.
Ist der German Weltschmerz nicht aktueller denn je?!
Womöglich kann die Kunst daraus viel Inspiration schöpfen,
für die Politik würde ich mir hartgesottene Geister wünschen.
Die Sicht auf die Dinge allein ist keine Kraft, sie birgt zu viel Ignoranz.
Ganz fair gesprochen, kann man die Erhabenheit des Universalismus nicht auf eine "realistische Ebene" transferieren. Es wäre (wie immer) nur eben der Ausschnitt von Realität, der den enthobenen Entwürfen nicht allzu sehr im Wege steht.
Wehret den Künstlern!
Und wenn ich schon dabei bin: Theologen und Theologentöchter raus aus der Politik!


Quote
neue-woche-neuer-nick
#26  —  vor 53 Minuten

Wie der "globale Realismus" aussehen soll, erfährt der Leser leider nicht...



Aus: "Betroffenheit reicht nicht "  Milo Rau (DIE ZEIT Nr. 2/2016, 7. Januar 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/2016/02/fluechtlinge-hilfe-mitgefuehl-betroffenheit (http://www.zeit.de/2016/02/fluechtlinge-hilfe-mitgefuehl-betroffenheit)
Title: [Nach Berichten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 26, 2016, 09:23:35 AM
Quote[...] In mehreren Heimen haben Flüchtlinge kein Geld mehr, um sich Lebensmittel zu kaufen. Nach Berichten der ,,rbbAbendschau" und der ,,Berliner Zeitung" schlagen Leiter von Flüchtlingsunterkünften Alarm, dass Menschen regelrecht hungern müssten. Den Angaben zufolge erhalten etliche Flüchtlinge nicht die finanziellen Leistungen, die ihnen gesetzlich zustehen, da sie keine Termine beim Lageso bekämen.

Inzwischen wurde die Berliner Tafel um Hilfe gebeten. Gegenüber der ,,Abendschau" sagte die Senatsverwaltung, dass intensiv an einer Verbesserung der Situation gearbeitet werde.

Tsp


Aus: "Chaos am Lageso in Berlin: Flüchtlinge haben kein Geld für Lebensmittel" (25.01.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/chaos-am-lageso-in-berlin-fluechtlinge-haben-kein-geld-fuer-lebensmittel/12878452.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/chaos-am-lageso-in-berlin-fluechtlinge-haben-kein-geld-fuer-lebensmittel/12878452.html)


Title: [Ein Bericht... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 17, 2016, 09:58:45 AM
Quote[...] Ein Bericht des türkischen Arbeitgeberverbands TISK spricht von mindestens 300.000 Syrern, die in der Türkei arbeiten, die meisten davon auf dem Schwarzmarkt. Die Hälfte der syrischen Arbeiter verdient gerade einmal 220 Euro im Monat — viel zu wenig, um sich selbst, geschweige denn eine Familie zu ernähren. Oft müssen dann auch die Kinder arbeiten, um das Haushaltseinkommen zu unterstützen. ...

Quotesumashod
#4  —  vor 30 Minuten 5

Wer glaubt, dass es in Deutschland anders wird, der irrt sich gewaltig! Rumänische Migranten sind ein gutes Beispiel dafür.

QuoteFlinx_DE
#4.1  —  vor 16 Minuten

Hast Du da konkrete Beispiele. Nach meiner Kenntnis haben Rumänen (zumal welche mit fundierter Ausbildung) gute Gründe in Deutschland zu arbeiten, siehe
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-05/zuwanderung-deutschland-sozialtourismus-rumaenien-brain-drain


Quote
sumashod
#4.2  —  vor 1 Minute

Wenn die Erntesaison beginnt, dann gehen Sie mal auf die Felder und reden Sie mit den Menschen. Fragen Sie diese nach ihren Berufen. Sie wersen sich wundern! Ich habe das mal gemacht. Ist viel aussagekräftiger als Ihr Link.


...


QuoteApfelsaftschorle
#10  —  vor 24 Minuten 3

Genau das will die hiesige Wirtschaft doch auch, nachdem sie so dermaßen gebeutelt und geknechtet wurde mit der Einführung des Mindestlohns. Endlich wieder Sklavenfrischfleisch.


...


Aus: "In den Kellern von Istanbul" Von Zia Weise, Istanbul (17. Februar 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-02/tuerkei-fluechtlinge-syrien-istanbul-arbeit-arbeitsrecht (http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-02/tuerkei-fluechtlinge-syrien-istanbul-arbeit-arbeitsrecht)

Title: [In knapp zwei Monaten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 24, 2016, 12:06:10 PM
Quote[...]  In knapp zwei Monaten seit Jahresbeginn sind bereits mehr als 100.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gekommen. 2015 sei diese Zahl erst im Juli erreicht worden, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf mit.

97.000 Männer, Frauen und Kinder sind den Angaben zufolge in Griechenland angekommen. Über Italien kamen in dem Zeitraum nur etwa 7.500.

Mehr als 410 Flüchtlinge sind in diesem Jahr bereits auf ihrer Flucht ums Leben gekommen. Allein auf der Überfahrt von der Türkei zu den griechischen Inseln starben 321 Menschen. Laut griechischen Behörden kommt etwa die Hälfte aller Flüchtlinge aus Syrien (48 Prozent), gefolgt von Afghanistan (25 Prozent) und dem Irak (17 Prozent). Im Februar haben nach IOM-Angaben mehr als 26.000 Flüchtlinge und Migranten die griechische Grenze zu Mazedonien überquert.

Nach Einschätzung europäischer Behörden suchen sich internationale Schleuserbanden aufgrund der Verschärfung der Grenzkontrollen auf der Balkanroute neue Wege Richtung Norden. Eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei werde außerdem dazu führen, dass Flüchtlinge auf die gefährliche zentrale Mittelmeerroute aus Libyen und Ägypten ausweichen, berichtet die Welt am Sonntag.

Nachrichtendienste aus verschiedenen Ländern hätten beobachtet, dass in libyschen Küstenorten bereits zwischen 150.000 und 200.000 Flüchtlinge auf besseres Wetter warteten, um die Fahrt übers Mittelmeer zu wagen. Bislang kämen die Flüchtlinge dort vor allem aus Eritrea, Nigeria und Somalia. Die Zahl der Migranten aus der Kriegsregion in Syrien steige jedoch.


Aus: "Mittelmeer: Mehr als 100.000 Bootsflüchtlinge seit Jahresbeginn" (23. Februar 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-02/fluechtlinge-mittelmeer-iom-europa-2016 (http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-02/fluechtlinge-mittelmeer-iom-europa-2016)

Title: [Während Politik und Medien... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2016, 08:52:16 PM
Quote[...] Ungarns Regierungschef Orban gilt unter den osteuropäischen EU-Mitgliedern als treibende Kraft hinter dem Plan, die mazedonisch-griechische Grenze komplett abzuriegeln und damit Griechenland faktisch mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen. Damit ist er auf europäischer Bühne in der Flüchtlingspolitik gewissermaßen der Gegenspieler von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die einen anderen Ansatz verfolgt. Merkel setzt darauf, dass die Türkei die Flüchtlinge hindert, an der Ägäisküste nach Griechenland überzusetzen. ...


Aus: "Viktor Orban und das Abschottungs-Dilemma" Albrecht Meier (22.02.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingskrise-in-ungarn-viktor-orban-und-das-abschottungs-dilemma/12999162.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingskrise-in-ungarn-viktor-orban-und-das-abschottungs-dilemma/12999162.html)

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Quote[...] In der Flüchtlingskrise schafft Südosteuropa Fakten: Nachdem Österreich, Slowenien und Serbien die Ein- und Durchreise für Flüchtlinge erschwert haben, hat nun auch Mazedonien seine Grenze zu Griechenland für alle geschlossen, die keine syrischen oder irakischen Pässe vorweisen können. Das Ergebnis: Rund 10.000 Migranten sitzen in Griechenland in der Falle – allein in den 24 Stunden bis Dienstagmittag kamen 5000 hinzu. ...


Aus: "In der Flüchtlingskrise ist Plan B längst in Kraft"  Boris Kálnoky (23.02.2016)
Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article152578136/In-der-Fluechtlingskrise-ist-Plan-B-laengst-in-Kraft.html (http://www.welt.de/politik/ausland/article152578136/In-der-Fluechtlingskrise-ist-Plan-B-laengst-in-Kraft.html)

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Quote[...]  Der oberste Flüchtlingshelfer der Welt stand mitten im Zentrum der Krise. Anfang der Woche besuchte Filippo Grandi, Hoher Kommissar des UNHCR, das Grab eines siebenjährigen Kindes, das auf der Insel Lesbos beerdigt wurde: ein schmuckloser Marmorstein mit dem Namen Jafar Mosavi, daneben verdorrte Blumen und ein lächelnder Plüschteddy. Jafar war auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland ertrunken.

"Ich bin sehr besorgt darüber, dass die Grenzen auf der Balkanroute sich schließen", sagte Grandi nach seinem Besuch auf dem Friedhof. Kurz zuvor hatte sich die Nachricht verbreitet, an der Nordgrenze Griechenlands würden kaum mehr Menschen durchgelassen. Das werde "noch mehr Chaos und Verwirrung schaffen" und die Bürde für Griechenland erhöhen, sagte der UN-Kommissar. Dabei trage das Land schon viel Verantwortung, indem es die Ankommenden versorge und unterbringe.

Seine Worte stehen im Kontrast zu den Vorwürfen, die sich die griechische Regierung nicht mehr nur von den Ländern weiter nördlich auf der Balkanroute anhören muss. Auch die eigene Bevölkerung und die Medien in Griechenland werden wegen der vielen Flüchtlinge, die täglich kommen, zunehmend nervös. Am Mittwochabend holte Ministerpräsident Alexis Tsipras zum Konter aus und drohte der EU: Er werde solange durch sein Veto politische Beschlüsse blockieren, bis die gleichmäßige Verteilung von Geflüchteten auf die EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werde.

Griechenland akzeptiere nicht, dass es Staaten gebe, die einerseits keinen einzigen Migranten aufnehmen, aber andererseits Zäune bauten. Tsipras nannte es eine "Schande", dass Österreich und weitere Länder der Westbalkanstaaten am Mittwoch in Wien eine Konferenz zur Asylpolitik abgehalten haben – außerhalb des EU-Rahmens und ohne griechische Beteiligung.

Trotzdem sieht die griechische Presse auch eine Verantwortung bei der eigenen Regierung. Die Athener Zeitung To Vima beschuldigt Tsipras, das Flüchtlingschaos selbst verursacht zu haben. Er habe viel zu spät auf die Situation reagiert und das Problem durch die Grenzöffnung nach Norden einfach verschoben. "Griechenland läuft Gefahr, zu einem Depot der Seelen zu werden", kommentierte die Zeitung. Die Regierung habe es versäumt, frühzeitig Verbündete in dieser Krise zu finden. Deshalb werde Griechenland jetzt von der EU erneut isoliert.

Während Politik und Medien darüber streiten, wer an der Krise Schuld ist und ob sich die Seegrenze zur Türkei effektiv abriegeln lässt, versuchen das Militär und die kommunale Verwaltung, die Flüchtlinge überall im Land unterzubringen. Allein am Mittwochmorgen erreichten 1.700 registrierte Migranten auf Fähren den Hafen in Piräus. Jetzt harren sie in einem Gebäude auf dem Hafengelände aus. Man lässt sie nicht weiter nach Norden reisen, um das Chaos an der Grenze nicht noch zu vergrößern. Derweil warten auf Lesbos noch einmal 2.500 Menschen darauf, auf das Festland übersetzen zu können.

Die Auffanglager sind im ganzen Land überfüllt. In dem neu aufgebauten Verteilungszentrum Schisto bei Athen können kaum mehr Menschen aufgenommen werden. Etwa 40 Busse erreichten am Mittwoch das Auffanglager Diavata nahe der nördlichen Metropole Thessaloniki. Die Menschen hatten zuvor an der Grenze zu Mazedonien ausgeharrt, bis die Polizei das notdürftige Zeltlager Anfang der Woche auflöste.

Auf der Autobahn zwischen Athen und Thessaloniki strandeten weitere 1.200 Menschen. Ihre Busse fuhren nicht mehr weiter, nachdem bekannt wurde, dass die Grenze geschlossen sei. Griechische Medien berichteten, dass etwa die Hälfte der Menschen, unter ihnen viele Kinder, nun zu Fuß aufgebrochen sei, um die 450 Kilometer lange Strecke bis nach Mazedonien zu gehen.

Auf den Inseln kommen weiterhin Schlauchboote aus der Türkei an. Die Regierung rechnet deshalb mit noch mehr Flüchtlingen. Derzeit hielten sich etwa 12.000 Menschen im Land auf, die ihren Weg Richtung Westeuropa nicht fortsetzen könnten, sagte der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas. In den nächsten Tagen könnten es schon 14.000 oder 16.000 sein. Die Regierung suche Orte, um bis Ende der Woche weitere Notlager errichten zu können, und verhandele mit den Bürgermeistern überall im Land.

Die griechische Bevölkerung steht ähnlich wie die deutsche der Flüchtlingskrise gespalten gegenüber. Ein Unterschied ist allerdings, dass die beiden Länder in ihrer wirtschaftlichen Situation nicht weiter auseinanderliegen könnten: Griechenland entging 2015 knapp einer Rezession und hat die vergangenen sechs Jahre 25 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verloren. Deutschland hingegen geht es so gut wie lange nicht.

Bisher haben sich Proteste gegen Aufnahmelager jedoch in Grenzen gehalten. In Diavata bei Thessaloniki demonstrierten Anwohner gegen die Großunterkunft. Jetzt fordern sie nur noch, dass eine zusätzliche Polizeiwache in dem Ort eingerichtet wird. Auf der Insel Kos verzögern allerdings Bürger schon seit Wochen den Bau eines Registrierungszentrums. Sie fürchten um ihre wichtigste Einnahmequelle: den Tourismus. Und niemand kann absehen, wie sich die Stimmung in einer Bevölkerung mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit entwickelt, wenn schon in wenigen Tagen überall im Land Tausende Flüchtlinge festsitzen.


Aus: "Endstation Griechenland" Zacharias Zacharakis (25. Februar 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-02/fluechtlinge-griechenland-grenze-mazedonien-lesbos (http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-02/fluechtlinge-griechenland-grenze-mazedonien-lesbos)

Title: [Der Bundestag hat am Donnerstag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2016, 08:57:10 PM
Quote[...] Der Bundestag hat am Donnerstag das umstrittene Asylpaket verabschiedet. In namentlicher Abstimmung votierten 429 Abgeordnete für die Gesetzesänderungen, die unter anderem schnellere Verfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive und eine Aussetzung des Familiennachzuges für Flüchtlinge mit dem untergeordneten subsidiären Schutz vorsehen. 147 Parlamentarier stimmten dagegen.

Es ist das zweite Gesetzespaket mit Verschärfungen im Asylrecht innerhalb von vier Monaten. Die große Koalition will damit eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen erreichen. Das zweite Asylpaket enthält auch niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker und eine Eigenbeteiligung von Flüchtlingen an den Kosten für Integrationskurse. Die Asylbewerberleistungen sollen dafür pauschal um zehn Euro gekürzt werden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD) hat das Asylpaket II gegen die Kritik der Opposition verteidigt. Die umstrittene Aussetzung des Familiennachzuges betreffe nur eine ,,kleine Gruppe" von Flüchtlingen mit ungesichertem Aufenthalt, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende am Donnerstag in der abschließenden Debatte des Bundestages zu dem Gesetzespaket.

Özoguz verwies darauf, dass im vergangenen Jahr lediglich 1700 Flüchtlinge in Deutschland den eingeschränkten subisidiären Schutz erhalten hätten, für die die Aussetzung des Familiennachzuges gilt. Zudem laufe die Regelung nach zwei Jahren aus, es werde an der Rechtslage nichts Grundsätzliches geändert.

Demgegenüber kritisierte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt die Aussetzung des Familiennachzuges als ,,unverantwortlich und schäbig". ,,Sie trennen Familien", warf sie der Bundesregierung vor. Unbegleitete Minderjährige, für die die Aussetzung auch gilt, würden der Willkür der Behörden ausgesetzt. Göring-Eckardt kritisierte zudem das langwierige Hin und Her der großen Koalition beim Asylpaket II. ,,Das ist nicht Maß und Mitte, das ist Panik und Chaos."

,,Innerhalb von fünf Tagen werden Gesetze durchgepeitscht", kritisierte auch die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke das beschleunigte Verfahren im Parlament. Der großen Koalition gehe es nur noch darum, wie sie Menschen, die sie loswerden wolle, möglichst schnell abschieben könne. ,,Das ist nur noch unerträglich und ekelhaft", sagte Jelpke zur Politik der Bundesregierung.

Beschlossen wurde vom Bundestag am Donnerstag auch ein Gesetz, das Ausweisungen straffällig gewordener Ausländer erleichtert. Künftig kann dafür eine Bewährungsstrafe ausreichen. Dies gilt auch für die Grenze, ab
der einem Asylbewerber die Anerkennung als Flüchtling verweigert werden kann. Das Gesetz, dass das erst zum Jahresanfang in kraft getretene neue Ausweisungsrecht bereits wieder ändert, war eine Reaktion auf die
Straftaten in der Silvesternacht in Köln.

Das sind die Kernpunkte des Asylpakets II

Im November vergangenen Jahres hat sich die große Koalition auf den Rahmen für ein zweites Asyl-Paket geeinigt. Was folgte, war ein wochenlanger Streit zwischen Union und SPD. Größter Streitpunkt waren die Ausweisung krimineller Ausländer und díe Einschränkung des Familiennachzuges.

    Asylschnellverfahren: In der Debatte war zunächst von ,,Transitzonen" die Rede, die Koalitionäre einigten sich im November 2015 auf spezielle ,,Aufnahmeeinrichtungen". Danach sollen nun bestimmte Flüchtlingsgruppen – unter anderem Asylbewerber aus ,,sicheren Herkunftsstaaten" – in neu geschaffenen Einrichtungen untergebracht werden, wo ihre Asylanträge im Schnellverfahren abgearbeitet werden.
    Strenge Residenzpflicht: Während ihres Aufenthalts in den neu geschaffenen Unterkünften dürfen die Flüchtlinge (aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten) den Bezirk der Ausländerbehörde, in der ihre Aufnahmeeinrichtung liegt, nicht verlassen. Tun sie das doch, werden Leistungen gestrichen, ihr Asylverfahren ruht.
    Begrenztes Aussetzen des Familiennachzug: Für den Zeitraum von zwei Jahren soll es Menschen, die lediglich ,,subsidiären Schutz" in Deutschland haben, nicht erlaubt sein, ihre Familie nach Deutschland zu holen. Die Regelung gilt für jene, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch nicht heimgeschickt werden, weil ihnen dort zum Beispiel Folter oder Todesstrafe drohen.
    Einschränkung mit Einschränkung: Über einen Umweg sollen aber auch ,,subsidiär Geschützte", vor allem aus Syrien, Angehörige nachholen können: Ihre Partner oder Kinder, die noch in Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, sollen vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Solche Kontingente müssen aber noch auf EU-Ebene mit diesen Ländern vereinbart werden.
    Flüchtlinge beteiligen sich an Kosten: Wer als Asylbewerber Zugang zu Integrationskursen bekommt, soll einen Teil der Kosten dafür – zehn Euro monatlich – selbst tragen.
    Erleichterte Abschiebungen: Auch wenn leichte Erkrankungen vorliegen, soll es den Behörden ermöglicht werden, Asylbewerber leichter abzuschieben. Nur schwere Erkrankungen sind ein Hinderungsgrund. Auch bei der Beschaffung von Papieren für abgelehnte Asylbewerber will der Bund mehr tun. Abschiebungen scheitern bislang oft an fehlenden Ausweisdokumenten.


Aus: "Flüchtlingspolitik: Bundestag beschließt Verschärfung der Asylgesetze" (25.02.2016)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingspolitik-bundestag-beschliesst-asylpaket-ii-14089915.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingspolitik-bundestag-beschliesst-asylpaket-ii-14089915.html)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 01, 2016, 12:40:41 PM
Quote[...] Washington/Athen/Wien – Die Regierung in Athen rechnet damit, dass wegen der Schließung seiner Grenze zu Mazedonien in den kommenden Tagen mehr als 100.000 Migranten in Griechenland festsitzen könnten. Aus diesem Grund habe die Regierung ein EU-Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt, berichtete der griechische Fernsehsender ANT1 am Dienstag. Auch andere Medien nannten diesen Betrag. Der Plan sehe vor, dass etwa 50.000 Menschen in Aufnahmelagern und weitere 50.000 in einfachen Hotels untergebracht werden sollen. Es würden insgesamt 8.200 Polizisten und zivile Mitarbeiter benötigt, um die Flüchtlinge zu registrieren und für Verpflegung, Gesundheit und Sicherheit zu sorgen, hieß es.

Deutschland sieht sich durch die gewaltsamen Vorfälle an der geschlossenen mazedonisch-griechischen Grenze in seiner Flüchtlingspolitik bestätigt. "Die Bilder sind ein Beleg dafür, dass man versuchen kann, eigene nationale Wege zu finden, aber dass sie nicht zur Lösung führen", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montagabend in Washington am Rande eines Treffens mit US-Außenminister John Kerry. Jetzt müsse "mit noch mehr Ehrgeiz nach gemeinsamen europäischen Lösungen" gesucht werden. "Ich hoffe, dass wir am 7. März ein Stück weitergekommen sind." Am Montag nächster Woche findet in Brüssel der nächste Sondergipfel zur Flüchtlingskrise zwischen Europäischer Union und Türkei statt. Vor dem Sondergipfel unternimmt EU-Ratspräsident Donald Tusk ab Dienstag eine mehrtägige Vermittlungsmission durch Länder entlang der Balkanroute und will mit sieben Staats- und Regierungschefs sprechen. Erste Station ist am Mittag Wien, wo Tusk mit Bundeskanzler Werner Faymann zusammentrifft. Noch am selben Tag folgt ein Treffen mit Sloweniens Regierungschef Miro Cerar in Ljubljana. Am Donnerstagnachmittag wird Tusk in der türkischen Hauptstadt Ankara eintreffen und Gespräche mit Regierungschef Ahmet Davutoglu führen. Am Freitag folgt demnach in Istanbul ein Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

An der griechisch-mazedonischen Grenze hatten hunderte Migranten versucht, den Sperrzaun zu stürmen und in das Nachbarland durchzubrechen. Die mazedonischen Grenzpolizisten setzten daraufhin massiv Tränengas ein. Skopje lässt täglich nur noch etwa 300 Flüchtlinge einreisen, während zugleich mehr als 2.000 Migranten täglich aus der Türkei nach Griechenland kommen. Bis Dienstagfrüh stieg deshalb die Zahl der ausharrenden Menschen laut Medienberichten auf mehr als 8.000. Diejenigen, die keinen Platz in dem Aufnahmezentrum finden, haben mittlerweile ihre Zelte auf teils überschwemmten Feldern aufgeschlagen, etwa 250 Neuankömmlinge mussten laut einem Reporter des serbischen Senders RTS die Nacht überhaupt unter freiem Himmel verbringen. Insgesamt 1.272 Personen wurden innerhalb von 48 Stunden von der griechischen Küstenwache und Frontex-Patrouillenbooten aus den Fluten der Ägäis gerettet.

Der mazedonische Präsident Djordje Ivanov verteidigte das Vorgehen seines Landes. "Wir haben unsere eigenen Entscheidungen getroffen. In Zeiten der Krise muss jedes Land seine eigenen Lösungen finden", sagte Ivanov am Montag "Spiegel Online". Wenn sein Land auf EU-Vorgaben gewartet hätte, "wäre Mazedonien mit Flüchtlingen überschwemmt worden". Auf Anraten Österreichs hat Mazedonien ebenso wie andere Staaten entlang der Balkanroute Tageshöchstgrenzen für die Einreise von Flüchtlingen eingeführt. Die Westbalkanstaaten folgten damit den seit 20. Februar geltenden österreichischen Kontingenten (80 Asylanträge an der Südgrenze, 3.200 Durchreisen nach Deutschland), die von der EU-Kommission als europa- und völkerrechtswidrig eingestuft werden. Ivanov sagte, dass Mazedonien seine Grenze völlig dichtmachen werde, sobald Österreich seine Obergrenze von 37.500 Asylanträgen für heuer erreicht habe. "Immer wenn ein Land weiter nördlich seine Grenze schließt, machen wir hier dasselbe." Zugleich betonte er: "Geschlossene Grenzen liegen sicher nicht in unserem Interesse."

Aus Athen kamen unterdessen wieder etwas versöhnlichere Töne in Richtung Wien. "Wir sind Partner, nicht Gegner", sagte der griechische Außenminister Nikos Kotzias im "ZiB 2"-Interview. "Wir haben nicht die besten Zeiten – aber nach jedem Winter kommt auch wieder ein Sommer", fügte er hinzu. Er bekräftigte die Kritik am Vorgehen Österreichs, das sich mit den Westbalkanstaaten auf eine Abriegelung der Grenze zu Griechenland verständigt hatte. "Man kann nicht über unsere Grenze diskutieren, ohne uns dabeizuhaben", sagte Kotzias. Sein Regierungschef Alexis Tsipras sagte indessen, er wolle keinem EU-Beschluss zustimmen, der nicht die gleichmäßige Verteilung von Flüchtlingen in allen EU-Staaten vorsieht. Das gelte auch für den EU-Türkei-Gipfel kommende Woche, bekräftigte Tsipras Dienstagfrüh in einem Interview des griechischen Fernsehsenders Star.

Die EU-Kommission bereitet in der Flüchtlingskrise Notfallpläne für Griechenland und andere Länder auf der Balkanroute vor. Zu den geplanten Schritten gehörten die Verstärkung von Aufnahmekapazitäten oder die Kontrolle von Grenzen, sagte eine Sprecherin der Behörde am Montag in Brüssel. Laut dem "Wall Street Journal" ist auch Nothilfe im Umfang von 700 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre geplant. (APA, 1.3.2016)


Aus: "Griechenland beantragt EU-Hilfe in Millionenhöhe" (1. März 2016)
Quelle: http://derstandard.at/2000032025612/Athen-beantragt-EU-Hilfen-in-Millionenhoehe (http://derstandard.at/2000032025612/Athen-beantragt-EU-Hilfen-in-Millionenhoehe)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 01, 2016, 12:47:53 PM
Quote[...] (dpa) Mit einem Grossaufgebot der Polizei haben die französischen Behörden damit begonnen, einen Teil des Flüchtlingslagers von Calais zu räumen. Arbeiter rissen am Montag im südlichen Teil des sogenannten «Dschungels» zahlreiche von den Flüchtlingen errichtete Hütten ab.

Dabei kam es zu Zusammenstössen zwischen Flüchtlingen, Aktivisten und der Polizei. Calais ist schon seit geraumer Zeit einer der Brennpunkte der Flüchtlingskrise in Europa.

Die Polizei war mit mehr als 30 Einsatzfahrzeugen vor Ort, um die Abrissarbeiten abzusichern, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Rund 20 Mitarbeiter einer Baufirma rissen die leeren Hütten und Zelte ab und entsorgten das Baumaterial in Containern.

... Die zuletzt dort lebenden Flüchtlinge - die Behörden sprechen von bis zu tausend, Hilfsorganisationen dagegen von rund 3500 - sollen grösstenteils in Aufnahmezentren in anderen Landesteilen gebracht werden.

Viele Flüchtlinge wollen Calais aber nicht verlassen: Sie hoffen, von dort aus mit Fähren über den Ärmelkanal oder durch den Eurotunnel nach Grossbritannien zu gelangen. Sie versprechen sich dort bessere Chancen und beantragen deswegen kein Asyl in Frankreich.

Am Montag versuchten zahlreiche Behördenmitarbeiter erneut, Flüchtlinge davon zu überzeugen, sich in Aufnahmezentren in anderen Regionen Frankreichs bringen zu lassen. Die zahlreichen Polizisten vor Ort sollten auch deren Arbeit schützen, sagte Präfektin Fabienne Buccio der AFP. Vergangene Woche hätten No-Border-Aktivisten die Behördenmitarbeiter «angegriffen und beleidigt».

Im gesamten Flüchtlingslager von Calais harren je nach Quelle 3700 bis 7000 Flüchtlinge aus. Das Lager ist den Behörden schon länger ein Dorn im Auge. Längerfristig wollen die Behörden alle Flüchtlinge in festen Unterkünften unterbringen.

...


Aus: "Illegales Flüchtlingslager: Widerstand bei Räumung in Calais" (29.2.2016)
Quelle: http://www.nzz.ch/international/europa/frankreich-beginnt-mit-raeumung-des-dschungel-bei-calais-1.18703549 (http://www.nzz.ch/international/europa/frankreich-beginnt-mit-raeumung-des-dschungel-bei-calais-1.18703549)

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Quote[...] Sie wollen bleiben: Bewohner des Flüchtlingslagers im französischen Calais protestierten am Montagnachmittag zunächst friedlich gegen den Abriss der Hütten. Später setzten sie Baracken in Brand und bewarfen Polizisten mit Steinen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Erst gegen Abend beruhigte sich die Situation. Auch am zweiten Tag des Abrisses weigern sich Flüchtlinge, den "Dschungel" zu verlassen. Die Räumung könnte mehrere Wochen dauern.


Aus: "Calais: Der Dschungel brennt" (1. März 2016)
http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-03/calais-fluechtlingslager-polizei-raeumung-jungle-protest-fs (http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-03/calais-fluechtlingslager-polizei-raeumung-jungle-protest-fs)
Title: [Die geplante Übereinkunft... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 10, 2016, 04:41:27 PM
Quote[...] Der Uno-Menschenrechtskommissar, Prinz Said Raad al-Hussein, hat die Europäische Union aufgefordert, das geplante Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu überdenken. "Internationale Garantien für den Schutz der Menschenrechte dürfen nicht umgangen oder verwässert werden", sagte Said vor dem Menschenrechtsrat der Uno in Genf.

Die geplante Übereinkunft von EU und Türkei sieht vor, dass Ankara Tausende Flüchtlinge, die aus EU-Sicht illegal in die einreisen, zurücknimmt. Im Gegenzug soll für jeden zurückgesendeten Menschen ein syrischer Bürgerkriegsflüchtling in der EU aufgenommen werden.

Die Vereinbarung, die beim EU-Gipfel am 17. und 18. März besiegelt werden soll, könnte nach Einschätzung des Uno-Hochkommissars zu "kollektiven und willkürlichen Ausweisungen führen, die illegal sind". Er werde seine Bedenken Anfang kommender Woche bei einem Besuch der EU-Kommission in Brüssel vortragen.

Anstelle humanitärer Hilfsbereitschaft, wie sie Deutschland im vergangenen Jahr demonstriert habe, gebe es nun einen "Wettlauf der Zurückweisung", so Said. Die Schließung der Grenzen für Flüchtlinge und Restriktionen, die keine individuelle Prüfung von Fluchtgründen mehr ermöglichten, seien jedoch Verstöße gegen internationales sowie europäisches Recht.

Am Mittwoch hatte es bereits im Europaparlament teils heftige Kritik an dem geplanten Flüchtlingspakt gegeben. Auch hier kamen die drohenden Massenabschiebungen zur Sprache, kritisiert wurde außerdem die beschnittene Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei.

Mehrere konservative Parlamentarier kritisierten die umfangreichen Gegenleistungen für Ankara. Die Regierung soll weitere drei Milliarden Euro zu den bereits gewährten drei Milliarden Euro für Flüchtlingshilfe erhalten, Visa-Erleichterungen für türkische Bürger sollen früher kommen als bislang geplant.

cht/dpa/Reuters


Aus: "Menschenrechte: Uno nennt Türkei-EU-Deal zu Flüchtlingen "illegal"" (10.03.2016)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-uno-nennt-tuerkei-eu-deal-illegal-a-1081665.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-uno-nennt-tuerkei-eu-deal-illegal-a-1081665.html)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 21, 2016, 10:11:52 AM
Quote[...] Wenn sie Freunden erklärt, wie es in einer Notunterkunft für Flüchtlinge aussieht, zieht Nina Wepler meist den Vergleich zu einer Skifreizeit. ,,Da wohnen dann auch ganz viele junge Männer in einem großen Schlafsaal. Nur ist der Schnee mittlerweile geschmolzen, und auch der Spaß ist weg." Wepler ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet in der Notunterkunft in der Treskowallee. Sie weiß, dass der Vergleich nicht ganz trifft, dass aber vieles, wie es hier ist, in kein richtiges Beschreibungsmuster passt.

Fady, einer der Bewohner, spricht nicht von Skifreizeiten, wenn er sein Leben hier beschreibt. ,,Jede Nacht sterbe ich hier", sagt er und tippt sich dabei an die Schläfe, um zu verdeutlichen, dass das in seinem Kopf geschieht. Denn dann beginnt die Angst um seine Familie. Fady ist aus Syrien geflüchtet, ohne seine Familie. Die wollte er nachholen, aber dann hat die Bundesregierung den Familiennachzug ausgesetzt.

Er starrt dauernd auf sein Smartphone. Immer schwingt da die Angst mit, heute eine schlechte Nachricht zu bekommen; oder womöglich gar keine. Seine Familie, das sind seine Frau und seine beiden Töchter, sechs und drei Jahre alt. Stolz zeigt er Bilder von ihnen. Alles sieht aus wie ein gewöhnliches Familienfoto, alle lachen, die Sonne auch. Nur ist der Balkon, auf dem alle stehen, übersät mit Einschusslöchern, manche so groß wie Fußbälle.

Fady ist einer von rund 180 Flüchtlingen, die in der Turnhalle in der Treskowallee leben. Als er hier ankam, lagen nur ein paar Matratzen auf dem Hallenboden, es gab nicht einmal den Anschein von Privatsphäre. Jetzt haben sie mit Wäscheleinen und Betttüchern so etwas wie Kabinen geschaffen, die sich je eine Handvoll Flüchtlinge teilen. Auf dem Boden liegen müssen sie nicht mehr, es gibt jetzt Etagenbetten. Platz für Habseligkeiten bleibt kaum. Wer unten schläft, kann ein bisschen was unter dem Bett verstauen.

Nerviger noch als die Enge sei aber die Nacht, sagen hier fast alle. ,,Nach 24 Uhr ist die schlimmste Zeit", sagt Majd. Die große Hallenbeleuchtung ist dann ausgeschaltet, aber ein Rest Licht bleibt immer an. Von 23 bis 7 Uhr herrscht Nachtruhe, aber an Schlaf ist nicht zu denken. ,,Vor 4 oder 5 Uhr morgens wird es hier nicht ruhig", berichtet Majd. Mehr als drei Stunden Schlaf seien kaum möglich. Irgendwer redet immer laut, manche hören Musik. Und selbst wenn das nicht wäre – dem nervtötenden Summen der Lüftung entkommt keiner. Schaltete man sie dauerhaft aus, würde die Halle aber in kürzester Zeit riechen wie ein Pumakäfig und abkühlen wie ein Eisbärgehege.

Deshalb versuchen viele, nicht mehr Zeit als nötig in dem Gebäude zu verbringen. Manche verbringen ihre Tage in einer schieren Endlosschleife aus Behördengängen, andere suchen sich Beschäftigung. Majd verbringt viel Zeit im Lesezimmer, meist mit seinem Laptop. Der 27-Jährige hat in Syrien Ökonomie studiert, wollte seinen Master machen. Der Krieg hat das verhindert. Wenn Maid nicht gerade irgendetwas lernt oder jemandem etwas beibringt, arbeitet er als eine Art Reporter und sammelt alles, was er über den Krieg in Syrien finden kann. Außerdem kann er sein Studium an der benachbarten Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) fortsetzen, dort assistiert er einem der Professoren.

Nicht alle in der Unterkunft haben solche Ambitionen. ,,Manche liegen den ganzen Tag nur rum, stören die anderen oder verbreiten schlechte Laune. Andere rauchen in der Halle oder kommen abends betrunken zurück", sagt Khowaja aus Pakistan. Jeder hier habe sein eigenes Naturell, das könne schon mal zu Spannungen führen. Dem versuchen die Mitarbeiter, so sagt Nina Wepler, ein respektvolles und freundliches Miteinander entgegenzusetzen.

Ohne Wachleute geht das aber nicht; jederzeit stehen acht Securitys bereit. Jedoch: Nicht immer sind sie die Lösung des Problems, manchmal sind sie das Problem selbst. So wie am Abend des 25. Februar. Da hatte einer der Bewohner, ein Iraner, aufgeregt berichtet, er sei von den Sicherheitsleuten geschlagen worden. Unterkunftsleiter Christoph Wiedemann versuchte zu schlichten, aber die Situation schaukelte sich auf. Die Lage eskalierte, einer der Securitys warf Wiedemann einen großen Metallaschenbecher an den Hinterkopf. Der Getroffene krachte bewusstlos mit dem Gesicht auf den Boden, kam mit mehreren Frakturen ins Krankenhaus.

Der Wachdienst ist mittlerweile ausgetauscht. Die meisten Bewohner und Mitarbeiter sind froh darüber, aber auch sie wissen: Die Probleme sind nicht gelöst. ,,Wir behandeln hier ja nur Symptome", klagt Wiedemann. Die größte Zumutung im Camp, das fast alle als Ghetto bezeichnen, sei das Camp selbst. ,,Als ich nach Deutschland kam, wurde mir gesagt, ich müsse mich etwa einen Monat auf eine solche Notunterkunft einstellen", sagt Khowaja. ,,Aber hier läuft alles so langsam." Er lebt jetzt seit vier Monaten in einer Turnhalle.

Quoteromia, 20.03.2016 16:44 Uhr

Flüchtling im eigenen Land
Es hat 6 Jahre gebraucht von (1957-1963) biss ich mit den Eltern und Bruder in eine 2 Zimmerwohnung ziehen konnte , in den diversen Massenunterkünften ,die ich auch erleben durfte kam jeden Tag die Polizei zum Schlichten von Streitereien, Schlägereien ,Diebstählen und sozialen Ausgrenzungen und Suizide mussten wir erleben es mussten die 3 Westmächte und der Senat von Berlin befinden als Flüchtling anerkannt zu werden.
Von den Begleiterscheinungen ganz ähnlich, ich mahne an mehr Geduld und Gelassenheit es kommen immer noch viele umso länger dauert es.


Quotewhisper
    20.03.2016 16:07 Uhr

das leben in flüchtlingsunterkünften...
...ist nicht angenehm.... aber man lebt erst einmal in einer umgebung ohne krieg....und auf dieser basis sind schwierigkeiten doch irgendwie zu ertragen....wer vom paradies träumt sieht eben die realität nicht und das ist der erste schritt sich mit ihr zu befassen und sie auch zu akzeptieren....

aus meiner kindheit in den jahren nach 1946, selbst vertiebener als kleinkind kenne ich das noch sehr genau, burgen als flüchtlingslager ohne heizung , ohne hygiene rämlichkeite, in grossen sälen eingepfercht in mit decken abgegrensten abteilen, stockbetten, keine wohnungen anderweitig, aufenthaltszuweisung, und grosse ungewissheit was die zukunft bringen wird, soziale ausgrenzung auch.... verglichen mit heute eine ungleich schwierigere situation... und heute in den nachrichten hiess es im umland, thüringen, meckpom, sachsen, sachsenanhalt, überall heimbelegung von 14% bis 50% nur, also viel freier raum gegeben....
da sollte man doch sozusagen luft schaffen....können


QuoteLocarno, 20.03.2016 18:36 Uhr

Antwort auf whisper vom 20.03.2016 16:07 Uhr

Ein Grund ist auch, dass sehr viele nur nach Berlin wollen. Mir haben Zuwanderer erklärt, dass es auf dem land zu eintönig sei. Wer kann, haut schnell ab. Deshalb sind die Hallen in Berlin voll und in Sachsen nur halb. Es wird in Berlin noch viel schlimmer werden mit der Überfüllung der Plätze, falls keine Zuzugssperre kommt. Der Königsteiner Schlüssel ist völliger Quatsch. Er schiebt die Leute dahin, wo die meisten Leute leben, statt dahin wo es am Menschenleersten ist. Es gibt riesige Liegenschaften mit Gebäuden im Besitz des Staates und großer Körperschaften in anderen Ländern, die genutzt werden könnten. Bei der Wohnungsnot in Berlin, die schon war, bevor letztes Jahr die Welle der neuerlichen Zuwanderer kam, sehe ich kaum eine Chance für die hiesigen Zuwanderer in absehbarer Zeit.


...


Aus: "Notunterkünfte in Berlin Für viele Flüchtlinge ist an Schlaf kaum zu denken" (20.03.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/notunterkuenfte-in-berlin-fuer-viele-fluechtlinge-ist-an-schlaf-kaum-zu-denken/13330562.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/notunterkuenfte-in-berlin-fuer-viele-fluechtlinge-ist-an-schlaf-kaum-zu-denken/13330562.html)
Title: [Im vergangenen Jahr sind... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 23, 2016, 09:02:16 AM
Quote[...] Im vergangenen Jahr sind knapp zwei Millionen Flüchtlinge und andere Zuwanderer nach Deutschland gekommen. Gleichzeitig zogen rund 860.000 Ausländer wieder fort, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte. Damit lag der Wanderungssaldo, also die Differenz zwischen Zu- und Fortzügen, bei 1,14 Millionen.

Das ist der höchste jemals gemessene Wanderungsüberschuss von Ausländern in der Geschichte der Bundesrepublik. Als Grund nannten die Statistiker auch den starken Zuwachs an Flüchtenden.

Im Jahr 2014 hatte es noch 1,343 Millionen Zuzüge und 766.000 Fortzüge gegeben, woraus sich ein Wanderungssaldo von 577.000 Ausländer ergeben hatte. Somit ist die Zahl der Zuzüge im Jahr 2015 schätzungsweise um rund 49 Prozent gestiegen, während die Zahl der Fortzüge lediglich um zwölf Prozent zugenommen hat. Der Wanderungssaldo hat sich 2015 somit fast verdoppelt.

Gleichzeitig hat auch eine strukturelle Änderung in der Zuwanderung stattgefunden. In den letzten Jahren bis 2014 war die Zunahme der Migration zum großen Teil durch die Zuwanderung aus anderen EU-Ländern bestimmt und mit einem hohen Anteil an vorübergehenden Aufenthalten verbunden. Diese Entwicklung wird nun von der Flüchtlingskrise überlagert.

Die Zahl der bis zum 31.12.2015 im Ausländerzentralregister (AZR) registrierten Ausländer hat sich im Jahr 2015 von 8,15 auf 9,11 Millionen erhöht; das ist ein Anstieg um 955.000 Personen oder knapp zwölf Prozent.

QuoteErkos
#1  —  vor 1 Tag 6

Sicher, ohne die puren Zahlen geht es nicht. Es klingt trotzdem nicht schön. Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal. Und das wird im wesentlichen von anderen bestimmt.


...


Aus: "Statistisches Bundesamt : Knapp zwei Millionen Zuwanderer in 2015" (21. März 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-03/statistisches-bundesamt-migration-deutschland-abwanderung-zuwanderung (http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-03/statistisches-bundesamt-migration-deutschland-abwanderung-zuwanderung)
Title: [Dienstag... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 25, 2016, 03:04:10 PM
Quote[...] Internationale Rettungskräfte haben am Dienstag erneut etwa 3.000 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet. Die Menschen seien bei insgesamt 23 Einsätzen von Schiffen der italienischen Küstenwache, der EU-Militäroperation in der Region und einer Hilfsorganisation in Sicherheit gebracht worden, teilten die italienischen Behörden mit.

Die Flüchtlinge waren in Booten aus Nordafrika in Richtung Italien unterwegs. Insgesamt steigt die Zahl der in dieser Woche geretteten Menschen damit auf 5.600.
Vor allem im Frühling und Sommer wagen zahlreiche Menschen in teils seeuntüchtigen Schlauchbooten die gefährliche Überfahrt. Bislang gibt es aber nach Angaben der italienischen Behörden noch keine Hinweise darauf, dass Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afghanistan nach dem Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei auf die Route über Libyen umschwenken. Die meisten der seit Jahresbeginn übers Mittelmeer nach Italien gekommenen Menschen stammen demnach aus Ländern südlich der Sahara.


Aus: "Mittelmeer: Italienische Küstenwache rettet 3.000 Flüchtlinge" (25. Mai 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-05/mittelmeer-fluechtlinge-italien-rettung (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-05/mittelmeer-fluechtlinge-italien-rettung)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2016, 03:07:35 PM
Quote[....] Britischen Grenzschützern zufolge versuchten 2015 gut 84.000 Migranten, in Lastwagen oder zu Fuß durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal nach England zu gelangen. Häufig scheitert der Versuch. Immer wieder endet das Vorhaben tödlich, wenn die Menschen von Lastwagen stürzen oder unter die Fahrzeuge geraten.

Großbritannien will nun die Sicherung der Tunneleinfahrt im Hafen der französischen Stadt Calais massiv verstärken - und dafür auch die Kosten für den Bau einer vier Meter hohen Betonmauer übernehmen. Der britische Einwanderungsminister Robert Goodwill sagte dem britischen "Telegraph": "Wir werden sehr bald damit beginnen, eine große neue Mauer zu bauen. Wir haben den Zaun gebaut, jetzt bauen wir eine Wand." Der Mauerbau von Calais ist Teil eines 20-Millionen-Euro-Pakets, das die Briten gemeinsam mit Frankreich zum verstärkten Grenzschutz planen.

Die knapp 2,4 Millionen Euro für die Mauer steuert Großbritannien bei. Die Barriere soll etwa einen Kilometer lang werden und an beiden Seiten der Straße stehen, die zum Hafen führt. Sie soll verhindern, dass Migranten den Verkehr anhalten, um auf Lastwagen oder andere Fahrzeuge aufzuspringen, bevor sie auf französischer Seite in den Tunnel einfahren. Bislang patrouillieren bereits mehr als tausend französische Polizisten entlang der Straße und an der Einfahrt zum Hafen und am Tunnel. Abgeschottet ist das Gebiet bislang mit einem stacheldrahtbewährten zweireihigen Zaun ...

Die Innenminister von Frankreich und Großbritannien, Bernard Cazeneuve und Amber Rudd, hatten am 30. Juli in Paris erklärt, Sicherheitsvorkehrungen und Sperranlagen in den kommenden Monaten zu verstärken. Damit solle "die lebenswichtige wirtschaftliche Verbindung" erhalten bleiben und zugleich der "Migrationsdruck gesenkt werden", hieß es in der gemeinsamen britisch-französischen Erklärung.

Im sogenannten Dschungel von Calais, einer Art Slum in der französischen Hafenstadt unweit der Tunneleinfahrt, harren derzeit nach Schätzungen von Hilfsorganisationen 9000 Flüchtlinge aus, die mehrheitlich versuchen wollen, auf die britischen Inseln zu gelangen.

cht/AP


Aus: "Grenzschutz in Calais: Großbritannien baut Mauer am Eurotunnel" (07.09.2016)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-grossbritannien-und-frankreich-bauen-mauer-von-calais-a-1111274.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-grossbritannien-und-frankreich-bauen-mauer-von-calais-a-1111274.html)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 06, 2018, 03:21:02 PM
Quote[...] Malta hat ein zur Seenotrettung im Mittelmeer eingesetztes Aufklärungsflugzeug der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch festgesetzt. Die maltesischen Behörden hätten ab sofort alle Flüge in das Rettungsgebiet vor Libyen untersagt, teilte die Berliner Organisation am Mittwoch mit. Ihr Schiff ,,Sea Watch 3" darf derzeit auch nicht auslaufen. Die maltesische Regierung bestätigte den Fall der Zeitung ,,Times of Malta", allerdings ohne Gründe für die Entscheidung zu nennen.

Das Flugzeug ,,Moonbird" wird nach den Angaben von Sea-Watch gemeinsam mit der Schweizer Humanitären Piloteninitiative betrieben und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt. Das Flugzeug sei im vergangenen Jahr an der Rettung von 20.000 Menschen beteiligt gewesen.

Derzeit liegt auch das Schiff der deutschen Organisation Mission Lifeline in Malta an der Kette. Gegen den Kapitän des Rettungsschiffs wird ermittelt. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, ohne richtige Registrierung in maltesische Gewässer gefahren zu sein.

Unterdessen konnte das Rettungsschiff der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms mit 60 Migranten an Bord am Mittwoch in Barcelona anlegen. Den Menschen an Bord gehe es ,,den Umständen entsprechend gut", erklärte eine Einsatzleiterin. ,,Sie sind glücklich, weil man ihnen erklärt hat, dass die Regierung will, dass sie hier bleiben."

Zuvor hatten Italien und Malta das Schiff abgewiesen. Ein Vertreter der spanischen Regierung sagte, die Flüchtlinge würden auf dem Schiff zunächst von Mitarbeitern des Roten Kreuzes untersucht. Danach sollten Behörden ihre Identität feststellen, damit sie später in Aufnahmezentren gebracht werden könnten, hieß es. Unter den Passagieren waren 50 Männer, fünf Frauen und fünf Minderjährige.

Spaniens neue Regierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez erlaubte Mitte Juni bereits dem Rettungsschiff ,,Aquarius" mit 630 Flüchtlingen an Bord das Anlegen, nachdem dieses ebenfalls von Italien abgewiesen worden war.

Derweil sterben im Mittelmeer immer mehr Flüchtlinge. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seit dem 19. Juni auf der zentralen Route Richtung Italien 483 Migranten ums Leben.

Am Dienstag barg die libysche Küstenwache sechs tote Migranten im Mittelmeer. 125 Menschen seien gerettet worden, nachdem ein Flüchtlingsboot östlich der Hauptstadt Tripolis gesunken sei, teilte die libysche Marine am Mittwoch mit. Der Vorfall habe sich nahe der Küste vor Garabulli ereignet.

Allein im vergangenen Monat sind nach Angaben der IOM 629 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Erst am Sonntag starben vermutlich 63 Flüchtlinge bei einem weiteren Bootsunglück, wie die libysche Marine mitteilte.

Es müssten wieder mehr Rettungsschiffe unterwegs sein, um noch mehr Tote zu verhindern, twitterte IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Vor allem die neue italienische Regierung fährt seit ihrem Amtsantritt vor einem Monat eine harte Linie gegen Migranten und lässt keine Schiffe von Hilfsorganisationen mehr in ihren Häfen anlegen.



Aus: "Sea-Watch : Malta setzt nach Schiff auch Flugzeug deutscher Seenotretter fest" (04.07.2018)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/organisation-sea-watch-flugzeug-auf-malta-festgesetzt-15674361.html (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/organisation-sea-watch-flugzeug-auf-malta-festgesetzt-15674361.html)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 08, 2018, 12:12:14 PM
"Im Juni ertrank jeder siebente Flüchtling im Mittelmeer" (06. Juli 2018)
Für Migranten wird die Flucht über das Mittelmeer immer gefährlicher. Trotz sinkender Zahlen steigt die Todesrate ...
Quelle: https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5460120/Asyl_Im-Juni-ertrank-jeder-siebente-Fluechtling-im-Mittelmeer (https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5460120/Asyl_Im-Juni-ertrank-jeder-siebente-Fluechtling-im-Mittelmeer)

QuoteIrgendeiner, vor einem Tag

Aber warum den das, weil man mare nostrum auf Frontex reduziert hat, weil man NGOs systematisch behindert, weil man die in Libyen in Lager schleift die auch noch ein Komatöser um jeden Preis verlassen wollen würde ...


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Quote[...] Im äußersten Norden von Thailand, nahe der Provinzhauptstadt Chiang Rai, liegt eine Höhle namens Tham Luang-Khun Nam Nang Non. Bekannt ist sie, weil dort zwölf Jugendliche mit ihrem Fußballtrainer eingeschlossen sind. Das Schicksal der kleinen Gruppe bewegt weltweit Millionen Menschen.

Im äußersten Süden des Mittelmeers, nahe der libyschen Küste, treiben Dutzende Leichen im Wasser. Ein Boot mit etwa hundert Migranten war dort vor einigen Tagen gekentert, die Marine rettete nur wenige Überlebende. Bewegt das Schicksal dieser großen Gruppe Millionen Menschen? Zu merken ist davon wenig.

Selbstverständlich spricht nichts gegen Mitgefühl für in Not geratene Jugendliche. Und das Interesse an den in Thailand Eingeschlossenen ist wohl auch deshalb so groß, weil die Umstände so außergewöhnlich sind - aber auch aus einem anderen Grund: Es gibt Fotos und Videos von den Jugendlichen, berührende Geschichten, bangende Eltern, engagierte Helfer. Die Welt verfolgt, wie in Nordthailand Menschen leiden. Elend in Echtzeit.

Migranten hingegen treten als Menschen kaum noch in Erscheinung. Es gibt zwar regelmäßig Berichte über bedrückende Einzelschicksale, aber in der politischen Öffentlichkeit sind sie weitgehend zur amorphen Humanmasse verkommen: zu "Flüchtlingswellen", die gegen die empfindlichen Gestade der "Festung Europa" branden - und deren aggressiver "Asyltourismus" in "Ankerzentren" ausgebremst werden muss. Auch diese Rhetorik ist Elend in Echtzeit.

Es ist wichtig, über Migration zu diskutieren, dazu gehören auch Polemik und Streit. Aber die Debatte über flüchtende Menschen ist völlig entgleist - weil es gar nicht mehr um flüchtende Menschen geht, die auf dem Mittelmeer ihr Leben riskieren oder in libyschen Internierungslagern gefoltert werden. Sondern um die Regierungskoalition Angela Merkels, die Union aus CDU und CSU, die Europäische Union.

Sind an der Schieflage der Debatte also die Politiker schuld, die sie mit taktischen Manövern und rhetorischen Finten verzerrt haben? Oder liegt es an den Medien, die sich von diesem Schauspiel haben blenden lassen und kaum noch über das Leid der Migranten berichten? Wohl kaum: Dass sich die wahre Asylkrise nicht an drei Grenzübergängen in Bayern abspielt, dürfte jeder halbwegs mündige Bürger wissen. Was fehlt, ist ein kollektiver Aufschrei, eine empörte Gegenreaktion.

Natürlich gibt es diesen Abstumpfungseffekt auch in anderen Fällen: die vielen Toten im mexikanischen Drogenkrieg, bei Massenprotesten in Nicaragua, bei Terroranschlägen in Mogadischu oder Kabul. Der entscheidende Unterschied aber ist: Die Toten im Mittelmeer haben sehr unmittelbar etwas mit uns zu tun. Weil wir durch den Zufall der Geburt jene Sicherheit und jenen Wohlstand genießen, nach denen auch viele andere streben. Und weil wir die Parteien gewählt haben, die jetzt in unserem Namen auf Abschottung setzen.

Im äußersten Süden des Mittelmeers, nahe der libyschen Küste, steigen gerade vielleicht wieder ein paar Dutzend Menschen in ein Schlauchboot. Vielleicht werden wir nie erfahren, was aus ihnen wird. Vielleicht, weil sie diesmal niemand aus dem Wasser zieht. Das darf uns nicht egal sein.


Forum

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Aus: " Asylkrise: Wir Ignoranten" Ein Kommentar von Peter Maxwill (07.07.2018)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-warum-viele-das-elend-dieser-menschen-ignorieren-kommentar-a-1216913.html (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-warum-viele-das-elend-dieser-menschen-ignorieren-kommentar-a-1216913.html)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2018, 09:29:23 AM
Quote[...] Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex soll einem Medienbericht zufolge mehr Mitarbeiter und mehr Kompetenzen erhalten. Die Welt berichtete von einem Gesetzesvorschlag, den die Europäische Kommission im Lauf der Woche im EU-Parlament in Straßburg präsentieren wolle. Der Vorschlag sehe die personelle Verstärkung der Grenzschutzbehörde von derzeit 1.500 auf 10.000 Mitarbeiter innerhalb von zwei Jahren vor.

Von der Aufstockung erhofft sich die EU-Kommission mehrere Effekte. "Die vorgeschlagene Größe einer Einsatztruppe von 10.000 Mann soll nicht nur die bisherigen personellen Lücken füllen, sondern ermöglichen, die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen und Drittstaaten stärker zu unterstützen und die Zahl der Abschiebungen deutlich zu vergrößern", zitiert die Zeitung aus dem Dokument.

Dem Bericht zufolge fordert die EU-Kommission in diesem Zusammenhang auch die Erlaubnis für Frontex, künftig gegen den Willen eines EU-Mitgliedstaats bewaffnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einer Außengrenze einzusetzen. Zudem solle die Agentur ohne die Zustimmung eines EU-Landes Abschiebungen durchführen dürfen. Frontex müsse in nationale Hoheitsrechte eingreifen und jedem EU-Mitgliedsland "die Struktur eines nationalen Zurückführungsmanagements vorschreiben" dürfen.

Darüber hinaus soll der Entwurf den Vorschlag enthalten, europäische Grenzbeamte auch in Drittstaaten, etwa in Nordafrika oder auf dem Balkan, einzusetzen. Für den Zeitraum von 2021 bis 2027 hatte die EU-Kommission bereits angekündigt, ein Budget von insgesamt 34,9 Milliarden Euro für Frontex bereitzustellen.


Aus: "EU-Kommission: Frontex soll weitreichendere Kompetenzen erhalten" (10. September 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/europaeisches-parlament-neuausrichtung-grenzschutzagentur-frontex (https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/europaeisches-parlament-neuausrichtung-grenzschutzagentur-frontex)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 11, 2018, 09:22:58 AM
// https://de.wikipedia.org/wiki/Sahrauis (https://de.wikipedia.org/wiki/Sahrauis)

Quote[...]  Als Spanien 1975 die Westsahara verließ, besetzten Marokko und Mauretanien das Land, auch angezogen durch Phosphatfelder, die weltweit zu den größten zählen. Die Saharaui, ein muslimisches Nomadenvolk, kämpften um ihr Land, wurden aber vertrieben und fanden schließlich auf algerischem Gebiet Zuflucht, mitten in der Sahara. Hier leben nun etwa 160.000 Flüchtlinge. Seit 1991 gibt es einen Waffenstillstand zwischen der Befreiungsarmee der Saharaui und Marokko. Und es hätte mittels UN-Resolution längst ein Referendum über die Westsahara geben sollen, das den Saharaui ihr Land hätte zurückbringen können. Nur kam es bisher nicht zustande. Und wo soll der Druck herkommen, es durchzuführen?

Es gibt wenig, womit die Saharaui auf sich aufmerksam machen könnten. Ihre Lage ist ernst, aber eben nicht völlig katastrophal. Die meisten von ihnen sind auf Nahrungsmittelspenden des Welternährungsprogramms angewiesen. Krankheiten wie Diabetes nehmen zu. In den Flüchtlingslagern sind aus Zelten Lehmhütten geworden. Wenn mal ein Schulgebäude gebaut wird, hält es nur ein paar Jahre. ,,Die Lehmziegel saugen sich bei heftigen Regenfällen voll, und wenn sie wieder trocknen und ein Sandsturm kommt, bröseln sie wie Kekse", sagt Dietmar Kappe, Sprecher der Uno-Flüchtlingshilfe, die sich immer wieder mit Projekten für die Saharaui engagiert hat.

Doch das alles reicht noch nicht, um international Aufmerksamkeit zu erregen. In der UN-Mission Minurso, die den Waffenstillstand überwachen soll und jährlich 54 Millionen US-Dollar kostet, sind auch Militärbeobachter der Bundeswehr tätig, bis zu vier. Sie berichten von keinen großen Auffälligkeiten. ,,Die Sicherheitslage ist konstant relativ ruhig", sagt ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Das ist einerseits gut. Andererseits zementiert es den Status quo. Denn die scheinbare Ruhe sendet das Signal aus: Geht doch, gibt Schlimmeres.

Marokko hat dagegen an den Bodenschätzen der Westsahara verdient und das Land fleißig besiedelt. Das Zustandekommen eines Referendums scheitert immer wieder an der Frage, wer denn überhaupt wahlberechtigt ist. Und um die Saharaui von ihrem Herkunftsland fern zu halten, hat Marokko in Etappen eine 2500 Kilometer lange Mauer gebaut und das Grenzgebiet vermint. Marokko kann mit der Westsahara machen, was es will. Denn mit Marokko will sich niemand anlegen. Doch nicht wegen 160 000 Nomaden.

Gerade hat Marokko ein neues Fischereiabkommen mit der EU abschließen dürfen. Die Küsten der Westsahara eingeschlossen. Dabei hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das Fischereiabkommen nur gelte, wenn es die Westsahara ausklammere. Die EU-Kommission scheint das nicht beeindruckt zu haben. Es gehe um Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Entwicklung der Westsahara. Ein entscheidender Faktor ist zudem, dass Marokko Durchgangsland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa ist. Das stärkt Marokkos Position, trotz der Berichte, wonach der nordafrikanische Staat Flüchtlinge zurück in die Wüste deportiert hätte.

So bleiben die Saharaui weiter in ihren Flüchtlingssiedlungen sitzen, die schon zu lange bestehen, um noch provisorisch zu sein, aber als Bleibe auch nicht von Dauer sein sollen. ,,Die Argumente sind versteinert", sagt Ingunde Fühlau, die mehrere Jahre für die UN-Mission Minurso in leitender Position gearbeitet hat.

Flucht ist ein Wort, das nach Tempo, nach schnellem Aufbruch und Rennen klingt. Doch die Geschichte der Saharauis zeigt, wie die Zeit quälend vergeht und doch nichts Neues bringt.


Aus: "Die vergessenen Flüchtlinge der Saharaui" Friedhard Teuffel (10.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/migration-in-afrika-die-vergessenen-fluechtlinge-der-saharaui/23015262.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/migration-in-afrika-die-vergessenen-fluechtlinge-der-saharaui/23015262.html)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 07, 2019, 07:10:19 AM
Quote[...] Ohne Aussicht auf einen sicheren Hafen harren zwei deutsche Hilfsorganisationen weiter mit 49 geretteten Migranten an Bord ihrer Schiffe im Mittelmeer aus. Malta und Italien verwehrten am Sonntag weiter die Einfahrt in ihre Häfen. Papst Franziskus richtete einen ,,betrübten Appell" an die europäischen Staats- und Regierungschefs, sich solidarisch mit den Menschen zu zeigen. ,,Das Land ist zum Greifen nah", sagte der Sprecher der Organisation Sea-Watch, Ruben Neugebauer, am Wochenende. Die Schiffe von Sea-Watch und Sea-Eye befinden sich vor der maltesischen Küste, doch anlegen dürfen sie dort nicht. Die 32 Menschen an Bord der ,,Sea-Watch 3" wurden bereits am 22. Dezember gerettet. Die EU habe die Geretteten in ,,Geiselhaft" genommen, sagte Neugebauer. Auf der ,,Professor Albrecht Penck" der Regensburger Organisation Sea-Eye warten weitere 17 Migranten auf die Erlaubnis zum Anlaufen eines Hafens.

Auch die Bundesregierung beendete die Hängepartie nicht. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, man sei zur Aufnahme der Menschen bereit – im Rahmen einer ,,breiten europäischen Verteillösung". Die Regierung setze sich wie in ähnlichen Fällen zuvor für eine rasche Lösung ,,im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität" ein. Es ist nicht das erste Mal, dass Rettungsschiffe auf dem Meer blockiert sind, während die EU-Mitgliedstaaten um eine Lösung für die Menschen ringen. Seit Antritt der populistischen Regierung in Italien im Sommer sind die dortigen Häfen de facto dicht für die Schiffe der Hilfsorganisationen. Der rechte Innenminister Matteo Salvini verteidigte seinen Kurs: ,,Italien ist viel zu lange ein offener Hafen gewesen, während Europa auf die Migranten gepfiffen hat und uns ausgelacht hat. Jetzt reicht es", sagte der Vize-Premier der Tageszeitung ,,Il Messaggero". Zuvor hatte der andere stellvertretende Regierungschef, Luigi Di Maio, eine etwas andere Botschaft gesandt. Italien werde Kinder und deren Mütter von den Schiffen aufnehmen, wenn Malta die Schiffe anlanden lasse. Er wies zurück, Salvini damit übergangen zu haben. ,,Ich bin einverstanden mit der harten Linie: Wir können uns nicht alleine der Probleme der EU in Hinblick auf die Migranten annehmen", sagte er dem ,,Corriere della Sera".

Während die Flüchtlingszahlen weltweit 2018 erneut gestiegen sind, nimmt die Zahl der Ankünfte in Deutschland weiter ab. Wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen mitteilte, sank in Deutschland die Zahl der Asylanträge in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres um 20 Prozent. Im ersten Halbjahr 2018 seien 81.800 Anträge auf Asyl registriert worden. 2017 waren es im gleichen Zeitraum 101.000 Anträge.dpa/epd



Aus: "Kein Land in Sicht für Sea-Watch und Sea-Eye" (06.01.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/rettungsschiffe-im-mittelmeer-kein-land-in-sicht-fuer-sea-watch-und-sea-eye/23833386.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/rettungsschiffe-im-mittelmeer-kein-land-in-sicht-fuer-sea-watch-und-sea-eye/23833386.html)

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Quote[...] Mehr als 2200 Flüchtlinge sind nach UN-Angaben im vergangenen Jahr im Mittelmeer gestorben. Die Zahl der Toten oder als vermisst gemeldeten Menschen liege bei 2262, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Donnerstag mit. Im Vorjahr waren 3139 Todes- oder Vermisstenfälle registriert worden. Die Gesamtzahl der über das Meer nach Europa gekommenen Menschen ging laut UNHCR von 172301 im Jahr 2017 auf 113482 zurück.

2015 waren mehr als eine Million Menschen über das Meer nach Europa gelangt. Inzwischen haben sich allerdings die Flüchtlingsrouten verschoben: Nachdem zunächst Italien und Griechenland die Hauptankunftsländer gewesen waren, kamen 2018 die meisten Flüchtlinge in Spanien an: Offiziell wurden 55000 Migranten in den Häfen des Landes versorgt – das sind nahezu drei Mal so viele wie 2017. Hinzu kamen mehr als 6600 Migranten, die über die Land- oder Seegrenze in die beiden spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla kamen. In Italien, 2017 mit 120000 Menschen Hauptziel der Bootsmigration, landeten 2018 nur noch 23000. In Griechenland nahm die Zahl von 28000 in 2017 auf 31000 leicht zu.

Auf dem Wasserweg zwischen Libyen und Italien stoppt die libysche Küstenwacht im Auftrag der EU immer mehr Migrantenschiffe: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) brachte der libysche Grenzschutz 2018 mehr als 15000 Bootsinsassen nach Libyen zurück. Parallel flog die IOM rund 16000 Migranten aus Libyen in ihre Heimatländer zurück. Italien schloss zugleich seine Häfen für Rettungsschiffe humanitärer Organisationen. Mehrfach hatten Rettungsschiffe 2018 Flüchtlinge aufgenommen, durften aber zunächst nicht in einem europäischen Land anlegen.

Zuletzt hatte die ,,Sea Watch 3" des Berliner Vereins ,,Sea-Watch" am 22. Dezember 32 Migranten aufgenommen. Seitdem sucht das Schiff, das unter niederländischer Flagge fährt, einen Hafen. Ähnlich ergeht es der ,,Professor Albrecht Penck", auch bekannt als ,,Sea Eye 2". Nach Angaben der Regensburger Organisation ,,Sea- Eye" warten seit vier Tagen 17 Gerettete mit 18 Besatzungsmitgliedern des unter deutscher Flagge fahrenden Schiffes auf die Einfahrt in einen Hafen. Malta erklärte sich bereit, beide Schiffe in seine Gewässer zu lassen – ohne sie anlegen zu lassen.

Die Europäische Kommission forderte die EU-Länder am Donnerstag auf, die Menschen von Bord der beiden Schiffe aufzunehmen: ,,Es wird mehr Solidarität aller Mitgliedstaaten gebraucht", sagte eine Sprecherin in Brüssel. Die gegenwärtige Situation zeige erneut, dass ,,vorhersehbare und nachhaltige Lösungen" dringend gebraucht würden. Auch das deutsche Bundesinnenministerium erklärte, eine Lösung müsse ,,im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität" eine ausgewogene Verteilung der Geretteten auf verschiedene EU-Staaten vorsehen.

Der Kapitän der ,,Professor Albrecht Penck", Klaus Merkle, sagte dazu dem Tagesspiegel: ,,Es wird ja absurd, wenn man wegen ein paar Leuten eine europäische Lösung finden muss." Er selbst rechnet damit, in Kürze in einen Hafen gelassen zu werden. Mit seinem Schiff befand er sich am Donnerstag etwa zwei Seemeilen vor der maltesischen Küste. Der starke Seegang dort mache den Geretteten zu schaffen: ,,Es sind fast alle seekrank, kriegen Tabletten und schlafen fast den ganzen Tag", sagte Merkle. Das aber sei ,,immer noch besser als auf der Flucht – sie haben hier ein Gefühl der Sicherheit". (mit AFP/epd)


Aus: "Mehr als 2200 Flüchtlinge ertranken 2018 im Mittelmeer" (03.01.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/unhcr-bericht-mehr-als-2200-fluechtlinge-ertranken-2018-im-mittelmeer/23825630.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/unhcr-bericht-mehr-als-2200-fluechtlinge-ertranken-2018-im-mittelmeer/23825630.html)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 10, 2019, 09:18:31 AM
Rolf Gössner (* 13. Februar 1948 in Tübingen) ist ein deutscher Rechtsanwalt, Publizist, parlamentarischer Berater und Bürgerrechtsaktivist. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Ossietzky, Jury-Mitglied der Big Brother Awards und der Carl-von-Ossietzky-Medaille, Mitherausgeber des Grundrechte-Reports, Vorstandsmitglied (ehemaliger Vizepräsident) der Berliner Internationalen Liga für Menschenrechte und stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_G%C3%B6ssner (https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_G%C3%B6ssner)


Quote[...] Rund 35.000 Menschen sind in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen. Von vielen sind nicht einmal die Namen bekannt. Das Buch ,,Todesursache: Flucht" widmet sich ihrem Schicksal. Ein Auszug des Gastbeitrags von Rolf Gössner.

Täglich werden wir mit der verzweifelten Lage von Geflüchteten und ihren Schicksalen konfrontiert. Fast täglich kommen Menschen auf der Flucht ums Leben. Die erschreckenden Nachrichten über das Massensterben lassen sich kaum ertragen, ohne diese grausame Realität mehr oder weniger zu verdrängen.

Dieses Buch – eine verstörende Dokumentation menschlichen Leids und einer humanitären Katastrophe – sollte uns dazu zwingen, verstärkt über die Flucht- und Migrationspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten nachzudenken sowie über die vielfältigen Ursachen von Flucht und Migration. Dabei geht es um aktuelle Missstände, essenzielle Zusammenhänge und historische Lasten, die im medialen Alltag und in der herrschenden Politik allzu leicht untergehen. Dazu gehören die Tatsachen und Erkenntnisse,


• dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten politische Mitverantwortung tragen für die tödlichen Fluchtbedingungen, die täglich Menschenleben fordern;

• dass Menschen, die Krieg, Terror, Unterdrückung, Ausbeutung, Verfolgung und Not mühsam entronnen sind, hierzulande nicht nur von vielen nicht willkommen geheißen werden, sondern zunehmend auf Angst und Abwehr stoßen, sich fremdenfeindlicher rassistischer Gewalt ausgesetzt sehen und erneut in Lebensgefahr geraten;

• und dass Europa und der Westen insgesamt politische Mitverantwortung tragen für die vielfältigen Fluchtursachen, die zum Teil auch Terror- und Kriegsursachen sind und die dazu führen, dass Menschen zu Millionen in die Flucht getrieben werden.

Seit 1993 sind zehntausende Menschen auf der Flucht nach und in Europa ums Leben gekommen. Weltweit starben allein in den vergangenen vier Jahren nach Angaben von Pro Asyl mehr als 25 000 Menschen auf der Flucht – mehr als die Hälfte von ihnen beim Versuch, nach Europa zu gelangen.

,,Das ,Massengrab Mittelmeer' ist die Schande Europas schlechthin", so der ehemalige Berliner Verwaltungsrichter Percy MacLean. Die rigorose Abschottungspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten ist direkt oder indirekt mitursächlich dafür, dass fast täglich Menschen auf der Flucht sterben. Die Schließung der Balkan-Route, mit rasiermesserscharfem Stacheldraht hochgerüstete Grenzzäune, die Europäische Grenzschutz-Agentur Frontex, die noch massiv ausgebaut werden soll, das Grenzüberwachungssystem Eurosur, das bereits erheblich aufgerüstet worden ist, und die Überwachung der Außengrenzen mit Satelliten, Drohnen und Sensoren – all dies trägt zur Abschottung bei, mit der Folge, dass die Fluchtwege nach Europa immer riskanter geworden sind.

Diese sicherheitstechnologischen Abschottungsmaßnahmen werden flankiert durch jene menschenverachtenden Flüchtlingsdeals, wie sie mit der autokratischen Türkei und mit afrikanischen Despoten geschlossen wurden und weiterhin werden, um Flüchtlinge schon vor den Toren Europas im Zweifel gewaltsam an ihrer Flucht nach Europa zu hindern. Diese Politik der EU versperrt Schutzsuchenden sicherere Fluchtwege und zwingt sie in ihrer Not auf teure, riskante und lebensgefährliche Routen und Transportmittel sowie in die Hände von skrupellosen Schlepperbanden.

Parallel dazu behindern EU-Staaten massiv zivile Seenot-Rettungsprojekte im Mittelmeer; außerdem wird zivilgesellschaftliche Unterstützungsarbeit für Geflüchtete in der Bundesrepublik und europaweit zunehmend konterkariert durch ein verschärftes Ausländer- und Asylrecht nach dem Motto: Grenzen dicht, sichere Herkunftsländer küren, Lager beziehungsweise sogenannte Transit- und Ankerzentren schaffen und schneller abschieben. Unrechtmäßige Ablehnungen von Asylanträgen sowie rechtswidrige Abschiebungen – selbst von traumatisierten Menschen – in Krisen- und Kriegsgebiete wie Afghanistan oder in angeblich sichere Herkunfts- oder Drittstaaten häufen sich. Dieses gesamte, menschengefährdende und todbringende Flüchtlingsabwehrprogramm der EU und einzelner ihrer Mitgliedstaaten verletzt fundamentale und universell geltende Menschenrechte.

Szenenwechsel: 1993 erlebte die Bundesrepublik eines der schwersten Verbrechen in ihrer Geschichte: den Solinger Brand- und Mordanschlag, bei dem fünf junge Angehörige der türkischstämmigen Familie Genç ums Leben kamen. Nur drei Tage vor diesem rassistisch motivierten Anschlag hatte eine ,,große Koalition" aus CDU, FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl demontiert.

Derzeit befinden wir uns wieder in einer äußerst prekären Phase, in der erneut eine hoch gefährliche rechtspopulistische, nationalistische und fremdenfeindliche Debatte bis hinein in die Mitte der Gesellschaft stattfindet, eine Debatte um Überfremdung, Asylmissbrauch und kriminelle Ausländer. Menschen, die Verfolgung, Krieg, Terror und Tod mühsam entronnen sind, werden hierzulande von vielen nicht nur nicht willkommen geheißen, sondern sie stoßen auch auf Ängste, Abwehr und Feindschaft, geraten erneut und in jüngerer Zeit verstärkt in Gefahr.

Die fast täglichen Angriffe auf Asylbewerber und andere Geflüchtete, auf Flüchtlingsheime und ehrenamtliche Helfer gehen weiter. In der Bundesrepublik sind seit 1990 fast 200 Menschen von rassistisch und fremdenfeindlich eingestellten Tätern umgebracht worden. Nach den NSU-Morden und -Terroranschlägen, die in der offiziellen Statistik noch nicht einmal als rechtsextremistische Straftaten gelistet sind, müssen wir zehn weitere Tote hinzurechnen.

Die Politik der ,,Inneren Sicherheit", Strafverfolgungsbehörden und ,,Verfassungsschutz" haben bei der Bekämpfung von rechter Gewalt und Neonazi-Terror lange Zeit grauenhaft versagt. Nur eine wache und kritische Öffentlichkeit wird genügend politischen Druck entfalten können, um Xeno- und Islamophobie zu ächten, institutionellen Rassismus anzuprangern, eine Wende im Umgang mit rassistischer Hetze und neonazistischer Gewalt einzufordern und den Opferschutz zu stärken. Des Weiteren ist zu fordern: rückhaltlose Aufklärung und konsequente Ahndung aller Neonazi-Verbrechen und aller staatlichen Verstrickungen in gewaltbereite Neonazi-Szenen, ernsthafte Anstrengungen gegen strukturellen und institutionellen Rassismus in Staat und Gesellschaft, eine humane Asyl- und Migrationspolitik, unabhängige Stellen zur Kontrolle der Polizei, rechtsstaatliche Zügelung und Kontrolle des ,,Verfassungsschutzes", Stärkung zivilgesellschaftlicher Projekte gegen ,,Rechtsextremismus" sowie bessere Unterstützung von Opfern rechter Gewalt und deren Angehörigen.

Mit ihrer Art von Flüchtlings- und Migrationspolitik, aber auch mit ihrer Art von Antiterrorkampf zeigen sich die Bundesregierung, die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sowie die EU insgesamt noch immer weitgehend ignorant gegenüber den wirklichen Ursachen und Gründen von Krieg, Terror, Gewalt, Ausbeutung und Flucht. Schließlich spielt der Westen, spielen EU, USA und Nato eine desaströse Rolle speziell im Nahen und Mittleren Osten – mit hunderttausenden toter Zivilisten allein seit den Anschlägen vom 11. September 2001.

Mit all seinen neokolonialen, militärischen und ökonomischen Interventionen ist der Westen, auch die Bundesrepublik, mitverantwortlich für die Zerstörung menschlicher Lebensgrundlagen, mitverantwortlich für Ausbeutung, Armut, Folter und Tod, für den Zerfall ganzer Staaten. Letztlich ist er dies auch für die Entstehung der IS-Terrormiliz. Zugespitzt formuliert: Mit dem ,,War on Terror", besonders im Irak und in Afghanistan, aber auch in Somalia, dem Jemen, Libyen, Pakistan und Syrien beförderte der Westen wahre Terroristen-Rekrutierungsprojekte und züchtete sich seine eigenen Feinde heran. In der westlichen Mitverursachung von Krieg, Terror, Ausbeutung, Klimakatastrophen und Elend liegt auch die politische Mitverantwortung dafür, dass Millionen Menschen aus diesen Regionen in die Flucht getrieben werden.

All dies gehört zur überaus dunklen Kehrseite unserer hehren westlichen Werte. Es wird also weder Fortschritt noch Frieden geben ohne Stopp von völkerrechtswidrigen kriegerischen Interventionen, ohne Einstellung der exzessiven Waffenexporte in Krisen- und Kriegsgebiete sowie an Diktaturen. Es wird im Übrigen auch keinen nachhaltigen Frieden und keine soziale Gerechtigkeit geben ohne eine radikale Änderung der aggressiven Wirtschafts- und Agrarpolitik, der ausbeuterischen Welthandels- und Rohstoffpolitik sowie der bisherigen Sozial-, Umwelt- und Klimapolitik. Denn es sind gerade auch die kapitalistische Wirtschaftsweise und unser westlicher Konsum- und Lebensstil, die anderswo töten und Menschen zur Flucht zwingen.

Zu fordern ist darüber hinaus eine radikale Änderung der EU-Flüchtlingspolitik. Die Schaffung sicherer und legaler Fluchtwege und Korridore nach Europa ist ein humanitäres Gebot der Stunde. Das Gleiche gilt für starke Hilfen zur Verbesserung der Lebensgrundlagen und -bedingungen in den Heimatländern der Geflüchteten und in den Flüchtlingslagern ihrer Nachbarländer.

Dazu gehört auch die Aufkündigung des milliardenschweren ,,Flüchtlingsdeals" mit der Türkei und der sogenannten Migrationspartnerschaften mit autokratischen Regimen in Afrika. Denn damit werden Flucht und Flüchtlinge bekämpft – nicht aber Fluchtursachen. Europäische Staaten sponsern und stabilisieren mit EU-Aufrüstungshilfen autokratische Staaten, ihre Militär- und Repressionsapparate – und verschärfen damit Fluchtgründe, anstatt sie zu beseitigen.

Nicht zuletzt ist der Einsatz für Schiffbrüchige eine Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten. Deshalb fordert etwa die zivile Seenotrettungsgesellschaft SOS Méditeranée, schleunigst ein funktionierendes europäisches Seenotrettungsprogramm im Mittelmeer zu etablieren, das nicht den Schutz der Grenzen, sondern die Rettung des Lebens Schiffbrüchiger zum erklärten Ziel hat. Denn das Massensterben von Flüchtlingen muss endlich gestoppt sowie Menschenwürde und Menschenrechten – und damit den verratenen Werten Europas – wieder Geltung verschafft werden.


Aus: "Flucht: Die dunkle Kehrseite der westlichen Werte" Rolf Gössner (09.01.2019)
Quelle: http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/flucht-die-dunkle-kehrseite-der-westlichen-werte-a-1650227,0#artpager-1650227-1 (http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/flucht-die-dunkle-kehrseite-der-westlichen-werte-a-1650227,0#artpager-1650227-1)

Quelle 2: https://flucht.hirnkost.de/2018/12/03/die-dunkle-kehrseite-unserer-westlichen-werte-buchbeitrag-von-rolf-goessner-internationale-liga-fuer-menschenrechte/ (https://flucht.hirnkost.de/2018/12/03/die-dunkle-kehrseite-unserer-westlichen-werte-buchbeitrag-von-rolf-goessner-internationale-liga-fuer-menschenrechte/) (Ungekürzter Beitrag)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 28, 2019, 07:55:12 PM
Quote[...] Die EU-Institutionen haben sich auf den Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex geeinigt. Demnach soll der EU-Grenz- und Küstenschutz bis 2027 auf 10.000 Einsatzkräfte aufgestockt werden. Bis 2021 sollen 5.000 Beamte zur Verfügung stehen.

"Mit der heutigen Entscheidung machen wir Europa sicherer und schützen unseren Schengenraum", sagte die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier (CSU) aus dem Innenausschuss des Parlaments und bestätigte damit frühere Angaben von Sitzungsteilnehmern. Die Einigung sende ein starkes Signal. Der Außengrenzschutz habe absolute Priorität.

Der Ausbau kommt damit allerdings später als ursprünglich gedacht. Die EU-Kommission hatte im September eigentlich vorgeschlagen, Frontex schon bis 2020 auf 10.000 Beamte auszubauen – das wären etwa 8.500 mehr als derzeit. 

Die Staats- und Regierungschefs hatten sich bereits im Juni 2018 auf einen Ausbau geeinigt. Kurz darauf hatten aber viele EU-Staaten Bedenken gegen den Zeitplan der EU-Kommission erhoben. Länder wie Italien und Griechenland fürchteten wegen erweiterter Befugnisse von Frontex zudem um ihre Souveränität auf eigenem Hoheitsgebiet. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warf den EU-Staaten daraufhin "himmelschreiende Heuchelei" vor. Die Bundesregierung hatte zwischenzeitlich mitgeteilt, ein Ausbau auf 10.000 Einsatzkräfte bis 2025 sei realistisch.

Die Zahl unerlaubter Grenzübertritte in die EU geht seit Jahren zurück. 2018 lag sie Frontex zufolge bei 150.114. Das waren 27 Prozent weniger als im Vorjahr.

Die Verhandlungen über eine europaweite Asylreform sind von der Frontex-Einigung unabhängig und bleiben weiter schwierig. Sie scheitern seit Jahren daran, dass die Mitgliedstaaten sich nicht auf die Verteilung Asylsuchender auf alle Länder einigen können. Staaten wie Ungarn und Polen wollen sich nicht dazu verpflichten lassen, Migrantinnen und Migranten aufzunehmen.


Aus: "EU beschließt Ausbau von Frontex" (28. März 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-aussengrenzen-frontex-ausbau-grenzschutz-migration (https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-aussengrenzen-frontex-ausbau-grenzschutz-migration)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 23, 2019, 05:01:25 PM
Quote[...] Immer öfter werden Flüchtlinge, die Deutschland verlassen müssen, in Abschiebehaft genommen. Während die Zahl der Abschiebungen seit 2015 nur leicht zugenommen hat, verdoppelte sich die Zahl der Fälle von Abschiebehaft bis 2017. Zugleich nimmt die Dauer dieser Haft deutlich zu. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Deren innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke verurteilt die Entwicklung: "Ein Resultat der von der Bundeskanzlerin eingeforderten nationalen Kraftanstrengung bei Abschiebungen ist offenbar, dass Geflüchtete immer häufiger und länger in Abschiebungshaft genommen werden, in Einzelfällen sogar Kinder. Ich finde das unerträglich."

Die Antwort der Bundesregierung basiert auf Rückmeldungen aus den Bundesländern, die für Abschiebungen und die mitunter vorangehende Haft zuständig sind. Diese Häftlinge haben sich in der Regel nicht strafbar gemacht, sie sind nur deshalb inhaftiert, um ihre Rückführung zu garantieren. Wurden 2015 noch gut 1800 Menschen zu diesem Zweck eingesperrt, stieg die Zahl 2017 auf gut 4000. In den ersten Monaten 2018 deutet sich ein weiteres Plus an. Die Auswertung der Daten durch einen Experten der Linksfraktion verdeutlicht den Unterschied zu früheren Jahren: Während von 2008 bis 2014 die Zahl der Abschiebungen leicht zunahm, sank die Zahl der Inhaftierungen. Gestiegen ist in den letzten Jahren auch die Dauer der Haft: Die Zahl der Fälle, in denen Geflüchtete mehr als sechs Wochen eingesperrt waren, hat sich seit 2015 etwa vervierfacht.

Immer wieder stellt sich Abschiebehaft später als rechtswidrig heraus, wie oft, ist strittig. Die Bundesländer erfassen nicht systematisch, wie oft Gerichte eine Haftanordnung kippen. Die Linksfraktion geht von einer hohen Zahl aus und beruft sich dabei auf den Hannoveraner Asylanwalt Peter Fahlbusch, der auf solche Fälle spezialisiert ist und zu seinen eigenen Mandanten Statistik führt. Seit 2001 habe er demnach bundesweit 1675 Abschiebehäftlinge vertreten, in knapp der Hälfte der Fälle habe ein Gericht abschließend festgestellt, dass die Haft rechtswidrig gewesen sei. Zusammengerechnet seien dies 21 854 unrechtmäßige Hafttage, so Fahlbusch. Die Linksfraktion fragt, ob man Abschiebehäftlingen nicht automatisch einen spezialisierten Anwalt zur Seite stellen sollte, ähnlich wie bei Untersuchungshäftlingen. Davon aber hält die Bundesregierung nichts: Sie habe "keinen Zweifel", dass bereits jetzt "ein umfassender Schutz von Grund- und Menschenrechten gewährleistet ist".

Jelpke kritisierte die Unkenntnis in diesem Bereich: Es sei "bezeichnend", dass rechtswidrige Abschiebehaft nicht systematisch erfasst werde. "Wer die eigenen Fehler nicht dokumentiert, muss sich auch nicht damit auseinandersetzen", sagte die Politikerin. "Offenbar zählen die Freiheitsrechte von Geflüchteten für deutsche Behörden so wenig, dass sie selbst deren rechtswidrige Inhaftierung billigend in Kauf nehmen - wenn dies der besseren Durchsetzung von Abschiebungen dient."


Aus: "Einsperren, rauswerfen" Bernd Kastner (22. November 2018)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-einsperren-rauswerfen-1.4222389 (https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-einsperren-rauswerfen-1.4222389)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 04, 2019, 01:04:38 PM
Quote[...] Das UN-Menschenrechtsbüro wirft Ungarn vor, Migranten nicht mit Lebensmitteln zu versorgen. Seit August vergangenen Jahres hätten mindestens 21 Menschen in Abschiebezonen teils bis zu fünf Tage kein Essen bekommen, sagte eine Sprecherin. Das EU-Land verstoße damit gegen internationale Gesetze und Standards. 

Die nationalen Behörden stellten den Menschen zwar frei, ihre Zonen zu verlassen – allerdings würden sie sich dann entweder illegal in Ungarn aufhalten oder illegal auf serbisches Territorium gelangen. "Das ist keine Lösung", sagte die Sprecherin.

Ungarn habe nach einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte versprochen, diese Praxis zu beenden. Berichte deuteten aber darauf hin, dass das bislang nicht geschehen sei. Der jüngste Fall stamme aus dem April.

Die Orbán-Regierung hatte zu Beginn dieser Woche in ihrem offiziellen Blog erklärt, Ungarn sei für abgelehnte Asylbewerber oder Menschen, die kein Asyl beantragt haben, "nicht verantwortlich". Alle anderen Migranten würden mit Lebensmitteln versorgt.

Das Land verstößt im Umgang mit Flüchtlingen seit Jahren gegen EU-Standards. Unter anderem verweigert es wie einige andere osteuropäische Staaten die Aufnahme von Flüchtlingen nach einem EU-weit ausgehandelten und beschlossenen Verteilschlüssel. Um die Migration über die Balkanroute zu stoppen, hatte Ungarn einen Zaun an der Grenze bauen lassen.

Im September 2015 hatte die Unterversorgung von Flüchtlingen an Bahnhöfen des Landes dazu geführt, dass sich Menschen gruppenweise auf eigene Faust über die Autobahn Richtung Österreich aufmachten. Die Bundeskanzler von Österreich und Deutschland entschlossen sich daraufhin, Busse zu schicken, um die Flüchtlinge außer Lebensgefahr zu bringen. In den dann folgenden Wochen und Monaten kamen täglich Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. Die Entwicklung löste eine Debatte über Obergrenzen für Flüchtlinge aus, über Grenzkontrollen und führte zur größten Krise der derzeitigen Berliner Regierungskoalition.



Aus: "Menschenrechte: Ungarn verweigert Migranten Nahrung" (3. Mai 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/menschenrechte-ungarn-fluechtlinge-nahrungsverweigerung-rechtsbruch (https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/menschenrechte-ungarn-fluechtlinge-nahrungsverweigerung-rechtsbruch)

QuoteSchneckenrad #1

Neulich war hier von vielen Foristen zu lesen, dass Orban zeigt wie man es richtig macht.
Ist das so ausreichend oder darf es noch einen Tick härter sein?


Quote
Scholae Palatinae #1.1

Die Rechnung geht ja tragischerweise auf. Dies ist doch das Kalkül.
Welcher Flüchtling flüchtet in ein Land, dass ihn verhungern lässt? Und schwupps entledigt man sich eines Migrantenstroms...
Diese menschenrechtsverletzenden Aktionen haben System und erreichen genau das Ziel, was beabsichtigt wird - Reduktion von Migranten.

In Zukunft wird es wohl ein Wettrüsten dahingehend geben, welcher "rechtsgerichtete" Staat Flüchtlinge am schlimmsten behandelt, um sich so unattraktiv wie möglich für Flüchtlinge zu machen.


Quotecontradore #1.2

"Neulich war hier von vielen Foristen zu lesen, dass Orban zeigt wie man es richtig macht.
Ist das so ausreichend oder darf es noch einen Tick härter sein?"

wie sie an den kommentaren erkennen können, scheint eine vielzahl von foristen keinerlei probleme mit ungarns menschenverachtendem vorgehen zu haben, oder lenkt lieber gleich vom thema ab.


Quotemichel II #1.5

... Gutmenschen und Menschenfreunde sitzen immer am längeren Hebel. Langfristig siegt immer die Menschlichkeit.
Abschottung, Einigeln, Egoismus, Nationalismus, Rassismus - nichts von dem hat die Menschheit aus der Bahn geworfen.
Ich habe das Gefühl, das die ganze poplistische korrupte Elite von Orban, über Maduro, Bolsonaro bis hin zu Trump ein letztes Aufbäumen ist, von Vertretern einer Menschen verachtenden Ideologie.


Quotedacapo #1.8

Vollkommen richtig. In der ganzen Menschheitsgeschichte hat es bei Zusammenreffen verschiedener Gruppen/später Völker eine Abneigung gegenüber den Anderen gegeben. Aber man peu a peu zusammen. Ein naheliegendes Beispiel die Gründung eines deutschen Gesamtstaats. Man sprach fast die gleiche Sprache, aber es gab viel Widerstand. Über dem Tellerrand war der Ftemde. Die schrecklichen Kolonialgeschichten ein anderes Beispiel. Der Europäer (als Nationalist) kam nach Amerika, rottete die Büffel aus, vetsuchte auch die Einwohner dieser Länder zu vernichten oder sperrte sie in Reservate und nun - fühlte er sich als DER Einwohner überhaupt. Sodass ein Trump (eines Abkömmlings eines Deutschen, den man auf deutschen Boden nicht mehr haben wollte) es fertig bringt, Flüchtende aus Ländern (in der Überzahl Abkömmlinge der Ureinwohner dieses Kontingent) nicht nach Nordamerika einwandern zu lassen. Verkehrte Welt! Ein anderes Drama in Afrika, man behandelte die Einwohner (Menschen wie Du und Ich) wie Tiere, fing sie und verkaufte sie wie Vieh als Arbeitskräfte. Durch die aktuellen Ausbeutungen und Machenschaften zwischen grossen Konzernen und den Herrschenden sind ein Grossteil der Völker gezwungen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wo es nach deren Vorstellung möglich ist, wie z.B. in Westeuropa. Aber dort ändern sich die Lebensverhältnisse insofern, dass ein grosser Zeil der Bevölkerung nicht mehr mithalten kann. Es blüht wieder die "freie" Wirtschaft. ...


Quote
initrd #8

Das paßt zu der fehlenden Humanität von Rechtspopulisten wie Orban, die Schwächsten der Schwächsten mißhandeln und auf deren Rücken Wahlkampf machen. ...


QuoteDrkdD #14

Originalton von Seehofer als damaliger Ministerpräsident:
Von Orban können wir sehr viel lernen.


Quote
EinFriese #18

Viktor Orbán hat sein Land seit 2010 wirklich verändert:
Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): 2010: Rang 23, 2019: Rang 87
Korruptionsfreiheit (Transparency International): 2010: Rang 50, 2018: Rang 64
Demokratie (EIU): 2010: Rang 43, 2018: Rang 57
Ökonomische Freiheit (Heritage Foundation): 2010: Rang 51, 2018: Rang 64
Einkommensgleichheit (GINI-Koefizient, Eurostat, kleiner ist besser): 2010: 24,1, 2018: 28,7
Wen jemandem die eigene Gesellschaft und derne Wohlergehen offensichtlich so egal ist, dem werden Flüchtlinge wohl noch gleichgültiger sein.


Quotereineke #26

Salvini war schon da und Strache gibt sich demnächst auch die Ehre - toll was da so abgeht.


Quotemitsprache
#29  —  vor 7 Stunden 3

Lieber MaxS mir gefällt diese formulierung: "Nein, die Selbstbestimmung eines Staates sollte nicht durch heuchlerische Moralapostelei unterwandert werden." - gerne würde ich Sie für ein experiment einladen: einen beitrag nach drei tagen ohne essen zu verfassen zu moralapostelei...Aber nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Ich hätte gerne auch die poltiker einer internationalen konferenz für dieses experiment eingeladen, die über massnahmen gegen den drohendden hungerkatastrophen der welt tagten. sie gaben tolle interviews im hintergrund standen die prall gefüllten tische für apero bereit. Ich würde gerne auch herrn orban einladen in der unterführung der metro bei der Astoria-Station in budapest, oder bei der Lehel-Platz, oder wo auch immer, wo die obdachlosen sind/vegetieren. Sie sind seit einiger zeit als menschen wahrgenommen. genauer gesagt als juristische personen. Ihnen wird ihre habseligkeiten weggenommen, und einen prozess gemacht, von gutgefütterten regierungssöldnern. Orban, der einer mit väterlichen gewalt schwer belasteten jugend hinter sich hat, entwickelte sich als enfant terrible der EU. er geniesst seine rolle, des wiederstandes, des trotzkindes, und geniesst es ungemein der allmächtige für seinen untertanen zu sein. Seine allmacht wird fürstlich belohnt. der ist doch mitglied der EU. wenn das keine moralapostelei ist.



...
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 12, 2019, 12:02:35 PM
Quote[...] Mit Mitte 20 kam die Mutter von Manik Chander aus Indien nach Deutschland, bekam vier Kinder und arbeitete später als Pflegerin. Wie hart das für sie gewesen sein muss, verstand die Tochter erst viele Jahre später. Chander sagt im Interview: "Viele migrantische Mütter erzählen ihren Töchtern nicht ihre Geschichte. Und wir vergessen nachzufragen." Gemeinsam mit Melisa Manrique hat Chander deshalb nun ein Buch herausgegeben, das elf Mütter mit Migrationshintergrund porträtiert.

ZEIT ONLINE: Frau Chander, Ihre Mutter ist ausgebildete Lehrerin. Sie kam nach Deutschland, um Ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen. In Deutschland konnte sie nur einen Job als ambulante Pflegerin finden. Was bedeutete das für Ihre Familie?

Manik Chander: Als Kind einer indischen Mutter habe ich mir manchmal eine "normale" Mutter gewünscht, eine Mutter ohne Migrationsgeschichte. In der Schulzeit musste ich bei Elternabenden mitgehen und übersetzen. Von meinen Klassenkameraden wurde ich geärgert, weil ich nach Curry roch. Und ich glaube, das habe ich meine Mutter spüren lassen. Als sie anfing zu arbeiten, mussten wir uns als Familie neu organisieren, weil meine Mutter viel weg war. Ich musste selbstständiger werden. Mir war damals aber klar, dass es gut für meine Mutter war, überhaupt zu arbeiten und unabhängiger zu werden.

ZEIT ONLINE: Wie kam sie zurecht in der deutschen Arbeitswelt?

Chander: Meine Mutter ist ziemlich schnell, nachdem sie nach Deutschland gekommen war, schwanger geworden. Deshalb ist sie erst einige Jahre später in die Arbeitswelt eingestiegen. In Indien hatte sie als Lehrerin gearbeitet. Ihr Abschluss wurde in Deutschland aber nicht anerkannt, deshalb wurde sie Pflegerin. Sie lernte dadurch deutsch. Sie mochte die geordneten Strukturen, die Pünktlichkeit und die klaren Ansagen. Ab und zu hätte sie sich mehr Flexibilität gewünscht. Es war eine Belastung für sie, mit vier Kindern in Vollzeit zu arbeiten. Und als Pflegerin begegnete sie immer mal wieder Patienten, die sich – zumindest zu Beginn – nicht von ihr behandeln lassen wollten.

... Ich hatte genau wie andere Töchter, die ich kenne und deren Mütter aus Äthiopien, dem Irak oder Mexico kommen, als Kind oft ein Gefühl von Bringschuld. Unsere Eltern haben viel aufgegeben, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie haben ihre Familie, ihre Sprache und oft angesehene Berufe hinter sich gelassen. Als Kind steht man dadurch unter Druck, selbst im Leben etwas leisten zu müssen. ... Ich wäre nie auf die Idee gekommen, nicht mein eigenes Geld zu verdienen. Im Unterschied zu meiner Mutter suche ich aber in meiner Arbeit Sinn. Sie soll mich inhaltlich erfüllen. Das ist ein Luxus, den meine Mutter natürlich nicht hatte. Sie hat sich die Frage gar nicht erst gestellt, sie konnte sich nicht aussuchen, was sie macht.

... ZEIT ONLINE: Die Journalistin und Autorin Fatma Aydemir hat vor Kurzen in einem Essay geschrieben: "Wenn ich mich in diesem Land umschaue, sehe ich niemanden, der so hart arbeitet wie Migrant_innen." Können Sie das mit Ihren Geschichten zusammenbringen?

Chander: Ich glaube, das stimmt: Niemand arbeitet so hart wie Migrantinnen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie aus verschiedenen Gründen diskriminiert werden: Als Frauen, als Migrantinnen. Es ist wichtig, das zu betonen.

...


Aus: "Manik Chander: "Ich habe mir früher eine normale Mutter gewünscht"" Helen Hahne (12. Mai 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2019-05/manik-chander-mama-superstar-migration-muttertag/komplettansicht (https://www.zeit.de/arbeit/2019-05/manik-chander-mama-superstar-migration-muttertag/komplettansicht)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 19, 2019, 12:39:55 PM
Quote[...] In der fast 70-jährigen Geschichte des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hat es weltweit noch nie so viele Menschen auf der Flucht gegeben wie im vergangenen Jahr. Das Flüchtlingshilfswerk schätzt die Zahl auf 70,8 Millionen Geflüchtete, Vertriebene und Asylbewerber, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Das seien 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor und doppelt so viele wie vor 20 Jahren.

Aus dem jährlichen Bericht Global Trends der UN geht hervor, dass es sich bei 41,3 Millionen Geflüchteten um Binnenvertriebene handelt. 25,9 Millionen Menschen sind demnach vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen, ein Plus von 500.000 im Vergleich zum Vorjahr. Die kleinste Gruppe bilden 3,5 Millionen Asylbewerber, die noch auf eine Entscheidung über ihr Asylgesuch warten. Allein 6,7 Millionen Geflüchtete kamen aus Syrien, weitere 2,7 Millionen aus Afghanistan und 2,3 Millionen aus dem Südsudan. Weitere wichtige Herkunftsländer waren Myanmar, Somalia, Sudan und die Demokratische Republik Kongo.

Wie der Repräsentant des Flüchtlingshilfswerks in Deutschland, Dominik Bartsch, gegenüber der Stuttgarter Zeitung sagte, werden täglich 37.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind demnach Kinder. Der UN-Vertreter nannte in dem Zusammenhang Afghanistan und Sudan.

"Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt", sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Es gebe trotz einer oft vergifteten Sprache im Zusammenhang mit Geflüchteten und Migranten auch fantastische Beispiele von Großmut. "Auf diesen positiven Beispielen müssen wir aufbauen und unsere Solidarität für die vielen Tausenden, die jeden Tag vertrieben werden, verdoppeln", forderte Grandi. Lösungen könne es aber nur geben, wenn alle Länder zusammenarbeiteten.

In Deutschland ging die Zahl der neuen Asylanträge dem Bericht zufolge erneut deutlich zurück. Demnach sank die Zahl der Antragsteller 2018 auf 161.900, ein Jahr zuvor waren es noch 198.300 gewesen, 2016 sogar 722.400. Die meisten Asylsuchenden kamen aus Syrien, dem Irak und dem Iran. Insgesamt gab es laut UNHCR zum Jahreswechsel 1,06 Millionen anerkannte Geflüchtete in Deutschland, die Hälfte davon aus Syrien.


Aus: "Migration: Mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht" (19. Juni 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-06/migration-un-flucht-asyl-fluechtlinge (https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-06/migration-un-flucht-asyl-fluechtlinge)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2019, 04:26:05 PM
Quote[...] Anerkannte Flüchtlinge reisen ohne Absprache mit den zuständigen Behörden privat auf Heimaturlaub – das ist Behörden und zumindest in diversen Helferkreisen bekannt. Meist erfolgen die Reisen aus Heimweh oder um Verwandte zu besuchen. Die Einreise findet über Nachbarländer wie die Türkei und dem Libanon statt.

Flüchtlinge, die einen deutschen und syrischen Pass haben, legen dann vermutlich beim Grenzübertritt nur ihren syrischen Pass vor, manchmal dürfte auch Bestechungsgeld bezahlt werden. Wer als anerkannter Asylbewerber einen blauen deutschen Reisepass hat, darf damit überall hinreisen, nur nicht nach Syrien. Die Frage lautet in solchen Fällen: Wie sehr sind solche Syrer wirklich verfolgt vom Assad-Regime, vor dem sie ihren Angaben zufolge geflohen sind?

Vor diesem Hintergrund hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärt: ,,Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen." Das klingt nach klaren Worten, die Probleme liegen aber im Detail.

Wer ist überhaupt betroffen? Das Bundesinnenministerium teilt mit, ,,dass eine kurze Rückreise zur Erfüllung sittlicher Verpflichtungen kein Grund für einen Widerruf ist". Dazu zählen Beerdigungen oder der Besuch von schwerkranken Angehörigen. Aber auch hier müsse man den Einzelfall prüfen.

Ganz anders sehe es bei Urlaubsreisen oder privaten längerfristigen Aufenthalten im Heimatland aus, über die die Behörden eben oft nicht informiert werden. ,,Dies kann ein Indiz dafür sein, dass bei dem Flüchtling keine Furcht vor Verfolgung vorliegt. Hier kommt gegebenenfalls ein Widerruf oder eine Rücknahme in Betracht", sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) teilt mit: ,,Kommt das Bamf zum Ergebnis, dass die Reise ins Herkunftland die Fluchtursache außer Kraft setzt, erfolgt in der Regel ein Widerruf des Schutzstatus." Nur, wie viele Flüchtlinge tatsächlich eine private Urlaubsreise in ihre Heimat buchen, kann das Bamf nicht sagen.

Trotzdem teilt es mit, dass es ,,über funktionierende Kommunikationswege" verfüge, ,,um über eine Ortsabwesenheit im Herkunftsland informiert zu werden". Diese Wege sind unter anderem Behörden, die das Bamf informieren, dass ein Asylberechtigter in sein Herkunftsland gereist ist. Nur scheinen diese Kanäle nicht wirklich effektiv zu funktionieren.

In Flüchtlingskreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass dem Bamf nicht alle Syrien-Aufenthalte bekannt sind. Seit Beginn der Kämpfe sind rund 780.000 Syrer nach Deutschland geflohen.

Aber selbst wenn das Bamf mitbekommt, dass ein anerkannter Flüchtling in seine Heimat geflogen ist, bedeutet das in der Praxis nicht viel. Bis 31. Dezember besteht ein Abschiebestopp in das Land. Das Bamf unterscheidet zwischen anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die nur so lange bleiben dürfen, bis in ihrer jeweiligen Heimat die Sicherheitssituation eine Rückkehr zulässt.

Befürchten müssen Syrer, die beim Heimaturlaub erwischt wurden, nicht viel. ,,Ein Widerruf des Schutzstatus bedeutet weder die Beendigung jedweden Schutzstatus der betroffenen Person noch die zwingende Aufenthaltsbeendigung", sagte eine Bamf-Sprecherin.

Nur wenn jemand keinen subsidiären Schutz genießt oder aus einem Land kommt, in das nicht abgeschoben wird oder ein anderer Grund vorliegt, der gegen eine Abschiebung spricht, könne ,,die Ausländerbehörde auch den Aufenthaltstitel widerrufen und die betreffende Person sowie gegebenenfalls auch Familienmitglieder zur Ausreise auffordern".

Doch diese harte Maßnahme ist der absolute Ausnahmefall. 2018 wurden nur 982 Schutztitel entzogen, 1,2 Prozent aller im vergangenen Jahr vom Bamf abgeschlossenen Widerrufs- oder Rücknahmeprüfungen.


Aus: "Zum Heimaturlaub nach Syrien" Frank Bachner (26.08.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/anerkannte-fluechtlinge-zum-heimaturlaub-nach-syrien/24941204.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/anerkannte-fluechtlinge-zum-heimaturlaub-nach-syrien/24941204.html)

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Quote[...] "Seehofer will Syrern Flüchtlingsstatus entziehen", schrieb "Bild.de", beim bayerischen Online-Portal "BR24" war zu lesen, "Seehofer will syrische Heimaturlauber abschieben" und die "Welt" kommentierte: "So verhöhnen Flüchtlinge deutsche Gastfreundschaft". Auch in sozialen Medien gab es Aufregung: Missbrauchen viele Syrer das Asylrecht und machen regelmäßig Urlaub in ihrer Heimat?

So verstand man offenbar die Äußerung des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) in der "Bild am Sonntag": "Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen. Wenn dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Red.) Reisen in das Herkunftsland bekannt werden, wird unverzüglich ein Widerruf des Flüchtlingsstatus geprüft."

Das löste Kritik aus, bei der Opposition und Sozialverbänden. "Die Aussage von Bundesinnenminister Seehofer suggeriert, dass syrische Geflüchtete zur Erholung oder Freizeit in das Bürgerkriegsland zurückkehren würden", sagt Caritas-Präsident Peter Neher der DW. "Aus unserer Caritas-Flüchtlingsarbeit wissen wir, dass syrische Flüchtlinge kurzzeitig ihr Herkunftsland aufsuchen, um beispielsweise erkrankte oder minderjährige Familienangehörige in akuten Notlagen zu unterstützen. Auch wenn Verwandte oder Familienmitglieder im Sterben liegen, reisen syrische Flüchtlinge kurzzeitig ins Herkunftsland." Der blaue Pass für anerkannte Flüchtlinge berechtigt zu Reisen ins Ausland, aber nicht in das Land, aus dem sie geflohen sind.

Anwar Abdulkader, ein syrischer Flüchtling, der in Köln als Kultur- und Sprachmittler arbeitet, bestätigt: "In sozialen Netzwerken wird viel über das Thema gesprochen." Flüchtlinge versuchten - teilweise mit Hilfe von Schleppern - über Nachbarstaaten wie die Türkei, den Irak oder den Libanon nach Syrien zu reisen, wenn jemand aus der Familie ernste Probleme habe oder krank sei.

Flüchtling Ali N. (Name geändert), der in Bonn arbeitet, ergänzt: "Einerseits verstehe ich, dass viele Flüchtlinge ihre Familien vermissen, insbesondere die, die sie nicht nach Deutschland holen dürfen wegen der Beschränkung des Familiennachzugs. Andererseits finde ich, dass die Flüchtlinge auf die Gesetze in Deutschland achten müssen, weil sonst das Asylrecht ausgenutzt wird."

Sind Reisen in die Heimat ein drängendes Problem? Obwohl die Debatte darüber jährlich wiederkehrt - meist im Sommer -, gibt es "weder Zahlen noch Schätzungen", wie viele anerkannte Schutzsuchende aus Syrien in ihr Heimatland reisen, warum sie das tun und in wie vielen Fällen solche Reisen zu einem Widerruf des Flüchtlingsstatus führen, teilt das zuständige BAMF mit. Etwa 780.000 Syrer flüchteten in den vergangenen Jahren nach Deutschland. Gibt es unter ihnen wenige Fälle, dutzende oder weit mehr? "Es wird immer mal wieder berichtet", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) der Deutschen Welle. Die meisten Meldungen über solche Reisen ins Heimatland erhält das BAMF von der Bundespolizei, für die der Innenminister zuständig ist - auch dazu gibt es keine Zahlen.

Geäußert über den "Urlaub in Syrien" hat sich der deutsche Innenminister kurz vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. "Herr Bundesminister Seehofer hat auf die geltende Rechtslage hingewiesen", schreibt das BMI der DW. Linken-Politikerin Ulla Jelpke wirft Seehofer vor, Stimmung gegen syrische Flüchtlinge zu machen, um CDU und CSU "für AfD-Wähler attraktiv zu machen". Selbst wenn Schutzsuchende in Verfolgerstaaten reisten, um Familienangehörige zu treffen, wäre das kein "Urlaub", argumentiert sie: "Solche gefährlichen Reisen sind vielmehr die brutale Konsequenz einer restriktiven Familiennachzugspolitik."


Asylrecht
Streit um Heimatreisen syrischer Flüchtlinge - Urlaub oder Familienpflicht?

Brauchen Flüchtlinge noch Schutz, wenn sie vorübergehend in das Land reisen, aus dem sie geflohen sind? Die Frage sorgt für Aufregung - auch bei Flüchtlingen. Dabei erkennen deutsche Behörden manche Reisegründe an.

Syrien junge Frau auf einem Friedhof (Getty Images/AFP/D. Souleiman)

Familie im Herkunftsland: Eine junge syrische Frau besucht das Grab eines Verwandten in Syrien

"Seehofer will Syrern Flüchtlingsstatus entziehen", schrieb "Bild.de", beim bayerischen Online-Portal "BR24" war zu lesen, "Seehofer will syrische Heimaturlauber abschieben" und die "Welt" kommentierte: "So verhöhnen Flüchtlinge deutsche Gastfreundschaft". Auch in sozialen Medien gab es Aufregung: Missbrauchen viele Syrer das Asylrecht und machen regelmäßig Urlaub in ihrer Heimat?

So verstand man offenbar die Äußerung des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) in der "Bild am Sonntag": "Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen. Wenn dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Red.) Reisen in das Herkunftsland bekannt werden, wird unverzüglich ein Widerruf des Flüchtlingsstatus geprüft."
Bild-Zeitung berichtet über Seehofer (bild.de)

"Geltende Rechtslage", doch die Berichterstattung erweckte den Eindruck, Innenminister Seehofer wolle die Regeln ändern

Das löste Kritik aus, bei der Opposition und Sozialverbänden. "Die Aussage von Bundesinnenminister Seehofer suggeriert, dass syrische Geflüchtete zur Erholung oder Freizeit in das Bürgerkriegsland zurückkehren würden", sagt Caritas-Präsident Peter Neher der DW. "Aus unserer Caritas-Flüchtlingsarbeit wissen wir, dass syrische Flüchtlinge kurzzeitig ihr Herkunftsland aufsuchen, um beispielsweise erkrankte oder minderjährige Familienangehörige in akuten Notlagen zu unterstützen. Auch wenn Verwandte oder Familienmitglieder im Sterben liegen, reisen syrische Flüchtlinge kurzzeitig ins Herkunftsland." Der blaue Pass für anerkannte Flüchtlinge berechtigt zu Reisen ins Ausland, aber nicht in das Land, aus dem sie geflohen sind.
Deutschland Reiseausweis für Flüchtlinge (Imago Images/epd)

Reiseausweis für Flüchtlinge: Reisen ins Ausland erlaubt, aber nicht ins Herkunftsland

Anwar Abdulkader, ein syrischer Flüchtling, der in Köln als Kultur- und Sprachmittler arbeitet, bestätigt: "In sozialen Netzwerken wird viel über das Thema gesprochen." Flüchtlinge versuchten - teilweise mit Hilfe von Schleppern - über Nachbarstaaten wie die Türkei, den Irak oder den Libanon nach Syrien zu reisen, wenn jemand aus der Familie ernste Probleme habe oder krank sei.

Flüchtling Ali N. (Name geändert), der in Bonn arbeitet, ergänzt: "Einerseits verstehe ich, dass viele Flüchtlinge ihre Familien vermissen, insbesondere die, die sie nicht nach Deutschland holen dürfen wegen der Beschränkung des Familiennachzugs. Andererseits finde ich, dass die Flüchtlinge auf die Gesetze in Deutschland achten müssen, weil sonst das Asylrecht ausgenutzt wird."

Zu Heimatreisen gibt es keine Zahlen

Sind Reisen in die Heimat ein drängendes Problem? Obwohl die Debatte darüber jährlich wiederkehrt - meist im Sommer -, gibt es "weder Zahlen noch Schätzungen", wie viele anerkannte Schutzsuchende aus Syrien in ihr Heimatland reisen, warum sie das tun und in wie vielen Fällen solche Reisen zu einem Widerruf des Flüchtlingsstatus führen, teilt das zuständige BAMF mit. Etwa 780.000 Syrer flüchteten in den vergangenen Jahren nach Deutschland. Gibt es unter ihnen wenige Fälle, dutzende oder weit mehr? "Es wird immer mal wieder berichtet", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) der Deutschen Welle. Die meisten Meldungen über solche Reisen ins Heimatland erhält das BAMF von der Bundespolizei, für die der Innenminister zuständig ist - auch dazu gibt es keine Zahlen.

Geäußert über den "Urlaub in Syrien" hat sich der deutsche Innenminister kurz vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. "Herr Bundesminister Seehofer hat auf die geltende Rechtslage hingewiesen", schreibt das BMI der DW. Linken-Politikerin Ulla Jelpke wirft Seehofer vor, Stimmung gegen syrische Flüchtlinge zu machen, um CDU und CSU "für AfD-Wähler attraktiv zu machen". Selbst wenn Schutzsuchende in Verfolgerstaaten reisten, um Familienangehörige zu treffen, wäre das kein "Urlaub", argumentiert sie: "Solche gefährlichen Reisen sind vielmehr die brutale Konsequenz einer restriktiven Familiennachzugspolitik."

Kritik kam auch von der Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic. Aus kurzen Aufenthalten könne nicht geschlossen werden, dass ein dauerhafter Aufenthalt ungefährlich wäre, sagte sie der "Rheinischen Post".

Rami A. (Name geändert) lebt in Brandenburg, wo bald gewählt wird. Vor fünf Jahren floh er aus Damaskus nach Deutschland. Die aktuelle Debatte stärke die AfD im Wahlkampf und rücke die Syrer in ein schlechtes Licht, beobachtet er: "Das schadet unserem Ruf." Viele forderten jetzt, die Syrer sollten doch alle zurückgehen in ihr Land, um es wieder aufzubauen. Er selbst aber befürchte wie viele andere, bei einer Rückkehr vom Assad-Regime verfolgt zu werden. Dieses Problem hätten Regime-Anhänger natürlich nicht.

Rami A. warnt vor Verallgemeinerungen, auch über die Lage in Syrien. In der Region Idlib wird noch gekämpft. Er kennt Flüchtlinge, die nach Syrien gereist sind, teilweise meldeten sie das vorher bei Ausländerbehörden an, sagt er. Ein Mann etwa "wollte unbedingt seine tote Mutter vor der Beerdigung noch einmal sehen".

Eine freiwillige Rückreise ins Herkunftsland kann Grund für einen Widerruf des Flüchtlingsstatus sein, aber nur dann, wenn man davon ausgeht, dass der Flüchtling sich wieder unter den Schutz des Heimatlandes stellt. "Handelt es sich um Reisen zu Urlaubszwecken oder einen langfristigen Aufenthalt im Herkunftsland, kann dies ein Indiz dafür sein, dass bei dem Flüchtling keine Furcht vor Verfolgung vorliegt", teilt das BAMF mit. Einen automatischen Verlust des Flüchtlingsstatus aber gibt es nicht. Seit 2015 schreibt das europäische Recht vor, dass jeder Einzelfall in einem Widerrufsverfahren geprüft werden muss.

Das BAMF geht davon aus, "dass eine kurze Rückreise zur Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung, wie die Teilnahme an einer Beerdigung, der Besuch eines schwerkranken Familienangehörigen, kein Grund für einen Widerruf ist." Generelle Aussagen könne man nicht treffen, erst nach der Reise lasse sich von Fall zu Fall beurteilen, ob der Schutzstatus auf Widerruf geprüft werden müsse."

Seit diesem Jahr gibt es eine Studie zu "Reisen von Schutzberechtigten in ihre Herkunftsländer". Solche Reisen wurden immer wieder kontrovers diskutiert, heißt es darin. Anlass dafür seien auch Anfragen der AfD in Landesparlamenten, die mit Stichworten wie  "Heimaturlaube" oder "Missbrauch des Asylstatus" den Eindruck erweckten, dass Schutzberechtigte, die temporär in ihre Herkunftsländer reisten, "ihren Schutzstatus generell zu Unrecht in Anspruch nehmen würden". Das ist nicht die Rechtslage.

Innenminister Horst Seehofer hatte in seiner Stellungnahme auch angekündigt: "Zudem beobachten wir intensiv die Entwicklung in Syrien.‎ Wenn es die Lage erlaubt, werden wir Rückführungen durchführen." Vorläufig aber würde selbst nach einem Widerruf des Flüchtlingsstatus niemand aus Deutschland nach Syrien gebracht. Bis zum 31.12.2019 gilt ein Abschiebestopp.


Aus: "Streit um Heimatreisen syrischer Flüchtlinge - Urlaub oder Familienpflicht?" (23.08.2019)
Quelle: https://www.dw.com/de/streit-um-heimatreisen-syrischer-fl%C3%BCchtlinge-urlaub-oder-familienpflicht/a-50123410 (https://www.dw.com/de/streit-um-heimatreisen-syrischer-fl%C3%BCchtlinge-urlaub-oder-familienpflicht/a-50123410)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2019, 04:30:02 PM
Quote[...]  Mitte August veröffentlichen syrische Aktivisten Videoaufnahmen, die einen Bombenangriff der syrischen Luftwaffe zeigen sollen. Später melden internationale Agenturen, dass mehr als ein Dutzend Menschen bei dem Angriff sterben. Der Schauplatz: Ein Ort nahe der syrischen Stadt Idlib.

Am selben Tag trifft ein Kamerateam der ARD nur wenige Kilometer entfernt den 26 Jahre alten Bashir. Er erzählt, dass er vor sechs Jahren aus Syrien in die Türkei geflohen war. Doch Mitte Juli hätten türkische Behörden ihn nach Idlib abgeschoben. Er sei in Istanbul, wo er gemeldet ist, auf der Straße kontrolliert worden. Seinen Pass habe er dabei gehabt, nicht aber die Aufenthaltsgenehmigung für Istanbul. Die Polizei habe ihn festgenommen, sagt er. "Auf dem Polizeirevier mussten wir warten, solange bis noch mehr Syrer ankamen. Wir hatten keine Ahnung, was sie mit uns vor hatten. Wir mussten alles abgeben, was wir besaßen. Irgendwann brachten sie mich und 17 andere in einen Bus."

Es beginnt eine rund 20-stündige Busfahrt, erzählt der Syrer, in Handschellen. Die Polizei habe ihm und den anderen erklärt, man wolle sie ins türkische Hatay bringen, wo sie neu registriert würden. Seine Familie in Istanbul ahnt zu dem Zeitpunkt nichts von alledem.

Denn benachrichtigen durfte er niemanden, auch keinen Anwalt, sagt Bashir. Er selbst habe erst am nächsten Tag begriffen, dass man ihn und die anderen nach Syrien bringen will. "Am Morgen, als es hell wurde, sahen wir die türkische Grenzmauer. Wir waren beunruhigt und fragten: Wohin bringt ihr uns? Ein türkischer Soldat kam und sagte: Ich will keinen Mucks von Euch hören, sonst bringe ich Euch um."

Bashirs Geschichte sei kein Einzelfall, sagt Emma Sinclair-Webb von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die türkische Regierung kündigte im Juli an, Syrer, die nicht in Istanbul gemeldet sind, in andere Provinzen umzusiedeln. Seitdem gebe es immer wieder Razzien und auch Berichte über zahlreiche Fälle von Deportationen nach Syrien. "Viele Syrer haben jetzt natürlich gerade große Angst, dass die Türkei die Umsiedlungen als Vorwand nutzt, um Syrer loszuwerden, weil sie ihr zu viel werden."

Das türkische Innenministerium wies Vorwürfe von Deportationen in der Vergangenheit wiederholt von sich. Auch bei einem Pressetermin mit ausländischen Medien, darunter auch die ARD, spricht Innenminister Süleyman Soylu von einer Politik der freiwilligen Rückkehr. Es sei nicht möglich, dass Syrer zurückgeschickt werden. "Außer jemand möchte freiwillig zurück gehen", so Soylu.

Die Rückkehr geschehe jedoch oftmals nicht freiwillig, sagt Sinclair-Webb. Laut Human Rights Watch wurden Syrer in zahlreichen Fällen gezwungen, Dokumente über eine freiwillige Rückkehr nach Syrien zu unterschreiben. "Zum Teil unter Androhung von Schlägen oder der Ansage, dauerhaft verhaftet zu werden, außer man unterzeichnet ein Papier, das manche nicht mal lesen oder verstehen können."

Auch Bashir, der laut eigenen Aussagen nach Idlib abgeschoben wurde, erzählt im Interview von einem Papier, das er unterzeichnen musste. "Wir fragten nach dem Inhalt. Die Beamten sagten: Keine Sorge, das ist nur eine Formalie, da ihr keinen Ausweis dabei habt." Was er da unterzeichnete, sei ihm bis heute nicht klar, sagt er. Das türkische Innenministerium widerspricht den Vorwürfen auch hier. Stattdessen unterstreicht der Innenminister die hohe Zahl an Flüchtlingen, mit denen die Türkei seiner Meinung nach weitgehend alleingelassen werde. "Bei Großstädten wie Istanbul müssen wir die Zahl der Registrierungen begrenzen, damit es keine zu große Ansammlung gibt, auch im Hinblick auf Arbeitsplätze."

In der Türkei sieht derzeit eine Mehrheit der Bevölkerung laut Umfragen die Wirtschaftskrise sowie Flüchtlinge als größte Probleme des Landes an. Für viele seien beide miteinander verknüpft. Die meisten Türken hätten sich jahrelang wesentlich toleranter gegenüber Syrern gezeigt als Bürger in europäischen Ländern, sagt Sinclair-Webb von Human Rights Watch.

"Der Wind dreht sich erst seit Kurzem und jetzt sehen wir auch in der Türkei sehr viele Ressentiments." Teile der türkischen Opposition nutzte die steigende Ablehnung in der Bevölkerung zuletzt für sich und machte im Kommunalwahlkampf dieses Frühjahr Stimmung gegen Syrer und eine "Politik der Gastfreundschaft" der Regierung. Die wiederum versuche nun mit einer Politik der Härte verlorene Stimmen in der Wählerschaft zurückzuholen, glauben Beobachter wie Sinclair-Webb. "Ich denke, es ist Teil einer populistischen Agenda, die mit Ausländerfeindlichkeit spielt und dabei riskiert, die Stimmung noch weiter zu verschärfen."

Bashir, der Mitte Juli nach Syrien abgeschoben wurde, meldet sich mehr als eine Woche nach dem ARD-Interview per Textnachricht. Er sei wieder in der Türkei, die Behörden hätten ihn angerufen, man habe ihn wohl fälschlicherweise abgeschoben. Er sei dankbar und froh, nach fünf Wochen wieder zurück zu sein. Doch Angst habe er weiterhin. Wer könne ihm versichern, dass sich so etwas nicht wiederholt?


Aus: "Abgeschoben in den Krieg" Katharina Willinger, ARD-Studio Istanbul (25.08.2019)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-tuerkei-121.html (https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-tuerkei-121.html)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2019, 04:40:32 PM
Quote[...] Oliviero Angeli lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Dresden und ist wissenschaftlicher Koordinator des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM). Er ist Autor von "Migration und Demokratie. Ein Spannungsverhältnis" (erschienen 2018 beim Reclam Verlag)

Manche nennen es 'Sogwirkung', andere sprechen von einem 'Pull-Effekt' - gemeint ist das Gleiche: Wir locken unfreiwillig Menschen nach Deutschland. Menschen würden wegen hierzulande höherer Sozialleistungen nach Deutschland kommen. Von Wohlfahrtsmagneten oder (noch plakativer) von 'sozialen Hängematten' ist die Rede.

Im Zusammenhang mit der 'Flüchtlingskrise' hat sich auch ein anderer Vorwurf nachhaltig eingebrannt: Kanzlerin Merkel habe mit ihrer 'Willkommenskultur' eine Sogwirkung unter den Flüchtlingen entfaltet und die Zahl der Ankömmlinge drastisch gesteigert. Später wurde auch dem UN-Migrationspakt eine starke Sogkraft attestiert. Und jüngst sieht sich auch die private Seenotrettung dem Vorwurf ausgesetzt, als Lockvogel für Flüchtlinge im Mittelmeerraum zu dienen. Auch als Merkel am vergangenen Wochenende die Wiederaufnahme der EU-Rettungsmission ins Spiel brachte, war der Grundtenor der Kritik ähnlich: Flüchtlinge würden sich nur deshalb auf den Weg nach Europa machen, weil sie wüssten, dass Marineschiffe sie aus dem Wasser ziehen und zur Weiterreise nach Europa verhelfen.

Was ist an diesen Vorwürfen dran? Zunächst einmal zeugen sie von Selbstüberschätzung - bei gleichzeitiger Geringschätzung der Migranten. Denn sie suggerieren, dass Migranten politischen und ökonomischen Anreizen nahezu willenlos ausgesetzt seien. Als genüge es, an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen, um Migration zu steuern.

Untersuchungen erzählen oft eine ganz andere Geschichte: Aus Befragungen von Menschen aus Ländern wie Syrien oder Eritrea geht zum Beispiel hervor, dass Migration alles andere als linear, berechenbar bzw. vorhersagbar abläuft. Entscheidungen von Migranten sind das Ergebnis eines Zusammenspiels von mehreren Faktoren - wovon die Einwanderungs- bzw. Flüchtlingspolitik der Zielländer nur ein Faktor ist und nicht einmal der bedeutendste.

Zudem handeln Migranten - wie wir alle - oft genug nicht entlang der Vorstellung eines wirtschaftlich denkenden Nutzenmaximierers. Zum Beispiel dann, wenn sie zur Erreichung ihres Ziels bereits viel Geld für Schlepper- und Schleuserdienste ausgegeben haben und sich weigern, dieses Geld als verloren zu betrachten (Verhaltensökonomen nennen dieses Phänomen "sunk cost fallacy"). Auch das mag erklären, warum Migranten selten auf halbem Wege aufgeben und hohe Risiken auf sich nehmen, um an ihr Ziel Europa zu gelangen. Sie haben schon so viel ausgegeben, da kommt Aufgeben nicht infrage. Der Sondergesandte des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) für das zentrale Mittelmeer, Vincent Cochetel, sprach in diesem Zusammenhang von einer "Radikalisierung von Migrationsträumen".

Natürlich trifft die Rede von der Sogwirkung einen Nerv: Es geht um das Bedürfnis, Zusammenhänge, Sinn und Kausalität in das unübersichtliche Migrationsgeschehen der letzten Jahre zu bringen. Es geht auch darum, Verantwortliche zu identifizieren und haftbar für ihr Fehlverhalten zu machen. Belegt sind die Sogwirkung-Vorwürfe jedoch kaum.

Ein Faktencheck:

    These 1: Die wollen es sich bei uns bequem machen

Kann ein vergleichsweise großzügig ausgestalteter Sozialstaat als 'Magnet' für Migranten wirken? Tatsächlich wird den Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten gern unterstellt, es gehe ihnen hauptsächlich darum, in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen. Nachweislich haben vor allem Netzwerkeffekte einen großen Einfluss auf die Wahl des Zuwanderungslands. Das heißt: Migranten lassen sich insbesondere dort nieder, wo bereits Freunde und Verwandte leben. Und selbst wenn Flüchtlinge so kühl berechnend denken und handeln würden, wie es AfD-Politiker gerne annehmen, scheint es wenig plausibel, dass sie all die großen Gefahren und erheblichen Kosten der Migration auf sich nehmen, um in den Genuss der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu kommen.

Wahrscheinlicher wäre da eine Sogwirkung des deutschen Sozialstaats auf Einwanderer aus EU-Ländern, die geringere Migrationskosten tragen müssen. Doch auch diese ist zweifelhaft. So hat die Senkung von Sozialleistungen in den nordeuropäischen Staaten seit Ende der Neunzigerjahre keine signifikante Auswirkung auf die Zahl der Asylantragsteller gehabt. Dagegen sind südeuropäische Staaten wie Italien mit traditionell weniger umfassenden sozialen Leistungen zum Ziel von (insbesondere osteuropäischer) Migration geworden.

Tatsächlich ist für Einwanderer vor allem eines wichtig: Arbeit bzw. höhere Löhne. Wie sonst kann man erklären, dass Hunderttausende ausländische Bauarbeiter unter teilweise lebensgefährlichen Bedingungen auf Baustellen in den Golfstaaten arbeiten? Ganz sicher nicht wegen der Sozialleistungen, die sie dort nicht erhalten.


    These 2: Die kommen alle, weil Merkel sie eingeladen hat

Manchmal bedarf es noch weniger als Sozialleistungen, um eine Sogwirkung unter Flüchtlingen zu entfalten. Es reicht die Zusicherung, nicht an der Grenze abgewiesen zu werden. Die These ist bekannt: Merkels Entscheidung, die Grenze für Flüchtlinge, die im Herbst 2015 in Budapest auf dem Bahnhof kampierten, nicht zu schließen, habe einen gewaltigen Pull-Effekt ausgelöst. Selbst der renommierte britische Ökonom Paul Collier kreidete der Kanzlerin an, mit ihrer Willkommenskultur ein Signal in die Welt ausgesendet zu haben, Deutschland stehe für jeden offen.

Wissenschaftliche Belege für diese Behauptungen sucht man indes vergebens. Als Beleg wird lediglich die zeitliche Abfolge der Ereignisse angeführt: Nach Merkels Entscheidung stieg die Zahl der Ankömmlinge deutlich. Das wird niemand bezweifeln. Doch woher wissen wir, ob es sich dabei um einen ursächlichen Zusammenhang handelt?

Um herauszufinden, ob sich Flüchtlinge tatsächlich nach Merkels Bekundungen auf dem Weg nach Deutschland gemacht haben, untersuchten Journalisten der Zeitung "Die Zeit" die Zahl der Ankünfte in Griechenland (das erste Land auf der Balkanroute) im Jahr 2015. Was dabei deutlich wurde: Die Zahl der Flüchtlinge stieg schon im März und erreichte zwischen Juli und August ihren Höhepunkt, also deutlich vor Merkels Entschluss. "Diese Menschen hatten nicht auf eine Einladung Merkels gewartet. Sie waren aus eigenem Entschluss losgezogen".

Merkel zu unterstellen, sie habe eine Sogwirkung entfaltet, ist dabei nicht nur falsch, sondern überschätzt auch die Möglichkeiten von Politikern, die Entscheidungen von Migranten zu beeinflussen und steuern. Denn aus der Untersuchung geht auch hervor: Merkels Aussagen lösten in der syrischen Bevölkerung weitaus weniger Echo aus, als vielfach angenommen.


    These 3: Der UN-Migrationspakt wird eine Invasion auslösen

Der UN-Migrationspakt rangiert in der Unbeliebtheitsskala der deutschen Migrationskritiker ungefähr so weit oben wie Merkels Willkommenskultur. Der Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt", Stefan Aust, behauptete im November letzten Jahres, dass die Sogwirkung des Pakts mindestens so groß sei "wie die der Willkommenskultur im Herbst 2015 inklusive der Selfies mit Kanzlerin".

Auch AfD-Politiker überboten sich gegenseitig mit apokalyptischen Szenarien. Von "Invasion" und einem versteckten "Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge" war die Rede. Inzwischen ist der Migrationspakt mehr als ein halbes Jahr in Kraft. Passiert ist - wenig bis nichts. Der große Sog ist jedenfalls ausgeblieben. Die Zahl ankommender Flüchtlinge ist in den meisten Ländern Europas rückläufig.


    These 4: Seenotrettung lockt Flüchtlinge aufs Meer

Und dann wäre da noch der Vorwurf an die private Seenotrettung, die polemisch als "Taxi für Flüchtlinge" bezeichnet wurde. Der Vorwurf kann sich genauso gut gegen die staatliche Seenotrettung richten - auch sie steht im Sogwirkungsverdacht. Zur Ehrenrettung der im Mittelmeer operierenden Hilfsorganisationen hat der italienische Migrationsforscher Matteo Villa jüngst Zahlen vorgelegt, die keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Bootsflüchtlinge und der Anzahl der NGO-Schiffe aufzeigen.

Auch steht der Verdacht im Raum, dass staatliche Rettungsmissionen wie zum Beispiel "Mare Nostrum" Menschen zur Flucht verleitet haben. Verlässliche Daten, die diesen Befund erhärten, fehlen jedoch. Es stellt sich zudem die Frage, ob der angebliche Pull-Faktor von Rettungsmissionen überschätzt wird bzw. in einem Missverhältnis zu den sog. Push-Faktoren steht, die Menschen dazu bewegen, Libyen zu verlassen. Dazu muss man sich vor Augen führen, dass eine höhere Zahl an Überfahrten auch auf Faktoren im Transitland Libyen zurückgeführt werden kann. Zum Beispiel die Anzahl oder Dichte der im Land lebenden Flüchtlinge oder die kriegsbedingte Verschlechterung von deren Lebensbedingungen.

Um vorschnellen Schlussfolgerungen vorzubeugen: Sogwirkungsargumente sind nicht exklusiv Migrationskritikern vorbehalten. Sie können auch zur Kritik von Einwanderungsbeschränkungen eingesetzt werden. So bedienten sich Kritiker des EU-Türkei-Abkommens (auch "Flüchtlingsdeal" genannt) einer ähnlichen Logik, als sie argumentierten, das Abkommen könnte zu einer Art Torschlusspanik führen und den Zustrom an Flüchtlingen deutlich anwachsen lassen. Klingt plausibel. Bloß: eine bedeutende Zunahme war auch in diesem Fall nicht feststellbar.



Aus: "Das Märchen von der Sogwirkung" Ein Gastbeitrag von Oliviero Angeli (25.08.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migration-das-maerchen-von-der-sogwirkung-gastbeitrag-a-1283331.html (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migration-das-maerchen-von-der-sogwirkung-gastbeitrag-a-1283331.html)

https://www.spiegel.de/forum/politik/migration-das-maerchen-von-der-sogwirkung-thread-946499-1.html (https://www.spiegel.de/forum/politik/migration-das-maerchen-von-der-sogwirkung-thread-946499-1.html)


Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 26, 2019, 08:26:02 PM
Quote[...] Hedwig Richter  @RichterHedwig 04:07 - 25. Aug. 2019

Apropos gute alte Zeiten: Als nach 1945  die rund 12 Mio Flüchtlinge (grade so dem Tode entronnen) aus den einstigen Ostgebieten in den Besatzungszonen ankamen, schlug ihnen ein neuer Rassismus und dezidierte Solidaritätsverweigerung entgegen. So schlimm standen die Dinge, dass die Alliierten 1945/46 fürchteten, die Gewalt würde erneut in Form von Aufständen und Kämpfen ausbrechen. Teilweise mussten sie die Flüchtenden mit vorgehaltenen Maschinengewehre in die Häuser der Einheimischen einweisen. Ein Hausbesitzer ermordete kurzerhand vier Flüchtlinge, darunter drei Kinder, weil er es nicht mit dem Gedanken leben konnte, die Fremden in seinem Haus zu beherbergen. Der Großteil der Flüchtlinge musste aufs Land. Dort durften die Bauern teilweise selbst auswählen, wen sie aufnahmen. Es ging zu wie auf dem Sklavenmarkt. Einige Bauern betrachteten die Flüchtlinge als Ersatz für einstige Zwangsarbeiter.
Jähner ("Wolfszeit") beschreibt die Verhöhnungen, denen die Flüchtlinge zusätzlich ausgesetzt waren. Als 1946 die unter brutalen Schikanen durch Polen und Tschechen ausgewiesenen Deutschen ausgehungert in Viehwaggons eintrafen, nannten die Einheimischen sie "40-Kilo-Zigeuner".

Die fremden Deutschen wurden zu "Nicht-Weißen", über Nacht justierte sich der Rassismus neu - diesmal entlang "deutscher Stämme". ,,Polen", ,,Pollacken", ,,Katholen". Einheimische fürchteten die fremde ,,Mulattenrasse", ein ,,Mischgut".

Der innerdeutsche Tribalismus griff die neuen, vielfach von den Alliierten betonten Erzählungen vom Preußentum als dem Ursprung des deutschen Elends eifrig auf (wichtig für anhaltende Sonderwegerzählungen). Im Spiegel hieß es am 19.04.1947 unter der Überschrift "Preußen-Attacke":

Dr. Fischbacher (Bayrischer Bauernverband) 1947: "Wenn ein Bauernsohn eine norddeutsche Blondine heiratet, so ist dies [...] Blutschande. Die Preußen, dieses Zeugs, und die Flüchtlinge müssen hinausgeworfen werden [...] am besten schickt man die Preußen gleich nach Sibirien"

Doch wie immer ist alles ein bissele schwieriger. Die strammen flüchtlings- und preußenfeindlichen Worte des Fischbacher lösten eine Affäre aus, er war den meisten zu weit gegangen. Auch nahmen viele Einheimische die Vertriebenen mit Empathie auf. UND: Die Geschichte der Vertriebenen fand ein gutes Ende, weil die neue Generation wild durcheinander heiratete. Und die Vertriebenen wirkten als Modernisierungsmotor und trugen zur raschen Auflösung alter Strukturen auf dem Land bei.

Es gibt eine große Fülle an wichtiger Forschung zum Thema Vertriebene, unter anderem von der wunderbaren Yuliya Komska (@ykomska). Sie notiert in diesem Thread, wie schwierig es vor 2015 war, mit Empathie über die Flüchtlinge zu schreiben:
Yuliya Komska @ykomska: But it's not just that Germans were hostile to German refugees, "Volksgemeinschaft" ideals crumbling fast. It's also that for years *scholars weren't allowed to study these refugees with something like empathy,* even as they acknowledged the implications of many in Nazi policies.

...

Martin Lindner @martinlindner 25. Aug.
bei meinen eltern hieß 1960 die verbindung katholisch + evangelisch noch "mischehe".

...

Stefan @mufflkuchen
25. Aug. Antwort an @RichterHedwig
Das kann ich bestätigen. Meine Oma (aus Schlesien geflüchtet) sagte immer, ,,wir waren für die die letzten Menschen".

...


Petra Bahr @bellabahr
25. Aug. Antwort an @RichterHedwig
Der Titel ,,Kalte Heimat" von Andreas Kossert bringt es immer noch auf den Punkt.

...


Magdalena Tepelmann @ArwenMagdalena 25. Aug.
Antwort an @RichterHedwig @hanna_unterwegs
Die alte über 90jährige Dame, die ich im Pflegeheim besuche,erzählt mir immer wieder solche Geschichten. Als sie mit ihrer Mutter und Geschwistern in der Adventszeit Lieder gesungen haben, wurde ihnen gesagt,sie hätten kein Recht darauf als Flüchtlingskinder!

...


_ahab_ @_mobidick
25. Aug. Antwort an @RichterHedwig
das erinnere ich noch sehr gut aus den 1960iger jahren. alles polacken. flüchtlinge, mit verachtung in der stimme ausgesprochen. menschen, von einer dunklen aura umgeben.

...


Bembelbee @Bembelbee2
25. Aug. Antwort an @RichterHedwig
Deswegen finde ich es immer wieder zynisch, wenn behauptet wird, das sei ja alles auch was ganz anderes gewesen, weil das ja Deutsche waren, keine "Kulturfremden". Nein, es war nicht anders. Kein Meter. Auch später nicht und heute auch nicht.

...


Karl Mladek @KarlMladek 25. Aug.
Antwort an @RichterHedwig
Wem ist das heute noch bewusst?
Danke für die Erläuterung!

...


Rüdiger Schubert @sdesignlgh
25. Aug. Antwort an @RichterHedwig
Mit der völkischen Solidarität war es auch vor dem Krieg nicht weit her, als Umgesiedelte aus der 6 Kilometer-Sperrzone im Westen als ,,Westwall-Zigeuner" beschimpft wurden.

...

@Vasilie_G
Antwort an @RichterHedwig
12:23 - 25. Aug. 2019
Mein Großmutter kam als Deutsche aus Königsberg, mein Großvater aus Ungarn. Mein anderer Großvater 16 jährig vermutlich als Wolfskind aus West-Russland. Allen haftete dieses "Stigma" in ihren neuen Wohnorten lange an. Ebenso ihren Kindern. Dies ist die Geschichte meiner Familie.

...


https://twitter.com/RichterHedwig/status/1165581576589234176 (https://twitter.com/RichterHedwig/status/1165581576589234176)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 05, 2019, 08:58:31 AM
Quote[...] Behörden haben im ersten Halbjahr dieses Jahres insgesamt 609 Angriffe auf Geflüchtete verzeichnet. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion im Bundestag hervor, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet. Die Delikte umfassen unter anderem Beleidigung, Volksverhetzung, Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung. Fast alle Straftaten habe die Polizei als politisch motivierte Kriminalität von rechts eingestuft.

Den Angaben zufolge wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 60 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sowie 42 Attacken gegen Hilfsorganisationen oder ehrenamtliche Helfer registriert. 102 Menschen seien verletzt worden, darunter sieben Kinder.

Jeder vierte aktenkundige Angriff auf eine geflüchtete Person ereignete sich laut der Auflistung in Brandenburg. Die Polizei habe in dem Bundesland 160 Delikte mit dem "Angriffsziel Flüchtling/Asylbewerber" verzeichnet. In anderen Bundesländern seien deutlich weniger Übergriffe aktenkundig geworden: in Baden-Württemberg 62, in Niedersachsen 58, in Sachsen 56.

Im Vergleich zu den Vorjahren ging die Zahl der Attacken zurück: 2018 hat es nach Angaben der Bundesregierung mehr als 704 Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte gegeben. 2017 wurden mehr als 2.200 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte verzeichnet, 2016 mehr als 3.500.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte der NOZ, Geflüchtete seien in Deutschland einer alltäglichen Bedrohung ausgesetzt. "Der Staat hat eine Schutzpflicht gegenüber diesen Menschen", sagte Jelpke. "Alle in unserer Gesellschaft und auch die Politik tragen die gemeinsame Verantwortung, sich gegen ein stilles Einverständnis oder auch bloßes Hinnehmen solcher Anschläge durch die Minderheit in unserer Gesellschaft deutlich zu positionieren", teilte das Innenministerium in seiner Antwort mit.


Aus: "Mehr als 600 Angriffe auf Geflüchtete registriert" (5. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/rassistische-gewalt-angriffe-fluechtlinge-asylbewerber (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/rassistische-gewalt-angriffe-fluechtlinge-asylbewerber)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 05, 2019, 01:02:21 AM
Quote[...] Jeder neue Todesfall in Moria macht den vorherigen vergessen. Vergangenen Sonntag sind bei einem Brand im Flüchtlingslager auf Lesbos eine Frau und womöglich auch ihr Kind ums Leben gekommen. Nur wenige Tage zuvor war ein fünfjähriger Junge beim Spielen auf der Straße vor dem Asylzentrum von einem Lastwagen erfasst und getötet worden. Die örtlichen Behörden hatten gerade das einzige Freizeitzentrum in Moria geschlossen, wegen angeblich mangelhafter hygienischer Bedingungen.

Bereits vor diesen beiden Fällen gab es Tote in Moria. Doch der Brand und der Tod jener Mutter hat die humanitäre Lage für Flüchtlinge auf den griechischen Inseln auch wieder ins Gedächtnis anderer europäischer Länder gerufen. Die Ankunftszahlen sind weit von der Krisensituation im Jahr 2015 oder 2016 entfernt. Doch seit einigen Monaten setzen wieder mehr Migrantinnen von der Türkei auf die griechischen Inseln über. Insgesamt 30.600 Menschen sitzen derzeit auf den Inseln fest, jeden Tag kommen neue hinzu. Ein Drittel sind Minderjährige, und jeder Fünfte von ihnen ist unbegleitet.

Der Hotspot Moria hat 3.000 Aufnahmeplätze, derzeit leben fast viermal so viele Menschen dort. Weil längst nicht alle Platz in den Containern haben, kommen viele in Zelten auf den angrenzenden Feldern unter. Wer kein Zelt findet, schläft unter freiem Himmel. Auch im Winter. In den Auffanglagern auf Samos, Kos, Chios und Leros übersteigt die Zahl der Flüchtlinge die Kapazitäten ebenfalls um ein Vielfaches.

Auch deshalb reiste Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an diesem Freitagnachmittag nach Athen. Er wollte ausloten, wie Deutschland Griechenland unterstützen könnte. Vorab sprach er davon, Beamte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auszuleihen oder Grenzschützerinnen von der Bundespolizei. Nach dem Treffen bekrätigte er das Angebot und sagte: "Mir ist eine geordnete Flüchtlingspolitik lieber als ungeordnete Zuwanderung." Seehofer wollte sich außerdem bei der neuen konservativen Regierung Griechenlands ein Bild von der Lage der Asylpolitik machen.

Die Konservativen von der Partei Nea Dimokratia, die auf die linke Syriza-Regierung folgten, hatten schon im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sich die griechische Flüchtlingspolitik ändern würde. Dieser Umbau beginnt nun. Das Kabinett kündigte nach einer Krisensitzung am Montag an, 10.000 Geflüchtete bis Ende 2020 in die Türkei zurückzuschicken. Die neue Regierung hat außerdem das Migrationsministerium abgeschafft und seine Verantwortlichkeit an das Bürgerschutzministerium übergeben, das für Öffentliche Ordnung und Innere Sicherheit zuständig ist.

Der griechische Richterverband hat diesen Schritt als anachronistisch kritisiert, doch die Nea Dimokratia muss ihre Wähler zufriedenstellen. Immerhin hat sie ihren Sieg bei der Wahl im Juli auch den Stimmen vom rechten Rand zu verdanken. Zudem wird in der Partei seit Jahren ein Flügelkampf zwischen Gemäßigten, Nationalisten und Neoliberalen ausgefochten. Premier Kyriakos Mitsotakis vertritt zwar den neoliberalen Flügel, allerdings waren es die Populistinnen und Erznationalisten um Adonis Georgiadis, dem neuen Minister für Wirtschaftsentwicklung, die ihm im Jahr 2016 zum Parteivorsitz verhalfen.

Die neue Regierung muss einen Weg finden, die Asylverfahren zu beschleunigen. Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei sieht vor, dass die Schutzsuchenden bis zum Abschluss ihres Verfahrens in der ersten Instanz auf den Inseln bleiben müssen, doch das dauert. Derzeit werden aber laut Kritikern – je nach Aufnahmelager – Interviewtermine für 2024 und 2025 vergeben. Nur Härtefälle werden aufs Festland verlegt, allerdings fehlt das Personal, um sie zu erkennen. In Moria etwa arbeiten nur zwei Ärzte und ein Psychologe.

Bei der griechischen Asylbehörde bearbeiten rund 650 Beamte weit über 70.000 Asylanträge. Die Behörde bräuchte nach eigenen Angaben mehr Personal, doch die Kreditauflagen Griechenlands erlauben Einstellungen nur in dem Rahmen, in dem Beamte in den Ruhestand gehen. Vergangenes Jahr waren das landesweit 8.000 Personen, dieses Jahr dürften die Zahlen ähnlich ausfallen.

Kommende Woche bringt die griechische Regierung nun einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der die Flüchtlingspolitik in Griechenland neu regeln soll. Er dürfte die humanitäre Lage in den Auffanglagern deutlich verschärfen, denn auch hier ist von zusätzlichem Personal nicht die Rede. Die erste Beurteilung der Asylbewerberinnen soll den Regierungsplänen zufolge innerhalb von drei Tagen stattfinden und sie dürfte auf Basis der Nationalität erfolgen. Migranten aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten würden also sehr schnell abgelehnt werden. Dabei sehen die Grundrechte der Europäischen Union eine Prüfung des Einzelfalls vor.

Wer durchfällt, kommt – so die Pläne der Regierung Mitsotakis – in ein geschlossenes Lager und wird nach einer zweiten Prüfung innerhalb von sechs Monaten abgeschoben. Flüchtlingsorganisationen in Griechenland kritisieren die Vorschläge. Denn auch die Berufungsinstanz im Asylverfahren soll abgeschafft werden. Notfalls sollen die Betroffenen ihre Bescheide vor Gericht anfechten. 

Gleich nach ihrem Amtsantritt im Juli hat die neue Regierung außerdem verfügt, dass Neuankömmlinge keinen Zugang mehr zum öffentlichen Gesundheitssystem haben. Das betrifft auch chronisch Kranke in den Hotspots auf den griechischen Inseln. Menschen mit Diabetes, Krebs, Nierenleiden. Immer wieder erhalten Kranke nur deshalb Hilfe, weil Ärztinnen die Regierungsanweisung umgehen.

Die EU hat Griechenland zwar seit 2015 Finanzmittel in Höhe von 2,1 Milliarden Euro zugesagt, Geld könne Solidarität aber nicht ersetzen, mahnt Apostolos Veizis, Programmleiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. "Lassen wir die Schuldzuweisungen", sagt Veizis, "was hier fehlt, ist der politische Wille, und zwar sowohl auf Seiten Griechenlands wie auch auf Seiten der EU."

Im EU-Türkei-Deal heißt es, es handle sich um eine "vorübergehende und außerordentliche Maßnahme, die zur Beendigung des menschlichen Leids und zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung erforderlich ist". Das war vor dreieinhalb Jahren, im März 2016. "Wie lange", fragt Veizis, "möchte die EU noch die Augen vor der Realität verschließen?"

Der neue Ministerpräsident Mitsotakis muss derweil mit den Nationalisten in seinem Umfeld zu Rande kommen. Den ultrakonservativen Hardliner Adonis Georgiadis hat er nicht nur mit einem der wichtigsten Ministerien betraut, er hat ihn schon 2016 zum Parteivize der Nea Demokratia ernannt. In Nachrichtensendungen ist der Mann mit den markanten Thesen ein gern gesehener Gast. So tönte er etwa vor wenigen Tagen im griechischen Fernsehen, die zügigen Abschiebungen würden sich herumsprechen und die Migranten würden in andere Länder als Griechenland ausweichen. Die Verteidigung der Landeshoheit mit legalen Mitteln, hat der konservative Parteivize das genannt.


Aus: "Griechenland: Zwei Ärzte und ein Psychologe für 12.000 Geflüchtete" Eine Analyse von Alkyone Karamanolis, Athen (4. Oktober 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/griechenland-fluechtlingspolitik-mittelmeer-lesbos-asylantraege/komplettansicht (https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/griechenland-fluechtlingspolitik-mittelmeer-lesbos-asylantraege/komplettansicht)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 02, 2020, 10:02:55 AM
"Frontex erwartet weitere Zuspitzung an Grenzen ,,Es wird schwierig, den Strom von Menschen zu stoppen"" (02.03.2020)
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex setzte die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf ,,hoch".
https://www.tagesspiegel.de/politik/frontex-erwartet-weitere-zuspitzung-an-grenzen-es-wird-schwierig-den-strom-von-menschen-zu-stoppen/25599650.html

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Quote[...] Kurz vor der griechischen Grenze muss der junge Familienvater sich entscheiden, und seine Augen sind vor Angst und Stress geweitet. ,,Wenn ihr jetzt weiterfahrt, kommt ihr da nicht mehr raus", beschwört ihn ein türkischer Taxifahrer, der seit Tagen mit Flüchtlingen aus Istanbul zur Grenze pendelt und die Lage dort kennt. ,,Die griechischen Soldaten nehmen euch die Schnürsenkel und Jacken weg und lassen euch im Schlamm stecken. Und zurück nach Istanbul könnt ihr dann nicht mehr. Kehrt lieber um!"

Der junge Afghane blickt zweifelnd auf seine etwa vierjährige Tochter, die im rosa Anorak am Straßenrand hampelt, während er ihr Schicksal entscheiden muss. ,,Bleiben können wir aber auch nicht", entgegnet er. ,,In der Türkei darf ich nicht arbeiten und muss jeden Augenblick die Polizei fürchten."

Verzweifelt blickt er zwischen dem Kind und dem Fahrer hin und her, aber die Entscheidung dürfte gefallen sein: Die Ersparnisse der Kleinfamilie stecken in ihren Reisetaschen und der Fahrt zur Grenze.

Tausende Flüchtlinge strömen seit Tagen zum Übergang Pazarkule an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Hier, am Rand der türkischen Stadt Edirne im äußersten Nordwesten des Landes, suchen sie erschöpft, verdreckt und verzweifelt ein Durchkommen, werden von den griechischen Grenztruppen aber immer wieder zurückgetrieben. ,,Seit Donnerstagnacht geht das so", sagt ein Polizist an der Grenze.

Seit März 2016 hielt die Türkei nach den Regeln ihres Flüchtlingsabkommens mit der EU die Grenze für Flüchtlinge geschlossen. Doch seit Donnerstag sind ,,die Tore offen", wie Präsident Recep Tayyip Erdogan sagt. In einer ganz offensichtlich koordinierten Aktion werden Syrer und andere aufgerufen, an die Grenze zu fahren. Die Organisatoren der Busfahrten für Flüchtlinge von Istanbul an die Grenze behaupten noch am Sonntag in arabischen Aufrufen im Mitteilungsdienst Telegram, Griechenland habe die Grenze geöffnet – obwohl da schon längst klar ist, dass die griechischen Behörden niemanden ins Land lassen wollen.

Die Regierung in Ankara weist jede Verantwortung von sich: ,,Niemand von unseren syrischen Brüdern und Schwestern ist gebeten worden zu gehen", schreibt Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun auf Twitter. ,,Wenn sie wollen, können sie bleiben. Wenn sie gehen wollen, können sie das auch." Die Türkei sehe es aber nicht mehr ein, dass sie mit dem Flüchtlingsproblem allein gelassen werde.

Konkret verlangt Ankara laut Altun die Unterstützung von USA und EU bei der Schaffung einer ,,Sicherheitszone" für Flüchtlinge auf syrischem Territorium. Der Westen lehnt den Plan bisher ab. Die Flüchtlinge werden zu Schachfiguren in einer politischen Auseinandersetzung zwischen der Türkei und ihren westlichen Verbündeten.

Mit stark übertriebenen Flüchtlingszahlen versucht Erdogans Regierung, den Europäern Angst einzujagen. Mehr als 100.000 Flüchtlinge hätten bis Sonntagabend bei Edirne die Türkei verlassen, erklärt Innenminister Süleyman Soylu. Ganz verlassen haben sie die Türkei freilich nicht: Sie harren auf türkischem Gebiet an der Grenze und im Niemandsland aus. Die Uno, die den Flüchtlingen an der Grenze mit Esspaketen hilft, spricht dagegen von 13.000 Menschen im türkischen Grenzgebiet.

Vor ein paar Monaten hatte Soylu selbst noch vor einer Öffnung der türkischen Grenzen zur EU gewarnt, da damit die Türkei zum Ziel von Millionen weiterer Flüchtlinge werden würde. Bisher ließ er afghanische Flüchtlinge festnehmen und in ihre Heimat deportieren. Jetzt werden ganze Reisebusse voller Afghanen nach Pazarkule gebracht. Dieselben Taxifahrer, die unter den Augen von Soylus Polizisten jetzt Afghanen, Syrer und Iraner an die Grenze fahren, hätten vor ein paar Tagen noch eine Strafe wegen Menschenschmuggels riskiert.

Für Tausende verzweifelte Menschen bedeutet der türkische Versuch, die Europäer mit einer neuen Fluchtwelle zu erschrecken, dass bei ihnen für einen Moment lang neue Hoffnung auf ein besseres Leben aufkeimt – die dann wieder zerstört wird.

Bei Edirne schleppen sich Gruppen erschöpfter Menschen den Straßengraben entlang und suchen einen Weg zur Grenze, der nicht von Polizisten abgesperrt ist. ,,Wir halten sie hier zurück, weil das Grenzgebiet völlig überfüllt ist und sie dort nicht mehr versorgt werden können", sagt ein Motorrad-Polizist, der den Treck zu lenken versucht. Die schwarz-rot uniformierten Beamten treiben die versprengten Flüchtlinge auf einer Steinbrücke zusammen.

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Afghanen bilden die größte Gruppe der Verzweifelten. Anders als die Syrer, die in der Türkei einen vorläufigen Schutzstatus genießen, sind sie illegal in der Türkei und haben nichts zu verlieren.

Ein junger Mann mit kindlichem Mondgesicht ist unter den Wanderern an der Brücke, er hält seinen roten Rucksack vor sich auf dem Bauch. Seit zwei Jahren sei er alleine unterwegs nach Westen, dabei sei er erst 19 Jahre alt. Pakistan und Iran habe er durchquert, erzählt der Afghane namens Ensar, dann zwei Jahre lang im westtürkischen Balikesir als Gehilfe in einer Bäckerei gearbeitet und sei nun seit drei Tagen unterwegs zur griechischen Grenze – seit die Nachricht von der angeblichen Grenzöffnung kam. Die Nächte habe er im Freien verbracht und auf dem Boden geschlafen – ,,was sollen wir sonst machen?"

Auf der Wanderung habe er andere Afghanen getroffen und sich einer Gruppe angeschlossen. Gemeinsam suchen sie nun einen Feldweg oder sonst eine undichte Stelle, an der sie zur Grenze kommen. ,,Zurück gehe ich jedenfalls nicht mehr", sagt Ensar. ,,Ich muss irgendwie hinüber, und so lange harre ich hier aus."

Viele wie Ensar sind entlang der Grenze unterwegs. Einige versuchen sogar, trotz der Kälte durch den Grenzfluss Maritza nach Griechenland zu schwimmen, werden von den griechischen Grenztruppen aber nicht durchgelassen. Am Grenzübergang Pazarkule brechen zeitweise Straßenschlachten zwischen Flüchtlingen im Niemandsland und den griechischen Truppen aus. Die Griechen schießen mit Tränengas und geben vereinzelt auch Warnschüsse in die Luft ab, Flüchtlinge werfen Steine. Hin und wieder gelingt es kleineren Gruppen, über einen Acker oder durch die Maritza auf griechischen Boden zu gelangen. Die meisten von ihnen werden nach griechischen Angaben festgenommen. Griechenland ist wesentlich besser vorbereitet als bei der Massenflucht im Jahr 2015.

In Pazarkule marschiert eine afghanische Familie mit Kindern und Alten am Straßenrand auf die Grenze zu, es ist bereits ihr zweiter Versuch. ,,Seht mal, was die mit uns gemacht haben", sagt ein Mann und weist mit dem Kinn auf das verweinte Kleinkind in seinen Armen. ,,Mit Tränengas haben sie auf uns geschossen, Kinder und alles!" Wer war das? ,,Na, die griechischen Soldaten."

Der Großvater krächzt noch nach einem Erstickungsanfall des Tränengases wegen. Trotzdem wollen sie es wieder versuchen und marschieren auf der Suche nach einem freundlicheren Empfang weiter an der Grenze entlang. ,,Was bleibt uns denn anderes übrig, wenn wir als Menschen leben wollen", sagt eine rundliche Frau mit buntem Kopftuch. ,,Arbeit, ein Heim und dass die Kinder in die Schule gehen können – mehr wollen wir doch nicht." In der Türkei bekommen sie es nicht.

Entgeistert beobachtet der führende Migrationsforscher der Türkei die Ereignisse. Mit der Grenzöffnung schade sich die Türkei selbst, meint Murat Erdogan – der nicht mit dem Präsidenten verwandt ist. Das positive Image, das sich das Land mit seiner Versorgung der 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgebaut habe, sei dahin.

Doch der Regierung geht es nicht um Imagefragen. Sie fordert westliche Hilfe bei ihrem Militäreinsatz in der syrischen Provinz Idlib: Die Grenzöffnung wurde wenige Stunden nach dem Tod von 34 türkischen Soldaten bei einem Luftangriff in Idlib am Donnerstagabend verkündet.

Präsident Erdogan wirft Europa zudem vor, die Zusagen aus dem Flüchtlingsabkommen nicht eingehalten zu haben. Er setzt ganz auf Druck und versucht nicht einmal, Unterstützer in der EU zu finden. Bei einer Rede nach der Grenzöffnung verhöhnt er ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel – jene Politikerin, die in der EU am meisten für die Türkei tun könnte. Merkel hatte im Januar deutsche Hilfe in Höhe von 25 Millionen Euro für den Bau winterfester Unterkünfte für Flüchtlinge in Idlib versprochen. ,,Das versprochene Geld kommt nicht", habe er der Kanzlerin am Telefon vorgeworfen, berichtet Erdogan. Deshalb habe er Merkel einen Gegenvorschlag gemacht: ,,Wir schicken euch die Flüchtlinge und dazu 100 Millionen Euro."

Manche Flüchtlinge fühlen sich von der Türkei benutzt. ,,Liebe Welt, die Türkei hat uns im Stich gelassen, bitte rettet uns", appelliert der 32-jährige Ammar Artrash aus Aleppo, der an der griechischen Grenze gestrandet ist. ,,Hier sind Frauen und Kinder im kalten Winter draußen, und wir haben keine Heimat. Helft uns!"

Der Chemiker und seine Frau, eine Medizinstudentin, haben ihre zwei Kinder im Krieg in Syrien verloren, sie seien bei einem Bombenangriff getötet worden. Auch seine Eltern seien tot. Seit zwei Jahren bemüht sich Artrash über das UN-Flüchtlingshilfswerk um eine Umsiedlung nach Kanada oder nach Deutschland, vergeblich. Jetzt will er über die Grenze nach Griechenland. ,,Bitte öffnet die Grenzen und macht der Tragödie, die wir hier erleben, ein Ende", fleht er. ,,Jeder sieht, was hier passiert, aber keiner hilft – ich habe Angst!"

Während Artrash und die anderen Flüchtlinge noch einen Weg über die Landgrenze nach Griechenland suchen, sind erfahrene Menschenschmuggler an der türkischen Ägäisküste rund 250 Kilometer südlich sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Welle der Verzweifelten bei ihnen ankommt.

,,Wir schauen schon mal nach einem günstigen Platz zum Ablegen", sagt ein Schmuggler einem türkischen Kamerateam in der Nähe des Küstenortes Ayvacik gegenüber der griechischen Insel Lesbos. Der Mann spricht völlig offen über sein Geschäft, Angst vor der Polizei braucht er nicht zu haben, denn seit Erdogans Entscheidung zur Grenzöffnung glaubt er, auf Beistand von höchster Stelle zählen zu können: ,,Der Chef hat's ja genehmigt."


Aus: "Flüchtende aus der Türkei: ,,Was bleibt uns übrig, wenn wir als Menschen leben wollen?"" Susanne Güsten (01.03.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/fluechtende-aus-der-tuerkei-was-bleibt-uns-uebrig-wenn-wir-als-menschen-leben-wollen/25599000.html (https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/fluechtende-aus-der-tuerkei-was-bleibt-uns-uebrig-wenn-wir-als-menschen-leben-wollen/25599000.html)

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Quote[...] Seit Monaten ist die Lage auf der griechischen Insel Lesbos katastrophal. Die Flüchtlingslager sind völlig überfüllt. Seit der Grenzöffnung der Türkei am vergangenen Freitag kommen noch mehr Menschen auf die Ägäis-Insel. Viele Einwohner stellen sich offen gegen die ankommenden Flüchtlinge. Der Foto- und Videojournalist Michael Trammer ist vor Ort und wurde am Sonntag während seiner Arbeit von Rechtsradikalen angegriffen. Mit dem Tagesspiegel hat er über die Situation auf der Insel gesprochen.

Herr Trammer, geht es Ihnen gut?

Michael Trammer: Den Umständen entsprechend. Ich habe mir eine Platzwunde am Kopf sowie mehrere Prellungen zugezogen. Außerdem wurden meine Kameras ins Wasser geworfen. Zum Glück ist eine Kollegin sofort ins Wasser gesprungen und hat sie mir zurückgegeben. Natürlich bin ich noch ganz schön mitgenommen. Als ich im Sommer 2018 über die Ausschreitungen in Chemnitz berichtet habe, bin ich auch schon angegangen worden. Aber so etwas ist mir bis jetzt noch nie passiert.

Wie ist es zu dem Übergriff gekommen?

Michael Trammer: Die Situation auf Lesbos hat sich in den letzten Tagen extrem zugespitzt. Als heute eines der Boote anlegen wollte, standen etwa hundert Menschen am Hafen, haben ,,Geht zurück in die Türkei" gebrüllt und die Menschen mit Gegenständen beworfen. Einige haben das Boot immer wieder aufs Meer hinausgestoßen. Es waren Kinder an Bord, die geweint haben. Die Küstenwache hat sich nicht blicken lassen.
Ich wollte mich etwas zurückziehen und die Situation von der gegenüberliegenden Kaimauer beobachten, da haben sich etwa zehn Leute aus der Menge gelöst. Die Rechtsradikalen haben mich angegriffen, mehrmals auf mich eingeschlagen und mich getreten. Auch einen Kollegen von mir hat es erwischt, ebenso einige NGO-Mitarbeiter.

Wurde Ihnen von irgendeiner Seite aus geholfen?

Michael Trammer: Einige der Anwohner haben sich um mich gekümmert, mich verarztet und mir Mut zugesprochen. Von der Polizei war nirgendwo etwas zu sehen. Der Staat kümmert sich nicht und überlässt den Rechten das Feld. Es gibt natürlich im Ort ein paar Gegenstimmen, aber die sind in der Minderheit. Selbst die, die nicht mit den Rechtsradikalen sympathisieren, stimmen deren Aktionen mindestens stillschweigend zu, hat man den Eindruck.


Spürt man auf Lesbos auch die Folgen der Grenzöffnungen der Türkei?

Michael Trammer: Absolut. Die Lage ist extrem angespannt. Seit Freitag kommen die Boote mit Geflüchteten auch tagsüber an. Alleine heute waren es elf. Die Situation erinnert ein wenig an Rostock-Lichtenhagen 1992. Hier braut sich gerade ein Pogrom zusammen. Ich habe schon seit ein paar Tagen Angst gehabt, dass es bald eskalieren könnte. Europa hat monatelange weggeschaut. Lange wird das hier nicht mehr gut gehen.

Wie gehts es nun für Sie weiter? Bleiben Sie vor Ort?

Michael Trammer: Nein, dafür ist es viel zu gefährlich geworden. Morgen steige ich auf die Fähre und fahre erstmal zurück ans Festland. Dann geht es hoffentlich bald nach Hause. Gerade tobt in den sozialen Netzwerken ein heftiger rechter Shitstorm gegen mich. So schlimm das alles ist: Der mediale Fokus muss bei den Geflüchteten bleiben. Nicht auf verprügelten Journalisten.



Aus: "Flüchtlinge auf Lesbos: ,,Da braut sich ein Pogrom zusammen"" Paul Gäbler (01.03.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-auf-lesbos-da-braut-sich-ein-pogrom-zusammen/25599234.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-auf-lesbos-da-braut-sich-ein-pogrom-zusammen/25599234.html)

QuotePat7 08:34 Uhr

Das ist doch genau was beabsichtigt ist und es in Rostock Lichtenhagen auch war. Der rechtsextreme Mob soll sich austoben,  das wird zum "Volkszorn" verklärt und das Argument genommen gegen die Flüchtlinge vorzugehen. Je grausamer der Bilder um so besser. Wenn Flüchtlinge auch Kinder ermordet werden,  was solls Hauptsache es kommt niemand mehr.

Wohltemperierte Grausamkeiten können nicht nur AfDler.


QuotePedro_Garcia 07:27 Uhr

Herzlichen Glückwunsch EU
Die Drecksarbeit überlassen wir den Griechen, stehen daneben, schauen zu, zucken mit den Schultern und waschen unsere Hände in Unschuld. ...


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Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 09, 2020, 12:22:01 PM
Quote[...] Matthias Lehnert ist Rechtsanwalt in Berlin. Er hat über Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen promoviert und ist Mitglied im ,,Netzwerk Migrationsrecht"


An der griechisch-türkischen Grenze scheint der Ausnahmezustand zu herrschen: Geflüchtete werden beschossen, mit Tränengas und Schlagstöcken an der Einreise nach Griechenland gehindert. In der Ägäis blockieren Beamt*innen der griechischen Küstenwache mit massiver Gewalt Flüchtlingsboote bei der Weiterfahrt, am Montag ertrinkt ein Kind von einem kenternden Boot auf dem Weg nach Lesbos. Maskierte Bürgerwehren auf den griechischen Inseln beteiligen sich an der Migrationsabwehr und greifen Journalist*innen und Mitarbeiter*innen von NGOs an. Nachdem die türkische Regierung die Grenzschließung aufgehoben hat, und zahlreiche Menschen regelrecht zur Ausreise zwingen will, sitzen Tausende Geflüchtete zwischen zwei Ländern im Niemandsland, ohne Unterkunft und Versorgung, fest.

Diejenigen Menschen, die die Grenze trotz der vehementen Abschottung passieren, werden von den griechischen Behörden inhaftiert. Am vergangenen Sonntag schließlich setzte die griechische Regierung das Asylrecht aus und will keine Asylanträge mehr annehmen. Die Regierungen der anderen europäischen Länder unterstützen die griechische Regierung in ihrem Vorgehen, die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat zusätzliches Personal in die Region entsandt, um die Behörden vor Ort bei der Grenzsicherung zu unterstützen.

Herrscht an der griechisch-türkischen Grenze ein rechtlicher Ausnahmezustand, der Menschenrechte und rechtsstaatliche Gewährleistungen außer Kraft setzen kann? Die Antwort ist klar: Nein. Die Zustände an der griechisch-türkische Grenze und auf den Inseln in der nordöstlichen Ägäis sind keine humanitäre Katastrophe, die vom Himmel gefallen ist. Gewalt, pushbacks, Internierungen und elende Zustände in völlig überfüllten Lagern sind menschen- und staatsgemachte Verletzungen fundamentaler Rechte, die durch nichts gerechtfertigt sind.

Die Aussetzung des Asylrechts durch die griechische Regierung bedeutet konkret, dass eingereiste Personen von der Grenze aus ohne eine Registrierung direkt in die Türkei abgeschoben werden sollen. Laut der Begründung im griechischen Gesetzesblatt wird diese zunächst für einen Monat befristete Maßnahme mit ,,besonderen und unvorhergesehenen Ereignissen" gerechtfertigt, die die Sicherheit des Landes gefährdeten. Das ist schon rein zahlenmäßig eine Dramatisierung, als dass sich nachSchätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerksderzeit gerade einmal 13.000 Menschen im Grenzgebiet befinden.

Vor allem ist eine Aussetzung rechtlich nicht zulässig: Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) in Art. 33 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Art. 3 formulieren nach einhelliger und unumstrittener Lesart ein Zurückweisungsverbot, soweit eine politische Verfolgung oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. Diese sogenannten refoulement-Verbote beinhalten ein implizites Verfahrensrecht, um den Schutzbedarf prüfen zu können, verbunden mit dem Recht, bis zu einer Entscheidung im Land verbleiben zu können. Entsprechendes gilt nach Art. 4 und Art. 18 der EU-Grundrechtecharta.

Diese Rechte werden im Unionsrecht konkretisiert durch dieAsylverfahrensrichtlinie: Diese Richtlinie gilt für alle Personen, die explizit oder implizit im Hoheitsgebiet eines Staates einschließlich der Grenze und der Hoheitsgewässer (Art. 3 Abs. 1) einen Schutzantrag stellen, und sie verlangt ein ordentliches Verfahren mitsamt einer umfassenden Anhörung zu den Schutzgründen.

Für den örtlichen Anwendungsbereich des refoulements-Verbotes aus der EMRK hat der EGMR überdies in derHirsi-Entscheidung von 2012 entschieden, dass dieses auch außerhalb des Territoriums gilt, wenn staatliche Behörde eine effektive Kontrolle, also unmittelbare staatliche Gewalt anwenden.

Ausnahmen von der Durchführung eines ordentlichen Prüfverfahrens sind nicht vorgesehen: Die Asylverfahrensrichtlinie sieht allein ein beschleunigtes Verfahren bei Verfahren an der Grenze und bei einer Ankunft einer erheblichen Zahl von Asylantragsteller*innen vor (Art. 43). Diese Fallgestaltungen sehen jedoch nicht die vollständige Außerkraftsetzung des Asylverfahrens vor. Auch können Art. 33 GFK und Art. 3 EMRK nicht per se ausgesetzt werden. Insbesondere gilt die Notstandsklausel nach Art. 15 EMRK gem. Abs. 2 nicht für Art. 3 EMRK, und damit auch nicht für das darin enthaltene refoulement-Verbot.

Ebenfalls nicht einschlägig ist Art. 78 Abs. 3 AEUV: Diese Bestimmung, die von der griechischen Regierung im Zuge der Aussetzung des Asylrechts angeführt worden war, sieht für den Fall eines ,,plötzlichen Zustroms in einer Notlage" vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten vor. Die Anwendbarkeit der Norm kann allerdings nicht von der griechischen Regierung ausgelöst, sondern sie muss vom Rat beschlossen werden. Zudem kann auch diese Norm das Asylverfahren nicht in Gänze aussetzen.

Auch kann die Aussetzung des Asylverfahrens auch nicht unter Verweis auf die Türkei als sicherem Drittstaat erfolgen: Die Türkei ist, wie es die Art. 38 und 39 der Asylverfahrensrichtlinie vorsehen, zum einen weder im nationalen Recht noch auf europäischer Ebene als sicherer Drittstaat kategorisiert. Dies wäre zum anderen auch rechtlich nicht möglich, da die GFK in der Türkei für Flüchtlinge aus außereuropäischen Staat rein rechtlich nicht gilt, und außerdem tatsächlich Schutzsuchende in der Türkei kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und keine Rechte haben, die den Vorgaben der GFK entsprechen, sowie nachweislich Kettenabschiebungen unter anderem nach Syrien und Afghanistan stattfinden.

... Eine europäische Lösung bietet daneben sogenannteMassenzustromrichtlinie. Hinter diesem hässlich geframten Regularium, das 2001 noch unter dem Eindruck der Balkankriege verabschiedet wurde, verbirgt sich die Möglichkeit, in einem vergleichsweise unbürokratischen Verfahren Menschen in größerer Anzahl auf die Mitgliedstaaten zu verteilen und ihnen, ohne Asylverfahren, ein befristete Aufenthaltsrecht zu erteilen. Das Verfahren hat freilich große Tücken, die gegenwärtig an die Grenzen der Realität stoßen dürften: Der sog. ,,Massenzustrom" muss durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit festgestellt werden, und die Mitgliedstaaten müssen im Zuge des Beschlusses freiwillig erklären, wie viele Personen sie aufnehmen wollen.

Die –vielfach widerlegte– These vom Rechtsbruch durch die angebliche Grenzöffnung 2015 [ https://verfassungsblog.de/der-rechtsbruch-mythos-und-wie-man-ihn-widerlegt/ (https://verfassungsblog.de/der-rechtsbruch-mythos-und-wie-man-ihn-widerlegt/) ] war und ist das zentrale Narrativ der politischen Rechten. Die Analyse der gegenwärtigen Praxis an den Außengrenzen einerseits und der Instrumentarien zur Aufnahme von Geflüchteten andererseits verdeutlichen hingegen: Die Abschottung an den Außengrenzen und die Politik der Migrationsabwehr bewegt sich selbst in einem rechtsfreien Raum. Die hegemoniale Forderung nach einer Herstellung von Recht und Ordnung ist tatsächlich die Forderung, den Rechtsstaat aufzuheben und die Menschenrechte vollends zu missachten. Auf der anderen Seite kann und darf eine emanzipatorische Politik zugunsten von Geflüchteten nicht allein auf humanitäre Grundprinzipien verweisen, sondern sie muss selbst mit der starken Kraft des Rechts argumentieren. Recht und Ordnung muss vor allem heißen: den Rechtsstaat an den Außengrenzen gewährleisten und Menschenrechte schützen.


Aus: "Von wegen Recht und Ordnung" Matthias Lehnert (04.03.2020)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/von-wegen-recht-und-ordnung (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/von-wegen-recht-und-ordnung)

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Quote[...] Yannis Almpanis ist ein Reporter für CNN Griechenland. In der ersten, 2015 gewählten Regierung Tsipras war er Kommunikationsberater des Premierministers

... ,,Die gegenwärtige Situation stellt eine aktive, ernste, außergewöhnliche und asymmetrische Bedrohung für die nationale Sicherheit des Landes dar", sagte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am 1. März, im Anschluss an die Sitzung des Nationalen Rates für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung vom 1. März. Vom griechischen Entwicklungsminister Adonis Georgiadis stammt der Satz ,,Sie sind keine Flüchtlinge, sondern Invasoren." ...

... Die Politik der Regierung ruht auf zwei Säulen: Der Viktor-Orbán-Agenda in der Einwanderungspolitik und der traditionell nationalistischen Rhetorik gegenüber der Türkei. Über Mitsotakis' offensichtliches Ziel, Recep Tayyip Erdoğans geopolitischem Spiel auf Augenhöhe zu begegnen, hinaus sind zwei weitere Absichten erkennbar: Erstens, auf die Forderung einer Mehrheit der Wählerbasis der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) nach einer strengeren Einwanderungspolitik zu reagieren. Die ND gewann die Wahl 2019 mit dem Versprechen, ,,die Grenze zu schließen" und die Ankünfte von Flüchtlingen und Migranten auf den Inseln zu stoppen. Dies ist – wie erwartet – nicht geschehen, die Regierung sah sich mit der Unzufriedenheit ihrer Wähler konfrontiert.

Sie will sich zweitens als Schutzherr der nationalen Souveränität inszenieren: Es gibt bekanntlich keinen Raum für Meinungsverschiedenheiten, wenn ,,das Heimatland bedroht ist". Dann müssen ,,wir" alle ,,unsere" Regierung unterstützen...

Vorerst ist die Regierung in diesem Spiel in der Vorhand. Eine gesellschaftliche Mehrheit scheint ihre Politik zu unterstützen. Schlimmer noch, Rassismus und Faschismus treten bei vielen offen zutage. Am 2. März ertrank ein Kind vor Lesbos, als ein Flüchtlingsboot kenterte. Es gab viele Kommentare im Internet à la ,,Wäre es besser nicht gekommen" und ,,In einem Krieg gibt es eben Verluste".

Progressive Bürger, die dieser Regierungspolitik entgegentreten, kämpfen für das Selbstverständliche: Unbewaffnete Geflüchtete und Einwanderer sind keine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Ein unveräußerliches Menschenrecht wie das auf Asyl kann nicht abgeschafft werden. Es darf nicht sein, dass gegen diejenigen, die die Grenze überqueren, militärische Gewalt angewendet wird oder dass sie zu vier Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werden.

Vor allem aber ist dieser Kampf gegen die Entrechtung von Flüchtlingen und Migranten gerichtet. Das Schrecklichste, was derzeit in Griechenland geschieht, ist, dass ein bedeutender Teil der Gesellschaft aufgehört hat, sie als Menschen zu betrachten, die Rechte haben und Respekt verdienen. Wir wissen sehr gut aus der dunklen Geschichte Europas, was das Endergebnis ist, wird einer sozialen Gruppe der menschliche Status entzogen.

Ich selbst weiß nicht, welche Chancen wir haben, diesen Kampf zu gewinnen. Aber ich weiß, dass wir mit aller Kraft kämpfen werden. Trotz aller Widrigkeiten werden wir nicht einen Schritt zurückweichen. In diesem Moment steht unsere Menschlichkeit auf dem Spiel.


Aus: "Um was es in Griechenland geht" Yannis Almpanis (05.03.2020)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/um-was-es-in-griechenland-gerade-geht (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/um-was-es-in-griechenland-gerade-geht)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 08, 2020, 02:00:25 PM
Quote[...]  Eine Woche ist seit dem Brand im Flüchtlingslager Moria vergangen. Eine Woche, in der sich die Situation der Menschen aus dem Camp nicht verbessert hat. Seit Tagen harren sie ohne Obdach auf den Straßen aus. Darunter viele Familien mit Kindern.

"Sie sehen, in welcher Situation wir sind", erzählt Mostafa Bahadori. Er ist aus Afghanistan geflüchtet. "Wir können nirgendwo hin, es gibt keine Toilette. Es gibt nicht genug Wasser, kein Essen."

Der Brand in Moria hat offengelegt, was schon lange im Argen liegt. Lesbos, Samos, Kos, Chios oder Leros - die Flüchtlingslager auf den fünf griechischen Inseln sind das Ergebnis von Europas Versagen.

Beispiel Moria: Ursprünglich war es für 3000 Flüchtlinge gebaut, zuletzt wohnten dort vier Mal so viele Menschen. Während die Migranten unter unmenschlichen Lebensbedingungen leiden, schwindet die Akzeptanz der Inselbewohner.

Nur wenige Meter neben dem neuen, vorläufigen Ersatzlager bei Kara Tepe sagt ein Cafebesitzer:

"Im Moment liegt das Problem gleich nebenan. Ich weiß nicht, ob das Lager dauerhaft oder nur vorübergehend sein wird. Ich hoffe nur, dass es etwas Nachhaltiges sein wird. Denn leider war das, was wir mit Moria hatten und was uns schon seit fünf Jahren begleitet, ohne Worte. Es war etwas, mit dem noch niemand zuvor konfrontiert war."

Viele wie er fürchten um ihre Existenz auf der Insel Lesbos. Ein anderer Bewohner erzählt: "Es ist traurig, aber wir können nichts tun. Einerseits tun sie uns leid, aber andererseits wollen wir, dass sie gehen."

Immer wieder zeigen die Inselbewohner ihren Protest mit ganz eigenen Forderungen, erklärt eine junge Griechin bei einer Demo gegen das neue Flüchtlingscamp auf Lesbos.

"Wir fordern, dass die Regierung hier und jetzt Schiffe chartert und alle Flüchtlinge und Migranten vorübergehend auf das Festland verlegt."

Doch dieser Wunsch wird sich für sie und andere nicht erfüllen, die griechische Regierung bleibt bei ihrem Kurs: Sie will alle rund 12.000 Bewohner des abgebrannten Lagers Moria weiter vor Ort unterbringen und nicht auf das Festland bringen. Sie sollen in das vorläufige Zeltlager bei Kara Tepe, nur wenige Kilometer von der Inselhauptstadt Mytilini entfernt - so lange bis ein neues Flüchtlingscamp gebaut ist.

Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis erklärt: "Moria gehört jetzt der Vergangenheit an, wir müssen jetzt ein modernes Empfangs- und Identifikationszentrum in einem anderen Gebiet bauen, wie wir es bereits begonnen haben. Eine neue Einrichtung, in der die europäische und die griechische Flagge wehen müssen. Wir müssen die gemeinsame europäische Verantwortung nicht nur für den Bau, sondern auch für den Betrieb des Lagers in die Praxis umsetzen."

Mit seinem Amtsantritt schlägt Mitsotakis andere Töne an, er hat den Kurs in der Flüchtlingspolitik des Landes verschärft.

"Unter großen Schwierigkeiten hat die Regierung eine andere Migrations- und Flüchtlingspolitik umgesetzt, eine Politik, die die Grenzkontrollen verschärft, Asylantragsverfahren beschleunigt und auf der Ebene der Europäischen Union aktiv geworden ist. Wir wollen deutlich machen, dass Griechenland dieses Problem nicht allein bewältigen kann. Wir brauchen spürbare Solidarität aus Europa, nicht nur Worte der Solidarität."

Griechenland fühlt sich von Europa im Stich gelassen. Allein auf dem Festland leben nach Schätzungen 100.000 Migranten. Sie zu versorgen - damit hat die griechische Regierung ein Problem. 11.000 haben zuletzt Asyl bekommen. Hilfsangebote gibt es zwar, aber der Bedarf ist größer als das Angebot. Und so landen viele der anerkannten Flüchtlinge auf der Straße.

"Wir haben unser Leben aufs Spiel gesetzt, um hierher zu kommen", erzählt ein Flüchtling. "Als wir uns auf das Meer gewagt haben, wussten wir nicht, ob wir überleben oder sterben würden. Wir dachten, wir würden sterben. Wir überquerten die Grenze. Wir hatten gehört, dass hier die Menschenrechte respektiert werden, aber seit unserer Ankunft haben wir gesehen, dass uns in Wirklichkeit niemand unterstützt."

Die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln, sie fühlen sich verloren, vergessen. Und auch wenn es schon bald ein neues Flüchtlingscamp für die Obdachlosen von Moria geben wird - eins ist nach dem verheerenden Brand sicher: Es darf kein zweites Moria werden.


Aus: "Flüchtlinge auf Lesbos "Sie tun uns leid, aber sie sollen gehen"" Von Isabel Gotovac, ARD-Studio Istanbul (16.09.2020)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/moria-fluechtlinge-117.html (https://www.tagesschau.de/ausland/moria-fluechtlinge-117.html)

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Quote[...] Rund 20 Tage nach der Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria haben die Behörden Hunderte Menschen von der Insel Lesbos auf das griechische Festland verlegt. Wie das Migrationsministerium in Athen und die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilten, sollten bis zum späten Nachmittag 704 Menschen die Insel verlassen.

Es seien anerkannte Flüchtlinge, die Asyl in Griechenland bekommen haben, berichtete das Staatsfernsehen (ERT). Sie sollen an Bord der Fähre "Nissos Chios" am Abend nach Piräus gebracht werden und dann auf dem Festland untergebracht werden.

Es sei geplant, dass wahrscheinlich am Donnerstag und am nächsten Montag weitere 2300 Menschen mit Schutzrecht zum griechischen Festland gebracht werden, berichtete das Staatsfernsehen weiter. Ziel sei es, die Ägäis-Insel zu entlasten, auf der aktuell mehr als 14.000 Migranten untergebracht sind, teilte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis mit.

Auf das griechische Festland verlegt werden Menschen, deren Asylantrag positiv beschieden worden ist oder die als besonders gefährdet eingestuft werden. Dazu zählen etwa alleinstehende Frauen und Schwangere, Behinderte und ältere Menschen. Unbegleitete Minderjährige befänden sich keine mehr in den sogenannten Identifikationslagern auf Lesbos, betonte Migrationsminister Mitarachi.

Zuvor hatten sich zehn EU-Staaten bereit erklärt, insgesamt rund 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus dem ausgebrannten Lager Moria aufzunehmen. Deutschland hat sich zur Aufnahme von insgesamt 1500 Asylbewerbern, die sich derzeit in Griechenland befinden, bereit erklärt. Frankreich nimmt 500 Migranten auf.

Nach der Brandkatastrophe in Moria Anfang des Monats hatten die griechischen Behörden ein provisorisches neues Flüchtlingscamp errichtet. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Lebensbedingungen in dem Camp scharf. So gebe es zu wenige Duschen, Toiletten und keine funktionierende Lebensmittelverteilung. Alle Bewohner des neuen Flüchtlingslagers wurden auf das neuartige Coronavirus getestet. 240 der Tests fielen positiv aus. Ein negatives Testergebnis ist Voraussetzung für eine Verlegung auf das Festland.


Aus: "Hunderte Flüchtlinge aufs Festland verlegt" (28.09.2020)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/griechenland-lesbos-fluechtlinge-101.html (https://www.tagesschau.de/ausland/griechenland-lesbos-fluechtlinge-101.html)

Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 08, 2020, 02:13:28 PM
Quote[...]  Filimon Mebrhatom brach als 14-Jähriger aus Eritrea nach Europa auf. Er verdurstete fast, wurde von Schleppern gequält, dann in libyschen Gefängnissen gefoltert. Nun hat er seine Geschichte aufgeschrieben.

... Filimon Mebrhatom hat seine Geschichte aufgeschrieben. In einer Januarnacht 2014 brach er auf, als 14-Jähriger, von seinem Heimatland Eritrea, zunächst nach Äthiopien, dann in den Sudan, irgendwann durch die Sahara, Richtung Libyen. Wie er sind in den vergangenen Jahren Hunderttausende aus Eritrea geflohen. Mebrhatom vertraute sich Schleppern an, er verdurstete ein paar Mal fast, so schreibt er es.

Er landete in mehreren libyschen Gefängnissen, in den Händen einer Dschihadistenmiliz. Das einzige Zeugnis seiner Herkunft, ein Schülerausweis, wird in der Zeit verbrannt. Fast ein Jahr später landete er auf einem Schiff Richtung Italien und kurz darauf in München, wo er blieb.

Mebrhatom, heute 20 Jahre alt, wurde in Deutschland als Flüchtling anerkannt. Er beendete die Schule und eine Ausbildung zum Cutter und Kameramann. Er will die Mittlere Reife nachholen, sagt er, unbedingt studieren. "Ich will doch nur frei sein" heißt sein Buch, es erscheint am 24. August; Ausschnitte daraus zitieren wir im Text kursiv. Der SPIEGEL kann seine Erinnerungen nicht in Gänze verifizieren, wir haben jedoch keinen Anlass, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Das Interview führten wir mit Mebrhatom am Telefon.

SPIEGEL: Was nimmt man aus seiner Heimat mit, wenn man für immer geht?

Filimon Mebrhatom: Mein Cousin und ich sind gemeinsam aufgebrochen. Wir hatten etwas Geld dabei, sonst nichts. Das haben wir uns in die Kleidung genäht. Mit Gepäck ist es schwer, die Grenzen zu passieren. Man fällt auf. Wird vielleicht angeschwärzt. Ohne Gepäck kann man leichter rennen, wenn man verfolgt wird.

SPIEGEL: Wie haben Sie sich von Ihrer Familie verabschiedet?

Mebrhatom: In der Nacht meiner Flucht habe ich nicht bei meinen Eltern übernachtet. Ich ging abends zu Bett, am nächsten Morgen ging ich, ohne ein Wort. Ich habe mich nie von meiner Mutter verabschiedet. Ich konnte meinen Eltern nicht sagen, dass ich sie verlasse. Denn meine Schwester ist kurze Zeit vorher auf der Flucht gestorben.

SPIEGEL: Sie sind im Sudan auf den Jeep von Schleppern aufgestiegen und mit ihnen durch die Wüste Richtung Libyen gefahren. Sie beschreiben Hunger, Durst, Folter. Was hat Sie davon abgehalten umzukehren?

Mebrhatom: Ein Leben in Eritrea wäre keine Option gewesen. Ich wusste schon, dass die Flucht gefährlich sein würde, aber ich sah keine andere Möglichkeit als aufzubrechen. In Eritrea wird man gefoltert, wenn man ein Leben führt, das der Regierung nicht gefällt. Man wird unterdrückt. Ich hätte in den Militärdienst gemusst. Das ist kein gutes Leben, kein freies. Und ich wollte meine Eltern im Alter unterstützen, das wäre mir in Eritrea nicht gelungen.

SPIEGEL: Warum sind die Schlepper so brutal?

Mebrhatom: Es ist ihre Art zu überleben. Das sind Menschen, die nie etwas anderes gelernt haben, als ihre Waffe zu benutzen, um Geld zu erpressen. Sie haben diese Prioritäten von klein auf so gelernt. Jeder, der eine Waffe hat, nutzt diese Macht, um andere Menschen zu unterdrücken, zu verkaufen, zu behandeln wie Sklaven. Wenn du in der Hand der Schlepper bist, wirst du wie ein Tier behandelt.

SPIEGEL: Sie schreiben, dass auch Mädchen und Frauen bei der Überfahrt in der Wüste dabei waren. Wie ist es ihnen ergangen?

Mebrhatom: Manchmal haben die Schlepper die Frauen aus dem Innenraum des Wagens zu sich nach vorn befohlen. Sie wurden dann angefasst, manche wurden während unserer Pausen in der Wüste vergewaltigt. Einige wurden schwanger. Wir konnten gar nichts tun, ich konnte sie nicht beschützen. Manchmal haben wir ihre Schreie gehört.

SPIEGEL: Nur selten erfährt die Öffentlichkeit, wie es in den libyschen Gefängnissen zugeht. Wie war es dort?

Mebrhatom: Es stank, die Menschen können sich nicht waschen. Es gab fast keine Toiletten. Tausende Menschen saßen eng gedrängt. In einem Lager musste ich, als ich nachts ankam, über die Menschen regelrecht drübersteigen, über Beine und Köpfe, so dicht lagen sie da. Wenn die Wärter kamen, war da immer die Hoffnung, dass wir weitergelassen werden Richtung Mittelmeer. Aber meistens kamen sie und schikanierten uns. Es herrscht Bürgerkrieg in Libyen, niemand muss sich an ein Gesetz halten.

SPIEGEL: Welche Menschen haben Sie in den Gefängnissen getroffen?

Mebrhatom: Sie kamen von überall her, viele hatten Ähnliches erlebt wie ich. Da waren Menschen, die die Fahrt übers Mittelmeer nicht schafften und zurückkehren mussten. Manche wurden wie Arbeitssoldaten gehalten. Manche hatten kein Geld mehr und keine Verwandten, von denen sie hätten freigekauft werden können. Manchmal sind Männer nachts umgefallen und waren tot. Es gab keine Ärzte und keine Medikamente.

SPIEGEL: Sie waren über Monate in diesen Gefängnissen. Wie fühlt sich dort drinnen die Zeit an?

Mebrhatom: Du weißt irgendwann nicht mehr, wo du bist, welcher Tag es ist. Die Schlepper nahmen uns die Handys ab, ich hatte keine Uhr. Sie haben uns zum Beispiel in einen Kühllaster verladen, ohne Fenster. Darin ging es von dem einen Gefängnis ins nächste. Ich war in mehreren libyschen Lagern. Du fährst in der Nacht los, manchmal mit verbundenen Augen, den Kopf musst du stets gesenkt halten. Manchmal sagten uns die Libyer absichtlich falsche Uhrzeiten.

SPIEGEL: Die Schlepper haben Ihre Verwandten immer wieder angerufen und gefordert, neues Geld zu schicken und für Ihre Fahrt übers Mittelmeer zu zahlen. Sie wurden während dieser Telefonate mit Strom gefoltert. Irgendwann brachten die Männer Sie dann tatsächlich an die Küste und auf ein Schiff. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie auf das Boot stiegen?

Mebrhatom: Ich kann nicht schwimmen. Mein Mut schwand. Wir saßen alle zusammen, Christen und Muslime, und beteten. Wir wurden dann von der italienischen Marine gerettet, aber ich weiß nicht, in welchem italienischen Hafen wir europäischen Boden betraten. Ich verstand kein Wort, ich war so müde.

SPIEGEL: Sie sind dann mit dem Zug nach München gekommen, von dort in eine Flüchtlingsunterkunft, und haben irgendwann ein Paar kennengelernt, das Sie bei den ersten Schritten in Deutschland unterstützte.

Mebrhatom: In München konnte ich die ersten zwei Jahre nicht gut schlafen. Im Schlaf kannst du nicht kontrollieren, welche Bilder du siehst. Ich habe immer Bilder gesehen, die ich nicht mehr sehen wollte. Ich bin dann oft nachts spazieren gegangen oder habe gebetet. Wenn es einen Streit im Flüchtlingsheim gab, sind die Erinnerungen wieder hochgekommen, das Leid, die Aggressionen. Wenn ich die Polizei sehe, dann bekomme ich heute noch Panik, ich denke dann an Libyen. Viele fragen mich, ob ich eine Therapie machen will. Aber ich schreibe viel, rede darüber und mache Musik. Ich habe vor drei Jahren angefangen, meine Geschichte zu erzählen. Ich will, dass viele sie kennen und verstehen, was es heißt, es als Flüchtling bis Europa geschafft zu haben.

SPIEGEL: Wie geht es Ihrer Familie? Wie oft hören Sie von ihr?

Mebrhatom: Ich will nicht viel über meine Familie sprechen, sie ist nicht in Sicherheit. Ich habe, seit ich in München bin, viermal mit meiner Mutter telefonieren können. Es gibt in meinem Heimatdorf sehr schlechtes Netz. Ich probiere es oft, aber ich komme fast nie durch. Ich wollte eigentlich dieses Jahr nach Äthiopien fliegen und meine Familie dort treffen - nach Eritrea kann ich unmöglich zurück. Doch wegen der Coronakrise geht das nicht.

SPIEGEL: Laut dem Uno-Flüchtlingshilfswerk müssen jeden Tag 37.000 Menschen ihre Heimat verlassen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Bilder von Menschen auf der Flucht siehst?

Mebrhatom: Ich frage mich, wann ist das Sterben zu Ende? Selbst wenn die Menschen die Flucht überleben, stirbt etwas in ihnen, denn sie sehen Unmenschliches. Dabei wünschen sie sich nur Freiheit. Die Menschen leben auf der Flucht nicht wie Menschen. Sie sind allein. Kein Mensch geht einfach so durch die Wüste, wo es kein Wasser gibt, kein Leben.

...


Aus: "Geflüchteter über libysche Gefangenschaft: "Selbst wenn die Menschen die Flucht überleben, stirbt etwas in ihnen" " Ein Interview von Maria Stöhr (22.08.2020)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtling-aus-eritrea-erzaehlt-von-seiner-flucht-a-f9486350-4cc2-4d6f-a5b5-63cb79a08ac2 (https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtling-aus-eritrea-erzaehlt-von-seiner-flucht-a-f9486350-4cc2-4d6f-a5b5-63cb79a08ac2)

QuoteDirk

Er kann sich leisten, in München zu wohnen? Glückwunsch, viele können das nicht.


QuoteFeldmann

Soll ich mich so schuldig fühlen, dass ich in die Spree springe, aber vorher noch mein Konto räume und in der Hasenheide (Park in Berlin) an Migranten verteile?


QuoteRolf

Das wird ja langsam penetrant. Ich will das nicht mehr lesen, Framing und fortwährende Volkserziehung müssen aufhören. ...


QuoteSven

Ja das ist in der Tat alles sehr traurig. Mir erschließt sich aber nicht aus welchem Grund ich für den Lebensunterhalt der Millionen Flüchtlinge die die deutsche Regierung in die BRD bittet aufzukommen hätte. ...


QuotePetra

Schlechtes Interview -wirklich relevante Fragen wurden nicht gestellt. Woher zum Beispiel ein 14jähriger mind.
€ 2.600 für die Schlepper hat, wenn das jährliche Durchschnittseinkommen in Eritrea bei ca. € 650,00 liegt? Das wäre zu vergleichen mit einem deutschen Jugendlichen, der mit einer Viertelmillion nach Amerika oder Australien will!


QuoteGoldregenpfeifer

Es zieht nicht mehr, wir haben keinen Bock mehr.


QuoteThomas

Ich kann mit diesen Beiträgen nichts mehr anfangen. Bin ich als alter weißer Mann jetzt an allem Schuld? Man wird mit dem ganzen Elend doch überfüttert (Klimakrise, Flucht , Vertreibung usw).


QuoteMichael

Danke für das Interview mit Herrn Mebrhatom. Es ist wichtig, dass er und andere Geflüchtete ihre Geschichte einem breiten Publikum erzählen können. Wie wichtig das ist, zeigt auch die krasse Abwehr unter den Kommentatoren hier die sich in teils hahnebüchenen Statements bahnbricht. Diesen offenbar recht verängstigten Mitbürgern sei gesagt: Wenn auch Eure Angst vor Menschen mit Fluchtgeschichte völlig unbegründet ist, mit einem habt Ihr Recht: Dieses Land verändert sich tatsächlich und Ihr werdet immer weniger. Gott sei Dank.


...
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 12, 2020, 03:45:46 PM
Quote[...] Thousands more refugees have fled fighting in northern Ethiopia's Tigray region and crossed into neighbouring Sudan, as fears grow that conflict between national and provincial forces could prompt a serious humanitarian crisis.

As many as 10,000 Ethiopians are now thought to have already crossed the border in the last two days, and aid officials say hundreds of thousands more are likely to leave their homes if the conflict, now entering its second week, does not end.

Ethiopia's prime minister, Abiy Ahmed, launched military operations in Tigray, after he accused local authorities of attacking a military camp in the region and attempting to loot military assets. The Tigray People's Liberation Front (TPLF), which is in power in the province, denies the attack and has accused the prime minister of concocting the story to justify deploying the offensive.

Sudanese frontier officials described hungry and tired children, as well as casualties from the fighting, arriving in Sudan after a difficult journey.

"More and more people, including wounded from the operations there, are still coming. The numbers are increasing rapidly. There are lots of children and women," said Khalid Al-Sir, the head of the government refugee agency in Kassala state, in east Sudan.

"They are arriving very tired and exhausted. They are hungry and thirsty since they have walked long distances on rugged terrain."

The situation on the ground is deteriorating rapidly, Sir said.

One 30 year old border police officer described a day-long journey on foot with some 30 others fleeing, before spending two days in Sudan, exposed to the sun and wind in a border town that is quickly becoming overwhelmed.

The fighting has involved clashes between ground troops, air strikes and artillery duels, with heavy casualties reported on both sides.

Airports in Tigray are closed, roads blocked, internet services cut off and even banks are no longer operating. Sajjad Mohammad Sajid, the United Nations' humanitarian chief in Ethiopia, said on Tuesday evening that long lines had appeared outside bread shops and supply-laden trucks are stuck at the province's borders.

Sajid told the Associated Press that up to 2 million people in the now isolated province were having a "very, very difficult time" and were short of fuel or food, or both.

Telephone lines to the region were still down, the UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) said in its latest report on the crisis.

In a new statement on Thursday, Abiy claimed that the western part of the Tigray region had been liberated, and accused the TPLF rulers of seeking to "destroy Ethiopia."

The top U.S. diplomat for Africa, Tibor Nagy, spoke with Ethiopia's foreign minister on Wednesday "to urge again immediate action to restore peace and de-escalate tensions," a State Department spokesperson said.

Earlier this week, Abiy brushed aside requests from the UN, the UK and the African Union for an immediate end to hostilities.

"Operations will cease as soon as the criminal junta is disarmed, legitimate administration in the region restored, and fugitives apprehended [and] brought to justice," Abiy posted on Twitter.

Both sides have claimed successes, including federal troops taking an airport and Tigrayans alleging they downed a jet. With limited communications to the region and outsiders barred, it is difficult to verify such statements.

The government has confirmed, however, that the TPLF is controlling a compound of the powerful Northern Command military in Tigray's capital, Mekelle.

"It looks like, unfortunately, this may not be something which can be resolved by any party in a week or two," Sajid said. "It looks like it's going to be a protracted conflict, which is a huge concern from the point of view of protection of civilians."

The TPLF dominated Ethiopia's governing coalition for decades before Abiy came to power in 2018. He won last year's Nobel peace prize for ending a war with neighbouring Eritrea.

The sweeping political reforms the 44-year-old former soldier pushed through won wide praise, but have allowed old ethnic and other grievances to surface.

Tigrayan leaders have complained of being unfairly targeted in corruption prosecutions, removed from top positions and blamed for the country's problems.

The postponement of national elections due to the Covid-19 pandemic aggravated tensions and when parliamentarians in Addis Ababa, the capital, voted to extend officials' mandates, Tigrayan leaders went ahead with regional elections in September that Abiy's government deemed illegal.

Both sides have access to heavy weapons, armour and considerable stocks of ammunition, and observers have warned that a lengthy conflict is possible.

This would be immensely damaging to a fragile country, and region.

The federal government on Thursday said some 150 suspected "operatives" accused of seeking to "strike fear and terror" throughout the country had been detained.

The statement said the suspects "happen to be ethnically diverse," but concerns remain high among ethnic Tigrayans amid reports of being singled out by authorities.

The Committee to Protect Journalists, a global campaign group, called the arrests of the reporters "a dangerous reversal of the early steps taken by [the] government to improve press freedom".

The standoff leaves nearly 900 aid workers in the Tigray region struggling to contact the outside world, let alone bring in humanitarian supplies.

There were already 100,000 internally displaced people and 600,000 dependent on food aid in Tigray before the conflict, aid agencies said.


Aus: "Thousands more refugees cross into Sudan to flee fighting in Ethiopia" Jason Burke Africa correspondent (Thu 12 Nov 2020 14.21 GMT)
Quelle: https://www.theguardian.com/world/2020/nov/11/thousands-of-refugees-cross-into-sudan-to-flee-fighting-in-ethiopia (https://www.theguardian.com/world/2020/nov/11/thousands-of-refugees-cross-into-sudan-to-flee-fighting-in-ethiopia)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 04, 2021, 11:55:43 AM
Quote[...]  Exzessive Gewalt, Misshandlung, Erniedrigung: Ein Schwarzbuch zu Pushbacks wirft einen schockierenden Blick auf das europäische Grenzregime.

Von Tobias Müller, Amsterdam

«Ehe sie die Wache verliessen, wurden ihnen Handschellen angelegt, die Polizei benutzte eine erniedrigende Sprache und schlug sie auf den Hinterkopf. Die beiden Minderjährigen begannen zu weinen. Sie wurden in einen weissen Bus mit verdunkelten Scheiben geladen, aus denen man nicht nach draussen schauen konnte, es gab keine frische Luft. Als sie fragten, wohin sie führen, entgegnete der Beamte, sie sollten ihr Maul halten.»

Szenen wie diese, die an ein diktatorisches Regime erinnern, gehören zum Alltag an den Aussen- und zunehmend auch an den Binnengrenzen der Europäischen Union. Die obige Schilderung betrifft fünf pakistanische Geflüchtete im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Mitte Juli dieses Jahres wurden sie in Triest von Beamten verhaftet, die sich als Geheimpolizisten ausgegeben hatten.

Die Schilderung ist eines von 892 vergleichbaren Zeugnissen von Geflüchteten, die im «Schwarzbuch der Pushbacks» gesammelt sind. Erstellt wurde das Buch vom Border Violence Monitoring Network (BVMN), einem Zusammenschluss von NGOs und Menschenrechtsinitiativen. Es kritisiert seit Jahren die zunehmende Zahl von Pushbacks, also die illegalen und formlosen Rückschiebungen von Asylsuchenden über eine Grenze, sowie die fehlenden staatlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen. In Auftrag gegeben und finanziert hat das Buch die Fraktion der Linken im EU-Parlament.

Letzte Woche, zum Internationalen Tag der MigrantInnen am 18.  Dezember, wurde es per Videoschaltung im Parlament vorgestellt. «Was wir heute auf den Tisch legen, existierte in dieser Form bisher nicht», so Cornelia Ernst, deutsche Abgeordnete der Fraktion der Linken. Das 1500 Seiten umfassende Dokument liefere «deutliche Beweise, dass an den Aussengrenzen strukturell und beabsichtigt staatliche Gewalt gegen Geflüchtete ausgeübt wird» – mit dem Zweck, ihre Einreise zu verhindern.

Pushbacks, betont das Schwarzbuch, verstossen gegen das in der universellen Erklärung der Menschenrechte enthaltene Recht auf Asyl, die Grundrechtscharta der EU sowie das in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegte Prinzip der Nichtzurückweisung. Trotzdem hätten sie sich vor allem seit der Schliessung der sogenannten Balkanroute 2016 zunehmend zu einer «gut koordinierten, systematischen Praxis» entwickelt, die offiziell nicht eingestanden werde.

Die gelisteten Fälle, die 12 654 rückgeschobene Personen betreffen, sind dabei nur ein Teil des tatsächlichen Umfangs dieser Praxis. Die Dokumentation, die detailliertes Kartenmaterial enthält, widmet sich auch sogenannten Kettenrückschiebungen, die etwa von Italien oder Österreich über Slowenien und Kroatien verlaufen: ein gesetzwidriger Transport, rückwärts entlang der stillgelegten Balkanroute über die europäischen Aussengrenzen hinaus. Von rund 3000 Pushbacks von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina und Serbien, die allein für 2019 protokolliert sind, war rund ein Fünftel Teil einer solchen Kette.

Dies gilt auch für das eingangs erwähnte Zeugnis der pakistanischen Männer, die von Italien zunächst nach Slowenien gebracht wurden. Die dortigen Beamten schlugen sie mit Stöcken und übergaben sie den kroatischen Kollegen. Diese banden ihnen die Hände mit Kabelbindern zusammen und misshandelten sie mit stacheldrahtumwickelten Schlagstöcken. Darauf folgte eine stundenlange Fahrt in unbelüfteten Polizeibussen an die bosnische Grenze, wo sie erneut geschlagen und mit Pfefferspray besprüht wurden. Zuletzt schoss ein kroatischer Beamter dreimal in die Luft und hetzte einen Schäferhund auf sie, um sie zurück nach Bosnien zu treiben. Das Ersuchen der Geflüchteten um Asyl wurde nacheinander von italienischen, slowenischen und kroatischen GrenzbeamtInnen ignoriert.

Im Blickpunkt des Buches steht das Vorgehen der Beamten. Als «gnadenlose, sadistische und erniedrigende Gewalt» fasst das Border Violence Monitoring Network deren Praxis in der Einleitung zusammen. 2020 habe sich diese Situation noch verschlimmert. «Es ist selten, keine Gewalt bei einem Pushback zu erleben. In Kroatien und Griechenland betrifft sie beinahe neunzig Prozent der dokumentierten Fälle.»

Genannt werden unter anderem der Einsatz elektrischer Waffen, erzwungenes Entkleiden, Drohen mit Feuerwaffen, Haft ohne die grundlegendsten Standards. Die Zerstörung oder Konfiszierung persönlichen Besitzes wie Telefonen ist gängige Praxis. Fotos von Platzwunden am Kopf oder Rücken mit Striemen und Blutergüssen dokumentieren die Menschenrechtsverletzungen, die das Netzwerk auch in monatlichen Bulletins beschreibt.

Verschiedene Medien haben 2018 über die ersten Pushbacks auf der ehemaligen Balkanroute berichtet, darunter auch die WOZ (siehe Nr. 49/2018). Bis heute gehen die Praktiken ungehindert weiter. «Eine Schande», so Europaparlamentarierin Cornelia Ernst. «Täglich wird an den EU-Aussengrenzen gegen EU-Prinzipien und Menschenrechte verstossen.»


Aus: "EU-Grenzen: Ein Dokument der Schande" Tobias Müller, Amsterdam  (Nr. 52/2020 vom 24.12.2020)
Quelle: https://www.woz.ch/2052/eu-grenzen/ein-dokument-der-schande (https://www.woz.ch/2052/eu-grenzen/ein-dokument-der-schande)
Title: [Fortress Europe (wenn du zum Flüchtling wirst)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 15, 2021, 01:01:49 PM
Quote[...] Bis zu 12.000 Flüchtlinge sollen sich derzeit in Bosnien-Herzegowina aufhalten. Sie leben dort größtenteils unter erbärmlichen Bedingungen, bei winterlicher Kälte in provisorischen Camps oder im Wald. Sie wollen weiter in die Europäische Union, um Asylanträge zu stellen. Doch die Grenze zum benachbarten EU-Land Kroatien ist geschlossen. Der bosnische Staat ist überfordert; Hilfe kommt von Freiwilligenorganisationen.

Auch die aus Greifswald stammende Ärztin Kristina Hilz versucht zu helfen: Im bosnisch-kroatischen Grenzgebiet behandelt sie die Menschen wegen Zahnschmerzen, Erkältungen, Krätze. Aber regelmäßig auch wegen gravierender Verletzungen, die ihnen von kroatischen Grenzpolizisten zugefügt wurden, wie sie es schildert: ,,Ich habe kaum Menschen getroffen, die das nicht erlebt haben."

Demnach werden Flüchtlinge mit Fäusten oder Gewehren geschlagen oder sie werden getreten:

,,Die Gewalt, die wir sehen, hat absolut auch System dahinter. Ich habe das Gefühl, dass gerade Männer in den Oberkörper, in die Kopfregion und viel auf die linke Thoraxhälfte geschlagen werden. Ich habe viele gebrochene Rippen gesehen und teilweise Gesichtsfrakturen, die Beine werden praktischerweise immer ausgespart."

Auch Frauen und Kinder seien von Gewalt betroffen: Zuletzt habe ein vier Monate altes Baby Tränengas in die Augen bekommen. Dazu komme, dass die Grenzpolizisten die Menschen mit dem Tode bedrohen und ihnen Handys, Geld und Dokumente stehlen.

Hilz kennt Berichte von mehr als 40 Pushbacks pro Person und zweifelt nicht an deren Wahrheitsgehalt, zumal die Verletzungsmuster ,,eindeutig zuordenbar" seien. Als Pushbacks wird ein Vorgehen bezeichnet, bei dem aufgegriffene Geflüchtete umgehend wieder zurück über die Grenze gebracht werden. Dies gilt als illegal, denn den Schutzsuchenden wird damit das Recht verwehrt, einen Asylantrag zu stellen.

Bei der EU erkennt die Medizinerin eine ,,stille Zustimmung" zu den Zuständen. Es gebe nicht nur zahlreiche Zeugenberichte, sondern auch einige Klagen. Hilz fordert ,,klare Worte" und die Aufnahme der Flüchtlinge, ,,die in diesen schrecklichen Umständen leben müssen".

(bth)


Aus: "Bosnisch-kroatische Grenze,,Die Gewalt gegen Geflüchtete hat System"" Kristina Hilz im Gespräch mit Stephan Karkowsky (15.02.2021)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/bosnisch-kroatische-grenze-die-gewalt-gegen-gefluechtete.1008.de.html?dram:article_id=492544 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/bosnisch-kroatische-grenze-die-gewalt-gegen-gefluechtete.1008.de.html?dram:article_id=492544)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 21, 2021, 01:35:36 PM
Quote[...] Bilder vom Einsatz berittener US-Grenzpolizisten gegen haitianische Flüchtlinge haben in den USA für Aufregung und Empörung gesorgt. Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, sagte, die Aufnahmen seien "furchtbar" anzuschauen. Sie kenne zwar nicht den genauen Hintergrund, wisse aber auch nicht, in welchem Kontext ein solches Vorgehen "angemessen" sein könnte.

"Ich denke, dass niemand, der diese Aufnahmen gesehen hat, das für akzeptabel oder angemessen halten würde", sagte Psaki. Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas kündigte bei einem Besuch im Grenzgebiet eine Untersuchung an. "Wir werden die Fakten untersuchen." Gegebenenfalls werde es Konsequenzen geben.

Auf Fotos und auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie berittene Grenzschützer im Bundesstaat Texas an der Grenze zu Mexiko gegen aus Haiti stammende Flüchtlinge vorgehen. So packt ein Polizist vom Pferd aus einen Mann an seinem T-Shirt. Auf anderen Bildern wirkt es so, als würden Polizisten drohend ihre langen Zügel schwingen. Internetnutzer fühlten sich durch die Bilder an Zeiten erinnert, in denen berittene Polizisten oder Gefängniswärter in den USA mit Peitschen gegen Schwarze vorgingen.

Derzeit versuchen Tausende Haitianer die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überqueren. Unter einer Brücke im texanischen Grenzort Del Rio harrten zwischenzeitlich mehr als 14.000 Menschen aus.

Viele von ihnen glauben offenbar fälschlicherweise, sie könnten in den USA geduldet werden. Die Haitianer würden "falsche Informationen" erhalten, "dass die Grenze offen ist oder dass ein temporärer Schutzstatus möglich ist", sagte Heimatschutzminister Mayorkas. "Wir haben wiederholt, dass unsere Grenzen nicht offen sind, und Menschen sollten nicht die gefährliche Reise auf sich nehmen. Wer illegal in die USA kommt, wird abgeschoben." Die USA setzen auf eine Ausweitung der Abschiebeflüge nach Haiti.

Quelle: ntv.de, hny/AFP


Aus: "Erinnerung an Sklaverei-Zeiten Berittene US-Grenzer treiben Flüchtlinge zurück" (Dienstag, 21. September 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Berittene-US-Grenzer-treiben-Fluechtlinge-zurueck-article22816332.html (https://www.n-tv.de/politik/Berittene-US-Grenzer-treiben-Fluechtlinge-zurueck-article22816332.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2021, 12:37:58 PM
Quote[...]  Die deutschsprachige Literatur feiert bei der Buchmesse in Thessaloniki ihren Gastauftritt. Er zeigt: Zwischen beiden Ländern gibt es viel aufzuarbeiten.

Dieses Jahr ist in Griechenland ein Jahr des Gedenkens. Das Land ist 40 Jahre in der EU, es gibt den 80. Jahrestag der deutschen Besatzung Nordgriechenlands, und die griechische Revolution fand vor genau 200 Jahren statt. Auch aus diesem Grund eröffnete die griechische Präsidentin Katerina Sakellaropoulou die Buchmesse in Thessaloniki, die vergangenes Jahr wegen der Pandemie ausgefallen war.

Sakellaropoulou würdigte denn auch den nachgeholten Gastauftritt der deutschsprachigen Literatur. ,,Die Deutschen haben uns große Klassiker geschenkt", sagte sie bei der Festveranstaltung. ...

... die Debatten über die europäische Flüchtlingspolitik ähneln sich in beiden Ländern. Darauf wies Andreas Kossert bei der Vorstellung seines Buches ,,Flucht, eine Menschheitsgeschichte" hin. Beide Gesellschaften, die 2015 mit der so genannten Flüchtlingskrise konfrontiert wurden, sind selbst historisch von Fluchterfahrungen geprägt: Griechenland durch die 1,2 Millionen Griechen die nach dem Ersten Weltkrieg aus Kleinasien vertreiben wurden, Deutschland durch 14 Millionen Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten nach 1945.

Doch die Erinnerung an das Leid ist längst verklärt oder verdrängt und führt auf beiden Seiten selten zu einer empathischen Perspektive mit den Fluchterfahrungen von heute. Die anfängliche Hilfsbereitschaft schlug in Deutschland wie Griechenland in Populismus oder bestenfalls Gleichgültigkeit um. Die griechische Politik fühlt sich alleingelassen, bisweilen gemaßregelt von der EU und nicht zuletzt von Deutschland.

Der letzte Woche veröffentlichte Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen hat sich nicht nur im Kapitel ,,Europäische Flüchtlingspolitik" vorgenommen, das zu verändern. Im Abschnitt ,,Erinnerungskultur" wird direkt auf Griechenland verwiesen: Aktuelle Debatten im Land zeigten, dass ,,die gemeinsame Aufarbeitung nicht abgeschlossen ist." Daraus abgeleitet wird eine besondere Verantwortung, dies zu ändern. Veranstaltungen wie die Buchmesse in Thessaloniki sind Orte, um daran zu arbeiten.

Das geschah hier durch den Bezug auf die Ausstellung ,,Gespaltene Erinnerung" und die Vorstellung der Katalogpublikation, die die für Griechenland wie Deutschland schicksalhaften Jahre 1940-1950 umfassend beleuchtet.

Die Ausstellung, derzeit zu sehen in Köln, wurde bereits 2016 in Kölns Partnerstadt Thessaloniki gezeigt. Sie zeigt das ganze Grauen der deutschen Besatzungsherrschaft in Griechenland. Die Auslöschung griechischer Dörfer und die Ermordung fast der 50 000 überwiegend sephardischen Juden aus Thessaloniki hatten nachhaltige Folgen für Griechenland. Der Krieg endete nämlich nicht, sondern mündete in einen Bürgerkrieg. In Deutschland sind die griechischen Kriegstraumata kaum bekannt. Viele Griechen sind verbittert, weil sich Deutschland, das sich gern als Erinnerungsweltmeister darstellt, beharrlich weigert, über eine angemessene Entschädigung der materiellen Folgen der Besatzung zu verhandeln.

Als der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Ausstellung 2016 eröffnete, war der Tiefpunkt des deutsch-griechischen Verhältnisses erreicht. In den harten Krisenzeiten für Griechenland wurden deutsche Minister auf Demo-Plakaten schon mal in Naziuniform dargestellt. In Deutschland grassierten üble Klischees von den ,,faulen Griechen".

Wie konnte es soweit kommen, ist doch Griechenland ein erklärtes Lieblingsland, ein Sehnsuchtsort der Deutschen? Zumal fast eine halbe Million Menschen mit griechischer Migrationsgeschichte in Deutschland leben. Griechische ,,Gastarbeiter" schufteten jahrzehntelang im Dienste des deutschen Wirtschaftswunders. Viel Aufmerksamkeit oder gar Dank erfuhren sie nie. Die verdrängte Geschichte deutscher Gewaltherrschaft bleibt die größte Leerstelle im gegenseitigen Verhältnis. Dass diese Aufarbeitung ,,nicht abgeschlossen" sei, wie es der Koalitionsvertrag formuliert, darf getrost als Understatement gelten – sie muss erst noch richtig beginnen.


Aus: "Die Abstiegsängste der Mittelschicht – und ein verdrängter Krieg" René Wildangel (01.12.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutsche-literatur-in-thessaloniki-die-abstiegsaengste-der-mittelschicht-und-ein-verdraengter-krieg/27848434.html (https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutsche-literatur-in-thessaloniki-die-abstiegsaengste-der-mittelschicht-und-ein-verdraengter-krieg/27848434.html)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 04, 2022, 11:08:59 AM
Quote[...] Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) plant, ein Zelt für 1.000 Personen auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof zu errichten. Das sagte sie dem rbb am Donnerstag. In dem Zelt soll es Sitzplätze und Sanitäranlagen geben. Ankommende aus der Ukraine sollen sich dort ausruhen können, bevor sie weiterreisen oder per Shuttle-Bus in Unterkünfte in Berlin vermittelt werden.

Giffey hatte am Donnerstagabend gemeinsam mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) den Hauptbahnhof besucht. Dort informierten sich die beiden Politikerinnen bei Organisationen, Helferinnen und Helfern sowie Betroffenen über die Situation an diesem zentralen Ankunftsort für Geflüchtete.

Wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine fliehen immer mehr Menschen aus dem Land, allein in Berlin sind im Laufe des Donnerstags rund 6.000 Geflüchtete am Hauptbahnhof angekommen. Das sagte die Berliner Regierende Bürgereisterin Franziska Giffey (SPD) am Abend dem rbb.

Etwa zwei Drittel von ihnen würden bei Familie oder Bekannten unterkommen, 1.000 Plätze stünden in Brandenburg bereit. Giffey sagte weiter, der Senat bereite den Aufbau einer zweiten zentralen Ankunftsstelle vor. Die bisherige in Reinickendorf reiche für den Ansturm nicht mehr aus. Die SPD-Politikerin betonte, es brauche jetzt bundesweite Strukturen.

Währenddessen sprachen Giffey und Kipping mit anwesenden Helfern, die sich am Hauptbahnhof in Berlin versammelt hatten. Mehr als hundert Freiwillige bieten mittels Plakaten auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine an. In den vergangenen Tagen seien etwa zwei Drittel von ihnen zu Verwandten und Freunden gefahren, ein Drittel sei vom Land Berlin versorgt und untergebracht worden.

Am Abend baute die Hilfsorganisation Malterser drei Zelte am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) auf, in denen Ankommende für ein paar Stunden betreut und bei Bedarf auch sanitätsdienstlich versorgt werden können.

...


Aus: "6.000 Menschen aus der Ukraine angekommen Berlin plant ein Zelt für Geflüchtete am Hauptbahnhof" (Fr 04.03.2022)
Quelle: https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/berlin-freiwillige-hauptbahnhof-unterkuenfte-fuer-gefluechtete.html (https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/berlin-freiwillige-hauptbahnhof-unterkuenfte-fuer-gefluechtete.html)

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"Krieg in der Ukraine Mehr als eine Million auf der Flucht" (03.03.2022)
Es sei ein "Exodus", sagt das UNHCR: Mehr als eine Million Menschen seien nach erst einer Woche Krieg bereits aus der Ukraine geflohen. Dieser Umfang sei in diesem Jahrhundert ohne Beispiel.
In weniger als einer Woche seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind bereits mehr als eine Million Menschen geflohen. Davon geht das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aus. "Unsere Daten zeigen, dass wir in Mitteleuropa um Mitternacht die 1-Millionen-Marke überschritten haben", schrieb UNHCR-Sprecherin Joung-ah Ghedini-Williams in einer E-Mail.
UNHCR-Chef Filippo Grandi forderte auf Twitter eine Waffenruhe: "Für viele weitere Millionen in der Ukraine ist es an der Zeit, dass die Waffen schweigen, damit lebensrettende humanitäre Hilfe geleistet werden kann."
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukrainekrieg-fluechtlinge-million-101.html (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukrainekrieg-fluechtlinge-million-101.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 05, 2022, 11:44:27 AM
Quote[...] In der Ukraine tobt Putins Krieg und Hunderttausende von Menschen sind auf der Flucht. In der Art und Weise, wie viele westliche Medien und Politiker:innen darüber sprechen, zeigt sich oft unverhohlener Rassismus. Dies wurde bereits in den ersten Tagen des Krieges deutlich, als US-amerikanische und britische Korrespondent:innen aufgebracht betonten, dass die Ukraine "kein Dritte-Welt-Land" wie "Irak oder Afghanistan" sei, sondern "europäisch" und "zivilisiert". Bei BBC meinte ein ukrainischer Ex-Staatsbediensteter sogar, dass er besonders emotional sei, weil die Opfer "blond und blauäugig" seien. Und bei Frank Plasbergs Hart aber fair schwadronierten einige der Gäste inklusive des Moderators von "unserem Kulturkreis" und die Feigheit jener "wehrfähigen, starken Männer", die 2015 nach Deutschland kamen und angeblich nicht Manns genug waren, ihre Heimat zu verteidigen.

Von Politiker:innen hörte man Ähnliches. Jean-Louis Bourlanges, ein französischer Politiker, bezeichnete ukrainische Geflüchtete als "hochqualifiziert", der bulgarische Premierminister sagte: "Das ist nicht die Flüchtlingswelle, die wir kennen, sprich, Menschen, über deren Identität wir uns nicht sicher sein können, die Terroristen gewesen sein könnten."

Kurz und knapp: Weiße Europäer:innen haben den "guten Flüchtling" gefunden. Jener, der die Hilfe verdient hat. Hier der tapfere Ukrainer, der sein Land verteidigt. Dort der feige Syrer oder Afghane, der Frau, Kind und Land zurückgelassen hat, anstatt zur Waffe zu greifen. Dass in ihren Ländern seit Jahren oder teils sogar Jahrzehnten Krieg herrscht und Menschen irgendwann einfach nicht mehr kämpfen können, für einen Diktator wie Assad auch nicht kämpfen wollen – oder wie die Kurd:innen in Rojava nach wie vor kämpfen – dafür gibt es kaum Verständnis. 

... Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte vor Kurzem an, dass ukrainischen Geflüchteten schnell und unbürokratisch geholfen werden soll. Sie sollen kein Asylverfahren durchlaufen und sofort Schutz für bis zu drei Jahre erhalten. Auch der Zugang zu Krankenversicherung und Arbeitsmarkt soll so schnell wie möglich gewährt werden. Das ist gut, wichtig und notwendig.

Und dennoch fragt man sich, warum all dies nicht für die Menschen aus Syrien galt, die wie die Ukrainer:innen heute vor Putins Bomben und dessen Schergen Baschar al-Assad geflüchtet sind. Warum galt das nicht für all die Afghan:innen, die in den letzten Jahren aufgrund von Krieg und Zerstörung ihr Land verlassen haben? Die zuletzt im vergangenen August nach der Rückkehr der Taliban in Kabul nicht mal von jenen Deutschen, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet haben – Stichwort Ortskräfte – evakuiert wurden? 

... Keiner ukrainischen Person wünsche ich ein ähnliches Schicksal wie das der nach Deutschland geflohenen Afghan:innen, Iraker:innen, Kurd:innen oder Syrer:innen. Viele, die von Krieg und Leid betroffen sind, gönnen ihnen die angekündigte Abschaffung der deutschen Bürokratie. Ob sie wirklich eintritt, ist eine andere Frage. Der Rassismus jener Kulturkämpfer:innen, die in diesen Tagen die Geflüchteten aus der Ukraine für sich instrumentalisieren, ist lang bekannt – geradezu zynisch in einem Land, in dem Polenwitze, antislawischer Rassismus und die Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte zum Alltag gehören. 


Aus: "Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling" (Ein Kommentar von Emran Feroz 4. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/zett/politik/2022-03/rassismus-ukraine-krieg-fluechtlinge-migration (https://www.zeit.de/zett/politik/2022-03/rassismus-ukraine-krieg-fluechtlinge-migration)

Quotesonneleipzig #3

Man sollte das Thema mal ganz anders aufziehen und hier müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen. Wenn es um Flüchtige geht, da wird ganz schnell über Rassismus gesprochen. Das ist aber nur der eine Teil.

Wo sind die Medien wenn es um den Krieg im Jemen geht? Wie oft wurde darüber berichtet im Vergleich zum Krieg in der Ukraine? Ein zwei Artikel hin und wieder im Vergleich zu einem Nachrichtenregen der jetzt die Hälfte der Medien einnimmt.
Wo sind die politischen Reaktionen und die strengen Sanktionen gehen den - beim Jemen - Aggressor Saudi Arabien? Wo sind die Sanktionen gegen Brasilien, weil sie dort die Indigenen und ein ganzes Ökosystem abschlachten?
DAS ist zutiefst widerwärtig. Putin ist der Böse (ist er ja auch, klar), aber dass man das so klar über die Verantwortlichen anderer Kriege sagt, das fehlt mir massiv.

Erst wenn die Menschen dann hier ankommen, dann interessiert es uns, rechts wie links. Vorher ist es den Meisten die hier den Rassismus gegenüber Flüchtenden anprangern schlichtweg egal.
Vor allem das Traurige ist ja: Flucht ist immer Mist, egal woher. Weil die meisten Menschen doch viel lieber in ihrer Heimat leben wollen, sicher, in Frieden und mit Perspektive.


QuoteTywin Lannister #3.1

Umso näher etwas passiert, desto betroffener und besorgter ist man selbst. Das ist völlig normal.

Oder sind sie jeden Tag genau so besorgt auf Grund der täglichen Terroranschläge in der Welt, wie am Tag der Anschläge von Paris, Brüssel oder Berlin? Nein natürlich nicht


QuoteThawn_ #3.2

Aus meiner Sicht ist der gesamte Artikel nichts als Whataboutism.


QuoteLisa Marie Simpson #3.3

What about ist etwas sehr wichtiges und richtiges. Daran zu erinnern, dass z.B. Afghanen 20 Jahre Krieg hinter sich haben. Das Iraker Krieg hinter sich haben. Das die Niederschlagung des IS noch nicht lange her ist. Das Syrien noch immer im Kriegszustand und weit entfernt von Normalität ist. Das Libyen nicht stabil ist. Man in Eritrea zum Wehrdienst verpflichtet wird. Die Oromo für Unabhängigkeit kämpfen. Saudi-Arabien andere Länder unterdrückt. Es gäbe mehr zu erzählen und das Mittelmeer ist nicht so weit weg. Das Boko Haram immer wieder Frauen versklavt.
Die Hilfsbereitschaft gerade ist toll. Bei Ortskräften aus Afghanistan, als das Land an die Mörderbande fiel, vernahm man deutlich geringere Bereitschaft.


QuotePabloNeruda #6

Überall auf dieser Welt gibt es Menschen, die nicht verstehen, dass jeder Mensch wertvoll ist. Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das bedeutet: niemand darf von anderen verletzt werden. Das bedeutet aber auch, niemand darf andere verletzen. Alle Menschen sind in ihrer Würde gleich.


Quotekosmokrator #7

Die Antwort auf all die berechtigten Fragen des Autors kann man erhalten wenn man sich mit Peter Singers 'shallow pond' Gedanken-Experiment auseinandersetzt.

Sprich warum würden wir einen Menschen der ein ertrinkendes Kind nicht aus einem Tümpel zieht weil er seine neuen Schuhe nicht ruinieren will als moralisches Monster deklarieren, aber nicht ebenfalls jeden der sämtliche finanziellen Ressourcen die ihm/ihr zur Verfügung stehen einsetzt um andere Kinder in Not irgendwo auf der Welt zu helfen, sprich eigentlich jeden von uns der nicht jeden Cent oberhalb des Existenz-Minimums.


QuoteEinTollerName #7.1

Weil Betroffenheit psychologisch nun einmal sehr viel mit Nähe zu tun hat. Familiäre Nähe, geographische Nähe, kulturelle Nähe, identitäre Nähe, Nähe des Erlebnishorizontes.

Solidarisierung ist auf individueller Ebene kein rationaler, sondern ein emotionaler Akt. Darüber kann man sich moralisch beliebig erheben, psychosozial ist der Mensch nun einmal so gepolt, zwischen "nahen" und "fernen" Mitmenschen zu unterscheiden und deren Belange mit einem unterschiedlichem Maß an Empathie zu begegnen.

Das gilt ja auch umgekehrt: Fernkampfwaffen sind bei Generälen beliebt, weil die Soldaten für ihren Einsatz viel weniger Skrupel überwinden müssen, als wenn sie die Menschen töten müssten, die ihnen Auge in Auge gegenüber stehen.


QuoteKawin #7.3

Diese diffusen Gefühle von "fernen" und "nahen" Menschen lassen sich relativ leicht überwinden, wenn man bereit ist, in jedem Menschen erstmal den Menschen zu sehen und ihm offen zu begegnen. Die Technik unserer Zeit macht das extrem leicht.

Wenn das nicht nur mir, sondern vielen, vielen Menschen schon gelungen ist, warum sollte das nicht allen gelingen?


QuoteEinTollerName #7.4

... ich halte es für eine Illusion, dass Sie wirklich alle Menschen "gleich" sehen.


QuoteKawin #7.5

Ich glaube, Sie wollen mich absichtlich missverstehen.

Darum will ich konkret werden. Es muss nicht unbedingt so sein, dass eine ukrainische Flüchtlingsfamilie in mir mehr Empathie und Hilfsbereitschaft auslöst als eine afghanische oder eine syrische, nur weil mir die orientalischen Mentalitäten fremder sind.

Es reicht vollkommen aus, sich diese unbekannten Menschen gleichermaßen als Menschen vorzustellen, die unter den unglaublichen Härten der Flucht leiden.


QuoteLydiaFinselberger #9

Vielen herzlichen Dank für diesen längst überfälligen Kommentar! Sie sprechen mir aus der Seele! Kein Wort mehr über die immer noch überfüllten Flüchtlingscamps in Griechenland und die Überforderung der griechischen Regierung. Kein Wort über die pushbacks an unseren Grenzen - Europa ist eben ein exklusiver Club. Nur die "richtigen" dürfen auf schnelle Hilfe hoffen. Hier wird die Verteidigung unserer "westlichen Werte" als Farce enttarnt.


QuoteBlack Mirror #12

Ja, auch ich habe in diesen Tagen ein etwas mulmiges Gefühl bei der überbordenden Hilfsbereitschaft der Deutschen - die auf der einen Seite großartig ist, aber tatsächlich auch sehr selektiv. In einigen Facebook-Gruppen, wo sich darüber ausgetauscht wurde, war in den letzten Tagen öfter von "richtigen" Flüchtlingen die Rede, viele sagten, sie engagierten sich jetzt zum ersten Mal und wollten gerne "eine Mutter mit einem Kind" bei sich aufnehmen. Auch das ist alles wichtige Hilfe, aber es bleibt ein seltsamer Nachgeschmack, weil die gleichen Leute eine starke Abwehr gegen die Aufnahme von (männlichen) Geflüchteten aus "anderen Kulturkreisen" in Deutschland generell zeigen.

Auf der anderen Seite: Die schiere geographische Nähe rückt tatsächlich auch für mich diesen Krieg und das Leid näher als in vielen anderen Krisenregionen, es liegt nur ein Staat zwischen uns und der Ukraine, da hat die stärkere Betroffenheit vielleicht auch erstmal gar nichts mit Hautfarben/Religionen etc. zu tun - das würde ich hierbei mitbedenken.


QuoteCZ #12.1

Die Begeisterung über syrische Flüchtlinge war zu Kriegsbeginn auch sehr groß. Die wurden teilweise am Bahnhof willkommen geheißen. Gastarbeiter wurden damals auch sehr freundlich aufgekommen. Eine große Begeisterung löste auch die Wiedervereinigung aus.

Im Alltag jedoch lässt so etwas irgendwann nach und Stereotypen und Vorurteile nehmen überhand. Ich denke den Ukrainern wird das auch nicht anders ergehen.


QuoteJuniperus #14

Danke, dass das mal einer sagt! Mein erster Gedanke, als es hieß "Die Geflüchteten aus der Ukraine dürfen Ihren Bestimmungsort frei wählen und die deutsche Bahn transportiert sie kostenlos" war: Warum konnten wir das für die Geflüchteten aus Syrien nicht auch tun? Wir lernen also: 1. und 2. Klasse gibt es nicht nur bei der Bahn sondern es gibt auch Geflüchtete erster und zweiter Klasse. Nicht falsch verstehen: Ich finde gut und richtig, was für die Menschen aus der Ukraine getan wird (und leider ist selbst das nicht annähernd ausreichend), aber wenn ich Syrer oder Afghane wäre (bin ich nicht, ich bin einer von den "guten" blonden blauäugigen), ich käme mir total verarscht vor. Und übrigens: Es ertrinken weiterhin jeden Tag Afrikaner im Mittelmeer. Aber das ist dann wohl die dritte Klasse Geflüchteter - juckt uns also nicht weiter. Hoffentlich fangen wir bald mal an zu begreifen, dass Not, Verzweiflung und Elend überall auf der Welt gleich sind. Das wir alle gleich sind. Es gibt keine "Brudervölker" im Osten oder "Europäische Nachbarn" und "Dritt-Welt-Länder", es gibt nur MENSCHEN. Furchtbar, das dieser Rassismus so tief in unserer Gesellschaft verankert ist.


QuoteParaibu #20

Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind nunmal oft (NICHT IMMER!) eben keine echten Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten. ...


Quotecgoise #20.1

Und das Argument ('kein Kriegsflüchtling') wollen Sie allen Ernstes Leuten aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, dem Kongo, etc. etc. hinhalten? Soll das ein Witz sein, oder ist das schon fast krankhafte Arroganz? Und zum Thema Wirtschaftsflüchtlinge: was glauben Sie denn, warum es so viele osteuropäische Länder als ganzes und deren Bürger als Individuen in die EU zieht. ...


Quotevomendeher #27

Was ein guter Bericht. Es mag wohl auch damit zusammenhängen, dass viele Menschen wenig Bezug zu den Konflikten in entfernteren Regionen haben.

Da ist natürlich die ,,Russische Bedrohung" eine persönlichere.
Menschen agieren wohl meist erst betroffen, wenn sie persönlich konfrontiert sind.
Das der Rassismus bei und tief sitzt wissen wir nicht erst seit Aladin El-Mafaalani.

[ " ... Aladin El-Mafaalani (* 1978 in Datteln) ist ein deutscher Soziologe und Hochschullehrer. Von 2013 bis 2018 war er Professor für Politikwissenschaft und Politische Soziologie an der Fachhochschule Münster. Seit 2019 ist er Ordinarius für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück. Seine Bücher zu Migration und Bildung erreichen auch eine breite Leserschaft außerhalb des wissenschaftlichen Publikums. ... Sein 2018 erschienenes Buch Das Integrationsparadox – Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt war mehrere Wochen in den Bestseller- und Bestenlisten. El-Mafaalani stellt darin dar, dass sich Offene Gesellschaften diversen Gegenbewegungen ausgesetzt sehen, die er sowohl in fremdenfeindlichen und nationalistischen als auch in religiös-fundamentalistischen Bewegungen verortet. Diese Schließungstendenzen versteht er als unerwartete Nebenfolgen von grundsätzlich positiv zu bewertenden Entwicklungen der sozialen Öffnung und einer zunehmend zusammenwachsenden und integrativen Gesellschaft. Die gesellschaftliche Teilhabe nehme heute auf verschiedenen Ebenen und für verschiedene Gruppen zu, wodurch Verteilungs-, Interessen- und Zugehörigkeitskonflikte wahrscheinlicher werden und es in der Folge zu Neuaushandlungen und einer Beschleunigung sozialen Wandels komme. Entsprechend fordert er, eine konstruktive Streitkultur als Leitkultur zu begreifen. 2020 erschien das Buch Mythos Bildung, in dem El-Mafaalani die Probleme und paradoxen Effekte des Bildungssystems und dessen Dynamik und Trägheit aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert...." | https://de.wikipedia.org/wiki/Aladin_El-Mafaalani (https://de.wikipedia.org/wiki/Aladin_El-Mafaalani)]


...
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 19, 2022, 12:51:48 PM
Quote[...] In einer Ulmer Gaststätte konnten am Freitag Geflüchtete aus der Ukraine mit Einheimischen ins Gespräch kommen. Sie erzählten, was sie bewegt und wo sie Hilfe benötigen. Eine Momentaufnahme: Ein weißer Zettel mit einem blau-gelben Herzen hängt am Eingang einer Gaststätte in der Friedrichsau in Ulm. "Herzlich Willkommen" steht in deutsch und in ukrainisch unter dem Herz. An diesem Freitag tauschen sich hier Geflüchtete mit Einheimischen aus - und zwar über alles, was sie bewegt und wo sie Hilfe benötigen.

Eigentlich hat die ukrainische Gemeinde Neu-Ulm einen hinteren Bereich für das Treffen reserviert. Doch binnen einer halben Stunde ist die gesamte Gaststätte voll. Jeder Stuhl ist besetzt. Zwischen den Tischen stehen Menschen. Es ist verdammt eng. Fast 300 Gäste sind da. Fast alle tragen Namensschilder. Manche haben eine rote oder blaue Schleife um den Arm gebunden. Blau steht für Helfer, Rot für Übersetzer.

Viele, die da sind, wollen einfach nur helfen. Unter ihnen ist Violetta Matichyn. Sie gehört zur ukrainischen Gemeinde in Neu-Ulm. Matichyn stammt selbst aus der Ukraine, hat viele Freunde noch vor Ort - etwa in der stark umkämpften Stadt Charkiw. Für sie war von Anfang an klar, dass sie helfen muss. "In der ersten Woche habe ich nur zwei Stunden pro Nacht geschlafen", erzählt sie. Mit anderen Mitgliedern der ukrainischen Gemeinde habe sie Hilfskonvois in die Ukraine organisiert. Jetzt kümmert sie sich um die Betreuung von Geflüchteten und eben darum, dass diese sich austauschen können.

Die Stimmung ist schwierig. Nur wenige der Geflüchteten wollen ihre Geschichte teilen. Sie brauchen wohl noch Zeit, bis sie über das Erlebte sprechen können. Die Blicke sind teilweise scheu, teilweise neugierig, aber oft in sich gekehrt. Eine junge Mutter erklärt sich bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Julia Krochak stammt aus Winnyzja. Als der Krieg ausbrach, war sie gerade in Polen. Ihr Kinder waren in der Ukraine. Sie mussten allein mit einer Freundin fliehen. "Es war sehr schwierig", erzählt sie. Krochak ist dankbar, dass sie sich nun in Deutschland befindet. Solche Treffen helfen, sich zu orientieren. Sie sei ohnehin überwältigt, mit wie viel Wärme die Ehrenamtlichen den Geflüchteten begegneten. "Ich bin unfassbar dankbar, dass die Kinder in Frieden schlafen können", sagt sie.

Nur ein paar Meter weiter im Biergarten der Gaststätte sitzt Kristiana. Die 23-Jährige stammt aus Lviw. Sie wirkt sehr ruhig, aber auch traurig. Kristiana ist mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen. Sechs Tage haben sie dafür gebraucht. Die Flucht sei kompliziert gewesen. Im überfüllten Zug ging es von Lviw über Krakau, Warschau, Berlin, München bis nach Ulm. "Es war unklar, wie es weitergehen soll", schildert die Ukrainerin. Eine Freundin der Mutter wohnt in Ulm. Hier haben sie auf Hilfe gehofft und bereits viel Unterstützung erfahren dürfen. "Die Unterstützung zeigt, dass man in dieser Situation nicht alleine ist", sagt sie. Kristiana fühlt sich wohl in Ulm, hofft, dass ihr Medizinstudium hier anerkannt wird und sie neu in Frieden beginnen kann.


Aus: "Ukrainische Flüchtlinge in Ulm: Was sie beschäftigt und wo sie Hilfe brauchen" Sarah Umla (18.3.2022)
Quelle: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/ukraine-fluechtlinge-ulm-austausch-100.html (https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/ukraine-fluechtlinge-ulm-austausch-100.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 04, 2022, 10:35:13 AM
Quote[...] Mehr als 30 Jahre nach einem tödlichen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis hat die Bundesanwaltschaft einen Tatverdächtigen festnehmen lassen. Peter S. sei am Montag von der Landespolizei im Saarland festgenommen worden und solle noch im Laufe des Tages einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt werden, teilte der Generalbundesanwalt am Montag in Karlsruhe mit. S. werde Mord, versuchter Mord und Brandstiftung mit Todesfolge vorgeworfen.

S. soll am 19. September 1991 in Saarlouis in eine Asylbewerberunterkunft gegangen sein und dort aus seiner rassistischen und rechtsextremistischen Gesinnung heraus ein Feuer gelegt haben. Dazu soll er Benzin ausgegossen und entzündet haben. Das Feuer breitete sich den Ermittlern zufolge mit großer Geschwindigkeit im Treppenhaus aus und erfasste im Dachgeschoss einen 27 Jahre alten Flüchtling aus Ghana. Der Mann sei noch am selben Tag an den Folgen seiner Verbrennungen und einer Rauchvergiftung gestorben.

Zwei weitere Hausbewohner konnten sich nur durch Sprünge aus dem Fenster retten, sie erlitten Knochenbrüche. Die weiteren 18 Bewohner der Unterkunft blieben unverletzt. Der Fall steht seit Jahren auf der Tagesspiegel-Liste von Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung.

Der Angreifer soll sich vor dem Brandanschlag in einer Gaststätte mit anderen Rechtsextremisten über die damaligen rassistisch motivierten Anschläge auf Unterkünfte für Ausländer im sächsischen Hoyerswerda ausgetauscht haben. Dabei soll die Runde deutlich gemacht haben, dass sie solche Anschläge auch in Saarlouis gut finden würde. Nach der Schließung der Gaststätte soll S. daraufhin zu dem Wohnheim für Asylbewerber gegangen sein und es angezündet haben.

In Hoyerswerda war es im September 1991 über mehrere Tage zu rassistisch motivierten Übergriffen gekommen. Die Ausschreitungen waren der Beginn einer ganzen Serie von rechtsextremen Gewalttaten in Deutschland.

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen in der Sache erst vor zwei Jahren übernommen. Die ursprünglichen Ermittlungen der Landesjustiz waren bereits eingestellt worden, da kein Täter ermittelt werden konnte. Auf Grundlage neuer Erkenntnisse sei das Verfahren wiederaufgenommen worden. Es hätten sich "gravierende Anhaltspunkte" für einen rechtsextremistischen und rassistischen Hintergrund des Anschlags ergeben. Diese Annahme und der Tatverdacht gegen S. hätten sich in der Folge erhärtet. (AFP)


Aus: "Brandanschlag auf Asylbewerber vor 31 Jahren: Bundesanwaltschaft verhaftet Rechtsextremisten wegen Mordes" (04.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/brandanschlag-auf-asylbewerber-vor-31-jahren-bundesanwaltschaft-verhaftet-rechtsextremisten-wegen-mordes/28225212.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/brandanschlag-auf-asylbewerber-vor-31-jahren-bundesanwaltschaft-verhaftet-rechtsextremisten-wegen-mordes/28225212.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 04, 2022, 10:38:03 AM
Quote[...] Beim Untergang eines Flüchtlingsboots sind nach Angaben der UNO und der Organisation Ärzte ohne Grenzen dutzende Menschen im Mittelmeer ertrunken. ,,Mehr als 90 Menschen sind bei einer weiteren Tragödie im Mittelmeer gestorben", erklärte der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Filippo Grandi, am Sonntag auf Twitter.

Laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hatte ein kommerzielles Tankschiff am Samstag vier Überlebende von einer Rettungsinsel gerettet. Die Geretteten hätten berichtet, sie seien mindestens vier Tage lang mit einem Boot mit fast 100 Menschen an Bord unterwegs gewesen. Rund 96 Menschen seien ertrunken. Das überfüllte Boot war demnach von Libyen aus Richtung Europa aufgebrochen.

Die Überlebenden benötigten ,,dringend Schutz und Versorgung", erklärte Ärzte ohne Grenzen. Sie dürften nicht nach Libyen zurückgebracht werden, forderte die Organisation. ,,Keiner der Überlebenden sollte an einen Ort zurückgeschickt werden, an dem ihm Inhaftierung, Missbrauch und Misshandlung drohen."

Libyen ist ein wichtiges Transitland für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. Werden die Menschen in das nordafrikanische Krisenland zurückgeschickt, werden sie in Internierungslagern untergebracht. Menschenrechtler üben immer wieder massive Kritik an den Bedingungen in den Zentren.

Grandi rief die EU zum Handeln auf: ,,Europa hat bewiesen, dass es in der Lage ist, vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine großzügig und effektiv aufzunehmen", erklärte er. Nun müsse es dringend darüber nachdenken, wie es dies auf andere Flüchtlinge und Migranten in Not anwenden kann.

Das neue Unglück wurde just an dem Wochenende bekannt, an dem Papst Franziskus auf Malta deutliche Kritik am Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer geübt hatte. Am Sonntag traf das Oberhaupt der katholischen Kirche bei seinem Besuch auf der Insel Migranten und sprach danach von einem ,,Schiffbruch der Zivilisation". Er forderte Europa auf, die Last besser zu verteilen und Länder wie Malta nicht allein zu lassen. Allerdings wird der kleinste EU-Staat immer wieder von Hilfsorganisationen kritisiert, Menschen in Not abzuweisen. (AFP, dpa)


Aus: "Flüchtlingsboot im Mittelmeer gesunken – fast 100 Tote" (04.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/tankschiff-rettet-vier-ueberlebende-fluechtlingsboot-im-mittelmeer-gesunken-fast-100-tote/28225096.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/tankschiff-rettet-vier-ueberlebende-fluechtlingsboot-im-mittelmeer-gesunken-fast-100-tote/28225096.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 19, 2023, 10:55:15 AM
Quote[...] In Königsberg herrscht in den ersten Wochen des Jahres 1945 Chaos und Panik. Die russischen Truppen stehen vor der Stadt. Marianne Meißner, eine Schülerin, schildert die Szenen in ihrem Tagebuch: Das Haus, in dem sie mit ihren Eltern lebt, wird mehrfach von Artilleriegranaten getroffen. Die Familie versteckt sich im Keller, versucht mehrmals, die Stadt zu verlassen, kommt aber nicht an sowjetischen Panzerkolonnen vorbei, die bereits durch die deutschen Frontlinien gebrochen sind. Im fernen Hamburg leben Verwandte, die Stadt soll für die Meißners die Rettung sein. Ende Februar kommen sie endlich aus Königsberg heraus, mit einem Boot. Um sie herum feuern Wehrmacht und Rote Armee aufeinander. "Andauernd diese Knallerei, wie eingepfercht", notiert Marianne Meißner, "und man kann nichts sehen."

Per Bahn, Tanker und Lastwagen geht es weiter nach Westen. Fast zwei Wochen später landet die Familie in Swinemünde bei Stettin, unterwegs überleben sie einige Angriffe. In einem Röhrenbunker kauernd, hat die Jugendliche bei einem Bombardement furchtbare Angst, ihr Vater nimmt sie in den Arm und beruhigt sie. Marianne Meißner sieht danach tote Kinder, die weniger Glück hatten als sie.

Ihre Erlebnisse erinnern an das Schicksal der Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland nach Hamburg fliehen. Zwischen Ende Februar und Anfang Dezember wurden nach Angaben der Sozialbehörde knapp 42.000 Ukrainer registriert. Durch die russischen Raketenangriffe auf die zivile Infrastruktur in Großstädten, die zur Strom- und Heizungsausfällen führen, dürfte diese Zahl bald steigen, vermuten Experten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt vor einer bevorstehenden Überforderung vieler Kommunen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Millionen Deutsche auf der Flucht waren, klangen die Sorgen der Städte ähnlich.

Marianne Meißner und ihre Eltern erreichen Hamburg drei Tage nachdem sie in Swindemünde aufgebrochen sind. Mitte März 1945 kommen sie am Hauptbahnhof an. Da es Nacht ist, landen sie erst mal im Wartesaal. "Um 6:30 Uhr mit der Vorortsbahn bis Ohlsdorf, umsteigen in die U-Bahn nach Ochsenzoll", beschreibt Marianne Meißner den nächsten Morgen. Ihre Erinnerungen sind in dem Buch Die Flüchtlinge kommen von Evelyn Glensk, Rita Bake und Oliver von Wrochem abgedruckt. "Unsere Verwandten staunten nicht schlecht, als wir vor der Tür standen. Sie hatten an ein Rauskommen aus Königsberg nicht mehr geglaubt."

Die drei Meißners haben mehr Glück als viele andere Geflüchtete. Sie erhalten eine Unterkunft, später wird ihnen von den Behörden ein zehn Quadratmeter großes Zimmer zugewiesen. Sie können in Hamburg bleiben, auch nach der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai, weil sie noch vor Kriegsende angekommen waren.

Für viele Deutsche in Ostpreußen, im Baltikum, Schlesien und Pommern ist das Leid danach nicht vorbei. Sie werden für die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen mitverantwortlich gemacht, für Völkermord und Schoa. Zwölf Millionen Deutsche fliehen aus den Ostgebieten des besiegten Reiches oder werden vertrieben.

Hamburg ist damals ein Zufluchtsort für viele, doch die Stadt ist stark zerstört. Die Hauptkirchen St. Katharinen, St. Nikolai und St. Jacobi liegen in Trümmern. Ihre Überreste ragen wie Mahnmale aus einer Ruinenlandschaft hervor. Hamburg hat im Zweiten Weltkrieg so viele Bomben abbekommen, dass die Innenstadt nicht mehr zu erkennen ist. Fassungslos steht Max Brauer auf der Mönckebergstraße, die durch Schutt ganz eingeengt ist. Er und ein Freund gehen durch die apokalyptische Landschaft nach Altona, wo Brauer bis 1933 Oberbürgermeister war. "Als wir das Nobistor erreicht hatten, glaubten wir, nun beginnt Altona, der Altstadtkern, der sich einmal eng um das schöne alte Rathaus geschlängelt hatte", erinnert sich der SPD-Politiker später. "Wir fanden weder das Rathaus noch den Stadtkern. Wir fanden eine Einöde. Unser Altona, unsere alte Heimat, war ausgelöscht."

Brauer war vor den Nationalsozialisten 1933 ins Ausland geflohen. Er ging in die USA, arbeitete dort für eine Gewerkschaft und wurde amerikanischer Staatsbürger. 1946 kommt er nach Hamburg – eigentlich nur für einen Besuch, um den Genossen in Amerika zu berichten, wie es den besiegten Deutschen geht. Er könnte in den USA bleiben, dort ein angenehmes Leben führen. Aber was er in Hamburg sieht, bewegt ihn. Und er wird von seinen Genossen gedrängt, beim Wiederaufbau zu helfen. Den erfahrenen Verwaltungschef entsetzen nicht nur die Kriegsschäden in seiner "Vaterstadt", sondern auch der Zustand der Menschen, die dort in Trümmern ausharren. "Ihre Antlitze waren durch das Leiden des Dritten Reiches und des von Hitler entfesselten Krieges gezeichnet", erinnert sich Brauer. "Sie waren abgehärmt, erschöpft, müde."

Brauer bleibt an der Elbe, wird im November 1946 wieder Deutscher, übernimmt im selben Monat nach dem Wahlsieg der SPD das Bürgermeisteramt. Als wichtigste Aufgabe bezeichnet er den Kampf gegen die drei "Elendsquellen": Hunger und Siechtum, Wohnungsnot, Kälte und Brennstoffmangel. Es fehlt an sauberem Trinkwasser, Heizmaterial wie Kohle und Holz, Gas und Elektrizität, Lebensmittel sind rationiert. Aber trotz dieses Elends lockt Hamburg viel mehr Menschen an, als in der Ruinenlandschaft eigentlich Platz haben. Tausende Hanseaten, die während des Kriegs vor Luftangriffen und Versorgungsengpässen aufs Land geflohen waren, wollen zurück.

Im Mai 1945 leben 1,1 Millionen Menschen in der stark zerstörten Stadt an der Elbe, schreibt der Historiker Martin Krieger in seiner Geschichte Hamburgs: "In der Folgezeit strömten dann aber Geflüchtete in großer Zahl nach Hamburg." Nur ein Bruchteil der Entwurzelten kann untergebracht werden, es fehlt an Unterkünften. Luftschutzbunker und Hallen dienen als Ausweichquartiere. Die britische Militärregierung erlässt ein Zuzugsverbot. Ab jetzt werden Geflüchtete, die nicht aus Hamburg stammen, meist gar nicht mehr in die Stadt gelassen. Familie Meißner hatte Glück. Sie lebt weiterhin in ihrem kleinen Zimmer, sie schläft und kocht darin. Es ist eng, aber Tausenden ergeht es schlechter.

Im Jahr 1946 nimmt Hamburg nur 53.000 Vertriebene auf, was 3,7 Prozent der damaligen Bevölkerung entspricht. Die Stadt wählt sehr genau aus, wer bleiben darf. Die Regierenden und Beamten treibt nicht der humanitäre Gedanke an, ihnen geht es darum, wer ihrer Stadt nützen kann. Wer einen "Mangelberuf" ausübt, darf bleiben, gefragt sind Handwerker, die für den Wiederaufbau gebraucht werden. In Schleswig-Holstein ist die Regierung weniger wählerisch. In den ersten Jahren nach dem Krieg stammt fast jeder dritte Einwohner aus den Ostgebieten.

Wer keine "Zuzugsgenehmigung" nachweisen kann, bekommt von den Behörden in Hamburg keine Unterkunft zugewiesen, keine Sozialhilfe und keine Lebensmittelkarten. Es gibt ohnehin zu wenige Quartiere, und in Leserbriefen an die ersten Tageszeitungen beschweren sich Hamburger darüber, dass es den Geflüchteten besser gehe als ihnen selbst. Das sei ungerecht. Gut die Hälfte aller Wohnungen ist zerstört, nur ein Fünftel unbeschädigt, und fast alle Räume sind bereits überbelegt. Schon im Krieg mussten viele Familien zusätzlich Ausgebombte aufnehmen. Nun kommen Verwandte hinzu, die im Osten vertrieben wurden, oder Bekannte, die alles verloren haben.

In Hamburg entstehen ab November 1945 Siedlungen aus Nissenhütten für mehr als 42.000 Menschen. Diese halbrunden Notunterkünfte aus Wellblech stammen von der britischen Armee. In Harburg, Wandsbek und zahlreichen anderen Stadtteilen bauen die Briten diese Quartiere auf, wenn der Platz zwischen dem Schutt reicht. Dazu kommen Kolonien aus Lauben und Bretterverschlägen, die Menschen selber aus dem Material zusammenzimmern, das sie auftreiben können, anfangs oft ohne richtigen Boden und ohne Isolierschicht gegen die Kälte. Sie dienen Neuhamburgern und ausgebombten Alteingesessenen noch jahrelang als Quartier.

Die Deutschen aus dem Osten leben in der Mitte der Stadt, werden aber von vielen Hamburgern nicht als ihresgleichen akzeptiert. "Wenn wieder zu hören war, dass noch einige Geflüchtete kommen sollten, hieß es: ›Es kommen noch mehr Polacken‹", erinnert sich Ingetraud Lippmann im Mitteilungsblatt der Zeitzeugenbörse Hamburg. "Eigentlich waren wir ja auch Deutsche und kamen aus Deutschland, nur eben aus dem Osten von Deutschland."

Gerade in den kalten Wintern nach der militärischen Niederlage der Deutschen und dem Zusammenbruch des sogenannten Dritten Reiches leiden die Geflüchtete in der Stadt. Hamburgs Solidarität mit den Landsleuten aus dem Osten hat Grenzen. In den einfachen Notunterkünften oder auf der Straße erfrieren Menschen. Im Hungerwinter 1947/48 fällt die Temperatur auf bis zu minus 28 Grad. 85 Kältetote zählen die Behörden. An Krankheiten und Mangelernährung sterben noch mehr.

Die Zahl der Geflüchteten steigt weiter. Am 1. September 1949 sind es laut offizieller Zählung 147.687. Sie machen knapp zehn Prozent der damaligen Gesamtbevölkerung aus. Drei davon sind die Meißners.

Wie bei so vielen anderen Familien aus den ehemaligen Ostgebieten verbessern sich auch für sie in den 1950er-Jahren die Lebensverhältnisse. Das "Wirtschaftswunder" sorgt für Arbeit und Wohlstand.

1950 erhalten die Meißners endlich eine eigene Wohnung. Sie können ihr Notquartier, das eine Zimmer, verlassen. Bislang musste sie gemeinsam mit ihrer Mutter auf einer kleinen Matratze schlafen. Endlich bekommt Marianne Meißner ein eigenes Bett. Sie empfindet das als Geschenk.


Aus: "Nachkriegszeit in Hamburg: Beschimpft und eingepfercht"  Hauke Friederichs (18. Januar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/2023/01/nachkriegszeit-hamburg-gefluechtete-ostgebiete/komplettansicht (https://www.zeit.de/2023/01/nachkriegszeit-hamburg-gefluechtete-ostgebiete/komplettansicht)

QuoteClothilde Puhvogel #2

Dass es jetzt wieder einen so großen Krieg mitten in Europa gibt, kann einen nur fassungslos machen.
Die Erinnerungen verblassen nur sehr langsam und die unerträgliche Angst wird an die nächsten Generationen weiter gegeben.
Wahrscheinlich hört das Kämpfen und Töten nie auf, solange es Menschen gibt.
Ich könnte unendlich viel dazu schreiben und erzählen, denn meine Eltern sind als Kinder unter ebensolchen dramatischen Umständen geflohen. Vieles würde aber kaum geglaubt werden, es ist im Grunde schlicht und einfach nicht kommunizierbar und wurde sicher mit Bedacht in den meisten Familien verschwiegen.


QuoteHendess #3

Meine Mutter flüchtete 1948 als 24-Jährige ohne verwandtschaftliche oder andere Beziehungen von Chemnitz nach Hamburg.
Die abgebrochene Architekturstudentin richtete bald bei Bornhold und Ordnung die bessere Hamburger Gesellschaft neu ein.
Sächsisch gewöhnte sie sich (wirklich!) komplett ab.
1950 reiste sie zum ersten Mal nach Italien.

Zeit ihres Lebens haderte sie damit, dass sie ohne Aufenthaltserlaubnis keine Arbeit und Wohnung und ohne Arbeit und Wohnung keine Aufenthaltserlaubnis bekommen hätte.

Und obwohl sie nun wahrlich einen erfolgreichen Neustart hingelegt hatte, wich nie die Verbitterung: ,,Warum sollen wir Flüchtlingen helfen, uns hat damals auch niemand geholfen."


QuoteBrotspezie #5

Die Aussage von "hendes".....wich nie die Verbitterung: ,,Warum sollen wir Flüchtlingen helfen, uns hat damals auch niemand geholfen." kann ich nur bestätigen.
Meine Schwiegermutter kam über das Haff nach Dänemark und dann in den Kreis Hude. Sie blieben immer Flüchtlinge, wurden beschimpft und ausgegrenzt. Auch als sie hier im Kreis Mettmann waren wurden sie in den 60iger und 70iger immer als Flüchtlinge verachtet. Man missgönnte ihnen Erfolge und tuschelte immer hinter vorgehaltener Hand. Meine Eltern kamen aus Schlesien, auch sie blieben Flüchtlinge. Ich erinnere mich noch an Szenen in Geseke, erzkatholisch, da wurde man nach Glauben und Flüchtling ja oder nein beurteilt. Ich habe die gleiche Meinung warum soll ich Wirtschaftsflüchtlingen helfen? Kriegsflüchtlinge gewährt man Asyl, alle anderen können einen Antrag stellen.


QuoteKiomi #7

Es war fast überall so! Ich habe auch beobachtet, dass Nachfahren der Kriegsflüchtlinge heute ordentlich gegen Menschen wettern die hier Heimat suchen.
Ich glaube es sind nicht nur fremdenfeindliche Reaktionen. Es liegt meiner Meinung nach in Urinstinkten. Sicherlich sind manipulative Infos auch nicht zu verachten.

Es sind nicht alle Menschen so!!


QuotePaloma61 #9

Wichtiges Thema, schade nur das der Artikel nur an der Oberfläche kratzt. ,,Es kommen noch mehr Polaken" war ja nicht die einzige Beschimpfung, die die Geflüchteten (auch meine Familie) anhören mussten.
Interessanter weise gaben die hier Heimischen exakt dieselben Schein-Argumente von sich, die heute noch gegen Hilfesuchende, sei es aus der Ukraine, sei es aus Afghanistan, oder Syrien oder aus einem Afrikanischen Land, verwendet werden. Die ,,andere" Religion war dann eben Katholisch oder Evangelisch, die ,,Kultur" ja eine ganz andere im Osten, die Menschen seien nicht mit ,,unseren" Gewohnheiten vertraut, sind unsauber, kriminell und essen komische Sachen. Auch die Sprache, wenn auch nur ein anderer Dialekt, schien eher zu trennen statt zu verbinden.
Mit den ,,Wirtschaftswunder" gelang dann doch die Integration, heute fragt keiner mehr nach unserem Hintergrund, aber ein Unterschied blieb: Manche Freundinnen von mir haben heute noch Familiensilber, alten Schmuck, Erinnerungsstücke und anderen Familienbesitz, manchmal sogar Grundstücke, Haus und Hof. Wir nicht.
Hoffen wir, dass die heutige Gesellschaft die neuen Zuwanderer bald integriert. Und lernt, dass Krieg nie die Lösung sein kann.


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Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 19, 2023, 05:14:39 PM
Quote[...] Asylsuchende werden einem Bericht zufolge auf Fähren zwischen Italien und Griechenland offenbar systematisch in engen Metallschächten und anderen dunklen Räumen gefangen gehalten. Teilweise würden die Geflüchteten sogar mit Handschellen festgekettet, berichtet das ARD-Politikmagazin "Monitor". Betroffen seien offenbar auch Minderjährige.

Es handele sich um Geflüchtete, die von Italien aus nach Griechenland zurück gezwungen würden, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, Asyl zu beantragen, berichtet "Monitor". Das Magazin beruft sich auf gemeinsame Recherchen mit weiteren Medien. Im Rahmen der europäischen Recherche-Kooperation sei es erstmals gelungen, die Existenz der provisorischen Gefängnisse auf den Passagierschiffen nachzuweisen. Unter ihnen sei auch ein Ort, wo mindestens ein Geflüchteter mit Handschellen festgekettet worden sei.

Die Recherchen erfolgten anhand von Fotos und Berichten von Betroffenen. Diese gaben unter anderem an, dass Asylsuchende teilweise ohne ausreichende Verpflegung oder Zugang zur Toilette auf dem Weg zurück nach Griechenland festgehalten würden.

Die Recherchen zeigten eine "ganz klar menschenunwürdige Unterbringung" der Geflüchteten, sagte Dana Schmalz vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dies verstoße sowohl gegen EU-Recht als auch gegen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das zuständige Fährunternehmen bestritt seinerseits alle Vorwürfe.

Quelle: ntv.de, mbu/AFP


Aus: "Asylsuchende offenbar auf Fähren angekettet" (19.01.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Asylsuchende-offenbar-auf-Faehren-angekettet-article23854465.html (https://www.n-tv.de/politik/Asylsuchende-offenbar-auf-Faehren-angekettet-article23854465.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 27, 2023, 11:12:05 AM
Quote[...] Bei einem Bootsunglück an der süditalienischen Küste sind viele Menschen ertrunken. Wie der Bürgermeister der süditalienischen Stadt Crotone, Vincenzo Voce, im Sender Sky TG-24 sagte, wurden bis Sonntagnachmittag 59 Todesopfer geborgen. Unter den Todesopfern waren 33 Frauen und zwölf Kinder, unter ihnen auch ein neugeborenes Baby, berichtete die italienische Nachrichtenagentur AGI unter Berufung auf den Rettungsdienst in Crotone.

Ihre Leichen sind geborgen worden, nachdem ein Boot mit Migranten bei rauer See zerbrochen sei, berichtete der Sender Rai. Am Strand in Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer waren die Toten entdeckt worden. Der Küstenwache zufolge sind 80 Menschen gerettet worden. 20 von ihnen befinden sich den Angaben zufolge im Krankenhaus. "Kalabrien ist in Trauer nach dieser schrecklichen Tragödie", sagte der Gouverneur der Region, Roberto Occhiuto. Nach Angaben von Italiens Präsident Sergio Mattarella kamen viele der Migranten aus Afghanistan und dem Iran.

Wie viele Menschen genau an Bord waren, ist unklar. Einige der Überlebenden hätten von mindestens 250 Menschen an Bord berichtet, andere von 180. Ansa zufolge waren viele Kinder und Frauen unter den Opfern. Woher die Menschen kamen, ist noch ungeklärt.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich entsetzt über das Unglück. "Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken", schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi forderte ein schärferes Vorgehen gegen Schleuser. Es müsse verhindert werden, dass solche Boote überhaupt in See stächen. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie Vorjahreszeitraum (5.273).

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schrieb im Onlinedienst Twitter von einer "Tragödie", die sie "zutiefst traurig" mache. Sie forderte stärkere Bemühungen für eine Reform des EU-Asylrechts. Papst Franziskus drückte seinen "Schmerz" aus. Er bete für die Flüchtlinge.

Die Küste Kalabriens ist seit einiger Zeit verstärkt Ziel vieler Migranten. Die Zahlen der Menschen, die über diese Fluchtroute nach Europa wollen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

Einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch gestorben, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen. Ein neues Gesetz der rechten Regierung von Giorgia Meloni, das in der vorigen Woche vom Senat verabschiedet worden ist, erschwert zudem die Arbeit ziviler Seenotretter.


Aus: "Fast 60 Migranten vor Italien ertrunken" (26. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/italien-bootsunglueck-migranten-crotone (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/italien-bootsunglueck-migranten-crotone)

QuoteSirius21 #21

Klingt leider zynisch, aber irgendwie erinnern mich diese sich wiederholenden Tragödien auf dem Mittelmeer an die Mass-Shootings in the USA. Wenns passiert, breites Medieninteresse, grosse Betroffenheit aller inkl. der politischen Entscheider und dringliche Appelle endlich was zu ändern. Nach ein paar Wochen (Tagen?) ebbt dann das Interesse am Thema ab, es verschwindet aus den Medien und die übliche Business-as-usual Lethargie übernimmt. Nach einer Weile beginnt der abscheuliche Kreislauf mit der nächsten Tragödie von neuem.


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Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 15, 2023, 10:57:05 AM
Quote[...] Bei einem schweren Bootsunglück südwestlich von Griechenland sind mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen – ihre Leichen konnten geborgen werden. Bilder des mit Migranten überfüllten Fischerboots, die am Abend in griechischen Medien veröffentlicht wurden, bestätigten jedoch Vermutungen, dass es sich um 500 bis 700 Passagiere gehandelt haben könnte. Gerettet wurden 104 Menschen.

Die Suche nach Überlebenden wurde in der Nacht ohne Erfolg fortgesetzt. "Weder Überlebende noch weitere Opfer wurden in der Nacht entdeckt", sagte ein Sprecher der griechischen Küstenwache im Staatsrundfunk.

Das Schiff sei auf dem Weg nach Italien gewesen, teilten die Behörden mit. Es sei am späten Dienstagabend in internationalen Gewässern von einem Flugzeug der EU-Grenzschutzagentur Frontex und zwei nahe gelegenen Schiffen etwa 80 Kilometer südwestlich der südgriechischen Stadt Pylos gesichtet worden. Die Menschen an Bord hätten Hilfe abgelehnt, die griechische Behörden ihnen angeboten hatten. Einige Stunden später sei das Boot gekentert.

Bilder zeigen das völlig überfüllte Boot wenige Stunden, bevor es sank. Allein an Deck des verrosteten Fischkutters drängten sich bis zu 200 Menschen. Auszumachen sind ein weiteres Zwischendeck und der Rumpf. Medienberichten zufolge handelt es sich bei den 104 geretteten Menschen ausschließlich um Männer. Die übrigen Passagiere, darunter nach Angaben der Überlebenden schwangere Frauen und viele Kinder, sollen sich unter Deck aufgehalten und beim schnellen Sinken des Boots keine Chance gehabt haben, sich nach draußen zu retten.

"An Deck des Schiffes waren die Menschen zusammengepfercht, das Gleiche vermuten wir auch für den Innenraum", sagte ein Sprecher der Küstenwache dem Staatssender ERT. Griechenlands Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou sagte: "Wir werden wohl nie erfahren, wie viele Menschen wirklich an Bord waren."   

Bei dem Unglücksboot handelte es sich um ein bis zu 30 Meter langes stählernes Fischerboot. Nach Angaben der Geretteten war es von der libyschen Stadt Tobruk aus in See gestochen. Unter den Passagieren seien Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten gewesen.

Als Ursache des Unglücks vermutet die Küstenwache eine Panik an Bord. Man habe das Boot nach der Kontaktaufnahme weiterhin beobachtet und plötzlich abrupte Bewegungen wahrgenommen, sagte der Sprecher. Dann sei der Kutter gekentert und schnell gesunken. Am Wetter habe es nicht gelegen. Das sei verhältnismäßig ruhig gewesen, hieß es.

Die Unglücksstelle liegt nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem sogenannten Calypsotief, das rund fünf Kilometer bis zum Meeresboden reicht. Eine Bergung des Wracks dürfte damit so gut wie ausgeschlossen sein. 

Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) sprach gegenüber dem Sender Welt ebenfalls von der Notwendigkeit legaler Fluchtwege nach Europa. "Wenn man sich auf so eine Reise begibt über das Meer, unter solchen Bedingungen, dann muss man schon sehr verzweifelt sein." Deshalb sei es wichtig, legale Zuwanderung zu ermöglichen "für diejenigen, die zum Beispiel bei uns arbeiten wollen".

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte, sie sei zutiefst betrübt über die vielen Toten und sehr besorgt angesichts der Zahl der vermissten Menschen. "Wir müssen weiterhin mit den Mitgliedsstaaten und Drittländern zusammenarbeiten, um solche Tragödien zu verhindern."

Erst vergangene Woche hatten sich die Innenminister der EU-Staaten nach langen Verhandlungen darauf verständigt, dass die Asylverfahren in der EU wegen der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden sollten. Unter anderem ist nun ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. Auch sollen Asylverfahren in Zukunft an den Außengrenzen der EU – also unter anderem in Griechenland – abgewickelt werden. Die Einigung muss noch vom EU-Parlament bestätigt werden.


Aus: "Griechenlands Küstenwache sucht nach Bootsunglück Hunderte Vermisste" (15. Juni 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-06/seenotrettung-mittelmeer-griechenland-suche-ueberlebende (https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-06/seenotrettung-mittelmeer-griechenland-suche-ueberlebende)

Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 15, 2023, 11:23:38 AM
Quote[...] Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ist zu Jahresbeginn bundesweit deutlich gestiegen. Im ersten Quartal gab es 45 politisch motivierte Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte – das waren mehr als doppelt so viele wie im Vorjahresquartal. Dies geht aus vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der Neuen Osnabrücker Zeitung vorliegen. Damit ist zudem bereits ein Drittel der Straftaten vom Gesamtjahr 2022 erreicht (123 Taten).

Die meisten Straftaten haben nach Erkenntnissen der Ermittler einen rechtsradikalen Hintergrund. Meist handelte es sich um Sachbeschädigung und Propaganda. In einigen wenigen Fällen geht es auch um Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung.

Die Behörden verzeichneten im ersten Quartal zudem nach Ministeriumsangaben zusätzlich 408 Straftaten gegen Asylbewerber oder Flüchtlinge außerhalb von Unterkünften. Das waren fast doppelt so viele wie im Vorjahresquartal. Dabei wurden 37 Personen verletzt.

Bereits im vergangenen Jahr sind die Zahlen erstmals seit sieben Jahren wieder gestiegen. Trotz der Trendwende sind die Angriffe aber noch weit vom Höhepunkt zur Zeit der Flüchtlingskrise 2015 entfernt. Damals wurden 1.047 Übergriffe gegen Asylbewerberunterkünfte verzeichnet.

Als ein möglicher Grund für die jüngste Zunahme gelten die gestiegenen Zahlen von Geflüchteten. 2022 wurden knapp 218.000 Asylerstanträge in Deutschland registriert – so viele wie zuletzt 2016. Dazu kamen knapp eine Million Ukrainer.

Die Linksfraktion vermutet einen Zusammenhang mit der verschärften Asyldebatte. Die fluchtpolitische Expertin der Linken, Clara Bünger, die die Anfrage gestellt hatte, sagte der NOZ, seit Wochen gebe es "dramatische verbale Angriffe auf das Recht auf Asyl, Rufe nach verschärfter Abschottung und eine unerträgliche 'Das Boot ist voll'-Rhetorik." Daran würden sich nicht nur Politiker von AfD und Union, sondern auch Vertreter von SPD und Grünen beteiligen. Bünger warnte: "Sie bereiten den Boden für rassistische Mobilisierungen auf der Straße und Gewalttaten gegen Geflüchtete."

Bund und Länder beraten an diesem Donnerstag über eine Vielzahl von Themen – im Mittelpunkt steht auch die Flüchtlingspolitik.

Der Bund hatte beim Flüchtlingsgipfel eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Kommunen hatten kritisiert, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung vertagt worden sei.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, die Arbeitsgruppe werde erste Eckpunkte zur Frage der künftigen Flüchtlingsfinanzierung vorstellen, konkrete Ergebnisse würden aber wie geplant erst im Herbst vorgelegt.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht im Streit um die Ausgaben erste Signale der Bundesregierung. Der Bund habe anerkannt, dass es ein "atmendes Finanzierungssystem" brauche, sagte Wüst der Rheinischen Post. Die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) sagte der Zeitung: "Flüchtlinge vernünftig unterzubringen ist die erste Pflicht. Aber schnelle Verfahren und Entscheidungen und auch schnelle Abschiebungen gehören ebenso dazu." Sie forderte demnach das Europäische Parlament dazu auf, den in der EU gefundenen Asylkompromiss zu verbessern, aber nicht zu blockieren.

Weil zufolge wird der von den EU-Innenministern beschlossene Asylkompromiss ein weiteres zentrales Thema der Beratungen sein – "auch mit Blick auf das weitere Verfahren und die konkrete Umsetzung", sagte der SPD-Politiker.

Nach den jüngsten EU-Plänen ist unter anderem ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. So sollen Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Einrichtungen kommen – auch Familien mit kleinen Kindern. Das EU-Parlament kann noch Änderungen durchsetzen.


Aus: "Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsheime zu Jahresbeginn stark gestiegen" (15. Juni 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/bund-laender-beratungen-asylheime-angriffe (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/bund-laender-beratungen-asylheime-angriffe)

QuoteFranz1971

,,Als ein möglicher Grund für die jüngste Zunahme gelten die gestiegenen Zahlen von Geflüchteten. "— was für ein Unsinn. Es gibt nie ,,Gründe" um Menschen in welcher Art und Weise auch immer anzugreifen , sondern nur die Suche nach Motiven für strafbares und diskriminierendes Verhalten . Mit ,,Gründen" würde ja den geflüchteten Menschen die Schuld in die Schuhe geschoben.


QuoteCali Fonien

"Als ein möglicher Grund für die jüngste Zunahme gelten die gestiegenen Zahlen von Geflüchteten. 2022 wurden knapp 218.000 Asylerstanträge in Deutschland registriert – so viele wie zuletzt 2016. Dazu kamen knapp eine Million Ukrainer."

Ich denke, dass es ganz andere Gründe gibt, als diese einfache Erklärung, die erwähnt werden sollten. Rassistischer Hass gegenüber Schutzsuchenden kommt jeden Tag vor, besonders von Otto-Normalverbrauchern, der nicht angezeigt wird. Hier würde ich mir eine ähnliche journalistische aufklärerische Ernegie wünschen, wie beim Thema Rammstein. Wenn aber dieser Grund so signifikant ist, dann heißt es leider, dass Schutzsuchende nicht überall innerhalb EU und der Nationalstaaten untergebracht werden können, da sie dort nicht sicher sind, was für Deutschland Ost-Deutschland bedeutet. Gerechte Verteilung ist das eine, das andere ob die Sicherheit von Schutzsuchenden dadurch bedroht wird (in Polen z.B. würde ich nicht gerne untergebracht werden). Aber klar, die Anzahl von Schutzsuchenden ist der Grund für Fremdenhass, deshalb "Get Back" oder "Bis hierher und nicht weiter". Erinnert mich an den Anfang der 1990ger: Gewalt gegen Fremden wird mit Verschärfung des Asylgesetzes beantwortet, was bedeutet, dass Gewalt gegen Menschen, ich meine Fremden, lohnt sich. Ach ja, wenn die Politik mitverantwortlich ist, dann ist es auch der öffentliche Diskurs (Gruß an den Journalismus).


QuoteSollichesalsgeschenkverpacken

Alles Einzelfälle. Wir sollten nicht weiter ablenken vom linken Terror! Was ist schon ein Asylantenheim im Vergleich zum beschmierten Privatjet


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Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2023, 01:46:50 PM
Quote[...] Abschiebungen aus Deutschland sollen beschleunigt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, der am Mittwoch nach Angaben aus Regierungskreisen das Kabinett passiert hat.

Darin ist unter anderem vorgesehen, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern. Ferner sind erweiterte Befugnisse von Behörden sowie ein härteres Vorgehen gegen Schleuser geplant. Mit dem Gesetz, das noch vom Bundestag verabschiedet werden muss, will die Bundesregierung die Zahl der kurzfristig gescheiterten Abschiebungen reduzieren.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuvor ein zu zögerliches Handeln in der Migrationspolitik vorgeworfen. ,,Der Kanzler redet seit Wochen, seit Monaten - es passiert konkret nichts", sagte Linnemann am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". Es sei jetzt 50 Tage her, dass Scholz der Opposition die Zusammenarbeit in der Migrationspolitik angeboten habe. ,,Er will mit uns zusammenarbeiten, aber in Wahrheit macht er es nicht."

Jeden Tag kämen tausend illegale Zuwanderer nach Deutschland, pro Monat würden aber nur tausend abgeschoben, kritisierte Linnemann. ,,Das Verhältnis stimmt überhaupt nicht." Es müsse deshalb jetzt reagiert werden. Der CDU-Politiker forderte ,,einen großen Migrationspakt".

Dazu gehören für Linnemann unter anderem schärfere Grenzkontrollen, die Ausweisung weiterer Länder zu sicheren Herkunftsstaaten und das Umstellen von Geld- auf Sachleistungen für Geflüchtete. Die ,,Vision" müsse sein, dass nur noch Menschen nach Deutschland kämen, die einen positiven Asylbescheid hätten. Der CDU-Generalsekretär betonte: ,,Wir können nicht die Menschen der ganzen Welt aufnehmen."

Kurz zuvor bat Scholz Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) in einem Brief um Mitwirkung in der Migrationspolitik. Es sei ihm ,,ein wichtiges Anliegen", dass Regierung, Länder und Opposition ,,gemeinsam zu Vereinbarungen kommen, um die irreguläre Migration nach Deutschland spürbar zu reduzieren", erklärte der Kanzler in dem auf Montag datierten Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), kritisierte die geplanten verschärften Abschiebemaßnahmen der Bundesregierung bereits als nicht ausreichend. Bei täglich bis zu tausend illegal eingereisten Menschen ,,hilft es auch nicht, wenn am anderen Ende mehrere Dutzende mehr abgeschoben werden", sagte er dem Südwestrundfunk. ,,Wir brauchen eine Begrenzung der Zugangszahlen." Da bewege sich bei der SPD und in der gesamten Ampelkoalition jedoch überhaupt nichts.

Über das Thema Migration wollen Scholz und die Länder-Spitzen bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 6. November beraten. Die Länderchefs sprachen sich bereits im Vorfeld unter anderem für eine Bezahlkarte für Geflüchtete und schnellere und konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber aus. (dpa/AFP)


Aus: "Behörden erhalten erweiterte Befugnisse: Kabinett billigt Gesetzentwurf für schnellere Abschiebungen" (25.10.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/kabinett-billigt-gesetzentwurf-fur-schnellere-abschiebungen-10679977.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/kabinett-billigt-gesetzentwurf-fur-schnellere-abschiebungen-10679977.html)
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 17, 2023, 12:42:40 PM
Quote[...] Unionsfraktionsvize Jens Spahn plädiert dafür, alle irregulär in die EU gelangenden Geflüchteten nach Ghana, Ruanda oder in osteuropäische Nicht-EU-Länder abzutransportieren.

,,Wenn wir das vier, sechs, acht Wochen lang konsequent durchziehen, dann werden die Zahlen dramatisch zurückgehen", sagte der CDU-Politiker der ,,Neuen Osnabrücker Zeitung" in einem am Sonntag veröffentlichten Interview.

Viele Menschen würden sich gar nicht mehr auf den Weg in Richtung Europäische Union machen, ,,wenn klar ist, dass dieser binnen 48 Stunden in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU führt", führte Spahn aus.

Der Drittstaaten-Vorschlag bildet den Kern des Migrationskonzeptes in dem am vergangenen Montag vorgelegten Entwurf des neuen CDU-Grundsatzprogramms. Ziel seien ,,vertragliche Vereinbarungen, wonach Flüchtlinge dort ein Asylverfahren bekommen und im Falle der Schutzgewährung dort sicher bleiben können", erläuterte Spahn.

,,Ruanda wäre wohl dazu bereit, Ghana möglicherweise auch." Auch mit osteuropäischen Ländern wie Georgien und Moldau solle gesprochen werden.

In der Genfer Flüchtlingskonvention stehe nicht, dass Schutz vor Kriegsverfolgung in der EU gewährt werden müsse, betonte Spahn. Wenn dafür gesorgt sei, dass Geflüchtete in Drittstaaten ,,einen sicheren Schutzraum bekommen, dort gut versorgt werden und ohne Angst leben können, dann ist das Ziel der Flüchtlingskonvention erfüllt". (AFP)


Aus: "Ruanda und Ghana als Ziele vorgeschlagen: Spahn will Geflüchtete in Drittstaaten abschieben" (17.12.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/binnen-48-stunden-spahn-will-gefluchtete-in-drittstaaten-abschieben-10938751.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/binnen-48-stunden-spahn-will-gefluchtete-in-drittstaaten-abschieben-10938751.html)

QuoteHolgiS
17.12.23 12:00

... Herr Spahn hat es immer noch nicht kapiert: Anbiedern an die AfD hilft der CDU nicht. Die Leute wählen das Original.


QuoteAPO
17.12.23 11:58

,,Und wenn die Botschaft durchdringt, werden die Leute nicht mehr Schlepper und Schleuser bezahlen, sich nicht mehr auf diese gefährliche Mittelmeerroute begeben. Dann wird dieses fürchterliche Sterben enden, und dann wird das Recht des Stärkeren – es kommen fast nur junge Männer – aufhören"

Es ist sehr schade, dass augerechnet dieser Passus nicht zitiert wurde. Warum?


Quotewokeaswokecanbe
17.12.23 11:26

Wie christlich.


QuoteAPO
17.12.23 11:58
@wokeaswokecanbe am 17.12.23 11:26

Das Sterben im Mittelmeer zu beenden ist tatsächlich christlich.


QuoteWunschdenken
17.12.23 11:06

Herr Spahn könnte sich auch mal überlegen, ob er in der AFD vielleicht besser aufgehoben ist. Da stört das Wort Christlich im Namen auch nicht.
So einen populistischen Mist aus der CDU ist der Partei jedenfalls unwürdig. Aber unter Merz passt auch das ins Bild.


QuoteCobra
17.12.23 11:58
@Wunschdenken am 17.12.23 11:06
Was ist so schlimm, wenn Ruanda Flüchtlinge aufnehmen würde?

Spahn macht sich wenigstens Gedanken.
So kann's ja nicht weiter gehen, wir platzen aus allen Nähten.


Quotexypsi
17.12.23 12:00
@Wunschdenken am 17.12.23 11:06

Dann sollten Sie sich aber nicht über Tote im Mittelmeer aufregen.
Der Vorschlag von Spahn wäre ein wirksames Mittel, um Tote im Mittelmeer zu verhindern.
Der Mechanismus ist bekannt, siehe Australien


QuoteZyclon
17.12.23 11:05

Zum Glück hat der europäische Gerichtshof schon anders entscheiden und festgestellt, das in Ruanda dei Einhaltung von Menschenrechten für die Flüchtlige nicht garantiert werden kann.
Die britische Regierung hat sich schon vom eigenem obersten Gericht und vom europäischem Gerichtshof einige Ohrfeigen geholt.
Dänemark konnte das nicht umsetzen.

Herr Spahn ist gross in Ankündigungen.

...


QuoteCommerzienrat
17.12.23 11:04
Was ist an der CDU/CSU noch "Christlich "? Was ist das für eine erbärmliche Idee, Herr Spahn. ... Herr Merz und Herr Spahn müssen sich an die menschenverachtende Politik der AfD anbiedern, um wieder wählbar zu sein? Arme Christdemokraten!


Quotenudels
17.12.23 10:59

Um den Vorschlag von Spahn besser einordnen zu können, sollte man sich Spahns Aufruf zu Gewalt gegenüber Flüchtlingen an der EU-Außengrenze verinnerlichen.


Quotekaiser_k
17.12.23 10:28

Angesichts der deutschen Geschichte in Afrika, wie in Osteuropa, ist allein die Idee nicht nur menschenverachtend, sondern mieft gewaltig nach der Mentalität eines Kolonialismus der uralten Tage. Welche Arroganz muss da im Helm von Herrn Spahn vor sich gehen, um mit so einem billigen Populismus am Adventssonntag punkten zu wollen.
Man stelle sich vor: die Bürger von Zehlendorf verfrachten die Penner vom S-Bahnhof in einen Bus nach Hellersdorf oder Neukölln, weil sie ihren Weihnachtseinkauf gestört sehen.

...


QuoteRedworld
17.12.23 10:25

Entsprechende Gesetze wurden dieses Jahr gerade vom britischen Supreme Court zurückgewiesen, unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention, welche auch in Deutschland gilt. Ein solches Verfahren wäre in Deutschland genauso rechtswidrig wie im Vereinigten Königreich. Spahn weiß das und macht hier trotzdem ein bisschen heiße Luft. Es geht ja auch nicht darum, einen angemessenen Umgang mit Schutz suchenden Menschen zu finden, sondern dem rechten Rand ein paar Schmankerl hinzuwerfen, die irgendwas signalisieren sollen. Der ganze Blödsinn ist nicht gar nicht umsetzbar, und basiert auf der rassistischen Vorstellung, dass Ruanda und Ghana, beides sehr arme afrikanische Länder, für Flüchtende so unattraktiv sind, dass sie es doch vorziehen, an Hunger, Krieg oder Not zu verrecken.

Wenn Deutschland sein ,,Asylproblem" nicht in den Griff bekommt, dann wegen derartiger absurder Vorschläge.


QuoteMitreden
17.12.23 11:57
@Redworld am 17.12.23 10:25

Hunger, Krieg und Not sind keine individuellen Asylgründe.


Quoteschnauzer1
17.12.23 10:11

Trittbrettfahrer Spahn nutzt das Kielwasser der Briten , um einen politischen Treffer zu landen.


QuoteWeltenbeobachter
17.12.23 09:05

Ruanda und Ghana sind meines Wissens nach souveräne Staaten und in keinerlei Weise verpflichtet Menschen aufzunehmen, die nicht ihre Staatsbürgerschaft haben.

Die Idee ist absoluter Mist.


Quotexypsi
17.12.23 10:11
@Weltenbeobachter am 17.12.23 09:05

Verpflichtet nicht, aber möglicherweise bereit dazu. Siehe das Beispiel Großbritannien.
Die würden sich das natürlich bezahlen lassen


QuoteWeltenbeobachter
17.12.23 11:18
@xypsi am 17.12.23 10:11

Also Menschenhandel.


QuoteCrusito
17.12.23 10:40
@Weltenbeobachter am 17.12.23 09:05

Richtig. Die Idee mit dem Abschieben funktioniert eh nicht. Einfach sämtliche Leistungen für illegale Einwanderer komplett einstellen und auch für Asylsuchenden auf ein Minimum beschränken, dann kommen nur noch die, die wirklich in Not sind und alle anderen nicht mehr.


...
Title: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 19, 2023, 10:42:52 AM
Quote[...] Die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung sind zum Teil extrem schlecht. Werkverträge an Subunternehmen und Leiharbeit zu verbieten, könnte dagegen helfen – und wäre rechtlich möglich. Das zeigt ein neues Gutachten von Rechtswissenschaftler*innen für das Hugo-Sinzheimer-Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Missstände in der Paketbranche sind unübersehbar und haben die Politik auf den Plan gerufen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat im April neue Vorgaben für den Arbeitsschutz in diesem Bereich angekündigt, unter anderem sollen Pakete über 20 Kilo nur noch von zwei Personen zugestellt werden dürfen. Der Bundesrat hat im Mai die Bundesregierung aufgerufen, für die Paketzustellung die Vergabe von Werkverträgen an Subunternehmen zu verbieten – wie es die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schon länger fordert. Ob ein solches Verbot mit dem Grundgesetz und EU-Recht vereinbar wäre, haben Anneliese Kärcher und Prof. Dr. Manfred Walser von der Hochschule Mainz im Auftrag des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht untersucht. Ergebnis des Gutachtens, das heute auch auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wird: Einem ,,Direktanstellungsgebot", das verschlungene Konstruktionen mit Subunternehmen verhindern würde und an bereits bestehende Regelungen in der Fleischwirtschaft angelehnt sein könnte, steht rechtlich nichts im Wege.

Die Entwicklung in der Paketbranche weist laut dem Gutachten eine deutliche Unwucht auf: Das Geschäft boomt, dank der zunehmenden Bedeutung des Onlinehandels hat sich das Sendungsvolumen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt und 2021 mit 4,5 Milliarden beförderten Paketen ein neues Rekordhoch erreicht. Die Zustellerinnen und Zusteller scheinen davon aber wenig zu haben: Der Stundenlohn von Vollzeitbeschäftigten, der 2009 im Schnitt bei 17,12 Euro lag, betrug 2020 gerade einmal 17,13 Euro, was einem realen Minus von 15 Prozent entspricht. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat in der Branche in den vergangenen Jahren immer wieder ,,eklatante Verstöße" gegen das Mindestlohngesetz festgestellt. Von gewerkschaftlicher Seite und von Beratungsstellen wird berichtet, dass unbezahlte Überstunden ebenso verbreitet sind wie unberechtigte Lohnabzüge für Verzögerungen oder Schäden an Paketen und Fahrzeugen. Pausen fallen demnach regelmäßig aus, die Höchstarbeitszeit wird oft weit überschritten. Gleichzeitig ist die Arbeitsbelastung enorm, 2018 fühlten sich 59 Prozent der Beschäftigten körperlich und 34 Prozent emotional erschöpft.

Kärcher und Walser legen dar, dass diese Missstände mit der Struktur der Paketbranche zusammenhängen. Von den sechs großen Konzernen, die den Wirtschaftszweig hierzulande dominieren, lasse nur DHL Pakete nahezu vollständig von der eigenen Belegschaft zustellen. Die anderen Unternehmen setzten zu einem mehr oder weniger großen Anteil auf kleine oder mittelgroße Subunternehmen. Amazon etwa beschäftige überhaupt keine Stammarbeitskräfte in der Zustellung, sondern habe diesen Bereich komplett ausgelagert. Insgesamt sei fast die Hälfte der Zustellerinnen und Zusteller in Deutschland bei Subunternehmen angestellt, 2 Prozent von ihnen seien soloselbstständig. Über die Jahre sei ,,eine stark zerklüftete Branche mit vielen Kleinstunternehmen" entstanden, 88 Prozent der insgesamt 14400 Unternehmen in der Branche hätten weniger als 20 Beschäftigte.

Die beiden Fachleute erklären diese Entwicklung mit der harten Preiskonkurrenz: Insbesondere im Onlinehandel seien Versand- und Rücksendekosten ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. ,,Die letzte Meile", also die Beförderung der Pakete vom Depot zur Kundschaft, mache wiederum gut drei Viertel der Kosten insgesamt aus. Indem die großen Konzerne diesen Teil der Dienstleistung auslagern, können sie den Preisdruck durch rigide Vorgaben an ihre Subunternehmen weitergeben, ohne für die Folgen arbeitsrechtlich geradestehen zu müssen. Am Ende der Kette stünden die abhängig Beschäftigten der Subunternehmen und die Soloselbstständigen, die für wenig Geld ein enormes Arbeitspensum bewältigen müssen, um die Vorgaben der großen Anbieter zu erfüllen.

Die Vergabe der Paketzustellung an Subunternehmen gesetzlich zu verbieten, um diesem Treiben ein Ende zu machen, wäre zweifellos ein Eingriff in die Berufsfreiheit, schreiben Kärcher und Walser. Ein solcher Eingriff müsse aus verfassungsrechtlicher Sicht ,,durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, geeignet und erforderlich sein". Zudem müsse bei der Gesamtabwägung ,,die Grenze der Zumutbarkeit" beachtet werden.

Ein Direktanstellungsgebot würde in erster Linie auf den Schutz der Beschäftigten vor erheblichen Missständen abzielen, heißt es in dem Gutachten. Es würde zwar nicht automatisch zu besseren Arbeitsbedingungen führen, aber Transparenz schaffen und klare rechtliche Verantwortlichkeiten herstellen. Strukturelle Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorgaben dürften seltener werden, wenn die großen Paketdienstleister dafür haftbar gemacht werden können. Die Beschäftigten, die bei den derzeitigen undurchschaubaren Subunternehmerketten teilweise nicht einmal wissen, wer juristisch ihr Arbeitgeber ist, könnten leichter ihre Ansprüche durchsetzen. Die Behörden könnten effektive Kontrollen durchführen.

Gleichzeitig wären die Voraussetzungen für mehr betriebliche Mitbestimmung geschaffen, an der es momentan in der Paketbranche schon deshalb mangelt, weil viele der unzähligen Kleinstunternehmen gar nicht die gesetzlich nötige Größe aufweisen. Mehr Betriebsräte wiederum würden dazu beitragen, die Rechte der Beschäftigten durchzusetzen, unter anderem in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Darüber hinaus würde auch das Tarifsystem stabilisiert, das bisher darunter leidet, dass kaum ein Subunternehmen Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist und die Gewerkschaften unmöglich Firmentarifverträge in tausenden Kleinstunternehmen durchsetzen können. Die Rahmenbedingungen für eine funktionsfähige Tarifautonomie sicherzustellen, sei dabei genauso wie der Schutz von Beschäftigten eine staatliche Aufgabe. Schließlich dürfte ein Direktanstellungsgebot noch dazu beitragen, dass Steuern und Sozialabgaben korrekt abgeführt werden und Verkehrsdelikte, zu denen Zustellerinnen und Zusteller unter extremem Zeitdruck häufig gezwungen sind, vermieden werden. Alles in allem sei ein solches Gebot geeignet, eine Vielzahl legitimer Zwecke zu erreichen.

Zur Erreichung dieser Zwecke dürfe es keine gleich effektiven, aber milderen Mittel geben, damit der Eingriff in die Berufsfreiheit auch als erforderlich gelten kann, schreiben Kärcher und Walser. Nach ihrer Einschätzung ist das tatsächlich der Fall. Mehr gesetzliche Vorgaben – wie ein Verbot von sachgrundlosen Befristungen oder eine verschärfte Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung – wären zwar unter Umständen auch sinnvoll. Es gebe aber in der Paketzustellung ein ,,Durchsetzungsdefizit", das in der Branchenstruktur fußt, die zur Verschleierung von Verantwortlichkeiten beiträgt. Aus ähnlichen Gründen wären eine Stärkung der Kontrollbehörden, eine Lizenzpflicht für die Paketzustellung oder eine ,,Nachunternehmerhaftung" für arbeitsrechtliche Unregelmäßigkeiten bei Subunternehmen ebenfalls keine ausreichende Lösung für die bestehenden Probleme: Intransparente Subunternehmerketten machten Kontrollen extrem aufwendig und eine ausreichende Kontrolldichte praktisch unmöglich.

Unter dem Strich stellen die juristischen Fachleute fest, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit der Subunternehmer zwar ,,zweifellos von nicht unerheblicher Intensität" ist. Die betroffenen Schutzgüter – wie der Arbeits- und Gesundheitsschutz und damit das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – seien allerdings von überragender Bedeutung. Die rein wirtschaftlichen Interessen der Paketunternehmen wögen das nicht auf. Bei einer ,,Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe" erscheine ein Direktanstellungsgebot zumutbar und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Kärcher und Walser weisen auf die Gefahr hin, dass Unternehmen bei einem bloßen Verbot von Werkverträgen Beschäftigung in großem Stil in die Leiharbeit verlagern könnten, um Direktanstellungen zu vermeiden. Insofern gebe es ,,gute und verfassungsrechtlich tragfähige Gründe" nicht nur Werkverträge, sondern auch Leiharbeit in der Paketzustellung zu verbieten.

Die Gutachtenden haben auch geprüft, inwieweit ein Direktanstellungsgebot mit EU-Recht vereinbar wäre. Ein entsprechendes Gesetz würde demnach unzweifelhaft die Dienstleistungsfreiheit beschränken. Eine solche Beschränkung könne aber unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein, die sich weitgehend mit den verfassungsrechtlichen Kriterien decken.

Der Europäische Gerichtshof habe bereits mehrfach bestätigt, dass der Schutz von Beschäftigten ebenso wie die Beseitigung von ,,strukturellen faktischen Kontrolldefiziten" staatliche Eingriffe rechtfertigen können. Auch eine Diskriminierung liege nicht vor, weil ein Verbot von Subunternehmen unterschiedslos für inländische und ausländische Anbieter gelten würde.



Anneliese Kärcher, Manfred Walser: Vereinbarkeit eines Direktanstellungsgebots in der Paketzustellung mit dem Verfassungs- und Unionsrecht, HSI Working Paper Nr. 18, September 2023.
https://www.boeckler.de/content/xpublication.xml?source=hsi&id=HBS-008692 (https://www.boeckler.de/content/xpublication.xml?source=hsi&id=HBS-008692)


Aus: "Studie im Auftrag des HSI - Paketbranche: Verbot von Subunternehmen wirksam gegen Missstände und rechtlich zulässig, zeigt neues Gutachten" (15.09.2023)
Quelle: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-paketbranche-52074.htm (https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-paketbranche-52074.htm)

Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Düsseldorf. Benannt nach dem ersten Vorsitzenden des DGB, Hans Böckler, ist sie allen ihren Aufgabenfeldern der Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip verpflichtet und wirbt für diese Idee. ... Die Hans-Böckler-Stiftung hatte Ende 2021 etwa 220 Beschäftigte ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-B%C3%B6ckler-Stiftung (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-B%C3%B6ckler-Stiftung)

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Quote[...] Um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in Deutschlands Paketbranche zu unterbinden, fordern zwei Grünenpolitiker härtere Regeln für den Einsatz von Subunternehmern. Die Weitergabe von Aufträgen an Sub-Sub- oder sogar Sub-Sub-Sub-Unternehmer sollte verboten werden, sagten die Bundestagsabgeordneten Sandra Detzer und Frank Bsirske der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die anstehende Postgesetzreform. Dies könnte die Arbeitsbedingungen verbessern. Derzeit sei die Lage düster. ,,Die Subunternehmerketten in der Paketbranche begünstigen systematisch Rechtsbruch, den wir nicht länger zulassen dürfen", sagte Bsirske.

Nach Vorstellung der Grünen sollte nur noch der Einsatz von Subunternehmern erlaubt sein. Die Gewerkschaft Verdi, deren Chef Bsirske bis 2019 war, setzt sich hingegen für ein Komplettverbot ein, also einschließlich Subunternehmen. Aus rechtlichen Gründen will der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion aber nicht so weit gehen, da das Bundesverfassungsgericht ein solches Verbot kippen könnte.

Laut einem Schreiben der Generalzolldirektion an das Bundesfinanzministerium vom Oktober ist die Kurier-, Express- und Paketbranche ,,aufgrund komplexer und weit verbreiteter Subunternehmerketten für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungsformen anfällig". Arbeitnehmer könnten oft ihren Arbeitgeber nicht nennen, da diese regelmäßig wechselten, umfirmierten und so ganze Teile einer Subunternehmerkette ausgetauscht werden könnten. Man ermittle zu Sachverhalten, die der schweren strukturellen Kriminalität oder der organisierten Kriminalität zuzuordnen seien.

Das Wirtschaftsministerium hatte im November einen Reformvorschlag vorgelegt, demzufolge Sub-Sub-Sub-Strukturen zwar auch künftig möglich sind. Die Regeln sollen aber verschärft werden. Auftraggeber sollen stärker in die Verantwortung genommen werden, indem sie externe Dienstleister regelmäßig nach bestimmten Kriterien überprüfen.

Der Ampel-Koalitionspartner FDP sieht den Einsatz von Subunternehmern weniger kritisch als die Grünen und die SPD. ,,Es gibt schwarze Schafe, die man bestrafen muss, aber insgesamt handelt es sich um ein funktionierendes und bewährtes System", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. Sein Pendant bei den Grünen ist Detzer.

Houben weist auf saisonale Schwankungen im Paketgeschäft hin - für Auftragsspitzen eigneten sich Subunternehmer besser als die dauerhaft angestellte Stammbelegschaft einer Paketfirma. Hinzu komme, dass Subunternehmer die Expertise für spezielle Produkte hätten - ein Wissen, was bei Auftraggebern mitunter nicht vorhanden sei. ,,Ein Verbot von Sub-Sub-Strukturen macht keinen Sinn - es würde kleinen Firmen die Existenzgrundlage entziehen."

Deutschlands Paketfirmen setzen unterschiedlich stark auf Subunternehmer. Marktführer DHL erledigt die Zustellung weitestgehend über eigenes Personal. Für die Konkurrenz sind Subunternehmer hingegen sehr wichtig. Am Mittwoch könnte das Bundeskabinett den Reformvorschlag des Wirtschaftsministeriums annehmen. Danach wären Bundestag und Bundesrat am Zug. Im Frühjahr könnte die Reform beschlossene Sache sein. (dpa)


Aus: "Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung: Grünen-Politiker wollen härtere Regeln für Subunternehmer-Strukturen in Paketbranche" (19.12.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schwarzarbeit-und-illegale-beschaftigung-grunen-politiker-wollen-hartere-regeln-fur-subunternehmer-strukturen-in-paketbranche-10947139.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schwarzarbeit-und-illegale-beschaftigung-grunen-politiker-wollen-hartere-regeln-fur-subunternehmer-strukturen-in-paketbranche-10947139.html)
Title: Re: [Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 05, 2024, 01:04:41 PM
Quote[...] August 1940: Das Tempo, mit dem die Deutschen vorrücken, ist unfassbar, die Flüchtlinge werden davon genauso überrascht wie die französischen Truppen. Viele fliehen letztlich zu Fuß aus Paris. Sie wollen zu den Häfen, nach Marseille, die größte Stadt in der unbesetzten Zone, nah an Spanien, fern von den Nazis. Von Marseille aus wollen sie Europa verlassen, doch dazu brauchen sie vor allem: Papiere. Ausreise-, Einreise- und Transit-Visa und: Geld, für die Schiffspassage, für Hotels, für Essen.

... Das Risiko für Varian Fry war hoch: Wenn die Deutschen sein als Hilfsorganisation getarntes Fluchtsystem entlarvt hätten, hätten sie sicher kurzen Prozess mit ihm gemacht. Frys Motivation ist die Literatur: Er ist ein Enthusiast der Avantgarde, die europäischen Schriftsteller seiner Zeit sind für ihn Helden der Zivilisation, der Kultur. Fry ist ein kompromissloser Idealist, seine unnachgiebige Art macht es ihm nicht immer leicht, der Streit mit den amerikanischen Geldgebern wird zur bizarren, hochemotionalen Nebenerzählung.

Dazu sei gekommen, dass das amerikanische Außenministerium überhaupt kein Interesse daran hatte politisch aktive, von den Nazis verfolgte Schriftsteller nach Amerika zu holen, so Wittstock. Auch in Amerika habe es eine gewisse Zurückhaltung Juden gegenüber gegeben: "Es war nicht so, dass die mit offenen Armen empfangen wurden, das kennen wir ja aus heutigen Zeiten, man hat lieber keine Flüchtlinge, die ins Land strömen".

... "Marseille 1940" ist ein erstaunliches Buch, eine absolute Lese-Empfehlung, und das gilt nicht nur für Literatur-Experten. Man muss die Werke der Betroffenen nicht kennen, um die Geschichte ihrer Flucht zu verfolgen. "Marseille 1940" ist ein Buch über Angst, Hoffnung und Mitmenschlichkeit, über Strategien der Selbsterhaltung und politische Überzeugungen, und vor allem: über das nackte Überleben.

...


Aus: ""Marseille 1940": Die große Flucht der Literatur" Julie Metzdorf (23.02.2024)
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/kultur/marseille-1940-die-grosse-flucht-der-literatur,U57grBo (https://www.br.de/nachrichten/kultur/marseille-1940-die-grosse-flucht-der-literatur,U57grBo)